Das Urantia Buch I "Das Zentraluniversum und Superuniversen"{1} II "Das Lokaluniversum"{2} III "Die Geschichte Urantias"{3} IV "Das Leben und die Lehren Jesu"{4} www.urantia.org www.truthbook.com ****** Inhalte ****** 0 Vorwort 0.1 Gottheit und Göttlichkeit 0.2 Gott 0.3 Der Erste Zentrale Ursprung 0.4 Universumsrealität 0.5 Persönlichkeitsrealitäten 0.6 Energie und Urmuster 0.7 Das Supreme Wesen 0.8 Der Siebenfache Gott 0.9 Der Ultime Gott 0.10 Der Absolute Gott 0.11 Die Drei Absoluten 0.12 Die Trinitäten I Das Zentraluniversum und Superuniversen 1 Der Universale Vater 1.1 Der Name des Vaters 1.2 Die Realität Gottes 1.3 Gott ist ein Universaler Geist 1.4 Das Mysterium Gottes 1.5 Die Persönlichkeit des Universalen Vaters 1.6 Die Persönlichkeit im Universum 1.7 Geistiger Wert des Persönlichkeitskonzepts 2 Die Natur Gottes 2.1 Die Unendlichkeit Gottes 2.2 Die Ewige Vollkommenheit des Vaters 2.3 Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit 2.4 Die göttliche Barmherzigkeit 2.5 Die Liebe Gottes 2.6 Die Güte Gottes 2.7 Göttliche Wahrheit und Schönheit 3 Die Attribute Gottes 3.1 Gottes Allgegenwart 3.2 Gottes unendliche Macht 3.3 Gottes universales Wissen 3.4 Gottes Grenzenlosigkeit 3.5 Des Vaters Höchste Herrschaft 3.6 Des Vaters Primat 4 Gottes Beziehung zum Universum 4.1 Die Haltung des Vaters im Universum 4.2 Gott und Natur 4.3 Gottes unwandelbarer Charakter 4.4 Gotteserkenntnis 4.5 Irrige Vorstellungen von Gott 5 Gottes Beziehung zum Einzelnen 5.1 Der Zugang zu Gott 5.2 Die Gegenwart Gottes 5.3 Wahre Anbetung 5.4 Gott in der Religion 5.5 Das Gottesbewusstsein 5.6 Der Gott der Persönlichkeit 6 Der Ewige Sohn 6.1 Identität des Ewigen Sohnes 6.2 Natur des Ewigen Sohnes 6.3 Das liebende Wirken des Vaters 6.4 Die Attribute des Ewigen Sohnes 6.5 Begrenzungen des Ewigen Sohnes 6.6 Der Geist-Verstand 6.7 Persönlichkeit des Ewigen Sohnes 6.8 Das klare Erkennen des Ewigen Sohnes 7 Beziehung des Ewigen Sohnes zum Universum 7.1 Der Kreislauf der Geistgravitation 7.2 Die Verwaltung des Ewigen Sohnes 7.3 Die Beziehung des Ewigen Sohnes zum Einzelnen 7.4 Die Pläne göttlicher Vollkommenheit 7.5 Der Geist der Selbsthingabe 7.6 Die Paradies-Söhne Gottes 7.7 Die höchste Offenbarung des Vaters 8 Der Unendliche Geist 8.1 Der Gott der Aktion 8.2 Die Natur des Unendlichen Geistes 8.3 Beziehung des Geistes zu Vater und Sohn 8.4 Der Geist göttlicher Zuwendung 8.5 Die Gegenwart Gottes 8.6 Persönlichkeit des Unendlichen Geistes 9 Beziehung des Unendlichen Geistes zum Universum 9.1 Attribute des Dritten Zentralen Ursprungs 9.2 Der Allgegenwärtige Geist 9.3 Der Universale Manipulator 9.4 Der Absolute Verstand 9.5 Das Wirken des Verstandes 9.6 Der Verstandes-Gravitationskreis 9.7 Die Universums-Reflexivität 9.8 Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes 10 Die Paradies Trinität 10.1 Selbstausteilung des Ersten Zentralen Ursprungs 10.2 Personifizierung der Gottheit 10.3 Die drei Personen der Gottheit 10.4 Die Vereinigung der Gottheit in der Trinität 10.5 Funktionen der Trinität 10.6 Die Stationären Söhne der Trinität 10.7 Die Höchste Kontrolle der Suprematie 10.8 Die Trinität jenseits des Endlichen 11 Die Ewige Paradies Insel 11.1 Die Göttliche Residenz 11.2 Natur der ewigen Insel 11.3 Das Obere Paradies 11.4 Das Periphere Paradies 11.5 Das Untere Paradies 11.6 Die Atmung des Raums 11.7 Raumfunktionen des Paradieses 11.8 Gravitation des Paradieses 11.9 Die Einmaligkeit des Paradieses 12 Das Universum der Universen 12.1 Raumebenen des Alluniversums 12.2 Die Bereiche des Eigenschaftslosen Absoluten 12.3 Universale Gravitation 12.4 Raum und Bewegung 12.5 Raum und Zeit 12.6 Universale Höchste Kontrolle 12.7 Der Teil und das Ganze 12.8 Materie, Verstand und Geist 12.9 Persönliche Realitäten 13 Die Heiligen Welten des Paradieses 13.1 Die Sieben Heiligen Welten des Vaters 13.2 Beziehungen zu den Vater-Welten 13.3 Die Heiligen Welten des Ewigen Sohnes 13.4 Die Welten des Unendlichen Geistes 14 Das Zentrale Göttliche Universum 14.1 Das Paradies-Havona-System 14.2 Die Beschaffenheit von Havona 14.3 Die Welten Havonas 14.4 Die Geschöpfe des Zentraluniversums 14.5 Das Leben in Havona 14.6 Der Zweck des Zentraluniversums 15 Die sieben Superuniversen 15.1 Die Raumebene der Superuniversen 15.2 Organisation der Superuniversen 15.3 Das Superuniversum von Orvonton 15.4 Die Nebel - Vorläufer der Universen 15.5 Der Ursprung der Raumkörper 15.6 Die Sphären des Raums 15.7 Die architektonischen Sphären 15.8 Energiekontrolle und -regulierung 15.9 Die Kreisläufe der Superuniversen 15.10 Die Lenker der Superuniversen 15.11 Die Beratende Versammlung 15.12 Die Höchsten Tribunale 15.13 Die Regierungen der Sektoren 15.14 Die Ziele der sieben Superuniversen 16 Die sieben Hauptgeiste 16.1 Beziehung zu der Dreieinigen Gottheit 16.2 Beziehung zum Unendlichen Geist 16.3 Identität und Verschiedenheit der Hauptgeiste 16.4 Attribute und Funktionen der Hauptgeiste 16.5 Beziehung zu den Geschöpfen 16.6 Der Kosmische Verstand 16.7 Sittlichkeit, Tugend und Persönlichkeit 16.8 Die Persönlichkeit auf Urantia 16.9 Realität des menschlichen Bewusstseins 17 Die sieben Gruppen Supremer Geiste 17.1 Die Sieben Supremen Vollzieher 17.2 Majeston - Haupt der Reflexivität 17.3 Die reflexiven Geiste 17.4 Die reflexiven Bild-Helfer 17.5 Die sieben Geiste der Kreise 17.6 Die schöpferischen Geiste der Lokaluniversen 17.7 Die mentalen Hilfsgeiste 17.8 Funktionen der Supremen Geiste 18 Die Supremen Persönlichkeiten der Trinität 18.1 Die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie 18.2 Die Ewigen der Tage 18.3 Die Ältesten der Tage 18.4 Die Vollkommenen der Tage 18.5 Die Jüngsten der Tage 18.6 Die Einiger der Tage 18.7 Die Getreuen der Tage 19 Die Koordinierten Wesen Trinitären Ursprungs 19.1 Die Lehrersöhne der Trinität 19.2 Die Vervollkommner der Weisheit 19.3 Die Göttlichen Ratgeber 19.4 Die Universellen Zensoren 19.5 Die Inspirierten Geiste der Trinität 19.6 Die Einheimischen Havonas 19.7 Die Bürger des Paradieses 20 Die Paradies-Söhne Gottes 20.1 Die Niedersteigenden Söhne Gottes 20.2 Die Richtersöhne 20.3 Richterliche Handlungen 20.4 Richtermissionen 20.5 Selbsthingabe der Paradies Söhne Gottes 20.6 Der irdische Werdegang der Söhne der Selbsthingabe 20.7 Die Lehrersöhne der Trinität 20.8 Das Wirken der Daynale im Lokaluniversum 20.9 Planetarischer Dienst der Daynale 20.10 Der vereinte Dienst der Paradies Söhne 21 Die Paradies-Schöpfersöhne 21.1 Ursprung und Wesen der Schöpfersöhne 21.2 Die Schöpfer der Lokaluniversen 21.3 Die Souveränität über das Lokaluniversum 21.4 Die Selbsthingaben der Michaele 21.5 Beziehung der Meistersöhne zum Universum 21.6 Bestimmung der Meister-Michaele 22 Die Trinitisierten Söhne Gottes 22.1 Die durch die Trinität umfangenen Söhne Gottes 22.2 Die Mächtigen Botschafter 22.3 Die mit Hoher Autorität Begabten 22.4 Die Namen- und Nummernlosen 22.5 Die Trinitisierten Hüter 22.6 Die Trinitisierten Botschafter 22.7 Die Technik der Trinitisation 22.8 Die durch Geschöpfe trinitisierten Söhne 22.9 Die Himmlischen Wächter 22.10 Die Assistenten der Hohen Söhne 23 Die Einsamen Botschafter 23.1 Natur und Ursprung der Einsamen Botschafter 23.2 Aufgaben der Einsamen Botschafter 23.3 Dienste der Einsamen Botschafter in Zeit und Raum 23.4 Besonderes Wirken der Einsamen Botschafter 24 Höhere Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes 24.1 Die Überwacher der Universumskreise 24.2 Die Leiter der Geschöpfeszählung 24.3 Die Persönlichen Helfer des Unendlichen Geistes 24.4 Die Beigeordneten Inspektoren 24.5 Die Zugeteilten Wachen 24.6 Die Führer der Graduierten 24.7 Ursprung der Führer der Graduierten 25 Die Botschafterheere des Raums 25.1 Die Serviten Havonas 25.2 Die Universellen Schlichter 25.3 Der weitreichende Dienst der Schlichter 25.4 Die Technischen Berater 25.5 Die Archivverwalter im Paradies 25.6 Die Himmlischen Chronisten 25.7 Die Morontiellen Gefährten 25.8 Die Paradies-Gefährten 26 Die Dienenden Geiste des Zentraluniversums 26.1 Die Dienenden Geiste 26.2 Die Mächtigen Supernaphim 26.3 Die Tertiären Supernaphim 26.4 Die Sekundären Supernaphim 26.5 Die Helfer der Pilger 26.6 Die Führer zur Suprematie 26.7 Die Führer zur Trinität 26.8 Die Auffinder des Sohnes 26.9 Die Führer zum Vater 26.10 Die Ratgeber und Beistände 26.11 Die Vollender der Ruhe 27 Das Wirken der Primären Supernaphim 27.1 Die Anleiter zur Ruhe 27.2 Die Leiter der Zuteilung 27.3 Die Interpreten der Ethik 27.4 Die Unterweiser im Verhalten 27.5 Die Hüter des Wissens 27.6 Die Meister der Philosophie 27.7 Die Leiter der Anbetung 28 Die Dienenden Geiste der Superuniversen 28.1 Die Tertiaphim 28.2 Die Omniaphim 28.3 Die Sekonaphim 28.4 Die Primären Sekonaphim 28.5 Die Sekundären Sekonaphim 28.6 Die Tertiären Sekonaphim 28.7 Der Dienst der Sekonaphim 29 Die Machtlenker des Universums 29.1 Die Sieben Supremen Machtlenker 29.2 Die Supremen Machtzentren 29.3 Die Domäne der Machtzentren 29.4 Die Physischen Hauptüberwacher 29.5 Die Haupt-Kraftorganisatoren 30 Persönlichkeiten des Grossen Universums 30.1 Die Paradies Klassifizierung der Lebewesen 30.2 Das Persönlichkeitsregister von Uversa 30.3 Die Freundlichkeitskolonien 30.4 Die aufsteigenden Sterblichen 31 Das Korps der Finalität 31.1 Die Einheimischen Havonas 31.2 Gravitationsbotschafter 31.3 Verherrlichte Sterbliche 31.4 Adoptierte Seraphim 31.5 Verherrlichte Materielle Söhne 31.6 Verherrlichte Mittler-Geschöpfe 31.7 Die Verkündiger des Lichts 31.8 Die Transzendentalen 31.9 Die Architekten des Alluniversums 31.10 Das Ultime Abenteuer II Das Lokaluniversum 32 Die Evolution der Lokaluniversen 32.1 Das physische Erwachen der Universen 32.2 Organisation des Universums 32.3 Die evolutionäre Idee 32.4 Gottes Beziehung zu einem Lokaluniversum 32.5 Das Ewige und Göttliche Vorhaben 33 Verwaltung des Lokaluniversums 33.1 Michael von Nebadon 33.2 Der Souverän von Nebadon 33.3 Universumssohn und Universumsgeist 33.4 Gabriel - der Regierungs-Chef 33.5 Die Botschafter der Trinität 33.6 Allgemeine Verwaltung 33.7 Die Gerichtshöfe Nebadons 33.8 Legislative und exekutive Funktionen 34 Der Muttergeist des Lokaluniversums 34.1 Personifizierung des Schöpferischen Geistes 34.2 Natur der Göttlichen Ministerin 34.3 Der Sohn und der Geist in Zeit und Raum 34.4 Die Kreisläufe des Lokaluniversums 34.5 Das dienende Amt des Geistes 34.6 Der Geist im Menschen 34.7 Der Geist und das Fleisch 35 Die Lokaluniversumssöhne Gottes 35.1 Der Melchisedek-Vater 35.2 Die Melchisedek-Söhne 35.3 Die Melchisedek-Welten 35.4 Besonderes Wirken der Melchisedeks 35.5 Die Vorondadek-Söhne 35.6 Die Väter der Konstellation 35.7 Die Vorondadek-Welten 35.8 Die Lanonandek-Söhne 35.9 Die Lanonandek-Herrscher 35.10 Die Lanonandek-Welten 36 Die Lebensbringer 36.1 Ursprung und Natur der Lebensbringer 36.2 Die Lebensbringer-Welten 36.3 Die Verpflanzung des Lebens 36.4 Die Melchisedek-Lebensbringer 36.5 Die sieben Mentalen Hilfsgeiste 36.6 Lebendige Kräfte 37 Persönlichkeiten des Lokaluniversums 37.1 Die Universumshelfer 37.2 Die Leuchtenden Abendsterne 37.3 Die Erzengel 37.4 Die Allerhöchsten Assistenten 37.5 Die Hohen Kommissare 37.6 Die Himmlischen Inspektoren 37.7 Die Lehrer der Residenzwelten 37.8 Zugeteilte Höhere Geistige Ordnungen 37.9 Dauerbürger des Lokaluniversums 37.10 Andere Gruppen des Lokaluniversums 38 Dienende Geiste des Lokaluniversums 38.1 Ursprung der Seraphim 38.2 Wesen der Engel 38.3 Nicht offenbarte Engel 38.4 Die Seraphischen Welten 38.5 Seraphische Ausbildung 38.6 Die Seraphische Organisation 38.7 Cherubim und Sanobim 38.8 Die Evolution von Cherubim und Sanobim 38.9 Die Mittler-Geschöpfe 39 Die Seraphischen Heerscharen 39.1 Die Höchsten Seraphim 39.2 Die Höheren Seraphim 39.3 Überwacher-Seraphim 39.4 Die Verwalterseraphim 39.5 Die Planetarischen Helfer 39.6 Die Übergangs-Förderer 39.7 Die Seraphim der Zukunft 39.8 Seraphische Bestimmung 39.9 Das Korps der Seraphischen Vollendung 40 Die Aufsteigenden Söhne Gottes 40.1 Die evolutionären Seraphim 40.2 Die aufsteigenden Materiellen Söhne 40.3 Die transferierten Mittler 40.4 Die Personifizierten Justierer 40.5 Die Sterblichen von Zeit und Raum 40.6 Die Glaubenssöhne Gottes 40.7 Vater fusionierte Sterbliche 40.8 Sohn fusionierte Sterbliche 40.9 Geist fusionierte Sterbliche 40.10 Aufsteigende Bestimmungen 41 Physische Aspekte des Lokaluniversums 41.1 Die Machtzentren Nebadons 41.2 Die Physischen Überwacher Satanias 41.3 Unsere Sterngefährten 41.4 Die Dichte der Sonne 41.5 Solare Strahlung 41.6 Kalzium - der Raumwanderer 41.7 Quellen der Solarenergie 41.8 Reaktionen der Sonnenenergie 41.9 Sonnenstabilität 41.10 Ursprung der bewohnten Welten 42 Energie - Verstand und Materie 42.1 Kräfte und Energien des Paradieses 42.2 Universale nichtgeistige Energiesysteme (Physische Energien) 42.3 Einteilung der Materie 42.4 Energie- und Materieumwandlungen 42.5 Manifestationen wellenartiger Energie 42.6 Ultimatonen, Elektronen und Atome 42.7 Atomare Materie 42.8 Atomare Kohäsion 42.9 Naturphilosophie 42.10 Universelle nichtgeistige Energiesysteme (System des materiellen Verstandes) 42.11 Universumsmechanismen 42.12 Urmuster und Gestalt - Herrschaft des Verstandes 43 Die Konstellationen 43.1 Die Hauptsitzwelten der Konstellationen 43.2 Die Konstellationsregierung 43.3 Die Allerhöchsten von Norlatiadek 43.4 Der Berg der Versammlung - Der Getreue der Tage 43.5 Die Väter Edentias seit der Rebellion Luzifers 43.6 Die Gärten Gottes 43.7 Die Univitatia 43.8 Die Schulungswelten Edentias 43.9 Das Bürgerrecht Edentias 44 Die Himmlischen Künstler 44.1 Die himmlischen Musiker 44.2 Die himmlischen Wiedergabekünstler 44.3 Die göttlichen Bauleute 44.4 Die Gedankenaufzeichner 44.5 Die Energiemanipulierer 44.6 Die Entwerfer und Verschönerer 44.7 Die Harmoniearbeiter 44.8 Bestrebungen der Sterblichen und morontielle Leistungen 45 Die Verwaltung des Lokalsystems 45.1 Die kulturellen Übergangswelten 45.2 Der Souverän des Systems 45.3 Die Regierung des Systems 45.4 Die Vierundzwanzig Berater 45.5 Die Materiellen Söhne 45.6 Adamische Schulung der Aufsteiger 45.7 Die Melchisedek-Schulen 46 Die Hauptsitzwelt des Lokalsystems 46.1 Physische Aspekte Jerusems 46.2 Physische Charakteristika Jerusems 46.3 Das Fernmeldewesen Jerusems 46.4 Wohn- und Verwaltungszonen 46.5 Die Kreise Jerusems 46.6 Die Regierungs- und Verwaltungsvierecke 46.7 Die Rechtecke - Die Spornagia 46.8 Die Dreiecke Jerusems 47 Die Sieben Residenzwelten 47.1 Die Welt der Finalisten 47.2 Das Probe-Kinderheim 47.3 Die erste Residenzwelt 47.4 Die zweite Residenzwelt 47.5 Die dritte Residenzwelt 47.6 Die vierte Residenzwelt 47.7 Die fünfte Residenzwelt 47.8 Die sechste Residenzwelt 47.9 Die siebente Residenzwelt 47.10 Das Bürgerrecht von Jerusem 48 Das Morontielle Leben 48.1 Morontielle Stoffe 48.2 Die Morontiellen Machtüberwacher 48.3 Die Morontiellen Gefährten 48.4 Die Leiter der Rückschau 48.5 Die Lehrer der Residenzwelten 48.6 Die Seraphim der morontiellen Welt - Die Übergangsförderer 48.7 Die morontielle Mota 48.8 Die morontiellen Fortschreitenden 49 Die Bewohnten Welten 49.1 Das Planetarische Leben 49.2 Physische Planetentypen 49.3 Die Welten der Nichtatmer 49.4 Evolutionäre Willensgeschöpfe 49.5 Die planetarischen Serien der Sterblichen 49.6 Erdenflucht 50 Die Planetarischen Fürsten 50.1 Die Sendung der Fürsten 50.2 Planetarische Verwaltung 50.3 Der körperliche Stab des Fürsten 50.4 Der planetarische Hauptsitz und seine Schulen 50.5 Fortschreitende Zivilisation 50.6 Planetarische Kultur 50.7 Die Belohnungen der Isolierung 51 Die Planetarischen Adame 51.1 Ursprung und Natur der Materiellen Gottessöhne 51.2 Transit der Planetarischen Adame 51.3 Die adamischen Sendungen 51.4 Die sechs evolutionären Rassen 51.5 Rassenverschmelzung - Das Geschenk des adamischen Blutes 51.6 Die edenische Herrschaft 51.7 Zusammenlegung der Verwaltung 52 Planetarische Epochen der Menschheit 52.1 Der primitive Mensch 52.2 Der Mensch nach dem Planetarischen Fürsten 52.3 Der Mensch nach Adam 52.4 Der Mensch nach dem Richtersohn 52.5 Der Mensch nach der Selbsthingabe 52.6 Das auf die Selbsthingabe folgende Zeitalter Urantias 52.7 Der Mensch nach den Lehrersöhnen 53 Die Rebellion Luzifers 53.1 Die Anführer der Rebellion 53.2 Die Ursachen der Rebellion 53.3 Luzifers Manifest 53.4 Ausbruch der Rebellion 53.5 Das Wesen des Konflikts 53.6 Ein treuer seraphischer Befehlshaber 53.7 Geschichte der Rebellion 53.8 Der Menschensohn auf Urantia 53.9 Gegenwärtiger Stand der Rebellion 54 Probleme der Rebellion Luzifers 54.1 Wahre und falsche Freiheit 54.2 Der Diebstahl der Freiheit 54.3 Der zeitliche Aufschub der Gerechtigkeit 54.4 Der von der Barmherzigkeit gewährte zeitliche Aufschub 54.5 Die Weisheit des Aufschubs 54.6 Der Triumph der Liebe 55 Die Sphären des Lichts und Lebens 55.1 Der morontielle Tempel 55.2 Tod und Entrückung 55.3 Die goldenen Zeitalter 55.4 Administrative Neuanpassungen 55.5 Der Höhepunkt materieller Entwicklung 55.6 Der einzelne Sterbliche 55.7 Das erste oder planetarische Stadium 55.8 Das zweite oder Systemstadium 55.9 Das dritte oder Stadium der Konstellation 55.10 Das vierte oder Stadium des Lokaluniversums 55.11 Die Stadien des Kleinen und Grossen Sektors 55.12 Das siebente oder Stadium des Superuniversums 56 Universale Einheit 56.1 Physische Koordination 56.2 Intellektuelle Einheit 56.3 Geistige Einigung 56.4 Einigung der Persönlichkeit 56.5 Einheit der Gottheit 56.6 Einigung der evolutionären Gottheit 56.7 Universale evolutionäre Rückwirkungen 56.8 Der Supreme Einiger 56.9 Universale Absolute Einheit 56.10 Wahrheit, Schönheit und Güte III Die Geschichte Urantias 57 Der Ursprung Urantias 57.1 Der Andronover-Nebel 57.2 Das primäre Nebelstadium 57.3 Das sekundäre Nebelstadium 57.4 Tertiäres und quartäres Stadium 57.5 Der Ursprung von Monmatia - Das Sonnensystem Urantias 57.6 Das Stadium des Sonnensystems 57.7 Die meteoritische Ära - Das Vulkanische Zeitalter (Die Primitive Planetarische Atmosphäre) 57.8 Stabilisierung der Erdkruste - Das Zeitalter der Erdbeben (Der Weltozean und der Erste Kontinent) 58 Die Ansiedlung des Lebens auf Urantia 58.1 Voraussetzungen für das physische Leben 58.2 Die Atmosphäre Urantias 58.3 Das räumliche Umfeld 58.4 Die Ära des Beginns des Lebens 58.5 Die Verschiebung der Kontinente 58.6 Die Übergangsperiode 58.7 Das geologische Geschichtsbuch 59 Die Ära des Marinen Lebens auf Urantia 59.1 Das frühe marine Leben in den untiefen Meeren - Das Zeitalter der Trilobiten 59.2 Das erste Stadium kontinentaler Überflutung - Das Zeitalter der Wirbellosen Tiere 59.3 Das zweite grosse Überflutungsstadium (Die Korallenperiode) - Das zeitalter der Brachiopoden 59.4 Das groe Stadium der Landhebung (Die Periode des Pflanzlichen Landlebens) - Das Zeitalter der Fische 59.5 Das Stadium der sich verschiebenden Erdkruste (Das Karbon - Die Zeit der Farnwalder) - Das Zeitalter der Frösche 59.6 Das klimatische Übergangsstadium (Die Periode der Samenpflanzen) - Das Zeitalter Biologischer Bedrängnis 60 Urantia während der Frühen Ära des Landlebens 60.1 Das frühe Zeitalter der Reptilien 60.2 Das spätere Zeitalter der Reptilien 60.3 Die kretazische Epoche (Die Periode der Blütenpflanzen) - Das Zeitalter der Vögel 60.4 Das Ende der Kreideperiode 61 Die Ära der Säugetiere auf Urantia 61.1 Das neue kontinentale Landstadium - Das Zeitalter der Frühen Säugetiere 61.2 Das jüngste Überflutungsstadium - Das Zeitalter der Höherentwickelten Säugetiere 61.3 Das Stadium der heutigen Berge - Das Zeitalter von Elefant und Pferd 61.4 Das jüngste Stadium der Kontinentenhebung (Die Letzte Grosse Wanderung der Säugetiere) 61.5 Die frühe Eiszeit 61.6 Der primitive Mensch in der Eiszeit 61.7 Die Fortsetzung der Eiszeit 62 Die Dämmerstunde der Primitiven Menschenrassen 62.1 Die frühen Lemurentypen 62.2 Die vormenschlichen Säuger 62.3 Die zwischengeschalteten Säuger 62.4 Die Primaten 62.5 Die ersten menschlichen Wesen 62.6 Evolution des menschlichen Verstandes 62.7 Anerkennung Urantias als bewohnte Welt 63 Die Erste Menschliche Familie 63.1 Andon und Fonta 63.2 Die Flucht der Zwillinge 63.3 Andons Familie 63.4 Die andonischen Sippen 63.5 Versprengung der Andoniten 63.6 Onagar - der erste Wahrheitslehrer 63.7 Das Fortleben Andons und Fontas 64 Die Evolutionären Farbigen Rassen 64.1 Die andonischen Ureinwohner 64.2 Die Foxhall-Völker 64.3 Die Badonan-Stämme 64.4 Die Neandertalrassen 64.5 Ursprung der farbigen Rassen 64.6 Die sechs Sangikrassen Urantias 64.7 Zerstreuung der farbigen Rassen 65 Die Überwachung der Evolution 65.1 Funktionen der Lebensbringer 65.2 Das Panorama der Evolution 65.3 Die Steuerung der Evolution 65.4 Das urantianische Abenteuer 65.5 Wechselfälle der Evolution des Lebens 65.6 Evolutionäre Lebenstechniken 65.7 Evolutionäre Verstandesstufen 65.8 Evolution in Zeit und Raum 66 Der Planetarische Fürst Urantias 66.1 Fürst Caligastia 66.2 Der Stab des Fürsten 66.3 Dalamatia - die Stadt des Fürsten 66.4 Die frühen Tage der Hundert 66.5 Organisation der Hundert 66.6 Die Herrschaft des Fürsten 66.7 Das Leben in Dalamatia 66.8 Die Missgeschicke Caligastias 67 Die Planetarische Rebellion 67.1 Der Verrat Caligastias 67.2 Der Ausbruch der Rebellion 67.3 Die sieben entscheidenden Jahre 67.4 Die Hundert Caligastias nach der Rebellion 67.5 Unmittelbare Resultate der Rebellion 67.6 Van - der Standhafte 67.7 Ferne Auswirkungen der Sünde 67.8 Der menschliche Held der Rebellion 68 Die Heraufdämmern der Zivilisation 68.1 Sozialisierung als Schutzmanahme 68.2 Faktoren des Sozialen Fortschritts 68.3 Der sozialisierende Einfluss der Furcht vor den Geistern 68.4 Die Entwicklung der Sitten 68.5 Bodentechniken - Fertigkeiten zum Lebensunterhalt 68.6 Die kulturelle Entwicklung 69 Die Primitiven Menschlichen Institutionen 69.1 Grundlegende menschliche Institutionen 69.2 Die Anfänge der Industrie 69.3 Die Spezialisierung der Arbeit 69.4 Die Anfänge des Handels 69.5 Die Anfänge des Kapitals 69.6 Die Beziehung des Feuers zur Zivilisation 69.7 Die Verwendung von Tieren 69.8 Die Sklaverei als Zivilisationsfaktor 69.9 Privater Besitz 70 Die Evolution der Menschlichen Regierung 70.1 Der Ursprung des Krieges 70.2 Der gesellschaftliche Wert des Krieges 70.3 Frühe menschliche Zusammenschlüsse 70.4 Klane und Stämme 70.5 Die Anfänge der Regierung 70.6 Monarchische Regierung 70.7 Primitive Bünde und Geheimgesellschaften 70.8 Die sozialen Klassen 70.9 Menschenrechte 70.10 Die Entwicklung der Justiz 70.11 Gesetze und Gerichte 70.12 Erteilung ziviler Autorität 71 Die Entwicklung des Staates 71.1 Der embryonale Staat 71.2 Die Evolution der repräsentativen Regierung 71.3 Die Ideale des Staates 71.4 Die fortschreitende Zivilisation 71.5 Die Entwicklung des Wettbewerbs 71.6 Das Gewinnmotiv 71.7 Erziehung 71.8 Das Wesen der Staatlichkeit 72 Die Regierung auf einem Nachbarplaneten 72.1 Die kontinentale Nation 72.2 Politische Organisation 72.3 Das Familienleben 72.4 Das Erziehungssystem 72.5 Industrielle Organisation 72.6 Altersversicherung 72.7 Besteuerung 72.8 Die Fachschulen 72.9 Der Plan des allgemeinen Wahlrechts 72.10 Der Umgang mit dem Verbrechen 72.11 Militärische Bereitschaft 72.12 Die übrigen Nationen 73 Der Garten Eden 73.1 Die Noditen und die Amadoniten 73.2 Planen für den Garten 73.3 Der Ort des Gartens 73.4 Die Schaffung des Gartens 73.5 Der Garten-Wohnsitz 73.6 Der Baum des Lebens 73.7 Das Schicksal Edens 74 Adam und Eva 74.1 Adam und Eva auf Jerusem 74.2 Die Ankunft von Adam und Eva 74.3 Adam und Eva machen Bekanntschaft mit dem Planeten 74.4 Der erste Aufstand 74.5 Adams Verwaltung 74.6 Das Familienleben Adams und Evas 74.7 Das Leben im Garten 74.8 Die Schöpfungslegende 75 Adams und Evas Verfehlung 75.1 Das Problem Urantias 75.2 Das Komplott Caligastias 75.3 Evas Versuchung 75.4 Das Gewahrwerden der Verfehlung 75.5 Auswirkungen der Verfehlung 75.6 Adam und Eva verlassen den Garten 75.7 Die Degradierung Adams und Evas 75.8 Der sogenannte Sündenfall 76 Der Zweite Garten 76.1 Die Edeniten betreten Mesopotamien 76.2 Kain und Abel 76.3 Das Leben in Mesopotamien 76.4 Die violette Rasse 76.5 Der Tod Adams und Evas 76.6 Adams und Evas Fortleben 77 Die Mittler-Geschöpfe 77.1 Die primären Mittler 77.2 Die noditische Rasse 77.3 Der Turm zu Babel 77.4 Noditische Zentren der Zivilisation 77.5 Adamson und Ratta 77.6 Die sekundären Mittler 77.7 Die rebellischen Mittler 77.8 Die vereinigten Mittler 77.9 Die Dauerbürger Urantias 78 Die Violette Rasse nach den Tagen Adams 78.1 Rassische und kulturelle Verteilung 78.2 Die Adamiten im Zweiten Garten 78.3 Die frühen Auswanderungswellen der Adamiten 78.4 Die Anditen 78.5 Die Wanderungen der Anditen 78.6 Die letzten anditischen Zerstreuungen 78.7 Die Überflutungen Mesopotamiens 78.8 Die Sumerer - die letzten Anditen 79 Anditische Expansion im Orient 79.1 Die Anditen Turkestans 79.2 Die anditische Eroberung Indiens 79.3 Das drawidische Indien 79.4 Die arische Invasion Indiens 79.5 Der rote und der gelbe Mensch 79.6 Die Morgenröte der chinesischen Zivilisation 79.7 Die Anditen dringen in China ein 79.8 Die spätere chinesische Zivilisation 80 Die Anditische Expansion im Abendland 80.1 Die Adamiten betreten Europa 80.2 Klimatische und geologische Veränderungen 80.3 Die cromagnoiden blauen Menschen 80.4 Die anditischen Invasionen Europas 80.5 Die Eroberung Nordeuropas durch die Anditen 80.6 Die Anditen am Nil 80.7 Die Anditen der Mittelmeerinseln 80.8 Die Donau-Andoniten 80.9 Die drei weien Rassen 81 Entwicklung der Modernen Zivilisation 81.1 Die Wiege der Zivilisation 81.2 Die Werkzeuge der Zivilisation 81.3 Städte, Handwerk und Handel 81.4 Die gemischten Rassen 81.5 Die kulturelle Gesellschaft 81.6 Die Bewahrung der Zivilisation 82 Die Evolution der Ehe 82.1 Der Paarungstrieb 82.2 Die einschränkenden Tabus 82.3 Frühe Ehesitten 82.4 Die Ehe und die den Besitz regelnden Gepflogenheiten 82.5 Endogamie und Exogamie 82.6 Rassenmischungen 83 Die Institution der Ehe 83.1 Die Ehe als gesellschaftliche Einrichtung 83.2 Werbung und Verlobung 83.3 Kauf und Mitgift 83.4 Die Hochzeitsfeier 83.5 Mehrfache Ehen 83.6 Wahre Monogamie - Die Ehe zu zweit 83.7 Die Auflösung der Ehe 83.8 Die Idealisierung der Ehe 84 Ehe und Familienleben 84.1 Primitive Paarverbindungen 84.2 Die frühe Mutter-Familie 84.3 Die Familie unter der Herrschaft des Vaters 84.4 Die Stellung der Frau in der frühen Gesellschaft 84.5 Die Frau unter den sich entwickelnden Sitten 84.6 Die Partnerschaft von Mann und Frau 84.7 Die Ideale des Familienlebens 84.8 Die Gefahren der Selbst-Beglückung 85 Die Ursprünge der Anbetung 85.1 Verehrung von Steinen und Bergen 85.2 Verehrung von Pflanzen und Bäumen 85.3 Tierverehrung 85.4 Die Verehrung der Elemente 85.5 Anbetung der Himmelskörper 85.6 Die Anbetung des Menschen 85.7 Die Hilfsgeiste der Anbetung und Weisheit 86 Die Frühe Evolution der Religion 86.1 Der Zufall: Glück und Pech 86.2 Die Personifizierung des Zufalls 86.3 Der Tod - der Unerklärliche 86.4 Die Vorstellung von einem Fortleben nach dem Tode 86.5 Die Vorstellung von der Phantomseele 86.6 Die Phantom-Geister-umwelt 86.7 Die Funktion primitiver Religion 87 Die Phantomkulte 87.1 Furcht vor den Phantomen 87.2 Die Besänftigung der Phantome 87.3 Ahnenverehrung 87.4 Gute und böse höhere Phantomgeister 87.5 Der fortschreitende Phantomkult 87.6 Nötigung und Exorzismus 87.7 Das Wesen der Kultpraxis 88 Fetische, Zauber und Magie 88.1 Der Glaube an Fetische 88.2 Die Evolution des Fetisches 88.3 Der Totemismus 88.4 Magie 88.5 Magische Zauberkräfte 88.6 Die Praxis der Magie 89 Sünde, Opfer und Sühne 89.1 Das Tabu 89.2 Das Sünde-Konzept 89.3 Entsagung und Demütigung 89.4 Die Ursprünge des Opfers 89.5 Opfer und Kannibalismus 89.6 Die Evolution des Menschenopfers 89.7 Umgestaltungen des Menschenopfers 89.8 Loskauf und Bünde 89.9 Opfer und Sakramente 89.10 Sündenvergebung 90 Schamanismus - Medizinmäner und Priester 90.1 Die ersten Schamanen - Die Medizinmänner 90.2 Schamanische Praktiken 90.3 Die schamanische Theorie von Krankheit und Tod 90.4 Die Medizin unter den Schamanen 90.5 Priester und Rituale 91 Die Evolution des Gebets 91.1 Das primitive Gebet 91.2 Das sich entwickelnde Gebet 91.3 Das Gebet und das Alter Ego 91.4 Ethisches Beten 91.5 Gesellschaftliche Auswirkungen des Gebetes 91.6 Der Bereich des Gebets 91.7 Mystizismus, Ekstase und Inspiration 91.8 Beten als eine persönliche Erfahrung 91.9 Die Bedingungen wirksamen Betens 92 Die Spätere Evolution der Religion 92.1 Die evolutionäre Natur der Religion 92.2 Religion und die Sitten 92.3 Die Natur der evolutionären Religion 92.4 Das Geschenk der Offenbarung 92.5 Die groen religiösen Führer 92.6 Die zusammengesetzten Religionen 92.7 Die weitere Evolution der Religion 93 Machiventa Melchisedek 93.1 Die Inkarnation Machiventas 93.2 Der Weise von Salem 93.3 Die Lehren Melchisedeks 93.4 Die Religion von Salem 93.5 Die Wahl Abrahams 93.6 Melchisedeks Bund mit Abraham 93.7 Die Missionare Melchisedeks 93.8 Melchisedeks Weggang 93.9 Nach Melchisedeks Weggang 93.10 Gegenwärtiger Status Machiventa Melchisedeks 94 Melchisedeks Lehren im Orient 94.1 Die Lehren von Salem im vedischen Indien 94.2 Der Brahmanismus 94.3 Die brahmanische Philosophie 94.4 Die Hindureligion 94.5 Das Ringen um Wahrheit in China 94.6 Lao-Tse und Konfuzius 94.7 Gautama Siddharta 94.8 Der buddhistische Glaube 94.9 Die Ausbreitung des Buddhismus 94.10 Die Religion in Tibet 94.11 Die buddhistische Philosophie 94.12 Das Gotteskonzept des Buddhismus 95 Die Lehren Melchisedeks in der Levante 95.1 Die Religion Salems in Mesopotamien 95.2 Die frühe ägyptische Religion 95.3 Die Evolution sittlicher Vorstellungen 95.4 Die Lehren Amenemopes 95.5 Der auergewöhnliche Echnaton 95.6 Die Lehren Salems im Iran 95.7 Die Lehren Salems in Arabien 96 Jahve - Der Gott der Hebräer 96.1 Die Gottheitskonzepte der Semiten 96.2 Die semitischen Völker 96.3 Der unvergleichliche Moses 96.4 Die Verkündigung Jahves 96.5 Mose Lehren 96.6 Das Gotteskonzept nach Mose Tod 96.7 Die Psalmen und das Buch Hiob 97 Die Evolution des Gotteskonzeptes bei den Hebräern 97.1 Samuel - der erste der hebräischen Propheten 97.2 Elia und Elisa 97.3 Jahve und Baal 97.4 Amos und Hosea 97.5 Der erste Jesaja 97.6 Der furchtlose Jeremia 97.7 Der zweite Jesaja 97.8 Heilige und weltliche Geschichte 97.9 Die hebräische Geschichte 97.10 Die hebräische Religion 98 Die Lehren Melchisedeks im Abendland 98.1 Die Religion Salems bei den Griechen 98.2 Das philosophische Denken der Griechen 98.3 Die Lehren Melchisedeks in Rom 98.4 Die Mysterienkulte 98.5 Der Mithraskult 98.6 Mithraismus und Christentum 98.7 Die christliche Religion 99 Die Sozialen Probleme der Religion 99.1 Religion und soziale Rekonstruktion 99.2 Die Schwäche der institutionellen Religion 99.3 Die Religion und der religiöse Mensch 99.4 Übergangsschwierigkeiten 99.5 Soziale Aspekte der Religion 99.6 Institutionelle Religion 99.7 Der Beitrag der Religion 100 Die Religion in Menschlicher Erfahrung 100.1 Religiöses Wachstum 100.2 Geistiges Wachstum 100.3 Konzepte höchsten Wertes 100.4 Wachstumsprobleme 100.5 Bekehrung und Mystizismus 100.6 Zeichen religiösen Lebens 100.7 Der Gipfel religiösen Lebens 101 Die Wahre Natur der Religion 101.1 Wahre Religion 101.2 Die Tatsache der Religion 101.3 Die charakteristischen Merkmale der Religion 101.4 Die Grenzen der Offenbarung 101.5 Erweiterung der Religion durch Offenbarung 101.6 Fortschreitende religiöse Erfahrung 101.7 Eine persönliche Religionsphilosophie 101.8 Glaube und Geglaubtes 101.9 Religion und Sittlichkeit 101.10 Die Religion als Befreierin des Menschen 102 Die Fundamente Religiösen Glaubens 102.1 Die Gewissheiten des Glaubens 102.2 Religion und Realität 102.3 Wissen, Weisheit und geistige Schau 102.4 Die Tatsache der Erfahrung 102.5 Die Vormachtstellung des planenden Potentials 102.6 Die Gewissheit religiösen Glaubens 102.7 Die Gewissheit des Göttlichen 102.8 Die Beweise der Religion 103 Die Realität Religiöser Erfahrung 103.1 Philosophie der Religion 103.2 Die Religion und der Einzelne 103.3 Religion und die menschliche Rasse 103.4 Geistige Verbindung 103.5 Der Ursprung der Ideale 103.6 Philosophische Koordination 103.7 Wissenschaft und Religion 103.8 Philosophie und Religion 103.9 Die Essenz der Religion 104 Wachstum des Trinitätskonzeptes 104.1 Urantianische Trinitätskonzepte 104.2 Einheit der Trinität und Pluralität der Gottheit 104.3 Trinitäten und Triunitäten 104.4 Die sieben Triunitäten 104.5 Trioditäten 105 Gottheit und Realität 105.1 Das philosophische Konzept des ICH BIN 105.2 Das ICH BIN als Dreiheit und als Siebenheit 105.3 Die sieben Absoluten der Unendlichkeit 105.4 Einheit, Zweiheit und Triunität 105.5 Die Verkündung der endlichen Realität 105.6 Die Rückwirkungen der endlichen Realität 105.7 Die Eventuierung transzendenter Realitäten 106 Realitätsebenen des Universums 106.1 Primäre Verbindung endlicher funktioneller Realitäten 106.2 Sekundäre Supreme Integrierung der endlichen Realitäten 106.3 Transzendenter tertiärer Realitätszusammenschluss 106.4 Ultime vierte Integration 106.5 Coabsolutes oder Zusammenwirken der fünften Phase 106.6 Absolute oder Integration der sechsten Phase 106.7 Finalität der Bestimmung 106.8 Die Trinität der Trinitäten 106.9 Existentielle unendliche Einigung 107 Ursprung und Natur der Gedankenjustierer 107.1 Ursprung der Gedankenjustierer 107.2 Klassifizierung der Justierer 107.3 Die Heimat der Justierer auf Divinington 107.4 Natur und Gegenwart der Justierer 107.5 Die Verstandesart der Justierer 107.6 Die Justierer als reine Geiste 107.7 Justierer und Persönlichkeit 108 Sendung und Wirken der Gedankenjustierer 108.1 Auswahl und Zuteilung 108.2 Vorbedingungen für den Aufenthalt der Justierer 108.3 Organisation und Verwaltung 108.4 Beziehung zu anderen geistigen Einflüssen 108.5 Der Auftrag des Justierers 108.6 Gott im Menschen 109 Beziehung der Justierer zu den Universumsgeschöpfen 109.1 Entwicklung der Justierer 109.2 Eigenständige Justierer 109.3 Beziehung der Justierer zu den verschiedenen Typen von Sterblichen 109.4 Die Justierer und die menschliche Persönlichkeit 109.5 Materielle Hindernisse für die Beherbergung eines Justierers 109.6 Das Fortdauern wahrer Werte 109.7 Bestimmung der Personifizierten Justierer 110 Beziehung der Justierer zu den Einzelnen Sterblichen 110.1 Das Bewohnen des menschlichen Verstandes 110.2 Justierer und menschlicher Wille 110.3 Zusammenarbeit mit dem Justierer 110.4 Das Wirken des Justierers im Verstand 110.5 Irrige Vorstellungen von der Führung durch den Justierer 110.6 Die sieben psychischen Kreise 110.7 Das Erreichen der Unsterblichkeit 111 Der Justierer und die Seele 111.1 Der Verstand - Schauplatz des Wählens 111.2 Natur der Seele 111.3 Die sich entwickelnde Seele 111.4 Das innere Leben 111.5 Die Weihung der freien Wahl 111.6 Das menschliche Paradox 111.7 Das Problem des Justierers 112 Das Fortleben der Persönlichkeit 112.1 Persönlichkeit und Realität 112.2 Das Selbst 112.3 Das Phänomen des Todes 112.4 Die Justierer nach dem Tode 112.5 Das Fortleben des menschlichen Selbst 112.6 Das morontielle Selbst 112.7 Fusion mit dem Justierer 113 Die Seraphischen Schicksalshüter 113.1 Die Schutzengel 113.2 Die Schicksalshüter 113.3 Beziehung zu anderen geistigen Einflüssen 113.4 Seraphische Betätigungsfelder 113.5 Das seraphische Wirken für die Sterblichen 113.6 Die Schutzengel nach dem Tode 113.7 Die Seraphim und die aufsteigende Laufbahn 114 Die Seraphische Planetarische Regierung 114.1 Die Souveränität Urantias 114.2 Der Rat planetarischer Leiter 114.3 Der residierende Generalgouverneur 114.4 Der allerhöchste Beobachter 114.5 Die planetarische Regierung 114.6 Die Meisterseraphim planetarischer Leitung 114.7 Das Reservekorps der Bestimmung 115 Das Supreme Wesen 115.1 Relativität konzeptueller Rahmen 115.2 Die absolute Grundlage der Suprematie 115.3 Ursprüngliches, Wirkliches und Potentielles 115.4 Quellen Supremer Realität 115.5 Die Beziehung des Supremen zu der Paradies-Trinität 115.6 Die Beziehung des Supremen zu den Trioditäten 115.7 Die Natur des Supremen 116 Der Allmächtige Supreme 116.1 Der Supreme Verstand 116.2 Der Allmächtige und der Siebenfache Gott 116.3 Der Allmächtige und die Paradies-Gottheit 116.4 Der Allmächtige und die Supremen Schöpfer 116.5 Der Allmächtige und die Siebenfachen Überwacher 116.6 Die Herrschaft des Geistes 116.7 Der lebendige Organismus des groen Universums 117 Der Supreme Gott 117.1 Die Natur des Supremen Wesens 117.2 Der Ursprung evolutionären Wachstums 117.3 Die Bedeutung des Supremen für die Universumsgeschöpfe 117.4 Der endliche Gott 117.5 Die Überseele der Schöpfung 117.6 Die Suche nach dem Supremen 117.7 Die Zukunft des Supremen 118 Der Supreme und der Ultime - Zeit und Raum 118.1 Zeit und Ewigkeit 118.2 Omnipräsenz und Allgegenwart 118.3 Zeit-Raum-Beziehungen 118.4 Primäre und sekundäre Verursachung 118.5 Allmacht und Vereinbarkeit 118.6 Allmacht und Alltat 118.7 Allwissenheit und Prädestination 118.8 Kontrolle und höchste Kontrolle 118.9 Universumsmechanismen 118.10 Funktionen der Vorsehung 119 Die Selbsthingaben von Christus Michael 119.1 Die erste Selbsthingabe 119.2 Die zweite Selbsthingabe 119.3 Die dritte Selbsthingabe 119.4 Die vierte Selbsthingabe 119.5 Die fünfte Selbsthingabe 119.6 Die sechste Selbsthingabe 119.7 Die siebente und letzte Selbsthingabe 119.8 Michaels Status nach seinen Selbsthingaben IV Das Leben und die Lehren Jesu 120 Die Selbsthingabe Michaels auf Urantia 120.1 Die Anweisungen zur siebenten Selbsthingabe 120.2 Die Beschränkungen der Selbsthingabe 120.3 Weitere Ratschläge und Ermahnungen 120.4 Die Inkarnation - Verschmelzung von zwei in eins 121 Die Epoche der Selbsthingabe Michaels 121.1 Das Abendland im ersten Jahrhundert nach Christus 121.2 Das jüdische Volk 121.3 Unter den Heiden 121.4 Die Philosophie der Heiden 121.5 Die Religionen der Heiden 121.6 Die hebräische Religion 121.7 Die Juden und die Heiden 121.8 Frühere Aufzeichnungen 122 Jesu Geburt und Kindheit 122.1 Joseph und Maria 122.2 Gabriel erscheint Elisabeth 122.3 Gabriels Verkündigung an Maria 122.4 Josephs Traum 122.5 Jesu irdische Eltern 122.6 Das Heim in Nazareth 122.7 Die Reise nach Betlehem 122.8 Jesu Geburt 122.9 Die Darbringung im Tempel 122.10 Herodes handelt 123 Jesu Frühe Kindheit 123.1 Zurück in Nazareth 123.2 Das Fünfte Jahr (2 v. Chr.) 123.3 Die Ereignisse des Sechsten Jahres (1 v. Chr.) 123.4 Das Siebente Jahr (1 n. Chr.) 123.5 Schulzeit in Nazareth 123.6 Sein Achtes Jahr (2 n. Chr.) 124 Die Spätere Kindheit Jesu 124.1 Jesu Neuntes Jahr (3 n. Chr.) 124.2 Das Zehnte Jahr (4 n. Chr.) 124.3 Das Elfte Jahr (5 n. Chr.) 124.4 Das Zwölfte Jahr (6 n. Chr.) 124.5 Sein Dreizehntes Jahr (7 n. Chr.) 124.6 Die Reise nach Jerusalem 125 Jesu in Jerusalem 125.1 Jesus besichtigt den Tempel 125.2 Jesus und Passah 125.3 Abreise Josephs und Marias 125.4 Erster und zweiter Tag im Tempel 125.5 Dritter Tag im Tempel 125.6 Vierter Tag im Tempel 126 Die Beiden Entscheidenden Jahre 126.1 Sein Vierzehntes Jahr (8 n. Chr.) 126.2 Josephs Tod 126.3 Das Fünfzehnte Jahr (9 n. Chr.) 126.4 Erste Predigt in der Synagoge 126.5 Finanzielles Ringen 127 Die Jünglingsjahre 127.1 Das Sechzehnte Jahr (10 n. Chr.) 127.2 Das Siebzehnte Jahr (11 n. Chr.) 127.3 Das Achtzehnte Jahr (12 n. Chr.) 127.4 Das Neunzehnte Jahr (13 n. Chr.) 127.5 Rebekka, die Tochter Ezras 127.6 Sein Zwanzigstes Jahr (14 n. Chr.) 128 Jesu Frühes Mannesalter 128.1 Das Einundzwanzigste Jahr (15 n. Chr.) 128.2 Das Zweiundzwanzigste Jahr (16 n. Chr.) 128.3 Das Dreiundzwanzigste Jahr (17 n. Chr.) 128.4 Die Episode in Damaskus 128.5 Das Vierundzwanzigste Jahr (18 n. Chr.) 128.6 Das Fünfundzwanzigste Jahr (19 n. Chr.) 128.7 Das Sechsundzwanzigste Jahr (20 n. Chr.) 129 Jesu Späteres Leben als Erwachsener 129.1 Das Siebenundzwanzigste Jahr (21 n. Chr.) 129.2 Das Achtundzwanzigste Jahr (22 n. Chr.) 129.3 Das Neunundzwanzigste Jahr (23 n. Chr.) 129.4 Der menschliche Jesus 130 Auf dem Weg nach Rom 130.1 In Joppe - Gespräch über Jonas 130.2 In Cäsarea 130.3 In Alexandria 130.4 Die Abhandlung über die Realität 130.5 Auf der Insel Kreta 130.6 Der junge Mann, der Angst hatte 130.7 In Karthago - Ausführungen über Zeit und Raum 130.8 Unterwegs nach Neapel und Rom 131 Die Religionen der Welt 131.1 Der Zynismus 131.2 Der Judaismus 131.3 Der Buddhismus 131.4 Der Hinduismus 131.5 Der Zoroastrismus 131.6 Der Suduanismus (Jainismus) 131.7 Der Schintoismus 131.8 Der Taoismus 131.9 Der Konfuzianismus 131.10 "Unsere Religion" 132 Der Aufenthalt in Rom 132.1 Die Wahren Werte 132.2 Gut und Böse 132.3 Wahrheit und Glaube 132.4 Persönlicher Zuspruch 132.5 Ratschläge für den Reichen Mann 132.6 Soziales Wirken 132.7 Ausflüge in die Umgebung von Rom 133 Die Rückkehr von Rom 133.1 Barmherzigkeit und Gerechtigkeit 133.2 Einschiffung in Tarent 133.3 In Korinth 133.4 Persönliches Wirken in Korinth 133.5 In Athen - Vortrag über die Wissenschaft 133.6 In Ephesus - Vortrag über die Seele 133.7 Der Aufenthalt auf Zypern - Ausführungen über den Verstand 133.8 In Antiochia 133.9 In Mesopotamien 134 Die Übergangsjahre 134.1 Das Dreissigste Jahr (24 n. Chr.) 134.2 Die Karawanenreise zum Kaspischen Meer 134.3 Die Vorlesungen in Urmia 134.4 Göttliche und menschliche Souveränität 134.5 Politische Souveränität 134.6 Gesetz, Freiheit und Souveränität 134.7 Das Einunddreissigste Jahr (25 n. Chr.) 134.8 Der Aufenthalt auf dem Berg Hermon 134.9 Die Wartezeit 135 Johannes der Täufer 135.1 Johannes wird Nasiräer 135.2 Der Tod des Zacharias 135.3 Das Leben eines Hirten 135.4 Elisabets Tod 135.5 Das Königreich Gottes 135.6 Johannes beginnt zu predigen 135.7 Johannes wandert nach Norden 135.8 Die Begegnung von Jesus und Johannes 135.9 Vierzig Tage Predigen 135.10 Johannes wandert nach Süden 135.11 Johannes im Gefängnis 135.12 Der Tod Johannes' des Täufers 136 Die Taufe und die Vierzig Tage 136.1 Die Vorstellungen vom erwarteten Messias 136.2 Die Taufe Jesu 136.3 Die vierzig Tage 136.4 Pläne für das öffentliche Wirken 136.5 Die erste groe Entscheidung 136.6 Die zweite Entscheidung 136.7 Die dritte Entscheidung 136.8 Die vierte Entscheidung 136.9 Die fünfte Entscheidung 136.10 Die sechste Entscheidung 137 Wartezeit in Galiläa 137.1 Die Wahl der ersten vier Apostel 137.2 Die Wahl Philipps und Nathanaels 137.3 Der Besuch in Kapernaum 137.4 Die Hochzeit zu Kana 137.5 Zurück in Kapernaum 137.6 Die Ereignisse eines Sabbattages 137.7 Vier Monate Schulung 137.8 Die Predigt über das Königreich 138 Ausbildung der Botschafter des Königreichs 138.1 Letzte Anweisungen 138.2 Die Wahl der Sechs 138.3 Die Berufung von Matthäus und Simon 138.4 Die Berufung der Zwillinge 138.5 Die Berufung von Thomas und Judas 138.6 Eine Woche intensiver Schulung 138.7 Eine weitere Enttäuschung 138.8 Erste Tätigkeit der Zwölf 138.9 Fünfmonatige Probezeit 138.10 Die Organisation der Zwölf 139 Die Zwölf Apostel 139.1 Andreas, der Erstberufene 139.2 Simon Petrus 139.3 Jakobus Zebedäus 139.4 Johannes Zebedäus 139.5 Der neugierige Philipp 139.6 Der ehrliche Nathanael 139.7 Matthäus Levi 139.8 Thomas Didymus 139.9 Jakobus und Judas Alphäus 139.10 Die Zwillinge Alphäus 139.11 Simon Zelotes 139.12 Judas Iskariot 140 Die Weihe der Zwölf 140.1 Vorbereitende Unterweisung 140.2 Die Weihe 140.3 Die Weihepredigt 140.4 Ihr seid das Salz der Erde 140.5 Väterliche und brüderliche Liebe 140.6 Am Abend der Weihe 140.7 Die Woche nach der Weihe 140.8 Am Donnerstagnachmittag auf dem See 140.9 Der Tag der Konsekration 140.10 Der Abend nach der Konsekration 141 Beginn des Öffentlichen Wirkens 141.1 Sie verlassen Galiläa 141.2 Gottes Gesetz und des Vaters Wille 141.3 Der Aufenthalt in Amathus 141.4 Unterweisung über den Vater 141.5 Geistige Einheit 141.6 Die letzte Woche in Amathus 141.7 In Bethanien jenseits des Jordans 141.8 In Jericho an der Arbeit 141.9 Aufbruch nach Jerusalem 142 Das Passahfest in Jerusalem 142.1 Unterricht im Tempel 142.2 Gottes Zorn 142.3 Die Gottesvorstellung 142.4 Flavius und die griechische Kultur 142.5 Die Ansprache über die Gewissheit 142.6 Das Gespräch mit Nikodemus 142.7 Die Lektion über die Familie 142.8 Im Süden von Judäa 143 Sie Ziehen durch Samaria 143.1 Sie predigen in Archelais 143.2 Lektion über die Selbstbeherrschung 143.3 Abwechslung und Entspannung 143.4 Die Juden und die Samaritaner 143.5 Die Frau von Sychar 143.6 Die samaritanische Erneuerung 143.7 Unterweisung über Gebet und Anbetung 144 Auf Dem Gilboa und in der Dekapolis 144.1 Das Lager auf dem Berg Gilboa 144.2 Die Rede über das Gebet 144.3 Das Gebet des Gläubigen 144.4 Noch mehr über das Gebet 144.5 Andere Gebetsformen 144.6 Konferenz mit den Aposteln des Johannes 144.7 In den Städten der Dekapolis 144.8 Im Lager bei Pella 144.9 Der Tod von Johannes dem Täufer 145 Vier Ereignisreiche Tage in Kapernaum 145.1 Der Fischzug 145.2 Ein Nachmittag in der Synagoge 145.3 Die Heilung beim Sonnenuntergang 145.4 Später am Abend 145.5 Am frühen Sonntagmorgen 146 Die Erste Predigtrundreise durch Galiläa 146.1 Sie predigen in Rimmon 146.2 In Jotapata 146.3 Halt in Ramah 146.4 Das Evangelium in Iron 146.5 Zurück in Kana 146.6 Nain und der Sohn der Witwe 146.7 In Endor 147 Der Zwischenbesuch in Jerusalem 147.1 Der Diener des Zenturios 147.2 Die Reise nach Jerusalem 147.3 Am Teich von Bethesda 147.4 Die Lebensregel 147.5 Auf Besuch bei Simon dem Pharisäer 147.6 Auf dem Rückweg nach Kapernaum 147.7 Zurück in Kapernaum 147.8 Das Fasten der geistigen Güte 148 Ausbildung der Evangelisten in Bethsaida 148.1 Eine neue Prophetenschule 148.2 Das Krankenhaus von Bethsaida 148.3 Des Vaters Angelegenheiten 148.4 Übel, Sünde und Frevel 148.5 Der Zweck des Leidens 148.6 Die falsche Deutung des Leidens - Rede über Hiob 148.7 Der Mann mit der verdorrten Hand 148.8 Die letzte Woche in Bethsaida 148.9 Die Heilung des Gelähmten 149 Die Zweite Predigtrundreise 149.1 Jesu in die Ferne dringender Ruf 149.2 Die Haltung der Leute 149.3 Die Feindschaft der religiösen Führer 149.4 Fortgang der Predigtrundreise 149.5 Lektion über die Zufriedenheit 149.6 Die "Furcht vor dem Herrn" 149.7 Rückkehr nach Bethsaida 150 Die Dritte Predigtrundreise 150.1 Das Evangelistenkorps der Frauen 150.2 Der Halt in Magdala 150.3 Sabbat in Tiberias 150.4 Paarweise Aussendung der Apostel 150.5 Was muss ich tun, um gerettet zu werden? 150.6 Abendliche Unterweisung 150.7 Der Aufenthalt in Nazareth 150.8 Der Sabbatgottesdienst 150.9 Die Zurückweisung durch Nazareth 151 Abwarten und Lehren am Seeufer 151.1 Das Gleichnis vom Sämann 151.2 Interpretation des Gleichnisses 151.3 Mehr über Gleichnisse 151.4 Weitere Gleichnisse am See 151.5 Der Besuch in Kheresa 151.6 Der Geistesgestörte von Kheresa 152 Ereignisse, die zu der Krise in Kapernaum Führen 152.1 Im Hause des Jairus 152.2 Die Speisung der Fünftausend 152.3 Der Krönungsversuch 152.4 Die nächtliche Vision von Simon Petrus 152.5 Zurück in Bethsaida 152.6 In Gennesaret 152.7 In Jerusalem 153 Die Krise in Kapernaum 153.1 Vor dem Auftritt 153.2 Die epochale Predigt 153.3 Der Fortgang der Versammlung 153.4 Letzte Worte in der Synagoge 153.5 Am Samstagabend 154 Die Letzten Tage in Kapernaum 154.1 Eine Woche der Beratungen 154.2 Eine Woche der Ruhe 154.3 Die zweite Konferenz in Tiberias 154.4 Am Samstagabend in Kapernaum 154.5 Der ereignisreiche Sonntagmorgen 154.6 Jesu Familie trifft ein 154.7 Die überstürzte Flucht 155 Die Flucht durch Nordgaliläa 155.1 Warum toben die Heiden? 155.2 Die Evangelisten in Chorazin 155.3 In Cäsarea-Philippi 155.4 Auf dem Weg nach Phönizien 155.5 Die Rede über wahre Religion 155.6 Die zweite Rede über Religion 156 Der Aufenthalt in Tyrus und Sidon 156.1 Die syrische Frau 156.2 Unterweisung in Sidon 156.3 Die Reise entlang der Küste 156.4 In Tyrus 156.5 Jesu Unterweisung in Tyrus 156.6 Die Heimkehr von Phönizien 157 In Cäsarea-Philippi 157.1 Der Tempelsteuer-Einnehmer 157.2 In Bethsaida-Julias 157.3 Das Bekenntnis des Petrus 157.4 Das Gespräch über das Königreich 157.5 Die neue Konzeption 157.6 Der nächste Nachmittag 157.7 Die Unterredung mit Andreas 158 Der Berg der Verklärung 158.1 Die Verklärung 158.2 Abstieg vom Berg 158.3 Die Bedeutung der Verklärung 158.4 Der epileptische Junge 158.5 Jesus heilt den Jungen 158.6 Im Garten von Celsus 158.7 Der Protest des Petrus 158.8 Im Hause des Petrus 159 Die Reise durch die Dekapolis 159.1 Die Predigt über die Vergebung 159.2 Der fremde Prediger 159.3 Unterweisung für Lehrer und Gläubige 159.4 Das Gespräch mit Nathanael 159.5 Die positive Natur der Religion Jesu 159.6 Die Rückkehr nach Magadan 160 Rodan von Alexandrien 160.1 Rodans griechische Philosophie 160.2 Die Lebenskunst 160.3 Das Anziehende der Reife 160.4 Die Ausgewogenheit der Reife 160.5 Die Religion des Ideals 161 Weitere Diskussionen mit Rodan 161.1 Die Persönlichkeit Gottes 161.2 Die göttliche Natur Jesu 161.3 Jesu menschlicher und göttlicher Verstand 162 Beim Laubhüttenfest 162.1 Die Gefahren des Besuchs in Jerusalem 162.2 Das erste Tempelgespräch 162.3 Die Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde 162.4 Das Laubhüttenfest 162.5 Predigt über das Licht der Welt 162.6 Rede über das Wasser des Lebens 162.7 Die Rede über geistige Freiheit 162.8 Das Gespräch mit Martha und Maria 162.9 Mit Abner in Bethlehem 163 Die Weihe der Siebzig in Magadan 163.1 Die Weihe der Siebzig 163.2 Der reiche junge Mann und andere Jünger 163.3 Diskussion über den Reichtum 163.4 Abschiedsworte an die Siebzig 163.5 Verlegung des Lagers nach Pella 163.6 Die Rückkehr der Siebzig 163.7 Vorbereitung auf die letzte Mission 164 Beim Fest der Tempelweihe 164.1 Die Geschichte vom guten Samariter 164.2 In Jerusalem 164.3 Die Heilung des blinden Bettlers 164.4 Josia vor dem Sanhedrin 164.5 Unterweisung in der Halle Salomos 165 Die Peräische Mission Beginnt 165.1 Im Lager von Pella 165.2 Die Predigt über den guten Hirten 165.3 Die Sabbatpredigt in Pella 165.4 Die Teilung der Erbschaft 165.5 Gespräch mit den Aposteln über den Reichtum 165.6 Antwort auf Petrus' Frage 166 Letzter Besuch im Nördlichen Peräa 166.1 Die Pharisäer zu Ragaba 166.2 Die zehn Aussätzigen 166.3 Die Predigt in Gerasa 166.4 Unterweisung über Unfälle 166.5 Die Gemeinde in Philadelphia 167 Der Besuch in Philadelphia 167.1 Das Frühstück mit den Pharisäern 167.2 Das Gleichnis vom groen Abendessen 167.3 Die gemütskranke Frau 167.4 Die Botschaft von Bethanien 167.5 Unterwegs nach Bethanien 167.6 Die Segnung der kleinen Kinder 167.7 Das Gespräch über Engel 168 Die Auferstehung des Lazarus 168.1 Am Grab des Lazarus 168.2 Die Auferstehung des Lazarus 168.3 Die Sitzung des Sanhedrins 168.4 Die Antwort auf das Gebet 168.5 Was aus Lazarus wurde 169 Letzte Unterweisung in Pella 169.1 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn 169.2 Das Gleichnis vom schlauen Verwalter 169.3 Der Reiche und der Bettler 169.4 Der Vater und sein Reich 170 Das Königreich des Himmels 170.1 Vorstellungen vom Königreich des Himmels 170.2 Jesu Vorstellung vom Königreich 170.3 Die Beziehung zur Rechtschaffenheit 170.4 Jesu Lehre vom Königreich 170.5 Spätere Vorstellungen vom Königreich 171 Auf dem Weg nach Jerusalem 171.1 Der Abschied von Pella 171.2 Über die Berechnung des Preises 171.3 Die Rundreise durch Peräa 171.4 Unterweisung in Livias 171.5 Der blinde Mann zu Jericho 171.6 Der Besuch bei Zachäus 171.7 "Wenn Jesus vorüberging" 171.8 Das Gleichnis von den Pfunden 172 Der Einzug in Jerusalem 172.1 Sabbat in Bethanien 172.2 Am Sonntagmorgen mit den Aposteln 172.3 Der Aufbruch nach Jerusalem 172.4 Der Besuch im Tempel 172.5 Die Haltung der Apostel 173 Am Montag in Jerusalem 173.1 Die Reinigung des Tempels 173.2 Die Anfechtung der Autorität des Meisters 173.3 Das Gleichnis von den beiden Söhnen 173.4 Das Gleichnis vom abwesenden Gutsbesitzer 173.5 Das Gleichnis vom Hochzeitsfest 174 Am Dienstagvormittag im Tempel 174.1 Göttliche Vergebung 174.2 Fragen der jüdischen Führer 174.3 Die Sadduzäer und die Auferstehung 174.4 Das groe Gebot 174.5 Die forschenden Griechen 175 Die Letzte Rede im Tempel 175.1 Die Predigt 175.2 Die Stellung des einzelnen Juden 175.3 Die schicksalsschwere Sitzung des Sanhedrins 175.4 Die Lage in Jerusalem 176 Am Dienstagabend auf dem Ölberg 176.1 Die Zerstörung Jerusalems 176.2 Des Meisters zweites Kommen 176.3 Weitere Diskussion im Lager 176.4 Die Rückkehr Michaels 177 Mittwoch, der Ruhetag 177.1 Ein Tag allein mit Gott 177.2 Die frühen Jahre im Elternhaus 177.3 Der Tag im Lager 177.4 Judas und die obersten Priester 177.5 Die letzte gemeinsame Stunde 178 Der Letzte Tag im Lager 178.1 Rede über Sohnschaft und Staatsbürgerschaft 178.2 Nach dem Mittagessen 178.3 Unterwegs zum Abendmahl 179 Das Letzte Abendmahl 179.1 Der Wunsch nach Bevorzugung 179.2 Der Beginn des Abendmahls 179.3 Die Waschung der Füe der Apostel 179.4 Die letzten Worte an den Verräter 179.5 Die Einsetzung des Erinnerungsmahls 180 Die Abschiedsrede 180.1 Das neue Gebot 180.2 Der Weinstock und die Reben 180.3 Die Feindschaft der Welt 180.4 Der versprochene Helfer 180.5 Der Geist der Wahrheit 180.6 Die Notwendigkeit des Abschieds 181 Letzte Ermahnungen und Warnungen 181.1 Letzte Worte des Trostes 181.2 Persönliche Ermahnungen zum Abschied 182 In Gethsemane 182.1 Das letzte Gruppengebet 182.2 Die letzte Stunde vor dem Verrat 182.3 Allein in Gethsemane 183 Jesu Verrat und Verhaftung 183.1 Der Wille des Vaters 183.2 Judas in der Stadt 183.3 Des Meisters Verhaftung 183.4 Die Besprechung bei der Ölpresse 183.5 Auf dem Weg zum Palast des Hohenpriesters 184 Vor dem Gericht des Sanhedrins 184.1 Vernehmung durch Hannas 184.2 Petrus im Palasthof 184.3 Vor dem Gerichtshof der Sanhedristen 184.4 Die Stunde der Erniedrigung 184.5 Die zweite Sitzung des Gerichts 185 Der Prozess vor Pilatus 185.1 Pontius Pilatus 185.2 Jesus erscheint vor Pilatus 185.3 Die private Vernehmung durch Pilatus 185.4 Jesus vor Herodes 185.5 Jesus kehrt zu Pilatus zurück 185.6 Des Pilatus letzter Appell 185.7 Die letzte Vernehmung durch Pilatus 185.8 Die tragische Kapitulation des Pilatus 186 Unmittelbar vor der Kreuzigung 186.1 Judas Iskariots Ende 186.2 Des Meisters Verhalten 186.3 Der verlässliche David Zebedäus 186.4 Vorbereitungen für die Kreuzigung 186.5 Die Beziehung zwischen Jesu Tod und Passah 187 Die Kreuzigung 187.1 Auf dem Weg nach Golgatha 187.2 Die Kreuzigung 187.3 Die Zeugen der Kreuzigung 187.4 Der Dieb am Kreuz 187.5 Die letzte Stunde am Kreuz 187.6 Nach der Kreuzigung 188 Die Zeit im Grabe 188.1 Jesu Bestattung 188.2 Die Sicherung des Grabes 188.3 Der Verlauf des Sabbattages 188.4 Die Bedeutung des Todes am Kreuz 188.5 Was das Kreuz uns lehrt 189 Die Auferstehung 189.1 Der Übergang in die Morontia 189.2 Jesu materieller Leib 189.3 Die Dispensations-Auferstehung 189.4 Die Entdeckung des leeren Grabes 189.5 Petrus und Johannes am Grab 190 Morontielle Erscheinungen Jesu 190.1 Die Herolde der Auferstehung 190.2 Jesu Erscheinung in Bethanien 190.3 Im Hause des Joseph 190.4 Erscheinung vor den Griechen 190.5 Der Spaziergang mit zwei Brüdern 191 Erscheinungen vor den Aposteln und Anderen Führern 191.1 Erscheinung vor Petrus 191.2 Die erste Erscheinung vor den Aposteln 191.3 Bei den morontiellen Geschöpfen 191.4 Die zehnte Erscheinung (in Philadelphia) 191.5 Die zweite Erscheinung vor den Aposteln 191.6 Die Erscheinung in Alexandrien 192 Erscheinungen in Galiläa 192.1 Erscheinung am See 192.2 Die Gespräche mit den Apostelpaaren 192.3 Auf dem Berg der Weihe 192.4 Die Versammlung am See 193 Letzte Erscheinungen und Himmelfahrt 193.1 Die Erscheinung in Sychar 193.2 Die phönizische Erscheinung 193.3 Letzte Erscheinung in Jerusalem 193.4 Die Gründe für Judas' Fall 193.5 Die Himmelfahrt des Meisters 193.6 Petrus beruft eine Versammlung ein 194 Die Ausgiessung des Geistes der Wahrheit 194.1 Die Pfingstpredigt 194.2 Die Bedeutung von Pfingsten 194.3 Was zu Pfingsten geschah 194.4 Anfänge der christlichen Kirche 195 Nach Pfingsten 195.1 Der Einfluss der Griechen 195.2 Der römische Einfluss 195.3 Unter römischer Oberherrschaft 195.4 Das europäische finstere Mittelalter 195.5 Das moderne Problem 195.6 Der Materialismus 195.7 Die Verwundbarkeit des Materialismus 195.8 Weltlicher Totalitarismus 195.9 Das Problem des Christentums 195.10 Die Zukunft 196 Jesu Glaube 196.1 Jesus - der Mensch 196.2 Jesu Religion 196.3 Die übergeordnete Stellung der Religion ****** Kapitel 0 Vorwort ****** IN der Vorstellung der Sterblichen auf Urantia - so heißt eure Welt - herrscht hinsichtlich der Bedeutung von Ausdrücken wie Gott, Göttlichkeit und Gottheit große Verwirrung. Noch verwirrter und unsicherer sind die menschlichen Wesen hinsichtlich der Beziehungen zwischen den göttlichen Persönlichkeiten, die mit diesen zahlreichen Ausdrücken bezeichnet werden. Wegen dieser Begriffsarmut, die mit so großer Verwirrung im Ideenbereich einhergeht, habe ich den Auftrag erhalten, diese einführenden Worte zu schreiben, um die Bedeutungen zu erklären, die bestimmten in den nachfolgenden Schriften gebrauchten Wortsymbolen beigemessen werden sollten. Diese Schriften in die englische Sprache Urantias zu übertragen, ist das Korps der Wahrheitsoffenbarer von Orvonton ermächtigt worden. Bei unserem Bemühen, das kosmische Bewusstsein zu erweitern und die geistige Wahrnehmung zu steigern, fällt es uns äußerst schwer, breitere Konzepte und fortgeschrittene Wahrheit darzubieten, wenn wir uns dabei auf die Verwendung einer bestimmten Sprache der Welt beschränken müssen. Aber unser Auftrag gebietet uns, keine Mühe zu scheuen, um das von uns Gemeinte durch die Wortsymbole der englischen Sprache zu vermitteln. Wir sind angewiesen worden, neue Bezeichnungen nur dann einzuführen, wenn sich im Englischen für das auszudrückende Konzept kein Ausdruck findet, der diese neue Idee wenigstens teilweise oder sogar mit mehr oder minder verzerrtem Sinn vermitteln könnte. In der Hoffnung, allen Sterblichen, die diese Schriften aufmerksam lesen, das Verständnis zu erleichtern und ihnen Verwirrung zu ersparen, halten wir es für klug, in dieser Einführung einen Überblick über den Sinn zu geben, der zahlreichen Wörtern beigelegt werden sollte, die zur Bezeichnung der Gottheit und gewisser damit zusammenhängender Konzepte von Dingen, Bedeutungen und Werten der universellen Realität benutzt werden. Aber um dieses Vorwort von Definitionen und Terminologiebeschränkungen formulieren zu können, muss notwendigerweise der Gebrauch jener in den späteren Darlegungen verwendeten Ausdrücke vorweggenommen werden. Dieses Vorwort ist deshalb keine in sich abgerundete Darstellung, sondern lediglich ein maßgeblicher Führer, der all denen helfen soll, welche die begleitenden Schriften über die Gottheit und das Universum der Universen lesen werden, die von einer zu diesem Zweck nach Urantia entsandten Kommission aus Orvonton verfasst wurden. Eure Welt, Urantia, ist nur einer von vielen ähnlichen bewohnten Planeten, die das Lokaluniversum von Nebadon bilden. Und dieses Universum bildet zusammen mit ähnlichen Schöpfungen das Superuniversum von Orvonton, aus dessen Kapitale, Uversa, unsere Kommission stammt. Orvonton ist eines der sieben evolutionären Superuniversen von Zeit und Raum, welche die Schöpfung göttlicher Vollkommenheit ohne Anfang und Ende - das Zentraluniversum von Havona - umkreisen. Im Herzen dieses ewigen und zentralen Universums befindet sich die stationäre Paradies-Insel, das geographische Zentrum der Unendlichkeit und die Wohnstätte des ewigen Gottes. Die sieben sich entwickelnden Superuniversen zusammen mit dem zentralen und göttlichen Universum bezeichnen wir gewöhnlich als das Große Universum; das sind die jetzt organisierten und bewohnten Schöpfungen. Sie alle sind Teil des Alluniversums, das auch die unbewohnten, aber in Mobilisierung begriffenen Universen des Äußeren Raums umfasst. ***** 0.1 Gottheit und Göttlichkeit ***** Das Universum der Universen zeigt Phänomene von Gottheitsaktivitäten auf verschiedenen Ebenen kosmischer Realitäten, mentaler Bedeutungen und geistiger Werte, aber all dieses Wirken, sei es persönlicher oder anderer Natur, ist göttlich koordiniert. Die GOTTHEIT kann sich als Gott personifizieren, sie ist aber auch vorpersönlich und überpersönlich auf eine dem Menschen nicht ganz begreifliche Art. Merkmal der Gottheit ist ihre Eigenschaft der - verwirklichten oder potentiellen - Einheit auf allen übermateriellen Ebenen der Realität; und diese einigende Eigenschaft wird von den Geschöpfen am besten als Göttlichkeit verstanden. Die Gottheit funktioniert auf persönlichen, vorpersönlichen und überpersönlichen Ebenen. Die totale Gottheit funktioniert auf den folgenden sieben Ebenen: 1. Statisch - die in sich selber enthaltene und in sich selber existierende Gottheit. 2. Potentiell - die aus sich selber heraus wollende und planende Gottheit. 3. Assoziativ - die aus sich selber heraus personifizierte und göttlich brüderliche Gottheit. 4. Kreativ - die sich selber austeilende und göttlich offenbarte Gottheit. 5. Evolutionär - die aus sich selber heraustretende und mit dem Geschöpf identifizierte Gottheit. 6. Suprem - die sich selber erfahrende und den Schöpfer mit dem Geschöpf einigende Gottheit. Gottheit, die auf der ersten Ebene der Identifikation mit den Geschöpfen als oberste Zeit-Raum-Kontrollinstanz des Großen Universums funktioniert und manchmal als Suprematie der Gottheit bezeichnet wird. 7. Ultim - die sich selber projizierende und Zeit und Raum transzendierende Gottheit. Die allmächtige, allwissende und allgegenwärtige Gottheit. Gottheit, die auf der zweiten Ebene des einigenden Ausdrucks der Göttlichkeit funktioniert als tatsächliche höchste Kontrollinstanz und absonite Stütze des Alluniversums. Verglichen mit dem Wirken der Gottheiten im Großen Universum ist diese absonite Funktion im Alluniversum gleichbedeutend mit höchster universaler Kontrolle und Aufrechterhaltung. Sie wird manchmal Ultimität der Gottheit genannt. Die endliche Ebene der Realität ist gekennzeichnet durch das Geschöpfesleben und die Zeit-Raum-Beschränkungen. Endliche Realitäten nehmen unter Umständen kein Ende, aber sie haben immer einen Anfang - sie sind erschaffen. Die Gottheitsebene der Suprematie kann als eine Funktion verstanden werden, die zu endlichen Existenzen in Beziehung steht. Die absonite Ebene der Realität wird charakterisiert durch Dinge und Wesen ohne Anfang und ohne Ende und durch die Transzendierung von Zeit und Raum. Absoniter werden nicht erschaffen; sie sind eventuiert - ganz einfach: sie sind. Die Gottheitsebene der Ultimität bedeutet stets eine Funktion in Beziehung zu absoniten Realitäten. Jedes Mal, wenn irgendwo im Alluniversum Zeit und Raum überschritten werden, ist ein derartiges absonites Phänomen ein Akt der Ultimität der Gottheit. Die absolute Ebene ist ohne Anfang und ohne Ende, zeit- und raumlos. Ein Beispiel: Im Paradies gibt es weder Zeit noch Raum; der Zeit-Raum-Status des Paradieses ist absolut. Diese Ebene wird durch die Gottheiten des Paradieses in der Trinität existentiell erreicht, aber diese dritte Ebene einigenden Ausdrucks der Gottheit ist im Erfahrungsmäßigen nicht gänzlich geeint. Wann, wo und wie immer die absolute Ebene der Gottheit funktioniert, manifestieren sich absolute Werte und Bedeutungen des Paradieses. Die Gottheit kann existentiell sein wie im Ewigen Sohn; erfahrungsmäßig wie im Supremen Wesen; assoziativ wie im Siebenfachen Gott; ungeteilt wie in der Paradies-Trinität. Die Gottheit ist der Ursprung alles Göttlichen. Die Gottheit ist in charakteristischer und unveränderlicher Weise göttlich, aber alles, was göttlich ist, ist nicht notwendigerweise Gottheit, obwohl es mit der Gottheit koordiniert sein und nach irgendeinem geistigen, verstandesmäßigen oder persönlichen Stadium der Einheit mit der Gottheit streben muss. GÖTTLICHKEIT ist die charakteristische einigende und koordinierende Eigenschaft der Gottheit. Göttlichkeit kann von den Geschöpfen als Wahrheit, Schönheit und Güte erfasst werden; in der Persönlichkeit ist sie korreliert als Liebe, Barmherzigkeit und Dienen; auf unpersönlichen Ebenen offenbart sie sich als Gerechtigkeit, Macht und Souveränität. Göttlichkeit kann vollkommen - vollständig - sein wie auf den existentiellen und Schöpferebenen paradiesischer Vollkommenheit; sie kann unvollkommen sein wie auf den Erfahrungs- und Geschöpfesebenen der Zeit-Raum-Evolution; oder sie kann relativ - weder vollkommen noch unvollkommen - sein wie in Havona auf gewissen Ebenen existentiell-erfahrungsmäßiger Beziehungen. Wenn wir versuchen, uns die Vollkommenheit in allen Phasen und Formen von Relativität vorzustellen, begegnen wir sieben möglichen Typen: 1. Absolute Vollkommenheit in jeder Hinsicht. 2. Absolute Vollkommenheit in einigen Phasen und relative Vollkommenheit in jeder anderen Hinsicht. 3. Absolute, relative und unvollkommene Aspekte in verschiedener Verbindung. 4. Absolute Vollkommenheit in einigen Beziehungen, Unvollkommenheit in allen anderen. 5. Absolute Vollkommenheit in keiner Richtung, relative Vollkommenheit in sämtlichen Manifestationen. 6. Absolute Vollkommenheit in keiner Phase, relative Vollkommenheit in einigen Phasen, Unvollkommenheit in anderen. 7. Absolute Vollkommenheit in keiner Eigenschaft, Unvollkommenheit in allen. ***** 0.2 Gott ***** Die sich entwickelnden menschlichen Geschöpfe verspüren einen unwiderstehlichen Drang, ihre endlichen Gottesvorstellungen in Symbolen auszudrücken. Das Bewusstsein des Menschen von sittlicher Pflicht und sein geistiger Idealismus stellen eine Wertebene - eine erfahrungsmäßige Realität - dar, die schwer zu symbolisieren ist. Kosmisches Bewusstsein schließt die Erkenntnis einer Ersten Ursache, der einzigen und alleinigen nicht verursachten Realität, ein. Gott, der Universale Vater, wirkt auf drei Gottheit-Persönlichkeit-Ebenen unter-unendlichen Wertes und relativen Ausdrucks von Göttlichkeit: 1. Vorpersönlich - wie im Dienst der Vaterfragmente, zum Beispiel der Gedankenjustierer. 2. Persönlich - wie in der evolutionären Erfahrung erschaffener und gezeugter Wesen. 3. Überpersönlich - wie in den eventuierten Existenzen gewisser absoniter und verwandter Wesen. GOTT ist ein Wortsymbol, das alle Personifizierungen der Gottheit bezeichnet. Der Ausdruck erfordert auf jeder persönlichen Ebene der Gottheitsfunktion eine andere Definition und muss innerhalb jeder dieser Ebenen noch näher umschrieben werden, da er zur Bezeichnung der verschiedenen koordinierten und subordinierten Personifizierungen der Gottheit benutzt werden kann, wie zum Beispiel der Schöpfersöhne des Paradieses - der Väter der Lokaluniversen. Man kann den Begriff Gott, so wie wir ihn verwenden, verstehen: Aus der Bezeichnung - als Gott, den Vater. Aus dem Zusammenhang - wenn er bei der Besprechung irgendeiner Gottheitsebene oder -vereinigung verwendet wird. Wenn hinsichtlich der genauen Interpretation des Wortes Gott Zweifel bestehen, ist es ratsam, es auf die Person des Universalen Vaters zu beziehen. Der Begriff Gott beinhaltet immer Persönlichkeit. Der Begriff Gottheit kann sich, oder auch nicht, auf göttliche Persönlichkeiten beziehen. Das Wort GOTT wird in diesen Schriften in den folgenden Bedeutungen gebraucht: 1. Gott der Vater - Schöpfer, Überwacher und Erhalter. Der Universale Vater, die Erste Person der Gottheit. 2. Gott der Sohn - Koordinierter Schöpfer, Geist-Überwacher und Geistiger Verwalter. Der Ewige Sohn, die Zweite Person der Gottheit. 3. Gott der Geist - Mit-Vollzieher, Universaler Integrierer und Verleiher des Verstandes. Der Unendliche Geist, die Dritte Person der Gottheit. 4. Der Supreme Gott - der sich verwirklichende oder sich entwickelnde Gott von Zeit und Raum. Persönliche Gottheit, die in Zeit und Raum auf assoziativem Wege die erfahrungsmäßige Vollendung der Identität des Geschöpfs mit dem Schöpfer verwirklicht. Das Supreme Wesen macht als der sich entwickelnde und erfahrungsmäßige Gott der evolutionären Geschöpfe von Zeit und Raum persönlich die Erfahrung, die Einheit der Gottheit zu erreichen. 5. Der Siebenfache Gott - Gottheits-Persönlichkeit, die tatsächlich überall in Zeit und Raum wirkt. Die persönlichen Paradies-Gottheiten und ihre Mit-Schöpfer, die inner- und außerhalb der Grenzen des Zentraluniversums wirken und auf der ersten Geschöpfesebene einigender Gottheitsoffenbarung in Zeit und Raum als Supremes Wesen an der Macht-Persönlichkeits-Synthese arbeiten. Diese Ebene, das Große Universum, ist die Sphäre des zeitlich-räumlichen Niedersteigens der Paradies-Persönlichkeiten und des mit ihm verbundenen Gegenstücks des zeitlich-räumlichen Emporsteigens der evolutionären Geschöpfe. 6. Der Ultime Gott - der eventuierende Gott der Über-Zeit und des transzendierten Raums. Die zweite erfahrungsmäßige Ebene einigender Gottheitsmanifestation. Der Ultime Gott beinhaltet erreichte Verwirklichung der Synthese von absonit-überpersönlichen, Zeit und Raum übersteigenden und eventuiert-erfahrungsmäßigen Werten, die auf finalen schöpferischen Ebenen der Gottheitsrealität koordiniert sind. 7. Der Absolute Gott - der Erfahrungsgott transzendierter überpersönlicher Werte und göttlicher Bedeutungen, jetzt existentiell als das Gottheit-Absolute. Dies ist die dritte Ebene einigenden Ausdrucks und einigender Expansion der Gottheit. Auf dieser überschöpferischen Ebene erfährt die Gottheit die Erschöpfung des personifizierbaren Potentials, stößt auf die Vollendung der Göttlichkeit und büßt die Fähigkeit ein, sich selbst auf sukzessiven und fortschreitenden Ebenen andersartiger Personifizierung zu offenbaren. Die Gottheit stößt jetzt auf das Eigenschaftslose Absolute und erfährt ihre Identität mit ihm. ***** 0.3 Der Erste Zentrale Ursprung ***** Die totale unendliche Realität ist existentiell in sieben Phasen und als sieben koordinierte Absolute: 1. Der Erste Zentrale Ursprung. 2. Der Zweite Zentrale Ursprung. 3. Der Dritte Zentrale Ursprung. 4. Die Paradies-Insel. 5. Das Gottheit-Absolute. 6. Das Universale Absolute. 7. Das Eigenschaftslose Absolute. Gott als Erster Zentraler Ursprung ist in Beziehung zur totalen Realität uranfänglich - ohne jede Einschränkung. Der Erste Zentrale Ursprung ist sowohl unendlich als auch ewig und deshalb lediglich durch den Willen begrenzt oder bedingt. Gott - der Universale Vater - ist die Persönlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs und übt als solche eine beständige persönliche und unendliche Kontrolle über alle koordinierten und subordinierten Ursprünge und Zentren aus. Diese Kontrolle ist potentiell persönlich und unendlich, auch wenn sie infolge der Vollkommenheit der Arbeitsweise solch koordinierter und subordinierter Ursprünge und Zentren und Persönlichkeiten nie tatsächlich so funktionieren sollte. Deshalb ist der Erste Zentrale Ursprung uranfänglich in allen Bereichen: den deifizierten oder nicht deifizierten, persönlichen oder unpersönlichen, verwirklichten oder potentiellen, endlichen oder unendlichen. Kein Ding oder Wesen, keine Relativität oder Finalität existiert anders als in direkter oder indirekter Beziehung zur Ursächlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs und in Abhängigkeit von ihm. Der Erste Zentrale Ursprung steht in folgender Beziehung zum Universum: 1. Die Gravitationskräfte der materiellen Universen laufen im Gravitationszentrum des Unteren Paradieses zusammen. Gerade deshalb ist der geographische Ort der Person Gottes auf ewig festgelegt in absoluter Beziehung zum Kraft-Energie-Zentrum der unteren oder materiellen Ebene des Paradieses. Aber die absolute Persönlichkeit der Gottheit existiert auf der oberen oder geistigen Ebene des Paradieses. 2. Die mentalen Kräfte laufen im Unendlichen Geist zusammen; der differenzierte und divergierende kosmische Verstand läuft in den Sieben Hauptgeisten zusammen und der sich verwirklichende Verstand des Supremen als Zeit-Raum-Erfahrung in Majeston. 3. Die geistigen Kräfte des Universums konvergieren im Ewigen Sohn. 4. Das unbegrenzte Aktionsvermögen der Gottheit ruht im Gottheit-Absoluten. 5. Das unbegrenzte Reaktionsvermögen der Unendlichkeit existiert im Eigenschaftslosen Absoluten. 6. Diese beiden Absoluten - das Eigenschaftsbegabte und das Eigenschaftslose - werden im Universalen Absoluten und durch dieses koordiniert und geeint. 7. Die potentielle Persönlichkeit eines evolutionären oder irgendeines anderen sittlichen Wesens ist in der Persönlichkeit des Universalen Vaters zentriert. REALITÄT, wie endliche Wesen sie verstehen, ist partiell, relativ und schattenhaft. Das Äußerste an Gottheitsrealität, was evolutionäre endliche Geschöpfe voll begreifen können, liegt im Supremen Wesen beschlossen. Und doch gibt es vorausgehende und ewige Realitäten, über-endliche Realitäten, die bezüglich dieser Supremen Gottheit der evolutionären Zeit-Raum-Geschöpfe eine Ahnenstellung einnehmen. Bei dem Versuch der Darstellung von Ursprung und Natur der universalen Realität sind wir gezwungen, die Technik der zeitlich-räumlichen Denkweise zu gebrauchen, um die Ebene des endlichen Verstandes zu erreichen. Aus diesem Grunde müssen viele zusammenfallende Ereignisse der Ewigkeit als aufeinander folgende Geschehnisse dargestellt werden. Ein Geschöpf von Zeit und Raum würde Ursprung und Differenzierung der Realität etwa folgendermaßen sehen: Das ewige und unendliche ICH BIN erlangte die Befreiung der Gottheit von den Ketten der eigenschaftslosen Unendlichkeit durch die Betätigung des ihm innewohnenden ewigen freien Willens, und diese Trennung von der eigenschaftslosen Unendlichkeit rief die erste absolute Göttlichkeits-Spannung hervor. Diese durch die Differenzierung der Unendlichkeit hervorgerufene Spannung wird durch das Universale Absolute gelöst, dessen Funktion die Einigung und Koordinierung der dynamischen Unendlichkeit der Totalen Gottheit und der statischen Unendlichkeit des Eigenschaftslosen Absoluten ist. In diesem ursprünglichen Vorgang verwirklichte das theoretische ICH BIN die Persönlichkeit, indem es gleichzeitig zum Ewigen Vater des Ursprünglichen Sohnes und zum Ewigen Ursprung der Paradies-Insel wurde. Gleichzeitig mit der Differenzierung des Sohnes vom Vater und in der Gegenwart des Paradieses erschienen die Person des Unendlichen Geistes und das Zentraluniversum von Havona. Mit dem Auftreten der ko-existenten persönlichen Gottheit - des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes - entging der Vater als Persönlichkeit der ansonsten unvermeidlichen Durchdringung des gesamten Potentials der Totalen Gottheit. Seither füllt der Vater das ganze Gottheitspotential nur im trinitären Zusammenwirken mit den beiden ihm an Gottheit Ebenbürtigen aus, während sich die erfahrungsmäßige Gottheit in zunehmendem Maße auf den Göttlichkeitsebenen der Suprematie, Ultimität und Absolutheit verwirklicht. Das Konzept des ICH BIN ist ein philosophisches Zugeständnis, das wir dem an Zeit und Raum gebundenen, endlichen Verstand des Menschen machen, da es dem Geschöpf unmöglich ist, ewige Existenzen - Realitäten und Beziehungen ohne Anfang und ohne Ende - zu verstehen. Für ein Geschöpf von Zeit und Raum müssen alle Dinge einen Anfang haben mit der einzigen Ausnahme des EINEN OHNE URSACHE, der uranfänglichen Ursache aller Ursachen. Deshalb drücken wir diese philosophische Wertebene durch die Idee des ICH BIN aus und lassen gleichzeitig alle Geschöpfe wissen, dass der Ewige Sohn und der Unendliche Geist ewig gemeinsam mit dem ICH BIN existieren; dass es mit anderen Worten nie eine Zeit gab, da das ICH BIN nicht der Vater des Sohnes und, mit ihm, des Geistes war. Der Begriff das Unendliche wird gebraucht, um die Fülle - die Finalität - anzudeuten, die das Primat des Ersten Zentralen Ursprungs in sich schließt. Das theoretische ICH BIN ist eine geschöpfes-philosophische Erweiterung der "Unendlichkeit des Willens", aber das Unendliche ist eine wirkliche Wertebene, welche den Ewigkeitsinhalt der wahren Unendlichkeit des absoluten und uneingeschränkten freien Willens des Universalen Vaters darstellt. Dieses Konzept wird manchmal als das Vater-Unendliche bezeichnet. Ein großer Teil der Verwirrung von Wesen aller Ordnungen, sowohl hoher wie niedriger, bei ihrem Bemühen, das Vater-Unendliche zu entdecken, entspringt ihrem begrenzten Begriffsvermögen. Das absolute Primat des Universalen Vaters tritt auf unter-unendlichen Ebenen nicht in Erscheinung; es ist deshalb wahrscheinlich, dass nur der Ewige Sohn und der Unendliche Geist den Vater wahrhaft als eine Unendlichkeit kennen; für alle anderen Persönlichkeiten bedeutet ein solches Konzept einen Glaubensakt. ***** 0.4 Universumsrealität ***** Die Realität verwirklicht sich auf den verschiedenen Universumsebenen unterschiedlich; die Realität hat ihren Ursprung im unendlichen Willen des Universalen Vaters und durch ihn und kann auf vielen verschiedenen Ebenen universeller Verwirklichung in drei ursprünglichen Phasen Realität werden: 1. Die nicht-deifizierte Realität erstreckt sich von den Energiedomänen des Unpersönlichen bis zu den Realitätsbereichen der nicht personifizierbaren Werte universeller Existenz und sogar bis in die Gegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten. 2. Die deifizierte Realität umfasst sämtliche unendlichen Potentiale der Gottheit in allen Persönlichkeitsbereichen vom niedrigsten endlichen aufwärts bis zum höchsten unendlichen, schließt also das Gebiet all dessen ein, was personifizierbar ist und mehr - sogar bis zu der Gegenwart des Gottheit-Absoluten. 3. Die verschwisterte Realität. Man könnte annehmen, dass die Realität des Universums entweder deifiziert oder nicht-deifiziert sei, aber für unter-deifizierte Wesen existiert ein weites Gebiet verschwisterter Realität - sowohl potentieller wie sich verwirklichender - die schwer identifizierbar ist. Diese koordinierte Realität gehört großenteils den Reichen des Universalen Absoluten an. Dies ist das grundlegende Konzept der ursprünglichen Realität: Der Vater ruft die Realität ins Leben und erhält sie aufrecht. Die Ur-Differenzierungen der Realität sind die deifizierte und die nicht-deifizierte - das Gottheit-Absolute und das Eigenschaftslose Absolute. Die Ur-Beziehung ist die Spannung zwischen ihnen. Diese vom Vater ausgelöste Spannung in der Göttlichkeit wird durch das Universale Absolute in vollkommener Weise gelöst und als dieses verewigt. Vom Standpunkt der Zeit und des Raums kann man die Realität weiter wie folgt unterteilen in: 1. Verwirklicht und potentiell. Realitäten, die voll ausgedrückt existieren, im Unterschied zu solchen, welche verborgene Wachstumsmöglichkeiten besitzen. Der Ewige Sohn ist eine absolute geistige Wirklichkeit; der sterbliche Mensch ist sehr weitgehend eine unverwirklichte geistige Potentialität. 2. Absolut und subabsolut. Absolute Realitäten sind Existenzen der Ewigkeit. Subabsolute Realitäten werden auf zwei Ebenen projiziert: Die absoniten sind Realitäten, die bezüglich Zeit und Ewigkeit relativ sind; die endlichen sind in den Raum projizierte und in der Zeit verwirklichte Realitäten. 3. Existentiell und erfahrungsmäßig. Die Paradies-Gottheit ist existentiell, aber der Supreme und der Ultime, beide im Werden, sind Erfahrungsgottheiten. 4. Persönlich und unpersönlich. Expansion der Gottheit, Ausdruck der Persönlichkeit und Evolution des Universums werden auf ewig durch den freien Willensakt des Vaters bedingt, der die verwirklichten und potentiellen mental-geistig-persönlichen Bedeutungen und Werte, die ihr Zentrum im Ewigen Sohn haben, für immer von jenen Dingen getrennt hat, deren Zentrum die ewige Paradies-Insel ist und die in ihr enthalten sind. Der Ausdruck PARADIES schließt die persönlichen und nicht-persönlichen fokalen Absoluten aller Phasen der Universumsrealität in sich. Der Begriff Paradies, wenn angemessen definiert, kann zugleich alle Arten von Realität bedeuten: Gottheit, Göttlichkeit, Persönlichkeit und Energie - geistige, mentale oder materielle. Sie alle teilen das Paradies als Ort des Ursprungs, der Funktion und Bestimmung, was Werte, Bedeutungen und tatsächliche Existenz anbelangt. Die Paradies-Insel - das nicht näher definierte Paradies - ist das Absolute der materiellen Gravitationskontrolle des Ersten Zentralen Ursprungs. Das Paradies bewegt sich nicht; es ist das einzige Stationäre im gesamten Universum der Universen. Die Paradies-Insel hat einen Standort im Universum, aber keine Position im Raum. Die ewige Insel ist der tatsächliche Ursprung der physischen Universen - vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger. Die Kerninsel des Lichts ist ein Abkömmling der Gottheit, aber selber kaum Gottheit; ebenso wenig sind die materiellen Schöpfungen ein Teil der Gottheit; sie sind eine Folge. Das Paradies ist kein Schöpfer; es übt eine einzigartige Kontrolle über viele Universumsaktivitäten aus; es kontrolliert weit mehr, als dass es reagiert. In sämtlichen materiellen Universen beeinflusst das Paradies die Reaktionen und das Verhalten aller Wesen, die mit Kraft, Energie und Macht zu tun haben, aber das Paradies selber steht unter den Universen einzigartig, exklusiv und isoliert da. Das Paradies stellt nichts dar, und nichts stellt das Paradies dar. Es ist weder eine Kraft noch eine Gegenwart; es ist einfach das Paradies. ***** 0.5 Persönlichkeitsrealitäten ***** Persönlichkeit ist eine Ebene deifizierter Realität und reicht von der Ebene der sich in Anbetung und Weisheit kundgebenden höheren Verstandesaktivierung der Sterblichen und Mittler über die morontielle und geistige Stufe bis hinauf zum Erreichen der Finalität des Persönlichkeitsstatus. Von dieser Art ist der evolutionäre Aufstieg der Persönlichkeiten sterblicher und verwandter Geschöpfe, aber es gibt im Universum zahlreiche andere Persönlichkeitsordnungen. Die Realität ist universeller Expansion unterworfen, die Persönlichkeit unendlicher Diversifizierung, und beide sind nahezu unbegrenzter Koordination mit der Gottheit und ewiger Stabilisierung fähig. Während der metamorphische Spielraum nicht-persönlicher Realität eindeutig begrenzt ist, kennen wir für die fortschreitende Evolution der Persönlichkeitsrealitäten keine Grenzen. Nach Erreichen bestimmter Erfahrungsebenen sind alle Persönlichkeitsordnungen oder -werte assoziierbar und sogar mitschöpferisch. Sogar Gott und Mensch können in einer geeinten Persönlichkeit koexistieren, wie es der gegenwärtige Status von Christus Michael - Menschensohn und Gottessohn - so wunderschön veranschaulicht. Alle unter-unendlichen Persönlichkeitsordnungen und -phasen können zur Assoziation gelangen und sind potentiell mitschöpferisch. Das Vorpersönliche, Persönliche und Überpersönliche sind miteinander verbunden durch ein gegenseitiges Potential koordinierten Erreichens, fortschreitender Erfüllung und mitschöpferischer Fähigkeit. Aber nie verwandelt sich Unpersönliches direkt in Persönliches. Persönlichkeit entsteht nie spontan; sie ist die Gabe des Paradies-Vaters. Die Persönlichkeit ist der Energie überlagert und verbindet sich nur mit lebenden Energiesystemen; Identität kann auch mit nicht-lebenden Energiemodellen verbunden sein. Der Universale Vater ist das Geheimnis der Persönlichkeitsrealität, der Persönlichkeitsverleihung und der Bestimmung der Persönlichkeit. Der Ewige Sohn ist die absolute Persönlichkeit, das Geheimnis der geistigen Energie, der morontiellen Geistwesen und der vervollkommneten Geistwesen. Der Mit-Vollzieher ist die Geist-Verstand-Persönlichkeit, die Quelle der Intelligenz, der Vernunft und des universalen Verstandes. Aber die Paradies-Insel ist nichtpersönlich und aussergeistig, sie ist die Essenz des Universumskörpers, der Zentrale Ursprung der physischen Materie und das absolute, beherrschende Urmuster der universalen materiellen Realität. Diese Eigenschaften der universalen Realität treten in der menschlichen Erfahrung eines Urantianers auf folgenden Ebenen in Erscheinung: 1. Körper. Der materielle oder physische Organismus des Menschen. Der lebendige elektro-chemische Mechanismus tierischer Natur und Abstammung. 2. Verstand. Der denkende, wahrnehmende und fühlende Mechanismus des menschlichen Organismus. Die gesamte bewusste und unbewusste Erfahrung. Die Intelligenz in Verbindung mit dem emotionalen Leben, über Anbetung und Weisheit bis zur geistigen Ebene hinaufreichend. 3. Geist. Der göttliche Geist, der dem Verstand des Menschen innewohnt - der Gedankenjustierer. Dieser unsterbliche Geist ist vorpersönlich - er ist keine Persönlichkeit, obwohl dazu bestimmt, ein Teil der Persönlichkeit des fortlebenden menschlichen Geschöpfes zu werden. 4. Seele. Die Seele des Menschen ist eine erfahrungsmäßige Erwerbung. In dem Maße, in dem ein sterbliches Geschöpf entscheidet, "den Willen des Vaters im Himmel zu tun", wird der innewohnende Geist in menschlicher Erfahrung zum Vater einer neuen Realität. Der sterbliche und materielle Verstand ist die Mutter dieser selben, im Entstehen begriffenen Realität. Die Substanz dieser neuen Realität ist weder materiell noch geistig - sie ist morontiell. Es ist die erwachende unsterbliche Seele, deren Bestimmung es ist, nach dem Tode fortzuleben und mit dem Aufstieg zum Paradies zu beginnen. Persönlichkeit. Die Persönlichkeit des sterblichen Menschen ist weder Körper noch Verstand noch Geist; ebenso wenig ist sie die Seele. Die Persönlichkeit ist die eine unveränderliche Realität in der im Übrigen stetem Wechsel unterworfenen Erfahrung des Geschöpfs; und sie einigt alle anderen mit der Individualität verbundenen Faktoren. Die Persönlichkeit ist die einzigartige Gabe, die der Universale Vater den lebendigen und miteinander verbundenen Energien der Materie, des Verstandes und des Geistes verleiht und die nach dem Tod mit der morontiellen Seele fortlebt. Morontia ist ein Begriff, welcher einen weiten, zwischen dem Materiellen und dem Geistigen liegenden Bereich bezeichnet. Er kann persönliche oder unpersönliche Realitäten sowie lebende oder nicht-lebende Energien bezeichnen. Die Kette der Morontia ist geistig, der Schuss materiell. ***** 0.6 Energie und Urmuster ***** Alles und jedes, was auf den Persönlichkeitskreis des Vaters anspricht, nennen wir persönlich. Alles und jedes, was auf den Geistkreis des Sohnes anspricht, nennen wir Geist. Alles und jedes, was auf den Verstandeskreis des Mit-Vollziehers anspricht, nennen wir Verstand, Verstand als ein Attribut des Unendlichen Geistes - Verstand in all seinen Phasen. Alles und jedes, was auf den materiellen Gravitationskreis mit Zentrum im Unteren Paradies anspricht, nennen wir Materie - Energie-Materie in all ihren metamorphischen Zuständen. ENERGIE benutzen wir als allumfassenden Begriff, der auf geistige, mentale und materielle Bereiche Anwendung findet. Kraft wird in ebenso weitem Sinne verwendet. Macht beschränkt sich üblicherweise auf die Bezeichnung der elektronischen Ebene der materiellen, auf lineare Gravitation ansprechenden Materie des Großen Universums. Macht wird auch zur Bezeichnung von Souveränität verwendet. Wir können uns euren allgemein akzeptierten Definitionen von Kraft, Energie und Macht nicht anschließen. Eure Sprache ist so arm, dass wir diesen Ausdrücken mehrere Bedeutungen zulegen müssen. Der Begriff physische Energie bezeichnet alle Phasen und Formen von Bewegung, Aktion und Potential der Phänomene. Bei der Besprechung der Erscheinungsformen physischer Energien bedienen wir uns im Allgemeinen der Ausdrücke kosmische Kraft, erwachende Energie und Universumsmacht und gebrauchen sie oft wie folgt: 1. Die kosmische Kraft umfasst alle Energien, die dem Eigenschaftslosen Absoluten entstammen, aber noch nicht auf die Gravitation des Paradieses ansprechen. 2. Die erwachende Energie umfasst jene Energien, die auf die Gravitation des Paradieses, aber noch nicht auf die lokale oder lineare Gravitation ansprechen. Dies ist die vorelektronische Ebene der Energie-Materie. 3. Die Universumsmacht schließt all jene Formen der Energie ein, die, obwohl weiterhin auf die Gravitation des Paradieses reagierend, direkt auf die lineare Gravitation ansprechen. Dies ist die elektronische Ebene der Energie-Materie und all ihrer späteren Entwicklungen. Verstand ist ein Phänomen, das die aktive Gegenwart eines lebendigen Wirkens bedeutet, das zu unterschiedlichen Energiesystemen hinzutritt; und das gilt für alle Intelligenzebenen. In der Persönlichkeit vermittelt der Verstand immer zwischen Geist und Materie; deshalb wird das Universum von drei Arten von Licht erhellt: vom materiellen Licht, von intellektueller Klarsicht und vom geistigen Leuchten. Licht - geistiges Leuchten - ist ein Wortsymbol, eine Redensart, welche die für geistige Wesen verschiedener Ordnungen bezeichnende Persönlichkeitsmanifestation ausdrückt. Diese lichtvolle Ausstrahlung steht in keinerlei Beziehung zu intellektueller Klarsicht oder physikalischen Lichterscheinungen. Ein URMUSTER kann ins Materielle, Geistige oder Mentale oder in irgendeine Kombination dieser Energien projiziert werden. Es kann Persönlichkeiten, Identitäten, Wesenheiten oder leblose Materie durchdringen. Aber ein Urmuster ist und bleibt ein Urmuster, nur Kopien davon lassen sich vervielfältigen. Ein Urmuster kann einer Energie Gestalt geben, aber es kontrolliert sie nicht. Die Gravitation ist die einzige Kontrolle der Energie-Materie. Weder Raum noch Urmuster sprechen auf die Gravitation an, aber es gibt keine Beziehung zwischen Raum und Urmuster; der Raum ist weder Urmuster noch potentielles Urmuster. Ein Urmuster ist eine Gestaltung der Realität, die der Gravitation bereits ihren vollen Tribut entrichtet hat; die Realität jedes Urmusters besteht aus seinen Energien, seinen mentalen, geistigen oder materiellen Komponenten. Im Gegensatz zum Aspekt des Ganzen enthüllt das Urmuster den individuellen Aspekt von Energie und Persönlichkeit. Persönlichkeits- oder Identitätsformen sind Urmuster, die durch Energie (physische, geistige oder mentale) hervorgebracht werden, in dieser aber nicht enthalten sind. Diese Eigenschaft von Energie oder von Persönlichkeit, kraft welcher das Urmuster in Erscheinung tritt, kann Gott - der Gottheit - zugeschrieben werden, der Kraftverleihung durch das Paradies, der Koexistenz von Persönlichkeit und Macht. Das Urmuster ist ein Leitmodell, von dem Kopien angefertigt werden. Das Ewige Paradies ist das Absolute der Urmuster; der Ewige Sohn ist das Urmuster der Persönlichkeit; der Universale Vater ist die direkte Urquelle beider. Aber das Paradies verleiht keine Urmuster, noch kann der Sohn Persönlichkeit verleihen. ***** 0.7 Das Supreme Wesen ***** Der Gottheitsmechanismus des Alluniversums ist hinsichtlich der Beziehungen zur Ewigkeit doppelter Natur. Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Geist sind ewig - sind existentielle Wesen -, während der Supreme Gott, der Ultime Gott und der Absolute Gott sich verwirklichende Gottheits-Persönlichkeiten sind, die den Nach-Havona-Epochen der Zeit-Raum-Sphären sowie den Zeit und Raum überschreitenden Sphären der evolutionären Expansion des Alluniversums angehören. Diese sich verwirklichenden Gottheit-Persönlichkeiten sind ewig für alle Zukunft von dem Augenblick an, da sie in den wachsenden Universen an der Synthese von Macht und Persönlichkeit arbeiten durch die Technik der erfahrungsmäßigen Verwirklichung der assoziativ-kreativen Potentiale der ewigen Paradies-Gottheiten. Die Gottheit ist deshalb in doppelter Weise gegenwärtig: 1. Existentiell - als Wesen mit einer ewigen - vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen - Existenz. 2. Erfahrungsmäßig - als sich verwirklichende Wesen der Nach-Havona-Gegenwart, deren Existenz aber in der ganzen zukünftigen Ewigkeit nie ein Ende nehmen wird. Vater, Sohn und Geist sind existentiell - existentiell in der Wirklichkeit (obwohl von allem Potentiellen angenommen wird, es sei erfahrungsmäßig). Der Supreme und der Ultime sind gänzlich erfahrungsmäßig. Das Gottheit-Absolute ist erfahrungsmäßig in der Verwirklichung, aber existentiell in der Potentialität. Die Essenz der Gottheit ist ewig, aber einzig die drei ursprünglichen Personen der Gottheit sind ohne Einschränkung ewig. Alle anderen Persönlichkeiten der Gottheit haben einen Ursprung, sind aber ewig in ihrer Bestimmung. Nachdem der Vater seine existentielle Gottheit im Sohn und im Geist ausgedrückt hat, ist er jetzt dabei, sich als Supremer Gott, Ultimer Gott und Absoluter Gott auf bislang unpersönlichen und nicht offenbarten Gottheitsebenen erfahrungsmäßig auszudrücken; aber diese Erfahrungsgottheiten existieren jetzt noch nicht voll; sie befinden sich in einem Prozess der Verwirklichung. Der Supreme Gott in Havona ist die persönliche geistige Widerspiegelung der dreieinigen Paradies-Gottheit. Diese partnerschaftliche Gottheitsbeziehung expandiert jetzt im Siebenfachen Gott schöpferisch immer weiter nach außen und arbeitet durch die erfahrungsmäßige Macht des Allmächtigen Supremen an der Synthese im Großen Universum. Die Gottheit des Paradieses, existentiell als drei Personen, entwickelt sich also erfahrungsmäßig in zwei Phasen der Suprematie, während diese beiden Phasen an der Einigung von Macht und Persönlichkeit in einem Einzigen Herrn, dem Supremen Wesen arbeiten. Durch die Technik der Trinitisation, der dreifachen Personifizierung der Gottheit, befreit der Universale Vater seinen freien Willen aus den Banden der Unendlichkeit und aus den Fesseln der Ewigkeit. Das Supreme Wesen entwickelt sich gegenwärtig als unter-ewige Persönlichkeitseinigung der siebenfachen Gottheitsmanifestation in den Zeit-Raum-Segmenten des Großen Universums. Das Supreme Wesen ist kein direkter Schöpfer, außer dass es der Vater von Majeston ist, aber es koordiniert und einigt alle Geschöpf-Schöpfer-Aktivitäten im Universum. Das sich jetzt in den evolutionären Universen verwirklichende Supreme Wesen ist der Gottheit-Korrelierer und Einiger der zeitlich-räumlichen Göttlichkeit der dreieinigen Paradies-Gottheit in erfahrungsmäßiger Zusammenarbeit mit den Supremen Schöpfern von Zeit und Raum. Wenn diese evolutionäre Gottheit dereinst verwirklicht ist, wird sie die ewige Fusion des Endlichen mit dem Unendlichen verkörpern - die immerwährende und unauflösliche Vereinigung von erfahrungsmäßiger Macht und geistiger Persönlichkeit. Geleitet und angetrieben von dem sich entwickelnden Supremen Wesen befindet sich die gesamte endliche Realität von Zeit und Raum in einer stets aufsteigenden Mobilisierung und sich vervollkommnenden Einigung (Macht-Persönlichkeits-Synthese) aller Phasen und Werte der endlichen Realität in Verbindung mit verschiedenen Phasen der Paradies-Realität, mit dem Zweck und Ziel, sich danach zu dem Versuch aufzumachen, absonite Ebenen übergeschöpflichen Vollbringens zu erreichen. ***** 0.8 Der Siebenfache Gott ***** Um den endlichen Status aufzuwiegen und die beschränkte Vorstellungskraft der Geschöpfe zu kompensieren, hat der Universale Vater für die evolutionären Geschöpfe eine siebenfache Annäherung an die Gottheit geschaffen: 1. Die Paradies-Schöpfersöhne. 2. Die Ältesten der Tage. 3. Die Sieben Hauptgeiste. 4. Das Supreme Wesen. 5. Gott der Geist. 6. Gott der Sohn. 7. Gott der Vater. Diese siebenfache Personifizierung der Gottheit in Zeit und Raum und für die sieben Superuniversen befähigt den sterblichen Menschen, die Gegenwart Gottes, der Geist ist, zu erreichen. Diese siebenfache Gottheit, die für die endlichen Zeit-Raum-Geschöpfe dereinst in der Macht-Persönlichkeit des Supremen Wesens offenbar werden wird, ist die funktionelle Gottheit der sterblichen evolutionären Geschöpfe in ihrer aufsteigenden Laufbahn zum Paradies. Solch eine erfahrungsmässige Entdeckerlaufbahn in der Gotteserkenntnis beginnt mit der Anerkennung der Göttlichkeit des Schöpfersohnes des Lokaluniversums, erhebt sich zu den Ältesten der Tage des Superuniversums und führt über die Person eines der Sieben Hauptgeiste zum Ziel, die göttliche Persönlichkeit des Universalen Vaters im Paradies zu entdecken und zu erkennen. Das Große Universum ist die dreifache Gottheitsdomäne der Trinität der Suprematie, des Siebenfachen Gottes und des Supremen Wesens. Der Supreme Gott ist potentiell in der Paradies-Trinität enthalten, von der seine Persönlichkeit und Geistattribute stammen; aber er verwirklicht sich gegenwärtig in den Schöpfersöhnen, in den Ältesten der Tage und in den Hauptgeisten, von denen er seine Macht als Allmächtiger der Superuniversen von Zeit und Raum erhält. Diese Machtmanifestation des unmittelbaren Gottes der evolutionären Geschöpfe entwickelt sich tatsächlich gleichzeitig mit diesen in Zeit und Raum. Der Allmächtige Supreme, der sich auf der Wertebene nichtpersönlicher Aktivitäten entwickelt, und die geistige Person des Supremen Gottes sind eine einzige Realität - das Supreme Wesen. Die Schöpfersöhne in der Gottheits-Vereinigung des Siebenfachen Gottes stellen den Mechanismus bereit, durch welchen die Sterblichen unsterblich werden und das Endliche die Umarmung durch das Unendliche erreicht. Das Supreme Wesen liefert die Technik für die Macht-Persönlichkeits-Mobilisierung, die göttliche Synthese all dieser vielfältigen Vorgänge, und befähigt so das Endliche, das Absonite zu erreichen und aufgrund weiterer möglicher zukünftiger Verwirklichungen den Versuch zu wagen, bis zum Ultimen vorzudringen. Die Schöpfersöhne und die ihnen beigeordneten Göttlichen Ministerinnen nehmen an dieser supremen Mobilisierung teil, aber die Ältesten der Tage und die Sieben Hauptgeiste sind wahrscheinlich auf ewig zu bleibenden Verwaltern des Großen Universums bestimmt. Die Funktion des Siebenfachen Gottes geht auf die Organisation der sieben Superuniversen zurück, und sie wird sich wahrscheinlich im Zusammenhang mit der zukünftigen Entwicklung der Schöpfungen des Äußeren Raumes erweitern. Die Organisation dieser künftigen Universen der primären, sekundären, tertiären und quartären Raumebenen fortschreitender Evolution wird zweifelsohne Zeuge des Beginns einer transzendenten und absoniten Annäherung an die Gottheit werden. ***** 0.9 Der Ultime Gott ***** Gerade so, wie sich das Supreme Wesen allmählich aus der vorausexistierenden Göttlichkeitsbegabung des ganzen Energie- und Persönlichkeitspotentials des Großen Universums entwickelt, eventuiert der Ultime Gott aus den Göttlichkeitspotentialen, die in den transzendierten Zeit-Raum-Bereichen des Alluniversums vorhanden sind. Die Verwirklichung der Ultimen Gottheit lässt die absonite Einigung der ersten erfahrungsmäßigen Trinität erkennen und bedeutet die einigende Expansion der Gottheit auf der zweiten Ebene schöpferischer Selbstverwirklichung. Dies ist die Persönlichkeits-Macht-Entsprechung der universalen Verwirklichung absoniter Paradies-Realitäten durch die Erfahrungsgottheit auf den eventuierenden Ebenen transzendierter Zeit-Raum-Werte. Die Erfüllung einer derartigen erfahrungsmäßigen Entfaltung verfolgt den Zweck, allen Zeit-Raum-Geschöpfen, die durch die volle Erkenntnis des Supremen Wesens und aufgrund des Wirkens des Siebenfachen Gottes absonite Ebenen erreicht haben, eine Bestimmung ultimen Dienens zu verschaffen. Unter dem Ultimen Gott versteht man eine persönliche Gottheit, die auf den Göttlichkeitsebenen des Absoniten und in den Universumssphären der Überzeit und des transzendierten Raums funktioniert. Der Ultime ist eine über-supreme Eventuierung der Gottheit. Der Supreme ist die Einigung der Trinität, wie sie von endlichen Wesen verstanden wird; der Ultime ist die Einigung der Paradies-Trinität, wie sie von absoniten Wesen verstanden wird. Über den Mechanismus der evolutionären Gottheit arbeitet der Universale Vater effektiv an dem gewaltigen und erstaunlichen Akt der Persönlichkeitsfokalisierung und Machtmobilisierung der göttlichen Realitätswerte des Endlichen, des Absoniten und sogar des Absoluten auf ihren jeweiligen universellen Bedeutungsebenen. Die ersten drei Gottheiten ewiger Vergangenheit - der Universale Vater, der Ewige Sohn und der Unendliche Geist - sollen in ewiger Zukunft in ihren Persönlichkeiten ergänzt werden durch die erfahrungsmäßige Verwirklichung evolutionärer assoziierter Gottheiten - des Supremen Gottes, des Ultimen Gottes und möglicherweise des Absoluten Gottes. Der Supreme Gott und der Ultime Gott, die sich gegenwärtig in den Universen der Erfahrung entwickeln, sind nicht existentiell - sie sind keine ewigen Realitäten der Vergangenheit, sondern nur der Zukunft, durch Zeit und Raum bedingte und transzendental bedingte ewige Realitäten. Diese Gottheiten besitzen Gaben supremer, ultimer und möglicherweise suprem-ultimer Natur, aber sie haben im Universum einen historischen Ursprung. Sie werden nie ein Ende nehmen, aber ihre Persönlichkeiten hatten tatsächlich einen Anfang. Sie sind in der Tat Verwirklichungen ewiger und unendlicher Gottheitspotentiale, aber sie sind selber weder uneingeschränkt ewig noch unendlich. ***** 0.10 Der Absolute Gott ***** Es gibt viele Aspekte der ewigen Realität des Gottheit-Absoluten, die dem endlichen Zeit-Raum-Verstand nicht erklärt werden können, aber die Verwirklichung des Absoluten Gottes wäre eine Folge der Einigung der zweiten erfahrungsmäßigen Trinität, der Absoluten Trinität. Dies würde die erfahrungsmäßige Verwirklichung absoluter Göttlichkeit darstellen, die Einigung absoluter Bedeutungen auf absoluten Ebenen; aber wir sind nicht sicher, ob dabei alle absoluten Werte erfasst würden, da wir nie davon unterrichtet wurden, dass das Eigenschaftsbegabte Absolute gleichbedeutend mit dem Unendlichen ist. Überultime Bestimmungen gehen mit absoluten Bedeutungen und unendlicher Geistigkeit einher, und solange diese beiden Realitäten unvollendet sind, können wir keine absoluten Werte begründen. Der Absolute Gott ist das von allen überabsoniten Wesen angestrebte Ziel der Verwirklichung, aber das Macht- und Persönlichkeitspotential des Gottheit-Absoluten übersteigt unsere Vorstellungskraft, und wir scheuen uns davor, über diese Realitäten zu sprechen, die so weit von erfahrungsmäßiger Verwirklichung entfernt sind. ***** 0.11 Die Drei Absoluten ***** Nachdem der durch den Gott der Aktion funktionierende vereinigte Gedanke des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes das göttliche Zentraluniversum erschaffen hatte, folgte der Vater dem Ausdruck seines Gedankens durch das Wort seines Sohnes und den Akt ihres Gemeinsamen Vollziehers, indem er seine Gegenwart in Havona von den Potentialen der Unendlichkeit abgrenzte. Und diese nicht offenbarten Unendlichkeitspotentiale verbergen sich im Raum im Eigenschaftslosen Absoluten und sind göttlich im Gottheit-Absoluten aufgehoben, während beide eins werden im Funktionieren des Universalen Absoluten, der nicht-offenbarten Unendlichkeit-Einheit des Paradies-Vaters. Sowohl die Potenz der kosmischen Kraft als auch die Potenz der geistigen Kraft befinden sich in einem Prozess fortschreitender Offenbarung und Verwirklichung, da die Bereicherung der gesamten Realität durch erfahrungsmäßiges Wachstum geschieht und durch die vom Universalen Absoluten hergestellte Wechselbeziehung zwischen Erfahrungsmäßigem und Existentiellem. Dank der ausgleichenden Gegenwart des Universalen Absoluten erweitert der Erste Zentrale Ursprung seine erfahrungsmäßige Macht, erfreut sich der Identifikation mit seinen evolutionären Geschöpfen und erreicht die Expansion der erfahrungsmäßigen Gottheit auf den Ebenen der Suprematie, Ultimität und Absolutheit. Wenn es nicht möglich ist, das Gottheit-Absolute vollständig vom Eigenschaftslosen Absoluten zu unterscheiden, nimmt man ihre vereinigte Funktion oder koordinierte Gegenwart an und bezeichnet sie als die Aktion des Universalen Absoluten. 1. Das Gottheit-Absolute scheint der allmächtige Aktivator zu sein, das Eigenschaftslose Absolute dagegen erscheint als der allwirksame Maschinist des suprem geeinten und ultim koordinierten Universums der Universen und sogar von Myriaden erschaffener, in Entstehung begriffener und noch zu erschaffender Universen. Das Gottheit-Absolute kann auf irgendeine Universumssituation nicht in unter-absoluter Weise reagieren oder tut es wenigstens nicht. Jede Antwort dieses Absoluten auf irgendeine gegebene Situation geschieht offensichtlich im Sinne des Wohlergehens der gesamten Schöpfung von Dingen und Wesen, nicht nur in ihrem gegenwärtigen Seinszustand, sondern auch in Anbetracht der unendlichen Möglichkeiten der ganzen zukünftigen Ewigkeit. Das Gottheit-Absolute ist jenes Potential, das der freie Wille des Universalen Vaters von der totalen, unendlichen Realität abzusondern wählte, und innerhalb dessen alle Aktivitäten der Göttlichkeit - existentielle wie erfahrungsmäßige - stattfinden. Dies ist das Eigenschaftsbegabte Absolute im Gegensatz zum Eigenschaftslosen Absoluten; aber das Universale Absolute tritt zu den beiden in übergeordneter Weise hinzu, da es das gesamte absolute Potential umfasst. 2. Das Eigenschaftslose Absolute ist nicht-persönlich, außer-göttlich und nicht-deifiziert. Deshalb entbehrt es der Persönlichkeit, Göttlichkeit und aller Schöpferprärogativen. Weder Tatsachen noch Wahrheit, weder Erfahrung noch Offenbarung, weder Philosophie noch Absonität vermögen in Natur und Charakter dieses Absoluten ohne Universums-Eigenschaften einzudringen. Wohlverstanden, das Eigenschaftslose Absolute ist eine positive Realität, die das Große Universum durchdringt und sich offenbar mit unverminderter räumlicher Gegenwart bis zu den Kraftaktivitäten und vormateriellen Entwicklungen der schwindelerregenden Weiten jener Raumregionen erstreckt, die außerhalb der sieben Superuniversen liegen. Das Eigenschaftslose Absolute ist nicht einfach eine negative philosophische Vorstellung, die auf der Annahme metaphysischer Sophistereien gründet, welche die Universalität, die Dominanz und den Primat des durch nichts Bedingten und Eigenschaftslosen betreffen. Das Eigenschaftslose Absolute ist eine positive höchste Kontrolle des Universums im Unendlichen; diese höchste Kontrolle ist in Bezug auf die Raum-Kraft unbegrenzt, aber eindeutig bedingt durch die Gegenwart von Leben, Verstand, Geist und Persönlichkeit. Ferner ist sie bedingt durch die Willensreaktionen und die planvollen Erlasse der Paradies-Trinität. Wir sind überzeugt, dass das Eigenschaftslose Absolute kein undifferenzierter und alles durchdringender Einfluss ist und sich weder mit den pantheistischen Vorstellungen der Metaphysik noch mit den einstigen wissenschaftlichen Hypothesen vom Äther vergleichen lässt. Das Eigenschaftslose Absolute ist unbeschränkte Kraft und wird durch die Gottheit bedingt, aber wir erfassen die Beziehung dieses Absoluten zu den Geistrealitäten der Universen nicht völlig. 3. Das Universale Absolute - so folgern wir logischerweise - war unvermeidlich, als der absolute freie Willensakt des Universalen Vaters die Realitäten des Universums in deifizierte und nicht-deifizierte - personifizierbare und nichtpersonifizierbare - Werte schied. Das Gottheitsphänomen des Universalen Absoluten zeigt die Lösung der Spannung an, die der freie Willensakt hervorrief, als er die Realität des Universums in dieser Weise differenzierte, und es funktioniert als Mit-Koordinator dieser Gesamtsumme existentieller Potentialitäten. Die spannungsüberbrückende Gegenwart des Universalen Absoluten bedeutet den Ausgleich des Gefälles zwischen Gottheits-Realität und nichtdeifizierter Realität, das die Trennung der Dynamik der mit freiem Willen begabten Göttlichkeit von der Statik eigenschaftsloser Unendlichkeit mit sich bringt. Denkt stets daran: Potentielle Unendlichkeit ist absolut und nicht von der Ewigkeit zu trennen. Tatsächliche Unendlichkeit in der Zeit kann nicht anders als partiell sein und muss folglich nicht-absolut sein; ebenso wenig kann die Unendlichkeit einer wirklichen Persönlichkeit absolut sein außer in der eigenschaftslosen Gottheit. Und es ist das verschiedene Unendlichkeitspotential des Eigenschaftslosen Absoluten und des Gottheit-Absoluten, das die Ewigkeit des Universalen Absoluten zur Folge hat, wodurch es kosmisch möglich wird, materielle Universen im Raum zu haben, und geistig möglich wird, endliche Persönlichkeiten in der Zeit zu haben. Das Endliche kann im Kosmos nur deshalb mit dem Unendlichen koexistieren, weil die verbindende Gegenwart des Universalen Absoluten die Spannungen zwischen Zeit und Ewigkeit, Endlichkeit und Unendlichkeit, Realitätspotential und Realitätsverwirklichung, Paradies und Raum, Mensch und Gott so vollkommen ausgleicht. In assoziativer Weise identifiziert sich das Universale Absolute mit der Zone fortschreitender evolutionärer Realität in den Zeit-Raum-Universen und in jenen des transzendierten Zeit-Raums, den Schauplätzen unter-unendlicher Gottheitsmanifestation. Das Universale Absolute ist das Potential der statisch-dynamischen Gottheit, das sich auf Zeit-Ewigkeit-Ebenen funktionell verwirklichen lässt als endlich-absolute Werte und das eine erfahrungsmäßig-existentielle Annäherung ermöglicht. Dieser unbegreifliche Aspekt der Gottheit mag statisch, potentiell und assoziativ sein, aber was die jetzt im Alluniversum funktionierenden intelligenten Persönlichkeiten anbelangt, ist er nicht erfahrungsmäßig kreativ oder evolutionär. Das Absolute. Obwohl die beiden Absoluten - das Eigenschaftsbegabte und das Eigenschaftslose - aus der Sicht von Verstandesgeschöpfen eine so offensichtlich verschiedene Funktion haben, sind sie doch im Universalen Absoluten und durch dieses in vollkommener und göttlicher Weise geeint. In letzter Analyse und endgültigem Verständnis sind alle drei ein einziges Absolutes. Auf unter-unendlichen Ebenen haben sie verschiedene Funktionen, aber in der Unendlichkeit sind sie EINS. Wir gebrauchen den Begriff des Absoluten nie zur Negation oder Leugnung von irgendetwas. Ebenso wenig betrachten wir das Universale Absolute als etwas aus sich selbst Bestimmendes, als eine Art pantheistische und unpersönliche Gottheit. In allem, was die Persönlichkeit im Universum betrifft, ist das Absolute strikt durch die Trinität begrenzt und von der Gottheit beherrscht. ***** 0.12 Die Trinitäten ***** Die ursprüngliche und ewige Trinität des Paradieses ist existentiell und war unvermeidlich. Die nie beginnende Trinität lag in der Natur der Tatsache der Scheidung des Persönlichen vom Unpersönlichen durch des Vaters unumschränkten Willen und trat ein, als sein persönlicher Wille diese beiden Realitäten durch den Verstand koordinierte. Die Nach-Havona-Trinitäten sind erfahrungsmäßig - liegen im Wesen der Schöpfung von zwei unter-absoluten und evolutionären Ebenen der Macht-Persönlichkeits-Manifestation im Alluniversum. Die Paradies-Trinität - die ewige Gottheits-Vereinigung des Universalen Vaters, des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes - ist tatsächlich existentiell, aber alle Potentiale sind erfahrungsmäßiger Natur. Aus diesem Grund bildet diese Trinität die einzige Gottheitsrealität, die die Unendlichkeit umfasst, und aus diesem Grund ereignen sich die Universumsphänomene der Verwirklichung des Supremen Gottes, des Ultimen Gottes und des Absoluten Gottes. Die erste und zweite erfahrungsmäßige Trinität, die Nach-Havona-Trinitäten, können nicht unendlich sein, weil sie abgeleitete Gottheiten einschließen, Gottheiten, die sich durch die erfahrungsmäßige Verwirklichung von Realitäten entwickelt haben, welche von der existentiellen Paradies-Trinität erschaffen oder eventuiert wurden. Die Unendlichkeit der Göttlichkeit wird durch die endliche und absonite Erfahrung von Geschöpf und Schöpfer unablässig bereichert, wenn nicht gar erweitert. Trinitäten sind Wahrheiten der Beziehung und Tatsachen koordinierter Gottheitsmanifestation. Die Funktionen der Trinität umfassen Gottheitsrealitäten, und Gottheitsrealitäten trachten immer danach, sich durch Verpersönlichung zu verwirklichen und zu manifestieren. Der Supreme Gott, der Ultime Gott und sogar der Absolute Gott sind deshalb göttliche Unvermeidbarkeiten. Diese drei Erfahrungs-Gottheiten waren potentiell in der existentiellen Trinität, der Paradies Trinität vorhanden, aber ihr Erwachen im Universum als Macht-Persönlichkeiten hängt teils von ihrer eigenen erfahrungsmäßigen Funktionsweise in den Universen von Macht und Persönlichkeit ab, teils vom erfahrungsmäßigen Vollbringen der Nach-Havona-Schöpfer und - Trinitäten. Die beiden Nach-Havona-Trinitäten, die Ultime und Absolute erfahrungsmässige Trinität, sind jetzt noch nicht voll manifest; sie stehen im Prozess universeller Verwirklichung. Diese Gottheitsverbindungen können wie folgt beschrieben werden: 1. Die Ultime Trinität, die jetzt in Entwicklung begriffen ist, wird schließlich aus dem Supremen Wesen, den Supremen Schöpferpersönlichkeiten und den absoniten Architekten des Alluniversums bestehen, jenen einzigartigen Universumsplanern, die weder Schöpfer noch Geschöpfe sind. Der Ultime Gott wird sich dereinst unvermeidlich in Macht personifizieren als Gottheitskonsequenz der Einigung dieser erfahrungsmäßigen Ultimen Trinität auf dem sich stets erweiternden Schauplatz des nahezu grenzenlosen Alluniversums. 2. Die Absolute Trinität - die zweite erfahrungsmäßige Trinität - die sich jetzt im Prozess der Verwirklichung befindet, wird aus dem Supremen Gott, dem Ultimen Gott und dem nicht offenbarten Vollender der Universumsbestimmung bestehen. Diese Trinität funktioniert sowohl auf persönlichen wie überpersönlichen Ebenen, ja bis an die Grenzen des Nichtpersönlichen, und ihre Einigung in Universalität würde die Absolute Gottheit zu einer erfahrungsmäßigen machen. Die Ultime Trinität strebt der vollständigen erfahrungsmäßigen Einigung zu, aber wir bezweifeln wahrhaftig die Möglichkeit einer ebenso völligen Einigung der Absoluten Trinität. Indessen ruft uns unser Konzept von der ewigen Paradies-Trinität stets wieder in Erinnerung, dass Trinitisierung der Gottheit vollbringen kann, was anderswie unerreichbar ist; deshalb postulieren wir das dereinstige Erscheinen des Suprem-Ultimen und die Möglichkeit, dass die Trinitisierung des Absoluten Gottes zur Tatsache wird. Die Philosophen der Universen postulieren eine Trinität der Trinitäten, eine existentiell-erfahrungsmäßige Unendliche Trinität, aber sie sind außerstande, sich deren Verpersönlichung vorzustellen; möglicherweise wäre sie gleichbedeutend mit der Person des Universalen Vaters auf der konzeptuellen Ebene des ICH BIN. Aber all dessen ungeachtet, ist die ursprüngliche Paradies-Trinität potentiell unendlich, da ja der Universale Vater tatsächlich unendlich ist. Erkenntlichkeit Bei der Formulierung der nachfolgenden Darstellungen, die sich mit der Beschreibung des Charakters des Universalen Vaters und der Natur seiner Paradies- Mitarbeiter befassen und versuchen wollen, das vollkommene Zentraluniversum und die es umkreisenden sieben Superuniversen zu schildern, müssen wir uns an die Weisung der Leiter des Superuniversums halten, die bestimmt, dass wir bei all unseren Anstrengungen, Wahrheit und damit verbundenes wesentliches Wissen zu offenbaren, den höchsten existierenden menschlichen Konzepten von den zu behandelnden Themen den Vorzug geben sollen. Wir dürfen nur dann zu reiner Offenbarung übergehen, wenn von dem darzustellenden Konzept keine angemessene frühere Formulierung durch den menschlichen Verstand vorliegt. Die aufeinander folgenden planetarischen Offenbarungen göttlicher Wahrheit umfassen stets die höchsten existierenden Vorstellungen von geistigen Werten als Teil einer solch neuen und verbesserten Koordinierung planetarischen Wissens. Folglich haben wir bei der Abfassung dieser Abhandlungen über Gott und seine Universums-Mitarbeiter diesen Schriften mehr als eintausend ausgewählte menschliche Vorstellungen zugrunde gelegt, die das höchste und fortgeschrittenste planetarische Wissen um geistige Werte und Bedeutungen des Universums darstellen. Da, wo diese von gottesbewussten Sterblichen der Vergangenheit und Gegenwart zusammengetragenen menschlichen Vorstellungen unzulänglich sind, um die Wahrheit so wiederzugeben, wie sie zu offenbaren wir angewiesen sind, werden wir sie ohne zu zögern ergänzen und dabei auf unser eigenes höheres Wissen über Realität und Göttlichkeit der Paradies-Gottheiten und des von ihnen bewohnten transzendenten Universums zurückgreifen. Wir sind uns der Schwierigkeiten unseres Auftrags voll bewusst; wir erkennen die Unmöglichkeit, die Sprache der Göttlichkeits- und Ewigkeitskonzepte gänzlich in die Sprachsymbole der endlichen Vorstellungen irdischen Denkens zu übertragen. Aber wir wissen, dass der menschliche Verstand ein Fragment Gottes beherbergt und dass der Geist der Wahrheit bei der menschlichen Seele weilt; und weiter wissen wir, dass diese geistigen Kräfte vereint dahin wirken, den materiellen Menschen zu befähigen, die Realität der geistigen Werte zu erfassen und die Philosophie der Universums-Bedeutungen zu verstehen. Aber mit noch größerer Sicherheit wissen wir, dass diese Geiste Göttlicher Gegenwart imstande sind, dem Menschen bei der geistigen Aneignung aller Wahrheit beizustehen, die zur Veredlung der ewig fortschreitenden Realität persönlicher religiöser Erfahrung - des Gottesbewusstseins - beiträgt. [Verfasst von einem Göttlichen Ratgeber von Orvonton, Leiter des Korps Superuniverseller Persönlichkeiten, das mit der Darstellung der Wahrheit über die Paradies-Gottheiten und das Universum der Universen beauftragt ist.] ****** Part 1 Das Zentraluniversum und Superuniversen ****** ****** Kapitel 1 Der Universale Vater ****** DER Universale Vater ist der Gott der gesamten Schöpfung, der Erste Zentrale Ursprung aller Dinge und Wesen. Denkt zuerst an Gott als an einen Schöpfer, dann als an einen Überwacher und schließlich als an einen unendlichen Erhalter. Die Wahrheit über den Universalen Vater hatte über der Menschheit zu dämmern begonnen, als der Prophet sagte: "Du, Gott, bist allein; es gibt keinen außer dir. Du hast den Himmel und den Himmel der Himmel mit all seinen Heerscharen erschaffen; du bewahrst und überwachst sie. Die Universen sind durch die Söhne Gottes erschaffen worden. Der Schöpfer hüllt sich in Licht wie in ein Gewand und spannt die Himmel aus wie einen Vorhang." Erst das Konzept des Universalen Vaters - ein Gott an Stelle von vielen Göttern - versetzte den sterblichen Menschen in die Lage, den Vater als göttlichen Schöpfer und unendlichen Überwacher zu verstehen. Die Myriaden planetarischer Systeme wurden alle geschaffen, um dereinst von vielen verschiedenen Arten intelligenter Geschöpfe bewohnt zu werden, von Wesen, die Gott kennen können, seine göttliche Zuneigung empfangen und ihn ihrerseits lieben können. Das Universum der Universen ist das Werk Gottes und der Wohnort seiner mannigfaltigen Geschöpfe. "Gott schuf die Himmel und formte die Erde; nicht umsonst begründete er das Universum und schuf er diese Welt; er gab ihr Gestalt, auf dass sie bewohnt werde." Alle erleuchteten Welten anerkennen den Universalen Vater und beten ihn an, den ewigen Erschaffer und unendlichen Erhalter der ganzen Schöpfung. Die Willensgeschöpfe unzähliger Universen haben die lange, lange Reise nach dem Paradies unternommen, den fesselnden Kampf des ewigen Abenteuers, Gott den Vater zu erreichen. Das transzendente Ziel der Kinder der Zeit ist es, den ewigen Gott zu finden, die göttliche Natur zu verstehen, den Universalen Vater zu erkennen. Gott kennende Geschöpfe haben nur einen höchsten Ehrgeiz, gerade nur einen alles verzehrenden Wunsch, nämlich in ihren Sphären so zu werden wie er es in seiner paradiesischen Vollkommenheit der Persönlichkeit ist und in seiner universalen Sphäre höchster Rechtschaffenheit. Vom Universalen Vater, der in der Ewigkeit wohnt, ist die allerhöchste Weisung ausgegangen: "Seid vollkommen, so wie ich vollkommen bin." In Liebe und Barmherzigkeit haben die Botschafter des Paradieses diese göttliche Aufforderung durch die Zeitalter und hinaus in die Universen getragen, sogar bis zu so niedrigen Geschöpfen tierischen Ursprungs wie die Angehörigen der menschlichen Rassen Urantias. Dieser wunderbare und universale ausdrückliche Befehl, mit aller Macht nach der Vollkommenheit der Göttlichkeit zu streben, ist die erste Pflicht und sollte der höchste Ehrgeiz aller ringenden Geschöpfe des Gottes der Vollkommenheit sein. Die Möglichkeit, göttliche Vollkommenheit zu erreichen, ist die finale und gewisse Bestimmung allen ewigen geistigen Fortschritts des Menschen. Die Sterblichen Urantias können schwerlich hoffen, im unendlichen Sinne vollkommen zu sein, aber es ist den auf diesem Planeten beginnenden menschlichen Wesen durchaus möglich, das himmlische und göttliche Ziel zu erreichen, das der unendliche Gott dem sterblichen Menschen gesetzt hat; und wenn sie diese Bestimmung tatsächlich erreicht haben, werden sie in ihrer Sphäre göttlicher Vollkommenheit mit allem, was Selbstverwirklichung und mentales Vollbringen betrifft, ebenso überreich ausgestattet sein wie Gott selber in seiner Sphäre der Unendlichkeit und Ewigkeit. Derartige Vollkommenheit mag im materiellen Sinne nicht universal sein noch unbegrenzt in intellektuellem Erfassen oder final in geistiger Erfahrung, aber sie ist final und vollständig unter allen endlichen Gesichtspunkten der Göttlichkeit des Willens, der Vollkommenheit der Persönlichkeitsmotivation und der Gottesbewusstheit. Dies ist die wahre Bedeutung des göttlichen Gebotes "Seid vollkommen, so wie ich vollkommen bin", das den sterblichen Menschen stets vorwärts treibt und nach innen weist in seinem langen und fesselnden Ringen um Erreichen immer höherer Ebenen geistiger Werte und wahrer universeller Bedeutungen. Diese sublime Suche nach dem Gott der Universen ist das höchste Abenteuer der Bewohner aller Welten von Zeit und Raum. ***** 1.1 Der Name des Vaters ***** Von allen Namen, unter denen Gott der Vater in den Universen bekannt ist, begegnet man denen am häufigsten, die ihn als Ersten Zentralen Ursprung des Universums bezeichnen. Den Ersten Vater kennt man in verschiedenen Universen und in den verschiedenen Sektoren desselben Universums unter mehreren anderen Namen. Die Namen, welche ein Geschöpf dem Schöpfer zulegt, hängen sehr stark von der Vorstellung ab, die sich dieses Geschöpf vom Schöpfer macht. Der Erste Zentrale Ursprung hat sich nie durch einen Namen, sondern nur durch seine Natur offenbart. Wenn wir glauben, die Kinder dieses Schöpfers zu sein, ist es nur natürlich, dass wir ihn schließlich Vater nennen. Aber dies ist ein Name unserer eigenen Wahl, und er entspringt der Erkenntnis unserer persönlichen Beziehung zum Ersten Zentralen Ursprung. Der Universale Vater auferlegt den intelligenten Willensgeschöpfen der Universen nie irgendwelche Form willkürlicher Anerkennung, förmlicher Anbetung oder sklavischen Dienstes. Die evolutionären Bewohner der Welten von Zeit und Raum müssen ihn von sich aus - in ihrem eigenen Herzen - anerkennen, lieben und freiwillig anbeten. Der Schöpfer weigert sich, sich den geistigen freien Willen seiner materiellen Geschöpfe durch Zwang oder Nötigung zu unterwerfen. Die liebende Bereitschaft des menschlichen Willens zur Ausführung des väterlichen Willens ist das kostbarste Geschenk des Menschen an Gott; tatsächlich stellt eine solche Weihung des Geschöpfeswillens das einzig mögliche menschliche Geschenk von wahrem Wert an den Paradies-Vater dar. In Gott lebt und bewegt sich der Mensch und hat er sein Dasein; es gibt nichts, was der Mensch Gott geben könnte außer dieser Wahl, sich treu an des Vaters Willen zu halten; und solche von den intelligenten Willensgeschöpfen der Universen getroffene Entscheidungen stellen die Realität jener wahren Gottesverehrung dar, welche die von Liebe beherrschte Natur des Schöpfer-Vaters so sehr zufrieden stellt. Wenn ihr einmal wahrhaftiges Gottesbewusstsein erlangt habt, wenn ihr den majestätischen Schöpfer wirklich entdeckt habt und mit der Erfahrung beginnt, der euch innewohnenden Gegenwart des göttlichen Überwachers gewahr zu werden, dann werdet ihr, je nach eurer Erleuchtung und entsprechend der von den göttlichen Söhnen zur Offenbarung Gottes angewandten Art und Methode, für den Universalen Vater einen Namen finden, der eure Vorstellung von dem Ersten Zentralen Ursprung angemessen zum Ausdruck bringt. Und so kommt es, dass man den Schöpfer auf unterschiedlichen Welten und in verschiedenen Universen unter zahlreichen Benennungen kennt, die dem Geiste der Beziehung nach alle dasselbe meinen, während indessen jeder Name in Worten und Symbolen den Grad und die Tiefe zum Ausdruck bringt, mit der Gott in den Herzen der Geschöpfe einer gegebenen Welt herrscht. In der Nähe des Zentrums des Universums der Universen kennt man den Universalen Vater meist unter Namen, die etwa Erster Ursprung bedeuten. Weiter außen in den Universen des Raums bedeuten die zur Bezeichnung des Universalen Vaters gebrauchten Ausdrücke häufiger Universales Zentrum. Noch weiter außen in der gestirnten Schöpfung wie auf der Hauptsitz-Welt eures Lokaluniversums kennt man ihn als Ersten Schöpferischen Ursprung und Göttliches Zentrum. In einer nahe gelegenen Konstellation nennt man Gott den Vater der Universen, in einer anderen den Unendlichen Erhalter, und, dem Osten zu, den Göttlichen Überwacher. Man hat ihn auch als Vater des Lichts, als Gabe des Lebens und als den Allmächtigen Einen bezeichnet. Auf jenen Welten, wo ein Paradies-Sohn ein Leben der Selbsthingabe gelebt hat, kennt man Gott im Allgemeinen unter Namen, die Dinge wie persönliche Beziehung, zarte Zuneigung und väterliche Hingabe andeuten. Am Hauptsitz eurer Konstellation spricht man von ihm als dem Universalen Vater, und auf verschiedenen Planeten eures Lokalsystems bewohnter Welten kennt man ihn unterschiedlich als den Vater der Väter, den Paradies-Vater, den Vater Havonas und den Geist-Vater. Diejenigen, die Gott durch die Offenbarungen der sich selbst hingebenden Paradies-Söhne kennen, geben schließlich dem gefühlvollen Ruf der rührenden Beziehung der Geschöpf- Schöpfer-Gemeinschaft nach und sprechen von Gott als von "unserem Vater". Auf einem Planeten geschlechtlicher Geschöpfe, auf einer Welt, wo den Herzen ihrer intelligenten Wesen die Impulse elterlichen Gefühls eingeboren sind, wird der Ausdruck Vater zu einem sehr sprechenden und passenden Namen für den ewigen Gott. Auf eurem Planeten Urantia kennt man ihn am besten, anerkennt man ihn am allgemeinsten unter dem Namen Gott. Der Name, den man ihm gibt, ist recht unwichtig; bedeutungsvoll hingegen ist, dass ihr ihn kennen lernen und danach streben solltet, ihm zu gleichen. Eure einstigen Propheten nannten ihn zu Recht "den ewigen Gott" und sprachen von ihm als von dem, der "die Ewigkeit bewohnt". ***** 1.2 Die Realität Gottes ***** Gott ist die Urrealität der geistigen Welt; Gott ist die Quelle der Wahrheit in den mentalen Sphären; Gott überschattet alles in sämtlichen materiellen Reichen. Für alle erschaffenen Intelligenzen ist Gott eine Persönlichkeit, und für das Universum der Universen ist er der Erste Zentrale Ursprung der ewigen Realität. Gott gleicht weder einem Menschen noch einer Maschine. Der Erste Vater ist Universaler Geist, ewige Wahrheit, unendliche Realität und Vater-Persönlichkeit. Der ewige Gott ist unendlich mehr als idealisierte Realität oder als das personifizierte Universum. Gott ist nicht einfach der höchste Wunsch des Menschen, eine objektivierte Sehnsucht des Sterblichen. Ebenso wenig ist Gott ein bloßes Konzept, das Macht-Potential der Rechtschaffenheit. Der Universale Vater ist kein Synonym für Natur, noch ist er personifiziertes Naturgesetz. Gott ist eine transzendente Realität, nicht nur die traditionelle menschliche Vorstellung von höchsten Werten. Gott ist nicht eine psychologische Fokussierung geistiger Bedeutungen, noch ist er "das edelste Werk des Menschen". Gott mag einigen oder all diesen menschlichem Denken entsprungenen Vorstellungen entsprechen, aber er ist mehr als das. Er ist eine rettende Person und ein liebender Vater für alle, die sich auf Erden geistigen Friedens erfreuen und den glühenden Wunsch haben, über den Tod hinaus als Persönlichkeit weiterzuleben. Dass Gott tatsächlich existiert, beweist in der Erfahrung des Menschen die in seinem Inneren wohnende göttliche Gegenwart, der geistige Mentor, der vom Paradies ausgesandt wurde, um im vergänglichen Verstand des Menschen zu leben und hier an der Entwicklung der zu ewigem Leben bestimmten unsterblichen Seele mitzuwirken. Die Gegenwart dieses göttlichen Justierers tut sich dem menschlichen Verstand in drei erfahrungsmäßigen Erscheinungen kund: 1. In der intellektuellen Fähigkeit, Gott zu kennen - im Gottes-Bewusstsein. 2. Im geistigen Drang, Gott zu finden - in der Gottes-Suche. 3. Im heftigen Verlangen der Persönlichkeit, Gott zu gleichen - in dem aus vollem Herzen kommenden Wunsch, den Willen des Vaters zu tun. Die Existenz Gottes kann nie durch wissenschaftliches Experiment oder durch rein vernunftmäßiges, logisches Folgern bewiesen werden. Man kann sich Gottes nur in den Reichen der menschlichen Erfahrung bewusst werden; und doch ist die wahre Vorstellung von der Realität Gottes für die Logik vernünftig, für die Philosophie einleuchtend, für die Religion wesentlich und unerlässlich für jede Hoffnung auf ein Fortleben der Persönlichkeit. Diejenigen, die Gott kennen, haben die Tatsache seiner Gegenwart erfahren; solche Gott kennenden Sterblichen besitzen in ihrer persönlichen Erfahrung den einzigen positiven Beweis für die Existenz des lebendigen Gottes, den ein menschliches Wesen einem anderen anbieten kann. Gottes Existenz liegt völlig außerhalb jeglicher Beweismöglichkeit, abgesehen von dem Kontakt zwischen der Gottes-Bewusstheit des menschlichen Verstandes und der Gottes-Gegenwart des Gedankenjustierers, der den Intellekt des Menschen bewohnt und ihm umsonst als Gabe des Universalen Vaters geschenkt ist. Theoretisch könnt ihr Gott als den Schöpfer ansehen, denn tatsächlich ist er der persönliche Schöpfer des Paradieses und des Zentraluniversums der Vollkommenheit, aber die Universen von Zeit und Raum werden alle von dem Paradies-Korps der Schöpfersöhne erschaffen und organisiert. Der Universale Vater ist nicht der persönliche Schöpfer des Lokaluniversums von Nebadon; das Universum, in dem ihr lebt, ist die Schöpfung seines Sohnes Michael. Obwohl der Vater die evolutionären Universen nicht persönlich erschafft, kontrolliert er sie doch tatsächlich in vielen ihrer universellen Beziehungen und in bestimmten Kundgebungen ihrer physischen, mentalen und geistigen Energien. Gott der Vater ist der persönliche Schöpfer des Paradies-Universums und - in Verbindung mit dem Ewigen Sohn - der Schöpfer aller anderen persönlichen Universumsschöpfer. Als ein physischer Überwacher des materiellen Universums der Universen funktioniert der Erste Zentrale Ursprung in den Urmustern der ewigen Paradies-Insel, und durch dieses absolute Gravitationszentrum übt der ewige Gott auf der physischen Ebene im Zentraluniversum sowie im ganzen Universum der Universen eine kosmische höchste Kontrolle aus. Als Verstand funktioniert Gott in der Gottheit des Unendlichen Geistes; als Geist ist Gott in der Person des Ewigen Sohnes und in den Personen der göttlichen Kinder des Ewigen Sohnes offenbart. Diese Wechselbeziehung zwischen dem Ersten Zentralen Ursprung und den ihm beigeordneten Personen und Absoluten des Paradieses schließt die direkte persönliche Aktion des Universalen Vaters in der gesamten Schöpfung und auf all ihren Ebenen nicht im Mindesten aus. Durch die Gegenwart seines fragmentierten Geistes erhält der Schöpfervater den unmittelbaren Kontakt mit den Kindern und Universen seiner Schöpfung aufrecht. ***** 1.3 Gott ist ein Universaler Geist ***** "Gott ist Geist." Er ist eine universale geistige Gegenwart. Der Universale Vater ist eine unendliche geistige Realität; er ist "der souveräne, ewige, unsterbliche, unsichtbare und einzig wahre Gott." Auch wenn ihr "die Kinder Gottes" seid, solltet ihr nicht denken, der Vater gleiche euch in Gestalt und Erscheinung, weil es von euch heißt, ihr seid "nach seinem Bilde" erschaffen und weil die von der zentralen Stätte seiner ewigen Gegenwart ausgesandten Unergründlichen Mentoren euch bewohnen. Geistige Wesen sind wirklich, obwohl sie für menschliche Augen unsichtbar und nicht aus Fleisch und Blut sind. Ein Seher alter Zeiten sagte: "Siehe da, er wandelt an meiner Seite, und ich sehe ihn nicht; er geht weiter, aber ich nehme ihn nicht wahr." Auch wenn wir Gottes Werke dauernd betrachten und uns der materiellen Beweise seines majestätischen Verhaltens hellbewusst sind, ist uns doch nur selten ein bewundernder Blick auf die sichtbare Manifestation seiner Göttlichkeit vergönnt und können wir nicht einmal die Gegenwart seines Gesandten, des dem Menschen innewohnenden Geistes, schauen. Der Universale Vater ist nicht deshalb unsichtbar, weil er sich vor seinen materiell behinderten und mit begrenztem Geist begabten niederen Geschöpfen verbirgt. Die Situation ist eher so: "Ihr könnt mein Angesicht nicht sehen, denn kein Sterblicher kann mich sehen und leben." Kein materieller Mensch könnte den Geist-Gott sehen und seine sterbliche Existenz bewahren. Es ist tiefer stehenden Gruppen geistiger Wesen oder irgendwelchen Ordnungen materieller Persönlichkeiten unmöglich, sich der Herrlichkeit und dem geistigen Glanz der Gegenwart der göttlichen Persönlichkeit zu nähern. Die geistige Leuchtkraft der persönlichen Gegenwart des Vaters ist ein "Licht, dem sich kein sterblicher Mensch nähern kann; das kein materielles Geschöpf gesehen hat, noch sehen kann." Aber es ist nicht nötig, Gott mit den leiblichen Augen zu sehen, um ihn durch die Glaubensvision des vergeistigten Verstandes wahrzunehmen. Der Universale Vater teilt seine Geistnatur völlig mit seinem ko-existenten Selbst, dem Ewigen Sohn des Paradieses. In derselben Weise teilen der Vater und der Sohn den universalen und ewigen Geist völlig und rückhaltlos mit der ihnen gleichgeordneten Mit-Persönlichkeit, dem Unendlichen Geist. Der Geist Gottes ist in und aus sich selber heraus absolut; im Sohn ist er durch nichts bedingt, im Geist ist er universal und in allen drei und durch sie unendlich. Gott ist ein universaler Geist; Gott ist die universale Person. Die supreme persönliche Realität der endlichen Schöpfung ist Geist; die ultime Realität des persönlichen Kosmos ist absoniter Geist. Nur die Ebenen der Unendlichkeit sind absolut, und nur auf solchen Ebenen besteht endgültige Einheit zwischen Materie, Verstand und Geist. In den Universen ist Gott der Vater potentiell der höchste Überwacher von Materie, Verstand und Geist. Gott befasst sich direkt mit den Persönlichkeiten seiner immensen Schöpfung von Willensgeschöpfen nur über seinen weitgespannten Persönlichkeitskreis, aber (außerhalb des Paradieses) kann man ihn einzig in der Gegenwart seiner fragmentierten Wesenheiten kontaktieren - sie sind der Wille Gottes draußen in den Universen. Dieser Geist des Paradieses, der dem Verstand der Sterblichen der Zeit innewohnt und dort die Entwicklung der unsterblichen Seele des fortlebenden Geschöpfes fördert, besitzt Natur und Göttlichkeit des Universalen Vaters. Aber der Verstand solch evolutionärer Geschöpfe hat seinen Ursprung in den Lokaluniversen und muss göttliche Vollkommenheit dadurch erlangen, dass er jene erfahrungsmäßigen Verwandlungen der Vergeistigung erreicht, die sich zwangsläufig aus der Wahl eines Geschöpfes ergeben, den Willen des Vaters im Himmel zu tun. In der inneren Erfahrung des Menschen ist der Verstand mit der Materie gekoppelt. Ein derartiger an die Materie geketteter Verstand kann den irdischen Tod nicht überleben. Das Mittel zum Fortleben besteht in jenen Neuausrichtungen des menschlichen Willens und jenen Verwandlungen des sterblichen Verstandes, dank welchen sich solch ein gottesbewusster Intellekt allmählich vom Geist unterrichten und schließlich von ihm lenken lässt. Diese Entwicklung des menschlichen Verstandes von der Materiegebundenheit zur Einheit mit dem Geist bewirkt die Umwandlungen der potentiell geistigen Phasen des sterblichen Verstandes in die morontiellen Realitäten der unsterblichen Seele. Einem der Materie unterworfenen menschlichen Verstand ist es beschieden, immer materieller zu werden und deshalb letzten Endes die Auslöschung der Persönlichkeit zu erleiden; ein sich dem Geiste fügender Verstand ist zu wachsender Vergeistigung und zum schließlichen Einswerden mit dem fortlebenden und führenden göttlichen Geist bestimmt und somit dazu, Fortleben und ewige Persönlichkeitsexistenz zu gewinnen. Ich entstamme dem Ewigen und bin wiederholt in die Gegenwart des Universalen Vaters zurückgekehrt. Ich weiß um die Wirklichkeit und Persönlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs, des Ewigen und Universalen Vaters. Ich weiß, dass der große Gott, derweil er absolut, ewig und unendlich ist, auch gut, göttlich und voller Gnade ist. Ich weiß um die Wahrheit der großen Erklärungen: "Gott ist Geist" und "Gott ist Liebe", und diese beiden Wesensmerkmale werden dem Universum am vollständigsten im Ewigen Sohn offenbart. ***** 1.4 Das Mysterium Gottes ***** Die Unendlichkeit der Vollkommenheit Gottes ist derart, dass sie aus ihm auf ewig ein Geheimnis macht. Und das größte aller unergründlichen Mysterien Gottes ist das Phänomen seiner göttlichen Anwesenheit im Verstand der Sterblichen. Die Art und Weise, wie der Universale Vater bei den Geschöpfen der Zeit weilt, ist das tiefste aller Mysterien des Universums; die göttliche Gegenwart im Verstand des Menschen ist das Mysterium der Mysterien. Die physischen Körper der Sterblichen sind "die Tempel Gottes". Obwohl die Souveränen Schöpfersöhne zu den Geschöpfen ihrer bewohnten Welten kommen und "alle Menschen an sich ziehen"; obwohl sie "am Tor" des Bewusstseins "stehen" und "anklopfen" und hocherfreut sind, bei allen einzuziehen, die gewillt sind, ihnen "die Türen ihrer Herzen zu öffnen"; obwohl dieses innige persönliche Band zwischen den Schöpfersöhnen und ihren sterblichen Geschöpfen vorhanden ist, besitzen die sterblichen Menschen dessen ungeachtet etwas von Gott selber, das ihnen tatsächlich innewohnt; und ihre Körper sind dessen Tempel. Wenn ihr hier unten abgeschlossen habt, wenn ihr in eurer vergänglichen Gestalt am Ende des irdischen Laufs angelangt seid, wenn eure prüfungsreiche Reise im Fleisch vorüber ist, wenn der Staub, aus dem das sterbliche Gefäß besteht, "zur Erde zurückkehrt, woher er gekommen ist", dann, so sagt die Offenbarung, "wird" der innewohnende "Geist zu Gott, der ihn gegeben hat, zurückkehren". In jedem sittlichen Wesen dieses Planeten weilt ein Fragment Gottes, ein fester Bestandteil der Göttlichkeit. Ihr habt jetzt noch kein Besitzrecht darauf, aber seine ausdrückliche Bestimmung ist es, mit euch eins zu werden, sofern ihr nach der sterblichen Existenz fortlebt. Wir sind dauernd mit diesem Geheimnis Gottes konfrontiert; staunend verfolgen wir die wachsende Entfaltung des endlosen Panoramas der Wahrheit seiner unendlichen Güte, nie versiegenden Barmherzigkeit, unvergleichlichen Weisheit und seines wunderbaren Charakters. Das göttliche Mysterium liegt in der Natur des Unterschieds zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen, dem Zeitlichen und dem Ewigen, dem Zeit-Raum-Geschöpf und dem Universalen Schöpfer, dem Materiellen und dem Geistigen, der Unvollkommenheit des Menschen und der Vollkommenheit der Paradies-Gottheit. Der Gott universaler Liebe tut sich unfehlbar jedem seiner Geschöpfe im vollen Maße der Fähigkeit desselben kund, im Geiste die Eigenschaften göttlicher Wahrheit, Schönheit und Güte zu erfassen. Jedem Geistwesen und jedem sterblichen Geschöpf in jeder Sphäre und auf jeder Welt des Universums der Universen offenbart der Universale Vater all das von seinem gnadenvollen und göttlichen Selbst, was von solchen Geistwesen und solchen sterblichen Geschöpfen erkannt und erfasst werden kann. Gott kennt kein Ansehen der Person, sei sie geistig oder materiell. Die göttliche Gegenwart, deren sich irgendein Kind des Universums zu irgendeinem Zeitpunkt erfreut, ist einzig durch die Fähigkeit dieses Geschöpfes begrenzt, die geistigen Wirklichkeiten der übermateriellen Welt zu empfangen und zu erkennen. Als eine Realität in der menschlichen geistigen Erfahrung ist Gott kein Geheimnis. Aber sobald der Versuch unternommen wird, physischen Verstandeswesen der materiellen Ordnung die Realitäten der geistigen Welt klarzumachen, tritt Geheimnis auf: so feine und so tiefe Geheimnisse, dass nur das Erfassen durch den Glauben des Gott kennenden Sterblichen das philosophische Wunder der Wahrnehmung des Unendlichen durch das Endliche zustande bringen kann, die Erkenntnis des Ewigen Gottes durch die sich entwickelnden Sterblichen der materiellen Welten von Zeit und Raum. ***** 1.5 Die Persönlichkeit des Universalen Vaters ***** Erlaubt der Größe Gottes, seiner Unendlichkeit nicht, seine Persönlichkeit zu verdunkeln oder gar verschwinden zu lassen. "Der das Ohr erdacht hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gebildet hat, sollte der nicht sehen?" Der Universale Vater ist der Gipfel göttlicher Persönlichkeit; er ist Ursprung und Bestimmung der Persönlichkeit in der gesamten Schöpfung. Gott ist sowohl unendlich als auch persönlich; er ist eine unendliche Persönlichkeit. Der Vater ist wahrhaftig eine Persönlichkeit, obwohl die Unendlichkeit seiner Person ihn für immer dem vollen Begreifen materieller und endlicher Wesen entzieht. Gott ist viel mehr als das, worunter sich der menschliche Verstand eine Persönlichkeit vorstellt; er ist sogar weit mehr als jedes mögliche Konzept von einer Überpersönlichkeit. Aber es ist völlig sinnlos, zum Verstand materieller Geschöpfe, deren höchste Vorstellung von der Realität des Seins aus der Idee und dem Ideal der Persönlichkeit besteht, über derart unbegreifliche Konzepte göttlicher Persönlichkeit zu sprechen. Die höchstmögliche Vorstellung des materiellen Geschöpfes vom Universalen Schöpfer ist in den geistigen Idealen der erhabenen Idee göttlicher Persönlichkeit enthalten. Obwohl ihr nun also wisst, dass Gott sehr viel mehr sein muss, als das, was sich der Mensch unter Persönlichkeit vorstellt, wisst ihr ebenso gut, dass der Universale Vater unmöglich etwas Geringeres sein kann als eine ewige, unendliche, wahre, gute und schöne Persönlichkeit. Gott verbirgt sich vor keinem seiner Geschöpfe. So viele Ordnungen von Wesen können sich ihm nur deshalb nicht nähern, weil er "in einem Licht wohnt, dem sich kein materielles Geschöpf nahen kann." Unermesslichkeit und Größe der göttlichen Persönlichkeit liegen jenseits des Fassungsvermögens des nicht vervollkommneten Verstandes evolutionärer Sterblicher. Er "misst das Meer in seiner hohlen Hand, misst ein Universum mit der Spanne seiner Hand. Er ist derjenige, der über dem Erdkreis sitzt, die Himmel wie einen Vorhang ausspannt und sie als ein Universum entfaltet, auf dass es bewohnt werde." "Hebe deine Augen auf zur Höhe und betrachte ihn, der all diese Dinge erschaffen hat, der die Welten in großer Zahl heraufführt und sie alle bei ihren Namen nennt"; und so ist es wahr, dass "die unsichtbaren Dinge Gottes teilweise durch die erschaffenen verstanden werden können". Heute und so, wie ihr seid, müsst ihr den unsichtbaren Schöpfer durch seine mannigfaltige und verschiedenartige Schöpfung wahrnehmen sowie durch die Offenbarung und das Wirken seiner Söhne und ihrer zahlreichen Untergebenen. Auch wenn die materiellen Sterblichen die Person Gottes nicht sehen können, sollten sie sich in der Gewissheit freuen, dass er eine Person ist. Nehmt durch euren Glauben die Wahrheit der Aussage an, dass der Universale Vater die Welt so sehr liebte, dass er für den ewigen geistigen Fortschritt ihrer niederen Einwohner sorgte; dass "seine Kinder sein Glück sind." Gott fehlt es an keinem jener übermenschlichen und göttlichen Attribute, die eine vollkommene, ewige, liebende und unendliche Schöpferpersönlichkeit ausmachen. In den Lokalschöpfungen (das Personal der Superuniversen ausgenommen) manifestiert sich Gott nicht persönlich oder in ortsgebundener Weise außer in den Paradies-Schöpfersöhnen, die die Väter der bewohnten Welten und die souveränen Herrscher der Lokaluniversen sind. Wäre der Glaube eines Geschöpfes vollkommen, dann wüsste es mit Bestimmtheit, dass, hatte es einen Schöpfersohn gesehen, es auch den Universalen Vater gesehen hatte; auf der Suche nach dem Vater würde es nach nichts anderem fragen und nichts anderes erwarten, als den Sohn zu sehen. Der sterbliche Mensch kann Gott ganz einfach nicht sehen, bevor er die vollständige geistige Verwandlung erreicht und tatsächlich ins Paradies gelangt ist. Die Natur der Paradies-Schöpfersöhne umfasst nicht alle uneingeschränkten Potentiale der universalen Absolutheit der unendlichen Natur des Ersten Zentralen Ursprungs, aber der Universale Vater ist in den Schöpfersöhnen in jeder Weise göttlich gegenwärtig. Der Vater und seine Söhne sind eins. Die Paradies-Söhne der Michael-Ordnung sind vollkommene Persönlichkeiten; sie sind sogar die Urmuster für alle Persönlichkeiten des Lokaluniversums, vom Hellen Morgenstern hinunter bis zum niedrigsten menschlichen Geschöpf fortschreitender tierischer Evolution. Ohne Gott, ohne seine große und zentrale Person, gäbe es im ganzen weiten Universum der Universen keine Persönlichkeit. Gott ist Persönlichkeit. Dessen ungeachtet, dass Gott eine ewige Macht ist, eine majestätische Gegenwart, ein transzendentes Ideal und ein glorreicher Geist, obwohl er all das und unendlich viel mehr ist, so ist er doch in Wahrheit und auf ewig eine vollkommene Schöpfer-Persönlichkeit, eine Person, die "kennen und gekannt werden" kann, die "lieben und geliebt werden" und uns Freundschaft erweisen kann, während man euch selbst, wie andere Menschen vor euch, als Freunde Gottes kennen kann. Er ist ein wirklicher Geist und eine geistige Realität. Wenn wir sehen, wie sich der Universale Vater in seinem ganzen Universum offenbart; wenn wir wahrnehmen, wie er den Myriaden seiner Geschöpfe innewohnt; wenn wir ihn in den Personen seiner Souveränen Söhne betrachten; wenn wir immer wieder da und dort, nah und fern, seine göttliche Gegenwart spüren, dann lasst uns nie den Primat seiner Persönlichkeit bezweifeln oder in Frage stellen. Trotz all seines immensen Sich-Austeilens bleibt er eine echte Person und hält auf ewig eine persönliche Verbindung mit den ungezählten Heerscharen seiner über das Universum der Universen verstreuten Geschöpfe aufrecht. Die Idee von der Persönlichkeit des Universalen Vaters ist eine erweiterte und wahrere Gottesvorstellung, die hauptsächlich auf dem Wege der Offenbarung zur Menschheit gelangt ist. Vernunft, Weisheit und religiöse Erfahrung legen alle die Persönlichkeit Gottes nahe und schließen sie mit ein, aber sie vermögen sie nicht gänzlich zu bestätigen. Sogar der innewohnende Gedankenjustierer ist vorpersönlich. Wahrheit und Reife irgendeiner Religion stehen in direktem Verhältnis zu ihrem Konzept von der unendlichen Persönlichkeit Gottes und zu ihrem Erfassen der absoluten Einheit der Gottheit. Die Idee von einer persönlichen Gottheit wird dann zum Maß religiöser Reife, nachdem die Religion zuerst die Vorstellung von der Einheit Gottes ausgedrückt hat. Die primitive Religion hatte viele persönliche Götter, und sie waren nach dem Bilde des Menschen gestaltet. Die Offenbarung bestätigt die Gültigkeit des Persönlichkeitskonzeptes Gottes, die im wissenschaftlichen Postulat einer Ersten Ursache nur eine Möglichkeit darstellt und in der philosophischen Idee von der Universalen Einheit nur behelfsmäßig vorgeschlagen wird. Einzig durch Anerkennung der Persönlichkeit kann irgendjemand beginnen, die Einheit Gottes zu verstehen. Die Verneinung der Persönlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs lässt einem nur die Wahl zwischen zwei philosophischen Sackgassen: Materialismus oder Pantheismus. Bei der Betrachtung der Gottheit muss das Persönlichkeitskonzept von jeder Idee von Körperlichkeit befreit werden. Ein materieller Körper ist für die Persönlichkeit - des Menschen oder Gottes - nicht unerlässlich. Der Irrtum der Körperlichkeit tritt in den beiden Extremen menschlicher Philosophie zu Tage. Da im Materialismus der Mensch seinen Körper beim Tod verliert, hört er auf, als Persönlichkeit zu existieren; und da im Pantheismus Gott keinen Körper hat, ist er deshalb keine Person. Der übermenschliche Typus fortschreitender Persönlichkeit funktioniert in einer Einheit von Verstand und Geist. Persönlichkeit ist nicht lediglich ein Attribut Gottes; sie bedeutet vielmehr die Totalität der koordinierten unendlichen Natur und des geeinten göttlichen Willens, der sich in der Ewigkeit und Universalität vollkommenen Ausdrucks bekundet. Persönlichkeit im höchsten Sinne ist die Offenbarung Gottes an das Universum der Universen. Da Gott ewig, universal, absolut und unendlich ist, wächst sein Wissen nicht, noch nimmt er an Weisheit zu. Gott gewinnt keine Erfahrung, wie der endliche Mensch es vermuten oder verstehen könnte, aber er erfreut sich innerhalb der Reiche seiner ewigen Persönlichkeit tatsächlich einer ständig expandierenden Selbstverwirklichung, die in gewissem Sinne mit dem Sammeln neuer Erfahrung durch die endlichen Geschöpfe der evolutionären Welten verglichen werden kann. Die absolute Vollkommenheit des unendlichen Gottes würde ihn unter der entsetzlichen Einengung uneingeschränkter Endgültigkeit der Vollkommenheit leiden lassen, wäre da nicht die Tatsache, dass der Universale Vater unmittelbar an dem persönlichen Ringen jeder unvollkommenen Seele im weiten Universum teilnimmt, die mit göttlicher Hilfe danach trachtet, zu den geistig vollkommenen Welten in der Höhe aufzusteigen. Diese progressive Erfahrung jedes Geistwesens und jedes sterblichen Geschöpfes im gesamten Universum der Universen ist ein Teil des ewig expandierenden Gottheitsbewusstseins des Vaters von dem nie endenden göttlichen Kreis unaufhörlicher Selbstverwirklichung. Es ist buchstäblich wahr: "In all euer Betrübnis ist er betrübt". "Bei all euren Siegen triumphiert er in euch und mit euch." Sein vorpersönlicher göttlicher Geist ist ein wirklicher Teil von euch. Die Paradies-Insel antwortet auf alle physischen Metamorphosen des Universums der Universen; der Ewige Sohn schließt alle geistigen Impulse der gesamten Schöpfung in sich; der Mit-Vollzieher umfasst sämtliche mentalen Kundgebungen des sich ausdehnenden Kosmos. In der Fülle seines göttlichen Bewusstseins gewahrt der Vater alle individuellen Erfahrungen des um Fortschritt ringenden, expandierenden Verstandes und emporsteigenden Geistes jeder Wesenheit, jedes Wesens und jeder Persönlichkeit der ganzen evolutionären Schöpfung von Zeit und Raum. Und all dies ist buchstäblich wahr, denn "in Ihm leben und bewegen wir uns alle und haben unser Dasein." ***** 1.6 Die Persönlichkeit im Universum ***** Die menschliche Persönlichkeit ist der zeitlich-räumliche und bildhafte Schatten, den die göttliche Schöpferpersönlichkeit wirft. Und nie wird man eine Wirklichkeit durch die Untersuchung ihres Schattens hinreichend begreifen können. Schatten sollte man von der wahren Substanz her deuten. Für die Wissenschaft ist Gott eine Ursache, für die Philosophie eine Idee und für die Religion eine Person, ja sogar der liebende himmlische Vater. Gott ist für den Wissenschaftler eine Urkraft, für den Philosophen eine Einheitshypothese und für den Gläubigen eine lebendige geistige Erfahrung. Des Menschen unzulängliche Vorstellung von der Persönlichkeit des Universalen Vaters kann nur durch seinen geistigen Fortschritt im Universum verbessert werden und wird erst wirklich angemessen sein, wenn die Pilger von Zeit und Raum schließlich im Paradies in die göttliche Umarmung des lebendigen Gottes eingehen. Vergesst nie, dass göttliche und menschliche Sicht der Persönlichkeit diametral entgegengesetzt sind. Der Mensch sieht und begreift die Persönlichkeit, indem er vom Endlichen zum Unendlichen blickt; Gott blickt vom Unendlichen zum Endlichen. Der Mensch besitzt den niedrigsten Persönlichkeitstyp, Gott den höchsten, sogar supremen, ultimen und absoluten. Deshalb mussten die besseren Vorstellungen von der göttlichen Persönlichkeit geduldig das Erscheinen besserer Ideen über die menschliche Persönlichkeit abwarten, insbesondere die erhabene Offenbarung der sowohl menschlichen als auch göttlichen Persönlichkeit in Michaels, des Schöpfersohnes, Leben der Selbsthingabe auf Urantia. Der vorpersönliche göttliche Geist, der dem menschlichen Verstand innewohnt, ist gerade durch seine Gegenwart der gültige Beweis seiner tatsächlichen Existenz, aber nur die geistige Schau echter persönlicher religiöser Erfahrung kann die Vorstellung von der göttlichen Persönlichkeit erfassen. Jede, ob menschliche oder göttliche Person, kann man ganz unabhängig von den äußeren Reaktionen dieser Person oder ihrer materiellen Anwesenheit kennen und verstehen. Ein gewisser Grad an sittlicher Affinität und geistiger Harmonie ist für die Freundschaft zwischen zwei Personen wesentlich; eine liebende Persönlichkeit kann sich schwerlich einer lieblosen Person eröffnen. Besonders um der Kenntnis einer göttlichen Persönlichkeit näher zu kommen, muss der Mensch diesem Bemühen sämtliche Gaben seiner Persönlichkeit widmen; halbherzige, teilweise Hingabe wird nichts fruchten. Je vollständiger der Mensch sich selber versteht und je mehr er die Persönlichkeitswerte seiner Mitmenschen schätzt, umso mehr wird er sich danach sehnen, die Ursprüngliche Persönlichkeit zu kennen, und umso ernsthafter wird dieser Gott kennende Mensch danach streben, der Ursprünglichen Persönlichkeit ähnlich zu werden. Man kann über Gott verschiedene Meinungen vertreten, aber Erfahrung mit Gott und in ihm ist etwas, das über und jenseits jeglicher menschlicher Kontroverse und rein intellektueller Logik liegt. Der Mensch, der Gott kennt, teilt seine geistigen Erfahrungen nicht mit, um Ungläubige zu überzeugen, sondern zur Erbauung und gegenseitigen Genugtuung der Gläubigen. Anzunehmen, dass das Universum gekannt werden kann, dass es verstanden werden kann, heißt annehmen, dass das Universum durch Verstand erschaffen worden ist und von Persönlichkeit gelenkt wird. Der menschliche Verstand kann nur Verstandesphänomene eines anderen, ob menschlichen oder übermenschlichen, Verstandes wahrnehmen. Wenn die menschliche Persönlichkeit das Universum erfahren kann, dann ist in diesem Universum irgendwo ein göttlicher Verstand und eine wirkliche Persönlichkeit verborgen. Gott ist Geist - eine geistige Persönlichkeit; auch der Mensch ist ein Geist - eine potentielle geistige Persönlichkeit. Jesus von Nazareth erreichte in der menschlichen Erfahrung die volle Verwirklichung dieses Potentials geistiger Persönlichkeit; deshalb wird sein der Ausführung des väterlichen Willens gewidmetes Leben für den Menschen zur wirklichsten und idealsten Offenbarung der Persönlichkeit Gottes. Obwohl die Persönlichkeit des Universalen Vaters nur wirklicher religiöser Erfahrung zugänglich ist, inspiriert uns Jesu Erdenleben durch die vollendete Demonstration und Offenbarung der Persönlichkeit Gottes in einer wahrhaft menschlichen Erfahrung. ***** 1.7 Geistiger Wert des Persönlichkeitskonzepts ***** Wenn Jesus von dem "lebendigen Gott" sprach, bezog er sich auf eine persönliche Gottheit - auf den Vater im Himmel. Die Vorstellung von der Persönlichkeit der Gottheit erleichtert brüderlichen Umgang, begünstigt intelligente Anbetung und fördert erfrischendes Vertrauen. Zwischen nicht-persönlichen Dingen kann es wohl zu Wechselwirkungen, nicht aber zu Kameradschaft kommen. Die Freundschaftsbeziehung zwischen Vater und Sohn wie diejenige zwischen Gott und Mensch kann es nur geben, wenn beide Personen sind. Nur Persönlichkeiten können miteinander Austausch pflegen, obwohl ein derartiger persönlicher Austausch durch die Gegenwart gerade einer solch unpersönlichen Wesenheit wie derjenigen des Gedankenjustierers bedeutend erleichtert werden kann. Der Mensch gelangt nicht zur Vereinigung mit Gott in der Art eines Wassertropfens, der sich mit dem Ozean vereinigt. Der Mensch erreicht göttliche Vereinigung durch fortschreitende wechselseitige geistige Verbindung, durch seinen persönlichen Umgang mit dem persönlichen Gott, durch zunehmendes Erlangen der göttlichen Natur dank intelligenter, aus ganzem Herzen kommender Ausrichtung auf den göttlichen Willen. Solch eine sublime Beziehung kann es nur zwischen Persönlichkeiten geben. Man kann sich Wahrheit möglicherweise getrennt von Persönlichkeit vorstellen, und die Vorstellung von Schönheit mag es ohne Persönlichkeit geben, aber die Vorstellung von göttlicher Güte ist nur in Verbindung mit Persönlichkeit sinnvoll. Nur eine Person kann lieben und geliebt werden. Auch Schönheit und Wahrheit hätten keine Überlebenschancen, wären sie nicht Attribute eines persönlichen Gottes, eines liebenden Vaters. Wir können nicht ganz verstehen, wie Gott uranfänglich, unveränderlich, allmächtig und vollkommen sein und gleichzeitig von einem ewig wechselnden und offenbar durch Gesetze beschränkten Universum, von einem sich entwickelnden Universum relativer Unvollkommenheiten umgeben sein kann. Aber wir können eine solche Wahrheit aus eigener persönlicher Erfahrung kennen, da wir alle trotz ständiger Veränderung unserer selbst und unserer Umgebung die Identität unserer Persönlichkeit und die Einheit unseres Willens beibehalten. Weder Mathematik noch Logik oder Philosophie vermögen die allerhöchste Universumsrealität zu erfassen, sondern nur die persönliche Erfahrung in zunehmender Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen eines persönlichen Gottes. Weder Wissenschaft noch Philosophie oder Theologie können Gottes Persönlichkeit bestätigen. Einzig der persönlichen Erfahrung der Glaubenssöhne des himmlischen Vaters kann die tatsächliche geistige Wahrnehmung der Persönlichkeit Gottes gelingen. Die höheren Konzepte universaler Persönlichkeit umfassen: Identität, Selbst-Bewusstsein, eigenen Willen und die Möglichkeit der Selbst-Offenbarung. Und diese Wesenszüge schließen zudem brüderlichen Austausch mit anderen und ebenbürtigen Persönlichkeiten ein in der Art jener, die in den Persönlichkeitsverbindungen der Paradies-Gottheiten existieren. Und die absolute Einheit dieser Verbindungen ist so vollkommen, dass man die Göttlichkeit an ihrer Unteilbarkeit, an ihrem Einssein erkennt. "Gott, der Herr ist eins." Die Unteilbarkeit der Persönlichkeit hindert Gott nicht daran, den sterblichen Menschen seinen Geist zu schenken, damit er in ihren Herzen wohne. Die Unteilbarkeit der Persönlichkeit eines menschlichen Vaters steht der Erzeugung sterblicher Söhne und Töchter nicht im Wege. Dieses Konzept der Unteilbarkeit zusammen mit dem Konzept von Einheit schließt die Transzendenz von Zeit und Raum durch die Ultimität der Gottheit mit ein; deshalb können weder Raum noch Zeit absolut oder unendlich sein. Der Erste Zentrale Ursprung ist jene Unendlichkeit, die ohne jegliche Einschränkung über allen Verstand, alle Materie und allen Geist hinausgeht. Die Tatsache der Trinität des Paradieses verletzt die Wahrheit der göttlichen Einheit in keiner Weise. Die drei Persönlichkeiten der Paradies-Gottheit verhalten sich in allen Reaktionen der Universumsrealität und in allen Geschöpfesbeziehungen wie eine einzige. Ebenso wenig verletzt die Existenz dieser drei ewigen Personen die Wahrheit der Unteilbarkeit Gottes. Ich bin mir völlig bewusst, dass ich über keine angemessene Sprache verfüge, um dem sterblichen Verstand zu erklären, in welchem Lichte uns diese Universumsprobleme erscheinen. Aber ihr solltet euch nicht entmutigen lassen; nicht einmal den hohen Persönlichkeiten, die meiner Gruppe von Paradies-Wesen angehören, sind alle diese Dinge völlig klar. Haltet euch stets vor Augen, dass diese tiefen Wahrheiten über die Gottheit sich immer mehr klären werden in dem Maße, wie sich euer Verstand in den aufeinander folgenden Abschnitten des langen Aufstiegs der Sterblichen zum Paradies zunehmend vergeistigt. [Dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber, Mitglied einer Gruppe himmlischer Persönlichkeiten, die von den Ältesten der Tage von Uversa, dem Hauptsitz des siebenten Superuniversums, beauftragt wurden, jene Teile dieser in Gang befindlichen Offenbarung zu überwachen, die von Dingen außerhalb der Grenzen des Lokaluniversums von Nebadon handeln. Mir obliegt die Bürgschaft für die Schriften, welche die Natur und Attribute Gottes zur Darstellung bringen, weil ich die höchste auf irgendeiner bewohnten Welt für eine derartige Aufgabe zur Verfügung stehende Informationsquelle bin. Ich habe als Göttlicher Ratgeber in allen sieben Superuniversen gedient und mich lange in der Mitte aller Dinge, im Paradies, aufgehalten. Viele Male wurde mir das höchste Glück eines Aufenthaltes in der unmittelbaren persönlichen Gegenwart des Universalen Vaters zuteil. Ich schildere die Realität und Wahrheit des Wesens und der Attribute des Vaters mit unanfechtbarer Autorität; ich weiß, wovon ich spreche.] ****** Kapitel 2 Die Natur Gottes ****** DA die höchstmögliche Gottesvorstellung des Menschen in der Idee und im Ideal liegt, die er sich von einer ursächlichen und unendlichen Persönlichkeit macht, mag es erlaubt sein und sich als hilfreich erweisen, gewisse Wesenszüge der göttlichen Natur zu studieren, die den Charakter der Gottheit ausmachen. Man kann das Wesen Gottes am besten durch die Offenbarung des Vaters verstehen, die Michael von Nebadon in seinen vielfältigen Unterweisungen und in seinem wunderbaren Leben als inkarnierter Sterblicher gegeben hat. Die göttliche Natur kann vom Menschen auch besser verstanden werden, wenn er sich als ein Kind Gottes betrachtet und zum Schöpfer im Paradies als zu seinem wahren geistigen Vater aufschaut. Man kann die Natur Gottes an einer Offenbarung höchster Ideen studieren, der göttliche Charakter kann als eine Darstellung himmlischer Ideale betrachtet werden, aber die am meisten erleuchtende und geistig erbauende aller Offenbarungen der göttlichen Natur erhält man durch das Verstehen des religiösen Lebens Jesu von Nazareth, bevor und nachdem er zum vollen Bewusstsein seiner Göttlichkeit gelangt war. Wenn man das inkarnierte Leben Michaels als Hintergrund der Offenbarung Gottes an den Menschen nimmt, können wir versuchen, in menschlichen Wortsymbolen gewisse Ideen und Ideale auszudrücken, die die göttliche Natur betreffen und vielleicht zu einer weiteren Klärung und Einigung der menschlichen Vorstellung von Natur und Charakter der Persönlichkeit des Universalen Vaters beitragen werden. Bei all unserem Bemühen, das menschliche Gotteskonzept zu erweitern und zu vergeistigen, werden wir durch das beschränkte Fassungsvermögen des menschlichen Verstandes außerordentlich behindert. Außerdem werden wir bei der Ausführung unseres Auftrags ernsthaft behindert durch die Begrenzungen der Sprache und die Armut des Materials, das zu Illustrations- oder Vergleichszwecken herangezogen werden kann, um göttliche Werte darzustellen und dem endlichen, sterblichen Verstand des Menschen geistige Bedeutungen nahe zu bringen. All unsere Anstrengungen, das menschliche Gotteskonzept zu erweitern, wären nahezu vergeblich, wenn der menschliche Verstand nicht von dem vom Vater geschenkten Justierer bewohnt würde und vom Geist der Wahrheit des Schöpfersohnes durchdrungen wäre. Indem ich mich also zur Erweiterung der Gottesvorstellung auf die Hilfe dieser göttlichen Geiste im Menschenherzen verlasse, mache ich mich fröhlich an die Ausführung meines Auftrags, zu versuchen, dem menschlichen Verstand ein tieferes Bild vom Wesen Gottes zu vermitteln. ***** 2.1 Die Unendlichkeit Gottes ***** "Was den Unendlichen betrifft, so können wir ihn nicht ausfindig machen. Die göttlichen Fußspuren sind unbekannt." "Sein Verstehen ist unendlich und seine Größe unergründlich." Das blendende Licht der Gegenwart des Vaters ist derart, dass er für seine niedrigen Geschöpfe scheinbar "in dichter Finsternis wohnt". Nicht nur sind seine Gedanken und Pläne unerforschlich, sondern "er tut auch große und wunderbare Dinge ohne Zahl". "Gott ist groß; wir verstehen ihn nicht, und die Zahl seiner Jahre kann nicht ermittelt werden." "Wird Gott wirklich auf der Erde wohnen? Siehe, der Himmel (das Universum) und der Himmel der Himmel (das Universum der Universen) können ihn nicht fassen." "Wie unergründlich sind seine Urteile und wie undurchschaubar seine Wege!" "Es gibt nur einen Gott, den unendlichen Vater, und er ist auch ein treuer Schöpfer." "Der göttliche Schöpfer ist auch der Universale Lenker, der Ursprung und die Bestimmung der Seelen. Er ist die Höchste Seele, der Uranfängliche Verstand und der Grenzenlose Geist der ganzen Schöpfung." "Der große Überwacher begeht keine Fehler. Er ist von strahlender Majestät und Herrlichkeit." "Der Schöpfergott ist gänzlich frei von Furcht und Feindschaft. Er ist unsterblich, ewig, aus sich selbst existierend, göttlich und freigebig." "Wie rein und schön, wie tief und unergründlich ist der himmlische Ahnherr aller Dinge!" "Der Unendliche zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er sich den Menschen kundtut. Er ist der Anfang und das Ende, der Vater jedes guten und vollkommenen Vorhabens." "Bei Gott sind alle Dinge möglich; der ewige Schöpfer ist die Ursache der Ursachen." Ungeachtet der Unendlichkeit der staunenerregenden Manifestationen der ewigen und universalen Persönlichkeit des Vaters ist er sich selber seiner Unendlichkeit und seiner Ewigkeit ohne jede Einschränkung bewusst, und ebenso voll und ganz kennt er seine Vollkommenheit und Macht. Abgesehen von seinen göttlichen Gleichgeordneten ist er das einzige Wesen im Universum, das eine vollkommene, angemessene und vollständige Selbsteinschätzung besitzt. Beständig und unfehlbar wird der Vater der Notwendigkeit differenzierter Antwort auf die an ihn gestellten Anforderungen gerecht, je nachdem, wie diese sich von Zeit zu Zeit in verschiedenen Abschnitten seines Alluniversums ändern. Der große Gott kennt und versteht sich selber; er ist sich all seiner Ur-Attribute der Vollkommenheit auf unendliche Weise bewusst. Gott ist kein kosmischer Zufall, noch experimentiert er mit dem Universum. Die Souveränen Universumsherrscher mögen sich in Abenteuer stürzen; die Väter der Konstellationen mögen experimentieren; die Leiter der Systeme mögen sich üben; aber der Universale Vater sieht das Ende seit Anbeginn, und sein göttlicher Plan und ewiges Vorhaben umfassen und enthalten tatsächlich alle Experimente und Abenteuer all seiner Untergeordneten auf jeder Welt, jedem System und jeder Konstellation in jedem Universum seiner unermesslichen Reiche. Nichts ist neu für Gott, und ein kosmisches Ereignis kommt für ihn niemals als Überraschung; er bewohnt den Kreis der Ewigkeit. Er kennt weder Tagesbeginn noch Tagesende. Für Gott gibt es weder Vergangenheit noch Gegenwart noch Zukunft; alle Zeit ist in jedem gegebenen Augenblick gegenwärtig. Er ist das große und einzige ICH BIN. Der Universale Vater ist in all seinen Attributen auf absolute und durch nichts bedingte Weise unendlich; und diese Tatsache an und für sich schließt ihn automatisch von jeder direkten persönlichen Kommunikation mit endlichen materiellen Wesen und anderen niedrigeren erschaffenen Intelligenzen aus. All das macht verschiedene Maßnahmen für den Kontakt und die Kommunikation mit seinen mannigfaltigen Geschöpfen notwendig. Die erste Anordnung betrifft die Persönlichkeiten der Paradies-Söhne Gottes, die, obwohl vollkommen an Göttlichkeit, auch oft an der Natur aus Fleisch und Blut der planetarischen Rassen teilhaben und einer wie ihr und einer unter euch werden; auf diese Weise wird Gott gleichsam zum Menschen, wie es in der Selbsthingabe Michaels geschah, der abwechselnd Gottessohn und Menschensohn genannt wurde. Und zweitens sind da die Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes, die verschiedenen Ordnungen seraphischer Heerscharen und anderer himmlischer Intelligenzen, die sich den materiellen Wesen niedriger Abstammung nähern und ihnen auf so mancherlei Weise helfen und dienen. Und drittens gibt es die unpersönlichen Unergründlichen Mentoren, die Gedankenjustierer, die tatsächlichen Geschenke des großen Gottes selber, die gesandt werden, um Wesen wie die Menschen Urantias zu bewohnen, gesandt ohne Vorankündigung und ohne Erklärung. In unerschöpflicher Fülle steigen sie von den glorreichen Höhen herab, um den bescheidenen Verstand derjenigen Sterblichen zu begnaden und zu bewohnen, die der Gottesbewusstheit fähig sind oder das Potential dazu besitzen. Auf diese und viele andere Arten, die euch unbekannt sind und völlig außerhalb des endlichen Fassungsvermögens liegen, setzt der Paradies-Vater aus Liebe und willentlich seine Unendlichkeit herab und modifiziert, verdünnt und mildert sie anderswie, um dem endlichen Verstand seiner Geschöpfeskinder näher kommen zu können. Durch diese ganze Reihe von Persönlichkeitsvergaben, die immer weniger absolut sind, wird es dem unendlichen Vater möglich, sich eines engen Kontaktes mit den verschiedenen Intelligenzen der vielen Reiche seines gewaltigen Universums zu erfreuen. All das hat er getan, tut er und wird er ewig zu tun fortfahren, ohne im Geringsten die Tatsache und Realität seiner Unendlichkeit, Ewigkeit und seines Primates zu beeinträchtigen. Und diese Dinge sind trotz der Schwierigkeit, sie zu erfassen, absolut wahr, trotz des Geheimnisses, das sie umhüllt, und trotz der Unmöglichkeit, von Geschöpfen wie den Bewohnern Urantias voll begriffen zu werden. Weil der Erste Vater in seinen Plänen unendlich und in seinen Vorhaben ewig ist, wird es einem endlichen Wesen aufgrund seiner Natur immer verwehrt sein, jemals diese göttlichen Pläne und Vorhaben in ihrer ganzen Fülle zu erfassen oder zu verstehen. Nur dann und wann und da und dort kann der sterbliche Mensch einen kurzen Blick auf die Vorhaben des Vaters werfen, wenn diese im Zusammenhang mit der Ausführung des Plans enthüllt werden, der den Aufstieg der Geschöpfe über sukzessive Ebenen des Fortschritts im Universum bestimmt. Obgleich der Mensch die Bedeutung der Unendlichkeit nicht erfassen kann, versteht der unendliche Vater höchst gewiss die ganze Endlichkeit all seiner Kinder in allen Universen und umfängt sie liebevoll. Göttlichkeit und Ewigkeit teilt der Vater mit einer großen Zahl von höheren Paradies-Wesen, aber wir bezweifeln, dass er die Unendlichkeit und den sich daraus ergebenden universalen Primat mit irgendwem außer den ihm gleichgeordneten Mitgliedern der Paradies Trinität in vollem Maße teilt. Unendlichkeit der Persönlichkeit muss notwendigerweise alle Endlichkeit der Persönlichkeit in sich schließen, und daraus folgt die Wahrheit - die buchstäbliche Wahrheit - der Lehre, die erklärt, dass "wir in Ihm leben, uns bewegen und unser Dasein haben". Das Fragment der reinen Gottheit des Universalen Vaters, das im sterblichen Menschen wohnt, ist ein Teil der Unendlichkeit des Ersten Großen Zentralen Ursprungs, des Vaters der Väter. ***** 2.2 Die Ewige Vollkommenheit des Vaters ***** Sogar eure einstigen Propheten haben die ewige, kreisförmige Natur ohne Anfang und Ende des Universalen Vaters verstanden. Gott ist buchstäblich und ewig gegenwärtig in seinem Universum der Universen. Er bewohnt den gegenwärtigen Augenblick in all seiner absoluten Hoheit und ewigen Größe. "Der Vater hat das Leben in sich selbst, und dieses Leben ist ewiges Leben." Durch alle ewigen Zeitalter hindurch ist es der Vater gewesen, "der allem das Leben gibt". Die göttliche Integrität ist von unendlicher Vollkommenheit. "Ich bin der Herr; ich ändere mich nicht." Unsere Kenntnis vom Universum der Universen lehrt uns nicht nur, dass Er der Vater des Lichts ist, sondern auch, dass es bei seiner Handhabung interplanetarischer Angelegenheiten "keine Unbeständigkeit noch einen Schatten von Veränderlichkeit gibt". "Von Anbeginn kündigt er das Ende an." Er spricht: "Mein Ratschluss soll ewig bestehen; ich werde zu meiner Freude handeln" "gemäß dem ewigen Vorhaben, das ich mir in meinem Sohn vorgenommen habe." Demnach sind die Pläne und Vorhaben des Ersten Zentralen Ursprungs wie er: ewig, vollkommen und auf immer unveränderlich. Die Erlasse des Vaters sind von endgültiger Vollständigkeit und vollkommener Abgerundetheit. "Was immer Gott tut, soll ewig gelten; nichts kann hinzugefügt und nichts weggenommen werden." Der Universale Vater bereut seine ursprünglichen Vorhaben der Weisheit und Vollkommenheit nie. Seine Pläne stehen für immer fest, sein Ratschluss ist unveränderlich und seine Handlungen sind göttlich und unfehlbar. "Tausend Jahre sind vor ihm wie das Gestern, wenn es vorüber ist, und wie eine Nachtwache." Vollkommenheit der Göttlichkeit und Größe der Ewigkeit liegen für immer jenseits des völligen Begreifens durch den begrenzten Verstand des sterblichen Menschen. Die Reaktionen eines unveränderlichen Gottes mögen bei der Ausführung seines ewigen Planes je nach der wechselnden Haltung und dem veränderlichen Gemüt seiner erschaffenen Intelligenzen scheinbar unterschiedlich ausfallen, das heißt, sie mögen sich oberflächlich scheinbar unterscheiden; aber unter der Oberfläche und hinter allen äußeren Manifestationen bleibt das unveränderliche Vorhaben, der ewige Plan des ewigen Gottes stets gegenwärtig. Draußen in den Universen ist Vollkommenheit notwendigerweise ein relativer Begriff, aber im Zentraluniversum und insbesondere im Paradies ist Vollkommenheit unverwässert vorhanden; in gewissen Phasen ist sie sogar absolut. Die göttliche Vollkommenheit zeigt sich in den Manifestationen der Trinität unterschiedlich, aber nie abgeschwächt. Gottes Ur-Vollkommenheit besteht nicht aus einer Rechtschaffenheit, die er sich erworben hätte, sondern vielmehr aus der ihm eingeborenen Vollkommenheit der Güte seiner göttlichen Natur. Er ist final, vollständig und vollkommen. Es gibt nichts, was der Schönheit und Vollkommenheit seines rechtschaffenen Charakters fehlen würde. Und das ganze Programm der auf den Welten des Raums lebenden Existenzen hat seinen Mittelpunkt im göttlichen Vorhaben, alle Willensgeschöpfe ihrer hohen Bestimmung zuzuführen, die Erfahrung der mit dem Vater geteilten Vollkommenheit des Paradieses zu machen. Gott ist weder egozentrisch noch selbstgenügsam; er hört nie auf, sich an alle selbstbewussten Geschöpfe des riesigen Universums der Universen auszuteilen. Gott ist ewig und unendlich vollkommen. Persönlich kann er Unvollkommenheit aus eigener Erfahrung nicht kennen, aber er teilt das Bewusstsein aller Erfahrungen der Unvollkommenheit mit allen zäh ringenden Geschöpfen der evolutionären Universen aller Paradies-Schöpfersöhne. Der persönliche und befreiende Hauch des Gottes der Vollkommenheit durchweht die Herzen und erfasst das Wesen all jener sterblichen Geschöpfe, die zur Universumsebene sittlicher Wahrnehmung aufgestiegen sind. Auf diese Weise ebenso wie über die Kontakte mit seiner göttlichen Gegenwart teilt der Universale Vater tatsächlich mit jedem sittlichen Wesen des gesamten Universums während dessen Werdegangs die Erfahrung mit der Unreife und Unvollkommenheit. Menschliche Beschränkungen und potentiell Übles gehören nicht zur göttlichen Natur, aber die sterbliche Erfahrung mit dem Übel und alle menschlichen Beziehungen zu diesem gehören mit größter Sicherheit zu Gottes sich stets ausweitender Selbst-Verwirklichung in den Kindern der Zeit - den Geschöpfen mit sittlichem Verantwortungsgefühl, die von jedem das Paradies verlassenden Schöpfersohn geschaffen oder entwickelt worden sind. ***** 2.3 Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit ***** Gott ist rechtschaffen; deshalb ist er gerecht. "Der Herr ist rechtschaffen in allem, was er tut." "`Ich habe alles, was ich getan habe, nicht ohne Grund getan', sagt der Herr." "Die Urteile des Herrn sind durch und durch wahr und rechtschaffen." Die Gerechtigkeit des Universalen Vaters kann durch die Handlungen und Leistungen seiner Geschöpfe nicht beeinflusst werden, "denn es gibt beim Herrn, unserem Gott, weder Ungerechtigkeit noch Ansehen der Person oder Entgegennahme von Geschenken." Wie aussichtslos und kindisch, einen solchen Gott anzurufen, er solle von seinen unveränderlichen Ratschlüssen abweichen, damit wir den gerechten Folgen der Wirkung seiner weisen Naturgesetze und gerechten geistigen Gebote entgingen! "Täuscht euch nicht! Man spottet Gottes nicht, denn was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten." Es ist wahr, dass auch beim Ernten der verdienten Früchte üblen Tuns die göttliche Gerechtigkeit stets durch Barmherzigkeit gemildert wird. Unendliche Weisheit ist der ewige Schiedsrichter, der darüber befindet, in welchem Verhältnis Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in irgendeinem gegebenen Fall bemessen werden sollen. Die größte Strafe für übles Tun und vorsätzliche Auflehnung gegen Gottes Regierung (in Wahrheit eine unvermeidliche Folge davon) ist der Verlust der Existenz als individueller Untertan dieser Regierung. Das Endergebnis rückhaltloser Sünde ist Auslöschung. Letzten Endes haben sich solche mit der Sünde identifizierten Wesen selbst zerstört, indem sie durch ihre Frevelhaftigkeit ganz und gar unwirklich geworden sind. Das tatsächliche Verschwinden eines derartigen Geschöpfes wird indessen immer aufgeschoben, bis der in dem betreffenden Universum geltenden Rechtsordnung völlig Genüge getan ist. Das Aufhören einer Existenz wird gewöhnlich am Ende einer Dispensation oder Epoche anlässlich des über eine oder mehrere Welten abgehaltenen Gerichts verfügt. Auf einer Welt wie Urantia findet ein solches am Ende einer planetarischen Dispensation statt. Das Ende einer Existenz kann bei einer solchen Gelegenheit in einer abgestimmten Aktion aller Gerichtshöfe der Rechtsprechung verfügt werden, vom planetarischen Rat aufwärts über die Gerichtshöfe des Schöpfersohnes bis zu den Tribunalen der Ältesten der Tage. Der Befehl zur Auslöschung ergeht von den höheren Gerichtshöfen des Superuniversums, nachdem die von der Heimatwelt des Übeltäters kommende Anklage eine ununterbrochene Bestätigung erfahren hat. Wenn das auf Auslöschung lautende Urteil an allerhöchster Stelle bestätigt worden ist, erfolgt seine Ausführung durch eine direkte Handlung der am Hauptsitz des Superuniversums residierenden und von hier aus wirkenden Richter. Wenn das Urteil endgültig bestätigt worden ist, geschieht dem Wesen, das sich mit der Sünde identifiziert hat, augenblicklich, als hätte es nie existiert. Von einem solchen Los gibt es keine Auferstehung; es ist für immer und ewig. Die lebendigen Energiefaktoren der Identität werden durch die Verwandlungen der Zeit und die Metamorphosen des Raums in die kosmischen Potentiale aufgelöst, aus denen sie einst hervorgegangen waren. Was die Persönlichkeit des Frevlers betrifft, sieht sie sich des kontinuierlichen Lebensträgers beraubt, weil das Geschöpf nicht jene Wahl noch jene endgültigen Entscheidungen zu treffen wusste, die sein ewiges Leben sichergestellt hätten. Wenn der mit ihr verbundene Verstand fortlaufend die Sünde wählt und all dies in vollständiger Selbstidentifikation mit dem Frevel gipfelt, wird solch eine isolierte Persönlichkeit nach dem Aufhören des Lebens, nach der kosmischen Auflösung, von der Überseele der Schöpfung absorbiert und zu einem Teil der wachsenden Erfahrung des Supremen Wesens. Und nie wieder wird sie als Persönlichkeit erscheinen; es ist, als hätte es ihre Identität nie gegeben. Im Falle einer durch einen Justierer bewohnten Persönlichkeit leben die erfahrungsmäßigen Geisteswerte in der Realität des weiterwirkenden Justierers fort. Bei jedem Kampf im Universum zwischen verwirklichten Realitätsebenen wird die Persönlichkeit der höheren Ebene am Ende über die Persönlichkeit der tieferen Ebene den Sieg davontragen. Dieser unvermeidliche Ausgang jeder Auseinandersetzung im Universum liegt in der Tatsache beschlossen, dass der Grad der Vergöttlichung irgendeines Willensgeschöpfes gleich dem Grad seiner Realität oder Verwirklichung ist. Reine Schlechtigkeit, vollständiger Irrtum, vorsätzliche Sünde und ungemilderte Frevelhaftigkeit sind an sich und automatisch selbstmörderisch. Derartige kosmisch unwirkliche Verhaltensweisen können im Universum nur dank vorübergehender barmherziger Duldung überleben, bis die Mechanismen der gerecht urteilenden Universumstribunale, die die Gerechtigkeit bestimmen und sich um Fairness bemühen, in Aktion treten. Die Schöpfersöhne herrschen in den Lokaluniversen als Schöpfer und Vergeistiger. Diese Söhne widmen sich der erfolgreichen Ausführung des Paradies-Planes für den progressiven Aufstieg der Sterblichen, also auch der Rehabilitierung von Rebellen und solchen, die sich in ihrem Denken irren. Aber wenn alle derartigen liebevollen Bemühungen endgültig und für immer zurückgewiesen worden sind, wird die endgültige Verfügung der Auslöschung durch Kräfte vollstreckt, die unter der Zuständigkeit der Ältesten der Tage handeln. ***** 2.4 Die göttliche Barmherzigkeit ***** Barmherzigkeit ist ganz einfach Gerechtigkeit, welche durch eine Weisheit gemildert wird, die vollkommenem Wissen um die natürlichen Schwächen der endlichen Geschöpfe und ihrer umweltbedingten Behinderungen entspringt und ihnen voll Rechnung trägt. "Unser Gott ist voller Mitleid, gnädig, langmütig und über die Maßen erbarmungsvoll." Deshalb soll "wer immer den Herrn anruft, gerettet werden", "denn dieser wird reichlich vergeben." "Das Erbarmen des Herrn dauert von Ewigkeit zu Ewigkeit", ja, "seine Barmherzigkeit währt ewig." "Ich bin der Herr, der auf Erden Barmherzigkeit übt, Gericht hält und Rechtschaffenheit fördert, denn an diesen Dingen habe ich meine Freude." "Ich bereite den Kindern der Menschen nicht gerne Kummer oder Schmerz", denn "ich bin der Vater der Barmherzigkeit und der Gott aller Tröstung". Gott ist seinem Wesen nach gütig, von Natur aus mitfühlend und ewig erbarmungsvoll. Und nie ist es nötig, dass irgendein Einfluss auf den Vater Druck ausübe, um seine liebende Güte zu wecken. Das Bedürfnis eines Geschöpfes ist völlig ausreichend, um den vollen Fluss zarten Erbarmens des Vaters und seine rettende Gnade zu erwirken. Da Gott alles über seine Kinder weiß, ist es ihm ein Leichtes zu vergeben. Je besser ein Mensch seinen Nachbarn kennt, umso leichter wird er ihm vergeben, ja ihn lieben. Nur der Scharfblick unendlicher Weisheit befähigt den rechtschaffenen Gott, in jeder gegebenen Universumssituation zugleich gerecht und barmherzig zu sein. Der himmlische Vater wird nie hin- und hergerissen zwischen sich bekämpfenden Haltungen gegenüber seinen Universumskindern; Gott wird nie ein Opfer widersprüchlicher Haltungen. Gottes Allwissenheit leitet seinen freien Willen unfehlbar bei der Wahl jenes Universums-Verhaltens, das die Forderungen all seiner göttlichen Attribute und die unendlichen Eigenschaften seiner ewigen Natur vollkommen, gleichzeitig und gleichermaßen zufrieden stellt. Barmherzigkeit ist die natürliche und unvermeidliche Frucht von Güte und Liebe. Es ist undenkbar, dass die gütige Natur eines liebenden Vaters irgendeinem Mitglied irgendeiner Gruppe seiner Universumskinder weise geübte Barmherzigkeit vorenthalten könnte. Ewige Gerechtigkeit und göttliche Barmherzigkeit zusammen bilden das, was menschliche Erfahrung Fairness nennen würde. Göttliche Barmherzigkeit stellt eine faire Technik dar, die zwischen den Universumsebenen der Vollkommenheit und Unvollkommenheit vermittelt. Barmherzigkeit ist die den Situationen des sich entwickelnden Endlichen angepasste Gerechtigkeit der Suprematie, die abgeänderte Rechtschaffenheit der Ewigkeit, um den höchsten Interessen und dem Wohlergehen der Kinder der Zeit im Universum Rechnung zu tragen. Barmherzigkeit ist kein Zuwiderhandeln gegen die Gerechtigkeit, sondern eher eine verständnisvolle Auslegung der Ansprüche höchster Gerechtigkeit, wenn diese in fairer Weise auf die untergeordneten geistigen Wesen und auf die materiellen Geschöpfe der sich entwickelnden Universen Anwendung findet. Barmherzigkeit ist die den vielfältigen Intelligenzen der Zeit-Raum-Schöpfungen auf weise und liebevolle Art widerfahrende Gerechtigkeit der Paradies Trinität, so wie göttliche Weisheit sie ausdrückt und wie der allwissende Verstand und der souveräne freie Wille des Universalen Vaters und aller ihm beigeordneten Schöpfer sie bestimmen. ***** 2.5 Die Liebe Gottes ***** "Gott ist Liebe"; deshalb ist seine einzige persönliche Haltung den Angelegenheiten des Universums gegenüber immer eine Reaktion göttlicher Zuneigung. Der Vater liebt uns genügend, um uns sein Leben zu schenken. "Er lässt seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt es über Gerechten und Ungerechten regnen." Es ist falsch zu denken, der Vater lasse sich wegen der Opfer seiner Söhne oder wegen der Fürsprache seiner untergeordneten Geschöpfe dazu überreden, seine Kinder zu lieben, "denn der Vater selber liebt euch". Es geschieht aus dieser väterlichen Zuneigung heraus, dass Gott die wunderbaren Justierer aussendet, um dem Verstand der Menschen innezuwohnen. Gottes Liebe ist universal; "wer immer will, mag kommen". Er möchte, "dass alle Menschen dadurch gerettet würden, dass sie die Wahrheit kennen lernen". "Es ist nicht sein Wille, dass auch nur einer umkomme." Die Schöpfer sind die allerersten, die versuchen, die Menschen vor den verheerenden Folgen törichter Übertretung der göttlichen Gesetze zu bewahren. Gottes Liebe ist ihrem Wesen nach eine väterliche Zuneigung; deshalb "züchtigt" er uns manchmal "zu unserem eigenen Nutzen, damit wir an seiner Heiligkeit teilhaben mögen". Denkt sogar in euren schlimmsten Prüfungen daran, dass "er in all unserer Betrübnis mit uns betrübt ist". Gott ist den Sündern auf göttliche Weise freundlich gesinnt. Wenn Rebellen zur Rechtschaffenheit zurückkehren, werden sie erbarmungsvoll empfangen, "denn unser Gott wird reichlich vergeben". "Ich bin derjenige, der eure Übertretungen um meinetwillen auslöscht, und ich werde mich nicht an eure Sünden erinnern." "Seht, was für eine Liebe der Vater uns geschenkt hat, dass wir Söhne Gottes genannt werden sollen." Letztlich ist der größte Beweis von Gottes Güte und der mächtigste Grund, ihn zu lieben, das im Innern wohnende Geschenk des Vaters - der Justierer, der so geduldig auf die Stunde wartet, da ihr beide auf ewig eins werden sollt. Zwar könnt ihr Gott nicht durch Suchen finden, aber wenn ihr euch der Führung des innewohnenden Geistes unterwerfen wollt, werdet ihr unfehlbar gelenkt werden, Schritt für Schritt, Leben um Leben, durch ein Universum nach dem anderen und Zeitalter auf Zeitalter, bis ihr euch endlich in der Gegenwart der Paradies-Persönlichkeit des Universalen Vaters befindet. Wie unvernünftig seid ihr doch, Gott nicht anzubeten, weil die Beschränkungen der menschlichen Natur und die Behinderungen eurer materiellen Schöpfung es euch unmöglich machen, ihn zu sehen. Zwischen euch und Gott muss eine gewaltige Entfernung (physischer Raum) durchmessen werden. Ebenso gibt es ein großes geistiges Gefälle, das überbrückt werden muss; aber trotz allem, was euch physisch und geistig von der persönlichen Paradies-Gegenwart Gottes trennt, haltet inne und sinnt über die erhabene Tatsache nach, dass Gott in euch lebt. Auf seine eigene Weise hat er den Abgrund bereits überbrückt. Er hat etwas von sich selbst, seinen Geist, ausgesandt, um in euch zu wohnen und sich zusammen mit euch abzumühen, während ihr eure ewige Universumslaufbahn verfolgt. Ich finde es leicht und angenehm, jemanden zu verehren, der so groß ist und sich gleichzeitig so liebevoll und mit Hingabe um die Hebung seiner niederen Geschöpfe kümmert. Ich liebe ganz natürlich jemanden, der ein so mächtiger Schöpfer und Überwacher seiner Schöpfung ist, und dessen Güte trotzdem so vollkommen ist und der in seiner Gnade ununterbrochen so treu über uns wacht. Ich glaube, ich würde Gott ebenso sehr lieben, wenn er nicht so groß und mächtig wäre, solange er nur so gütig und barmherzig wäre. Wir alle lieben den Vater mehr um seines Wesens als um seiner staunenswerten Attribute willen. Wenn ich beobachte, wie tapfer die Schöpfersöhne und die ihnen unterstellten Verwalter sich durch die mannigfaltigen Schwierigkeiten der Zeit hindurchkämpfen, die in der Natur der Entwicklung der Universen des Raums liegen, entdecke ich in mir eine große und tiefe Zuneigung zu diesen kleineren Herrschern der Universen. Im Grunde denke ich, dass wir alle - die Sterblichen der Welten inbegriffen - den Universalen Vater und alle anderen, ob göttlichen oder menschlichen Wesen, deshalb lieben, weil wir feststellen, dass diese Persönlichkeiten uns wahrhaftig lieben. Die Erfahrung zu lieben ist in hohem Maße eine direkte Antwort auf die Erfahrung, geliebt zu werden. Aus dem Wissen heraus, dass Gott mich liebt, sollte ich auch dann fortfahren, ihn über alles zu lieben, wenn er seiner sämtlichen Attribute der Suprematie, Ultimität und Absolutheit entkleidet wäre. Des Vaters Liebe folgt uns jetzt und während des ganzen endlosen Kreises der ewigen Zeitalter. Wenn ihr über das liebende Wesen Gottes nachsinnt, gibt es darauf nur eine einzige vernünftige und natürliche Reaktion der Persönlichkeit: Ihr werdet euren Schöpfer immer mehr lieben; ihr werdet Gott eine Liebe entgegenbringen, die derjenigen eines Kindes zu seinen irdischen Eltern vergleichbar ist; denn gerade so, wie ein Vater, ein wirklicher Vater, ein wahrhaftiger Vater seine Kinder liebt, liebt auch der Universale Vater seine erschaffenen Söhne und Töchter und sucht beständig ihr Wohlergehen. Aber die Liebe Gottes ist eine intelligente und weit blickende väterliche Zuneigung. Die göttliche Liebe funktioniert im Einklang mit göttlicher Weisheit und allen anderen unendlichen Wesenszügen der vollkommenen Natur des Universalen Vaters. Gott ist Liebe, aber Liebe ist nicht Gott. Die größte Kundgebung göttlicher Liebe für sterbliche Wesen ist in der Vergabe der Gedankenjustierer zu beobachten, aber die größte Offenbarung der Liebe des Vaters könnt ihr im Leben des sich selbst hingebenden Sohnes Michael sehen, in der Art, wie er auf Erden das ideale geistige Leben gelebt hat. Der innewohnende Justierer ist es, der Gottes Liebe für jede menschliche Seele individualisiert. Zeitweilig tut es mir geradezu weh, gezwungenermaßen das menschliche Wortsymbol Liebe verwenden zu müssen, um die göttliche Zuneigung des himmlischen Vaters zu seinen Universumskindern zum Ausdruck zu bringen. Obwohl dieser Begriff die höchste menschliche Vorstellung von sterblichen Beziehungen enthält, die auf Respekt und Hingabe beruhen, steht er auch häufig für manches ganz und gar Niedrige in menschlichen Beziehungen, wofür es völlig unpassend wäre, ein Wort zu gebrauchen, das ebenfalls die unvergleichliche Zuwendung des lebendigen Gottes zu seinen Universumsgeschöpfen ausdrückt! Wie bedauerlich, dass mir nicht irgendein himmlischer und ausschließlicher Begriff zur Verfügung steht, der dem menschlichen Verstand die wahre Natur und ausnehmend schöne Bedeutung der göttlichen Zuneigung des Paradies-Vaters nahe bringen könnte. Wenn der Mensch die Liebe eines persönlichen Gottes aus den Augen verliert, wird aus dem Königreich Gottes lediglich das Reich des Guten. Trotz der unendlichen Einheit der göttlichen Natur ist die Liebe das beherrschende Merkmal in allen persönlichen Beziehungen Gottes zu seinen Geschöpfen. ***** 2.6 Die Güte Gottes ***** Im materiellen Universum können wir die göttliche Schönheit schauen und in der intellektuellen Welt die ewige Wahrheit erkennen, aber Gottes Güte kann einzig in der geistigen Welt persönlicher religiöser Erfahrung gefunden werden. In ihrem wahren Wesen ist Religion gläubiges Vertrauen in die Güte Gottes. In der Philosophie könnte Gott groß und absolut und sogar auf irgendeine Weise intelligent und persönlich sein, aber in der Religion muss er auch sittlich sein; er muss gut sein. Der Mensch fürchtet wohl einen großen Gott, aber Vertrauen und Liebe bringt er nur einem guten Gott entgegen. Diese Güte Gottes ist ein Teil der Persönlichkeit Gottes, und voll offenbart sie sich nur in der persönlichen religiösen Erfahrung der gläubigen Söhne Gottes. Religion schließt mit ein, dass die höhere Welt geistiger Natur die grundlegenden Bedürfnisse der menschlichen Welt kennt und auf sie anspricht. Evolutionäre Religion kann ethisch werden, aber nur offenbarte Religion wird im wahren und geistigen Sinne sittlich. Die alte Vorstellung von Gott als einer von königlicher Sittlichkeit beherrschten Gottheit wurde von Jesus emporgehoben auf die liebevoll-rührende Stufe der in der Eltern-Kind-Beziehung vorhandenen innigen Familiensittlichkeit; denn eine zartere und schönere als diese gibt es in der sterblichen Erfahrung nicht. Die "so überaus reiche Güte Gottes führt den irrenden Menschen zur Reue". "Jede gute Gabe und jede vollkommene Gabe kommt herab vom Vater des Lichts." "Gott ist gut; er ist der ewige Zufluchtsort der Menschenseele." "Gott der Herr ist barmherzig und voller Gnade. Er ist langmütig und überreich an Güte und Wahrheit." "Koste und siehe, wie gut der Herr ist! Gesegnet ist der Mensch, der sein Vertrauen in ihn setzt." "Der Herr ist gnädig und voller Mitgefühl. Er ist der Gott des Heils." "Er heilt, die gebrochenen Herzens sind, und er verbindet die Wunden der Seele. Er ist der allmächtige Wohltäter des Menschen." Obwohl die Vorstellung von Gott als einem König und Richter einen hohen sittlichen Maßstab entwickelte und bewirkte, dass das Volk als Ganzes die Gesetze respektierte, beließ es doch den einzelnen Gläubigen in Bezug auf seine Stellung in Zeit und Ewigkeit in einer misslichen Lage der Unsicherheit. Die späteren hebräischen Propheten verkündeten, Gott sei der Vater Israels; Jesus offenbarte Gott als den Vater jedes menschlichen Wesens. Die gesamte menschliche Gottesvorstellung wird durch Jesu Leben auf transzendente Weise erleuchtet. Selbstlosigkeit liegt in der Natur der elterlichen Liebe. Gott liebt nicht wie ein Vater, sondern als ein Vater. Er ist der Paradies-Vater jeder Persönlichkeit des Universums. Rechtschaffenheit beinhaltet, dass Gott der Ursprung des sittlichen Gesetzes des Universums ist. Wahrheit zeigt Gott als einen Offenbarer, als einen Lehrer. Aber Liebe schenkt Zuwendung und sehnt sich nach ihr, sie sucht ein verstehendes herzliches Verhältnis, wie es zwischen Eltern und Kind besteht. Rechtschaffenheit mag der göttliche Gedanke sein, aber Liebe ist eines Vaters Haltung. Die irrtümliche Annahme, dass die Rechtschaffenheit Gottes unvereinbar sei mit der selbstlosen Liebe des himmlischen Vaters, setzte das Fehlen von Einheit in der Natur der Gottheit voraus und führte direkt zur Entwicklung der Sühneopfer-Lehre, welche einen philosophischen Angriff sowohl auf die Einheit Gottes als auch auf seinen freien Willen darstellt. Der liebevolle himmlische Vater, dessen Geist in seinen Erdenkindern wohnt, ist keine gespaltene Persönlichkeit - eine gerechte und eine erbarmende - und kein Vermittler ist nötig, um des Vaters Gunst oder Vergebung zu erlangen. Die göttliche Rechtschaffenheit wird nicht von einer starr vergeltenden Gerechtigkeit beherrscht; Gott als Vater geht weit über Gott als Richter hinaus. Gott ist nie zornig, rachsüchtig oder ungehalten. Es ist wahr, dass Weisheit oft seine Liebe zurückhält und dass Gerechtigkeit seine Barmherzigkeit bestimmt, wenn diese zurückgewiesen wird. Seine Liebe zur Rechtschaffenheit kann nicht anders, als ebensolchen Abscheu vor der Sünde zu zeigen. Der Vater ist keine inkonsequente Persönlichkeit; die göttliche Einheit ist vollkommen. In der Paradies-Trinität herrscht trotz der ewigen Identitäten der Gleichgeordneten Gottes absolute Einheit. Gott liebt den Sünder und hasst die Sünde: Eine solche Aussage ist im philosophischen Sinne wahr, aber Gott ist eine transzendente Persönlichkeit, und Personen können nur andere Personen lieben und hassen. Die Sünde ist keine Person. Gott liebt den Sünder, weil dieser eine (potentiell ewige) Persönlichkeitsrealität ist, während Gott der Sünde gegenüber keine persönliche Haltung einnimmt, da Sünde ja keine geistige Realität ist; sie ist nicht persönlich; deshalb nimmt einzig die Gerechtigkeit Gottes ihre Existenz zur Kenntnis. Die Liebe Gottes rettet den Sünder; das Gesetz Gottes zerstört die Sünde. Diese Haltung der göttlichen Natur würde sich scheinbar ändern, sollte sich der Sünder schließlich ganz und ebenso vollständig mit der Sünde identifizieren, wie derselbe sterbliche Verstand sich auch mit dem ihm innewohnenden geistigen Justierer völlig identifizieren kann. Ein solcher mit der Sünde identisch gewordener Sterblicher würde dann in seinem Wesen völlig ungeistig (und deshalb persönlich irreal) und müsste schließlich die Auslöschung seines Daseins erfahren. Irrealität, ja sogar Unvollständigkeit der Geschöpfesnatur, kann in einem immer realeren und geistigeren Universum auf die Dauer nicht existieren. In der Welt der Persönlichkeit lässt sich Gott als eine liebende Person entdecken; in der geistigen Welt ist er persönliche Liebe; in der religiösen Erfahrung ist er beides. Die Liebe kennzeichnet den wollenden Willen Gottes. Die Güte Gottes liegt dem göttlichen freien Willen zugrunde - der universalen Tendenz zu lieben, Barmherzigkeit zu zeigen, Geduld zu üben und zu vergeben. ***** 2.7 Göttliche Wahrheit und Schönheit ***** Alles endliche Wissen und Verstehen der Geschöpfe ist relativ. Informationen und Auskünfte, auch wenn hohen Quellen entnommen, sind nur relativ vollständig, an einem bestimmten Ort zutreffend und persönlich wahr. Materielle Tatsachen sind ziemlich einheitlich, aber Wahrheit ist in der Philosophie des Universums ein lebendiger und elastischer Faktor. In Entwicklung begriffene Persönlichkeiten sind in ihren Mitteilungen nur zum Teil weise und nur relativ wahr. Sie können nur soweit Gewissheit haben, wie ihre persönliche Erfahrung reicht. Was an einem Ort allem Anschein nach völlig wahr ist, ist unter Umständen in einem anderen Abschnitt der Schöpfung nur relativ wahr. Göttliche Wahrheit, endgültige Wahrheit ist einheitlich und universal, aber geistige Dinge, wie sie von zahlreichen, verschiedenen Himmelskörpern entstammenden Wesen beschrieben werden, können manchmal in Einzelheiten voneinander abweichen, was mit dieser Relativität zusammenhängt, einer Relativität in der Vollständigkeit des Wissens und in der Fülle persönlicher Erfahrung sowie in Dauer und Ausmaß dieser Erfahrung. Während die Gesetze und Verfügungen, die Gedanken und Haltungen des Ersten Großen Zentralen Ursprungs ewig, unendlich und universal wahr sind, geschieht gleichzeitig ihre Anwendung und Anpassung an jedes Universum und System, jede Welt und jedes erschaffene Vernunftwesen in Übereinstimmung mit den Plänen der Schöpfersöhne und mit den in ihren jeweiligen Universen funktionierenden Techniken sowie in Harmonie mit den lokalen Plänen und Vorgehensweisen des Unendlichen Geistes und aller anderen mitbeteiligten himmlischen Persönlichkeiten. Die falsche Wissenschaft des Materialismus würde die Sterblichen dazu verurteilen, im Universum zu Ausgestoßenen zu werden. Solches Teilwissen ist potentiell übel; es ist ein Wissen, das sowohl aus Gutem wie aus Schlechtem besteht. Die Wahrheit ist schön, weil sie sowohl vollständig als auch symmetrisch ist. Wenn ein Mensch nach Wahrheit strebt, ist er dem göttlich Realen auf der Spur. Die Philosophen begehen ihren folgenschwersten Fehler, wenn sie auf die Irrwege der Abstraktion geraten, wenn es ihnen zur Gewohnheit wird, ihre Aufmerksamkeit einem einzigen Aspekt der Realität zuzuwenden und dann von diesem isolierten Aspekt zu behaupten, er sei die ganze Wahrheit. Ein weiser Philosoph wird immer nach der schöpferischen Absicht Ausschau halten, die sich hinter allen Erscheinungen des Universums verbirgt und vor ihnen existierte. Der Gedanke des Schöpfers geht dem Schöpferakt stets voraus. Das intellektuelle Selbstbewusstsein kann die Schönheit der Wahrheit, ihre geistige Qualität nicht nur durch die philosophische Folgerichtigkeit seiner Konzepte entdecken, sondern sicherer und gewisser durch die unfehlbare Antwort des allzeit gegenwärtigen Geistes der Wahrheit. Glückseligkeit geht aus der Erkenntnis der Wahrheit hervor, weil diese in die Tat umgesetzt werden kann; sie kann gelebt werden. Enttäuschung und Leid stellen sich nach einem Irrtum ein, weil dieser, da keine Realität darstellend, in der Erfahrung nicht verwirklicht werden kann. Man erkennt die göttliche Wahrheit am besten an ihrem geistigen Beigeschmack. Das ewige Streben zielt auf Einigung, auf göttlichen Zusammenhang. Das unermessliche physische Universum hat seinen Zusammenhalt in der Paradies-Insel; das intellektuelle Universum hat seinen Zusammenhalt im Gott des Verstandes, dem Mit-Vollzieher; das geistige Universum wird von der Persönlichkeit des Ewigen Sohnes zusammengehalten. Aber der isolierte Sterbliche von Zeit und Raum findet seinen inneren Zusammenhalt in Gott dem Vater durch die direkte Beziehung zwischen dem innewohnenden Gedankenjustierer und dem Universalen Vater. Der Justierer des Menschen ist ein Fragment Gottes und strebt ewig nach göttlicher Einigung; er stimmt mit der Paradies-Gottheit des Ersten Zentralen Ursprungs überein und hat seinen Zusammenhalt in ihr. Das Gewahrwerden supremer Schönheit ist die Entdeckung und Integration der Realität. Das Gewahrwerden der göttlichen Güte in der ewigen Wahrheit ist ultime Schönheit. Sogar die Anmut menschlicher Kunst beruht auf der Harmonie ihrer Einheit. Der große Fehler der hebräischen Religion war ihr Unvermögen, die Güte Gottes mit den Tatsachen-Wahrheiten der Wissenschaft und mit der ansprechenden Schönheit der Kunst in Verbindung zu bringen. Während die Zivilisation Fortschritte machte, die Religion hingegen auf ihrem einmal eingeschlagenen, unklugen Pfad fortfuhr, die Güte Gottes unter relativer Ausklammerung der Wahrheit und unter Vernachlässigung der Schönheit überzubetonen, entwickelten bestimmte Menschentypen eine zunehmende Tendenz, sich von dieser abstrakten und losgetrennten Vorstellung von isolierter Güte abzuwenden. Die moderne Religion, deren überbeanspruchte und isolierte Sittlichkeit es nicht mehr versteht, sich die Ergebenheit und Treue vieler Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts zu erhalten, würde sich rehabilitieren, wenn sie den Wahrheiten der Wissenschaft, Philosophie und geistigen Erfahrung sowie den Schönheiten der materiellen Schöpfung, der Anmut intellektueller Kunst und der Größe echter charakterlicher Vollendung dieselbe Beachtung schenken würde wie ihrem sittlichen Auftrag. Die religiöse Herausforderung dieses Zeitalters geht an jene weit blickenden und vorausschauenden Männer und Frauen mit geistiger Erkenntnis, die es wagen werden, gestützt auf die erweiterten und vorzüglich integrierten modernen Vorstellungen von kosmischer Wahrheit, universaler Schönheit und göttlicher Güte eine neue und ansprechende Lebensphilosophie zu gestalten. Solch eine neuartige und rechtschaffene Vision von Sittlichkeit wird ihre Anziehungskraft auf alles Gute im menschlichen Verstand ausüben und das Beste in der menschlichen Seele herausfordern. Wahrheit, Schönheit und Güte sind göttliche Realitäten, und während der Mensch die Stufen geistigen Lebens hinaufsteigt, koordinieren und einigen sich diese höchsten Eigenschaften des Ewigen immer mehr in Gott, der Liebe ist. Alle Wahrheit - ob materiell, philosophisch oder geistig - ist zugleich schön und gut. Alle wirkliche Schönheit - materielle Kunst oder geistige Symmetrie - ist zugleich wahr und gut. Alle echte Güte - ob persönliche Sittlichkeit, soziale Gerechtigkeit oder göttliche Zuwendung - ist gleichermaßen wahr und schön. Körperliche und geistige Gesundheit und inneres Glück sind ineinander integrierte Wahrheit, Schönheit und Güte, wie sie in menschlicher Erfahrung miteinander verschmolzen sind. Solche Ebenen wirkungsvollen Lebens werden durch die Einigung von Energiesystemen, Ideensystemen und Geistessystemen erreicht. Wahrheit ist kohärent, Schönheit ist anziehend und Güte wirkt stabilisierend. Und wenn diese Werte dessen, was real ist, in der persönlichen Erfahrung koordiniert werden, ist das Ergebnis eine hohe Art von Liebe, die von Weisheit geprägt ist und auf Treue beruht. Es ist der eigentliche Zweck aller Erziehung im Universum, auf eine bessere Koordinierung der isolierten Kinder der Welten mit den immer größeren Realitäten ihrer expandierenden Erfahrung hinzuwirken. Die Realität ist endlich auf der menschlichen Ebene, unendlich und ewig auf den höheren und göttlichen Ebenen. [Dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber, der im Auftrag der Ältesten der Tage von Uversa handelt.] ****** Kapitel 3 Die Attribute Gottes ****** GOTT ist überall gegenwärtig; der Universale Vater beherrscht den Kreis der Ewigkeit. Aber in den Lokaluniversen übt er seine Herrschaft durch die Personen seiner Paradies-Schöpfersöhne aus, so wie er auch das Leben durch diese Söhne schenkt. "Gott hat uns ewiges Leben gegeben, und dieses Leben ist in seinen Söhnen." Die Schöpfersöhne Gottes sind persönlicher Ausdruck seiner selbst in den Domänen der Zeit und für die Kinder der wirbelnden Planeten in den sich entwickelnden Universen des Raums. Die in hohem Maße persönlichen Söhne Gottes können von den niedrigeren Ordnungen geschaffener Intelligenzen klar erkannt werden und sind damit eine Kompensation für die Unsichtbarkeit des unendlichen und deshalb schwieriger zu erkennenden Vaters. Die Paradies-Schöpfersöhne des Universalen Vaters sind eine Offenbarung eines andernfalls unsichtbaren Wesens, unsichtbar wegen der Absolutheit und Unendlichkeit, die dem Kreis der Ewigkeit und den Persönlichkeiten der Paradies-Gottheiten inhärent sind. Das Schöpfertum ist schwerlich ein Attribut Gottes; es ist eher die Gesamtsumme seiner handelnden Natur. Und diese universale Schöpferfunktion manifestiert sich ewig in Abhängigkeit und unter der Kontrolle aller koordinierten Attribute der unendlichen und göttlichen Realität des Ersten Zentralen Ursprungs. Wir bezweifeln ernsthaft, dass man irgendeinen Wesenszug der göttlichen Natur als den übrigen vorausgehend betrachten kann, aber wenn das der Fall wäre, käme das Schöpfertum der Gottheit vor allen anderen Naturen, Aktivitäten und Attributen an erster Stelle. Und das Schöpfertum der Gottheit gipfelt in der universalen Wahrheit der Vaterschaft Gottes. ***** 3.1 Gottes Allgegenwart ***** Die Fähigkeit des Universalen Vaters, überall und zu gleicher Zeit anwesend zu sein, macht seine Allgegenwart aus. Nur Gott kann zur selben Zeit an zwei Orten, an zahllosen Orten sein. Gott ist zugleich "oben im Himmel und hienieden auf Erden" gegenwärtig; und wie der Psalmist ausrief: "Wohin soll ich mich von deinem Geist wenden? oder wohin soll ich aus deiner Gegenwart fliehn?" "`Ich bin ein Gott, der ganz nahe, aber auch sehr weit weg ist', spricht der Herr. `Erfülle ich nicht Himmel und Erde?' " Der Universale Vater ist allezeit in allen Teilen und in allen Herzen seiner unermesslichen Schöpfung zugegen. Er ist "die Fülle dessen, der alles in allem durchdringt" und "der alles in allem bewirkt", und weiter ist die Vorstellung von seiner Persönlichkeit von der Art, "dass der Himmel (das Universum) und der Himmel der Himmel (das Universum der Universen) ihn nicht fassen können". Es ist buchstäblich wahr, dass Gott alles und in allem ist. Aber selbst das ist nicht der ganze Gott. Der Unendliche kann sich endgültig nur in der Unendlichkeit offenbaren; die Ursache kann durch eine Untersuchung der Wirkungen nie ganz verstanden werden; der lebendige Gott ist unermesslich viel größer als die Gesamtheit der Schöpfung, welche die schöpferische Betätigung seines schrankenlosen freien Willens ins Dasein gerufen hat. Gott ist im ganzen Kosmos offenbart, aber der Kosmos kann niemals die gesamte Unendlichkeit Gottes enthalten oder umfangen. Des Vaters Gegenwart durchstreift unaufhörlich das Alluniversum. "Er kommt vom Ende des Himmels her, und sein Lauf geht wieder an dessen Ende; und nichts ist vor seinem Licht verborgen." Das Geschöpf existiert nicht nur in Gott, sondern Gott lebt auch im Geschöpf. "Wir wissen, dass wir in ihm wohnen, weil er in uns lebt; er hat uns seinen Geist gegeben. Diese Gabe des Paradies-Vaters ist der unzertrennliche Gefährte des Menschen." "Er ist der allgegenwärtige und alles durchdringende Gott." "Der Geist des ewigen Vaters verbirgt sich im Verstand jedes sterblichen Kindes." "Der Mensch macht sich auf die Suche nach einem Freund, obgleich gerade dieser Freund in seinem eigenen Herzen lebt." "Der wahre Gott ist nicht weit weg; er ist ein Teil von uns; sein Geist spricht aus unserem Inneren heraus." "Der Vater lebt in seinem Kind. Gott ist immer bei uns. Er ist der lenkende Geist der ewigen Bestimmung." Zu Recht ist von der menschlichen Rasse gesagt worden: "Ihr seid Gottes", denn "wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott in ihm". Selbst wenn ihr sündigt, quält ihr das Gottesgeschenk in eurem Inneren, da der Gedankenjustierer notwendigerweise mit dem ihn gefangen haltenden menschlichen Verstand die Folgen von dessen übler Denkweise erleiden muss. Die Allgegenwart Gottes ist in Wirklichkeit ein Teil seiner unendlichen Natur; der Raum stellt für die Gottheit kein Hindernis dar. In Vollkommenheit und ohne Einschränkung ist Gottes Gegenwart nur im Paradies und im Zentraluniversum wahrnehmbar. In den Havona umkreisenden Schöpfungen kann man seine Gegenwart in dieser Weise nicht wahrnehmen, weil Gott mit Rücksicht auf die Souveränität und die göttlichen Vorrechte der ihm beigeordneten Schöpfer und Herrscher der Universen von Zeit und Raum seine direkte und eigentliche Gegenwart beschränkt hat. Deshalb muss das Konzept der göttlichen Gegenwart einen breiten Fächer von Manifestationsweisen und -kanälen zulassen, der die Kreise der Gegenwart des Ewigen Sohnes, des Unendlichen Geistes und der Paradies-Insel einschließt. Es ist auch nicht immer möglich, zwischen der Gegenwart des Universalen Vaters und den Aktivitäten seiner ewigen Gleichgeordneten und Organe zu unterscheiden, da diese all den unendlichen Erfordernissen seines unwandelbaren Planes auf vollkommene Weise nachkommen. Aber anders verhält es sich mit dem Persönlichkeitskreis und den Justierern; hier handelt Gott allein, direkt und ausschließlich. Der Universale Überwacher ist in den Gravitationskreisen der Paradies-Insel zu allen Zeiten und in demselben Grad in allen Teilen des Universums potentiell gegenwärtig in Übereinstimmung mit der Masse und in Beantwortung der physischen Bedürfnisse nach dieser Gegenwart und wegen der inhärenten Natur der ganzen Schöpfung, die will, dass alle Dinge ihm angehören und in ihm bestehen. In derselben Weise ist der Erste Zentrale Ursprung potentiell gegenwärtig im Eigenschaftslosen Absoluten, dem Schoß der unerschaffenen Universen der ewigen Zukunft. So durchdringt Gott potentiell die physischen Universen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er ist der Urgrund des Zusammenhalts der so genannten materiellen Schöpfung. Dieses nichtgeistige Gottheitspotential verwirklicht sich da und dort auf der gesamten Ebene materieller Existenz durch die unerklärliche Einschaltung einer seiner ausschließlichen Wirkkräfte auf dem Schauplatz der universalen Handlung. Die mentale Gegenwart Gottes hängt mit dem absoluten Verstand des Mit-Vollziehers, des Unendlichen Geistes, zusammen, aber in den endlichen Schöpfungen erkennt man sie besser im überall funktionierenden kosmischen Verstand der Paradies-Hauptgeiste. Gerade so, wie der Erste Zentrale Ursprung im Verstandeskreis des Mit-Vollziehers potentiell gegenwärtig ist, ist Gott in den Spannungen des Universalen Absoluten potentiell gegenwärtig. Aber Verstand menschlicher Art ist eine Gabe der Töchter des Mit-Vollziehers, der Göttlichen Ministerinnen der sich entwickelnden Universen. Der überall gegenwärtige Geist des Universalen Vaters ist koordiniert mit der Funktion der universalen Geist-Gegenwart des Ewigen Sohnes und mit dem immerwährenden göttlichen Potential des Gottheit-Absoluten. Aber weder die geistige Aktivität des Ewigen Sohnes und seiner Paradies-Söhne noch die Verstandesgaben des Unendlichen Geistes scheinen das direkte Handeln der in den Herzen seiner Geschöpfeskinder wohnenden Gedankenjustierer, der Fragmente Gottes, auszuschließen. Was Gottes Anwesenheit auf einem Planeten, einem System, einer Konstellation oder einem Universum betrifft, so ist der Grad dieser Gegenwart in einer gegebenen Schöpfungseinheit ein Maß für den Grad der sich entwickelnden Gegenwart des Supremen Wesens: Er wird bestimmt durch die massenweise Anerkennung Gottes und die ihm gehaltene Treue seitens der riesigen Universumsorganisation bis hinunter zu den Systemen und selbst den Planeten. Deshalb geschieht es manchmal in der Hoffnung, solche Phasen von Gottes kostbarer Gegenwart zu erhalten und zu sichern, dass über einige Planeten (oder sogar Systeme), die in tiefes geistiges Dunkel abgesunken sind, gewissermaßen eine Quarantäne verhängt wird, so dass sie teilweise vom Verkehr mit den größeren Einheiten der Schöpfung abgeschnitten werden. Solche Maßnahmen, wie sie auch Urantia treffen, sind eine geistige Verteidigungsreaktion der Mehrzahl der Welten, um es sich im Rahmen des Möglichen zu ersparen, die isolierenden Folgen der separatistischen Handlungen einer halsstarrigen, gottlosen und rebellischen Minderheit erdulden zu müssen. Obgleich der Vater über seinen elterlichen Kreislauf mit all seinen Söhnen - allen Persönlichkeiten - verbunden ist, ist sein Einfluss auf sie durch die Ferne ihres Ursprungs von der Zweiten und Dritten Person der Gottheit begrenzt und erhöht sich in dem Maße, wie sie in Erfüllung ihrer Bestimmung solchen Ebenen näher rücken. Die Tatsache der Gegenwart Gottes im Verstand der Geschöpfe hängt davon ab, ob ihnen Vaterfragmente wie die Unergründlichen Mentoren innewohnen oder nicht, aber seine wirksame Gegenwart hängt vom Grad der Zusammenarbeit ab, den diese Intelligenzen den sie bewohnenden Justierern gewähren. Diese Fluktuationen der Gegenwart des Vaters sind nicht der Wechselhaftigkeit Gottes zuzuschreiben. Gott zieht sich nicht in die Abgeschiedenheit zurück, weil er gekränkt worden wäre; seine Zuneigung wendet sich nicht ab, wenn ein Geschöpf sündigt. Vielmehr sind es seine mit der Macht der Wahl (hinsichtlich Seiner) ausgestatteten Kinder, die in Ausübung dieser Wahl unmittelbar das Ausmaß und die Begrenzungen des göttlichen väterlichen Einflusses in ihren Herzen und Seelen bestimmen. Der Vater hat sich uns freiwillig, grenzenlos und ohne Bevorzugung geschenkt. Er kennt kein Ansehen der Person, des Planeten, Systems oder Universums. In den Domänen der Zeit erweist er einzig den Paradies-Persönlichkeiten des Siebenfachen Gottes, den beigeordneten Schöpfern der endlichen Universen, besondere Ehren. ***** 3.2 Gottes unendliche Macht ***** Alle Universen wissen, dass "Gott, der allmächtige Herr, herrscht". Die Angelegenheiten dieser Welt und anderer Welten werden göttlich überwacht. "Er handelt nach seinem Willen mit den himmlischen Heerscharen und den Bewohnern der Erde." Es ist ewig wahr, dass "es keine Macht gibt außer derjenigen Gottes". Innerhalb der Grenzen dessen, was sich mit der göttlichen Natur vereinbaren lässt, ist es buchstäblich wahr, dass "mit Gott alle Dinge möglich sind". Die sich lange dahinziehenden evolutionären Prozesse von Völkern, Planeten und Universen unterliegen der vollkommenen Kontrolle der Schöpfer und Verwalter der Universen und entfalten sich gemäß dem ewigen Vorhaben des Universalen Vaters. Sie gehen in Harmonie und Ordnung vonstatten und halten mit dem allweisen Plan Gottes Schritt. Es gibt nur einen einzigen Gesetzgeber. Er bewahrt die Welten im Raum und lässt die Universen auf dem endlosen Kreis ihrer ewigen Bahn dahinziehen. Von allen göttlichen Attributen wird seine Allmacht am besten verstanden, besonders in der Art, wie sie in den materiellen Universen in Erscheinung tritt. Als nichtgeistiges Phänomen betrachtet, ist Gott Energie. Diese Feststellung einer materiellen Tatsache stützt sich auf die unverständliche Wahrheit, dass der Erste Zentrale Ursprung die uranfängliche Ursache der universellen materiellen Phänomene des Weltraums ist. Von dieser göttlichen Aktivität gehen alle materielle Energie und anderen materiellen Manifestationen aus. Licht, d.h. Licht ohne Hitze, ist eine andere von den nichtgeistigen Manifestationen der Gottheiten. Und es gibt noch eine andere Form von nichtgeistiger Energie, die auf Urantia so gut wie unbekannt ist; sie ist bis jetzt nicht erkannt worden. Gott hat die Kontrolle über alle Macht; er hat "einen Weg für den Blitz" geschaffen; er hat alle Energiekreise angeordnet. Er hat Zeit und Manifestationsweise aller Formen der Energie-Materie festgelegt. Und all diese Dinge hält er in seinem ewigen Griff - unter der Gravitationskontrolle, deren Zentrum im Unteren Paradies liegt. So ziehen Licht und Energie des ewigen Gottes ewig auf seiner erhabenen Kreisbahn dahin, der endlosen, aber geordneten Prozession der gestirnten Heere, die das Universum der Universen bilden. Alle Schöpfung umkreist ewig das Paradies-Persönlichkeitszentrum aller Dinge und Wesen. Die Allmacht des Vaters bezieht sich auf seine Allherrschaft über die absolute Ebene, auf welcher in unmittelbarer Nähe von ihm, dem Urquell aller Dinge, die drei Energien, die materielle, verstandesmäßige und geistige, nicht voneinander zu unterscheiden sind. Da der Verstand der Geschöpfe weder Monota des Paradieses noch Geist des Paradieses ist, kann er auf den Universalen Vater nicht unmittelbar ansprechen. Gott passt sich dem unvollkommenen Verstand an - bei den Sterblichen Urantias durch die Gedankenjustierer. Der Universale Vater ist keine vorübergehende Kraft, keine veränderliche Macht oder fluktuierende Energie. Macht und Weisheit des Vaters sind allen und jeden Anforderungen des Universums vollkommen gewachsen. Wenn im Menschenleben Notlagen eintreten, hat er sie alle vorausgesehen, und deshalb reagiert er auf die Universumsangelegenheiten nicht distanziert, sondern in Übereinstimmung mit den Geboten ewiger Weisheit und im Einklang mit dem, was unendliches Urteilsvermögen vorschreibt. Obwohl es oft danach aussieht, wirkt Gottes Macht im Universum nicht wie eine blinde Kraft. Es treten Situationen ein, bei denen es scheinen will, als seien Notentscheide getroffen, Naturgesetze außer Kraft gesetzt, Fehlanpassungen eingestanden worden und als würden Anstrengungen unternommen, um die Situation zu berichtigen; aber das ist nicht der Fall. Solche Gottesvorstellungen haben ihren Ursprung in der Beschränkung eures Blickfeldes, in der Endlichkeit eures Verständnisses und eurer begrenzten Gesamtschau; eine solche Fehleinschätzung Gottes kommt von eurer tiefen Unwissenheit über die Existenz höherer Weltgesetze, über die Größe des Charakters des Vaters, die Unendlichkeit seiner Attribute und die Tatsache seines freien Willens. Die vom Geiste Gottes bewohnten planetarischen Geschöpfe, da und dort über alle Universen des Raums verstreut lebend, sind an Zahl und Ordnungen so nahezu unendlich, ihr Intellekt so verschieden, ihr Verstand so begrenzt und manchmal so grob, ihre Sicht so eingeschränkt und ortsgebunden, dass es fast unmöglich ist, allgemeingültige Lehrsätze über des Vaters unendliche Attribute aufzustellen, die diese angemessen ausdrücken würden und zugleich für jene erschaffenen Intelligenzen bis zu einem gewissen Grade verständlich wären. Deshalb erscheinen euch Geschöpfen viele Handlungen des allmächtigen Schöpfers willkürlich, distanziert und nicht selten herzlos und grausam. Aber wiederum versichere ich euch, dass dem nicht so ist. Alles Tun Gottes ist absichtsvoll, intelligent, weise und freundlich und achtet ewig auf das höchste Wohl aller, vielleicht nicht immer eines individuellen Wesens, einer individuellen Rasse, eines individuellen Planeten oder sogar eines individuellen Universums; aber es hat das Wohlergehen und das höchste Wohl aller Betroffenen im Auge, vom niedrigsten bis zum höchsten. In den Epochen der Zeit mag es manchmal scheinen, als sei das Wohlergehen eines Teils verschieden vom Wohlergehen des Ganzen; im Kreise der Ewigkeit existieren solche scheinbaren Unterschiede nicht. Wir sind alle ein Teil der Familie Gottes und unterliegen deshalb manchmal der Familiendisziplin. Viele Handlungen Gottes, die uns so stören und verwirren, sind das Ergebnis der Entscheidungen und endgültigen Verfügungen der Allweisheit, die den Mit-Vollzieher dazu ermächtigen, das von dem unfehlbaren Willen des unendlichen Verstandes Beschlossene auszuführen, die Entscheidungen der vollkommenen Persönlichkeit durchzusetzen, deren Überblick, Vision und Sorge das höchste und ewige Wohlergehen ihrer gewaltigen und unermesslichen Schöpfung umfassen. Eure isolierte, bruchstückhafte, endliche, grobe und in hohem Maße materialistische Sichtweise und die in der Natur eures Daseins liegenden Begrenzungen bilden ein derartiges Hindernis, dass ihr unfähig seid, die Weisheit und Freundlichkeit vieler göttlicher Handlungen zu sehen, zu begreifen oder zu erkennen, die euch von so erdrückender Grausamkeit zu sein scheinen und vermeintlich gekennzeichnet sind von einer so totalen Gleichgültigkeit gegenüber dem Behagen und Wohlergehen eurer Mitgeschöpfe, ihrer planetarischen Zufriedenheit und persönlichen Prosperität. Es liegt an der Begrenzung der menschlichen Sicht, an eurem beschränkten Verstehen und endlichen Begreifen, wenn ihr die Beweggründe Gottes falsch versteht und seine Absichten missdeutet. Aber auf den evolutionären Welten ereignen sich auch manche Dinge, die keine persönlichen Handlungen des Universalen Vaters sind. Die göttliche Allmacht ist mit den anderen Attributen der Persönlichkeit Gottes vollkommen koordiniert. Die Macht Gottes ist gewöhnlich in ihren universalen geistigen Manifestationen nur durch drei Bedingungen oder Situationen begrenzt: 1. Durch die Natur Gottes, insbesondere durch seine unendliche Liebe, durch Wahrheit, Schönheit und Güte. 2. Durch den Willen Gottes, durch sein barmherziges Walten und seine väterliche Beziehung zu den Persönlichkeiten des Universums. 3. Durch das Gesetz Gottes, durch die Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit der ewigen Paradies-Trinität. Gott ist unbegrenzt in seiner Macht, göttlich in seiner Natur, endgültig in seinem Willen, unendlich in seinen Attributen, ewig in seiner Weisheit und absolut in seiner Realität. Aber alle diese Eigenschaften des Universalen Vaters sind in der Gottheit geeint und drücken sich universal in der Paradies-Trinität und in den göttlichen Söhnen der Trinität aus. Im übrigen ist alles, was Gott betrifft, außerhalb des Paradieses und des Zentraluniversums von Havona durch die evolutionäre Gegenwart des Supremen begrenzt, durch die eventuierende Gegenwart des Ultimen bedingt und durch die drei existentiellen Absoluten koordiniert - das Gottheit-Absolute, das Universale Absolute und das Eigenschaftslose Absolute. Und Gottes Gegenwart ist in dieser Weise begrenzt, weil es Gottes Wille ist. ***** 3.3 Gottes universales Wissen ***** "Gott weiß alle Dinge." Der göttliche Verstand ist sich der Gedanken der gesamten Schöpfung bewusst und mit ihnen vertraut. Seine Kenntnis der Ereignisse ist universal und vollkommen. Die göttlichen Wesenheiten, die von ihm ausgehen, sind ein Teil von ihm; er, der "die Wolken wägt", ist auch "vollkommen an Wissen". "Die Augen des Herrn sind an jedem Ort." Euer großer Lehrer hat von dem geringen Sperling gesagt: "Es wird nicht einer von ihnen zu Boden fallen, ohne dass mein Vater es weiß", und auch: "Sogar die Haare auf eurem Kopfe sind gezählt." "Er kennt die Zahl der Sterne; er nennt sie alle bei ihren Namen." Der Universale Vater ist die einzige Persönlichkeit im ganzen Universum, die tatsächlich die Zahl der Sterne und Planeten des Raums kennt. Alle Welten jedes Universums sind ständig im Bewusstsein Gottes. Er sagt auch: "Ich habe die Betrübnis meines Volkes gewiss gesehen, ich habe sein Schreien gehört und ich weiß um sein Leid." Denn "der Herr schaut vom Himmel herab; er sieht alle Söhne der Menschen; von seiner Wohnstätte schaut er auf alle Bewohner der Erde herab." Jedes Geschöpfeskind kann wahrhaftig sagen: "Er kennt den Weg, den ich nehme, und wenn er mich geprüft hat, werde ich wie Gold herauskommen." "Gott weiß, wenn wir uns setzen und erheben; er kennt unsere Gedanken aus der Ferne und ist mit all unseren Wegen vertraut." "Alle Dinge liegen nackt und offen vor seinen Augen, vor ihm, mit dem wir es zu tun haben." "Er kennt eure Beschaffenheit; er erinnert sich daran, dass ihr Staub seid" - das zu verstehen sollte für jedes menschliche Wesen ein wirklicher Trost sein. Als er vom lebendigen Gott sprach, sagte Jesus: "Euer Vater weiß, was euch nottut, noch bevor ihr ihn darum bittet." Gott besitzt die unbegrenzte Macht, alle Dinge zu wissen; sein Bewusstsein ist universal. Sein persönlicher Kreis schließt alle Persönlichkeiten ein, und seine Kenntnis auch der niederen Geschöpfe wird indirekt durch die absteigende Reihe göttlicher Söhne und direkt durch die innewohnenden Gedankenjustierer ergänzt. Und außerdem ist der Unendliche Geist jederzeit und überall gegenwärtig. Wir sind nicht ganz sicher, ob Gott es wählt, sündhafte Ereignisse vorauszuwissen, oder nicht. Aber selbst wenn Gott die freien Willensakte seiner Kinder im Voraus kennen sollte, so hebt ein derartiges Vorwissen nicht im Geringsten deren Freiheit auf. Eines ist gewiss: Gott lässt sich nie überraschen. Allmacht schließt nicht die Macht ein, das Unmachbare zu tun, einen ungöttlichen Akt zu begehen. Ebenso wenig schließt Allwissenheit die Kenntnis von etwas ein, das nicht gekannt werden kann. Aber solche Aussagen können dem endlichen Verstand kaum begreiflich gemacht werden. Das Geschöpf kann Spielraum und Grenzen des Willens des Schöpfers kaum begreifen. ***** 3.4 Gottes Grenzenlosigkeit ***** Das Verströmen seiner selbst an seine fortlaufend erschaffenen Universen schmälert in keiner Weise das Machtpotential und den Weisheitsvorrat, die weiterhin in der zentralen Persönlichkeit der Gottheit wohnen und ruhen. Hinsichtlich seines Potentials an Kraft, Weisheit und Liebe hat der Vater seinen Besitz nie im Geringsten vermindert noch irgendein Attribut seiner glorreichen Persönlichkeit aufgegeben als Folge der uneingeschränkten Austeilung seiner selbst an die Paradies-Söhne, an seine untergeordneten Schöpfungen und an deren mannigfaltige Geschöpfe. Die Schöpfung jedes neuen Universums ruft nach einer neuen Anpassung der Gravitation; aber selbst wenn die Schöpfung unbegrenzt, ewig und sogar bis in alle Unendlichkeit weitergehen sollte, so dass die materielle Schöpfung schließlich ohne Grenzen existierte, würde es sich dennoch erweisen, dass die in der Paradies-Insel ruhende Kontroll- und Koordinationsmacht der Beherrschung, Kontrolle und Koordination eines solch unendlichen Universums gewachsen wäre und ihr entspräche. Und nach einer solchen Vergabe unbeschränkter Kraft und Macht an ein grenzenloses Universum fände sich der Unendliche immer noch im selben Grade überreich mit Kraft und Energie ausgestattet, das Eigenschaftslose Absolute wäre um nichts gemindert und Gott besäße immer noch dasselbe unendliche Potential, gerade so, als ob nie Kraft, Energie und Macht ausgeschüttet worden wären, um damit Universum über Universum zu begaben. Und ebenso verhält es sich mit der Weisheit: Die Tatsache, dass der Verstand so freigebig an die Denkenden der Welten ausgeteilt wird, lässt den zentralen Urquell göttlicher Weisheit in keiner Weise verarmen. Wenn der Verstand angesichts der sich vervielfachenden Universen und der bis an die Grenzen des Vorstellbaren wachsenden Zahl der Weltenbewohner fortfährt, sich ohne Ende an diese Wesen hohen und niederen Rangs auszuteilen, wird dennoch Gottes zentrale Persönlichkeit weiterhin über denselben ewigen, unendlichen und allweisen Verstand verfügen. Die Tatsache, dass er aus sich geistige Boten aussendet, damit sie in den Männern und Frauen eurer Welt und anderer Welten Wohnung nehmen, vermindert keineswegs seine Fähigkeit, als eine göttliche und allmächtige Geist-Persönlichkeit zu funktionieren; und es gibt absolut keine Beschränkung weder für das Ausmaß, in welchem er solche Geist-Mentoren aussenden kann und mag, noch für ihre Anzahl. Diese Hingabe seiner selbst an seine Geschöpfe schafft für diese göttlich begabten Sterblichen eine unbeschränkte, fast unvorstellbare zukünftige Möglichkeit fortschreitender und aufeinander folgender Existenzen. Und die verschwenderische Austeilung seiner selbst als diese dienenden Geistwesen verringert in keiner Weise die Weisheit, vollkommene Wahrheit und Kenntnis, die in der Person des allweisen, allwissenden und allmächtigen Vaters ruhen. Die Sterblichen der Zeit haben eine Zukunft, aber Gott wohnt in der Ewigkeit. Obwohl ich aus der Nähe der Wohnstätte der Gottheit selber stamme, maße ich mir nicht an, über die Unendlichkeit vieler göttlicher Attribute aus vollkommenem Verstehen heraus zu sprechen. Einzig die Unendlichkeit des Verstandes kann die Unendlichkeit der Existenz und die Ewigkeit des Handelns völlig verstehen. Es ist für den sterblichen Menschen unmöglich, die Grenzenlosigkeit des himmlischen Vaters zu kennen. Ein endlicher Verstand kann solch eine absolute Wahrheit oder Tatsache nicht zu Ende denken. Aber dasselbe endliche menschliche Wesen kann die ganze ungeminderte Macht der LIEBE eines solch unendlichen Vaters tatsächlich fühlen - buchstäblich an sich erfahren. Eine solche Liebe kann wirklich erfahren werden. Auch wenn die Qualität einer solchen Erfahrung unbegrenzt ist, so wird ihre Quantität doch durch die menschliche Fähigkeit, Geistiges zu empfangen, und die damit verbundene Fähigkeit, des Vaters Liebe zu erwidern, begrenzt. Die endliche Würdigung unendlicher Eigenschaften geht weit über die durch Logik begrenzten Fähigkeiten des Geschöpfes hinaus infolge der Tatsache, dass der sterbliche Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist - dass in ihm ein Fragment der Unendlichkeit lebt. Deshalb geschieht die naheste und innigste Annäherung des Menschen an Gott in der Liebe und durch sie, denn Gott ist Liebe. Und alles in einer solch einzigartigen Beziehung ist eine tatsächliche Erfahrung in kosmischer Soziologie, in der Schöpfer-Geschöpf-Beziehung - der liebevollen Vater-Kind-Beziehung. ***** 3.5 Des Vaters Höchste Herrschaft ***** Im Kontakt mit seinen Nach-Havona-Schöpfungen übt der Universale Vater seine unendliche Macht und endgültige Autorität nicht direkt, sondern über seine Söhne und die ihnen unterstellten Persönlichkeiten aus. Und Gott tut all das aus eigenem freien Willen. Sämtliche übertragenen Vollmachten könnten direkt ausgeübt werden, wenn ein Anlass dazu bestünde und der göttliche Verstand sich dafür entscheiden sollte. Aber in der Regel wird eine solche Maßnahme nur ergriffen, wenn die beauftragte Persönlichkeit es versäumt hat, ihrer göttlichen Treuepflicht nachzukommen. Zu solchen Zeiten, angesichts einer derartigen Verfehlung und innerhalb der Grenzen, die göttliche Macht und göttliches Potential sich vorbehalten, handelt der Vater unabhängig und gemäß den Anordnungen seiner eigenen Wahl; und diese Wahl ist immer von unfehlbarer Vollkommenheit und unendlicher Weisheit. Der Vater regiert durch seine Söhne; von zuoberst bis zuunterst läuft durch die Universumsorganisation eine ununterbrochene Kette von Regierenden. Diese endet bei den Planetarischen Fürsten, die die Geschicke der evolutionären Planeten der unermesslichen Herrschaftsbereiche des Vaters leiten. Dieser Ausruf ist nicht nur poetisch: "Die Erde und ihre ganze Fülle sind des Herrn." Und: "Er setzt Könige ab und setzt Könige ein." "Die Allerhöchsten regieren in den Königreichen der Menschen." In den Angelegenheiten des menschlichen Herzens mag es nicht immer nach dem Universalen Vater gehen; aber in der Leitung und im Schicksal eines Planeten setzt sich der göttliche Plan durch. Die ewige Absicht der Weisheit und Liebe triumphiert. Jesus sagte: "Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles; und niemand ist imstande, sie der Hand meines Vaters zu entreißen." Wenn ihr die mannigfaltigen Werke Gottes flüchtig betrachtet und die schwindelerregende Immensität seiner nahezu grenzenlosen Schöpfung schaut, mag eure Vorstellung von seinem Primat vielleicht ins Wanken geraten, aber ihr solltet nie in Frage stellen, dass er mit Sicherheit und auf ewig im Paradies, in der Mitte aller Dinge residiert und der wohltätige Vater aller intelligenten Wesen ist. Es gibt nur "einen Gott und Vater aller, der über allen und in allen ist", "und er existiert vor allen Dingen, und in ihm bestehen alle Dinge". Die Ungewissheiten des Lebens und die Wechselfälle der Existenz stehen in keiner Weise im Widerspruch zu der Vorstellung von der universalen Souveränität Gottes. Alles Leben evolutionärer Geschöpfe wird von gewissen Unvermeidlichkeiten bedrängt. Überlegt euch Folgendes: 1. Ist Mut - Charakterstärke - wünschenswert? Dann muss der Mensch in einer Umgebung aufwachsen, die den Kampf mit der Not und die Reaktion auf Enttäuschungen notwendig macht. 2. Ist Altruismus - Dienst an seinen Mitmenschen - wünschenswert? Dann muss die Lebenserfahrung dafür sorgen, dass man Situationen sozialer Ungleichheit begegnet. 3. Ist Hoffnung - sublimes Vertrauen - wünschenswert? Dann muss die menschliche Existenz dauernd mit Unsicherheiten und wiederkehrenden Ungewissheiten konfrontiert werden. 4. Ist Glaube - die allerhöchste Bejahung menschlichen Denkens - wünschenswert? Dann muss sich der Verstand des Menschen in jener misslichen Lage befinden, in der er immer weniger weiß, als er glauben kann. 5. Ist Wahrheitsliebe und die Bereitschaft zu gehen, wohin auch immer sie führen mag, wünschenswert? Dann muss der Mensch in einer Welt aufwachsen, wo der Irrtum gegenwärtig und die Lüge immer möglich ist. 6. Ist Idealismus - die sich dem Göttlichen nähernde Vorstellung - wünschenswert? Dann muss der Mensch in einem Umfeld relativer Güte und Schönheit kämpfen, in einer Umgebung, die den unwiderstehlichen Drang nach besseren Dingen stimuliert. 7. Ist Treue - Hingabe an höchste Pflicht - wünschenswert? Dann muss der Mensch inmitten von Möglichkeiten des Verrats und der Desertion vorwärts gehen. Der Wert der Pflichttreue liegt in der in ihr mitenthaltenen Gefahr der Verfehlung. 8. Ist Selbstlosigkeit - der Geist der Selbstvergessenheit - wünschenswert? Dann muss der sterbliche Mensch mit einem unaufhörlich nach Anerkennung und Ehre schreienden, unvermeidlichen Selbst leben. Der Mensch könnte sich nicht auf dynamische Weise für das göttliche Leben entscheiden, wenn er kein selbstisches Leben aufzugeben hätte. Nie würde der Mensch rettenden Halt in der Rechtschaffenheit suchen, wenn es nichts potentiell Übles anzubeten gäbe, das, im Kontrast zum Guten stehend, von diesem zu unterscheiden wäre. 9. Ist Freude - Befriedigung im Glücklichsein - wünschenswert? Dann muss der Mensch in einer Welt leben, wo die Alternative von Schmerz und die Wahrscheinlichkeit von Leid stets gegenwärtige Erfahrungsmöglichkeiten sind. Im gesamten Universum wird jede Einheit als ein Teil des Ganzen betrachtet. Das Fortleben des Teils hängt von der Zusammenarbeit mit dem Plan und Ziel des Ganzen ab, vom Herzenswunsch und von der vollkommenen Bereitschaft, den göttlichen Willen des Vaters auszuführen. Die einzige evolutionäre Welt ohne Irrtum (ohne die Möglichkeit eines unweisen Urteils) wäre eine Welt ohne freie Intelligenz. Im Universum von Havona gibt es eine Milliarde vollkommener Welten mit ihren vollkommenen Einwohnern, aber der sich entwickelnde Mensch muss fehlgehen können, wenn er frei sein soll. Freie und unerfahrene Intelligenz kann unmöglich von Anfang an in allem gleich weise sein. Die Möglichkeit eines Fehlurteils (des Üblen) wird nur dann zur Sünde, wenn der menschliche Wille einer vorsätzlichen unmoralischen Entscheidung bewusst beipflichtet und sie sich wissentlich zu eigen macht. Die volle Würdigung von Wahrheit, Schönheit und Güte liegt in der Natur der Vollkommenheit des göttlichen Universums. Die Bewohner der Welten von Havona haben es nicht nötig, bei ihren Entscheidungen durch das Potential von relativen Wertebenen angeregt zu werden; derart vollkommene Wesen sind fähig, das Gute ohne die mit ihm kontrastierenden und das Denken herausfordernden sittlichen Situationen zu erkennen und zu wählen. Aber alle solch vollkommenen Wesen sind das, was sie ihrer sittlichen Natur und ihrem geistigen Rang nach sind, aufgrund der Tatsache ihrer Existenz. Sie haben sich ihr Vorwärtskommen erfahrungsmäßig lediglich innerhalb des ihnen angeborenen Status verdient. Der sterbliche Mensch verdient sich sogar den Rang eines Anwärters für den Aufstieg mit seinem Glauben und seiner Hoffnung. Alles Göttliche, das der menschliche Verstand erfasst und die menschliche Seele erwirbt, ist auf dem Erfahrungsweg erreicht worden; es ist eine Realität der persönlichen Erfahrung und deshalb ein einzigartiger Besitz im Unterschied zu der angeborenen Güte und Rechtschaffenheit der unfehlbaren Persönlichkeiten Havonas. Die Geschöpfe Havonas sind von Natur aus mutig, aber sie sind nicht in menschlichem Sinne tapfer. Sie sind natürlicherweise freundlich und rücksichtsvoll, aber kaum auf menschliche Art altruistisch. Sie erwarten eine angenehme Zukunft, aber sie hoffen nicht in der wunderbaren Art der vertrauensvollen Sterblichen der unsicheren evolutionären Planeten. Sie haben Vertrauen in die Stabilität des Universums, aber der rettende Glaube, dank dessen der Sterbliche vom Zustand eines Tieres bis zu den Pforten des Paradieses aufsteigt, ist ihnen völlig fremd. Sie lieben die Wahrheit, aber sie kennen ihre die Seele rettenden Eigenschaften nicht. Sie sind Idealisten, aber sie wurden als solche geboren; sie wissen nichts von dem Entzücken, durch belebende Entscheidung zu solchen zu werden. Sie sind treu, aber nie haben sie die freudige Erregung erfahren, angesichts der Einladung zu Pflichtvergessenheit von ganzem Herzen und intelligent ihrer Pflicht zu leben. Sie sind selbstlos, aber nie haben sie durch die großartige Bezwingung eines streitlustigen Selbst solche Erfahrungsebenen erreicht. Sie genießen Freude, aber sie können das wonnevolle Entrinnen aus möglichem Leid in die Freude nicht verstehen. ***** 3.6 Des Vaters Primat ***** Mit göttlicher Selbstlosigkeit und vollkommener Freigebigkeit tritt der Universale Vater Autorität ab und überträgt Macht, aber seine Stellung bleibt dennoch vorrangig; seine Hand liegt auf dem mächtigen Hebel der Umstände der universalen Reiche; er hat sich alle endgültigen Entscheidungen vorbehalten, und unfehlbar führt er das allmächtige Veto-Szepter seines ewigen Vorhabens mit unanfechtbarer Autorität über Wohl und Bestimmung der unermesslichen, wirbelnden und ewig kreisenden Schöpfung. Die Souveränität Gottes ist unbegrenzt; sie ist die der ganzen Schöpfung zugrunde liegende Tatsache. Das Universum war nicht unvermeidlich. Das Universum ist kein Zufall, noch existiert es aus sich selbst heraus. Das Universum ist ein Schöpfungswerk und deshalb dem Willen des Schöpfers vollkommen untertan. Der Wille Gottes ist göttliche Wahrheit, lebendige Liebe; deshalb sind die sich vervollkommnenden Schöpfungen der evolutionären Universen gekennzeichnet durch Güte - Göttlichkeitsnähe - und durch potentielles Übel - Göttlichkeitsferne. Jede religiöse Philosophie gelangt früher oder später zu der Vorstellung von einer geeinten Universumsregierung, einem einzigen Gott. Die Universumsursachen können nicht geringer sein als die Universumswirkungen. Die Quelle der Ströme des universellen Lebens und des kosmischen Verstandes muss sich oberhalb ihrer Erscheinungsebenen befinden. Der menschliche Verstand kann von den tieferstehenden Ordnungen der Existenz her nicht schlüssig erklärt werden. Des Menschen Verstand kann nur richtig begriffen werden, wenn man die Realität von höheren Kategorien des Denkens und zielgerichteten Wollens annimmt. Der Mensch als sittliches Wesen ist unerklärlich, es sei denn, man erkennt die Realität des Universalen Vaters an. Der mechanistische Philosoph bekennt sich zur Ablehnung der Idee eines universalen und souveränen Willens, eben desjenigen souveränen Willens, dessen Aktivität er im kunstvollen Arbeiten der Universumsgesetze so tief verehrt. Welch eine unbeabsichtigte Reverenz erweist der Mechanist dem Gesetzesschöpfer, wenn er sich vorstellt, dass solche Gesetze aus eigenem Antrieb wirken und sich selber erklären! Es ist ein grober Fehler, Gott zu vermenschlichen - außer in der Vorstellung vom innewohnenden Gedankenjustierer - aber es ist bei weitem nicht so stumpfsinnig, wie die Idee des Ersten Großen Zentralen Ursprungs vollständig mechanisieren zu wollen. Leidet der Paradies-Vater? Ich weiß es nicht. Die Schöpfersöhne können ganz gewiss leiden und tun es manchmal auch, genauso wie Sterbliche. Der Ewige Sohn und der Unendliche Geist leiden in einem anderen Sinne. Ich denke, dass der Vater leidet, aber ich kann nicht verstehen, wie; vielleicht durch den Persönlichkeitskreis oder durch die Individualität der Gedankenjustierer und anderer Gaben seiner ewigen Natur. Von den sterblichen Rassen hat er gesagt: "In all euren Betrübnissen bin ich betrübt." Zweifelsohne macht er die Erfahrung väterlichen und mitfühlenden Verstehens; es kann sein, dass er wirklich leidet, aber ich begreife die Art dieses Leidens nicht. Der unendliche und ewige Herrscher des Universums der Universen ist Macht, Gestalt, Energie, Prozess, Urmuster, Prinzip, Gegenwart und idealisierte Realität. Aber er ist mehr als das; er ist persönlich; er übt einen souveränen Willen aus, macht die bewusste Erfahrung seiner Göttlichkeit, führt die Befehle eines schöpferischen Verstandes aus, verfolgt die befriedigende Verwirklichung eines ewigen Vorhabens und bekundet seinen Universumskindern gegenüber die Liebe und Zuneigung eines Vaters. Aber all diese mehr persönlichen Wesenszüge des Vaters könnt ihr besser verstehen, wenn ihr beobachtet, wie sie sich im Leben der Selbsthingabe Michaels, eures Schöpfersohnes, offenbarten, als er in Menschengestalt auf Urantia weilte. Gott der Vater liebt die Menschen; Gott der Sohn dient den Menschen; Gott der Geist inspiriert die Kinder des Universums zu dem ewig aufwärts führenden Abenteuer, Gott den Vater zu finden durch das gnadenvolle Walten von Gott dem Geist auf den von Gott den Söhnen bestimmten Pfaden. [Als der Göttliche Ratgeber, der mit der Darlegung der Offenbarung des Universalen Vaters betraut ist, habe ich diese Ausführungen über die Gottheitsattribute fortgesetzt.] ****** Kapitel 4 Gottes Beziehung zum Universum ****** DER Universale Vater hat hinsichtlich der materiellen, intellektuellen und geistigen Phänomene des Universums der Universen einen ewigen Plan, den er über alle Zeit hinweg ausführt. Gott schuf die Universen aus eigenem freiem und souveränem Willen, und er schuf sie in Übereinstimmung mit seinem allweisen und ewigen Plan. Es ist fraglich, ob außer den Gottheiten des Paradieses und ihren höchsten Mitarbeitern irgendjemand wirklich viel über Gottes ewigen Plan weiß. Selbst die erhabenen Bürger des Paradieses vertreten sehr unterschiedliche Meinungen über das Wesen des ewigen Plans der Gottheiten. Der Schluss liegt nahe, dass der Plan, das vollkommene Zentraluniversum von Havona zu erschaffen, einzig eine Befriedigung der göttlichen Natur war. Havona mag als Schöpfungsurmuster für alle anderen Universen und als abschließende Schule für die Pilger der Zeit auf ihrem Weg zum Paradies dienen; aber eine derartige himmlische Schöpfung muss es vor allem zur Freude und Befriedigung der vollkommenen und unendlichen Schöpfer geben. Eines der Hauptanliegen der sieben Superuniversen und ihrer vielen Unterabteilungen scheint allerdings gegenwärtig der erstaunliche Plan der Vervollkommnung der evolutionären Sterblichen und ihrer weiteren Schulung im Hinblick auf eine nicht enthüllte zukünftige Aufgabe zu sein, nachdem sie das Paradies und das Korps der Finalität erreicht haben; aber dieser Aufstiegsplan zur Vergeistigung und Schulung der Sterblichen von Zeit und Raum ist keineswegs die ausschließliche Beschäftigung der Universumsintelligenzen. Es gibt in der Tat viele andere faszinierende Betätigungen, die Zeit und Energien der himmlischen Heerscharen in Anspruch nehmen. ***** 4.1 Die Haltung des Vaters im Universum ***** Während ganzer Zeitalter haben die Bewohner von Urantia die Vorsehung Gottes missverstanden. Es gibt auf eurer Welt eine Vorsehung, die sich auf göttliche Weise verwirklicht, aber es ist nicht jene kindische, willkürliche und materielle Fürsorge, die viele Sterbliche sich darunter vorgestellt haben. Die Vorsehung Gottes besteht in den ineinander greifenden Aktivitäten der himmlischen Wesen und göttlichen Geiste, die in Übereinstimmung mit dem kosmischen Gesetz unablässig zur Ehre Gottes und für das geistige Vorankommen seiner Universumskinder wirken. Könnt ihr in der Vorstellung, die ihr euch vom Umgang Gottes mit den Menschen macht, nicht bis zu jener Ebene vordringen, wo ihr erkennt, dass Fortschritt das Losungswort des Universums ist? Über lange Zeitalter hinweg hat sich die menschliche Rasse abgemüht, ihre heutige Lage zu erreichen. Und während all dieser Jahrtausende hat die Vorsehung den Plan fortschreitender Evolution in die Tat umgesetzt. Die beiden Gedanken widersprechen sich in der Praxis nicht, sondern nur in den irrigen Vorstellungen der Menschen. Göttliche Vorsehung setzt sich nie in Widerspruch zu wahrem menschlichem Fortschritt, weder zeitlichem noch geistigem. Die Vorsehung stimmt immer mit der unveränderlichen und vollkommenen Natur des höchsten Gesetzgebers überein. "Gott ist treu", und "alle seine Gebote sind gerecht." "Seine Treue ist in den Himmeln begründet." "Auf ewig, oh Herr, wohnt dein Wort im Himmel. Deine Treue gilt allen Generationen; du hast die Erde geschaffen und sie hat Bestand." "Er ist ein getreuer Schöpfer." Den Kräften und Persönlichkeiten, die der Vater einsetzen kann, um seinen Plan zu verfolgen und seine Geschöpfe zu unterstützen, sind keine Grenzen gesetzt. "Der ewige Gott ist unsere Zuflucht, und wir ruhen in seinen ewigen Armen." "Derjenige, der am verborgenen Ort des Allerhöchsten wohnt, soll im Schatten des Allmächtigen bleiben." "Seht, er, der uns erhält, wird weder schlummern noch schlafen." "Wir wissen, dass alle Dinge zum Wohl derer zusammenwirken, die Gott lieben", "denn die Augen des Herrn schauen auf die Rechtschaffenen, und seine Ohren sind für ihre Gebete offen." Gott trägt "alle Dinge durch das Wort seiner Macht." Und wenn neue Welten geboren werden, "sendet er seine Söhne aus, und sie werden erschaffen." Gott erschafft sie nicht nur, sondern er "bewahrt sie alle". Ohne Unterlass stützt Gott alle materiellen Dinge und alle geistigen Wesen. Die Universen sind auf ewig stabil. Es gibt Stabilität inmitten scheinbarer Instabilität. Mitten in den energetischen Umwälzungen und physischen Kataklysmen der gestirnten Reiche gibt es eine zugrunde liegende Ordnung und Sicherheit. Der Universale Vater hat sich nicht von der Lenkung der Universen zurückgezogen; er ist keine untätige Gottheit. Wenn sich Gott als gegenwärtiger Erhalter der gesamten Schöpfung zurückzöge, würde sich augenblicklich ein universeller Zusammenbruch ereignen. Außer Gott gäbe es dann so etwas wie Realität nicht mehr. Ebenso sehr in diesem Augenblick wie in den weit zurückliegenden Zeitaltern der Vergangenheit und in der ewigen Zukunft ist Gott immerzu Stütze. Der göttliche Einflussbereich erstreckt sich über den gesamten Kreis der Ewigkeit. Das Universum ist nicht aufgezogen wie eine Uhr, um eine Zeit lang zu laufen und dann aufzuhören zu funktionieren; alle Dinge werden ständig erneuert. Der Vater schüttet unablässig Energie, Licht und Leben aus. Gottes Werk ist ebenso sehr real wie geistig. "Er spannt den Norden über den leeren Raum und hängt die Erde an nichts auf." Ein Wesen meiner Ordnung ist imstande, in den laufenden Angelegenheiten der Universumsverwaltung höchste Harmonie zu entdecken und weitreichende und tiefgehende Koordination wahrzunehmen. Manches, was dem sterblichen Verstand zusammenhanglos und willkürlich vorkommt, erscheint meinem Verstehen geordnet und konstruktiv. Aber es geschieht in den Universen sehr vieles, was ich nicht ganz begreife. Ich habe lange Zeit die bekannten Kräfte und Energien, die intelligenten, morontiellen und geistigen Phänomene und Persönlichkeiten der Lokaluniversen und Superuniversen studiert und kenne mich darin mehr oder weniger aus. Ich habe ein allgemeines Verständnis davon, in welcher Weise diese Wirkkräfte und Persönlichkeiten funktionieren, und ich bin eng vertraut mit der Arbeitsweise der beglaubigten Geist-Intelligenzen des Großen Universums. Trotz meiner Kenntnis der Universumsphänomene sehe ich mich ständig kosmischen Reaktionen gegenüber, die ich nicht recht begreifen kann. Ich begegne ständig scheinbar zufälligen Verquickungen von miteinander verbundenen Kräften, Energien, Intelligenzen und Geistwesen, für die ich keine befriedigende Erklärung finde. Ich bin vollauf befähigt, das Funktionieren aller Phänomene zu beschreiben und zu analysieren, die vom direkten Wirken des Universalen Vaters, des Ewigen Sohnes, des Unendlichen Geistes und - in bedeutendem Maße - der Paradies-Insel herrühren. Meine Verwirrung stellt sich dann ein, wenn ich Erscheinungen begegne, die anscheinend von ihren geheimnisvollen Gleichgeordneten, den drei Absoluten der Potentialität, hervorgerufen werden. Diese Absoluten scheinen die Materie aufzuheben, über den Verstand hinauszugehen und unvermutet zum Geist hinzuzutreten. Ich bin immer wieder verwirrt und oft fassungslos in meiner Unfähigkeit, diese komplexen Vorgänge zu verstehen, die ich der Gegenwart und dem Wirken des Eigenschaftslosen Absoluten, des Gottheit-Absoluten und des Universalen Absoluten zuschreibe. Diese Absoluten müssen die im weiten Universum vorhandenen, nicht gänzlich offenbarten Gegenwarten sein, die es Physikern, Philosophen oder sogar religiösen Suchern unmöglich machen, bezüglich der Phänomene der Raum-Macht und der Funktion anderer überultimer Realitäten mit Sicherheit vorauszusagen, wie Urkraft, Urkonzept oder Urgeist auf die Forderungen einer komplexen Wirklichkeitssituation antworten werden, bei der es um supreme Anpassungen und ultime Werte geht. Es gibt in den Universen von Zeit und Raum auch eine organische Einheit, die dem ganzen Gefüge kosmischer Ereignisse zugrunde zu liegen scheint. Diese lebendige Gegenwart des sich entwickelnden Supremen Wesens, diese Immanenz des Projizierten Unvollständigen, manifestiert sich immer wieder auf unerklärliche Weise als etwas, das sich als eine erstaunlich zufällige Koordinierung von voneinander scheinbar unabhängigen Ereignissen des Universums herausstellt. Es muss sich dabei um das Wirken der Vorsehung handeln - das Reich des Supremen Wesens und des Mit-Vollziehers. Ich neige zu der Annahme, dass es diese ausgedehnte und im Allgemeinen nicht erkennbare Kontrolle der Koordinierung und Wechselbeziehung aller Phasen und Formen universeller Aktivitäten ist, die ein derart buntschillerndes und anscheinend hoffnungslos wirres Durcheinander von physischen, mentalen, sittlichen und geistigen Phänomenen dazu bringt, so unfehlbar zum Ruhme Gottes und zum Wohl der Menschen und Engel zu wirken. Aber in einem umfassenderen Sinne sind die scheinbaren "Zufälle" des Kosmos zweifellos ein Teil des endlichen Dramas des Zeit-Raum-Abenteuers des die Absoluten ewig handhabenden Unendlichen. ***** 4.2 Gott und Natur ***** Natur ist in einem begrenzten Sinne die physische Daseinsform Gottes. Gottes Führung, oder Handeln, wird bedingt und vorübergehend modifiziert durch die experimentellen Pläne und evolutionären Modelle eines Lokaluniversums, einer Konstellation, eines Systems oder eines Planeten. Gott handelt überall im unermesslichen Alluniversum gemäß einem genau umrissenen, unveränderlichen und unwandelbaren Gesetz; aber er modifiziert jeweils die Urmuster seines Handelns, um zur koordinierten und ausgewogenen Führung jedes Universums, jeder Konstellation, jedes Systems, jedes Planeten und jeder Persönlichkeit beizusteuern in Übereinstimmung mit den lokal verfolgten Absichten, Zielen und Plänen der endlichen Projekte evolutionärer Entfaltung. Deshalb beruht das, was sich der sterbliche Mensch unter Natur vorstellt, einerseits auf den Grundfesten einer unveränderlichen Gottheit und ihrer unwandelbaren Gesetze und existiert vor deren fundamentalem Hintergrund, während es andererseits modifiziert wird, fluktuiert und Umwälzungen durchmacht durch das Wirken der lokalen Pläne, Vorhaben, Modelle und Bedingungen, die durch die Kräfte und Persönlichkeiten des Lokaluniversums, der Konstellation, des Systems und des Planeten geschaffen und ausgeführt werden. Zum Beispiel erscheinen die von Gott verfügten Gesetze in Nebadon in einer durch die Pläne des Schöpfersohnes und des Schöpferischen Geistes dieses Lokaluniversums bedingten Modifikation; dazu kommt, dass das Wirken dieser Gesetze dem Einfluss der Irrtümer, Verfehlungen und Rebellionen von gewissen auf eurem Planeten wohnenden und eurem unmittelbaren planetarischen System von Satania angehörenden Wesen ausgesetzt war. Die Natur ist ein zeitlich-räumliches Ergebnis von zwei kosmischen Faktoren: erstens, der Unveränderlichkeit, Vollkommenheit und Rechtschaffenheit der Gottheit des Paradieses, und zweitens, der experimentellen Pläne, der groben Fehler in der Ausführung, der Verirrungen rebellischer Art, des unvollständigen Entwicklungsstandes und der unvollkommenen Weisheit der außerparadiesischen Geschöpfe, vom höchsten bis zum niedrigsten. Daher kommt es, dass sich durch die Natur wie ein wunderbarer Faden die konstante, unveränderliche und majestätische Vollkommenheit des Kreises der Ewigkeit zieht, diese Natur aber in jedem Universum, auf jedem Planeten und in jedem individuellen Leben modifiziert, bedingt und unter Umständen beeinträchtigt wird durch die Handlungen, Fehler und Treuebrüche der Geschöpfe der evolutionären Systeme und Universen; und deshalb wird die Natur trotz der ihr zugrunde liegenden Stabilität stets ein wechselndes, bisweilen launenhaftes Gesicht zeigen, das sich überdies von einem Lokaluniversum zum anderen je nach den darin angewandten Verfahren unterscheidet. Natur ist die Vollkommenheit des Paradieses geteilt durch Unfertigkeit, Übel und Sünde der unvollendeten Universen. Dieser Quotient drückt somit das Vollkommene wie das Partielle, das Ewige wie das Zeitliche aus. Die fortlaufende Evolution modifiziert die Natur, indem sie den Gehalt an paradiesischer Vollkommenheit erhöht und den relative Realität besitzenden Gehalt an Übel, Irrtum und Disharmonie vermindert. Gott ist weder in der Natur noch in irgendeiner Naturkraft persönlich anwesend, denn im Phänomen der Natur überlagern die Unvollkommenheiten fortschreitender Evolution und manchmal auch die Folgen rebellischer Auflehnung die paradiesischen Fundamente von Gottes universalem Gesetz. Wie es auf einer Welt wie Urantia offenkundig wird, kann die Natur niemals eines allweisen und unendlichen Gottes angemessener Ausdruck, wahre Repräsentation und getreues Abbild sein. Auf eurer Welt ist die Natur eine den evolutionären Plänen des Lokaluniversums gehorchende, besondere Ausprägung der Gesetze der Vollkommenheit. Wie verkehrt ist es doch, die Natur anzubeten, nur weil sie in einem begrenzten und bedingten Sinne von Gott durchdrungen ist, weil sie eine Phase der universalen und deshalb göttlichen Macht darstellt! Die Natur ist ebenso sehr ein Ausdruck der unfertigen, unvollständigen und unvollkommenen Ergebnisse eines sich entwickelnden, wachsenden und fortschreitenden universellen Experimentes kosmischer Evolution. Die offensichtlichen Mängel der natürlichen Welt sind kein Hinweis auf irgendwelche entsprechenden Mängel im Charakter Gottes. Vielmehr sind derartige beobachtete Unvollkommenheiten nur unvermeidliche Momentaufnahmen bei der Vorführung des ewig laufenden Films der sich in Bildern ausdrückenden Unendlichkeit. Gerade diese Mängel aufweisenden Unterbrechungen der Vollkommenheits-Kontinuität gestatten es dem endlichen Verstand des materiellen Menschen, in Zeit und Raum einen flüchtigen Eindruck von der göttlichen Realität zu erhalten. Die materiellen Manifestationen der Göttlichkeit scheinen für den evolutionären Verstand des Menschen nur deshalb mangelhaft, weil der Sterbliche darauf besteht, das Naturgeschehen mit natürlichen Augen zu betrachten, aus menschlicher Sicht und ohne Hilfe der morontiellen Mota oder des diese auf den Welten der Zeit kompensierenden Ersatzes: der Offenbarung. Und die Natur ist verunstaltet, ihr schönes Antlitz von Narben bedeckt, ihre Züge sind verwelkt, weil Myriaden von Geschöpfen, die selber ein Teil der Natur sind, zu ihrer Entstellung in der Zeit beigetragen haben durch ihre Auflehnung, ihr Fehlverhalten und ihre schlechten Gedanken. Nein, die Natur ist nicht Gott. Natur ist kein Gegenstand der Anbetung. ***** 4.3 Gottes unwandelbarer Charakter ***** Allzu lange hat der Mensch an Gott als an ein Wesen gedacht, das ihm gleicht. Gott ist nicht eifersüchtig auf den Menschen oder auf irgendein anderes Wesen im Universum der Universen, er war es nie und wird es nie sein. Es lag in der Absicht des Schöpfersohnes, aus dem Menschen das Meisterwerk der planetarischen Schöpfung und ihn zum Herrscher über die ganze Erde zu machen. Wenn aber Gott und seine Söhne mit ansehen müssen, wie das Wesen des Menschen von seinen eigenen niedrigen Leidenschaften beherrscht wird und wie er sich niederbeugt vor Götzen aus Holz, Stein und Gold und vor den Idolen selbstsüchtigen Ehrgeizes, dann wecken solch erbärmliche Szenen in ihnen Sorge um den Menschen, niemals aber Eifersucht auf ihn. Der ewige Gott ist unfähig zu Zorn und Wut im Sinne dieser menschlichen Gefühle und wie der Mensch solche Reaktionen versteht. Diese Anwandlungen sind erbärmlich und verachtenswert; sie verdienen es kaum, menschlich genannt zu werden, und noch viel weniger göttlich; und solche Regungen sind der vollkommenen Natur und dem gütigen Charakter des Universalen Vaters völlig fremd. Viele, sehr viele der Schwierigkeiten der Sterblichen Urantias, Gott zu verstehen, rühren von den weitreichenden Folgen der Rebellion Luzifers und vom Verrat Caligastias her. Auf Welten, die nicht durch Sünde isoliert wurden, sind die evolutionären Rassen in der Lage, sich weit bessere Vorstellungen von dem Universalen Vater zu machen; sie leiden weniger an Ideenverwirrung, -verzerrung und -verdrehung. Gott bereut nichts von dem, was er je getan hat, jetzt tut oder je tun wird. Er ist ebenso allweise wie allmächtig. Der Mensch gewinnt seine Weisheit aus den Prüfungen und Irrtümern der menschlichen Erfahrung; Gottes Weisheit besteht in der unbeschränkten Vollkommenheit seiner unendlichen universalen Schau, und sein göttliches Vorauswissen leitet den schöpferischen freien Willen wirkungsvoll. Der Universale Vater tut nie etwas, das später zu Kummer oder Bedauern Anlass gäbe, aber die von seinen Schöpferpersönlichkeiten in den äußeren Universen erdachten und erschaffenen Willensgeschöpfe lösen in den Persönlichkeiten ihrer Schöpfer-Eltern durch ihre unglückseligen Entscheidungen manchmal Gefühle göttlicher Betrübnis aus. Aber obwohl der Vater nie Fehler macht, nie etwas bedauert noch bekümmert ist, ist er dennoch ein Wesen mit der Zuneigung eines Vaters, und sein Herz ist zweifelsohne schwer, wenn es seinen Kindern misslingt, zu den geistigen Ebenen vorzudringen, die zu erreichen sie dank der Hilfe fähig sind, welche die Pläne zur geistigen Höherentwicklung der Sterblichen und die ihren Aufstieg begleitenden Maßnahmen der Universen ihnen so reichlich gewähren. Die unendliche Güte des Vaters liegt außerhalb des Fassungsvermögens des endlichen, zeitgebundenen Verstandes; deshalb muss zur wirkungsvollen Zurschaustellung aller Phasen relativer Güte stets für einen Kontrast mit vergleichsweise Üblem (nicht mit Sünde) gesorgt sein. Die Vollkommenheit göttlicher Güte kann durch die Unvollkommenheit der sterblichen Erkenntnis nur wahrgenommen werden, wenn sie im Kontrast steht zu der relativen Unvollkommenheit in den Beziehungen von Zeit und Materie im bewegten Raum. Der Charakter Gottes ist unendlich über-menschlich; deshalb muss eine solche göttliche Natur erst personifiziert werden, wie es in den göttlichen Söhnen geschieht, bevor der endliche Verstand des Menschen sie durch den Glauben zu erfassen vermag. ***** 4.4 Gotteserkenntnis ***** Gott ist das einzige stationäre, in sich selber enthaltene und unveränderliche Wesen im ganzen Universum der Universen, und er kennt kein Außen, kein Jenseits, keine Vergangenheit und keine Zukunft. Gott ist planvolle Energie (schöpferischer Geist) und absoluter Wille, und diese existieren aus sich selber heraus und sind universal. Da Gott durch sich selber existiert, ist er absolut unabhängig. Gottes wahre Identität ist dem Wandel Feind. "Ich, der Herr, verändere mich nicht." Gott ist unwandelbar; aber nicht vor Erreichen des Paradies-Status könnt ihr auch nur anfangen zu begreifen, wie Gott von der Einfachheit zur Komplexität übergehen kann, von der Identität zur Variation, von der Ruhe zur Bewegung, von der Unendlichkeit zur Endlichkeit, vom Göttlichen zum Menschlichen und von der Einheit zur Dualität und Triunität. Und Gott kann die Erscheinungsformen seiner Absolutheit in dieser Weise verändern, weil göttliche Unwandelbarkeit nicht Unbeweglichkeit bedeutet; Gott hat Willen - er ist Wille. Gott ist das Wesen absoluter Selbstbestimmung; seinen Reaktionen sind im Universum keine Grenzen gesetzt außer jenen, die er sich selbst auferlegt, und die Handlungen seines freien Willens werden nur durch jene göttlichen Eigenschaften und vollkommenen Attribute bedingt, die schon an sich seine ewige Natur charakterisieren. Deshalb steht Gott mit dem Universum als ein Wesen in Beziehung, in dem sich höchste Güte mit einem freien Willen schöpferischer Unendlichkeit verbindet. Das Vater-Absolute ist der Schöpfer des vollkommenen Zentraluniversums und der Vater aller anderen Schöpfer. Persönlichkeit, Güte und zahlreiche andere Eigenschaften teilt Gott mit den Menschen und anderen Wesen, aber die Unendlichkeit des Willens ist ihm allein eigen. In seinen schöpferischen Handlungen ist Gott nur durch die Gefühle seiner ewigen Natur und durch die Gebote seiner unendlichen Weisheit begrenzt. Gott persönlich wählt nur, was unendlich vollkommen ist - daher die himmlische Vollkommenheit des Zentraluniversums. Zwar teilen die Schöpfersöhne in vollem Maße seine Göttlichkeit und sogar Phasen seiner Absolutheit, aber sie sind nicht gänzlich durch jene endgültige Weisheit beschränkt, die den unendlichen Willen des Vaters leitet. Deshalb wird der schöpferische freie Wille in der Ordnung der Michael-Söhne sogar noch aktiver, ganz göttlich und beinahe ultim, wenn nicht gar absolut. Der Vater ist unendlich und ewig, aber ihm die Möglichkeit einer gewollten Selbstbeschränkung absprechen zu wollen, bedeutet so viel wie Verneinung eben dieser Vorstellung von der Absolutheit seines Willens. Gottes Absolutheit durchdringt alle sieben Ebenen der Universumsrealität. Und das Ganze dieser absoluten Natur ist der Beziehung des Schöpfers zu seiner Familie von Universumsgeschöpfen unterworfen. Wohl ist im Universum der Universen Genauigkeit ein Merkmal trinitärer Gerechtigkeit, aber göttliches Gefühl beherrscht den Gott der Universen in all seinen ausgedehnten Familienbeziehungen mit den Geschöpfen der Zeit. Zuallererst und zuallerletzt - ewig - ist der unendliche Gott ein Vater. Ich bin angewiesen worden, zur Darstellung des Gottes der gesamten Schöpfung unter allen möglichen ihn treffend bezeichnenden Namen denjenigen des Universalen Vaters zu wählen. In Gott dem Vater werden die seinem freien Willen entsprungenen Handlungen nicht durch Macht bestimmt, noch werden sie einzig vom Intellekt geleitet; laut Definition besteht die göttliche Persönlichkeit aus Geist und manifestiert sich gegenüber den Universen als Liebe. Deshalb ist der Erste Zentrale Ursprung in all seinen persönlichen Beziehungen zu den Geschöpfespersönlichkeiten der Universen immer und konsequenterweise ein liebender Vater. Gott ist ein Vater im höchsten Sinne des Wortes. Sein ewiger Beweggrund ist der vollkommene Idealismus göttlicher Liebe, und diese zarte Natur findet ihren stärksten Ausdruck und ihre größte Befriedigung im Lieben und Geliebtwerden. Für die Wissenschaft ist Gott die Erste Ursache; für die Religion ist er der universale und liebende Vater; für die Philosophie ist er das einzige Wesen, das durch sich selbst existiert, das für seine Existenz auf kein anderes Wesen angewiesen ist, aber in Güte allen Dingen und allen anderen Wesen die Existenzwirklichkeit verleiht. Aber es bedarf der Offenbarung, um zu zeigen, dass die Erste Ursache der Wissenschaft und die durch sich selber existierende Einheit der Philosophie identisch sind mit dem Gott der Religion, dem Gott voller Güte und Erbarmen, der gelobt hat, für das ewige Fortleben seiner Erdenkinder zu sorgen. Wir sehnen uns nach der Vorstellung vom Unendlichen, aber wir beten unsere Erfahrungs-Idee von Gott an, das, was wir überall und jederzeit von den Persönlichkeits- und Göttlichkeitsfaktoren unserer höchsten Gottesvorstellung zu erfassen fähig sind. Das Bewusstsein eines siegreichen menschlichen Lebens auf Erden entsteht aus jenem Geschöpfesglauben, der so kühn ist, jede wiederkehrende Episode des Daseins, die ihm den entsetzlichen Anblick der menschlichen Begrenzungen beschert, mit der unerschütterlichen Erklärung herauszufordern: Auch wenn ich das nicht tun kann, so lebt doch einer in mir, der es tun kann und tun wird, ein Teil des Vater-Absoluten des Universums der Universen. Und das ist "der Sieg, der die Welt überwindet - euer Glaube". ***** 4.5 Irrige Vorstellungen von Gott ***** Religiöse Tradition ist die unvollkommen bewahrte Aufzeichnung der Erfahrungen von Menschen vergangener Zeiten, die Gott kannten, aber solche Berichte sind unzuverlässig als Führer für religiöses Leben oder als Quelle wahrer Auskunft über den Universalen Vater. Solch alte Glaubensinhalte erfuhren aufgrund der Tatsache, dass der primitive Mensch ein Mythenerfinder war, ständig Abänderungen. Eine der Hauptquellen für die die Natur Gottes betreffende Verwirrung auf Urantia entspringt dem Unvermögen eurer heiligen Bücher, klar zu unterscheiden zwischen den Persönlichkeiten der Paradies-Trinität und zwischen der ParadiesGottheit und den Schöpfern und Verwaltern der Lokaluniversen. Während der vergangenen Dispensationen bruchstückhafter Erkenntnis ist es euren Priestern und Propheten nicht gelungen, die Planetarischen Fürsten, die Souveräne der Systeme, die Väter der Konstellationen, die Schöpfersöhne, die Lenker der Superuniversen, das Supreme Wesen und den Universalen Vater klar auseinander zuhalten. Viele der Botschaften untergeordneter Persönlichkeiten wie der Lebensbringer und verschiedener Engelsordnungen sind in euren Schriften als von Gott selber stammend dargestellt worden. Urantianisches religiöses Denken verwechselt immer noch die mit der Gottheit verbundenen Persönlichkeiten mit dem Universalen Vater selbst, so dass eine einzige Bezeichnung sie alle einschließt. Die Völker Urantias leiden weiterhin unter dem Einfluss primitiver Gottesvorstellungen. Die Götter, die sich in einem Sturm austoben, die in ihrer Wut die Erde schütteln und in ihrem Zorn Menschen niederstrecken, die in Unmut Gericht halten in Zeiten von Hungersnot und Überflutungen - das sind die Götter der primitiven Religion; es sind nicht die lebendigen Götter, die die Universen lenken. Solche Vorstellungen sind ein Überbleibsel aus den Zeiten, da die Menschen annahmen, das Universum werde von den Launen solch imaginärer Götter geleitet und beherrscht. Aber der sterbliche Mensch beginnt, sich bewusst zu werden, dass er, was administrative Linie und Verhalten der Höchsten Schöpfer und Höchsten Überwacher angeht, vergleichsweise in einem Reich von Recht und Ordnung lebt. Die barbarische Idee, einen wütenden Gott beruhigen, einen beleidigten Herrn besänftigen und die Gunst der Gottheit durch Opfer- und Bußhandlungen und sogar durch Blutvergießen gewinnen zu wollen, stellt eine vollkommen kindische und primitive Religion dar, eine Philosophie, die eines erleuchteten Zeitalters der Wissenschaft und Wahrheit unwürdig ist. Solche Glaubensvorstellungen wirken auf die himmlischen Wesen und göttlichen Lenker, die in den Universen dienen und herrschen, äußerst abstoßend. Es ist eine Schmähung Gottes zu glauben, zu behaupten oder zu lehren, unschuldiges Blut müsse vergossen werden, um seine Gunst zu gewinnen oder den angenommenen göttlichen Zorn abzuwenden. Die Hebräer glaubten, dass "ohne Blutvergießen keine Sündenvergebung stattfinden könne". Sie waren nicht von der alten heidnischen Idee losgekommen, dass die Götter nur durch den Anblick von Blut besänftigt werden konnten, obwohl Moses einen entscheidenden Schritt vorwärts tat, als er Menschenopfer verbot und sie in den primitiven, kindlichen Gemütern seiner Beduinen-Gefolgsleute durch die zeremonielle Opferung von Tieren ersetzte. Die Selbsthingabe eines Paradies-Sohnes auf eurer Welt gehörte zum Abschluss eines planetarischen Zeitalters; sie war unausweichlich und wurde nicht durch die Absicht notwendig, die Gunst Gottes zu gewinnen. Es traf sich, dass diese Selbsthingabe zugleich auch der persönliche Schlussakt eines Schöpfersohnes in seinem langen Abenteuer der Gewinnung erfahrungsmäßiger Souveränität über sein Universum war. Was für eine Entstellung des unendlichen Charakters Gottes ist doch die Lehre, dass sich sein väterliches Herz in all seiner strengen Kälte und Härte durch das Unglück und Leid seiner Geschöpfe so wenig rühren ließ, dass sein zartes Erbarmen erst erwachte, als er seinen unschuldigen Sohn am Kreuz des Kalvarienbergs bluten und sterben sah! Aber die Bewohner Urantias werden von diesen alten Irrtümern und abergläubischen heidnischen Vorstellungen von der Natur des Universalen Vaters befreit werden. Die Offenbarung der Wahrheit über Gott erscheint, und es ist der menschlichen Rasse vorbestimmt, den Universalen Vater in all jener Charakterschönheit und in all jenen liebenswerten Attributen kennen zu lernen, die der als Menschensohn und Gottessohn auf Urantia weilende Schöpfersohn auf so wunderbare Weise zum Ausdruck gebracht hat. [Dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber von Uversa.] ****** Kapitel 5 Gottes Beziehung zum Einzelnen ****** WENN der endliche Verstand des Menschen nicht begreifen kann, wie ein so großer und erhabener Gott wie der Universale Vater von seiner ewigen Wohnstätte unendlicher Vollkommenheit herabsteigen kann, um sich mit dem individuellen menschlichen Geschöpf zu verbrüdern, dann muss solch ein endlicher Intellekt die Gewissheit von Gottes Freundschaft auf die Wahrheit der Tatsache gründen, dass ein wirkliches Fragment des lebendigen Gottes im Intellekt eines jeden geistig gesunden und sittlich bewussten Sterblichen Urantias wohnt. Die innewohnenden Gedankenjustierer sind ein Teil der ewigen Gottheit des Paradies-Vaters. Um Gott zu finden und zu versuchen, mit ihm in Verbindung zu treten, braucht der Mensch nicht weiterzugehen, als in sich selber zu erfahren, wie seine Seele dieser Gegenwart geistiger Realität inne wird. Gott hat die Unendlichkeit seiner ewigen Natur unter die existentiellen Realitäten seiner sechs absoluten Gleichgeordneten ausgeteilt, aber er kann zu jeder Zeit mit jedem Teil, jeder Phase oder Art der Schöpfung durch die Vermittlung seiner vorpersönlichen Fragmente einen direkten persönlichen Kontakt herstellen. Und der ewige Gott hat sich auch das Vorrecht der Persönlichkeitsverleihung an die göttlichen Schöpfer und die lebendigen Geschöpfe des Universums der Universen vorbehalten. Darüber hinaus hat er sich das Vorrecht vorbehalten, durch den Persönlichkeitskreis mit all diesen persönlichen Wesen einen direkten elterlichen Kontakt aufrechtzuerhalten. ***** 5.1 Der Zugang zu Gott ***** Die Unfähigkeit des endlichen Geschöpfes, an den unendlichen Vater heranzutreten, ist naturgegeben und beruht nicht auf des Vaters Distanziertheit, sondern auf der Endlichkeit und den physischen Begrenzungen der erschaffenen Wesen. Das Ausmaß des geistigen Abstandes zwischen der höchsten im Universum existierenden Persönlichkeit und den niedrigeren Gruppen erschaffener Intelligenzen ist unvorstellbar. Wäre es den niedrigeren intelligenten Ordnungen möglich, augenblicklich in die Gegenwart des Vaters selber versetzt zu werden, wüssten sie nicht, dass sie sich dort befinden. Sie würden die Gegenwart des Universalen Vaters ebenso wenig wahrnehmen wie da, wo sie jetzt sind. Ein sehr, sehr langer Weg liegt vor dem sterblichen Menschen, bis er vernünftigerweise und im Rahmen des Möglichen um sicheres Geleit in die Gegenwart des Universalen Vaters im Paradies bitten kann. Viele Male muss der Mensch in immer geistigere Bereiche versetzt werden, bevor er eine Ebene erreichen kann, auf der seine geistigen Augen fähig werden, auch nur einen einzigen der Sieben Hauptgeiste zu sehen. Unser Vater verbirgt sich nicht; er lebt nicht in willkürlicher Zurückgezogenheit. Er hat die Ressourcen seiner göttlichen Weisheit mobilisiert im unaufhörlichen Bemühen um Selbstoffenbarung an die Kinder seiner Universumsreiche. Eine mit der Erhabenheit seiner Liebe verbundene unendliche Größe und unaussprechliche Hochherzigkeit bewegen ihn, sich nach der Gemeinschaft mit jedem erschaffenen Wesen zu sehnen, das ihn verstehen, ihn lieben und sich ihm annähern kann; und deshalb sind es die euch angeborenen, untrennbar mit eurer endlichen Persönlichkeit und materiellen Existenz verbunden Begrenzungen, welche Zeit und Ort und Umstände bestimmen, da ihr das Reiseziel des Aufstiegs der Sterblichen erreichen und in der Mitte aller Dinge in des Vaters Gegenwart stehen werdet. Obwohl ihr warten müsst, bis ihr die höchsten endlichen Ebenen geistigen Wachstums erreicht habt, um euch der Gegenwart des Paradies-Vaters zu nähern, solltet ihr euch im Wissen um die stets vorhandene Möglichkeit unmittelbarer Verbindung mit dem euch verliehenen Geist des Vaters freuen, der so eng mit eurer inneren Seele und eurem sich vergeistigenden Selbst verbunden ist. Die Sterblichen der Welten von Zeit und Raum mögen sich in ihren angeborenen Fähigkeiten und intellektuellen Gaben sehr stark voneinander unterscheiden, sie mögen sich eines ausnehmend günstigen Umfeldes für gesellschaftliches Vorwärtskommen und sittlichen Fortschritt erfreuen oder umgekehrt unter dem Mangel fast jeder menschlichen Beihilfe zu Kultur und angenommenem Fortschritt in den Fertigkeiten der Zivilisation leiden; aber die Möglichkeiten geistigen Fortschritts in der aufsteigenden Laufbahn sind für alle gleich; immer höhere Ebenen geistiger Erkenntnis und kosmischer Bedeutungen erreicht man ganz und gar unabhängig von allen derartigen gesellschaftlich-sittlichen Unterschieden in den vielgestaltigen materiellen Umfeldern der evolutionären Welten. Wie sehr sich auch die Sterblichen Urantias in ihren intellektuellen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sogar sittlichen Möglichkeiten und Gaben voneinander unterscheiden mögen, vergesst nicht, dass ihre geistige Begabung einheitlich und einzig ist. Sie erfreuen sich alle der gleichen göttlichen Gegenwart des vom Vater kommenden Geschenkes und sie genießen alle dasselbe Vorrecht, innige persönliche Verbindung mit diesem innewohnenden Geist göttlichen Ursprungs zu suchen, und sie können sich alle gleichermaßen dafür entscheiden, die einheitliche geistige Führung dieses Unergründlichen Mentors anzunehmen. Lässt sich der sterbliche Mensch von ganzem Herzen durch Geistiges bestimmen und widmet er sich rückhaltlos der Ausführung des väterlichen Willens, dann kann es angesichts dessen, dass er in sich das so sichere und wirkungsvolle geistige Geschenk des göttlichen Justierers besitzt, nicht ausbleiben, dass sich in seiner Erfahrung das sublime Bewusstsein, Gott zu kennen, und die himmlische Gewissheit einstellen, nach dem Tode mit dem Ziel weiterzuleben, Gott zu finden durch die fortschreitende Erfahrung, ihm immer ähnlicher zu werden. Dem Menschen wohnt in geistiger Weise ein fortlebender Gedankenjustierer inne. Wenn ein menschlicher Verstand ehrlichem, geistigem Antrieb gehorcht, wenn eine solche menschliche Seele den Wunsch hat, Gott zu kennen und ihm ähnlich zu werden, und aufrichtig den Willen des Vaters tun will, dann gibt es keinen negativen Einfluss menschlichen Entbehrens noch irgendeine möglicherweise dazwischentretende positive Macht, die eine solch göttlich motivierte Seele daran hindern könnte, in Sicherheit zu den Pforten des Paradieses aufzusteigen. Der Vater wünscht, alle seine Geschöpfe möchten mit ihm in persönliche Verbindung treten. Er hat im Paradies einen Ort, wo er all jene empfängt, deren Status als Fortlebende und deren geistige Natur es ermöglichen, ein solches Ziel zu erreichen. Nehmt deshalb in eure Philosophie ein für allemal Folgendes auf: Einem jeden von euch und uns allen ist es möglich, sich Gott zu nahen; der Vater ist erreichbar, der Weg steht offen. Die Kräfte göttlicher Liebe und die Wege und Mittel göttlicher Verwaltung greifen alle in dem Bemühen ineinander, jeder Intelligenz jedes Universums, die es wert ist, das Vorankommen bis in die Gegenwart des Universalen Vaters im Paradies zu ermöglichen. Die Tatsache, dass es ungeheuer lange dauert, ehe man Gott erreicht, macht die Gegenwart und Persönlichkeit des Unendlichen um nichts weniger wirklich. Euer Aufstieg ist ein Teil des Kreislaufs der sieben Superuniversen, und obwohl ihr ihn unzählige Male durchlauft, könnt ihr damit rechnen, euch im Geiste und rangmäßig immer mehr nach innen zu bewegen. Ihr könnt euch darauf verlassen, von einem Himmelskörper zum nächsten gebracht zu werden und von den äußeren Kreisläufen immer näher an das innere Zentrum heranzurücken; und eines Tages - zweifelt nicht daran - werdet ihr in der zentralen göttlichen Gegenwart stehen und Ihn bildlich gesprochen von Angesicht zu Angesicht schauen. Es ist eine Frage des Erreichens realer, echter geistiger Ebenen; und jedes Wesen, dem ein Unergründlicher Mentor innegewohnt und das sich in der Folge auf ewig mit diesem Gedankenjustierer vereinigt hat, kann diese geistigen Ebenen erreichen. Der Vater hält sich nicht in einem geistigen Versteck auf, aber so viele seiner Geschöpfe haben sich in den Nebeln ihrer eigenen Willensentscheide versteckt und sich einstweilen von der Verbindung mit seinem Geist und dem Geiste seines Sohnes getrennt, weil sie ihre eigenen krummen Wege gewählt haben und der Selbstanmaßung ihrer intoleranten Gemüter und ungeistigen Naturen frönen. Der sterbliche Mensch kann sich auf Gott zu bewegen, und dabei vielleicht wiederholt den Weg des göttlichen Willens verlassen, solange ihm die Macht der Wahl bleibt. Des Menschen Schicksal ist erst dann endgültig besiegelt, wenn er die Macht, den Willen des Vaters zu wählen, verloren hat. Nie verschließt sich des Vaters Herz den Bedürfnissen und Bitten seiner Kinder. Es sind nur seine Geschöpfe, die ihre Herzen vor der sie anziehenden Kraft des Vaters verschließen, wenn sie am Ende und für immer den Wunsch verlieren, seinen göttlichen Willen zu tun - ihn zu kennen und ihm zu gleichen. Ebenso ist dem Menschen ein ewiges Schicksal sicher, wenn die Vereinigung mit dem Justierer dem Universum verkündet, dass ein solcher Aufsteiger die endgültige und unwiderrufliche Wahl getroffen hat, gemäß dem Willen des Vaters zu leben. Der große Gott tritt in direkten Kontakt mit dem sterblichen Menschen und gibt ihm einen Teil seines unendlichen und ewigen und unbegreiflichen Selbst, damit er in ihm lebe und Wohnung nehme. Gott hat sich auf das ewige Abenteuer mit dem Menschen eingelassen. Wenn ihr euch der Führung der geistigen Kräfte in euch und um euch überlasst, werdet ihr unfehlbar die hohe Bestimmung erreichen, die ein liebender Gott seinen aufsteigenden Geschöpfen aus den evolutionären Welten des Raums als Universumsziel gesetzt hat. ***** 5.2 Die Gegenwart Gottes ***** Die physische Gegenwart des Unendlichen ist die Realität des materiellen Universums. Die mentale Gegenwart der Gottheit wird durch die Tiefe individueller intellektueller Erfahrung und die evolutionäre Persönlichkeitsebene bestimmt. Die geistige Gegenwart der Göttlichkeit im Universum muss notgedrungen abgestuft sein. Sie wird bestimmt durch die geistige Aufnahmefähigkeit und den Grad, in dem der Geschöpfeswille sich der Ausführung des göttlichen Willens weiht. Gott lebt in einem jeden seiner geistgeborenen Söhne. Die Paradies-Söhne haben stets Zugang zur Gegenwart Gottes, "der rechten Hand des Vaters", und alle seine Geschöpfespersönlichkeiten haben Zugang zum "Herzen des Vaters". Das bezieht sich auf den Persönlichkeitskreis, wann, wo und wie immer Kontakt aufgenommen wird, oder bedeutet persönlichen, bewussten Kontakt und Verbindung mit dem Universalen Vater an seiner zentralen Wohnstätte oder an einem anderen bestimmten Ort wie etwa auf einer der sieben heiligen Sphären des Paradieses. Die göttliche Gegenwart kann indessen nirgends in der Natur oder sogar im Leben gottesbewusster Sterblicher so umfassend und gewiss entdeckt werden wie in eurem Versuch der Verbindung mit dem euch innewohnenden Unergründlichen Mentor, dem Gedankenjustierer aus dem Paradies. Welch ein Fehler, von Gott in fernen Himmeln zu träumen, während der Geist des Universalen Vaters in eurem eigenen Verstand lebt! Dank diesem euch innewohnenden Gottesfragment und aufgrund eurer fortschreitenden Harmonisierung mit der geistigen Führung des Justierers könnt ihr hoffen, die Gegenwart und verwandelnde Macht jener anderen geistigen Einflüsse besser wahrzunehmen, die euch umgeben und auf euch einwirken, aber nicht als integraler Bestandteil von euch funktionieren. Die Tatsache, dass ihr kein intellektuelles Bewusstsein eines engen und innigen Kontaktes mit dem innewohnenden Justierer besitzt, widerlegt solch eine begnadete Erfahrung nicht im Geringsten. Der Beweis der Verbrüderung mit dem göttlichen Justierer besteht ganz und gar in Art und Ausmaß der Geistesfrüchte, die der individuelle Gläubige in seiner Lebenserfahrung hervorbringt. "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen." Für den nur dürftig vergeistigten materiellen Verstand des sterblichen Menschen ist es außerordentlich schwierig, sich der geistigen Aktivitäten solch göttlicher Wesenheiten wie der Justierer des Paradieses deutlich bewusst zu werden. In dem Maße, wie die Seele, die gemeinsame Schöpfung von Verstand und Justierer, immer wirklicher existiert, entwickelt sich auch eine neue Phase von Seelenbewusstsein, die fähig ist, die Gegenwart des Unergründlichen Mentors zu erfahren und seine geistigen Weisungen und anderen übermateriellen Aktivitäten zu erkennen. Die ganze Erfahrung einer Verbindung mit dem Justierer hat mit sittlichem Rang, mentaler Motivation und geistiger Erfahrung zu tun. Das eigene Gewahrwerden einer solchen Vollbringung beschränkt sich hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, auf den Bewusstseinsbereich der Seele, aber die Beweise zeigen sich im reichlichen Erscheinen der Geistesfrüchte im Leben all derer, die mit dem inneren Geist in Kontakt stehen. ***** 5.3 Wahre Anbetung ***** Obwohl die Gottheiten des Paradieses vom universellen Standpunkt aus wie eine einzige sind, sind sie in ihren geistigen Beziehungen mit Wesen wie denen, die Urantia bewohnen, auch drei unterschiedliche und getrennte Personen. Was persönliche Anrufung, geistige Verbindung und andere innige Beziehungen betrifft, gibt es zwischen den Gottheiten einen Unterschied. Im höchsten Sinne beten wir den Universalen Vater und ihn allein an. Es ist wahr, dass wir den Vater, so wie er sich in seinen Schöpfersöhnen manifestiert, anbeten können und es auch tun, aber es ist der Vater, der direkt oder indirekt verehrt und angebetet wird. Bittgebete aller Art gehören zum Reich des Ewigen Sohnes und zu seiner geistigen Organisation. Gebete, alle förmlichen Mitteilungen, alles außer Anbetung und Verehrung des Universalen Vaters sind Dinge, die ein Lokaluniversum betreffen; sie gehen gewöhnlich nicht über den Zuständigkeitsbereich eines Schöpfersohnes hinaus. Aber die Anbetung wird zweifelsohne vom Persönlichkeitskreis des Vaters erfasst und über diesen an die Person des Schöpfers gesandt. Zudem glauben wir, dass eine solche Registrierung der Huldigung eines von einem Justierer bewohnten Geschöpfes gerade durch diese Anwesenheit des Geistes des Vaters erleichtert wird. Es gibt eine ungeheure Menge von Beweisen, die eine solche Annahme erhärten, und ich weiß, dass alle Ordnungen von Vaterfragmenten dazu ermächtigt sind, die echte Verehrung ihrer Schützlinge in der Gegenwart des Universalen Vaters gebührend zu registrieren. Die Justierer benutzen ohne Zweifel auch direkte, vorpersönliche Kommunikationskanäle zu Gott, und sie sind außerdem fähig, die Geist-Gravitationskreise des Ewigen Sohnes zu benutzen. Anbetung geschieht um ihrer selbst willen; ein Gebet enthält ein Element von Eigen- oder Geschöpfesinteresse; das ist der große Unterschied zwischen Anbetung und Gebet. In wahrer Anbetung gibt es absolut kein selbstbezogenes Bitten oder irgendein anderes Element persönlichen Interesses; wir beten Gott ganz einfach um dessentwillen an, was er unserem Verständnis nach ist. Anbetung verlangt und erwartet nichts für den Anbetenden. Wir beten den Vater nicht an, um aus einer solchen Verehrung irgendetwas zu gewinnen; wir verehren ihn und versenken uns in seine Anbetung als natürliche und spontane Reaktion, wenn wir an die unvergleichliche Persönlichkeit des Vaters und an seine liebenswerte Natur und wunderbaren Attribute denken. Im Augenblick, da sich ein Element von Eigeninteresse in die Anbetung einschleicht, geht die Andacht sofort von Anbetung in Gebet über und sollte sich dann richtigerweise an die Person des Ewigen Sohnes oder des Schöpfersohnes richten. Aber in praktischer religiöser Erfahrung gibt es keinen Grund, weshalb man sich mit dem Gebet als einem Teil wahrer Verehrung nicht an Gott den Vater wenden sollte. Wenn ihr euch mit den praktischen Angelegenheiten eures täglichen Lebens auseinandersetzt, befindet ihr euch in den Händen von Geist-Persönlichkeiten, die ihren Ursprung im Dritten Zentralen Ursprung haben; ihr arbeitet mit den Beauftragten des Mit-Vollziehers zusammen. Und also verhält es sich: Ihr betet Gott an; ihr betet zum Sohn und tretet mit ihm in Verbindung; und die Einzelheiten eures irdischen Aufenthaltes arbeitet ihr in Verbindung mit den Intelligenzen des Unendlichen Geistes aus, die auf eurer Welt und in eurem ganzen Universum tätig sind. Die Souveränen Söhne oder Schöpfersöhne, die über den Geschicken der Lokaluniversen walten, stehen an der Stelle beider, des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes des Paradieses. Im Namen des Vaters empfangen diese Universumssöhne in ihren jeweiligen Schöpfungen die verehrungsvolle Anbetung ihrer bittenden Schutzbefohlenen und leihen deren Flehen ihr Ohr. Für die Kinder eines Lokaluniversums ist ein Michael-Sohn in jeder praktischen Hinsicht Gott. Er ist die Personifizierung des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes für das Lokaluniversum. Mit den Kindern dieser Welten bleibt der Unendliche Geist in persönlichem Kontakt über die Universums-Geiste, die administrativen und schöpferischen Mitarbeiterinnen der Paradies-Schöpfersöhne. Aufrichtige Anbetung bedeutet zugleich auch Aufbietung sämtlicher Kräfte der menschlichen Persönlichkeit unter der Herrschaft der sich entwickelnden Seele und im Gehorsam gegenüber der göttlichen Lenkung des ihr verbundenen Gedankenjustierers. Der materiell begrenzte Verstand kann sich der wirklichen Bedeutung wahrer Anbetung nie in hohem Maße bewusst werden. Der Grad, in dem sich ein Mensch der Realität der Anbetungserfahrung bewusst wird, wird hauptsächlich vom Entwicklungsstand seiner unsterblichen Seele bestimmt. Das geistige Wachstum der Seele geschieht völlig unabhängig vom intellektuellen Selbstbewusstsein. Die Anbetungserfahrung besteht in dem sublimen Bemühen des verlobten Justierers, dem göttlichen Vater die unaussprechlichen Sehnsüchte und das stumme Verlangen der menschlichen Seele zu übermitteln - dieser gemeinsamen Schöpfung des Gott suchenden menschlichen Verstandes und des Gott offenbarenden unsterblichen Justierers. Anbetung ist deshalb der Akt, durch den der materielle Verstand seine Zustimmung zu dem Versuch seines sich vergeistigenden Selbst gibt, unter der Führung des ihm verbundenen Geistes als ein Glaubenssohn des Universalen Vaters mit Gott zu kommunizieren. Der sterbliche Verstand willigt in die Anbetung ein; die unsterbliche Seele sehnt sich nach Anbetung und setzt sie in Gang; die göttliche Gegenwart des Justierers leitet solche Anbetung für den sterblichen Verstand und die sich entwickelnde unsterbliche Seele. Letzten Endes wird wahre Anbetung zu einer Erfahrung, die sich auf vier kosmischen Ebenen verwirklicht: der intellektuellen, morontiellen, geistigen und persönlichen - im Bewusstsein des Verstandes, der Seele und des Geistes und in der Einigung der drei in der Persönlichkeit. ***** 5.4 Gott in der Religion ***** Die Sittlichkeit der evolutionären Religionen treibt die Menschen auf ihrer Gottsuche durch die bewegende Macht der Furcht voran. Die Offenbarungsreligionen gewinnen die Menschen dafür, nach einem Gott der Liebe zu suchen, weil sie sich danach sehnen, ihm ähnlich zu werden. Aber Religion ist nicht nur ein passives Gefühl "absoluter Abhängigkeit" und der "Gewissheit des Fortlebens nach dem Tode"; sie ist eine lebendige und dynamische Erfahrung göttlicher Vollbringung, die sich auf den Dienst an der Menschheit gründet. Der große und sofortige Dienst wahrer Religion ist die Herstellung einer dauerhaften Einheit in der menschlichen Erfahrung, eines beständigen Friedens und einer tiefen Sicherheit. Für den primitiven Menschen ist sogar der Polytheismus eine vergleichsweise Vereinheitlichung des sich entwickelnden Gottheitsgedankens; Polytheismus ist im Werden begriffener Monotheismus. Früher oder später ist Gott bestimmt, als Wirklichkeit der Werte, als Substanz der Bedeutungen und als das Leben der Wahrheit verstanden zu werden. Gott bestimmt nicht nur das Schicksal; er ist des Menschen ewige Bestimmung. Alle nichtreligiösen menschlichen Tätigkeiten versuchen, das Universum dem deformierenden Dienst des Selbst gefügig zu machen; der wahrhaft religiöse Mensch versucht, das Selbst mit dem Universum zu identifizieren und dann die Tätigkeiten dieses geeinten Selbst dem Dienst der Universumsfamilie brüderlicher Wesen, menschlicher und übermenschlicher, zu widmen. Die Bereiche der Philosophie und Kunst liegen zwischen den nichtreligiösen und den religiösen Tätigkeiten des menschlichen Selbst. Kunst und Philosophie laden den materiell gesinnten Menschen zu der Betrachtung geistiger Realitäten und universaler Werte mit ewigen Bedeutungen ein. Alle Religionen lehren die Anbetung der Gottheit und irgendwelche Glaubenssätze über menschliche Errettung. Die buddhistische Religion verspricht Erlösung vom Leiden, nie endenden Frieden; die jüdische Religion verspricht Rettung aus Schwierigkeiten und auf Rechtschaffenheit beruhenden Wohlstand; die griechische Religion versprach Rettung aus Disharmonie und Hässlichkeit durch Verwirklichung des Schönen; das Christentum verspricht Rettung von Sünde, Heiligkeit; der Mohammedanismus verschafft Befreiung von den strengen sittlichen Maßstäben von Judaismus und Christentum. Die Religion Jesu ist Rettung vom Selbst, Befreiung von den Übeln der Geschöpfesisolierung in Zeit und Ewigkeit. Die Hebräer gründeten ihre Religion auf Güte, die Griechen die ihre auf Schönheit, und beide Religionen suchten die Wahrheit. Jesus offenbarte einen Gott der Liebe, und die Liebe umfasst alle Wahrheit, Schönheit und Güte. Die Zoroastrier besaßen eine auf Moral beruhende Religion, die Hindu eine metaphysische Religion und die Konfuzianer eine ethische Religion. Jesus lebte eine Religion des Dienens. All diese Religionen sind insofern wertvoll, als sie brauchbare Annäherungen an die Religion Jesu sind. Religion ist dazu bestimmt, zur Realität der geistigen Einigung alles dessen zu werden, was in menschlicher Erfahrung gut, schön und wahr ist. Die griechische Religion hatte die Losung "Kenne dich selbst"; die Lehre der Hebräer hatte "Kenne deinen Gott" zum Mittelpunkt; die Christen predigen ein Evangelium, dessen Ziel die "Kenntnis des Herrn Jesus Christus" ist; Jesus verkündete die gute Nachricht, "Gott zu kennen, und dich selber als Sohn Gottes". Diese unterschiedlichen Auffassungen von der Aufgabe der Religion bestimmen die Haltung des Einzelnen in verschiedenen Lebenssituationen und lassen die Tiefe seiner Anbetung und das Wesen seiner persönlichen Gebetsgewohnheiten ahnen. Auf den geistigen Rang einer beliebigen Religion kann man aus der Art ihrer Gebete schließen. Die Vorstellung von einem halb menschlichen und eifersüchtigen Gott ist ein unvermeidlicher Übergang vom Polytheismus zum geläuterten Monotheismus. Ein erhabener Anthropomorphismus ist die höchste Ebene, die eine rein evolutionäre Religion erreichen kann. Das Christentum hat das Konzept des Anthropomorphismus vom Ideal des Humanen hinaufgehoben zum transzendenten und göttlichen Konzept der Person des glorifizierten Christus. Und dies ist der höchste Anthropomorphismus, den der Mensch je ersinnen kann. Die christliche Vorstellung von Gott ist ein Versuch der Kombination dreier getrennter Lehren: 1. Des hebräischen Konzepts - Gott als ein Verteidiger sittlicher Werte, ein rechtschaffener Gott. 2. Das griechische Konzept - Gott als ein Einiger, ein Gott der Weisheit. 3. Das Konzept Jesu - Gott als ein lebendiger Freund und liebender Vater, als die göttliche Gegenwart. Es ist deshalb offensichtlich, dass die christliche Mischtheologie großen Schwierigkeiten begegnet, wenn sie Stimmigkeit erreichen will. Diese Schwierigkeit wird durch die Tatsache verschlimmert, dass die Lehren des frühen Christentums im Allgemeinen auf der persönlichen religiösen Erfahrung von drei verschiedenen Personen beruhten: von Philo von Alexandrien, Jesus von Nazareth und Paulus von Tharsus. Wenn ihr das religiöse Leben Jesu studiert, dann seht ihn positiv. Denkt weniger an seine Sündenfreiheit als an seine Rechtschaffenheit, sein liebendes Dienen. Jesus hob die passive Liebe, die sich in der hebräischen Vorstellung vom himmlischen Vater ausdrückt, hinauf zu der höheren aktiven, die Geschöpfe liebenden Zuneigung eines Gottes, der der Vater jedes Einzelnen und sogar des Übeltäters ist. ***** 5.5 Das Gottesbewusstsein ***** Die Sittlichkeit hat ihren ursprünglichen Grund im Selbstbewusstsein; sie ist über-animalisch, aber gänzlich evolutionär. Die menschliche Evolution verfügt zu ihrer Entfaltung über alle Anlagen, die lange vor der Verleihung der Justierer und dem Ausgießen des Geistes der Wahrheit existierten. Aber das Erreichen der Sittlichkeitsebene enthebt den Menschen nicht der realen Kämpfe des Lebens eines Sterblichen. Die physische Umgebung des Menschen bringt den Existenzkampf mit sich; das gesellschaftliche Umfeld erfordert ethische Anpassungen; die sittlichen Situationen rufen nach Entscheidungen auf den höchsten Ebenen der Vernunft; die geistige Erfahrung (das Innewerden Gottes) fordert, dass der Mensch Gott finde und sich ehrlich anstrenge, ihm ähnlich zu werden. Religion beruht nicht auf den Tatsachen der Wissenschaft, den Verpflichtungen der Gesellschaft, den Annahmen der Philosophie oder der von der Sittlichkeit verlangten Schuldigkeit. Religion ist ein unabhängiger Bereich menschlicher Reaktion auf die Lebenssituationen und erscheint in der menschlichen Entwicklung unfehlbar in allen auf das sittliche Stadium folgenden Phasen. Die Religion kann alle vier Ebenen der Verwirklichung von Werten und der Freude universeller Brüderlichkeit durchdringen, nämlich: die physische oder materielle Ebene der Selbsterhaltung; die gesellschaftliche oder gefühlsmäßige Ebene brüderlichen Umgangs; die Verstandesebene der Sittlichkeit und Pflicht; die geistige Ebene des Bewusstseins universeller Bruderschaft durch göttliche Anbetung. Der nach Tatsachen forschende Wissenschaftler stellt sich Gott als Erste Ursache vor, als einen Gott der Kraft. Der gefühlsmäßige Künstler sieht Gott als das Ideal der Schönheit, als Gott der Ästhetik. Der logisch denkende Philosoph neigt manchmal dazu, einen Gott universaler Einheit anzunehmen, sogar eine pantheistische Gottheit. Der vertrauende religiöse Mensch glaubt an einen Gott, der auf das Fortleben nach dem Tode hinarbeitet, an den Vater im Himmel, an den Gott der Liebe. Sittliche Lebensführung geht entfalteter Religion stets voraus und ist immer auch ein Teil offenbarter Religion, aber nie das Ganze religiöser Erfahrung. Sozialer Dienst resultiert aus sittlichem Denken und religiösem Leben. Sittlichkeit führt nicht auf biologische Weise zu den höheren geistigen Ebenen religiöser Erfahrung. Die Verehrung des abstrakt Schönen ist nicht Anbetung Gottes; ebenso wenig ist Verherrlichung der Natur oder Ehrfurcht vor der Einheit Anbetung Gottes. Evolutionäre Religion ist die Mutter von Wissenschaft, Kunst und Philosophie, die den Menschen zu jener Ebene hinaufführten, wo er für offenbarte Religion und damit auch für die Gabe der Justierer und das Kommen des Geistes der Wahrheit empfänglich wurde. Das evolutionäre Gemälde der menschlichen Existenz beginnt und endet mit Religion, wenn auch einer sehr verschieden gearteten Religion, da die eine evolutionär und biologisch, die andere geoffenbart und periodisch ist. Und so ist Religion für den Menschen zwar etwas Normales und Natürliches, aber sie ist fakultativ. Der Mensch hat nicht gegen seinen Willen religiös zu sein. Da religiöse Erfahrung in ihrem Wesen geistig ist, kann der materielle Verstand sie nie ganz begreifen; daher die Funktion der Theologie, dieser Psychologie der Religion. Die wesentliche Lehre des menschlichen Gewahrwerdens schafft im endlichen Verständnis ein Paradox. Es ist menschlicher Logik und endlicher Vernunft nahezu unmöglich, die Vorstellung von der göttlichen Immanenz - Gott im Inneren und Teil jedes Einzelnen - mit der Idee von Gottes Transzendenz, der göttlichen Beherrschung des Universums der Universen, in Einklang zu bringen. Diese beiden wesentlichen Gottheitsvorstellungen müssen vereinigt werden, indem der Glaube sich die Vorstellung von der Transzendenz eines persönlichen Gottes zu Eigen macht und indem man sich der innewohnenden Gegenwart eines Fragmentes dieses Gottes bewusst wird, was eine intelligente Anbetung rechtfertigt und mit Grund auf ein Fortleben der Persönlichkeit hoffen lässt. Die Schwierigkeiten und Widersprüche der Religion sind in der Tatsache beschlossen, dass die Realitäten der Religion völlig jenseits der menschlichen Fähigkeit intellektuellen Begreifens liegen. In dreifacher Hinsicht wird dem sterblichen Menschen aus seiner religiösen Erfahrung große Befriedigung zuteil, auch schon in den Tagen seines zeitlichen Aufenthaltes auf Erden: 1. Intellektuell erwächst ihm Befriedigung aus einem besser geeinten menschlichen Bewusstsein. 2. Philosophisch erfreut er sich der Verwirklichung seiner Ideale sittlicher Werte. 3. Geistig erblüht er in der Erfahrung göttlicher Kameradschaft, in der geistigen Befriedigung wahrer Gottesverehrung. Das Gottesbewusstsein, wie die sich entwickelnden Sterblichen der Welten es erfahren, muss aus drei veränderlichen Faktoren, aus drei unterschiedlichen Ebenen der Realitätswahrnehmung bestehen. Da ist zuerst das mentale Bewusstsein - das Verständnis der Idee Gottes. Dann folgt das Bewusstsein der Seele - die Wahrnehmung des Ideals Gottes. Zuletzt dämmert das geistige Bewusstsein herauf - das Erkennen der geistigen Realität Gottes. Durch die Einigung dieser Faktoren der göttlichen Bewusstwerdung, wie unvollkommen sie auch sein mag, breitet die sterbliche Persönlichkeit jederzeit das Wissen um die Persönlichkeit Gottes über alle Bewusstseinsebenen aus. Bei den Sterblichen, die das Korps der Finalität erreicht haben, wird all das mit der Zeit zum Gewahrwerden der Suprematie Gottes führen und kann vielleicht später in die Wahrnehmung der Ultimität Gottes münden, einer Phase des absoniten Überbewusstseins des Paradies-Vaters. Die Erfahrung des Gottesbewusstseins bleibt von Generation zu Generation dieselbe, aber mit jeder Epoche des vorrückenden menschlichen Wissens müssen sich die philosophischen Anschauungen und die theologischen Definitionen verändern. Das Wissen um Gott, das religiöse Bewusstsein, ist eine Universumsrealität, aber wie gültig (real) religiöse Erfahrung auch sein mag, sie muss bereit sein, sich einer intelligenten Kritik und einer vernünftigen philosophischen Interpretation zu unterziehen; sie darf nicht danach trachten, in der Gesamtheit der menschlichen Erfahrung etwas Abgesondertes zu sein. Das ewige Fortleben der Persönlichkeit hängt vollkommen von der Wahl des sterblichen Verstandes ab, dessen Entscheidungen das Fortlebenspotential der unsterblichen Seele bestimmen. Wenn der Verstand an Gott glaubt und die Seele Gott kennt und alle beide mit dem sie fördernden Justierer nach Gott verlangen, ist das Fortleben gesichert. Weder Begrenzungen des Intellekts noch mangelhafte Erziehung, weder Fehlen von Kultur noch Abstieg in der sozialen Rangordnung und nicht einmal fragwürdige menschliche Sittlichkeitsmaßstäbe infolge eines unglücklichen Mangels an erzieherischen, kulturellen und gesellschaftlichen Vorteilen können die Gegenwart des göttlichen Geistes in solch glücklosen und menschlich benachteiligten, aber gläubigen Personen beeinträchtigen. Die innere Anwesenheit des Unergründlichen Mentors stellt den Beginn des Potentials für Wachstum und Fortleben der unsterblichen Seele und die Garantie ihrer Möglichkeit dar. Die Fähigkeit sterblicher Eltern zur Fortpflanzung beruht nicht auf ihrem erzieherischen, kulturellen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Rang. Die Vereinigung der elterlichen Faktoren unter natürlichen Bedingungen genügt durchaus, um Nachkommen ins Leben zu rufen. Ein menschlicher Verstand, der Recht von Unrecht unterscheiden kann und die Fähigkeit zur Anbetung Gottes besitzt, im Verein mit einem göttlichen Justierer, ist alles, was es braucht, um in diesem Sterblichen eine unsterbliche, zum Fortleben befähigte Seele ins Leben zu rufen und großzuziehen, wenn dieses mit Geist begabte Menschenwesen Gott sucht und aufrichtig wünscht, ihm zu gleichen, wenn es sich ehrlich dafür entscheidet, den Willen des Vaters im Himmel zu tun. ***** 5.6 Der Gott der Persönlichkeit ***** Der Universale Vater ist der Gott der Persönlichkeiten. Der Persönlichkeitsbereich des Universums, vom niedrigsten sterblichen materiellen Geschöpf mit Persönlichkeitsrang bis hinauf zu den höchsten Personen göttlichen Rangs mit Schöpferwürde, hat seinen Mittelpunkt und Umfang im Universalen Vater. Gott der Vater schenkt jede Persönlichkeit und erhält sie. Und ebenso ist der Paradies-Vater die Bestimmung all jener endlichen Persönlichkeiten, die sich von ganzer Seele entschließen, den göttlichen Willen auszuführen, all jener, die Gott lieben und sich danach sehnen, ihm zu gleichen. Die Persönlichkeit ist eines der ungelösten Rätsel des Universums. Wir sind imstande, angemessene Vorstellungen von den Faktoren zu entwickeln, die sich am Aufbau verschiedener Persönlichkeitsordnungen und -ebenen beteiligen, aber die wahre Natur der Persönlichkeit selber verstehen wir nicht ganz. Wir erkennen klar die zahlreichen Faktoren, die zusammengenommen das Vehikel der menschlichen Persönlichkeit bilden, aber wir verstehen Wesen und Bedeutung einer derartigen endlichen Persönlichkeit nicht ganz. Persönlichkeit ist potentiell in allen Geschöpfen vorhanden, deren Verstandesgaben von einem Mindestmaß an Selbstbewusstsein bis zum Höchstmaß an Gottesbewusstsein reichen. Aber Begabung mit Verstand allein ist nicht Persönlichkeit, ebenso wenig wie Geist oder materielle Energie Persönlichkeit sind. Persönlichkeit ist in der kosmischen Realität jene Qualität, jener Wert, den ausschließlich Gott der Vater den lebendigen Systemen von kombinierten und koordinierten materiellen, mentalen und geistigen Energien verleiht. Auch ist Persönlichkeit keine fortschreitende Vollbringung. Persönlichkeit kann materiell oder geistig sein, aber entweder ist Persönlichkeit vorhanden, oder sie ist nicht vorhanden. Das Anders-als-Persönliche erreicht nie die Ebene des Persönlichen außer durch einen direkten Akt des Paradies-Vaters. Die Vergabe der Persönlichkeit ist die ausschließliche Funktion des Universalen Vaters, die Verpersönlichung von lebendigen Energiesystemen, die der Vater mit den Eigenschaften relativen schöpferischen Bewusstseins und deren Kontrolle durch den freien Willen ausstattet. Es gibt keine von Gott getrennt existierende Persönlichkeit, und keine Persönlichkeit existiert außer durch Gott den Vater. Beide, die fundamentalen Wesenszüge des menschlichen Selbst sowie der Justierer, dieser absolute Kern der menschlichen Persönlichkeit, sind Geschenke des Universalen Vaters, der in seinem ausschließlich persönlichen Bereich kosmischen Wirkens handelt. Die Justierer mit vorpersönlichem Status wohnen zahlreichen Typen sterblicher Geschöpfe inne und garantieren dadurch diesen Wesen, den physischen Tod zu überleben und als morontielle Geschöpfe mit dem Potential, ultime Geistigkeit zu erreichen, personifiziert zu werden. Denn wenn ein solcher mit Persönlichkeit ausgestatteter Geschöpfesverstand von einem Geistfragment des ewigen Gottes, von der vorpersönlichen Gabe des persönlichen Vaters, bewohnt wird, besitzt diese endliche Persönlichkeit tatsächlich das Potential des Göttlichen und Ewigen und strebt nach einer dem Ultimen verwandten Bestimmung, wenn nicht gar, noch weiter ausholend, nach einer Erkenntnis des Absoluten. Die Voraussetzung zur göttlichen Persönlichkeit liegt in der Natur des vorpersönlichen Justierers; die Voraussetzung zur menschlichen Persönlichkeit ist potentiell in der Ausrüstung des menschlichen Wesens mit dem kosmischen Verstand vorhanden. Aber die erfahrungsmäßige Persönlichkeit des sterblichen Menschen kann als eine aktive und funktionierende Realität erst beobachtet werden, nachdem das materielle Lebensvehikel des sterblichen Geschöpfes von der befreienden Göttlichkeit des Universalen Vaters berührt worden ist und dadurch als eine Persönlichkeit mit Selbstbewusstsein und (relativer) Selbstbestimmung und eigener Schöpferkraft auf die Meere der Erfahrung geworfen wird. Das materielle Selbst ist wahrhaftig und ohne jede Einschränkung persönlich. Das materielle Selbst hat eine Persönlichkeit und eine Identität, eine zeitliche Identität; der vorpersönliche geistige Justierer besitzt ebenfalls eine Identität, eine ewige Identität. Diese materielle Persönlichkeit und diese geistige Vorpersönlichkeit sind fähig, durch die Vereinigung ihrer schöpferischen Eigenschaften die fortlebende Identität der unsterblichen Seele ins Dasein zu rufen. Nachdem der Vater in dieser Weise für das Wachstum der unsterblichen Seele gesorgt und das innere Selbst des Menschen von den Ketten absoluter Abhängigkeit von vorausgegangenen Ursachen befreit hat, tritt er zur Seite. Nun, da der Mensch - wenigstens was sein ewiges Schicksal betrifft - von den Fesseln des Gesetzes von Ursache und Wirkung frei ist und für das Wachstum des unsterblichen Selbst, der Seele, gesorgt ist, bleibt es dem Menschen selber überlassen, die Erschaffung seines fortlebenden und ewigen Selbst, für das er sich entscheiden kann, zu wollen oder aber diese Erschaffung zu verhindern. Was die ewige Bestimmung der Persönlichkeit des wählenden Sterblichen anbelangt, kann sich kein anderes Wesen, keine Kraft, kein Schöpfer und keine Einwirkung im ganzen weiten Universum der Universen in irgendeinem Grade der absoluten Souveränität dieses sterblichen freien Willens widersetzen, der sich im Reich des Wählens betätigt. Was das ewige Fortleben angeht, so hat Gott die Souveränität des materiellen menschlichen Willens verfügt, und diese Verfügung ist absolut. Die Vergabe der Persönlichkeit an das Geschöpf bringt eine relative Befreiung von der sklavischen Reaktion auf vorangegangene Ursachen, und die Persönlichkeiten all dieser evolutionären oder andersartigen sittlichen Wesen haben ihre Mitte in der Persönlichkeit des Universalen Vaters. Sie fühlen sich stets zu seiner Gegenwart im Paradies hingezogen durch jene Wesensverwandtschaft, die den ungeheuer großen universalen Familienring und brüderlichen Kreis des ewigen Gottes bildet. Es gibt in jeder Persönlichkeit eine Verwandtschaft göttlicher Spontaneität. Der Persönlichkeitskreis des Universums der Universen hat seinen Mittelpunkt in der Person des Universalen Vaters, und der Paradies-Vater ist sich persönlich aller Persönlichkeiten aller Ebenen selbstbewusster Existenz bewusst und steht mit ihnen persönlich in Berührung. Und dieses in der gesamten Schöpfung vorhandene Persönlichkeitsbewusstsein existiert unabhängig von der Sendung der Gedankenjustierer. So wie alle Gravitation vom Kreislauf der Paradies-Insel erfasst wird, aller Verstand vom Kreislauf des Mit-Vollziehers und aller Geist von demjenigen des Ewigen Sohnes, so befinden sich alle Persönlichkeiten im Kreis der persönlichen Gegenwart des Universalen Vaters, und über diesen Kreislauf gelangt die Anbetung aller Persönlichkeiten unfehlbar zur Ursprünglichen und Ewigen Persönlichkeit. Mit jenen Persönlichkeiten, die von keinem Justierer bewohnt werden, verhält es sich so: Die Eigenschaft der Freiheit zu wählen wird ebenfalls vom Universalen Vater verliehen, und solche Personen werden vom großen Kreislauf göttlicher Liebe, vom Persönlichkeitskreis des Universalen Vaters, ebenso erfasst. Gott sorgt für die souveräne Wahlmöglichkeit aller echten Persönlichkeiten. Kein persönliches Geschöpf kann zum ewigen Abenteuer gezwungen werden; das Portal zur Ewigkeit öffnet sich nur als Antwort auf die aus freiem Willen erfolgte Wahl der mit freiem Willen begabten Söhne des Gottes des freien Willens. Und dies stellt mein Bemühen dar, die Beziehungen des lebendigen Gottes mit den Kindern der Zeit darzustellen. Und nachdem alles gesagt und getan ist, bleibt mir nichts Hilfreicheres zu tun übrig als zu wiederholen, dass Gott euer Universumsvater ist, und dass ihr alle seine planetarischen Kinder seid. [Dies ist die fünfte und letzte in der Reihe der Schriften, die die Schilderung des Universalen Vaters durch einen göttlichen Ratgeber aus Uversa enthalten.] ****** Kapitel 6 Der Ewige Sohn ****** DER Ewige Sohn ist der vollkommene und endgültige Ausdruck des "ersten" persönlichen und absoluten Konzeptes des Universalen Vaters. Wann und wie immer sich also der Vater persönlich und absolut ausdrückt, tut er es durch seinen Ewigen Sohn, der immer das lebendige und göttliche Wort gewesen ist, jetzt ist und immer sein wird. Und dieser Ewige Sohn wohnt in der Mitte aller Dinge in Gemeinschaft mit dem Ewigen und Universalen Vater, dessen persönliche Gegenwart unmittelbar umhüllend. Wir sprechen von Gottes "erstem" Gedanken und spielen dabei auf einen unmöglichen zeitlichen Ursprung des Ewigen Sohnes an, um zu den Gedankenkanälen des menschlichen Intellekts Zugang zu finden. Solche Sprachverzerrungen sind Ausdruck unserer besten Anstrengungen bei der kompromissreichen Kontaktnahme mit dem zeitgebundenen Verstand sterblicher Geschöpfe. Nie hätte der Universale Vater im Sinne einer zeitlichen Abfolge einen ersten Gedanken haben können, noch hätte der Ewige Sohn je einen Anfang haben können. Aber ich bin angewiesen worden, dem durch die Zeit beschränkten Verstand der Sterblichen die Realitäten der Ewigkeit in derartigen Gedankensymbolen zu schildern und die Ewigkeitsbeziehungen mit Hilfe solcher Vorstellungen von zeitlichen Sequenzen darzustellen. Der Ewige Sohn ist die geistige Personifizierung von des Paradies-Vaters universalem und unendlichem Konzept göttlicher Realität, durch nichts bedingtem Geist und absoluter Persönlichkeit. Und damit ist der Sohn die göttliche Offenbarung der Schöpferidentität des Universalen Vaters. Die vollkommene Persönlichkeit des Sohnes zeigt, dass der Vater tatsächlich der ewige und universale Ursprung aller Bedeutungen und Werte des Geistigen, Willensmäßigen, Planvollen und Persönlichen ist. Im Bemühen, den endlichen Verstand zu befähigen, sich eine sequenzartige Vorstellung von den Beziehungen zwischen den ewigen und unendlichen Wesen der Paradies-Trinität zu machen, erlauben wir uns derartige konzeptuelle Freiheiten, wie von "dem ersten persönlichen, universalen und unendlichen Konzept des Vaters" zu sprechen. Es ist mir unmöglich, dem menschlichen Verstand eine angemessene Idee von den ewigen Beziehungen der Gottheiten zu vermitteln; deshalb bediene ich mich einer Ausdrucksweise, die dem endlichen Verstand so etwas wie eine Idee von den Beziehungen zwischen diesen ewigen Wesen in der späteren Zeitära erlaubt. Wir glauben, dass der Sohn dem Vater entsprang; man lehrt uns, dass beide uneingeschränkt ewig sind. Es ist deshalb einleuchtend, dass kein Geschöpf der Zeit je dieses Rätsel eines Sohnes, der dem Vater entstammt und dennoch der ewige Gleichgeordnete desselben Vaters ist, voll verstehen kann. ***** 6.1 Identität des Ewigen Sohnes ***** Der Ewige Sohn ist Gottes ursprünglicher und eingeborener Sohn. Er ist Gott der Sohn, die Zweite Person der Gottheit und der Mit-Schöpfer aller Dinge. So wie der Vater der Erste Große Zentrale Ursprung ist, ist der Ewige Sohn der Zweite Große Zentrale Ursprung. Der Ewige Sohn ist das geistige Zentrum und der göttliche Verwalter der geistigen Regierung des Universums der Universen. Der Universale Vater ist zuerst ein Schöpfer und sodann ein Überwacher; der Ewige Sohn ist zuerst ein Mitschöpfer und sodann ein geistiger Verwalter. "Gott ist Geist", und der Sohn ist eine persönliche Offenbarung dieses Geistes. Der Erste Zentrale Ursprung ist das Willens-Absolute; der Zweite Zentrale Ursprung ist das Persönlichkeits-Absolute. Der Universale Vater betätigt sich nie persönlich als ein Schöpfer außer in Verbindung mit dem Sohn oder in koordinierter Handlung mit dem Sohn. Hätte sich der neutestamentliche Verfasser auf den Ewigen Sohn bezogen, dann hätte er die Wahrheit gesprochen, als er schrieb: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist." Als ein Sohn des Ewigen Sohnes auf Urantia erschien, sprachen diejenigen, die mit seinem göttlichen Wesen in Menschengestalt in brüderliche Beziehung traten, von ihm als "dem, der von Anfang an war, den wir gehört haben, den wir mit eigenen Augen gesehen haben, den wir betrachtet haben und den unsere Hände berührt haben, das Wort des Lebens selber". Und dieser Sohn der Selbsthingabe ist aus dem Vater gerade so wahrhaftig wie der Ursprüngliche Sohn hervorgegangen, wie es eines seiner irdischen Gebete andeutet: "Und jetzt, oh mein Vater, verherrliche mich in deinem eigenen Selbst, in der Herrlichkeit, die ich mit dir teilte, noch ehe diese Welt war." Man kennt den Ewigen Sohn in verschiedenen Universen unter jeweils anderen Namen. Im Zentraluniversum kennt man ihn als Gleichgeordneten Ursprung, als Mit-Schöpfer und als das Mit-Absolute. Auf Uversa, dem Hauptsitz des Superuniversums, bezeichnen wir den Sohn als Gleichgeordnetes Geist-Zentrum und als Ewigen Geistigen Verwalter. Auf Salvington, dem Hauptsitz eures Lokaluniversums, wird der Sohn Zweiter Ewiger Zentraler Ursprung genannt. Die Melchisedeks sprechen von ihm als dem Sohn der Söhne. Auf eurer Welt, nicht aber in eurem System bewohnter Sphären, ist der Ursprüngliche Sohn mit einem beigeordneten Schöpfersohn, Michael von Nebadon, verwechselt worden, der sich an die sterblichen Rassen Urantias hingab. Obwohl alle Paradies-Söhne zutreffend Söhne Gottes genannt werden können, pflegen wir die Bezeichnung "der Ewige Sohn" dem Ursprünglichen Sohn vorzubehalten, dem Zweiten Zentralen Ursprung, dem Mitschöpfer-mit dem Universalen Vater-des Zentraluniversums der Macht und Vollkommenheit und Mitschöpfer aller anderen göttlichen Söhne, die den unendlichen Gottheiten entspringen. ***** 6.2 Natur des Ewigen Sohnes ***** Der Ewige Sohn ist genauso unveränderlich und unendlich verlässlich wie der Universale Vater. Er ist auch genauso geistig wie der Vater, ein ebenso wahrhaftig unbegrenzter Geist. Euch, die ihr niedrigen Ursprungs seid, würde der Sohn persönlicher erscheinen, da er euch um einen Schritt näher, also zugänglicher ist als der Universale Vater. Der Ewige Sohn ist das Ewige Wort Gottes. Er gleicht dem Vater vollkommen; in der Tat ist der Ewige Sohn der sich dem Universum der Universen persönlich manifestierende Gott der Vater. Und so galt und gilt von dem Ewigen Sohn und allen beigeordneten Schöpfersöhnen und wird ewig gelten: "Wer den Sohn gesehen hat, hat auch den Vater gesehen." In seinem Wesen ist der Sohn ganz wie der Geist-Vater. Wenn wir den Universalen Vater anbeten, beten wir tatsächlich gleichzeitig auch Gott den Sohn und Gott den Geist an. Gott der Sohn ist seiner Natur nach genauso göttlich wirklich und ewig wie Gott der Vater. Der Sohn besitzt nicht nur des Vaters ganze unendliche und transzendente Rechtschaffenheit, sondern er spiegelt auch die ganze Heiligkeit des Charakters des Vaters wider. Der Sohn teilt mit dem Vater die Vollkommenheit, und er teilt mit ihm auch die gemeinsame Verantwortung dafür, allen unvollkommenen Geschöpfen bei ihrem Bemühen beizustehen, göttliche Vollkommenheit zu erreichen. Der Ewige Sohn besitzt den ganzen Göttlichkeitscharakter des Vaters und dessen Attribute der Geistigkeit. Der Sohn ist die Fülle von Gottes Absolutheit in Persönlichkeit und Geist, und diese Eigenschaften offenbart er in seiner persönlichen Führung der geistigen Regierung des Universums der Universen. Gott ist in der Tat ein universaler Geist; Gott ist Geist; und diese Geistnatur des Vaters ist fokussiert und personifiziert in der Gottheit des Ewigen Sohnes. Im Sohn sind im Unterschied zu der Universalität des Ersten Zentralen Ursprungs offensichtlich alle geistigen Wesenszüge des Vaters in hohem Maße verstärkt. Und wie der Vater seine geistige Natur mit dem Sohn teilt, so teilen sie beide den göttlichen Geist ebenso vollständig und rückhaltlos mit dem Mit-Vollzieher, dem Unendlichen Geist. In der Liebe zur Wahrheit und Erschaffung von Schönheit sind der Vater und der Sohn einander gleich, außer dass der Sohn sich mehr der Verwirklichung der ausschließlich geistigen Schönheit der universalen Werte hinzugeben scheint. In göttlicher Güte nehme ich zwischen dem Vater und dem Sohn keinen Unterschied wahr. Der Vater liebt seine Universumskinder wie ein Vater; der Ewige Sohn schaut auf alle Geschöpfe wie ein Vater und wie ein Bruder. ***** 6.3 Das liebende Wirken des Vaters ***** Der Sohn teilt die Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit der Trinität, aber breitet über diese Göttlichkeitsaspekte die unendliche Verpersönlichung der Liebe und Barmherzigkeit des Vaters; der Sohn ist die Offenbarung der göttlichen Liebe an die Universen. So wie Gott Liebe ist, ist der Sohn Barmherzigkeit. Der Sohn kann nicht mehr lieben als der Vater, aber er kann sich der Geschöpfe in zusätzlicher Weise erbarmen, da er nicht nur ein uranfänglicher Schöpfer wie der Vater, sondern auch der Ewige Sohn dieses Vaters ist und deshalb mit allen anderen Söhnen des Universalen Vaters die Erfahrung der Sohnschaft teilt. Der Ewige Sohn ist der große Barmherzigkeitsspender der ganzen Schöpfung. Erbarmen ist die Essenz des geistigen Charakters des Sohnes. Die Erlasse des Ewigen Sohnes, die über die Geist-Kreise des Zweiten Zentralen Ursprungs ausgesandt werden, sind auf Barmherzigkeit eingestimmt. Um die Liebe des Ewigen Sohnes zu verstehen, müsst ihr zuerst seinen göttlichen Ursprung, den Vater, der Liebe ist, wahrnehmen und danach die Entfaltung dieser unendlichen Zuneigung im universumsweiten Wirken des Unendlichen Geistes und seiner nahezu unbegrenzten Armeen dienender Persönlichkeiten betrachten. Das Wirken des Ewigen Sohnes gilt der Offenbarung des Gottes der Liebe an das Universum der Universen. Der göttliche Sohn widmet sich nicht der erbärmlichen Aufgabe des Versuchs, seinen gnädigen Vater davon zu überzeugen, seine niedrigen Geschöpfe zu lieben und sich der Übeltäter der Zeit zu erbarmen. Welch ein Irrtum, sich vorzustellen, der Ewige Sohn flehe den Universalen Vater an, sich seiner niedrigen Geschöpfe auf den materiellen Welten des Raums zu erbarmen! Solche Gottesvorstellungen sind roh und grotesk. Ihr solltet viel eher erkennen, dass all das erbarmungsvolle Wirken der Söhne Gottes eine direkte Offenbarung der universalen Liebe und des unendlichen Mitgefühls des Vaterherzens ist. Des Vaters Liebe ist die wahre und ewige Quelle der Barmherzigkeit des Sohnes. Gott ist Liebe, der Sohn ist Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist angewandte Liebe, des Vaters Liebe in Aktion in der Person des Ewigen Sohnes. Die Liebe des Universalen Sohnes ist ebenso universal. So wie man Liebe auf einem von Geschlechtswesen bewohnten Planeten versteht, ist die Liebe Gottes eher der Liebe eines Vaters vergleichbar, während die Liebe des Ewigen Sohnes der liebevollen Zuwendung einer Mutter ähnlicher ist. Solche Vergleiche sind allerdings roh, aber ich ziehe sie in der Hoffnung heran, menschlichem Denken den Gedanken zu vermitteln, dass zwischen der Liebe des Vaters und der Liebe des Sohnes ein Unterschied besteht, nicht an göttlichem Gehalt, wohl aber in Art und Technik des Ausdrucks. ***** 6.4 Die Attribute des Ewigen Sohnes ***** Der Ewige Sohn ist der Antrieb der geistigen Ebene der kosmischen Realität; die geistige Macht des Sohnes ist in Bezug auf alle Gegebenheiten des Universums absolut. Durch seine absolute Gewalt über die geistige Gravitation übt er eine vollkommene Kontrolle über die Verflechtung aller undifferenzierten geistigen Energie und über alle verwirklichte geistige Realität aus. Aller reine, unfragmentierte Geist und alle geistigen Wesen und Werte antworten auf die unendliche Anziehungskraft des uranfänglichen Paradies-Sohnes. Und sollte die ewige Zukunft Zeugin des Erscheinens eines grenzenlosen Universums werden, würden sich geistige Gravitation und geistige Macht des Ursprünglichen Sohnes der geistigen Kontrolle und wirksamen Verwaltung solch einer unbegrenzten Schöpfung durchaus gewachsen zeigen. Der Sohn ist nur im geistigen Bereich allmächtig. Nie begegnet man in der ewigen Ökonomie der Universumsverwaltung unwirtschaftlichen und unnötigen Wiederholungen einer Funktion; die Gottheiten vermeiden in ihrem universalen Wirken unnütze Doppelgleisigkeit. Die Allgegenwart des Ursprünglichen Sohnes bildet die geistige Einheit des Universums der Universen. Der geistige Zusammenhalt der ganzen Schöpfung beruht auf der überall aktiven Gegenwart des göttlichen Geistes des Ewigen Sohnes. Wenn wir uns des Vaters geistige Gegenwart vorstellen, finden wir es schwer, sie in unserem Denken von der geistigen Gegenwart des Ewigen Sohnes zu scheiden. Der Geist des Vaters wohnt ewig im Geist des Sohnes. Der Vater muss geistig allgegenwärtig sein, aber diese Allgegenwart scheint von den überall stattfindenden Geistesaktivitäten des Ewigen Sohnes nicht zu trennen zu sein. Wir glauben indessen, dass in allen Situationen einer Vater-Sohn-Gegenwart zweifacher geistiger Natur der Geist des Sohnes mit dem Geist des Vaters koordiniert ist. In seinem Kontakt mit der Persönlichkeit handelt der Vater über den Persönlichkeitskreis. In seinem persönlichen und feststellbaren Kontakt mit der geistigen Schöpfung tritt er in den Fragmenten der Totalität seiner Gottheit in Erscheinung, und diese Vaterfragmente haben eine einsame, einzigartige und ausschließliche Funktion, wo und wann immer sie in den Universen auftauchen. In all solchen Situationen ist der Geist des Sohnes mit der geistigen Funktion der fragmentierten Gegenwart des Universalen Vaters koordiniert. Geistig ist der Ewige Sohn allgegenwärtig. Der Geist des Ewigen Sohnes ist mit größter Gewissheit bei euch und um euch herum, aber nicht in euch und ein Teil von euch wie der Unergründliche Mentor. Das im Inneren wohnende Vaterfragment stimmt den menschlichen Verstand auf zunehmend göttliche Haltungen ein, worauf solch ein aufsteigender Verstand immer mehr auf die geistige Anziehungskraft des allmächtigen Geist-Gravitationskreises des Zweiten Zentralen Ursprungs anspricht. Der Ursprüngliche Sohn hat ein universales und geistiges Selbstbewusstsein. An Weisheit ist der Sohn dem Vater vollkommen ebenbürtig. In den Bereichen des Wissens, der Allwissenheit können wir zwischen dem Ersten und Zweiten Ursprung nicht unterscheiden; wie der Vater weiß auch der Sohn alles; kein Universumsereignis kann ihn je überraschen; er begreift das Ende von allem Anfang an. Der Vater und der Sohn kennen tatsächlich die Zahl und den Aufenthaltsort aller Geistwesen und vergeistigten Wesen im Universum der Universen. Der Sohn kennt alle Dinge nicht nur dank seinem allgegenwärtigen Geist, sondern wie der Vater und wie der Mit-Vollzieher hat er volle Kenntnis von der ungeheuren reflexiven Intelligenz des Supremen Wesens. Diese Intelligenz ist sich allzeit aller Dinge bewusst, die auf allen Welten der sieben Superuniversen vor sich gehen. Und der Paradies-Sohn ist noch auf andere Weisen allwissend. Als liebende, erbarmende und fürsorgende geistige Persönlichkeit ist der Ewige Sohn dem Universalen Vater völlig und unendlich ebenbürtig, während er in all seinen erbarmungs- und liebevollen persönlichen Kontakten mit den aufsteigenden Wesen der niederen Welten ebenso freundlich und aufmerksam, ebenso geduldig und langmütig ist wie seine Paradies-Söhne der Lokaluniversen, die sich so oft auf den evolutionären Welten der Zeit hingeben. Es ist überflüssig, sich weiter über die Attribute des Ewigen Sohnes zu verbreiten. Mit den erwähnten Ausnahmen ist es nur notwendig, die geistigen Attribute Gottes des Vaters zu studieren, um die Attribute Gottes des Sohnes zu verstehen und richtig zu beurteilen. ***** 6.5 Begrenzungen des Ewigen Sohnes ***** Der Ewige Sohn wirkt in den materiellen Bereichen nicht persönlich, noch wirkt er auf den Ebenen des mentalen Dienstes an den Geschöpfeswesen anders als durch den Mit-Vollzieher. Aber diese Beschränkungen begrenzen den Ewigen Sohn in keiner Weise in der vollen und freien Ausübung aller göttlichen Attribute geistiger Allwissenheit, Allgegenwart und Allmacht. Der Ewige Sohn durchdringt die in der Unendlichkeit des Gottheit-Absoluten beschlossenen Geistpotentiale nicht persönlich, aber in dem Maße, wie sich diese Potentiale verwirklichen, kommen sie unter die allmächtige Kontrolle des Geist-Gravitationskreises des Sohnes. Persönlichkeit ist die ausschließliche Gabe des Universalen Vaters. Der Ewige Sohn leitet seine Persönlichkeit vom Vater ab, aber er verleiht keine Persönlichkeit ohne den Vater. Aus dem Sohn geht ein gewaltiges Heer von Geistwesen hervor, aber derartige Abkömmlinge sind keine Persönlichkeiten. Wenn der Sohn Persönlichkeiten erschafft, tut er es in Verbindung mit dem Vater oder dem Mit-Vollzieher, der in solchen Fällen an des Vaters Stelle handeln kann. Der Ewige Sohn ist also ein Mitschöpfer von Persönlichkeiten, aber er verleiht keinem Wesen Persönlichkeit und erschafft von sich aus, allein, nie persönliche Wesen. Diese Handlungsbeschränkung beraubt den Sohn indessen nicht der Fähigkeit, alle Typen zu erschaffen, die einer anderen als persönlichen Realität angehören. Der Ewige Sohn ist in der Weitergabe von Schöpferprivilegien begrenzt. Als der Vater den Ursprünglichen Sohn in die Ewigkeit rief, verlieh er ihm die Macht und das Vorrecht, sich später zusammen mit ihm an dem göttlichen Akt der Zeugung zusätzlicher Söhne mit schöpferischen Eigenschaften zu beteiligen, und das haben sie getan und tun es auch heute noch. Aber wenn diese beigeordneten Söhne einmal erschaffen sind, können die Schöpferprivilegien anscheinend nicht weitergegeben werden. Der Ewige Sohn gibt die Schöpfermacht nur an die erste oder direkte Personifizierung weiter. Wenn sich deshalb der Vater und der Sohn vereinigen, um einen Schöpfersohn zu personifizieren, erreichen sie ihren Zweck; aber der dadurch ins Dasein gerufene Schöpfersohn ist nie fähig, die Schöpferprivilegien an die verschiedenen Ordnungen von Söhnen, die er in der Folge erschaffen kann, weiterzugeben oder zu delegieren, obwohl sich in den höchsten Söhnen eines Lokaluniversums tatsächlich ein sehr begrenzter Widerschein der Schöpferattribute des Schöpfersohnes zeigt. Der Ewige Sohn kann als ein unendliches und ausschließlich persönliches Wesen seine Natur nicht fragmentieren, kann nicht wie der Universale Vater oder der Unendliche Geist individualisierte Teile seines Selbst an andere Wesenheiten oder Personen austeilen oder verschenken. Aber der Sohn kann sich selbst als einen grenzenlosen Geist schenken, der die ganze Schöpfung durchflutet und ohne Unterlass alle geistigen Persönlichkeiten und geistigen Realitäten an sich zieht. Denkt stets daran, dass der Ewige Sohn das persönliche Porträt des Geist-Vaters für die ganze Schöpfung ist. Der Sohn ist im Gottheits-Sinne persönlich und nichts als persönlich; solch eine göttliche und absolute Persönlichkeit kann sich nicht desintegrieren oder fragmentieren. Gott der Vater und Gott der Geist sind wahrhaft persönlich, aber über solche Gottheitspersönlichkeiten hinaus sind sie auch noch alles andere. Obwohl der Ewige Sohn bei der Verleihung der Gedankenjustierer nicht persönlich mitwirken kann, hielt er tatsächlich in der ewigen Vergangenheit mit dem Vater Rat, billigte dessen Plan und versprach ewige Mitwirkung, als der Vater die Vergabe der Gedankenjustierer plante und dem Sohn vorschlug: "Lasst uns den sterblichen Menschen nach unserem Bilde erschaffen." Und so wie das Geistfragment des Vaters in eurem Inneren wohnt, hüllt euch die Geistgegenwart des Sohnes ein, während alle beide auf ewig für euer geistiges Vorwärtskommen wie eins wirken. ***** 6.6 Der Geist-Verstand ***** Der Ewige Sohn ist Geist und hat einen Verstand, aber keinen Verstand oder Geist, den der sterbliche Verstand begreifen kann. Der sterbliche Mensch nimmt alles Verstandesmäßige auf der endlichen, kosmischen, materiellen und persönlichen Ebene wahr. Der Mensch beobachtet Verstandesphänomene auch bei lebendigen Organismen, die auf der unterpersönlichen (tierischen) Ebene funktionieren, aber es fällt ihm schwer, das Wesen des Verstandes in Verbindung mit übermateriellen Wesen und als Teil ausschließlich geistiger Persönlichkeiten zu erfassen. Verstand muss indessen anders definiert werden, wenn er sich auf die geistige Existenzebene bezieht und zur Bezeichnung geistiger Funktionen der Intelligenz benutzt wird. Diese unmittelbar mit dem Geist verbundene Art von Verstand ist weder jenem Verstand vergleichbar, der Geist und Materie koordiniert, noch jenem, der nur mit der Materie verbunden ist. Geist ist immer bewusst, mit Verstand begabt und besitzt verschiedene Phasen der Identität. Ohne Verstand in irgendeiner Phase gäbe es in der Bruderschaft geistiger Wesen kein geistiges Bewusstsein. Das Äquivalent des Verstandes, die Fähigkeit zu kennen und gekannt zu werden, ist der Gottheit eingeboren. Die Gottheit mag persönlich, vorpersönlich, überpersönlich oder unpersönlich sein, aber Gottheit ist nie ohne Verstand, das heißt, dass sie nie der Fähigkeit entbehrt, mindestens mit ihr ähnlichen Wesenheiten, Wesen oder Persönlichkeiten zu kommunizieren. Der Verstand des Ewigen Sohnes ist gleich demjenigen des Vaters, aber von jedem anderen Verstand im Universum verschieden, und zusammen mit dem Verstand des Vaters ist er der Ahne der unterschiedlichen und weitverstreuten Verstandesarten des Mit-Vollziehers. Der Verstand des Vaters und des Sohnes, dieser intellektuelle Ahne des absoluten Verstandes des Dritten Zentralen Ursprungs, wird vielleicht am besten anhand des Vorverstandes eines Gedankenjustierers veranschaulicht; denn obwohl sich diese Vaterfragmente völlig außerhalb der Verstandeskreise des Mit-Vollziehers befinden, besitzen sie doch eine Art von Vorverstand; sie kennen, so wie man sie kennen kann; sie erfreuen sich des Äquivalents menschlichen Denkens. Der Ewige Sohn ist ganz und gar geistig; der Mensch ist nahezu völlig materiell; deshalb muss vieles, was sich auf die Geistpersönlichkeit des Ewigen Sohnes, auf seine sieben das Paradies umkreisenden geistigen Sphären und auf die Natur der unpersönlichen Schöpfungen des Paradies-Sohnes bezieht, so lange auf euch warten, bis ihr nach Abschluss eures morontiellen Aufstiegs durch das Lokaluniversum von Nebadon den geistigen Status erreicht habt. Und wenn ihr danach das Superuniversum durchlauft und nach Havona weitergeht, werden sich für euch viele von diesen im Geist verborgenen Geheimnissen klären, da ihr mit dem "Verstand des Geistes"-geistiger Schau-ausgestattet zu werden beginnt. ***** 6.7 Persönlichkeit des Ewigen Sohnes ***** Der Ewige Sohn ist jene unendliche Persönlichkeit, aus deren Fesseln uneingeschränkter Persönlichkeit sich der Universale Vater durch die Technik der Trinitisation befreit hat, durch die er sich seither stets in verschwenderischer Fülle ohne Ende an sein ewig expandierendes Universum von Schöpfern und Geschöpfen austeilt. Der Sohn ist absolute Persönlichkeit; Gott ist Vaterpersönlichkeit- Urquell der Persönlichkeit, Spender der Persönlichkeit, Ursache der Persönlichkeit. Jedes persönliche Wesen verdankt seine Persönlichkeit dem Universalen Vater gerade so, wie der Ursprüngliche Sohn seine Persönlichkeit ewig dem Paradies-Vater verdankt. Die Persönlichkeit des Paradies-Sohnes ist absolut und rein geistig, und diese absolute Persönlichkeit ist auch das göttliche und ewige Urmuster der zuerst vom Vater dem Mit-Vollzieher verliehenen Persönlichkeit und der von ihm in der Folge an Myriaden seiner Geschöpfe in einem riesigen Universum ausgeteilten Persönlichkeiten. Der Ewige Sohn ist wahrhaftig ein erbarmungsvoll Wirkender, ein göttlicher Geist, eine geistige Macht und eine wirkliche Persönlichkeit. Der Sohn ist die für das Universum manifest gewordene geistige und persönliche Natur Gottes-die Summe und Substanz des Ersten Zentralen Ursprungs abzüglich alles Nichtpersönlichen, Außergöttlichen, Nichtgeistigen und rein Potentiellen. Aber es ist unmöglich, dem menschlichen Verstand mit Worten ein Bild von der Schönheit und Größe der himmlischen Persönlichkeit des Ewigen Sohnes zu vermitteln. Alles was dazu beiträgt, den Vater zu verdunkeln, übt einen fast ebenso starken Einfluss aus, um die vorstellungsmäßige Erkenntnis des Ewigen Sohnes zu verhindern. Ihr müsst warten, bis ihr das Paradies erreicht, und dann werdet ihr verstehen, weshalb ich unfähig war, den Charakter dieser absoluten Persönlichkeit in einer für den endlichen Verstand fassbaren Weise darzustellen. ***** 6.8 Das klare Erkennen des Ewigen Sohnes ***** Was Identität, Natur und andere Persönlichkeitsattribute anbelangt, so ist der Ewige Sohn dem Universalen Vater voll ebenbürtig; er ist seine vollkommene Ergänzung und sein ewiges Gegenüber. Im selben Sinne, wie Gott der Universale Vater ist, ist der Sohn die Universale Mutter. Und wir alle, hoch und niedrig, bilden ihre universale Familie. Um den Charakter des Sohnes zu würdigen, solltet ihr die Offenbarung des göttlichen Charakters des Vaters studieren; sie sind für immer und untrennbar eins. Als göttliche Persönlichkeiten sind sie für niedrigere Intelligenzordnungen praktisch ununterscheidbar. Sie einzeln zu erkennen, fällt denen nicht so schwer, die ihren Ursprung dem Schöpferakt der Gottheiten selber verdanken. Dem Zentraluniversum oder Paradies entstammende Wesen nehmen den Vater und den Sohn nicht nur als eine einzige persönliche, die universale Kontrolle ausübende Einheit wahr, sondern auch als zwei getrennte Persönlichkeiten mit Funktionen in bestimmten Bereichen der Universumsverwaltung. Als Personen könnt ihr euch den Universalen Vater und den Ewigen Sohn als getrennte Individualitäten vorstellen, weil sie es tatsächlich sind; aber in der Verwaltung der Universen stehen sie in so verschlungener Wechselbeziehung zueinander, dass es nicht immer möglich ist, zwischen ihnen zu unterscheiden. Wenn man in den Universumsangelegenheiten dem Vater und dem Sohn in verwirrenden gegenseitigen Verbindungen begegnet, ist es nicht immer nützlich, ihre Wirkungsweisen auseinander halten zu wollen; erinnert euch vielmehr daran, dass Gott der auslösende Gedanke und der Sohn das ausdrucksvolle Wort ist. In jedem Lokaluniversum personifiziert sich diese Unzertrennlichkeit in der Göttlichkeit des Schöpfersohnes, der für die Geschöpfe von zehn Millionen bewohnten Welten sowohl den Vater als auch den Sohn bedeutet. Der Ewige Sohn ist unendlich, aber man kann sich ihm durch die Personen seiner Paradies-Söhne und durch das geduldige Wirken des Unendlichen Geistes nähern. Ohne den Dienst, den die Paradies-Söhne mit ihren Selbsthingaben erbringen, und ohne das liebevolle Walten der Geschöpfe des Unendlichen Geistes könnten Wesen materiellen Ursprungs kaum hoffen, den Ewigen Sohn zu erreichen. Ebenso wahr ist es, dass mit Hilfe und Führung dieser himmlischen Kräfte die gottesbewussten Sterblichen das Paradies mit Gewissheit erreichen und sich eines Tages in der persönlichen Gegenwart dieses majestätischen Sohnes der Söhne befinden werden. Obwohl der Ewige Sohn das Urmuster sterblicher Persönlichkeitsvollbringung ist, fällt es euch leichter, die Realität sowohl des Vaters als auch des Geistes zu erfassen, weil der Vater euch tatsächlich eure menschliche Persönlichkeit verliehen hat und der Unendliche Geist der absolute Ursprung eures sterblichen Verstandes ist. Aber während ihr auf dem Pfad geistiger Weiterentwicklung zum Paradies aufsteigt, wird die Persönlichkeit des Ewigen Sohnes für euch immer wirklicher werden, und euer sich fortlaufend vergeistigender Verstand wird die Realität seines unendlich geistigen Verstandes immer klarer erkennen. Nie vermag die Vorstellung vom Ewigen Sohn in eurem materiellen oder späteren morontiellen Verstand hell zu leuchten. Erst mit eurer Vergeistigung und wenn ihr mit eurem geistigen Aufstieg beginnt, wird das Verständnis der Persönlichkeit des Ewigen Sohnes allmählich die Lebendigkeit eurer Vorstellung von der Persönlichkeit des Schöpfersohnes paradiesischen Ursprungs erlangen, der sich auf Urantia einst in Person und als eine Person inkarnierte und als Mensch unter Menschen lebte. Während eurer ganzen Erfahrung im Lokaluniversum muss der Schöpfersohn, dessen Persönlichkeit der Mensch verstehen kann, euer Unvermögen kompensieren, die volle Bedeutung des in ausschließlicherem Sinne geistigen, aber nicht weniger persönlichen Ewigen Sohnes des Paradieses zu erfassen. Während ihr durch Orvonton und Havona fortschreitet und das lebhafte Bild des Schöpfersohnes eures Lokaluniversums und die tiefen Erinnerungen an ihn hinter euch lasst, werden diese materiellen und morontiellen Erfahrungen verblassen, aber durch die sich stets erweiternden Vorstellungen vom Ewigen Sohn des Paradieses und durch dessen sich intensivierendes Erfassen aufgewogen werden; und seine Realität und Nähe werden immer zunehmen, während ihr dem Paradies zustrebt. Der Ewige Sohn ist eine große und glorreiche Persönlichkeit. Obwohl es die Kräfte des sterblichen und materiellen Verstandes übersteigt, die Wirklichkeit der Persönlichkeit eines solch unendlichen Wesens zu erfassen, so zweifelt doch nicht daran, dass er eine Person ist. Ich weiß, wovon ich spreche. Fast ungezählte Male habe ich in der göttlichen Gegenwart dieses Ewigen Sohnes gestanden und danach die Reise ins Universum angetreten, um seine gnadenvollen Weisungen auszuführen. [Verfasst von einem Göttlichen Ratgeber, der mit der Formulierung dieser Darstellung des Ewigen Sohnes des Paradieses beauftragt wurde.] ****** Kapitel 7 Beziehung des Ewigen Sohnes zum Universum ****** DER Ursprüngliche Sohn widmet sich ewig der Ausführung der geistigen Aspekte des ewigen Vorhabens des Vaters, während sich dieses nach und nach in den Phänomenen der sich entwickelnden Universen mit ihren mannigfaltigen Gruppen lebender Wesen entfaltet. Wir verstehen diesen ewigen Plan nicht ganz, aber ohne Zweifel versteht ihn der Paradies-Sohn. Wie der Vater trachtet auch der Sohn danach, seinen beigeordneten Söhnen und deren untergeordneten Söhnen alles nur Mögliche von sich selbst zukommen zu lassen. Und der Sohn teilt des Vaters sich selbst austeilende Natur in der schrankenlosen Hingabe seiner selbst an den Unendlichen Geist, ihren gemeinsamen Vollzieher. Als Erhalter der geistigen Realitäten ist der Zweite Zentrale Ursprung das ewige Gegengewicht zu der Paradies-Insel, die alle materiellen Dinge so wunderbar aufrechterhält. So offenbart sich der Erste Zentrale Ursprung für immer in der materiellen Schönheit der erlesenen Urmuster der zentralen Insel und in den geistigen Werten der himmlischen Persönlichkeit des Ewigen Sohnes. Der Ewige Sohn ist die eigentliche Stütze der gewaltigen Schöpfung geistiger Realitäten und geistiger Wesen. Die geistige Welt ist die Seinsart, das persönliche Verhalten des Sohnes, und die unpersönlichen Realitäten geistiger Natur reagieren stets auf den Willen und Vorsatz der vollkommenen Persönlichkeit des Absoluten Sohnes. Der Sohn ist indessen nicht persönlich für das Verhalten aller geistigen Persönlichkeiten verantwortlich. Der Wille der persönlichen Geschöpfe ist relativ frei und deshalb für die Handlungen dieser Willenswesen bestimmend. Folglich vermittelt die mit freiem Willen begabte geistige Welt nicht immer ein wahrhaft getreues Bild vom Charakter des Ewigen Sohnes, ebenso wenig wie die Natur auf Urantia die Vollendung und Unveränderlichkeit des Paradieses und der Gottheit getreu zum Ausdruck bringt. Aber was auch immer die freien Willensakte von Menschen oder Engeln kennzeichnen mag, des Sohnes ewige Macht über die universale Gravitationskontrolle aller Geistrealitäten bleibt absolut. ***** 7.1 Der Kreislauf der Geistgravitation ***** Alles, was über Gottes Immanenz, seine Allgegenwart, Allmacht und Allwissenheit gelehrt wurde, ist ebenso wahr für den Sohn im geistigen Bereich. Die reine und universale Geistgravitation der gesamten Schöpfung, dieser ausschließlich geistige Kreislauf, führt direkt zurück zu der Person des Zweiten Zentralen Ursprungs im Paradies. Sie hat die Kontrolle über das Wirken der stets gegenwärtigen geistigen Kraft, die unfehlbar alle wahren geistigen Werte an sich zieht. Auf diese Weise übt der Ewige Sohn absolute geistige Souveränität aus. Buchstäblich hält er alle geistigen Realitäten und vergeistigten Werte gleichsam in seiner Hand. Die Kontrolle der universalen geistigen Gravitation ist universale geistige Souveränität. Diese Gravitationskontrolle alles Geistigen arbeitet unabhängig von Zeit und Raum; deshalb geht bei der Übertragung von geistiger Energie nichts verloren. Die Geistgravitation erleidet nie zeitliche Verzögerungen, noch verringert sie sich im Raum. Sie nimmt nicht entsprechend der Quadratzahl ihrer Übertragungsdistanz ab; die Kreisläufe reiner geistiger Macht werden durch die Masse der materiellen Schöpfung nicht verlangsamt. Und diese Transzendenz von Zeit und Raum durch rein geistige Energien liegt in der Absolutheit des Sohnes und wird nicht durch Einschaltung der Antigravitationskräfte des Dritten Zentralen Ursprungs verursacht. Geistige Realitäten sprechen auf die Anziehungskraft des geistigen Gravitationszentrums je nach ihrem qualitativen Wert an, ihrem tatsächlichen Grad an geistiger Natur. Geistige Substanz (Qualität) spricht in derselben Weise auf die geistige Gravitation an, wie die organisierte Energie der physischen Materie (Quantität) auf die materielle Gravitation anspricht. Geistige Werte und geistige Kräfte sind real. Aus der Sicht der Persönlichkeit ist der Geist die Seele der Schöpfung; die Materie ist ihr schattenhafter physischer Körper. Die Reaktionen und Schwankungen der Geist-Gravitation erfolgen immer getreu dem Gehalt an geistigen Werten, dem qualitativen geistigen Status eines Einzelwesens oder einer Welt. Diese Anziehungskraft spricht augenblicklich an auf die zwischengeistigen und innergeistigen Werte irgendeiner Universumssituation oder eines planetarischen Zustands. Jedes Mal wenn in den Universen eine geistige Realität Wirklichkeit wird, erfordert dieser Wechsel eine unmittelbare, sofortige Neuanpassung der Geistgravitation. Solch ein neuer Geist ist in der Tat ein Teil des Zweiten Zentralen Ursprungs; und ebenso gewiss wie ein sterblicher Mensch ein vergeistigtes Wesen wird, wird er den geistigen Sohn, das Zentrum und die Quelle der Geistgravitation, erreichen. Des Sohnes geistige Anziehungskraft wohnt in geringerem Maße vielen Sohnesordnungen des Paradieses inne. Denn innerhalb des absoluten Geistgravitationskreises gibt es jene lokalen Systeme geistiger Anziehung, die in den kleineren Einheiten der Schöpfung wirken. Derartige unter-absolute Fokussierungen der Geistgravitation sind ein Teil der Göttlichkeit der Schöpferpersönlichkeiten von Zeit und Raum und stehen in Verbindung mit der erwachenden erfahrungsmäßigen höchsten Kontrolle des Supremen Wesens. Anziehung und Beantwortung der Geistgravitation wirken nicht nur im Universum als Ganzem, sondern auch zwischen Individuen und Gruppen von Individuen. Es gibt einen geistigen Zusammenhalt zwischen den geistigen und vergeistigten Persönlichkeiten jeder Welt, Rasse, Nation oder Gruppe gläubiger Einzelwesen. Es gibt eine direkte Anziehung geistiger Natur zwischen geistig gesinnten Personen mit gleichen Neigungen und Sehnsüchten. Der Ausdruck verwandte Geister ist keine bloße Redensart. Wie die materielle Gravitation des Paradieses ist auch die geistige Gravitation des Ewigen Sohnes absolut. Sünde und Rebellion können das Funktionieren der Kreisläufe eines Lokaluniversums behindern, aber nichts kann die Geistgravitation des Ewigen Sohnes zeitweilig außer Kraft setzen. Die Rebellion Luzifers bewirkte in eurem System bewohnter Welten und auf Urantia viele Veränderungen, aber wir beobachten nicht, dass die darauf folgende, über euren Planeten verhängte geistige Quarantäne die Gegenwart und das Funktionieren des allgegenwärtigen Geistes des Ewigen Sohnes oder des damit verbundenen Geistgravitationskreises im Geringsten beeinträchtigt hätte. Alle Reaktionen des Geistgravitationskreises des großen Universums sind voraussehbar. Wir erkennen alle Aktionen und Reaktionen des allgegenwärtigen Geistes des Ewigen Sohnes und stellen fest, dass man sich auf sie verlassen kann. In Übereinstimmung mit wohlbekannten Gesetzen können wir-und tun es auch-die geistige Gravitation gerade so messen, wie der Mensch versucht, das Wirken der endlichen physischen Gravitation zu berechnen. Es gibt eine unveränderliche Antwort des Geistes des Sohnes auf alle geistigen Dinge, Wesen und Personen, und diese Antwort geschieht stets im Einklang mit dem Wirklichkeitsgrad (dem qualitativen Grad an Realität) all solcher geistiger Werte. Aber neben dieser sehr verlässlichen und vorhersagbaren Wirkungsweise der geistigen Gegenwart des Ewigen Sohnes begegnet man Phänomenen, die in ihren Reaktionen weniger voraussagbar sind. Solche Phänomene deuten wahrscheinlich auf das koordinierte Handeln des Gottheit-Absoluten in den Reichen erwachender geistiger Potentiale hin. Wir wissen, dass die geistige Gegenwart des Ewigen Sohnes der Einfluss einer majestätischen und unendlichen Persönlichkeit ist, aber schwerlich betrachten wir Reaktionen als persönlich, die mit den mutmaßlichen Leistungen des Gottheit-Absoluten verknüpft sind. Vom Standpunkt der Persönlichkeit aus und von Personen betrachtet, scheinen der Ewige Sohn und das Gottheit-Absolute in folgender Beziehung zu stehen: Der Ewige Sohn herrscht im Reich der verwirklichten Werte, während das Gottheit-Absolute die gewaltige Domäne potentieller Geistwerte zu durchdringen scheint. Jeder verwirklichte Wert geistiger Natur tritt in den Gravitationssog des Ewigen Sohnes, bleibt aber offenbar, solange potentiell, in der Gegenwart des Gottheit-Absoluten. Der Geist scheint aus den Potentialen des Gottheit-Absoluten hervorzugehen; der sich entwickelnde Geist findet eine Entsprechung im erfahrungsmäßigen und unvollständigen Zugriff des Supremen und des Ultimen; schließlich findet der Geist seine finale Bestimmung im absoluten Zugriff der geistigen Gravitation des Ewigen Sohnes. Dies ist offenbar der Zyklus des erfahrungsmäßigen Geistes, aber der existentielle Geist ist der Unendlichkeit des Zweiten Zentralen Ursprungs inhärent. ***** 7.2 Die Verwaltung des Ewigen Sohnes ***** Im Paradies sind Gegenwart und persönliche Aktivität des Ursprünglichen Sohnes tief, im geistigen Sinne absolut. Wenn wir aus dem Paradies über Havona in die Reiche der sieben Superuniversen gehen, stellen wir eine immer geringere persönliche Aktivität des Ewigen Sohnes fest. In den Nach-Havona-Universen personifiziert sich die Gegenwart des Ewigen Sohnes in den Paradies-Söhnen, wird durch die erfahrungsmäßigen Realitäten des Supremen und des Ultimen bedingt und koordiniert sich mit dem unbegrenzten Geistpotential des Gottheit-Absoluten. Im Zentraluniversum erkennt man die persönliche Aktivität des Ursprünglichen Sohnes an der wunderbaren geistigen Harmonie der ewigen Schöpfung. Havona ist so erstaunlich vollkommen, dass geistiger Status und energetische Zustände dieses Urmuster-Universums sich auf ewig ein vollendetes Gleichgewicht halten. In den Superuniversen ist der Sohn nicht persönlich anwesend oder wohnhaft; in diesen Schöpfungen unterhält er nur eine überpersönliche Vertretung. Diese Geistmanifestationen des Sohnes sind nicht persönlich; sie befinden sich nicht im Persönlichkeitskreis des Universalen Vaters. Wir finden zu ihrer Beschreibung keinen besseren Ausdruck als Überpersönlichkeiten; es sind endliche Wesen; sie sind weder absonit noch absolut. Da die Verwaltung des Ewigen Sohnes in den Superuniversen ausschließlich geistiger und überpersönlicher Art ist, kann sie von Geschöpfespersönlichkeiten nicht wahrgenommen werden. Dennoch begegnet man dem alles durchdringenden geistigen Antrieb des persönlichen Einflusses des Sohnes in jeder Aktivitätsphase aller Sektoren der Reiche der Ältesten der Tage. In den Lokal-universen indessen nehmen wir die persönliche Gegenwart des Ewigen Sohnes in den Personen der Paradies-Söhne war. Hier wirkt der unendliche Sohn geistig und schöpferisch in den Personen des erhabenen Korps der beigeordneten Schöpfersöhne. ***** 7.3 Die Beziehung des Ewigen Sohnes zum Einzelnen ***** Während ihres Aufstiegs im Lokaluniversum schauen die Sterblichen der Zeit auf den Schöpfersohn als auf den persönlichen Vetreter des Ewigen Sohnes. Aber wenn sie mit ihrem Aufstieg im superuniversellen Schulungssystem beginnen, gewahren die Pilger der Zeit immer mehr die himmlische Gegenwart des inspirierenden Geistes des Ewigen Sohnes, und sie werden fähig, mit Gewinn aus diesem Strom geistiger Energiezufuhr zu schöpfen. In Havona erleben die Aufsteiger noch bewusster den sie in Liebe umfangenden, alles durchdringenden Geist des Ursprünglichen Sohnes. In keiner Phase des ganzen menschlichen Aufstiegs wohnt der Geist des Ewigen Sohnes im Verstand oder in der Seele des Pilgers der Zeit, aber er ist stets in wohltätiger Nähe und sorgt sich um das Wohlergehen und die geistige Sicherheit der vorrückenden Kinder der Zeit. In der Anziehung durch die Geistgravitation des Ewigen Sohnes liegt das Geheimnis für den Aufstieg der fortlebenden menschlichen Seelen zum Paradies. Alle wahren Geisteswerte und alle echten vergeistigten Einzelwesen werden unfehlbar von der Geistgravitation des Ewigen Sohnes erfasst. Der Verstand des Sterblichen zum Beispiel beginnt seine Laufbahn als ein materieller Mechanismus und erfährt schließlich seine Aufnahme in das Korps der Finalität als eine nahezu vervollkommnete geistige Existenz. Im Verlauf dieser ganzen Erfahrung ist er der materiellen Gravitation immer weniger unterworfen und reagiert entsprechend immer mehr auf die ihn nach innen ziehende Kraft der Geistgravitation. Der Geistgravitationskreis zieht die Menschenseele buchstäblich paradieswärts. Der Geistgravitationskreis ist der grundlegende Kanal, durch welchen die echten Gebete des gläubigen Menschenherzens von der menschlichen Bewusstseinsebene in das tatsächliche Gottheitsbewusstsein gelangen. Alles, was in euren Bitten wahre geistige Werte darstellt, wird von dem universalen Kreislauf der Geistgravitation erfasst und gelangt augenblicklich und gleichzeitig zu allen betroffenen göttlichen Persönlichkeiten. Jede von ihnen wird sich dessen annehmen, was zu ihrem persönlichen Aufgabenbereich gehört. Deshalb ist es in eurer praktischen religiösen Erfahrung unerheblich, ob ihr euch unter dem Empfänger eurer Bitten den Schöpfersohn eures Lokaluniversums oder den Ewigen Sohn in der Mitte aller Dinge vorstellt. Man könnte diese differenzierende Wirkungsweise des Geistgravitationskreises vielleicht mit dem Funktionieren der Nervenschaltkreise im materiellen menschlichen Körper vergleichen: Die Empfindungen gelangen über die Nervenbahnen ins Innere; einige von ihnen werden in den niedrigeren automatischen Rückenmarkszentren zurückbehalten und beantwortet; andere gehen weiter zu den weniger automatischen, aber routinemäßig arbeitenden niedrigeren Hirnzentren, während die wichtigsten und vitalen eintreffenden Botschaften durch diese untergeordneten Zentren hindurchjagen und augenblicklich auf den höchsten Ebenen menschlichen Bewusstseins registriert werden. Aber um wie vieles vollkommener ist die großartige Technik der geistigen Welt! Wenn in eurem Bewusstsein etwas entsteht, was höchsten geistigen Wert besitzt, und ihr es einmal zum Ausdruck gebracht habt, kann keine Macht des Universums verhindern, dass es blitzartig direkt zu der Absoluten Geistpersönlichkeit der ganzen Schöpfung gelangt. Wenn umgekehrt eure Bitten rein materiell und gänzlich egoistisch sind, existiert kein Plan, durch welchen derartige unwürdige Gebete in den Geistkreis des Ewigen Sohnes aufgenommen werden könnten. Der Inhalt jeglicher Bitte, die nicht "vom Geist verfasst" ist, kann im universalen geistigen Kreis keinen Platz finden; solch rein selbstische und materielle Gesuche sterben; sie steigen nicht auf in den Kreisläufen wahrer geistiger Werte. Solche Worte sind wie "tönendes Blech und klingelnde Zimbeln". Der motivierende Gedanke, der geistige Inhalt sind es, welche der Bitte des Sterblichen Wert verleihen. Worte sind wertlos. ***** 7.4 Die Pläne göttlicher Vollkommenheit ***** Der Ewige Sohn steht mit dem Vater in immerwährender Verbindung bei der erfolgreichen Durchführung des göttlichen Fortschrittsplans: des universalen Plans für Erschaffung, Evolution, Aufstieg und Vervollkommnung der Willensgeschöpfe. Und an göttlicher Verlässlichkeit kommt der Sohn dem Vater ewig gleich. Der Vater und der Sohn sind wie ein einziger bei der Formulierung und Durchführung dieses gigantischen Plans, die materiellen Wesen der Zeit der Vollkommenheit der Ewigkeit zuzuführen. Dieses Projekt für die geistige Höherentwicklung der aufsteigenden Seelen des Raums ist eine gemeinsame Schöpfung des Vaters und des Sohnes, und beide befassen sich gemeinsam und in Zusammenarbeit mit dem Unendlichen Geist mit der Durchführung ihres göttlichen Vorhabens. Dieser göttliche Plan zur Erlangung der Vollkommenheit umfasst drei einzigartige, wenn auch wunderbar aufeinander abgestimmte Unternehmungen, universale Abenteuer: 1. Der Plan progressiver Vollbringung. Dies ist der Plan des Universalen Vaters für den evolutionären Aufstieg, ein Programm, das der Ewige Sohn vorbehaltlos bejahte, als er dem Vorschlag des Vaters, "Erschaffen wir die sterblichen Geschöpfe nach unserem Bilde", zustimmte. Diese Anordnung zur allmählichen Hebung der Geschöpfe der Zeit erfordert die Vergabe der Gedankenjustierer durch den Vater und die Ausstattung der materiellen Geschöpfe mit den Vorrechten der Persönlichkeit. 2. Der Selbsthingabe-Plan. Der nächste universale Plan ist das große Unternehmen des Ewigen Sohnes und seiner beigeordneten Söhne zur Offenbarung des Vaters. Dies ist der Vorschlag des Ewigen Sohnes, und er besteht aus seiner Vergabe der Gottessöhne an die evolutionären Schöpfungen, damit sie dort für die Geschöpfe aller Universen die Liebe des Vaters und die Barmherzigkeit des Sohnes personifizieren und veranschaulichen, inkarnieren und Wirklichkeit werden lassen. Es gibt im Selbsthingabe-Plan eine vorsorgliche Besonderheit dieses Liebeswirkens, derzufolge die Paradies-Söhne im Sinne einer Rehabilitierung dessen wirken, was irregeleiteter Geschöpfeswille geistig aufs Spiel gesetzt hat. Wann und wo immer das Funktionieren des Vollbringungs-Plans einen Aufschub erleidet, wenn etwa eine Rebellion das Unternehmen beeinträchtigen oder komplizieren sollte, treten die Notvorkehrungen des Selbsthingabe-Planes unverzüglich in Kraft. Die Paradies-Söhne haben gelobt und sind bereit, als Wiedergutmacher zu wirken, auf die Welten der Rebellion selber zu gehen und dort den geistigen Status der Planeten wiederherzustellen. Und solch einen heroischen Dienst hat ein beigeordneter Schöpfersohn auf Urantia geleistet im Zusammenhang mit seiner erfahrungsmäßigen Laufbahn wiederholter Selbsthingabe zur Gewinnung der Souveränität. 3. Der Plan des Barmherzigkeits-Dienstes. Als Vollbringungs- und Selbsthingabe-Plan formuliert und proklamiert waren, entwarf der Unendliche Geist allein und von sich aus die gewaltige und universale Unternehmung des Barmherzigkeitsdienstes und setzte sie in Gang. Dies ist der so wesentliche Beitrag zur praktischen und effektiven Wirkungsweise sowohl des Vollbringungs-als auch des Selbsthingabe-Unternehmens, und die geistigen Persönlichkeiten des Dritten Zentralen Ursprungs haben alle Teil am Geist des Barmherzigkeits-Dienstes, der so sehr zu der Natur der Dritten Person der Gottheit gehört. Nicht nur bei der Schöpfung, sondern auch in der Verwaltung wirkt der Unendliche Geist wahrhaftig und buchstäblich als Mit-Vollzieher des Vaters und des Sohnes. Der Ewige Sohn ist der persönliche göttliche Treuhänder, der über den universalen Plan des Vaters für den Aufstieg der Geschöpfe wacht. Nach der Verkündigung des universalen Gebotes "Seid vollkommen, so wie ich vollkommen bin" betraute der Vater den Ewigen Sohn mit der Ausführung dieses gewaltigen Unternehmens; und der Ewige Sohn teilt die Verantwortung der Förderung dieser himmlischen Unternehmung mit seinem göttlichen Gleichgeordneten, dem Unendlichen Geist. In dieser Weise arbeiten die Gottheiten wirkungsvoll zusammen bei Schöpfung, Kontrolle, Evolution, Offenbarung und Liebeswirken-und, wenn nötig, bei Wiederherstellung und Rehabilitierung. ***** 7.5 Der Geist der Selbsthingabe ***** Der Ewige Sohn war mit dem Universalen Vater vorbehaltlos eins, als sie der gesamten Schöpfung diese ungeheuerliche Ankündigung machten: "Seid vollkommen, wie euer Vater in Havona vollkommen ist." Und immer seither hat diese Aufforderung, die zugleich Einladung ist, als Antrieb für alle Pläne zum ewigen Fortleben und für alle Selbsthingabe-Projekte des Ewigen Sohnes und seiner großen Familie beigeordneter und mitarbeitender Söhne gewirkt. Und gerade durch diese Selbsthingaben sind die Söhne Gottes für alle evolutionären Geschöpfe "der Weg, die Wahrheit und das Leben" geworden. Der Ewige Sohn kann mit menschlichen Wesen nicht in direkten Kontakt treten, wie der Vater dies durch die Gabe der vorpersönlichen Gedankenjustierer tut, aber der Ewige Sohn nähert sich den erschaffenen Persönlichkeiten durch eine Serie absteigender Stufen göttlicher Sohnschaft, bis er fähig wird, sich in des Menschen Gegenwart zu befinden, manchmal sogar selber als ein Mensch. Die rein persönliche Natur des Ewigen Sohnes ist nicht in der Lage, sich zu fragmentieren. Der Ewige Sohn wirkt als ein geistiger Einfluss oder als eine Person, nie anderswie. Der Sohn findet es unmöglich, in dem Sinne ein Teil der Geschöpfeserfahrung zu werden, wie der Vater-Justierer an ihr teilnimmt, aber der Ewige Sohn kompensiert diese Beschränkung durch die Technik der Selbsthingabe. Was die Erfahrung fragmentierter Wesenheiten für den Universalen Vater bedeutet, bedeuten die Inkarnationserfahrungen der Paradies-Söhne für den Ewigen Sohn. Der Ewige Sohn kommt zum sterblichen Menschen nicht als göttlicher Wille, als der den menschlichen Verstand bewohnende Gedankenjustierer, aber der Ewige Sohn kam tatsächlich zu den sterblichen Menschen Urantias, als die göttliche Persönlichkeit seines Sohnes, Michael von Nebadon, sich in der menschlichen Natur Jesu von Nazareth inkarnierte. Um die Erfahrung erschaffener Persönlichkeiten zu teilen, müssen die Paradies-Gottessöhne die Natur ebensolcher Geschöpfe annehmen und ihre göttlichen Persönlichkeiten in ebendiesen Geschöpfen inkarnieren. Die Inkarnation, das Geheimnis von Sonarington, ist die Technik, durch welche der Sohn den ansonsten allumfassenden Fesseln absoluter Persönlichkeit entrinnt. Vor sehr, sehr langer Zeit gab sich der Ewige Sohn auf jedem der Kreise der zentralen Schöpfung hin zur Erleuchtung und zum Vorwärtskommen aller Bewohner und Pilger von Havona, einschließlich der aufsteigenden Pilger der Zeit. In keiner von diesen sieben Selbsthingaben trat er als ein Aufsteiger oder als ein Havoner auf. Er existierte als er selber. Seine Erfahrung war einzigartig; er machte sie nicht mit einem Menschen oder anderen Pilger oder als solche, sondern auf eine im überpersönlichen Sinne beteiligte Weise. Auch ging er nicht durch die Ruhe, die sich zwischen den inneren Kreis Havonas und die Gestade des Paradieses schiebt. Es ist ihm als einem absoluten Wesen unmöglich, das Persönlichkeitsbewusstsein zeitweilig auszuschalten, da in ihm alle Linien geistiger Gravitation zusammenlaufen. Und während der Dauer dieser Hingaben blieb die Leuchtkraft der zentralen geistigen Paradiesstätte ungetrübt, und der Sohn behielt die universale Geistgravitation unvermindert im Griff. Die Selbsthingaben des Ewigen Sohnes in Havona liegen außerhalb des menschlichen Vorstellungsvermögens; sie waren transzendenter Natur. Er trug damals und in der Folge zur Erfahrung ganz Havonas bei, aber wir wissen nicht, ob er der vermuteten erfahrungsmäßigen Fähigkeit seiner existentiellen Natur etwas hinzufügte. Das fiele unter das Geheimnis der Selbsthingabe der Paradies-Söhne. Hingegen glauben wir, dass, was auch immer der Ewige Sohn während dieser Sendungen der Selbsthingabe erworben hat, er seither stets behalten hat; aber wir wissen nicht, was es ist. Wie schwer es uns auch fällt, die Selbsthingaben der Zweiten Person der Gottheit zu verstehen, so verstehen wir sehr wohl die Havona-Selbsthingabe eines Sohnes des Ewigen Sohnes, der die Kreise des Zentaluniversums regelrecht durchlief und tatsächlich all jene Erfahrungen teilte, die die Vorbereitung eines Aufsteigers auf das Erreichen der Gottheit ausmachen. Es handelt sich dabei um den ursprünglichen Michael, den erstgeborenen Schöpfersohn, und von Kreis zu Kreis machte er die Lebenserfahrungen der aufsteigenden Pilger, indem er auf jedem Kreis während einer Etappe persönlich mit ihnen reiste. Das war in den Tagen Großfandas, des ersten Sterblichen überhaupt, der Havona erreichte. Nebst allem anderen, was dieser ursprüngliche Michael offenbarte, ließ er die transzendente Selbsthingabe des Ursprünglichen Mutter-Sohnes für die Geschöpfe Havonas real werden; so real, dass sich für immer und ewig jeder Pilger der Zeit, der sich durch das Abenteuer der Kreise Havonas hindurchkämpft, ermutigt und gestärkt fühlt im sicheren Wissen darum, dass der Ewige Sohn Gottes siebenmal Macht und Herrlichkeit des Paradieses aufgab, um sich an den Erfahrungen der Pilger von Zeit und Raum auf den sieben Havona-Kreisen fortschreitenden Vollbringens zu beteiligen. Der Ewige Sohn ist allen Gottessöhnen Beispiel und Inspiration bei ihren Sendungen der Selbsthingabe in den Universen von Zeit und Raum. Die beigeordneten Schöpfersöhne und die ihnen verbundenen Richtersöhne, nebst noch anderen, nicht offenbarten Sohnesordnungen, teilen alle diese wunderbare Bereitschaft, sich an die verschiedenartigen Ordnungen lebender Geschöpfe und als diese Geschöpfe selber hinzugeben. Deshalb wird es wahr, dem Geiste nach und wegen der verwandten Natur sowie der Tatsache des Ursprungs, dass sich in der Selbsthingabe jedes Gottessohnes an die Welten des Raums der Ewige Sohn selber in diesen Selbsthingaben und durch sie an die intelligenten Willensgeschöpfe der Universen hingegeben hat. Jeder Paradies-Sohn ist in Geist und Wesen, falls nicht in allen Attributen, ein göttlich vollkommenes Ebenbild des Ursprünglichen Sohnes. Es ist buchstäblich wahr, dass, wer immer einen Paradies-Sohn gesehen hat, den Ewigen Sohn Gottes gesehen hat. ***** 7.6 Die Paradies-Söhne Gottes ***** Das fehlende Wissen um die mannigfaltigen Gottessöhne ist eine Quelle großer Verwirrung auf Urantia. Und diese Unwissenheit dauert an trotz Aussagen wie dieses Berichtes über ein Konklave ebendieser göttlichen Persönlichkeiten: "Als die Gottessöhne Freude verkündeten und alle Morgensterne miteinander sangen." Alle tausend Jahre der Standardzeit des Sektors versammeln sich die verschiedenen Ordnungen göttlicher Söhne zu ihren periodischen Konklaven. Der Ewige Sohn ist die persönliche Quelle der wunderbaren Attribute der Barmherzigkeit und des Dienens, die alle Ordnungen der überall in der Schöpfung wirkenden niedersteigenden Gottessöhne in so reichem Maße charakterisieren. Unfehlbar gibt der Ewige Sohn seine ganze göttliche Natur, falls nicht die ganze Unendlichkeit der Attribute, an seine Paradies-Söhne weiter, die sich von der Ewigen Insel aufmachen, um dem Universum der Universen seinen göttlichen Charakter zu offenbaren. Der Ursprüngliche und Ewige Sohn ist die dem "ersten" vollendeten und unendlichen Gedanken des Universalen Vaters entsprungene Person. Jedes Mal, wenn der Universale Vater und der Ewige Sohn gemeinsam einen neuen, ursprünglichen, identischen, einzigartigen und absoluten persönlichen Gedanken projizieren, personifiziert sich diese schöpferische Idee im selben Augenblick vollkommen und endgültig im Wesen und in der Persönlichkeit eines neuen und originalen Schöpfersohnes. An geistiger Natur, göttlicher Weisheit und koordinierter Schöpferkraft sind diese Schöpfersöhne potentiell Gott dem Vater und Gott dem Sohne gleich. Die Schöpfersöhne ziehen vom Paradies hinaus in die Universen der Zeit und vollenden hier im Zusammenwirken mit den Kontroll- und Schöpferorganen des Dritten Zentralen Ursprungs die Organisation der in fortschreitender Evolution befindlichen Lokaluniversen. Diese Söhne stehen in keiner Verbindung mit den zentralen und universalen Kontrollen von Materie, Verstand und Geist und werden davon nicht betroffen: Deshalb werden sie in ihren Schöpferakten durch die Präexistenz, den Vorrang und den Primat des Ersten Zentralen Ursprungs und der mit ihm koordinierten Absoluten eingeschränkt. Die Söhne sind nur das zu verwalten imstande, was sie selber in die Existenz gerufen haben. Die absolute Verwaltung ist inheränt in der Priorität der Existenz und ist von der Ewigkeit der Gegenwart nicht zu trennen. Der Vater bleibt in den Universen der Allererste. Ziemlich in derselben Weise, wie die Schöpfersöhne durch den Vater und den Sohn personifiziert werden, werden die Richtersöhne durch den Sohn und den Geist personifiziert. Das sind die Söhne, die sich durch ihre Erfahrungen als inkarnierte Geschöpfe das Recht verdienen, in den Schöpfungen von Zeit und Raum als Richter über das Fortleben nach dem Tode zu dienen. Vater, Sohn und Geist vereinigen sich auch, um die vielseitigen Lehrersöhne der Trinität zu personifizieren, die als die himmlischen Lehrer aller Persönlichkeiten, menschlicher und göttlicher, das Große Universum durchstreifen. Und es gibt noch zahlreiche andere Ordnungen von Paradies-Söhnen, die den Sterblichen Urantias nicht zur Kenntnis gebracht worden sind. Zwischen dem Ursprünglichen Mutter-Sohn und diesen Heerscharen von über die ganze Schöpfung verstreuten Paradies-Söhnen gibt es einen direkten und ausschließlichen Kommunika- tionskanal, einen Kanal, dessen Funktion sich naturgemäß aus der Qualität geistiger Verwandtschaft ergibt, die die Söhne untereinander durch Bande nahezu absoluter geistiger Verbindung einigt. Dieser Zwischensohn-Kreis ist völlig verschieden vom universalen Kreis der Geistgravitation, der ebenfalls in der Person des Zweiten Zentralen Ursprungs zusammenläuft. Alle Gottessöhne, die ihren Ursprung in den Personen der Paradies-Gottheiten haben, stehen in direkter und ständiger Verbindung mit dem Ewigen Mutter-Sohn. Und eine solche Verbindung geschieht augenblicklich; sie ist zeitunabhängig, wenn auch manchmal durch den Raum bedingt. Der Ewige Sohn hat nicht nur allezeit vollkommene Kenntnis von allem, was Status, Gedanken und mannigfache Aktivitäten aller Ordnungen von Paradies-Söhnen betrifft, sondern er ist auch allezeit vollkommen auf dem Laufenden über alles, was in der primären zentralen Ewigkeitsschöpfung und den sekundären Zeitschöpfungen der beigeordneten Schöpfersöhne in den Herzen aller Geschöpfe an geistig Wertvollem existiert. ***** 7.7 Die höchste Offenbarung des Vaters ***** Der Ewige Sohn ist eine vollständige, ausschließliche, universale und endgültige Offenbarung des Geistes und der Persönlichkeit des Universalen Vaters. Alles Wissen und jede Auskunft über den Vater muss von dem Ewigen Sohn und dessen Paradies-Söhnen kommen. Der Ewige Sohn ist von Ewigkeit her, gänzlich und ohne geistige Einschränkung eins mit dem Vater. In ihren göttlichen Persönlichkeiten sind sie koordiniert; in ihrer geistigen Natur sind sie gleich; in ihrer Göttlichkeit sind sie identisch. Der Charakter Gottes könnte an sich in der Person des Sohnes unmöglich verbessert werden, da der göttliche Vater unendlich vollkommen ist, aber dieser Charakter und diese Persönlichkeit werden durch Entkleidung von allem Unpersönlichen und Nichtgeistigen verstärkt, damit sie den Geschöpfeswesen offenbart werden können. Der Erste Zentrale Ursprung ist weit mehr als eine Persönlichkeit, aber alle geistigen Eigenschaften der Vaterpersönlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs sind in der absoluten Persönlichkeit des Ewigen Sohnes geistig anwesend. Der uranfängliche Sohn und seine Söhne widmen sich der Aufgabe, der gesamten Schöpfung eine universale Offenbarung von der geistigen und persönlichen Natur des Vaters zu machen. Im Zentraluniversum, in den Superuniversen, in den Lokaluniversen und auf den bewohnten Planeten ist es ein Paradies-Sohn, der den Menschen und Engeln den Universalen Vater offenbart. Der Ewige Sohn und seine Söhne offenbaren den Weg, der die Geschöpfe zum Universalen Vater führt. Und sogar Wesen so hohen Ursprungs wie wir verstehen den Vater viel vollständiger, wenn wir die Offenbarung seines Charakters und seiner Persönlichkeit im Ewigen Sohn und in den Söhnen des Ewigen Sohnes studieren. Der Vater kommt als Persönlichkeit nur durch die göttlichen Söhne des Ewigen Sohnes zu euch herab. Und ihr gelangt über denselben lebendigen Weg zum Vater; ihr steigt unter Führung dieser Gruppe göttlicher Söhne zum Vater auf. Und das bleibt wahr, obwohl eure Persönlichkeit selber eine direkte Gabe des Universalen Vaters ist. Vergesst ob all dieser ausgedehnten Aktivitäten der unermesslichen geistigen Verwaltung des Ewigen Sohnes nicht, dass der Sohn gerade so wahrhaftig und wirklich eine Person ist, wie der Vater eine Person ist. In der Tat wird es den Wesen der vormals menschlichen Ordnung leichter fallen, sich dem Ewigen Sohn zu nähern als dem Universalen Vater. Während ihr als Pilger der Zeit durch die Kreise Havonas voranschreitet, werdet ihr sehr viel früher qualifiziert sein, den Sohn zu erreichen, als bereit, den Vater wahrzunehmen. Charakter und erbarmende Natur des Ewigen Sohnes der Barmherzigkeit sollten euch verständlicher werden, wenn ihr über die Offenbarung dieser göttlichen Attribute nachsinnt, die euer eigener Schöpfersohn, der einstmalige Menschensohn auf Erden, in liebevollem Dienen machte, er, der jetzt der erhabene Souverän eures Lokaluniversums ist-der Menschensohn und der Gottessohn. [Verfasst von einem Göttlichen Ratgeber, der mit der Formulierung dieser den Ewigen Paradies-Sohn beschreibenden Darlegung betraut ist.] ****** Kapitel 8 Der Unendliche Geist ****** ALS in ewiger Vergangenheit der "erste" unendliche und absolute Gedanke des Universalen Vaters im Ewigen Sohn ein so vollkommenes und angemessenes Wort für seinen göttlichen Ausdruck fand, erwachte in beiden, dem Gedanken-Gott und dem Wort-Gott, höchstes Verlangen nach einem universalen und unendlichen Organ gemeinsamen Ausdrucks und kombinierter Aktion. In der Morgendämmerung der Ewigkeit werden sich Vater und Sohn ihrer wechselseitigen engen Abhängigkeit, ihres ewigen und absoluten Einsseins unendlich bewusst; und deshalb schließen sie einen unendlichen und ewigen Bund göttlicher Partnerschaft. Dieser niemals endende Pakt dient der Ausführung ihrer gemeinsamen Konzepte auf dem ganzen Kreis der Ewigkeit; und seit diesem Ewigkeitsereignis führen der Vater und der Sohn diese göttliche Verbindung weiter. Wir stehen jetzt unmittelbar vor dem Ewigkeitsursprung des Unendlichen Geistes, der Dritten Person der Gottheit. In dem Augenblick, da Gott der Vater und Gott der Sohn gemeinsam eine identische und unendliche Handlung konzipieren - die Ausführung eines absoluten Gedankenplanes - genau in diesem Moment tritt der Unendliche Geist voll entwickelt ins Dasein. Wenn ich den Ursprung der Gottheiten in dieser Reihenfolge darstelle, tue ich es nur, um euch zu befähigen, euch ihre Beziehung untereinander vorzustellen. In Wirklichkeit existieren alle drei seit Ewigkeit; sie sind existentiell. Sie sind ohne Anfang und Ende der Tage; sie sind koordiniert, suprem, ultim, absolut und unendlich. Sie sind, sind immer gewesen und werden immer sein. Und sie sind drei ausgeprägt individualisierte, aber ewig miteinander verbundene Personen, Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Geist. ***** 8.1 Der Gott der Aktion ***** Nach der Personifizierung des Unendlichen Geistes in ewiger Vergangenheit ist der göttliche Persönlichkeitskreis vollkommen und vollständig geworden. Der Gott der Aktion existiert, und die gewaltige Bühne des Raums ist aufgebaut für das staunenerregende Drama der Schöpfung - das universale Abenteuer - das göttliche Panorama der ewigen Zeitalter. Die erste Handlung des Unendlichen Geistes ist das Erforschen und Erkennen seiner göttlichen Eltern, des Vater-Vaters und des Mutter-Sohnes. Er, der Geist, identifiziert sie alle beide uneingeschränkt. Er besitzt eine vollkommene Kenntnis sowohl ihrer gesonderten Persönlichkeiten und unendlichen Attribute als auch ihrer kombinierten Natur und vereinigten Funktionsweise. Hierauf gelobt die Dritte Person der Gottheit von sich aus mit transzendenter Bereitwilligkeit und inspirierender Spontaneität und trotz ihrer Gleichheit mit der Ersten und Zweiten Person Gott dem Vater ewige Treue und anerkennt die ewige Abhängigkeit von Gott dem Sohn. Es liegt im Wesen dieses Vorgangs und in der wechselseitigen Anerkennung der persönlichen Unabhängigkeit jedes einzelnen bei gleichzeitiger Vereinigung aller drei im Handeln, dass der Kreis der Ewigkeit begründet ist. Die Paradies-Trinität existiert. Der Schauplatz des universalen Raums ist bereit für das mannigfaltige, nie endende Panorama schöpferischer Entfaltung des Plans des Universalen Vaters durch die Persönlichkeit des Ewigen Sohnes und dank der Ausführung durch den Gott der Aktion, das ausführende Organ der Realitäts-Vollbringungen der schöpferischen Vater-Sohn-Partnerschaft. Der Gott der Aktion wird tätig, und die toten Himmelsgewölbe des Raums geraten in Bewegung. Eine Milliarde vollkommener Himmelskörper tritt blitzartig ins Dasein. Bereits vor diesem hypothetischen Augenblick der Ewigkeit existieren die dem Paradies innewohnenden Raum-Energien und sind potentiell wirksam, aber sie haben kein verwirklichtes Dasein; ebenso wenig lässt sich physikalische Gravitation messen außer durch die Reaktion materieller Realitäten auf ihre unablässige Anziehungskraft. Zu diesem (hypothetischen) Zeitpunkt ewiger Vergangenheit gibt es kein materielles Universum, aber in dem Augenblick, da sich eine Milliarde Welten materialisiert, ist ganz offensichtlich ausreichende und angemessene Gravitation vorhanden, um diese Welten auf ewig im Griff des Paradieses zu halten. Nun durcheilt die zweite Energieform, der ausströmende Geist, die Schöpfung der Götter, und gerät augenblicklich in den Sog der geistigen Gravitation des Ewigen Sohnes. So wird das von zweifacher Gravitation umfangene Universum von der Energie der Unendlichkeit berührt und in den Geist der Göttlichkeit getaucht. In dieser Weise steht der Boden des Lebens für das mentale Bewusstsein bereit, das sich in den mit dem Unendlichen Geist verbundenen Intelligenzkreisen manifestiert. Nach dieser die ganze zentrale Schöpfung der Götter durchdringenden Saat potentieller Existenz handelt der Vater, und die Geschöpfespersönlichkeit erscheint. Darauf erfüllt die Gegenwart der Paradies-Gottheiten den ganzen organisierten Raum und beginnt tatsächlich, alle Dinge und Wesen paradieswärts zu ziehen. Der Unendliche Geist verewigt sich gleichzeitig mit der Geburt der Welten Havonas, dieses zentralen Universums, das in Befolgung der kombinierten Konzepte und des vereinigten Willens des Vaters und des Sohnes durch ihn und mit ihm und in ihm erschaffen wird. Gerade durch diesen Akt gemeinsamer Schöpfung wird die Dritte Person zur Gottheit und so auf ewig zum Mitschöpfer. Das sind die großen und erhabenen Zeiten schöpferischer Expansion des Vaters und des Sohnes durch das Handeln und im Handeln ihres gemeinsamen Mitarbeiters und ausschließlichen Vollstreckers, des Dritten Zentralen Ursprungs. Es gibt keinen Bericht von diesen erregenden Zeiten. Um diese machtvollen Vorgänge zu beweisen, besitzen wir nur die kärglichen Enthüllungen des Unendlichen Geistes. Er bestätigt einzig die Tatsache, dass das Zentraluniversum mit allem, was sich darauf bezieht, in demselben Augenblick ewig wurde, als er selbst Persönlichkeit und bewusste Existenz erlangte. Kurz gesagt: Der Unendliche Geist bezeugt, dass, da er ewig ist, auch das Zentraluniversum ewig ist. Und das ist der traditionelle Ausgangspunkt der Geschichte des Universums der Universen. Es ist absolut nichts bekannt und es existieren keine Dokumente über irgendein Ereignis oder Geschehen vor diesem staunenerregenden Ausbruch schöpferischer Energie und verwalterischer Weisheit, der dem gewaltigen, in der Mitte aller Dinge existierenden und so wunderbar funktionierenden Universum eine feste Form gegeben hat. Jenseits dieses Ereignisses liegen die unergründlichen Vorgänge der Ewigkeit und die Tiefen der Unendlichkeit - liegt absolutes Geheimnis. Wenn wir die Entstehung des Dritten Zentralen Ursprungs solchermaßen in zeitlicher Folge darstellen, ist das ein interpretatorisches Zugeständnis an den zeitgebundenen und raumbedingten Verstand sterblicher Geschöpfe. Der menschliche Verstand braucht einen Ausgangspunkt, um sich die Universumsgeschichte vorstellen zu können, und ich bin angewiesen worden, eben diese Herangehensweise an das historische Ewigkeitskonzept anzuwenden. Im materiellen Verstand verlangt die Folgerichtigkeit eine Erste Ursache; deshalb setzen wir den Universalen Vater als Ersten Ursprung und Absolutes Zentrum der ganzen Schöpfung voraus, wobei wir gleichzeitig den Verstand aller Geschöpfe davon unterrichten, dass der Sohn und der Geist in allen Phasen der Universumsgeschichte und in allen Bereichen schöpferischer Aktivität mit dem Vater mit-ewig sind. Und wir tun dies, ohne im Geringsten Realität und Ewigkeit der Paradies-Insel und des Eigenschaftslosen, Universalen und Gottheit-Absoluten außer Acht zu lassen. Der Fassungskraft des materiellen Verstandes der Kinder der Zeit ist damit genug zugemutet, sich den Vater in der Ewigkeit vorzustellen. Wir wissen, dass jedes Kind die beste Beziehung zur Realität gewinnt, wenn es zuerst die Beziehungen in der Kind-Eltern-Situation meistert und dann diese Vorstellung so erweitert, dass sie die Familie als Ganzes umfasst. In der Folge wird der wachsende Verstand des Kindes zu einer Anpassung an die Vorstellung von Familienbeziehungen fähig, von Beziehungen in der Gemeinschaft, in der Rasse, in der Welt, und danach von Beziehungen im Universum, im Superuniversum und sogar im Universum der Universen. ***** 8.2 Die Natur des Unendlichen Geistes ***** Der Mitschöpfer existiert von Ewigkeit her und ist gänzlich und ohne Einschränkung eins mit dem Universalen Vater und mit dem Ewigen Sohn. Der Unendliche Geist spiegelt in Vollkommenheit nicht nur die Natur des Paradies Vaters wider, sondern auch die Natur des Ursprünglichen Sohnes. Der Dritte Zentrale Ursprung ist unter zahlreichen Namen bekannt: Der Universale Geist, der Höchste Führer, der Mitschöpfer, der Göttliche Vollstrecker, der Unendliche Verstand, der Geist der Geiste, der Paradies-Mutter-Geist, der Mit-Vollzieher, der Finale Koordinator, der Allgegenwärtige Geist, die Absolute Intelligenz, die Göttliche Aktion; und auf Urantia wird er manchmal mit dem kosmischen Verstand verwechselt. Es ist durchaus angemessen, die Dritte Person der Gottheit als Unendlichen Geist zu bezeichnen; denn Gott ist Geist. Aber materielle Geschöpfe, die dem Irrtum zuneigen, die Materie als grundlegende Realität und Verstand und Geist als in der Materie wurzelnde Postulate anzusehen, würden den Dritten Zentralen Ursprung besser verstehen, wenn man ihn Unendliche Realität, Universalen Organisator oder Persönlichkeitskoordinator nennen würde. Der Unendliche Geist als eine universale Offenbarung der Göttlichkeit ist unerforschlich und liegt ganz und gar außerhalb des menschlichen Verständnisses. Um die Absolutheit des Geistes zu empfinden, braucht ihr nur über die Unendlichkeit des Universalen Vaters nachzusinnen und in Ehrfurcht vor der Ewigkeit des Ursprünglichen Sohnes zu stehen. Die Person des Unendlichen Geistes ist tatsächlich geheimnisvoll, aber nicht ebenso sehr wie diejenige des Vaters oder des Sohnes. Von allen Wesenszügen des Vaters bringt der Mitschöpfer am auffallendsten dessen Unendlichkeit zum Ausdruck. Selbst wenn das Alluniversum sich schließlich bis in die Unendlichkeit ausdehnen sollte, wären Geist-Gegenwart, Energiekontrolle und Verstandespotential des Mit-Vollziehers durchaus in der Lage, den Anforderungen einer derartigen grenzenlosen Schöpfung zu genügen. Obwohl der Unendliche Geist in jeder Weise die Vollkommenheit, Rechtschaffenheit und Liebe des Universalen Vaters teilt, neigt er stärker den barmherzigen Wesenszügen des Ewigen Sohnes zu und wird so zum Barmherzigkeitsspender der Paradies-Gottheiten für das Große Universum. Überall und immer - universal und ewig - ist der Geist ein barmherziger Helfer, denn so wie die göttlichen Söhne die Liebe Gottes offenbaren, so veranschaulicht der göttliche Geist Gottes Barmherzigkeit. Es ist unmöglich, dass der Geist mehr Güte besäße als der Vater, da alle Güte ihren Ursprung im Vater hat, aber in den Handlungen des Geistes können wir diese Güte besser verstehen. Des Vaters Treue und des Sohnes Beständigkeit werden durch das liebevolle Wirken und den unablässigen Dienst der Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes für die geistigen Wesen und die materiellen Geschöpfe der Planeten sehr wirklich gemacht. Der Mitschöpfer erbt vom Vater die ganze Schönheit der Gedanken und seinen Wahrheitscharakter. Und diese sublimen Wesenszüge der Göttlichkeit sind in den nahezu supremen Ebenen des kosmischen Verstandes koordiniert in Unterordnung unter die unendliche und ewige Weisheit des durch nichts bedingten und grenzenlosen Verstandes des Dritten Zentralen Ursprungs. ***** 8.3 Beziehung des Geistes zu Vater und Sohn ***** So wie der Ewige Sohn der Wort-Ausdruck des "ersten" absoluten und unendlichen Gedankens des Universalen Vaters ist, so ist der Mit-Vollzieher die vollkommene Ausführung des "ersten" vollendeten schöpferischen Konzeptes oder Plans für gemeinsames Handeln der Vater-Sohn-Persönlichkeitspartnerschaft absoluter Gedanken-Wort-Einheit. Der Dritte Zentrale Ursprung wird zugleich mit der zentralen oder Fiat-Schöpfung ewig, und von allen Universen hat einzig diese zentrale Schöpfung ewige Existenz. Seit der Personifizierung des Dritten Ursprungs nimmt der Erste Ursprung an der Universumsschöpfung nicht mehr persönlich teil. Der Universale Vater delegiert an seinen Sohn alles, was möglich ist; desgleichen verleiht der Ewige Sohn dem Mitschöpfer alle mögliche Autorität und Macht. Der Ewige Sohn und der Mitschöpfer haben als Partner und durch ihre beigeordneten Persönlichkeiten jedes Universum geplant und gestaltet, das nach Havona zum Existieren kam. Der Geist unterhält mit dem Sohn bei allen späteren Schöpfungen dieselbe Beziehung wie der Sohn mit dem Vater bei der ersten und zentralen Schöpfung. Ein Schöpfersohn des Ewigen Sohnes und ein Schöpferischer Geist des Unendlichen Geistes haben euch und euer Universum erschaffen; und während der Vater in Treue aufrecht erhält, was sie organisiert haben, fällt diesem Universumssohn und diesem Universumsgeist die Aufgabe zu, ihr Werk zu fördern und zu unterhalten und sich der Geschöpfe anzunehmen, die sie selbst erschaffen haben. Der Unendliche Geist ist das eigentliche Organ des allliebenden Vaters und des allerbarmenden Sohnes bei der Ausführung ihres gemeinsamen Vorhabens, alle wahrheitsliebenden Seelen auf allen Welten von Zeit und Raum an sich zu ziehen. Im selben Augenblick, da der Ewige Sohn seines Vaters Plan zur Erlangung der Vollkommenheit für die Geschöpfe der Universen annahm, in dem Augenblick, da das Aufstiegsprojekt zum Vater-Sohn-Plan wurde, wurde der Unendliche Geist zum gemeinsamen Verwalter des Vaters und des Sohnes für die Ausführung ihres vereinten und ewigen Vorhabens. Und damit übermachte der Unendliche Geist dem Vater und dem Sohn all seine Ressourcen an göttlicher Gegenwart und an Geistpersönlichkeiten; er hat alles dem gewaltigen Plan geweiht, die fortlebenden Willensgeschöpfe zu den göttlichen Höhen paradiesischer Vollkommenheit emporzuführen. Der Unendliche Geist ist eine vollständige, ausschließliche und universale Offenbarung des Universalen Vaters und seines Ewigen Sohnes. Alles Wissen von der Vater-Sohn-Partnerschaft muss über den Unendlichen Geist erlangt werden, den gemeinsamen Repräsentanten der göttlichen Gedanken-Wort-Vereinigung. Der Ewige Sohn ist der einzige Weg der Annäherung an den Universalen Vater, und der Unendliche Geist ist das einzige Mittel, um den Ewigen Sohn zu erreichen. Nur dank dem geduldigen Wirken des Geistes sind die aufsteigenden Wesen der Zeit fähig, den Sohn zu entdecken. In der Mitte aller Dinge ist der Unendliche Geist die erste der Paradies-Gottheiten, die von den aufsteigenden Pilgern erreicht wird. Die Dritte Person umhüllt die Zweite und die Erste Person und muss deshalb von allen Anwärtern, die vor den Sohn und seinen Vater treten möchten, immer zuerst erkannt werden. Und noch auf manch andere Art repräsentiert der Geist den Vater und den Sohn und dient ihnen in ähnlicher Weise. ***** 8.4 Der Geist göttlicher Zuwendung ***** Parallel zum physischen Universum, in dem die Gravitation des Paradieses alle Dinge zusammenhält, existiert das geistige Universum, in welchem das Wort des Sohnes den Gedanken Gottes interpretiert und, wenn "Fleisch geworden", das liebende Erbarmen der kombinierten Naturen der vereinten Schöpfer bekundet. Aber in dieser ganzen materiellen und geistigen Schöpfung existiert überall eine weite Zone, wo der Unendliche Geist und seine geistigen Kinder das mit Geduld und immerwährender Zuneigung verbundene Erbarmen der göttlichen Eltern für die von ihnen gemeinsam ersonnenen und erschaffenen intelligenten Kinder an den Tag legen. Ewig währender Dienst am Verstand ist die Essenz des göttlichen Charakters des Geistes. Und die ganze geistige Nachkommenschaft des Mit-Vollziehers teilt diesen Wunsch zu helfen, diesen göttlichen Drang zu dienen. Gott ist Liebe, der Sohn ist Barmherzigkeit, der Geist ist Dienen - Spenden göttlicher Liebe und endloser Barmherzigkeit an die ganze intelligente Schöpfung. Der Geist ist die Personifizierung der Liebe des Vaters und der Barmherzigkeit des Sohnes; in ihm sind sie auf ewig vereint zum universalen Dienst. Der Geist ist auf die kreatürliche Schöpfung angewandte Liebe, die kombinierte Liebe des Vaters und des Sohnes. Auf Urantia ist der Unendliche Geist als allgegenwärtiger Einfluss, als universale Gegenwart bekannt, aber in Havona werdet ihr ihn als eine persönliche, wirklich dienende Gegenwart kennen lernen. Dort ist das Dienen des Paradies-Geistes das vorbildliche und inspirierende Modell für jedes seiner beigeordneten Geistwesen und jede seiner untergeordneten Persönlichkeiten, welche den erschaffenen Wesen auf den Welten von Zeit und Raum beistehen. In diesem göttlichen Universum nahm der Unendliche Geist vollen Anteil an den sieben transzendenten Erscheinungen des Ewigen Sohnes; in derselben Weise beteiligte er sich an den sieben Selbsthingaben des ursprünglichen Michael-Sohnes auf den Kreisen Havonas und wurde dadurch zum mitfühlenden und verstehenden geistigen Helfer jedes Pilgers der Zeit, der diese vollkommenen Kreise der Höhe durchschreitet. Wenn ein Schöpfersohn Gottes den verantwortungsvollen Auftrag zur Schöpfung eines geplanten Lokaluniversums annimmt, verpflichten sich die Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes, unermüdlich an der Seite des Michael-Sohnes zu wirken, der sich zu seiner Sendung schöpferischen Abenteuers aufmacht. Vor allem in den Personen der Schöpferischen Töchter, der Mutter-Geiste der Lokaluniversen, finden wir den Unendlichen Geist hingebungsvoll darum bemüht, den Aufstieg der materiellen Geschöpfe zu immer höheren Ebenen geistiger Vollbringung zu fördern. Und dieses ganze Dienen an den Geschöpfen geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Persönlichkeiten der Schöpfersöhne dieser Lokaluniversen und in vollkommener Harmonie mit ihren Zielen. So wie die Gottessöhne der gigantischen Aufgabe obliegen, einem Universum die liebende Vaterpersönlichkeit zu offenbaren, so widmet sich der Unendliche Geist dem nie endenden Amt, dem individuellen Verstand jedes Kindes jedes Universums die vereinte Liebe des Vaters und des Sohnes zu offenbaren. In den Lokalschöpfungen steigt der Geist nicht in sterblicher Gestalt zu den materiellen Rassen herab, wie bestimmte Gottessöhne es tun, sondern der Unendliche Geist und seine ihm beigeordneten Geiste stufen sich selbst herab, indem sie sich freudig einer erstaunlichen Serie göttlicher Abschwächungen unterziehen, bis sie als Engel erscheinen, um euch zur Seite zu stehen und euch durch die demütigen Pfade der irdischen Existenz zu führen. In der Tat kommt der Unendliche Geist, und zwar als Person, durch diese abnehmende Serie sehr nahe an jedes Wesen tierischen Ursprungs der Planeten heran. Und der Geist tut das alles, ohne seine Existenz als Dritte Person der Gottheit in der Mitte aller Dinge im mindesten zu schmälern. Der Mitschöpfer ist wahrhaftig und für immer die große dienende Persönlichkeit, der universale Barmherzigkeitsspender. Um das dienende Amt des Geistes zu verstehen, sinnt über die Wahrheit nach, dass er das kombinierte Abbild der unendlichen Liebe des Vaters und der ewigen Barmherzigkeit des Sohnes ist. Das Wirken des Geistes beschränkt sich indessen nicht nur auf die Repräsentation des Ewigen Sohnes und des Universalen Vaters. Der Unendliche Geist besitzt auch die Macht, die Geschöpfe der Welt in seinem eigenen Namen und Recht zu betreuen; die Dritte Person hat göttliche Würde und waltet ihres universalen Amtes der Barmherzigkeit in ihrem eigenen Namen. Je mehr der Mensch über das liebevolle und unermüdliche Wirken der niedrigeren Ordnungen der Geschöpfesfamilie dieses Unendlichen Geistes erfährt, umso mehr wird er die transzendente Natur und den unvergleichlichen Charakter dieser kombinierten Aktion des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes bewundern und verehren. Dieser Geist ist tatsächlich "die Augen des Herrn, die immer über den Rechtschaffenen wachen" und "die göttlichen Ohren, die für ihre Gebete immer offen sind". ***** 8.5 Die Gegenwart Gottes ***** Das hervorstechende Merkmal des Unendlichen Geistes ist die Allgegenwart. Von einem Ende zum anderen des Universums der Universen ist dieser alles durchdringende Geist, der so sehr der Gegenwart eines universalen und göttlichen Verstandes gleicht, überall anwesend. Sowohl die Zweite als auch die Dritte Person der Gottheit sind auf allen Welten durch ihre immer gegenwärtigen Geiste vertreten. Der Vater ist unendlich und deshalb einzig durch das Wollen begrenzt. Bei der Vergabe der Justierer und der Aufnahme in den Persönlichkeitskreis handelt der Vater allein, aber für den Kontakt geistiger Kräfte mit intelligenten Wesen gebraucht er die Geistwesen und Persönlichkeiten des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes. Er ist beliebig mit dem Sohn oder mit dem Mit-Vollzieher geistig gegenwärtig; er ist gegenwärtig mit dem Sohn und im Geist. Der Vater ist höchst gewiss überall gegenwärtig, und wir erkennen seine Gegenwart an all diesen verschiedenen, aber miteinander verbundenen Kräften, Einflüssen und Anwesenheiten. In euren heiligen Schriften scheint der Ausdruck Geist Gottes austauschbar verwendet zu werden, um sowohl den Unendlichen Geist des Paradieses als auch den Schöpferischen Geist eures Lokaluniversums zu bezeichnen. Der Heilige Geist ist der geistige Kreislauf dieser Schöpferischen Tochter des Unendlichen Geistes des Paradieses. Der Heilige Geist ist ein jedem Lokaluniversum eigentümlicher Kreislauf und wirkt nur innerhalb der Grenzen des geistigen Bereichs dieser Schöpfung; der Unendliche Geist hingegen ist allgegenwärtig. Es gibt viele geistige Einflüsse, und sie sind alle wie ein einziger. Selbst die Arbeit der Gedankenjustierer, obwohl unabhängig von allen anderen Einflüssen, fällt stets mit dem geistigen Wirken der kombinierten Einflüsse des Unendlichen Geistes und des Mutter-Geistes eines Lokaluniversums zusammen. So wie diese geistigen Anwesenheiten im Leben von Urantianern wirken, können sie nicht voneinander getrennt werden. In eurem Verstand und auf eure Seele wirken sie trotz ihrer verschiedenen Ursprünge wie ein einziger Geist. Und so wie ihr die Erfahrung dieser vereinten geistigen Betreuung macht, wird sie für euch zum Einfluss des Supremen, "der fähig ist, euch immer vor Verfehlung zu bewahren und euch vor dem Vater in der Höhe untadelig erscheinen zu lassen". Denkt stets daran, dass der Unendliche Geist der Mit -Vollzieher ist; der Vater und der Sohn wirken beide in ihm und durch ihn; er ist nicht nur als er selbst gegenwärtig, sondern auch als der Vater und als der Sohn und als der Vater-Sohn. In Anerkennung dieses Sachverhaltes und aus vielen zusätzlichen Gründen bezieht man sich oft auf die geistige Gegenwart des Unendlichen Geistes als auf "den Geist Gottes". Es wäre auch folgerichtig, vom Zusammenspiel sämtlicher geistiger Einflüsse als vom Geist Gottes zu sprechen, denn dieses Zusammenspiel ist wahrhaftig die Vereinigung der Geiste Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes, Gottes des Geistes und des Siebenfachen Gottes - eben der Geist des Supremen Gottes. ***** 8.6 Persönlichkeit des Unendlichen Geistes ***** Gestattet der universumsweiten Vergabe und immensen Austeilung des Dritten Zentralen Ursprungs nicht, die Tatsache seiner Persönlichkeit zu verdunkeln oder anderswie von ihm abzulenken. Der Unendliche Geist ist eine universale Gegenwart, eine ewige Aktion, eine kosmische Macht, ein heiliger Einfluss und ein universaler Verstand; er ist alles das und noch unendlich mehr, aber er ist auch eine wahre und göttliche Persönlichkeit. Der Unendliche Geist ist eine vollständige und vollkommene Persönlichkeit, der göttliche Ebenbürtige und Gleichgeordnete des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes. Der Mitschöpfer ist für die höheren Intelligenzen der Universen genauso real und sichtbar wie der Vater und der Sohn; tatsächlich noch in höherem Maße, denn der Geist ist es, den alle Aufsteiger erreichen müssen, bevor sie sich durch den Sohn dem Vater nähern können. Der Unendliche Geist, die Dritte Person der Gottheit, besitzt alle Attribute, die ihr mit einer Persönlichkeit in Verbindung bringt. Der Geist ist mit absolutem Verstand ausgestattet: "Der Geist ergründet alle Dinge, sogar die tiefen Dinge Gottes." Der Geist ist nicht nur mit Verstand, sondern auch mit Willen begabt. Von der Austeilung seiner Gaben steht geschrieben: "Aber all dies wirkt ein und derselbe Geist, der jedem Einzelnen das Seine zuteilt und gerade so, wie er es will." "Die Liebe des Geistes" ist wirklich, und ebenso wirklich seine Betrübnis; deshalb "bekümmert den Geist Gottes nicht". Ob wir den Unendlichen Geist als Paradies-Gottheit oder als Schöpferischen Geist eines Lokaluniversums beobachten, finden wir, dass der Mitschöpfer nicht nur der Dritte Zentrale Ursprung ist, sondern auch eine göttliche Person. Diese göttliche Persönlichkeit reagiert auch gegenüber dem Universum als eine Person. Der Geist spricht zu euch: "Wer Ohren hat, der höre, was der Geist sagt." "Der Geist selber legt für euch Fürsprache ein." Der Geist übt einen direkten und persönlichen Einfluss auf die erschaffenen Wesen aus, "denn all jene, die sich durch den Geist Gottes führen lassen, sind Söhne Gottes". Auch wenn wir das Phänomen des Wirkens des Unendlichen Geistes auf den entlegensten Welten des Universums der Universen betrachten, auch wenn wir beobachten, wie diese selbe koordinierende Gottheit in den ungezählten, dem Dritten Zentralen Ursprung entstammenden Legionen mannigfaltiger Wesen wirkt und durch sie handelt, auch wenn wir die Allgegenwart des Geistes feststellen, so bekräftigen wir trotzdem, dass dieser Dritte Zentrale Ursprung eine Person ist, der Mitschöpfer aller Dinge, aller Wesen und aller Universen. In der Verwaltung der Universen sind Vater, Sohn und Geist vollkommen und ewig miteinander verbunden. Obwohl jeder von ihnen sich einem persönlichen Dienst an der Gesamtschöpfung widmet, sind alle drei göttlich und absolut eng zusammengeschlossen im dienenden Amt der Schöpfung und Kontrolle, das sie auf ewig eins macht. In der Person des Unendlichen Geistes sind der Vater und der Sohn wechselseitig anwesend, immerdar und in uneingeschränkter Vollkommenheit, denn der Geist ist wie der Vater und wie der Sohn, aber auch wie der Vater und der Sohn, da sie beide auf ewig eins sind. [Auf Urantia dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber aus Uversa, der von den Ältesten der Tage mit der Darstellung von Wesen und Werk des Unendlichen Geistes beauftragt wurde.] ****** Kapitel 9 Beziehung des Unendlichen Geistes zum Universum ****** ETWAS Seltsames trug sich zu, als sich in Gegenwart des Paradieses der Universale Vater und der Ewige Sohn vereinigten, um sich zu personifizieren. Nichts in dieser Ewigkeitssituation lässt vorausahnen, dass sich der Mit-Vollzieher als eine unbegrenzte Geistigkeit personifizieren wird, die mit absolutem Verstand koordiniert und mit einzigartigen Vorrechten der Energiemanipulation ausgestattet sein wird. Sein Ins-Dasein-Treten vollendet die Befreiung des Vaters von den Ketten zentralisierter Vollkommenheit und von den Fesseln des persönlichen Absolutismus. Und diese Befreiung zeigt sich in der staunenswerten Macht des Mitschöpfers, Wesen zu erschaffen, die gut ausgerüstet sind, um als helfende Geiste sogar den materiellen Geschöpfen der sich in der Folge entwickelnden Universen zu dienen. Der Vater ist unendlich in Liebe und Wollen, in geistigem Denken und Planen; er ist der universale Erhalter. Der Sohn ist unendlich in Weisheit und Wahrheit, in geistigem Ausdruck und geistiger Interpretation; er ist der universale Offenbarer. Das Paradies ist unendlich im Potential für Kraftvergabe und in der Fähigkeit zur Energiebeherrschung; es ist der universale Stabilisator. Der Mit-Vollzieher besitzt einzigartige Vorrechte der Synthese, unendliche Fähigkeit zur Koordinierung aller existierenden Universumsenergien, aller wirklichen Universumsgeiste und aller wahren Universumsintellekte; der Dritte Zentrale Ursprung ist der universale Einiger der mannigfachen Energien und verschiedenen Schöpfungen, die infolge des göttlichen Plans und ewigen Vorhabens des Universalen Vaters erschienen sind. Der Unendliche Geist, der Mitschöpfer, ist ein universaler und göttlicher Spender. Der Geist teilt unablässig des Sohnes Barmherzigkeit und des Vaters Liebe aus, und zwar in Harmonie mit der stabilen, unveränderlichen und rechtschaffenen Gerechtigkeit der Paradies-Trinität. Sein Einfluss und seine Persönlichkeiten sind immer um euch; sie kennen euch wirklich und verstehen euch wahrhaftig. In allen Universen manipulieren die ausführenden Organe des Mit-Vollziehers pausenlos die Kräfte und Energien allen Raums. Wie der Erste Zentrale Ursprung spricht auch der Dritte sowohl auf Geistiges wie auf Materielles an. Der Mit-Vollzieher ist die Offenbarung der Einheit Gottes, in dem alles besteht - Dinge, Bedeutungen und Werte; Energien, Intelligenzen und Geiste. Der Unendliche Geist durchdringt allen Raum; er bewohnt den Kreis der Ewigkeit; und der Geist ist wie der Vater und der Sohn vollkommen und unveränderlich - absolut. ***** 9.1 Attribute des Dritten Zentralen Ursprungs ***** Der Dritte Zentrale Ursprung ist unter vielen Namen bekannt, die alle auf Beziehungen hinweisen und Funktionen andeuten: Als Gott der Geist ist er die Gott dem Sohn und Gott dem Vater gleichgeordnete und göttlich ebenbürtige Persönlichkeit. Als der Unendliche Geist ist er ein allgegenwärtiger geistiger Einfluss. Als der Universale Manipulator ist er der Ahnherr der die Machtkontrolle ausübenden Geschöpfe und der Aktivator der kosmischen Raumkräfte. Als der Mit-Vollzieher ist er der gemeinsame Repräsentant und Vollstrecker der Vater-Sohn-Partnerschaft. Als der Absolute Verstand ist er die Quelle der Intelligenzvergabe in allen Universen. Als der Gott der Aktion ist er der offensichtliche Ahnherr von Bewegung, Wechsel und Beziehung. Einige der Attribute des Dritten Zentralen Ursprungs stammen vom Vater, andere vom Sohn, während das aktive und persönliche Vorhandensein von noch anderen weder beim Vater noch beim Sohn beobachtet werden kann - Attribute, die kaum zu erklären sind, außer man nimmt an, dass die Vater-Sohn-Partnerschaft, die den Dritten Zentralen Ursprung verewigt, durchweg im Einklang mit und in Anerkennung der ewigen Tatsache der Absolutheit des Paradieses funktioniert. Der Mitschöpfer verkörpert die Fülle der kombinierten und unendlichen Konzepte der Ersten und Zweiten Person der Gottheit. Während ihr euch den Vater als einen ursprünglichen Schöpfer und den Sohn als einen geistigen Verwalter vorstellt, solltet ihr an den Dritten Zentralen Ursprung als an einen universalen Koordinator, einen Förderer unbegrenzter Kooperation denken. Der Mit-Vollzieher ist der Korrelierer aller verwirklichten Realität; er ist die Gottheit, die des Vaters Gedanken und des Sohnes Wort verwahrt und beim Handeln ewig die materielle Absolutheit der zentralen Insel berücksichtigt. Die Paradies-Trinität hat die universale Fortschritts -Ordnung verfügt, und die Vorsehung Gottes ist der Bereich des Mitschöpfers und des sich entwickelnden Supremen Wesens. Keine verwirklichte oder sich verwirklichende Realität kann einer schließlichen Beziehung mit dem Dritten Zentralen Ursprung entgehen. Der Universale Vater gebietet über die Bereiche der Vor-Energie, des Vor-Geistes und der Persönlichkeit; der Ewige Sohn beherrscht die Sphären geistiger Aktivitäten; die Gegenwart der Paradies-Insel einigt die Bereiche physischer Energie und sich materialisierender Macht; der Mit-Vollzieher wirkt nicht nur als ein den Sohn repräsentierender unendlicher Geist, sondern auch als ein universaler Manipulator der Kräfte und Energien des Paradieses, und ruft dadurch den universalen und absoluten Verstand ins Dasein. Der Mit-Vollzieher wirkt im ganzen Großen Universum als eine eindeutige, ausgeprägte Persönlichkeit, besonders in den höheren Bereichen geistiger Werte, materieller Energiebeziehungen und wahrer mentaler Bedeutungen. Er funktioniert spezifisch, wo und wann immer Energie und Geist zusammenkommen und aufeinander einwirken; er beherrscht alle Reaktionen mit dem Verstand, übt in der geistigen Welt große Macht aus und nimmt mächtigen Einfluss auf Energie und Materie. Zu allen Zeiten ist der Dritte Ursprung Ausdruck der Natur des Ersten Zentralen Ursprungs. Der Dritte Zentrale Ursprung teilt die Allgegenwart des Ersten Zentralen Ursprungs vollkommen und ohne Einschränkung und wird deshalb manchmal der Allgegenwärtige Geist genannt. Auf eine besondere und sehr persönliche Weise teilt der Gott des Verstandes die Allwissenheit des Universalen Vaters und seines Ewigen Sohnes; das Wissen des Geistes ist tief und vollständig. Der Mitschöpfer zeigt gewisse Phasen der Allmacht des Universalen Vaters, ist aber nur im Verstandesbereich wirklich allmächtig. Die Dritte Person der Gottheit ist der intellektuelle Mittelpunkt und universale Verwalter der Verstandesreiche; hierin ist er absolut - seine Souveränität ist schrankenlos. Der Mit-Vollzieher scheint durch die Vater-Sohn-Partnerschaft motiviert zu werden, aber all seine Handlungen lassen erkennen, dass er der Vater-Paradies-Beziehung Rechnung trägt. Zuweilen und bei bestimmten Funktionen scheint er die unvollständige Entwicklung der Erfahrungsgottheiten - des Supremen Gottes und des Ultimen Gottes - wettzumachen. Und hierin liegt ein unendliches Mysterium: Dass der Unendliche seine Unendlichkeit gleichzeitig im Sohn und als Paradies offenbarte und dass darauf ein Wesen ins Dasein sprang, das Gott an Göttlichkeit ebenbürtig war, des Sohnes geistige Natur widerspiegelte und zur Aktivierung des Paradies-Urmusters befähigt war, ein hinsichtlich Souveränität vorläufig untergeordnetes, aber offenbar in mancher Weise das in der Aktion vielseitigste Wesen. Und diese offenbare Überlegenheit in der Aktion zeigt sich an einem Attribut des Dritten Zentralen Ursprungs, das sogar der physischen Gravitation - der universalen Manifestation der Paradies-Insel - überlegen ist. Zusätzlich zu dieser höchsten Kontrolle über Energie und alles Materielle ist der Unendliche Geist überreich mit den Attributen der Geduld, Barmherzigkeit und Liebe ausgestattet, die in seinem geistigen Wirken auf so wunderbare Weise zum Ausdruck kommen. Der Geist ist höchst kundig darin, Liebe zu spenden und die Gerechtigkeit durch Barmherzigkeit zu mildern. Gott der Geist besitzt die ganze himmlische Freundlichkeit und erbarmungsvolle Warmherzigkeit des Ursprünglichen und Ewigen Sohnes. Das Universum eures Ursprungs wird zwischen dem Amboss der Gerechtigkeit und dem Hammer des Leidens geschmiedet; aber diejenigen, die den Hammer schwingen, sind die Kinder der Barmherzigkeit, die geistigen Abkömmlinge des Unendlichen Geistes. ***** 9.2 Der Allgegenwärtige Geist ***** Gott ist in einem dreifachen Sinne Geist: Er ist selbst Geist; in seinem Sohn erscheint er als Geist ohne Einschränkung; und im Mit-Vollzieher als mit dem Verstand verbündeter Geist. Und zusätzlich zu diesen geistigen Realitäten denken wir Ebenen erfahrungsmäßiger Geistphänomene festzustellen - die Geiste des Supremen Wesens, der Ultimen Gottheit und des Gottheit-Absoluten. Der Unendliche Geist ist gerade ebenso sehr eine Ergänzung des Ewigen Sohnes, wie der Sohn eine Ergänzung des Universalen Vaters ist. Der Ewige Sohn ist eine vergeistigte Personifizierung des Vaters; der Unendliche Geist ist eine personifizierte Vergeistigung des Ewigen Sohnes und des Universalen Vaters. Es gibt viele unbehinderte geistige Kraftlinien und Quellen übermaterieller Macht, welche die Menschen Urantias direkt mit den Gottheiten des Paradieses verbinden. Es gibt die direkte Verbindung der Gedankenjustierer zum Universalen Vater, den allgegenwärtigen Einfluss der antreibenden geistigen Gravitation des Ewigen Sohnes und die geistige Gegenwart des Mitschöpfers. Es gibt zwischen dem Geist des Sohnes und dem Geist des Geistes einen Unterschied in der Funktion. Die Dritte Person kann in ihrem geistigen Amt als Verstand plus Geist oder als Geist allein funktionieren. Zusätzlich zu diesen Paradies-Präsenzen kommen die Urantianer in den Genuss der geistigen Einflüsse und Aktivitäten des Lokaluniversums und des Superuniversums mit ihrem beinahe endlosen Aufgebot liebender Persönlichkeiten, die immer alle Menschen mit wahren Absichten und ehrlichem Herzen nach oben und innen führen, den Idealen der Göttlichkeit und dem Ziel höchster Vollkommenheit entgegen. Wir kennen die Gegenwart des universalen Geistes des Ewigen Sohnes - wir können sie unfehlbar feststellen. Die Gegenwart des Unendlichen Geistes, der Dritten Person der Gottheit, vermögen sogar sterbliche Menschen zu kennen, denn die materiellen Geschöpfe können tatsächlich die Wohltat dieses göttlichen Einflusses erleben, welcher als der den Rassen der Menschheit geschenkte Heilige Geist des Lokaluniversums wirkt. Menschliche Wesen können sich auch in einem gewissen Grade des Justierers, der unpersönlichen Gegenwart des Universalen Vaters bewusst werden. All diese göttlichen Geiste, welche an der Emporhebung und Vergeistigung des Menschen arbeiten, handeln im Einklang und in vollkommener Zusammenarbeit Sie sind wie ein einziger bei der geistigen Durchführung der Pläne für den Aufstieg der Sterblichen und deren Erlangung der Vollkommenheit . ***** 9.3 Der Universale Manipulator ***** Die Paradies-Insel ist die Quelle und Substanz der physischen Gravitation; und das sollte genügen, um euch darüber zu informieren, dass Gravitation etwas vom Realsten und ewig Verlässlichsten im ganzen materiellen Universum der Universen ist. Gravitation kann weder verändert noch aufgehoben werden außer durch Kräfte und Energien, die unter der gemeinsamen Schirmherrschaft des Vaters und des Sohnes stehen und der Person des Dritten Zentralen Ursprungs anvertraut wurden, mit der sie funktionell verbunden sind. Der Unendliche Geist besitzt eine einmalige und erstaunliche Macht - Antigravitation. Diese Macht ist weder im Vater noch im Sohn funktionell (beobachtbar) vorhanden. Diese dem Dritten Ursprung innewohnende Fähigkeit, der Anziehung der physischen Gravitation zu widerstehen, offenbart sich in den persönlichen Reaktionen des Mit-Vollziehers auf gewisse Phasen universeller Beziehungen. Und dieses einzigartige Attribut kann auf bestimmte höhere Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes übertragen werden. Antigravitation kann Gravitation in einem lokalen Rahmen auslöschen; sie tut es durch die wirkende Anwesenheit einer gleich großen Gegenkraft. Sie ist nur gegenüber physischer Gravitation wirksam, und sie ist keine Verstandeshandlung. Das der Gravitation widerstehende Phänomen eines Kreisels ist eine gute Illustration für die Wirkung der Antigravitation, aber wertlos zur Illustration der Ursache der Antigravitation. Des Weiteren legt der Mit-Vollzieher Fähigkeiten an den Tag, die Kraft transzendieren und Energie neutralisieren können. Diese Fähigkeiten wirken durch Verlangsamung der Energie bis zum Punkt der Materialisierung und durch andere euch unbekannte Techniken. Der Mitschöpfer ist weder Energie noch Quelle der Energie noch Bestimmung der Energie; er ist der Manipulator der Energie. Der Mitschöpfer ist Aktion - Bewegung, Wechsel, Modifizierung, Koordinierung, Stabilisierung und Gleichgewicht. Die der direkten oder indirekten Kontrolle des Paradieses unterworfenen Energien sprechen von Natur aus auf die Handlungen des Dritten Zentralen Ursprungs und seiner vielfältigen ausführenden Organe an. Das Universum der Universen ist durchdrungen von den die Macht kontrollierenden Geschöpfen des Dritten Zentralen Ursprungs: physischen Überwachern, Machtlenkern, Machtzentren und anderen Repräsentanten des Gottes der Aktion, die mit der Regulierung und Stabilisierung der physischen Energien zu tun haben. Diese einzigartigen Geschöpfe mit physischer Funktion besitzen alle verschiedenartige Eigenschaften der Machtkontrolle wie Antigravitation, welche sie bei ihrem Bemühen einsetzen, das physische Gleichgewicht der Materie und der Energien des Großen Universums herbeizuführen. All diese materiellen Aktivitäten des Gottes der Aktion scheinen seine Funktion mit der Paradies-Insel zu verknüpfen, und tatsächlich berücksichtigen alle Organe der Macht die Absolutheit der Ewigen Insel und sind sogar von ihr abhängig. Aber der Mit-Vollzieher handelt nicht für das Paradies noch in Reaktion auf dieses. Er handelt, und zwar persönlich, für den Vater und den Sohn. Das Paradies ist keine Person. Alle nichtpersönlichen, unpersönlichen und anderswie nicht-persönlichen Handlungen des Dritten Zentralen Ursprungs sind Willensakte des Mit-Vollziehers selber; sie sind nicht irgendeiner Sache oder irgendjemandes Widerhall, Ausfluss oder Rückwirkung. Das Paradies ist das Urmuster der Unendlichkeit; der Gott der Aktion ist der Aktivierer dieses Urmusters. Das Paradies ist der materielle Angelpunkt der Unendlichkeit; die Organe des Dritten Zentralen Ursprungs sind die Intelligenzhebel, die die materielle Ebene antreiben und den Mechanismen der physischen Schöpfung Spontaneität einflößen. ***** 9.4 Der Absolute Verstand ***** Der Dritte Zentrale Ursprung besitzt eine intellektuelle Natur, die sich von seinen physischen und geistigen Attributen unterscheidet. Mit einer solchen Natur kann man schwerlich in Kontakt treten, aber sie ist assoziierbar - intellektuell, jedoch nicht persönlich. Auf funktionellen Verstandesebenen kann sie von den physischen Attributen und vom geistigen Charakter der Dritten Person unterschieden werden, aber in der Wahrnehmung von Persönlichkeiten funktioniert diese Natur nie unabhängig von physischen oder geistigen Manifestationen. Der absolute Verstand ist der Verstand der Dritten Person; er ist von der Persönlichkeit Gottes des Geistes nicht zu trennen. In funktionierenden Wesen ist der Verstand nicht von Energie oder Geist oder von beiden getrennt. Der Verstand wohnt der Energie nicht inne; die Energie ist empfänglich für den Verstand und kann auf ihn reagieren; der Verstand kann sich der Energie überlagern, aber der rein materiellen Ebene wohnt kein Bewusstsein inne. Dem reinen Geist braucht kein Verstand hinzugefügt zu werden, denn Geist ist von Natur aus bewusst und vermag zu identifizieren. Geist ist immer intelligent, in einem gewissen Sinne verstandesbegabt. Es mag sich dabei um diesen oder jenen Verstand handeln, um Vorverstand oder Überverstand oder gar Geistverstand - in jedem Falle ist er eine Entsprechung des Denkens und Erkennens. Die geistige Schau transzendiert das Verstandesbewusstsein, sie tritt zu diesem noch hinzu bzw. geht ihm theoretisch voraus. Absolut ist der Mitschöpfer nur auf dem Gebiet des Verstandes, in den Reichen der universalen Intelligenz. Der Verstand des Dritten Zentralen Ursprungs ist unendlich; er übersteigt die aktiven und funktionierenden Verstandeskreisläufe des Universums der Universen ganz und gar. Die Verstandesbegabung der sieben Superuniversen stammt von den Sieben Hauptgeisten, den primären Persönlichkeiten des Mitschöpfers. Diese Hauptgeiste teilen den Verstand im Großen Universum als kosmischen Verstand aus, und euer Lokaluniversum wird durchdrungen von der Nebadon-Variante des Orvonton-Typs des kosmischen Verstandes. Unendlicher Verstand kennt keine Zeit, ultimer Verstand transzendiert die Zeit, kosmischer Verstand wird durch die Zeit bedingt. Und ebenso verhält es sich mit dem Raum: Der Unendliche Verstand ist unabhängig vom Raum, aber je weiter man von den unendlichen Verstandesebenen bis zu denen der Hilfsgeiste hinabsteigt, umso mehr muss der Intellekt mit der Tatsache und den Begrenzungen des Raums rechnen. Die kosmische Kraft reagiert auf den Verstand gerade so, wie der kosmische Verstand auf den Geist reagiert. Geist ist göttliches Vorhaben, und geistiger Verstand ist göttliches Vorhaben in Aktion. Energie ist Sache, Verstand ist Bedeutung, Geist ist Wert. Sogar in Zeit und Raum stellt der Verstand zwischen Energie und Geist jene relativen Beziehungen her, die ihre beiderseitige Verwandtschaft in der Ewigkeit nahe legen. Der Verstand führt die Werte des Geistes in die Bedeutungen des Intellektes über; das Wollen hat die Macht, die Bedeutungen des Verstandes sowohl im materiellen wie im geistigen Bereich fruchtbar werden zu lassen. Der Aufstieg zum Paradies schließt ein relatives und differenziertes Wachstum an Geist, Verstand und Energie in sich. Die Persönlichkeit ist die Einigerin dieser Komponenten der erfahrungsmäßigen Individualität. ***** 9.5 Das Wirken des Verstandes ***** Der Dritte Zentrale Ursprung ist unendlich an Verstand. Sollte das Universum bis ins Unendliche wachsen, wäre sein Verstandespotential dennoch in der Lage, Geschöpfe ohne Zahl mit einem passenden Verstand und anderen Vorbedingungen für den Intellekt auszustatten. Im Bereich des erschaffenen Verstandes herrscht die Dritte Person mit ihren beigeordneten und untergeordneten Mitarbeitern unumschränkt. Die Bereiche des Geschöpfesverstandes entstammen ausschließlich dem Dritten Zentralen Ursprung; er verleiht den Verstand. Sogar die Vaterfragmente finden es unmöglich, dem Verstand der Menschen innezuwohnen, solange nicht Verstandesaktion und geistige Funktion des Unendlichen Geistes gebührend den Weg für sie geebnet haben. Das einzigartige Merkmal des Verstandes ist es, dass er einem so breiten Spektrum des Lebens verliehen werden kann. Durch seine Schöpferischen und Geschöpfes-Mitarbeiter betreut der Dritte Zentrale Ursprung jeden Verstand auf allen Planeten. Dem menschlichen und untermenschlichen Intellekt steht er durch die Hilfsgeiste der Lokaluniversen bei und versorgt durch die physischen Überwacher sogar die niedrigsten, keiner Erfahrung fähigen Wesenheiten der primitivsten Vertreter des Lebendigen. Und immer ist die Lenkung des Verstandes ein Dienst von Verstand-Geist- oder von Verstand-Energie-Persönlichkeiten. Da die Dritte Person der Gottheit der Ursprung des Verstandes ist, ist es nur natürlich, dass die evolutionären Willensgeschöpfe es leichter finden, sich eine verständliche Vorstellung von dem Unendlichen Geist zu machen als von dem Ewigen Sohn oder dem Universalen Vater. Die Realität des Mitschöpfers offenbart sich in unvollkommener Weise gerade in der Existenz des menschlichen Verstandes. Der Mitschöpfer ist der Ahnherr des kosmischen Verstandes, und der Verstand des Menschen ist ein individualisierter Kreislauf, ein unpersönlicher Teil jener Form des kosmischen Verstandes, die in einem Lokaluniversum durch die Schöpferische Tochter des Dritten Zentralen Ursprungs vergeben wird. Nehmt nicht an, alle Verstandesphänomene seien göttlich, weil die Dritte Person der Ursprung des Verstandes ist. Der menschliche Intellekt wurzelt im materiellen Ursprung der tierischen Rassen. Die Intelligenz im Universum ist ebenso wenig eine wahre Offenbarung des Gottes, der Verstand ist, wie die physische Natur eine wahre Offenbarung der Schönheit und Wahrheit des Paradieses ist. Es liegt Vollkommenheit in der Natur, aber die Natur ist nicht vollkommen. Der Mitschöpfer ist der Ursprung des Verstandes, aber der Verstand ist nicht der Mitschöpfer. Auf Urantia ist der Verstand ein Kompromiss zwischen der Essenz gedanklicher Vollkommenheit und der sich entwickelnden Mentalität eurer unreifen menschlichen Natur. Der Plan für eure intellektuelle Evolution ist tatsächlich von höchster Vollkommenheit, aber ihr seid während eures Aufenthaltes im sterblichen Gehäuse von diesem göttlichen Ziel weit entfernt. Der Verstand ist wahrhaftig göttlichen Ursprungs und hat eine göttliche Bestimmung, aber euer sterblicher Verstand besitzt noch keine göttliche Würde. Zu oft, allzu oft schädigt ihr euren Verstand durch Unaufrichtigkeit und lasst ihn aus Mangel an Rechtschaffenheit verdorren; ihr setzt ihn tierischer Furcht aus und verzerrt ihn mit nutzlosem Bangen. Obwohl also die Quelle des Verstandes göttlich ist, kann Verstand, wie ihr ihn auf eurer Welt des Aufstiegs kennt, schwerlich ein Gegenstand großer Bewunderung, und noch weit weniger der Anbetung oder Verehrung werden. Das Nachsinnen über den unreifen und trägen menschlichen Intellekt sollte nur zu Reaktionen der Demut führen. ***** 9.6 Der Verstandes-Gravitationskreis ***** Der Dritte Zentrale Ursprung, die Universale Intelligenz, ist sich persönlich jedes Verstandes, jedes Intellekts der ganzen Schöpfung bewusst, und hält mit all diesen physischen, morontiellen und geistigen und mit Verstand begabten Geschöpfen der weitgedehnten Universen einen persönlichen und vollkommenen Kontakt aufrecht. All diese Verstandesaktivitäten werden von dem absoluten Verstandes-Gravitationskreis erfasst, der seinen Mittelpunkt im Dritten Zentralen Ursprung hat und ein Teil des persönlichen Bewusstseins des Unendlichen Geistes ist. Sehr ähnlich wie der Vater alle Persönlichkeiten zu sich hinzieht und wie der Sohn die gesamte geistige Realität anzieht, so übt der Mit-Vollzieher seine Anziehungskraft auf allen und jeden Intellekt aus; er beherrscht und überwacht den universalen Verstandeskreislauf. Alle wahren und echten intellektuellen Werte, alle göttlichen Gedanken und vollkommenen Ideen werden unfehlbar in diesen absoluten Verstandeskreis hineingezogen. Verstandesgravitation kann unabhängig von materieller und geistiger Gravitation wirken, aber wo und wann immer diese beiden aufeinander treffen, funktioniert stets die Verstandesgravitation. Wenn alle drei miteinander verbunden sind, kann die Persönlichkeitsgravitation dieses materielle Geschöpf, ob physisch oder morontiell, ob endlich oder absonit, umfangen. Aber dessen ungeachtet befähigt die Ausrüstung mit Verstand auch unpersönliche Wesen zum Denken und verleiht ihnen Bewusstsein trotz gänzlicher Abwesenheit von Persönlichkeit. Das Selbst mit Persönlichkeitswürde, ob menschlich oder göttlich, unsterblich oder potentiell unsterblich, hat seinen Ursprung indessen weder im Geist noch in Verstand oder Materie; es ist ein Geschenk des Universalen Vaters. Ebenso wenig ist das Zusammenwirken von geistiger, mentaler und materieller Gravitation eine Vorbedingung für das Erscheinen der Persönlichkeitsgravitation. Der Kreis des Vaters kann sehr wohl ein mit Verstand begabtes materielles Wesen umfassen, das auf die Geistgravitation nicht anspricht, wie er auch ein mit Verstand begabtes geistiges Wesen einschließen kann, das nicht auf die materielle Gravitation anspricht. Das Wirken der Persönlichkeitsgravitation ist stets ein Willensakt des Universalen Vaters. Während der Verstand in rein materiellen Wesen mit der Energie verbunden und in rein geistigen Persönlichkeiten mit dem Geist verbunden ist, besitzen ungezählte Persönlichkeitsordnungen einschließlich der menschlichen einen Verstand, der sowohl mit Energie als auch mit Geist verbunden ist. Die geistigen Aspekte des Geschöpfesverstandes reagieren unfehlbar auf die Anziehung der Geistgravitation des Ewigen Sohnes; die materiellen Wesenszüge reagieren auf den Gravitationsdruck des materiellen Universums. Wenn der kosmische Verstand weder mit Energie noch mit Geist verbunden ist, ist er auch nicht den Gravitationsforderungen des materiellen und des geistigen Kreislaufs unterworfen. Reiner Verstand ist einzig dem universalen Gravitationssog des Mit-Vollziehers unterworfen. Reiner Verstand ist eng verwandt mit unendlichem Verstand, und unendlicher Verstand (der theoretische Gleichgeordnete der Absoluten des Geistes und der Energie) ist offenbar ein Gesetz in sich selbst. Je größer das Auseinanderklaffen von Geist und Energie, umso größer die beobachtbare Funktion des Verstandes; je geringer die Verschiedenheit von Energie und Geist, umso geringer die beobachtbare Funktion des Verstandes. Offensichtlich übt der kosmische Verstand seine maximale Funktion in den zeitlichen Universen des Raumes aus. Hier scheint der Verstand in einer mittleren Zone zwischen Energie und Geist zu wirken, aber das trifft für die höheren Verstandesebenen nicht zu; im Paradies sind Energie und Geist in ihrem Wesen eins. Der Verstandes-Gravitationskreis ist verlässlich; er geht von der Dritten Person der Paradies-Gottheit aus, aber nicht jede beobachtbare Verstandesfunktion ist voraussehbar. Durch die ganze bekannte Schöpfung hindurch wirkt parallel zu diesem Verstandeskreis eine nur wenig verstandene Gegenwart, deren Funktion nicht voraussehbar ist. Wir glauben, dass diese Unvorhersehbarkeit teilweise der Funktion des Universalen Absoluten zuzuschreiben ist. Was diese Funktion ist, wissen wir nicht; darüber, was sie in Gang bringt, können wir nur mutmaßen; über das, was ihre Beziehung zu den Geschöpfen betrifft, können wir nur spekulieren. Gewisse Phasen der Unvorhersehbarkeit des endlichen Verstandes sind wohl auf die Unvollendetheit des Supremen Wesens zurückzuführen, und es gibt einen weiten Bereich von Aktivitäten, worin Mit-Vollzieher und Universales Absolutes sich möglicherweise berühren. Im Zusammenhang mit dem Verstand gibt es viel Unbekanntes, aber dessen sind wir sicher: Der Unendliche Geist ist der vollkommene Ausdruck des Verstandes des Schöpfers für alle Geschöpfe; das Supreme Wesen ist der sich entwickelnde Ausdruck des Verstandes aller Geschöpfe gegenüber ihrem Schöpfer. ***** 9.7 Die Universums-Reflexivität ***** Der Mit-Vollzieher besitzt die Fähigkeit, alle Ebenen der Universumswirklichkeit so zu koordinieren, dass die gleichzeitige Wahrnehmung des Mentalen, Materiellen und Geistigen möglich wird. Das ist das Phänomen der Universumsreflexivität, dieser einmaligen und unerklärlichen Macht, alles zu sehen, zu hören, zu fühlen und zu kennen, was in einem ganzen Superuniversum geschieht, und diese ganze Information und dieses ganze Wissen durch Reflexivität in jedem beliebigen gewünschten Punkt fokussieren zu können. Das Arbeiten der Reflexivität zeigt sich in Vollkommenheit auf jeder der Hauptsitz- Welten der sieben Superuniversen. Sie funktioniert ebenfalls in allen Sektoren der Superuniversen und innerhalb der Grenzen der Lokaluniversen. Die Reflexivität läuft schließlich im Paradies zusammen. Das Phänomen der Reflexivität, wie es auf den Hauptsitz-Welten der Superuniversen in den erstaunlichen Leistungen der dort stationierten reflexiven Persönlichkeiten zu Tage tritt, stellt die komplexeste Verflechtung aller Existenzphasen dar, die man in der gesamten Schöpfung überhaupt finden kann. Die Linien des Geistes können bis zum Sohn zurückverfolgt werden, diejenigen der physischen Energie bis zum Paradies und diejenigen des Verstandes bis zum Dritten Ursprung; aber bei dem außerordentlichen Phänomen der Universumsreflexivität geschieht eine einzigartige und außergewöhnliche Vereinigung aller drei, die durch ihr Zusammenwirken die Universumslenker befähigt, über weit abgelegene Zustände augenblicklich und gleichzeitig mit dem Geschehen Bescheid zu wissen. Wir verstehen viele Aspekte der Reflexivitätstechnik, aber manche ihrer Phasen sind uns wahrhaft rätselhaft. Wir wissen, dass der Mit-Vollzieher das Universums-Zentrum des Verstandeskreises ist, dass er der Ahnherr des kosmischen Verstandes ist, und dass die absolute Verstandesgravitation des Dritten Zentralen Ursprungs die Funktionsweise des kosmischen Verstandes beherrscht. Ferner wissen wir, dass die Kreisläufe des kosmischen Verstandes die intellektuellen Ebenen aller bekannten Existenzen beeinflussen; sie beinhalten die universellen Raummeldungen, und ebenso sicher haben sie ihre Brennpunkte in den Sieben Hauptgeisten und laufen im Dritten Zentralen Ursprung zusammen. Die Beziehung zwischen dem endlichen kosmischen Verstand und dem göttlichen absoluten Verstand scheint sich im erfahrungsmäßigen Verstand des Supremen fortzuentwickeln. Man lehrt uns, dass dieser erfahrungsmäßige Verstand dem Supremen im Morgengrauen der Zeit von dem Unendlichen Geist verliehen wurde, und wir vermuten, dass gewisse Aspekte des Reflexivitätsphänomens nur erklärt werden können, wenn man die Aktivität des Supremen Verstandes voraussetzt. Wenn der Supreme nichts mit Reflexivität zu tun hätte, sähen wir keinen Weg, um die verwickelten Vorgänge und unfehlbaren Leistungen dieses Bewusstseins des Kosmos zu erklären. Reflexivität scheint Allwissenheit innerhalb der Grenzen des erfahrungsmäßigen Endlichen zu sein und bedeutet möglicherweise das allmähliche Hervortreten der bewussten Gegenwart des Supremen Wesens. Ist diese Annahme wahr, dann ist die Benutzung der Reflexivität in irgendeiner ihrer Phasen gleichbedeutend mit partiellem Kontakt mit dem Bewusstsein des Supremen. ***** 9.8 Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes ***** Der Unendliche Geist besitzt die Machtvollkommenheit, vieles von seiner Macht und seinen Vorrechten an die ihm beigeordneten und untergeordneten Persönlichkeiten und ausführenden Organe weiterzugeben. Der erste Gottheit-Schöpferakt des Unendlichen Geistes, der dabei außerhalb der Trinität, aber in nicht-offenbarter Verbindung mit dem Vater und dem Sohn handelte, rief die Persönlichkeiten der Sieben Hauptgeiste des Paradieses ins Dasein, die den Unendlichen Geist an die Universen austeilen. Es gibt am Hauptsitz eines Superuniversums keinen direkten Repräsentanten des Dritten Zentralen Ursprungs. Jede dieser sieben Schöpfungen hängt von einem der Hauptgeiste des Paradieses ab, der durch die sieben Reflexiven Geister handelt, welche sich am Hauptsitz des Superuniversums befinden. Der nächste und kontinuierliche Schöpferakt des Unendlichen Geistes tut sich von Zeit zu Zeit in der Hervorbringung der Schöpferischen Geiste kund. Jedes Mal, wenn der Universale Vater und der Ewige Sohn Eltern eines Schöpfersohnes werden, wird der Unendliche Geist zum Ahnherrn eines Schöpferischen Geistes eines Lokaluniversums, der zur engen Mitarbeiterin des betreffenden Schöpfersohnes in der ganzen späteren Universumserfahrung bestimmt ist. Gerade so, wie man zwischen dem Ewigen Sohn und den Schöpfersöhnen unterscheiden muss, muss man auch den Unendlichen Geist und die Schöpferischen Geiste, die Beigeordneten der Schöpfersöhne der Lokaluniversen, auseinander halten. Was der Unendliche Geist für die Gesamtschöpfung ist, ist ein Schöpferischer Geist für ein Lokaluniversum. Der Dritte Zentrale Ursprung wird im Großen Universum durch ein gewaltiges Aufgebot an dienenden Geisten, Botschaftern, Lehrern, Schiedsrichtern, Helfern und Beratern vertreten, zu denen sich noch die Beaufsichtiger gewisser Kreisläufe physischer, morontieller und geistiger Natur gesellen. Nicht alle dieser Wesen sind Persönlichkeiten im strengen Sinne des Wortes. Die Persönlichkeit des endlichen Geschöpfestyps wird charakterisiert durch: 1. Subjektives Selbstbewusstsein. 2. Objektives Ansprechen auf den Persönlichkeitskreis des Vaters. Es gibt Schöpferpersönlichkeiten und Geschöpfespersönlichkeiten, und zusätzlich zu diesen beiden fundamentalen Typen gibt es die Persönlichkeiten des Dritten Zentralen Ursprungs, die für den Unendlichen Geist zwar persönlich sind, Geschöpfeswesen aber nicht in einem uneingeschränkten Sinne persönlich erscheinen. Diese Persönlichkeiten des Dritten Ursprungs gehören dem Persönlichkeitskreis des Vaters nicht an. Persönlichkeiten des Ersten Ursprungs und Persönlichkeiten des Dritten Ursprungs können in gegenseitigen Kontakt treten; mit jeder Persönlichkeit kann Kontakt aufgenommen werden. Der Vater vergibt Persönlichkeit aus seinem eigenen persönlichen freien Willen. Warum er es tut, können wir bloß vermuten; wie er es tut, wissen wir nicht. Ebenso wenig wissen wir, warum der Dritte Ursprung Nicht-Vater-Persönlichkeit verleiht, aber der Unendliche Geist tut dies von sich aus in schöpferischer Verbindung mit dem Ewigen Sohn und auf manche euch unbekannte Weise. Der Unendliche Geist kann auch für den Vater handeln und Persönlichkeit des Ersten Ursprungs verleihen. Es gibt zahlreiche Persönlichkeitstypen des Dritten Ursprungs. Der Unendliche Geist vergibt Persönlichkeit des Dritten Ursprungs an zahlreiche Gruppen, die nicht zu des Vaters Persönlichkeitskreis gehören, wie bestimmte Machtlenker. Desgleichen behandelt der Unendliche Geist als Persönlichkeiten zahlreiche Gruppen von Wesen, wie zum Beispiel die Schöpferischen Geiste, die in ihren Beziehungen zu den sich in des Vaters Kreis befindlichen Geschöpfen eine Klasse für sich bilden. Sowohl Persönlichkeiten des Ersten als auch des Dritten Ursprungs sind mit allem und mehr als dem ausgestattet, was der Mensch mit der Vorstellung von Persönlichkeit verbindet; sie besitzen einen Verstand mit Gedächtnis, Vernunft, Urteilskraft, schöpferischer Imagination, Ideenassoziation, Entscheidungsvermögen, Wahlfreiheit und zahlreichen zusätzlichen, den Sterblichen völlig unbekannten Verstandeskräften. Mit wenigen Ausnahmen besitzen die euch offenbarten Ordnungen Gestalt und eindeutige Individualität; sie sind reale Wesen. Die Mehrzahl von ihnen ist für alle Ordnungen geistiger Existenz sichtbar. Auch ihr werdet fähig sein, eure geistigen Gefährten der niedrigeren Ordnungen zu sehen, sobald ihr von der begrenzten Sicht eurer derzeitigen materiellen Augen befreit sein werdet und nachdem ihr eine morontielle Gestalt mit ihrer erhöhten Sensibilität für die Realität geistiger Dinge erhalten habt. Die funktionelle Familie des Dritten Zentralen Ursprungs, wie sie in diesen Schilderungen enthüllt wird, zerfällt in drei große Gruppen: I. Die Supremen Geiste. Eine Gruppe gemischten Ursprungs, die unter anderen die folgenden Ordnungen umfasst: 1. Die Sieben Hauptgeiste des Paradieses. 2. Die Reflexiven Geiste der Superuniversen. 3. Die Schöpferischen Geiste der Lokaluniversen. II. Die Machtlenker. Eine Gruppe von Kontrollgeschöpfen und -organen, die im ganzen organisierten Raum funktionieren. III. Die Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. Diese Bezeichnung bedeutet nicht notwendigerweise, dass diese Wesen dem Dritten Ursprung entstammende Persönlichkeiten sind, obwohl einige von ihnen als Willensgeschöpfe einmalig sind. Sie werden gewöhnlich in drei Hauptklassen unterteilt: 1. Die Höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. 2. Die Botschafterheere des Raums. 3. Die Dienenden Geiste der Zeit. Diese Gruppen dienen im Paradies, im Zentralen oder Residenzuniversum und in den Superuniversen, und sie umfassen Ordnungen, die ihre Funktionen in den Lokaluniversen und sogar in den Konstellationen, Systemen und auf den Planeten ausüben. Die Geistpersönlichkeiten der riesigen Familie des Göttlichen und Unendlichen Geistes widmen sich für alle Zeiten der Aufgabe, den intelligenten Geschöpfen der evolutionären Welten von Zeit und Raum dienend die Liebe Gottes und die Barmherzigkeit des Sohnes widerfahren zu lassen. Diese Geistwesen bilden die lebendige Leiter, auf welcher der sterbliche Mensch vom Chaos zur Herrlichkeit aufsteigt. [Auf Urantia geoffenbart durch einen Göttlichen Ratgeber aus Uversa, der von den Ältesten der Tage mit der Darstellung von Wesen und Werk des Unendlichen Geistes betraut wurde.] ****** Kapitel 10 Die Paradies Trinität ****** DIE Paradies-Trinität der ewigen Gottheiten erleichtert dem Vater das Entrinnen aus dem Absolutismus der Persönlichkeit. Die Trinität verbindet in vollkommener Weise den unbegrenzten Ausdruck des unendlichen persönlichen Willens Gottes mit der Absolutheit der Gottheit. Der Ewige Sohn und die verschiedenartigen Söhne göttlichen Ursprungs sorgen zusammen mit dem Mit-Vollzieher und seinen Universumskindern wirksam für des Vaters Befreiung von den Begrenzungen, die ansonsten im Wesen von Primat, Vollkommenheit, Unveränderlichkeit, Ewigkeit, Universalität, Absolutheit und Unendlichkeit liegen. Die Paradies-Trinität sorgt wirksam für den vollen Ausdruck und die vollkommene Offenbarung der ewigen Natur der Gottheit. Die Stationären Söhne der Trinität bieten desgleichen eine volle und vollkommene Offenbarung der göttlichen Gerechtigkeit. Die Trinität ist Gottheit-Einheit, und diese Einheit ruht ewig auf den absoluten Fundamenten des göttlichen Einsseins der drei ursprünglichen und gleichgeordneten und koexistierenden Persönlichkeiten, Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes und Gottes des Geistes. Wenn wir von der gegenwärtigen Situation auf dem Kreis der Ewigkeit in die endlose Vergangenheit zurückschauen, können wir in den Universumsangelegenheiten nur eine einzige unentrinnbare Unvermeidlichkeit entdecken, und das ist die Paradies-Trinität. Ich bin der Ansicht, dass die Trinität unvermeidlich war. Wenn ich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Zeit betrachte, finde ich, dass nichts anderes im ganzen Universum der Universen unvermeidlich war. Das gegenwärtige All-universum, ob im Rückblick oder in Vorausschau betrachtet, ist ohne die Trinität undenkbar. Mit der Paradies-Trinität als einer Gegebenheit können wir alternative oder sogar zahlreiche Weisen, alle Dinge zu tun, postulieren, aber ohne die Trinität von Vater, Sohn und Geist sind wir unfähig, uns vorzustellen, wie das Unendliche angesichts des absoluten Einsseins der Gottheit eine dreifache und koordinierte Personifizierung vollbringen könnte. Kein anderes Schöpfungskonzept kann heranreichen an die in der Trinität vorhandene Verbindung von vollständiger Absolutheit, die der Einheit der Gottheit innewohnt, mit der Fülle befreiten Wollens, die der dreifachen Personifizierung der Gottheit innewohnt. ***** 10.1 Selbstausteilung des Ersten Zentralen Ursprungs ***** Allem Anschein nach leitete der Vater in vergangener Ewigkeit eine Politik profunder Selbstausteilung ein. Es gibt etwas in der selbstlosen, liebenden und liebenswerten Natur des Universalen Vaters, was ihn veranlasst, sich selber die Ausübung nur jener Macht und Autorität vorzubehalten, die er an andere weiterzugeben oder zu verschenken offenbar für unmöglich hält. Der Universale Vater hat immer jeden Teil von sich selbst weggegeben, den er irgendeinem anderen Schöpfer oder Geschöpf verleihen konnte. Er hat an seine göttlichen Söhne und an die mit ihnen verbundenen Intelligenzen alle Macht und Autorität delegiert, die delegiert werden konnte. Er hat tatsächlich seinen Souveränen Söhnen in ihren jeweiligen Universen alle Vorrechte administrativer Autorität abgetreten, die abgetreten werden konnten. In Bezug auf die Angelegenheiten eines Lokaluniversums hat er jeden Souveränen Schöpfersohn gerade so vollkommen, kompetent und autoritativ gemacht, wie es der Ewige Sohn im ursprünglichen Zentraluniversum ist. Mit der Würde und Heiligkeit des Besitzes der Persönlichkeit hat er alles von sich selber und all seine Attribute hingegeben, tatsächlich verschenkt, alles, wessen er sich überhaupt entledigen konnte, auf jede Weise, in jedem Zeitalter, an jedem Ort, an jede Person und in jedem Universum mit Ausnahme desjenigen seiner zentralen Wohnstätte. Die göttliche Persönlichkeit ist nicht egozentrisch; Selbstausteilung und das Teilen der Persönlichkeit mit anderen sind für das Wesen des göttlichen freien Willens charakteristisch. Die Geschöpfe sehnen sich nach der Verbindung mit anderen persönlichen Geschöpfen; es drängt die Schöpfer, die Göttlichkeit mit ihren Universumskindern zu teilen; die Persönlichkeit des Unendlichen offenbart sich als der Universale Vater, der die Realität des Seins und die Ebenbürtigkeit des Selbst mit zwei gleichgeordneten Persönlichkeiten, dem Ewigen Sohn und dem Mit-Vollzieher, teilt. Für die Kenntnis der Persönlichkeit und der göttlichen Attribute des Vaters werden wir immer auf die Offenbarungen des Ewigen Sohnes angewiesen sein, denn als der gemeinsame Schöpfungsakt stattgefunden hatte, als die Dritte Person der Gottheit ins persönliche Dasein trat und die kombinierten Vorstellungen ihrer göttlichen Eltern ausführte, hörte der Vater auf, als uneingeschränkte Persönlichkeit zu existieren. Mit dem Erscheinen des Mit-Vollziehers und der Materialisierung des zentralen Kerns der Schöpfung traten bestimmte ewige Veränderungen ein. Gott gab sich als eine absolute Persönlichkeit seinem Sohn. In dieser Weise verleiht der Vater seinem eingeborenen Sohn die "Persönlichkeit der Unendlichkeit", während sie beide dem Unendlichen Geist die "gemeinsame Persönlichkeit" ihrer ewigen Verbindung schenken. Aus diesen und anderen, das Fassungsvermögen des endlichen Verstandes übersteigenden Gründen ist es für ein menschliches Geschöpf äußerst schwierig, die unendliche Vaterpersönlichkeit Gottes zu verstehen außer in der Art, wie sie sich im Ewigen Sohn universal offenbart und wie sie, zusammen mit dem Sohn, im Unendlichen Geist universal handelt. Da die Paradies-Söhne Gottes die evolutionären Welten besuchen und sie manchmal sogar als fleischgewordene Sterbliche bewohnen, und da diese Selbsthingaben es dem sterblichen Menschen ermöglichen, tatsächlich etwas über Natur und Charakter der göttlichen Persönlichkeit zu erfahren, müssen die Geschöpfe der planetarischen Welten auf die Selbsthingaben dieser Paradies-Söhne blicken, um verlässliche und glaubwürdige Auskunft über den Vater, den Sohn und den Geist zu erhalten. ***** 10.2 Personifizierung der Gottheit ***** Durch die Technik der Trinitisation entäußert sich der Vater jener unbeschränkten Geistpersönlichkeit, die der Sohn ist, aber indem er so handelt, macht er sich selbst zum Vater ebendieses Sohnes und gelangt dadurch in den Besitz der unbegrenzten Fähigkeit, zum göttlichen Vater aller später erschaffenen, eventuierten oder anderswie personifizierten Typen intelligenter Willensgeschöpfe zu werden. Als die absolute und uneingeschränkte Persönlichkeit kann der Vater nur als Sohn und mit diesem wirken, aber als ein persönlicher Vater fährt er fort, die mannigfaltigen Heerscharen der verschiedenen Stufen intelligenter Willensgeschöpfe mit Persönlichkeit zu beschenken, und für immer unterhält er mit dieser gewaltigen Familie von Universumskindern persönliche Beziehungen liebevoller Verbundenheit. Nachdem der Vater die Fülle seiner selbst an die Persönlichkeit seines Sohnes gegeben hat und dieser Akt der Selbsthingabe vollständig und vollkommen geworden ist, dann, aus der in der Vater-Sohn-Vereinigung existierenden unendlichen Macht und Natur heraus, verleihen die ewigen Partner gemeinsam jene Eigenschaften und Attribute, die nun noch ein weiteres Wesen wie sie selber bilden; und diese Mit-Persönlichkeit, der Unendliche Geist, vervollständigt die existentielle Verpersönlichung der Gottheit. Der Sohn ist unerlässlich für die Vaterschaft Gottes. Der Geist ist unerlässlich für die Bruderbeziehung der Zweiten und Dritten Person. Es braucht mindestens drei Personen, um eine soziale Gruppe zu bilden, aber dies ist nur der geringste der vielen Gründe, um an die Unvermeidlichkeit des Mit-Vollziehers zu glauben. Der Erste Zentrale Ursprung ist die unendliche Vaterpersönlichkeit, der unbegrenzte Quell aller Persönlichkeit. Der Ewige Sohn ist das uneingeschränkte Persönlichkeits-Absolute, das göttliche Wesen, das für alle Zeit und Ewigkeit als vollkommene Offenbarung der persönlichen Natur Gottes dasteht. Der Unendliche Geist ist die Mit-Persönlichkeit, die einzigartige persönliche Konsequenz der ewigwährenden Vater-Sohn-Vereinigung. Die Persönlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs ist unendliche Persönlichkeit abzüglich der absoluten Persönlichkeit des Ewigen Sohnes. Die Persönlichkeit des Dritten Zentralen Ursprungs ist die zusätzliche Folge der Vereinigung der befreiten Vaterpersönlichkeit mit der absoluten Sohnespersönlichkeit. Der Universale Vater, der Ewige Sohn und der Unendliche Geist sind einmalige Personen; keine ist ein Doppel; jede ist original; alle sind geeint. Der Ewige Sohn allein macht die Erfahrung der ganzen Fülle göttlicher Persönlichkeitsbeziehungen. Er ist sich seiner Sohnesbeziehung zum Vater und seiner Vaterbeziehung zum Geist sowie seiner göttlichen Gleichheit mit dem Vater-Ahnen und dem Geist-Partner bewusst. Der Vater kennt die Erfahrung, einen Sohn zu besitzen, der ihm gleich ist, aber der Vater kennt keinen Ahnenvorgänger. Der Ewige Sohn hat die Erfahrung der Sohnschaft, kennt die persönliche Abstammung und ist sich gleichzeitig bewusst, Mit-Elternteil des Unendlichen Geistes zu sein. Der Unendliche Geist ist sich doppelter persönlicher Abstammung bewusst, steht aber in keinem Elternverhältnis mit einer gleichgeordneten Persönlichkeit der Gottheit. Mit dem Geist wird der existentielle Zyklus der Gottheitspersonifizierung vollständig; die primären Persönlichkeiten des Dritten Zentralen Ursprungs sind erfahrungsmäßiger Natur und sieben an der Zahl. Ich habe meinen Ursprung in der Paradies-Trinität. Ich kenne die Trinität als geeinte Gottheit; ich weiß auch, dass Vater, Sohn und Geist in ihren bestimmten persönlichen Leistungsbereichen existieren und handeln. Ich weiß mit Bestimmtheit, dass sie nicht nur persönlich und kollektiv handeln, sondern ihre Leistungen auch in verschiedenen Gruppierungen koordinieren, so dass sie am Ende einzeln oder zu mehreren in sieben verschiedenen Eigenschaften wirken. Und da diese sieben Verbindungen die göttlichen Kombinationsmöglichkeiten erschöpfen, ist es unvermeidlich, dass die Universumsrealitäten in sieben Varianten von Werten, Bedeutungen und Persönlichkeiten in Erscheinung treten. ***** 10.3 Die drei Personen der Gottheit ***** Obwohl es nur eine Gottheit gibt, gibt es drei eindeutige und göttliche Personifizierungen der Gottheit. Bezüglich der Vergabe der göttlichen Justierer an die Menschen sagte der Vater: "Lasst uns den sterblichen Menschen nach unserem eigenen Bilde erschaffen." Wiederholt finden sich in den Schriften Urantias Stellen, die sich auf die Handlungen und Taten einer mehrfachen Gottheit beziehen und damit klar das Wissen um Existenz und Wirken der drei Zentralen Ursprünge verraten. Man lehrt uns, dass der Sohn und der Geist mit dem Vater im Zusammenschluss der Trinität dieselben ebenbürtigen Beziehungen unterhalten. In der Ewigkeit und als Gottheiten tun sie es unzweifelhaft, aber in der Zeit und als Persönlichkeiten lassen sie zweifellos Beziehungen sehr unterschiedlicher Art erkennen. Wenn man vom Paradies in die Universen hinausschaut, scheinen sich diese Beziehungen sehr zu gleichen, aber von den Reichen des Raums aus betrachtet sind sie offenbar gänzlich verschieden. Die göttlichen Söhne sind tatsächlich das "Wort Gottes", aber die Kinder des Geistes sind wahrhaftig die "Tat Gottes". Gott spricht durch den Sohn, und mit dem Sohn handelt er durch den Unendlichen Geist, während der Sohn und der Geist sich in allen Universumsaktivitäten äußerst brüderlich verhalten und wie zwei einander ebenbürtige Brüder mit Bewunderung und Liebe für ihren verehrten und göttlich hoch geachteten gemeinsamen Vater wirken. Vater, Sohn und Geist sind einander gewiss ihrer Natur nach ebenbürtig, in ihrem Wesen koordiniert, aber in ihren universellen Vollbringungen zeigen sich unverkennbare Unterschiede; und wenn jede Person der Gottheit allein handelt, ist sie offenbar in ihrer Absolutheit begrenzt. Bevor sich der Universale Vater aus freien Stücken der Persönlichkeit, der Macht und der Attribute begab, die den Sohn und den Geist ausmachen, scheint er (philosophisch betrachtet) eine eigenschaftslose, absolute und unendliche Gottheit gewesen zu sein. Aber ein derartiger theoretischer Erster Zentraler Ursprung ohne einen Sohn könnte in keinem Sinne des Wortes als der Universale Vater angesehen werden; Vaterschaft ohne Sohnschaft ist nicht wirklich. Außerdem hätte der Vater, um in einem totalen Sinne absolut zu sein, zu einem in ewiger Ferne liegenden Zeitpunkt allein existiert haben müssen. Aber er hatte nie eine solche einsame Existenz; der Sohn und der Geist sind beide mit-ewig mit dem Vater. Der Erste Zentrale Ursprung ist immer der ewige Vater des Ursprünglichen Sohnes und, mit dem Sohn, der Ewige Erzeuger des Unendlichen Geistes gewesen und wird es für immer bleiben. Wir stellen fest, dass der Vater alle direkten Manifestationen seiner Absolutheit mit Ausnahme der absoluten Vaterschaft und des absoluten Willens abgelegt hat. Wir wissen nicht, ob der Wille ein un-übertragbares Attribut des Vaters ist; wir können nur feststellen, dass er den Willen nicht abgetreten hat. Diese Unendlichkeit des Willens muss dem Ersten Zentralen Ursprung seit ewig innegewohnt haben. Indem er dem Ewigen Sohn die Absolutheit der Persönlichkeit schenkt, löst sich der Universale Vater aus den Ketten des Persönlichkeitsabsolutismus, aber damit tut er einen Schritt, der es ihm für immer unmöglich macht, allein als das Persönlichkeitsabsolute zu handeln. Und mit der abschließenden Personifizierung koexistierender Gottheit - derjenigen des Mit-Vollziehers - erfolgt die entscheidende trinitarische Interdependenz der drei göttlichen Persönlichkeiten in allem, was die Totalität des Funktio-nierens der Gottheit im Absoluten betrifft. Gott ist das Vater-Absolute aller Persönlichkeiten im Universum der Universen. Der Vater ist persönlich absolut in der Handlungsfreiheit, aber in den erschaffenen, in Erschaffung begriffenen und noch zu erschaffenden Universen von Zeit und Raum kann der Vater absolut als totale Gottheit nicht anders als in der Paradies-Trinität wahrgenommen werden. Der Erste Zentrale Ursprung funktioniert außerhalb Havonas in den Universen der Phänomene wie folgt: 1. Als Schöpfer, durch die Schöpfersöhne, seine Enkelsöhne. 2. Als Überwacher, durch das Gravitationszentrum des Paradieses 3. Als Geist, durch den Ewigen Sohn. 4. Als Verstand, durch den Mitschöpfer. 5. Als ein Vater unterhält er mit allen Geschöpfen elterlichen Kontakt durch seinen Persönlichkeitskreis. 6. Als eine Person handelt er in der ganzen Schöpfung direkt durch seine ausschließlichen Fragmente - in den sterblichen Menschen durch die Gedankenjustierer. 7. Als totale Gottheit funktioniert er nur in der Paradies-Trinität. All diese Verzichte und Delegierungen der Zuständigkeit durch den Universalen Vater sind völlig freiwillig und selbstauferlegt. Der Allmächtige Vater nimmt diese Begrenzungen universaler Autorität mit voller Absicht auf sich. Der Ewige Sohn scheint in allen geistigen Belangen wie eins mit dem Vater zu wirken mit Ausnahme der Vergabe der Gottesfragmente und anderer vorpersönlicher Aktivitäten. Ebenso wenig steht der Sohn in naher Berührung mit den intellektuellen Aktivitäten materieller Geschöpfe oder mit den energetischen Aktivitäten der materiellen Universen. Als Absolutes funktioniert der Sohn als eine Person und nur im Bereich des geistigen Universums. Der Unendliche Geist ist in all seinem Wirken erstaunlich universal und unbeschreiblich vielseitig. Er betätigt sich in den Sphären des Verstandes, der Materie und des Geistes. Der Mit-Vollzieher repräsentiert die Vater-Sohn-Verbindung, aber er funktioniert auch als er selber. Er hat nicht unmittelbar mit materieller Gravitation, geistiger Gravitation oder mit dem Persönlichkeitskreis zu tun, aber er beteiligt sich mehr oder weniger an allen anderen Universumsaktivitäten. Während der Unendliche Geist offenbar von drei existentiellen und absoluten Gravitationskontrollen abhängt, scheint er drei allerhöchste Kontrollfunktionen wahrzunehmen. Er gebraucht diese dreifache Begabung, um sogar die Manifestationen primärer Kräfte und Energien in mancher Weise zu transzendieren und anscheinend zu neutralisieren, und zwar bis hinauf an die über-ultimen Grenzen der Absolutheit. In gewissen Situationen transzendieren diese Überkontrollen auf absolute Weise sogar die uranfänglichen Manifestationen der kosmischen Realität. ***** 10.4 Die Vereinigung der Gottheit in der Trinität ***** Von allen absoluten Verbindungen ist die Paradies-Trinität (die erste Triunität) als eine Verbindung ausschließlich persönlicher Gottheiten einmalig. Gott funktioniert als Gott nur in Beziehung zu Gott und zu denen, die Gott kennen können, aber als absolute Gottheit nur in der Paradies-Trinität und in Beziehung zum Universumsganzen. Die Ewige Gottheit ist vollkommen geeint; nichtsdestoweniger gibt es drei vollkommen individualisierte Personen der Gottheit. Die Paradies-Trinität macht es möglich, dass die ganze Verschiedenheit der Wesenszüge und der unendlichen Machtbegabungen des Ersten Zentralen Ursprungs und seiner ewigen Gleichgeordneten und die ganze göttliche Einheit der Universumsfunktionen der ungeteilten Gottheit sich gleichzeitig ausdrücken können. Die Trinität ist ein Zusammenschluss unendlicher Personen, der in einer nichtpersönlichen Eigenschaft, aber nicht im Widerspruch zur Persönlichkeit funktioniert. Der Vergleich ist grob, aber ein Vater, ein Sohn und ein Enkel könnten eine Körperschaft bilden, die, obwohl nichtpersönlich, trotzdem ihren einzelnen persönlichen Willen unterworfen wäre. Die Paradies-Trinität ist real. Sie existiert als der Gottheitszusammenschluss von Vater, Sohn und Geist; aber der Vater, der Sohn oder der Geist oder je zwei von ihnen können in Beziehung zu ebendieser Paradies-Trinität funktionieren. Vater, Sohn und Geist können auf nichttrinitäre Art zusammenarbeiten, aber nicht als drei Gottheiten. Als Personen können sie nach ihrer Wahl zusammenarbeiten, aber das ist nicht die Trinität. Denkt stets daran, dass, was der Unendliche Geist tut, die Funktion des Mit-Vollziehers ist. Sowohl der Vater als auch der Sohn funktionieren in ihm und durch ihn und als er. Aber es wäre müßig, das Mysterium der Trinität erhellen zu wollen: drei wie einer und in einem, und einer wie zwei und handelnd für zwei. Die Trinität steht in einer derartigen Beziehung zur Gesamtheit der Universumsangelegenheiten, dass wir sie bei unseren Versuchen, die Totalität irgendeines isolierten kosmischen Ereignisses oder einer Persönlichkeitsbeziehung zu erklären, in unsere Überlegungen einbeziehen müssen. Die Trinität funktioniert auf allen Ebenen des Kosmos, und der sterbliche Mensch ist auf die endliche Ebene beschränkt; deshalb muss er sich mit einer endlichen Vorstellung von der Trinität als solcher begnügen. Als Sterbliche im Fleisch solltet ihr die Trinität in Übereinstimmung mit eurer individuellen Erleuchtung und in Harmonie mit den Reaktionen eures Verstandes und eurer Seele sehen. Ihr könnt nur sehr wenig über die Absolutheit der Trinität wissen, aber während ihr zum Paradies hinansteigt, wird viele Male Staunen über euch kommen angesichts aufeinander folgender Offenbarungen und unerwarteter Entdeckungen von Suprematie und Ultimität, wenn nicht gar Absolutheit, der Trinität. ***** 10.5 Funktionen der Trinität ***** Die persönlichen Gottheiten besitzen Attribute, aber es ist kaum logisch, von Attributen der Trinität zu sprechen. Diese Verbindung göttlicher Wesen kann man richtiger als im Besitze von Funktionen betrachten wie: Verwaltung der Gerichtsbarkeit, Haltungen totaler Art, koordiniertes Handeln und kosmische höchste Kontrolle. Diese Funktionen sind aktiv suprem, ultim und (in den Grenzen der Gottheit) absolut, insoweit alle lebendigen Realitäten mit Persönlichkeitswert betroffen sind. Die Funktionen der Paradies-Trinität sind nicht einfach die Summe der in Erscheinung tretenden Göttlichkeitsbegabung des Vaters zusätzlich der in der persönlichen Existenz des Sohnes und des Geistes einmalig spezialisierten Attribute. Der Zusammenschluss der drei Paradies-Gottheiten in der Trinität bewirkt die Entwicklung, Eventuierung und Vergöttlichung von neuen Bedeutungen, Werten, Machtbegabungen und Fähigkeiten für universale Offenbarung, Aktion und Verwaltung. Lebendige Zusammenschlüsse, menschliche Familien, soziale Gruppen oder die Paradies-Trinität nehmen nicht einfach durch arithmetisches Addieren zu. Das Potential einer Gruppe übersteigt stets bei weitem die bloße Summe der Attribute der sie bildenden Einzelwesen. Die Trinität nimmt als Trinität gegenüber dem ganzen Universum der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine einzigartige Haltung ein. Und die Funktionen der Trinität können am besten in Beziehung zu diesen Haltungen der Trinität gegenüber dem Universum betrachtet werden. Diese Haltungen sind gleichzeitig und können bezüglich jeder einzelnen Situation oder jedes einzelnen Ereignisses mannigfaltig sein: 1. Haltung gegenüber dem Endlichen. Die größte Selbstbegrenzung der Trinität ist ihre Haltung gegenüber dem Endlichen. Die Trinität ist keine Person, noch ist das Supreme Wesen eine ausschließliche Personifizierung der Trinität, aber der Supreme ist die größtmögliche Annäherung an eine Macht-Persönlichkeit-Fokussierung der Trinität, die von endlichen Geschöpfen erfasst werden kann. Deshalb spricht man von der Trinität in Beziehung zum Endlichen manchmal als von der Trinität der Suprematie. 2. Haltung gegenüber dem Absoniten. Die Paradies-Trinität befasst sich auch mit jenen Existenz-ebenen, die mehr als endlich, aber weniger als absolut sind, und diese Beziehung wird manchmal als Trinität der Ultimität bezeichnet. Weder der Ultime noch der Supreme sind gänzlich repräsentativ für die Paradies-Trinität, aber in einem eingeschränkten Sinne und auf ihren jeweiligen Ebenen scheint jeder während der vorpersönlichen Epochen der Entwicklung erfahrungsmäßiger Macht die Trinität zu repräsentieren. 3. Die absolute Haltung der Paradies-Trinität steht in Beziehung zu absoluten Existenzen und kulminiert in der Aktion der gesamten Gottheit. Das Trinität-Unendliche umfasst die koordinierte Aktion aller Triunitätsbeziehungen des Ersten Zentralen Ursprungs - der nichtdeifizierten wie der deifizierten - und ist deshalb für Persönlichkeiten sehr schwer fassbar. Lasst beim Nachsinnen über die Trinität als ein Unendliches die sieben Triunitäten nicht außer Acht; dadurch können gewisse Schwierigkeiten des Verständnisses vermieden und gewisse Paradoxe teilweise gelöst werden. Aber ich verfüge über keine Sprache, die mir erlauben würde, dem begrenzten menschlichen Verstand die volle Wahrheit und ewige Bedeutung der Paradies-Trinität und der Art des nie endenden engen Zusammenwirkens der drei Wesen von höchster Vollkommenheit zu vermitteln. ***** 10.6 Die Stationären Söhne der Trinität ***** Alles Gesetz hat seinen Ursprung in dem Ersten Zentralen Ursprung; er ist das Gesetz. Die Verwaltung des geistigen Gesetzes wohnt dem Zweiten Zentralen Ursprung inne. Die Offenbarung des Gesetzes, die Verkündung und Interpretation der göttlichen Satzungen ist die Funktion des Dritten Zentralen Ursprungs. Die Anwendung des Gesetzes, die Gerechtigkeit, fällt in den Aufgabenbereich der Paradies-Trinität und wird von bestimmten Söhnen der Trinität ausgeübt. Die Gerechtigkeit wohnt der universalen Souveränität der Paradies-Trinität inne, aber Güte, Barmherzigkeit und Wahrheit sind das universale Wirken der göttlichen Persönlichkeiten, deren vereinigte Gottheit die Trinität bildet. Die Gerechtigkeit ist nicht die Haltung des Vaters, des Sohnes oder des Geistes. Die Gerechtigkeit ist die trinitäre Haltung dieser Persönlichkeiten der Liebe, Barmherzigkeit und Fürsorge. Keine der Paradies-Gottheiten gibt sich mit der Verwaltung der Gerechtigkeit ab. Die Gerechtigkeit ist nie eine persönliche Haltung; sie ist immer eine Funktion von mehreren. Das Zeugnis, die Grundlage von Fairness (Gerechtigkeit in Harmonie mit Barmherzigkeit), wird von den Persönlichkeiten des Dritten Zentralen Ursprungs geliefert, dem Mit-Vollzieher und Repräsentanten des Vaters und des Sohnes für alle Reiche und für den Verstand der intelligenten Wesen der ganzen Schöpfung. Das Urteil, die endgültige Anwendung der Gerechtigkeit gemäß dem von den Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes geleisteten Zeugnis, ist die Arbeit der Stationären Söhne der Trinität, von Wesen, die an der Trinitätsnatur der Vereinigung von Vater, Sohn und Geist teilhaben. Diese Gruppe von Trinitätssöhnen umfasst die folgenden Persönlichkeiten: 1. Die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie. 2. Die Ewigen der Tage. 3. Die Ältesten der Tage. 4. Die Vollkommenen der Tage. 5. Die Jüngsten der Tage. 6. Die Einiger der Tage. 7. Die Getreuen der Tage. 8. Die Vervollkommner der Weisheit. 9. Die Göttlichen Ratgeber. 10. Die universellen Zensoren. Es findet sich, dass ich der zehnten Ordnung dieser Gruppe, den Universellen Zensoren angehöre; wir sind die Kinder der drei als Trinität funktionierenden Paradies-Gottheiten. Diese Ordnungen sind nicht in einem universalen Sinne für die Haltung der Trinität repräsentativ; sie repräsentieren diese kollektive Haltung der Gottheit nur in den Bereichen der Urteilsvollziehung - der Gerechtigkeit. Sie wurden von der Trinität speziell zu dieser bestimmten, ihnen zugewiesenen Aufgabe ausersehen, und sie repräsentieren die Trinität nur in denjenigen Funktionen, für die sie personifiziert worden sind. Die Ältesten der Tage und ihre Mitarbeiter trinitären Ursprungs lassen den sieben Superuniversen gerechtes Urteil widerfahren, das von höchster Fairness gekennzeichnet ist. Im Zentraluniversum gibt es solche Funktionen nur in der Theorie; dort ist vollkommene Fairness selbstverständlich, und die Vollkommenheit von Havona schließt jede Möglichkeit von Disharmonie aus. Gerechtigkeit ist der kollektive Gedanke der Rechtschaffenheit; Barmherzigkeit ist ihr persönlicher Ausdruck. Barmherzigkeit ist die Haltung der Liebe; Genauigkeit charakterisiert die Arbeitsweise des Gesetzes; göttliches Urteil ist die Seele der Fairness, indem es sich immer an die Gerechtigkeit der Trinität hält und immer die göttliche Liebe erfüllt. Wenn die rechtschaffene Gerechtigkeit der Trinität und die barmherzige Liebe des Universalen Vaters voll erkannt und vollständig begriffen werden, decken sie sich. Aber der Mensch hat kein so vollkommenes Verständnis der göttlichen Gerechtigkeit. Deshalb sind aus menschlicher Sicht in der Trinität die Persönlichkeiten von Vater, Sohn und Geist aufeinander abgestimmt beim koordinierten Spenden von Liebe und Gesetz in den erfahrungsmäßigen Universen der Zeit. ***** 10.7 Die Höchste Kontrolle der Suprematie ***** Die Erste, Zweite und Dritte Person der Gottheit sind einander ebenbürtig, und sie sind eins. "Der Herr unser Gott ist ein einziger Gott." In der göttlichen Trinität der ewigen Gottheiten besteht Vollkommenheit des Plans und Einheit der Ausführung. Der Vater, der Sohn und der Mit-Vollzieher sind wahrhaftig und göttlich eins. Zu Recht steht geschrieben: "Ich bin der erste, und ich bin der letzte, und neben mir gibt es keinen Gott." So wie die Dinge den Sterblichen auf der endlichen Ebene erscheinen, befasst sich die Paradies-Trinität gleich dem Supremen Wesen einzig mit der Gesamtheit - dem ganzen Planeten, dem ganzen Universum, dem ganzen Superuniversum, dem ganzen Großen Universum. Diese Ganzheitshaltung kommt daher, dass die Trinität die gesamte Gottheit ist, hat aber noch viele andere Gründe. Das Supreme Wesen ist etwas Geringeres und etwas anderes als die in den endlichen Universen funktionierende Trinität; aber innerhalb gewisser Grenzen und während der gegenwärtigen Ära unvollständiger Macht-Personifizierung scheint diese evolutionäre Gottheit wirklich die Haltung der Trinität der Suprematie wiederzugeben. Vater, Sohn und Geist wirken nicht persönlich mit dem Supremen Wesen, aber während des gegenwärtigen Universumszeitalters arbeiten sie mit ihm als Trinität zusammen. Wir nehmen als sicher an, dass sie eine ähnliche Beziehung zum Ultimen unterhalten. Wir stellen oft Vermutungen darüber an, welcher Art wohl die Beziehungen zwischen den Gottheiten des Paradieses und dem Supremen Gott sein werden, wenn dieser sich endgültig entwickelt hat, aber wir wissen es wirklich nicht. Wir finden nicht, dass die Höchste Kontrolle der Suprematie gänzlich voraussehbar sei. Des Weiteren scheint diese Unvoraussehbarkeit von einer gewissen Unvollständigkeit der Entwicklung begleitet zu sein, was unzweifelhaft ein Kennzeichen der Unvollständigkeit des Supremen und der Unvollständigkeit endlicher Reaktion auf die Paradies-Trinität ist. Der menschliche Verstand kann sich augenblicklich tausend Dinge vergegenwärtigen - katastrophale physische Ereignisse, entsetzliche Unfälle, grauenhafte Not, schmerzhafte Krankheiten und weltweite Plagen - und sich dabei fragen, ob derartige Heimsuchungen in der unbekannten Strategie dieses wahrscheinlichen Wirkens des Supremen Wesens korreliert sind. Ehrlich, wir wissen es nicht; wir sind uns nicht wirklich sicher. Hingegen beobachten wir, dass mit dem Vergehen der Zeit all diese schwierigen und mehr oder weniger rätselhaften Geschehnisse am Ende immer zum Wohlergehen und Fortschritt der Universen beitragen. Es mag sein, dass die Umstände der Existenz und die unerklärlichen Wechselfälle des Lebens durch das Wirken des Supremen und die höchste Kontrolle der Trinität allesamt zu einem bedeutungsvollen Muster von hohem Wert verwoben werden. Als Söhne Gottes könnt ihr die persönliche Haltung der Liebe in allen Handlungen Gottes des Vaters wahrnehmen. Aber ihr werdet nicht immer fähig sein zu begreifen, auf welche Weise viele der Universumshandlungen der Trinität dem einzelnen Sterblichen auf den evolutionären Welten des Raums zum Wohl gereichen. Im Verlauf der Ewigkeit werden sich die Handlungen der Trinität als voller Bedeutung und Rücksichtnahme erweisen, aber den Geschöpfen der Zeit erscheinen sie nicht immer in diesem Licht. ***** 10.8 Die Trinität jenseits des Endlichen ***** Manche die Paradies-Trinität betreffenden Wahrheiten und Tatsachen können einzig, wenn auch nur teilweise, begriffen werden, wenn man einer über das Endliche hinausgehenden Funktion Rechnung trägt. Es wäre wenig ratsam, die Funktionen der Trinität der Ultimität zu diskutieren, aber es kann eröffnet werden, dass der Ultime Gott die Manifestation der Trinität ist, wie die Transzendentalen sie begreifen. Wir neigen zu der Annahme, dass die Einigung des Alluniversums der eventuierende Akt des Ultimen ist und wahrscheinlich gewisse, aber nicht alle Phasen der absoniten höchsten Kontrolle der Paradies-Trinität widerspiegelt. Der Ultime ist eine bedingte Manifestation der Trinität gegenüber dem Absoniten nur in dem Sinne, wie der Supreme teilweise die Trinität gegenüber dem Endlichen repräsentiert. Der Universale Vater, der Ewige Sohn und der Unendliche Geist sind in einem gewissen Sinne die die Gesamtgottheit bildenden Persönlichkeiten. Ihre Vereinigung in der Paradies-Trinität und die absolute Funktion der Trinität sind gleichbedeutend mit der Funktion der Gesamtgottheit. Und eine derartige Vollständigkeit der Gottheit übersteigt sowohl das Endliche als auch das Absonite. Keine einzelne Person der Paradies-Gottheiten füllt tatsächlich das ganze Gottheitspotential aus, wohl aber alle drei zusammen. Drei unendliche Personen scheinen die minimale Anzahl Wesen zu sein, die erforderlich sind, um das vorpersönliche und existentielle Potential der Gesamtgottheit - des Gottheit-Absoluten - zu aktivieren. Wir kennen den Universalen Vater, den Ewigen Sohn und den Unendlichen Geist als Personen, aber ich kenne das Gottheit-Absolute nicht persönlich. Ich liebe und verehre Gott den Vater; ich empfinde Respekt und Hochachtung vor dem Gottheit-Absoluten. Ich hielt mich einst in einem Universum auf, wo eine gewisse Personengruppe lehrte, dass die Finalisten in der Ewigkeit dazu bestimmt seien, schließlich Kinder des Gottheit-Absoluten zu werden. Aber ich bin nicht gewillt, diese Lösung des Geheimnisses anzunehmen, das die Zukunft der Finalisten umgibt. Das Korps der Finalität umfasst nebst anderen jene Sterblichen von Zeit und Raum, die die Vollkommenheit in allem erreicht haben, was den Willen Gottes betrifft. Als Geschöpfe und innerhalb der Grenzen der Geschöpfesfähigkeit kennen sie Gott im vollen Sinne und wahrhaftig. Nachdem sie also Gott als den Vater aller Geschöpfe gefunden haben, müssen diese Finalisten irgendwann einmal mit der Suche nach dem überendlichen Vater beginnen. Aber diese Suche bedeutet ein Erfassen der absoniten Natur der ultimen Attribute und des ultimen Charakters des Paradies-Vaters. In der Ewigkeit wird es sich erweisen, ob solch eine Vollbringung möglich ist, aber wir sind überzeugt, dass die Finalisten, auch wenn sie diese ultime Göttlichkeit erfassen sollten, wahrscheinlich nicht imstande sein werden, die überultimen Ebenen der absoluten Gottheit zu erreichen. Vielleicht mögen die Finalisten die Absolute Gottheit teilweise erreichen, aber auch wenn es ihnen gelingen sollte, wird doch in der Ewigkeit der Ewigkeiten das Problem des Universalen Absoluten fortfahren, die aufsteigenden und fortschreitenden Finalisten zu faszinieren, in die Irre zu führen, ihnen Rätsel aufzugeben und sie herauszufordern, denn wir erkennen, dass die Unergründlichkeit der kosmischen Beziehungen des Universalen Absoluten dahin tendieren wird, entsprechend der fortschreitenden Expansion der materiellen Universen und ihrer geistigen Verwaltung zuzunehmen. Nur die Unendlichkeit kann das Vater-Unendliche enthüllen. [Dargeboten von einem Universellen Zensor, der mit Vollmacht der auf Uversa residierenden Ältesten der Tage handelt.] ****** Kapitel 11 Die Ewige Paradies Insel ****** DAS Paradies ist das ewige Zentrum des Universums der Universen und die Wohnstätte des Universalen Vaters, des Ewigen Sohnes, des Unendlichen Geistes und ihrer göttlichen Beigeordneten und Mitarbeiter. Diese zentrale Insel ist der gigantischste aller organisierten Himmelskörper kosmischer Realität im gesamten Alluniversum. Das Paradies ist sowohl ein materieller Himmelskörper als auch ein geistiger Wohnort. Die ganze intelligente Schöpfung des Universalen Vaters bewohnt materielle Aufenthaltsorte; deshalb muss das absolute Überwachungszentrum ebenfalls materiell sein, im wörtlichen Sinne. Und abermals sollte wiederholt werden, dass geistige Dinge und geistige Wesen wirklich sind. Die materielle Schönheit des Paradieses beruht auf der Herrlichkeit seiner physischen Vollkommenheit; die Größe der Gottesinsel zeigt sich in den überragenden intellektuellen Leistungen und in der mentalen Entwicklung ihrer Bewohner; die Herrlichkeit der zentralen Insel tut sich in der unendlichen Begabung mit göttlicher Geistpersönlichkeit kund - im Licht des Lebens. Aber die Tiefen der geistigen Schönheit und die Wunder dieses erhabenen Ganzen liegen völlig jenseits des Fassungsvermögens des endlichen Verstandes materieller Geschöpfe. Glorie und geistiger Glanz der göttlichen Residenz sind für einen Sterblichen unfasslich. Und das Paradies existiert von Ewigkeit her; es gibt weder Aufzeichnungen noch Überlieferungen, die sich auf den Ursprung dieser Kerninsel des Lichts und Lebens beziehen. ***** 11.1 Die Göttliche Residenz ***** Das Paradies dient vielen Verwaltungszwecken der universellen Reiche, aber für Geschöpfeswesen ist es in erster Linie die Wohnstätte der Gottheit. Die persönliche Gegenwart des Universalen Vaters befindet sich genau im Mittelpunkt der oberen Oberfläche dieses annähernd kreis-, aber nicht kugelförmigen Wohnsitzes der Gottheiten. Die Paradies-Gegenwart des Universalen Vaters ist unmittelbar umgeben von der persönlichen Gegenwart des Ewigen Sohnes, während beide in die unaussprechliche Herrlichkeit des unendlichen Geistes eingehüllt sind. Gott wohnt, hat gewohnt und wird ewig an eben diesem zentralen und ewigen Ort wohnen. Wir haben ihn immer dort gefunden und werden ihn immer dort finden. Der Universale Vater ist in diesem Zentrum des Universums der Universen kosmisch fokussiert, geistig personifiziert und geographisch wohnhaft. Wir alle wissen den direkten Weg einzuschlagen, um den Universalen Vater zu finden. Ihr seid unfähig, von der göttlichen Residenz wegen ihrer Entfernung viel zu begreifen, wegen des immensen zwischen ihr und euch liegenden Raumes, aber jene, die die Bedeutung dieser enormen Distanzen begreifen können, wissen ebenso bestimmt und buchstäblich, wo Gottes Aufenthaltsort ist, wie ihr wisst, wo sich New York, London, Rom oder Singapore befinden, Städte, die an einem bestimmten geographischen Punkt auf Urantia liegen. Wäret ihr ein intelligenter, mit Schiff, Seekarten und Kompass ausgerüsteter Seefahrer, könntet ihr diese Städte leicht finden. Desgleichen könntet ihr, verfügtet ihr über Zeit, Beförderungsmittel, geistige Befähigung und die nötige Führung, euch durch ein Universum nach dem anderen und von einem Kreis zum anderen steuern lassen und durch die Sternreiche immer weiter nach innen reisen, bis ihr schließlich vor dem zentralen Glanz der geistigen Herrlichkeit des Universalen Vaters stündet. Mit allem Erforderlichen zur Reise ausgerüstet, ist es ebenso möglich, Gottes persönliche Gegenwart in der Mitte aller Dinge zu finden, wie entfernte Städte auf eurem eigenen Planeten. Dass ihr diese Orte nie besucht habt, widerlegt in keiner Weise ihre Realität oder wirkliche Existenz. Dass nur so wenige Universumsgeschöpfe Gott im Paradies gefunden haben, widerlegt in keiner Weise die Realität seiner Existenz oder die Realität seiner geistigen Person im Zentrum aller Dinge. Man kann den Vater immer an diesem zentralen Ort finden. Wenn er sich wegbegäbe, würde das Universum in ein Chaos gestürzt, denn in ihm laufen von den Enden der Schöpfung an diesem zentralen Wohnort die universalen Gravitationslinien zusammen. Ob wir den Persönlichkeitskreis durch die Universen zurückverfolgen oder den aufsteigenden Persönlichkeiten auf ihrer Reise nach innen zum Vater folgen; ob wir den Linien der materiellen Gravitation zum Unteren Paradies nachgehen oder den zyklischen Ausbrüchen der kosmischen Kraft folgen; ob wir den Linien der geistigen Gravitation bis zum Ewigen Sohn nachgehen oder der Prozession der Paradies-Söhne Gottes nach innen folgen; ob wir die Verstandeskreise nachzeichnen oder den Billionen und Aberbillionen himmlischer Wesen folgen, die dem Unendlichen Geist entspringen - jede oder alle dieser Beobachtungen führen uns direkt in die Gegenwart des Vaters, an seine zentrale Wohnstätte zurück. Hier ist Gott persönlich, buchstäblich und wirklich anwesend. Und aus seinem unendlichen Wesen fluten in alle Universen Ströme von Leben, Energie und Persönlichkeit. ***** 11.2 Natur der ewigen Insel ***** Da ihr beginnt, eine schwache Ahnung von der ungeheuren Größe des materiellen Universums zu bekommen, das ihr sogar von eurem astronomischen Ort, von eurer Raumposition in den Sternsystemen aus wahrnehmen könnt, sollte es euch klar werden, dass ein so gewaltiges materielles Universum eine entsprechende angemessene Kapitale, einen Hauptsitz haben muss, welcher der Würde und Unendlichkeit des universalen Herrschers dieser ganzen weiten, ausgedehnten Schöpfung materieller Reiche und lebendiger Wesen entspricht. In seiner Form unterscheidet sich das Paradies von den bewohnten Himmelskörpern: Es ist nicht kugelförmig. Es ist eindeutig ellipsoid, da sein Nord-Süd-Durchmesser um einen Sechstel länger ist als sein Ost-West-Durchmesser. Die zentrale Insel ist im Wesentlichen flach, denn die Distanz zwischen oberer und unterer Oberfläche beträgt ein Zehntel des Ost-West-Durchmessers. Diese unterschiedlichen Dimensionen in Verbindung mit dem stationären Zustand der Insel und der an ihrem Nordende unter stärkerem Druck austretenden Kraft-Energie ermöglichen es, im Universum eine absolute Richtung festzulegen. Die zentrale Insel ist geographisch in drei Zonen der Aktivität aufgeteilt: 1. Das obere Paradies. 2. Das periphere Paradies. 3. Das untere Paradies. Wir sprechen von der Paradiesoberfläche, die den Persönlichkeitsaktivitäten vorbehalten ist, als von der oberen Seite und von der gegenüberliegenden Oberfläche als der unteren Seite. Die Peripherie des Paradieses dient Aktivitäten, die nicht im strengen Sinne persönlich oder nichtpersönlich sind. Die Trinität scheint die persönliche oder obere Ebene zu beherrschen, das Eigenschaftslose Absolute die untere oder unpersönliche Ebene. Wir können uns das Eigenschaftslose Absolute kaum als eine Person vorstellen, aber wir glauben, dass die funktionelle Raumgegenwart dieses Absoluten im unteren Paradies konzentriert ist. Die ewige Insel besteht aus einer einzigen Form von Materialisierung - aus stationären Rea-litätssystemen. Diese tatsächliche Substanz des Paradieses ist eine homogene Organisation von Raumpotenz, die man nirgendwo anders im ganzen weiten Universum der Universen antrifft. Man hat ihr in verschiedenen Universen viele Namen gegeben, und die Melchisedeks von Nebadon nennen sie seit langem Absolutum. Dieses ursprüngliche Material des Paradieses ist weder tot noch lebendig; es ist der ursprüngliche nichtgeistige Ausdruck des Ersten Zentralen Ursprungs; es ist ganz einfach Paradies, und vom Paradies gibt es kein Doppel. Es erscheint uns, dass der Erste Zentrale Ursprung sein ganzes absolutes Potential für kosmische Realität im Paradies konzentriert hat als Teil seiner Technik der Selbstbefreiung von den Beschränkungen der Unendlichkeit, als Mittel, die unter-unendliche und selbst die Zeit-Raum-Schöpfung möglich zu machen. Aber es folgt daraus nicht, dass das Paradies durch Zeit und Raum begrenzt wird, nur weil das Universum der Universen diese Eigenschaften erkennen lässt. Das Paradies existiert ohne Zeit und hat keinen Standort im Raum. In groben Zügen: Der Raum scheint seinen Ursprung gerade unterhalb des unteren Paradieses zu haben; die Zeit den ihren gerade oberhalb des oberen Paradieses. Zeit, wie ihr sie versteht, ist kein Merkmal der Existenz im Paradies, obwohl die Bürger der zentralen Insel sich der nichtzeitlichen Abfolge der Ereignisse voll bewusst sind. Die Bewegung ist dem Paradies nicht inhärent; sie ist willensmäßig. Aber die Vorstellung von Distanz, sogar absoluter Distanz, hat sehr große Bedeutung, da man sie auf relative Punkte auf dem Paradies anwenden kann. Das Paradies ist nicht-räumlich; folglich sind seine Zonen absolut und deshalb zu vielerlei Nutzung fähig, die jenseits der Vorstellungskraft des sterblichen Verstandes liegt. ***** 11.3 Das Obere Paradies ***** Im oberen Paradies gibt es drei große Aktivitätszonen, die Gegenwart der Gottheit, die Sphäre des Allerheiligsten und das Heilige Areal. Die gewaltige Region, die die Gegenwart der Gottheiten unmittelbar umgibt, ist als Sphäre des Allerheiligsten abgesondert und den Funktionen der Anbetung, der Trinitisierung und hohem geistigen Vollbringen vorbehalten. Es gibt in dieser Zone weder materielle Strukturen noch rein intellektuelle Schöpfungen; diese könnten dort gar nicht existieren. Es ist für mich aussichtslos, dem menschlichen Verstand die göttliche Natur und erhabene Herrlichkeit der Sphäre des Allerheiligsten des Paradieses schildern zu wollen. Dieser Bereich ist ganz und gar geistig, und ihr seid fast ganz und gar materiell. Eine rein geistige Realität ist für ein rein materielles Wesen scheinbar inexistent. Während es in dieser Zone des Allerheiligsten keine physischen Materialisierungen gibt, sind Erinnerungen an eure materiellen Tage in den Sektoren des Heiligen Landes und noch weitere in den der Rückschau gewidmeten historischen Zonen des peripheren Paradieses in Fülle vorhanden. Das Heilige Areal, der Außen- oder Wohnbezirk, ist in sieben konzentrische Zonen aufgeteilt. Das Paradies wird manchmal "des Vaters Haus" genannt, da es sein ewiger Wohnsitz ist, und diese sieben Zonen werden oft als "des Vaters Paradies-Residenzen" bezeichnet. Die innere oder erste Zone wird von Bürgern des Paradieses und von Einheimischen Havonas bewohnt, wenn sie sich im Paradies aufhalten. Die nächste oder zweite Zone ist der Wohnbereich der aus den sieben Superuniversen von Zeit und Raum Gebürtigen. Diese zweite Zone ist teilweise in sieben immense Sektoren unterteilt, wo die aus den Universen evolutionären Fortschritts stammenden Geistwesen und aufsteigenden Geschöpfe ihre Paradies-Wohnung haben. Jeder von diesen Sektoren ist ausschließlich dem Wohlergehen und der Förderung der Persönlichkeiten eines einzelnen Superuniversums gewidmet, aber diese Einrichtungen übersteigen die Erfordernisse der gegenwärtigen sieben Superuniversen fast um ein Unendliches. Jeder von diesen sieben Paradies-Sektoren ist in Wohnungseinheiten unterteilt, die als Hauptquartiere zur Unterbringung einer Milliarde von Arbeitsgruppen verherrlichter Wesen dienen. Tausend derartige Einheiten bilden eine Division. Hunderttausend Divisionen sind in einer Kongregation zusammengefasst. Zehn Millionen Kongregationen bilden eine Versammlung. Eine Milliarde von Versammlungen ergibt eine große Einheit. Und diese aufsteigende Serie geht weiter über die zweite große Einheit zur dritten u.s.w. bis zur siebenten großen Einheit. Und sieben große Einheiten bilden eine Haupteinheit, und sieben Haupteinheiten ergeben eine höhere Einheit; und so setzt sich diese aufsteigende Reihe unter Multiplikation mit sieben von den höheren über die über-höheren, himmlischen und über-himmlischen bis zu den allerhöchsten Einheiten fort. Aber auch das beansprucht nicht allen verfügbaren Raum. Diese Schwindel erregende, eure Vorstellungskraft übersteigende Zahl von Wohnplätzen auf dem Paradies nimmt bedeutend weniger als ein Prozent des dafür bestimmten Gebietes des Heiligen Landes in Anspruch. Es gibt noch Platz in Fülle für die, die auf dem Weg nach innen sind, und auch für all jene, die die Erklimmung des Paradieses erst in den Zeiten der ewigen Zukunft in Angriff nehmen werden. ***** 11.4 Das Periphere Paradies ***** Die zentrale Insel endet an ihrer Peripherie abrupt, aber sie ist von so gewaltigen Ausmaßen, dass diese Abschlusskante innerhalb irgendeiner bestimmten Zone kaum wahrnehmbar ist. Die periphere Oberfläche des Paradieses wird zum Teil von Lande- und Abflugfeldern für verschiedene Gruppen von Geistpersönlichkeiten eingenommen. Da die Zonen des nichtdurchdrungenen Raums bis nahe an die Peripherie heranreichen, landen alle für das Paradies bestimmten Personentransporte in diesen Regionen. Die Transport-Supernaphim oder andere Raumdurchquerer haben weder zum oberen noch zum unteren Paradies Zutritt. Jeder der Sieben Hauptgeiste hat seinen persönlichen Sitz der Macht und Autorität auf einer der sieben Sphären des Geistes, die im Raum zwischen den strahlenden Gestirnen des Sohnes und dem inneren Kreis der Welten Havonas das Paradies umkreisen, aber auf der Peripherie des Paradieses unterhalten sie Kommandostellen fokussierter Kraft. Hier zeigt die langsam zirkulierende Gegenwart der Sieben Supremen Machtlenker jeweils die Lage der sieben Stationen an, aus welchen bestimmte Paradiesenergien blitzartig nach den sieben Superuniversen abgehen. Hier im peripheren Paradies befinden sich die riesigen historischen und prophetischen Ausstellungsareale für die Schöpfersöhne, die sich den Lokaluniversen von Zeit und Raum widmen. Es gibt genau sieben Billionen von diesen bereits realisierten oder geplanten historischen Reservaten, aber all diese Einrichtungen zusammen beanspruchen nur etwa vier Prozent des für diesen Zweck bestimmten Abschnitts des peripheren Gebietes. Wir folgern daraus, dass diese gewaltigen Vorräte in Verbindung zu Schöpfungen stehen, die dereinst außerhalb der Grenzen der gegenwärtig bekannten und bewohnten sieben Superuniversen liegen werden. Der zuhanden der existierenden Universen vorgesehene Paradiesabschnitt ist nur zu einem bis vier Prozent besetzt, und das diesen Aktivitäten zugewiesene Gebiet ist mindestens das Einmillionenfache des für diese Zwecke tatsächlich benötigten Platzes. Das Paradies ist groß genug, um die Aktivitäten einer fast unendlichen Schöpfung zu beherbergen. Aber jeder weitere Versuch, euch ein Bild von der Herrlichkeit des Paradieses zu vermitteln, wäre vergeblich. Ihr müsst warten und während eures Wartens aufsteigen, denn in der Tat "hat das Auge nicht gesehen und das Ohr nicht gehört, noch ist in das Gemüt des sterblichen Menschen eingedrungen, was der Universale Vater für jene bereithält, die weiterleben nach dem körperlichen Dasein auf den Welten von Zeit und Raum." ***** 11.5 Das Untere Paradies ***** Über das untere Paradies wissen wir nur, was offenbart wurde; es halten sich dort keine Persönlichkeiten auf. Es hat mit den Angelegenheiten geistiger Intelligenzen nicht das Geringste zu tun, noch wirkt dort das Gottheit-Absolute. Wir sind davon in Kenntnis gesetzt worden, dass alle Kreise physischer Energie und kosmischer Kraft ihren Ursprung im unteren Paradies haben und dass es wie folgt beschaffen ist: 1. Direkt unterhalb des Standorts der Trinität, im zentralen Teil des unteren Paradieses, liegt die unbekannte und nicht offenbarte Zone der Unendlichkeit. 2. Diese Zone wird unmittelbar umringt durch ein namenloses Gebiet. 3. Die äußeren Randzonen der unteren Oberfläche nimmt eine Region ein, die hauptsächlich mit Raumpotenz und Kraft-Energie zu tun hat. Die Aktivitäten dieses gewaltigen elliptischen Kraftzentrums kann man nicht den bekannten Funktionen irgendeiner Triunität gleichsetzen, aber die ursprüngliche Kraft-Ladung des Raums scheint in dieser Zone konzentriert zu sein. Dieses Zentrum besteht aus drei konzentrischen elliptischen Zonen: Die innere ist Brennpunkt der Kraft-Energie-Aktivitäten des Paradieses selbst; die äußere kann man möglicherweise mit den Funktionen des Eigenschaftslosen Absoluten identifizieren, aber über die Raumfunktionen der mittleren Zone sind wir im Ungewissen. Die Innere Zone dieses Kraftzentrums scheint als ein gigantisches Herz zu arbeiten, dessen Pulsa tionen Ströme bis zu den äußersten Enden des physischen Raumes schicken. Es lenkt und modifiziert die Kraftenergien, treibt sie aber kaum an. Die tatsächliche Druck-Gegenwart dieser Urkraft ist am Nordende des Paradies Zentrums eindeutig stärker als in den südlichen Regionen; das ist ein einheitlich beobachteter Unterschied. Die Mutterkraft des Raums scheint im Süden ein- und im Norden auszufließen unter der Einwirkung eines unbekannten Zirkulationssystems, dem die Aussendung dieser Grundform von Kraft-Energie zukommt. Von Zeit zu Zeit beobachtet man auch Druckunterschiede zwischen Osten und Westen. Die dieser Zone entströmenden Kräfte sprechen auf die beobachtbare physische Gravitation nicht an, gehorchen aber immer der Gravitation des Paradieses. Die mittlere Zone des Kraftzentrums umschließt die obige unmittelbar. Diese mittlere Zone scheint statisch zu sein, außer dass sie sich in drei Aktivitätszyklen ausdehnt und zusammenzieht. Die schwächste dieser Pulsationen geschieht in ost-westlicher Richtung, die nächststärkere in nord-südlicher Richtung, während die bedeutendste, in alle Richtungen gehende Fluktuation eine allgemeine Ausdehnung und Zusammenziehung ist. Man hat die Funktion dieser mittleren Zone niemals wirklich herausgefunden, aber sie muss etwas mit der gegenseitigen Anpassung zwischen innerer und äußerer Zone des Kraftzentrums zu tun haben. Viele glauben, dass diese mittlere Zone den Kontrollmechanismus für die ruhigen Zonen des Zwischen-Raumes darstellt, die die aufeinander folgenden Raumebenen des Alluniversums voneinander trennen, aber weder Beweise noch Offenbarung bestätigen dies. Diese Annahme beruht auf dem Wissen, dass diese mittlere Zone irgendwie mit dem Funktionieren der Mechanismen des nichtdurchdrungenen Raums des Alluniversums in Verbindung steht. Die äußere Zone ist die größte und aktivste der drei konzentrischen, elliptischen Gürtel nicht identifizierten Raumpotentials. Diese Zone ist Schauplatz unvorstellbarer Aktivitäten, sie ist Kreislaufmittelpunkt von Ausströmungen, die nach jeder Richtung in den Raum abgehen bis an die äußersten Grenzen der sieben Superuniversen und sich jenseits davon in den unermesslichen und unfasslichen Gebieten des ganzen Äußeren Raumes ausbreiten. Diese Raumgegenwart ist gänzlich unpersönlich, obwohl sie in irgendeiner nicht enthüllten Weise auf den Willen und die Weisungen der unendlichen Gottheiten anzusprechen scheint, wenn diese als Trinität handeln. Man glaubt, dass dies das brennpunktartige Paradies-Zentrum der Raumgegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten ist. Alle Formen von Kraft und alle Stadien von Energie scheinen Kreisläufen anzugehören; sie zirkulieren in den Universen und kehren auf ganz bestimmten Bahnen zurück. Aber was die Ausströmungen der aktivierten Zone des Eigenschaftslosen Absoluten betrifft, treten diese offenbar entweder aus oder ein - nie beides gleichzeitig. Diese äußere Zone pulsiert in sehr langen Zyklen von gigantischen Ausmaßen. Während etwas mehr als einer Milliarde von Jahren Urantias strömt die Raumkraft dieses Zentrums nach außen; darauf wird sie während einer gleich langen Zeitspanne einströmen. Und die Manifestationen der Raumkraft dieses Zentrums sind universal; sie erstrecken sich durch den gesamten durchdringbaren Raum. Alle physische Kraft, Energie und Materie sind eins. Alle Kraft-Energie ist ursprünglich aus dem unteren Paradies ausgetreten und wird dereinst in Vollendung ihres Kreislaufs durch den Raum wieder dahin zurückkehren. Aber die Energien und materiellen Organisationen des Universums der Universen kamen nicht alle in ihrem jetzigen Zustand und Erscheinungsbild aus dem unteren Paradies hervor; der Raum ist der Mutterschoß mehrerer Formen von Materie und Vormaterie. Obwohl die äußere Zone des Kraftzentrums des Paradieses die Quelle der Raumenergien ist, hat der Raum dort nicht seinen Ursprung. Raum ist weder Kraft noch Energie oder Macht. Auch sind die Pulsationen dieser Zone nicht verantwortlich für die Atmung des Raums, aber die Phasen des Ein- und Ausströmens dieser Zone sind synchronisiert mit den Zwei-Milliarden-Jahr-Zyklen der Ausdehnung und Zusammenziehung des Raums. ***** 11.6 Die Atmung des Raums ***** Wir kennen den wirklichen Mechanismus der Raumatmung nicht; wir beobachten nur, dass sich der gesamte Raum abwechselnd zusammenzieht und ausweitet. Diese Atmung betrifft sowohl die horizontale Ausdehnung des durchdrungenen Raums als auch die vertikalen Ausdehnungen des nicht durchdrungenen Raums, die in den gewaltigen Raumreservoiren oberhalb und unterhalb des Paradieses vorhanden sind. Beim Versuch, euch die Umrisslinien des Volumens dieser Raumreservoire vorzustellen, könntet ihr an eine Sanduhr denken. Wenn die Universen in der horizontalen Ausdehnung des durchdrungenen Raums expandieren, kontrahieren sich die Reservoire der vertikalen Ausdehnung des nicht durchdrungenen Raums, und umgekehrt. Gerade unterhalb des unteren Paradieses befindet sich ein Zusammenfluss durchdrungenen und nicht durchdrungenen Raums. Beide Raumtypen durchfließen hier transformierende Regulierungskanäle, wo Umwandlungen stattfinden, die während der Schrumpfungs-und Dehnungszyklen des Kosmos aus durchdrungenem Raum nicht durchdrungenen machen und umgekehrt. "Nicht durchdrungener" Raum bedeutet: nicht durchdrungen von jenen Kräften, Energien, Mächten und Gegenwarten, deren Existenz man im durchdrungenen Raum kennt. Wir wissen nicht, ob es die Bestimmung des vertikalen (Reservoir-) Raums ist, immer als Gegengewicht zum horizontalen (Universums-) Raum zu funktionieren; wir wissen nicht, ob hinsichtlich des nicht durchdrungenen Raums eine schöpferische Absicht besteht; wir wissen wirklich sehr wenig über die Raumreservoire, nur, dass es sie gibt und dass sie die räumlichen Zyklen der Ausdehnung und Zusammenziehung des Universums der Universen auszugleichen scheinen. Die Zyklen der Raumatmung dauern in jeder Phase ein wenig länger als eine Milliarde von Jahren Urantias. Während einer Phase dehnen sich die Universen aus; während der nächsten ziehen sie sich zusammen. Der durchdrungene Raum nähert sich jetzt der Halbzeit der Dehnungsphase, während sich der nicht durchdrungene Raum der Halbzeit der Kontraktionsphase nähert, und wir sind davon unterrichtet, dass die äußersten Grenzen beider Raumausdehnungen theoretisch jetzt annähernd gleich weit vom Paradies entfernt sind. Die Reservoire undurchdrungenen Raums erstrecken sich jetzt vertikal über dem oberen Paradies und unter dem unteren Paradies gerade so weit, wie sich der durchdrungene Raum des Universums vom peripheren Paradies aus horizontal nach außen bis zur vierten Ebene des Äußeren Raums und noch darüber hinaus erstreckt. Während einer Milliarde von Jahren Urantias ziehen sich die Raumreservoire zusammen, während sich das Alluniversum und die Kraftaktivitäten des ganzen horizontalen Raums ausdehnen. Also sind etwas mehr als zwei Milliarden Jahre für einen vollständigen Expansions- und Kontraktionszyklus nötig. ***** 11.7 Raumfunktionen des Paradieses ***** Raum existiert auf keiner der Oberflächen des Paradieses. Wenn man von der oberen Oberfläche des Paradieses direkt "aufschauen würde", "sähe" man nichts als ein- oder austretenden, gegenwärtig gerade eintretenden, nicht durchdrungenen Raum. Der Raum berührt das Paradies nicht; einzig die ruhigen Zwischen- Raum-Zonen kommen mit der zentralen Insel in Kontakt. Das Paradies ist der tatsächlich unbewegliche Kern der relativ ruhigen Zonen, die zwischen durchdrungenem und nicht durchdrungenem Raum existieren. Geographisch erscheinen diese Zonen gewissermaßen als Fortsetzung des Paradieses, aber es gibt in ihnen wahrscheinlich etwas Bewegung. Wir wissen nur sehr wenig über sie, aber wir beobachten, dass diese Zonen verminderter Raumbewegung den durchdrungenen von dem nicht durchdrungenen Raum scheiden. Ähnliche Zonen gab es einst zwischen den Ebenen des durchdrungenen Raums, aber diese sind jetzt weniger ruhig. Der vertikale Querschnitt durch den totalen Raum würde ein wenig einem Malteserkreuz gleichen, wobei dessen horizontale Arme den durchdrungenen (Universums-) Raum und dessen vertikale Arme den nicht durchdrungenen (Reservoir-) Raum darstellen würden. Die zwischen den vier Armen gelegenen Zonen würden diese ungefähr so voneinander trennen, wie die Zonen des Zwischen-Raums durchdrungenen und nicht durchdrungenen Raum trennen. Diese ruhigen Zwischen-Raum-Zonen werden mit wachsender Distanz vom Paradies größer und größer und umfassen letzten Endes die äußersten Grenzen allen Raumes und kapseln sowohl die Raumreservoire als auch die ganze horizontale Ausdehnung des durchdrungenen Raums ein. Raum ist weder eine unter-absolute Bedingtheit innerhalb des Eigenschaftslosen Absoluten noch dessen Gegenwart, noch ist er eine Funktion des Ultimen. Er ist eine Gabe des Paradieses, hingegen glaubt man, dass der Raum des Großen Universums und derjenige aller äußeren Regionen wirklich von der Ur-Raumpotenz des Eigenschaftslosen Absoluten durchdrungen sind. Dieser durchdrungene Raum beginnt in der Nähe des peripheren Paradieses und dehnt sich horizontal nach außen durch die vierte Raumebene und bis über die Peripherie des Alluniversums hinaus; aber wie weit darüber hinaus, wissen wir nicht. Wenn ihr in Gedanken aus einer zur oberen und unteren Paradiesoberfläche im rechten Winkel stehenden Ebene eine endliche, aber unermesslich große V-förmige Ebene ausschneidet, deren auf das periphere Paradies gerichtete Spitze dieses beinahe berührt, und ihr euch dann vorstellt, dass diese Ebene das Paradies in einer elliptischen Bahn umkreist, dann wird sie bei ihrer Umlaufbewegung annähernd das Volumen des durchdrungenen Raums umreißen. Bezogen auf irgendeinen gegebenen Punkt in den Universen hat der horizontale Raum eine obere und eine untere Grenze. Wenn man sich im rechten Winkel zur Ebene von Orvonton weit genug nach oben oder unten begeben könnte, würde man schließlich die obere oder die untere Grenze des durchdrungenen Raums erreichen. Innerhalb der bekannten Dimensionen des Alluniversums rücken diese Grenzen immer weiter auseinander, je weiter man sich vom Paradies entfernt; der Raum nimmt an Dicke zu, und zwar etwas schneller als der Bereich der Schöpfung, der Universen. Die relativ ruhigen Zonen zwischen den Raumebenen wie diejenige, die die sieben Superuniversen von der ersten äußeren Raumebene trennt, sind enorme elliptische Regionen mit ruhigen Raumaktivitäten. Diese Zonen trennen die gewaltigen Galaxien voneinander, die das Paradies in geordneter Prozession mit großer Geschwindigkeit umkreisen. Ihr könnt euch die erste äußere Raumebene, wo jetzt ungezählte Universen im Entstehen begriffen sind, als eine riesige Prozession von das Paradies umkreisenden Galaxien vorstellen, die oben und unten von den Zwischen-Raum-Zonen der Ruhe und am inneren und äußeren Rand durch die relativ ruhigen Raumzonen in Schranken gehalten werden. Eine Raumebene funktioniert also als eine sich bewegende elliptische Region, die allseitig von relativer Bewegungslosigkeit umgeben ist. Derartige Beziehungen zwischen Bewegung und Ruhe bilden einen gekrümmten Raumpfad geringeren Widerstandes gegenüber der Bewegung, dem kosmische Kraft und erwachende Energie bei ihrer ewigen Umkreisung der Paradies-Insel universell folgen. Diese Einteilung des Alluniversums in abwechselnde Zonen, verbunden mit dem abwechslungsweise im Uhrzeiger- und Gegenuhrzeigersinn erfolgenden Fliessen der Galaxien, ist ein Faktor bei der Stabilisierung der physischen Gravitation, der bestimmt ist zu verhindern, dass der Gravitationsdruck sich bis zu einem Punkt verstärke, wo sprengende und zerstreuende Aktivitäten eintreten würden. Diese Einrichtung übt einen Antigravitations-Einfluss aus und wirkt bremsend auf andernfalls gefährliche Geschwindigkeiten. ***** 11.8 Gravitation des Paradieses ***** Die unentrinnbare Anziehung der Gravitation ergreift tatsächlich alle Welten aller Universen des ganzen Raums. Gravitation ist der allmächtige Zugriff der physischen Gegenwart des Paradieses. Gravitation ist die allgewaltige Schnur, auf der die funkelnden Sterne, strahlenden Sonnen und wirbelnden Planeten aufgereiht sind, die den universalen physischen Schmuck des ewigen Gottes bilden, der alles ist, alles erfüllt und in dem alles besteht. Mitte und Brennpunkt der absoluten materiellen Gravitation ist die Paradies-Insel, die durch die Havona umkreisenden dunklen Gravitationskörper ergänzt und durch die oberen und unteren Raumreservoire im Gleichgewicht gehalten wird. Alle bekannten Ausströmungen des unteren Paradieses gehorchen ausnahmslos und unfehlbar der zentralen Anziehung der Gravitation, die auf die endlosen Kreisläufe der elliptischen Raumebenen des Alluniversums wirkt. Jede bekannte Form kosmischer Realität besitzt die Krümmung der Ewigkeit, die Tendenz zum Kreis und den Schwung der großen Ellipse. Der Raum spricht nicht auf die Gravitation an, aber er wirkt auf diese ausgleichend. Ohne das Raumkissen würden die umliegenden Raumkörper von explosiven Aktivitäten geschüttelt. Der durchdrungene Raum übt auch einen Antigravitations-Einfluss auf die physische oder lineare Gravitation aus; der Raum kann diese Gravitationswirkung tatsächlich neutralisieren, wenn auch nicht aufhalten. Absolute Gravitation ist Paradies-Gravitation. Lokale oder lineare Gravitation geht mit dem elektrischen Stadium von Energie oder Materie einher; sie wirkt innerhalb des Zentraluniversums, der Superuniversen und der äußeren Universen, wo immer eine angemessene Materialisierung stattgefunden hat. Die zahlreichen Formen kosmischer Kraft, physischer Energie, Universumsmacht und verschiedener Materialisierungen lassen drei allgemeine, wenn auch nicht vollkommen scharf voneinander getrennte Stadien der Reaktion auf die Gravitation des Paradieses erkennen: 1. Vorgravitationsstadien (Kraft). Dies ist der erste Schritt der Differenzierung der Raumpotenz in die Vorenergieformen der kosmischen Kraft. Dieses Stadium entspricht der Vorstellung von der Urkraftladung des Raums, die man manchmal als reine Energie oder Segregata bezeichnet. 2. Gravitationsstadien (Energie). Diese Modifikation der Kraftladung des Raums wird durch das Handeln der Kraftorganisatoren des Paradieses hervorgerufen. Sie signalisiert das Erscheinen von Energiesystemen, die auf die Anziehung der Gravitation des Paradieses ansprechen. Diese erwachende Energie ist ursprünglich neutral, aber infolge weiterer Umwandlung zeigt sie schließlich die so genannten negativen und positiven Qualitäten. Wir nennen diese Stadien Ultimata. 3. Nachgravitationsphasen (Universumsmacht). In diesem Stadium spricht die Energie-Materie auf die Kontrolle der linearen Gravitation an. Im Zentraluniversum sind diese physischen Systeme dreifache, Triata genannte Organisationen. Es sind die Muttersysteme höchster Macht der Schöpfungen von Zeit und Raum. Die physischen Systeme der Superuniversen werden durch die Machtlenker der Universen und ihre Mitarbeiter mobilisiert. Diese physischen Organisationen haben eine zweifache Konstitution und werden Gravita genannt. Die dunklen, Havona umkreisenden Gravitationskörper sind weder Triata noch Gravita, und ihre Anziehungskraft lässt beide Formen physischer Gravitation, die lineare und die absolute, erkennen. Die Raumpotenz ist keiner Einwirkung irgendwelcher Gravitationsform unterworfen. Diese uranfängliche Gabe des Paradieses ist keine verwirklichte Realitätsebene, aber sie geht allen relativen funktionellen nichtgeistigen Realitäten voraus - allen Manifestationen der Kraft-Energie und der Organisation von Macht und Materie. Raumpotenz ist ein schwer definierbarer Begriff. Er bezeichnet nicht das, woraus der Raum hervorgegangen ist; er sollte vielmehr die Idee der innerhalb des Raums existierenden Potenzen und Potentiale vermitteln. Ganz allgemein kann man unter diesem Begriff all jene absoluten Einflüsse und Potentiale zusammenfassen, die vom Paradies ausgehen und die Raumgegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten ausmachen. Das Paradies ist absoluter Ursprung und ewiger Brennpunkt aller Energie-Materie des Universums der Universen. Das Eigenschaftslose Absolute ist Offenbarer, Regulierer und Gefäß von allem, was seinen Ursprung und seine Entstehung im Paradies hat. Die universale Anwesenheit des Eigenschaftslosen Absoluten scheint gleichbedeutend zu sein mit der Vorstellung von einer potentiellen Unendlichkeit der Ausdehnung der Gravitation, von einer elastischen Spannung der Gegenwart des Paradieses. Diese Vorstellung hilft uns, die Tatsache zu erfassen, dass alles nach innen zum Paradies hin gezogen wird. Das Bild ist roh, aber trotzdem hilfreich. Es erklärt auch, weshalb die Gravitation stets vorzugsweise in einer zur Masse senkrechten Ebene wirkt, ein Phänomen, welches auf die charakteristischen Dimensionen des Paradieses und der umgebenden Schöpfungen hinweist. ***** 11.9 Die Einmaligkeit des Paradieses ***** Die Einmaligkeit des Paradieses liegt darin, dass es das Reich des uranfänglichen Ursprungs aller geistigen Persönlichkeiten und der Ort ihrer endgültigen Bestimmung ist. Obwohl es zutrifft, dass nicht sämtliche der tieferstehenden geistigen Wesen der Lokaluniversen unmittelbar für das Paradies bestimmt sind, bleibt das Paradies doch das ersehnte Ziel aller übermateriellen Persönlichkeiten. Das Paradies ist das geographische Zentrum der Unendlichkeit; es ist kein Teil der universalen Schöpfung und nicht einmal wirklich ein Teil des ewigen Universums von Havona. Wir beziehen uns gewöhnlich auf die zentrale Insel als auf einen Teil des göttlichen Universums, aber sie ist es in Wirklichkeit nicht. Das Paradies ist eine ewige und ausschließliche Existenz. Als der Universale Vater in der vergangenen Ewigkeit seinem geistigen Selbst im Wesen des Ewigen Sohnes unendlichen persönlichen Ausdruck verlieh, offenbarte er gleichzeitig das Unendlichkeitspotential seines nichtpersönlichen Selbst als Paradies. Das nichtpersönliche und nichtgeistige Paradies scheint der unvermeidliche Widerhall des Willensaktes des Vaters gewesen zu sein, der den Ursprünglichen Sohn in die Ewigkeit rief. So entwarf der Vater die Realität in zwei wirklichen Daseinsformen - der persönlichen und der nichtpersönlichen, der geistigen und der nichtgeistigen. Und die zwischen beiden herrschende Spannung rief angesichts des Willens zur Tat von Vater und Sohn den Mit-Vollzieher und das Zentraluniversum materieller Welten und geistiger Wesen ins Dasein. Wenn die Realität in Persönliches und Nichtpersönliches (Ewiger Sohn und Paradies) geschieden ist, ist es kaum passend, "Gottheit" zu nennen, was nichtpersönlich ist, solange es nicht irgendwie mit Eigenschaft begabt ist. Die energetischen und materiellen Rückwirkungen der Gottheitsakte können kaum als Gottheit bezeichnet werden. Die Gottheit kann vieles verursachen, was nicht Gottheit ist, und das Paradies ist keine Gottheit; ebenso wenig besitzt es Bewusstsein, wie immer auch der sterbliche Mensch diesen Begriff auslegen mag. Das Paradies ist nicht Stammvater irgendwelcher Wesen oder lebendiger Wesenheiten; es ist kein Schöpfer. Persönlichkeit und Verstand-Geist-Beziehungen sind übertragbar, nicht so die Urmuster; Urmuster sind niemals Spiegelbilder; sie sind Kopien - Reproduktionen. Das Paradies ist das Absolute der Urmuster; Havona ist eine Zurschaustellung dieser Wirklichkeit gewordenen Potentiale. Die Residenz Gottes ist zentral und ewig, glorreich und ideal. Seine Wohnstatt ist das wundervolle Urmuster aller Hauptsitz-Welten des Universums; und das von ihm unmittelbar bewohnte Zentraluniversum ist das Urmuster aller Universen, was deren Ideale, Organisation und ultime Bestimmung anbelangt. Das Paradies ist das universale Hauptquartier aller Persönlichkeitsaktivitäten und der Zentrale Ursprung aller Manifestationen der Raumkraft und Energie. Alles, was je gewesen ist, jetzt ist oder noch sein wird, ist aus dieser zentralen Wohnstätte der ewigen Götter hervorgegangen, geht jetzt daraus hervor oder wird daraus hervorgehen. Das Paradies ist das Zentrum aller Schöpfung, die Quelle aller Energien und der uranfängliche Herkunftsort aller Persönlichkeiten. Letztlich ist für Sterbliche das Wichtigste am ewigen Paradies die Tatsache, dass dieser vollkommene Aufenthaltsort des Universalen Vaters der wirkliche, weit entfernte Bestimmungsort der unsterblichen Seelen der sterblichen materiellen Söhne Gottes ist, der aufsteigenden Geschöpfe der evolutionären Welten von Zeit und Raum. Jeder Gott kennende Sterbliche, der die Laufbahn eingeschlagen hat, den Willen des Vaters auszuführen, ist bereits unterwegs nach dem Paradies auf dem langen, langen Pfad des Strebens nach Göttlichkeit und Erlangung der Vollkommenheit. Und wenn solch ein Wesen tierischen Ursprungs nach seinem Aufstieg aus den niedrigen Sphären des Raums im Paradies vor den Göttern steht, wie es jetzt ungezählten Scharen geschieht, bedeutet eine solche Vollbringung die Realität einer geistigen Verwandlung, die an die Grenzen der Suprematie rührt. [Dargeboten von einem Vervollkommner der Weisheit, der von den Ältesten der Tage von Uversa mit dieser Aufgabe betraut worden ist.] ****** Kapitel 12 Das Universum der Universen ****** DIE Unermesslichkeit der weiten Schöpfung des Universalen Vaters liegt völlig außer Reichweite endlicher Vorstellungskraft; ob der Riesenhaftigkeit des Alluniversums schwindelt es selbst dem Fassungsvermögen meiner Ordnung von Wesen. Aber den menschlichen Verstand kann man vieles über Plan und Aufbau der Universen lehren; ihr könnt etwas über ihre materielle Organisation und wunderbare Verwaltung wissen; ihr könnt vieles über die verschiedenen Gruppen intelligenter Wesen lernen, die die sieben Superuniversen der Zeit und das Zentraluniversum der Ewigkeit bewohnen. Im Prinzip, d.h. hinsichtlich ewigen Potentials, stellen wir uns die materielle Schöpfung als unendlich vor, weil der Universale Vater tatsächlich unendlich ist, aber wenn wir die gesamte materielle Schöpfung studieren und beobachten, wissen wir, dass sie zu jedem gegebenen Zeitpunkt begrenzt ist, obwohl sie eurem endlichen Verstand vergleichsweise unbegrenzt, praktisch grenzenlos vorkommt. Aus dem Studium der physikalischen Gesetze und aus der Beobachtung der Sternreiche haben wir die Überzeugung gewonnen, dass der unendliche Schöpfer sich noch nicht in seinem endgültigen kosmischen Ausdruck manifestiert, dass ein großer Teil des kosmischen Potentials des Unendlichen noch unoffenbart in ihm beschlossen liegt. Erschaffenen Wesen könnte das Alluniversum nahezu unendlich erscheinen, aber es ist weit davon entfernt, fertig zu sein; die materielle Schöpfung hat immer noch physische Grenzen, und die erfahrungsmäßige Offenbarung des ewigen Vorhabens ist noch im Gang. ***** 12.1 Raumebenen des Alluniversums ***** Das Universum der Universen ist weder eine unendliche Fläche noch ein grenzenloser Würfel noch ein unbeschränkter Kreis; es hat ganz gewiss Dimensionen. Die Gesetze der physischen Organisation und Verwaltung beweisen schlüssig, dass die gesamte riesige Ansammlung von Kraft-Energie und Materie-Macht letztlich als eine räumliche Einheit, als ein organisiertes und koordiniertes Ganzes funktioniert. Das beobachtbare Verhalten der materiellen Schöpfung liefert den Beweis dafür, dass das physische Universum klare Grenzen hat. Der endgültige Beweis für ein sowohl kreisförmiges als auch begrenztes Universum ist die uns wohlbekannte Tatsache, dass alle Formen der Basisenergie stets der gekrümmten Bahn der Raumebenen des Alluniversums entlang laufen, indem sie der unaufhörlichen und absoluten Anziehung der Gravitation des Paradieses gehorchen. Die aufeinander folgenden Raumebenen des Alluniversums bilden die Hauptabschnitte des durchdrungenen Raums - die gesamte Schöpfung, die organisiert und teilweise bewohnt ist oder erst noch organisiert und bewohnt werden wird. Wäre das Alluniversum nicht eine Serie von elliptischen Raumebenen, die der Bewegung geringeren Widerstand leisten und mit Zonen relativer Ruhe abwechseln, dann würde man unserer Ansicht nach beobachten, wie einige kosmische Energien in gerader Linie in unendliche Entfernungen, in den unbetretenen Raum hinaus, davonschießen würden; aber wir finden nie irgendwelche Kraft, Energie oder Materie mit solchem Verhalten; immer kreisen und jagen sie auf den Pfaden der großen Raumkreise dahin. Vom Paradies aus setzt sich das Alluniversum in der horizontalen Ausdehnung des durchdrungenen Raums nach außen fort. Es besteht aus sechs konzentrischen Ellipsen, den die zentrale Insel umkreisenden Raumebenen: 1. Das Zentraluniversum - Havona. 2. Die Sieben Superuniversen. 3. Die Erste Äußere Raumebene. 4. Die Zweite Äußere Raumebene. 5. Die Dritte Äußere Raumebene. 6. Die Vierte und Äußerste Raumebene. Havona, das Zentraluniversum, ist keine zeitliche Schöpfung; es ist eine ewige Existenz. Dieses Universum ohne Beginn und ohne Ende besteht aus einer Milliarde Himmelskugeln von allerhöchster Vollkommenheit und wird von den gewaltigen dunklen Gravitationskörpern umringt. Im Zentrum von Havona befindet sich die von ihren einundzwanzig Satelliten umkreiste, unbewegliche und absolut stabilisierte Paradies-Insel. Wegen der gewaltigen Massen der das Zentraluniversum an seinem Rande umkreisenden dunklen Gravitationskörper überschreitet der Masseinhalt dieser zentralen Schöpfung bei weitem die gesamte bekannte Masse aller sieben Sektoren des Großen Universums. Das Paradies-Havona-System, das ewige Universum, das die ewige Insel einfasst, bildet den vollkommenen und ewigen Kern des Alluniversums; alle sieben Superuniversen und alle Regionen des Äußeren Raums drehen in festen Umlaufbahnen um dieses riesenhafte zentrale Aggregat der Satelliten des Paradieses und der Sphären Havonas. Die Sieben Superuniversen sind keine primären physischen Organisationen; nirgends trennen ihre Grenzen eine nebulare Familie, noch durchqueren sie ein Lokaluniversum, eine grundlegende schöpferische Einheit. Jedes Superuniversum ist einfach ein Sternhaufen mit geographischer Lage im Raum, der ungefähr ein Siebentel der organisierten und teilweise bewohnten Nach-Havona-Schöpfung umfasst, und jedes von ihnen besitzt etwa dieselbe Anzahl Lokaluniversen und nimmt etwa gleichviel Raum ein. Euer Lokaluniversum, Nebadon, gehört zu den neueren Schöpfungen von Orvonton, dem siebenten Superuniversum. Das Große Universum ist die gegenwärtig organisierte und bewohnte Schöpfung. Es besteht aus den sieben Superuniversen mit einem gesamten Entwicklungspotential von rund sieben Billionen bewohnter Planeten, wenn man von den ewigen Himmelskörpern der zentralen Schöpfung absieht. Aber weder berücksichtigt diese versuchsweise Schätzung die architektonischen Verwaltungswelten, noch bezieht sie die außerhalb gelegenen Gruppierungen nicht organisierter Universen mit ein. Der gegenwärtige ausgefranste Rand des Großen Universums, seine unebene, unvollendete Peripherie, in Verbindung mit dem außerordentlich unbeständigen Zustand der ganzen astronomischen Anlage, legt unseren Sternforschern die Annahme nahe, dass auch die sieben Superuniversen immer noch unvollständig sind. Wenn wir uns von innen, von der göttlichen Mitte aus, in irgendeiner Richtung nach außen bewegen, erreichen wir schließlich die äußeren Grenzen der organisierten und bewohnten Schöpfung; wir gelangen an die äußeren Grenzen des Großen Universums. Und nahe an dieser äußeren Grenze, in einer weit abgelegenen Ecke dieser großartigen Schöpfung, führt euer Lokaluniversum seine ereignisreiche Existenz. Die Ebenen des Äußeren Raums. Weit draußen im Raum, in enormer Entfernung von den sieben bewohnten Superuniversen, sammeln sich Kreisläufe von Kraft und sich materialisierender Energie von ungeheuren, unglaublichen Ausmaßen an. Zwischen den Energiekreisen der sieben Superuniversen und diesem gigantischen äußeren Gürtel von Kraftaktivität befindet sich eine vergleichsweise ruhige Raumzone, deren Breite unterschiedlich ist, aber im Mittel etwa vierhunderttausend Lichtjahre beträgt. Diese Raumzonen sind frei von stellarem Staub - kosmischem Nebel. Unsere Erforscher dieser Phänomene sind im Zweifel über den exakten Status der Raumkräfte, die in dieser die sieben Superuniversen umringenden Zone relativer Ruhe existieren. Aber in einer Entfernung von etwa einer halben Million von Lichtjahren jenseits der Peripherie des gegenwärtigen Großen Universums beobachten wir den Beginn einer Zone unglaublicher Energieaktivitäten, die an Volumen und Intensität über mehr als fünfundzwanzig Millionen Lichtjahre hinweg zunehmen. Diese ungeheuerlichen Räder Energie erzeugender Kräfte liegen in der ersten Ebene des Äußeren Raums, eines ununterbrochenen Gürtels kosmischer Aktivität, der die gesamte bekannte, organisierte und bewohnte Schöpfung umschließt. Noch größere Aktivitäten spielen sich jenseits dieser Regionen ab, haben doch die Physiker von Uversa in einer Entfernung von mehr als fünfzig Millionen Lichtjahren jenseits der äußersten Regionen der in der Ersten Äußeren Raumebene beobachteten Phänomene erste Zeichen von Kraftmanifestationen festgestellt. Diese Aktivitäten sind ohne Zweifel Vorboten der Organisation der materiellen Schöpfungen der Zweiten Äußeren Raumebene des Alluniversums. Das Zentraluniversum ist die Schöpfung der Ewigkeit; die Superuniversen sind die Schöpfungen der Zeit; die vier äußeren Ebenen des Raums sind ohne Zweifel zu der Eventuierung-Entwicklung der Ultimität der Schöpfung bestimmt. Und es gibt solche, die den Standpunkt vertreten, dass das Unendliche sich nie gänzlich ausdrücken könne außer im Unendlichen; und deshalb postulieren sie eine zusätzliche, nicht offenbarte Schöpfung jenseits der Vierten und Äußersten Raumebene, ein mögliches sich ewig ausdehnendes, nie endendes Universum der Unendlichkeit. Wir wissen nicht, wie sich in der Theorie die Unendlichkeit des Schöpfers oder die potentielle Unendlichkeit der Schöpfung begrenzen lassen könnten, aber so, wie das Alluniversum existiert und verwaltet wird, erscheint es uns als ein Universum mit Grenzen, das an seinen Außenrändern eindeutig vom offenen Raum begrenzt und eingefasst wird. ***** 12.2 Die Bereiche des Eigenschaftslosen Absoluten ***** Wenn die Astronomen Urantias durch ihre immer stärkeren Teleskope in die geheimnisvollen Weiten des Äußeren Raums hinausspähen und dort die Staunen erregende Entfaltung von nahezu unzählbaren physischen Universen betrachten, sollten sie sich bewusst werden, dass sie die machtvolle Realisierung der unerforschlichen Pläne der Architekten des Alluniversums vor Augen haben. In der Tat besitzen wir Beweise, die inmitten der gewaltigen, jetzt für diese äußeren Regionen charakteristischen Energiemanifestationen da und dort das Vorhandensein von Einflüssen gewisser Persönlichkeiten des Paradieses nahe legen, aber von einem umfassenderen Gesichtspunkt aus werden die sich jenseits der äußeren Grenzen der sieben Superuniversen erstreckenden Raumregionen allgemein als die Domäne des Eigenschaftslosen Absoluten betrachtet. Obwohl das bloße menschliche Auge außerhalb der Grenzen des Superuniversums von Orvonton nur etwa zwei oder drei Nebelhaufen wahrnehmen kann, offenbaren euch eure Teleskope buchstäblich Millionen und Abermillionen dieser im Entstehen begriffenen physischen Universen. Die meisten der gestirnten Reiche, die sich der Erforschung durch eure gegenwärtigen Teleskope sichtbar darbieten, befinden sich in Orvonton, aber mit der photographischen Technik dringen die größeren Teleskope weit über die Grenzen des Großen Universums hinaus in die Bereiche des Äußeren Raums vor, wo die Organisierung ungezählter Universen im Gang ist. Und es gibt noch weitere Millionen von Universen jenseits der Reichweite eurer derzeitigen Instrumente. In nicht allzu ferner Zukunft werden neue Teleskope dem staunenden Blick der Astronomen Urantias nicht weniger als 375 Millionen neuer Galaxien in den entlegenen Weiten des Äußeren Raums offenbaren. Gleichzeitig werden diese stärkeren Teleskope auch enthüllen, dass viele inselartige Universen, die man zuvor im Äußeren Raum angesiedelt hatte, in Wahrheit ein Teil des galaktischen Systems von Orvonton sind. Die sieben Superuniversen sind immer noch im Wachsen begriffen; eines jeden Peripherie weitet sich allmählich aus; ständig werden neue Nebelhaufen stabilisiert und organisiert; und einige der Nebelhaufen, welche die Astronomen Urantias für außergalaktisch halten, befinden sich in Wahrheit am Rande von Orvonton und sind mit uns auf der Reise. Die Sternforscher Uversas beobachten, dass das Große Universum von den Vorläufern einer Reihe von Stern- und Planetenhaufen umgeben ist, welche die derzeitige bewohnte Schöpfung in konzentrischen Ringen aus ungezählten äußeren Universen vollständig umschließen. Nach den Berechnungen der Physiker von Uversa machen Energie und Materie dieser äußeren, unerforschten Regionen bereits ein Vielfaches der gesamten in allen sieben Superuniversen vorhandenen materiellen Masse und Energieladung aus. Wir sind darüber unterrichtet, dass die Umwandlung der kosmischen Kraft in diesen äußeren Raumebenen eine Funktion der Kraftorganisatoren des Paradieses ist. Wir wissen auch, dass diese Kräfte die Urform jener physischen Energien sind, die gegenwärtig das Große Universum aktivieren. Hingegen haben die Machtlenker von Orvonton nichts mit diesen weit entfernten Reichen zu tun, noch sind die darin stattfindenden Energiebewegungen in wahrnehmbarer Weise mit den Machtkreisen der organisierten und bewohnten Schöpfungen verbunden. Wir wissen sehr wenig über die Bedeutung dieser gewaltigen Erscheinungen des Äußeren Raums. Eine größere Schöpfung der Zukunft ist im Entstehen begriffen. Wir können ihre Unermesslichkeit betrachten, ihre Ausdehnung feststellen und ihre majestätischen Dimensionen fühlen, aber im Übrigen wissen wir kaum mehr über diese Gebiete als die Astronomen Urantias. Soviel wir wissen, existieren in diesem äußeren Ring von Nebeln, Sonnen und Planeten weder materielle Wesen der Ordnung der Menschen noch Engel oder andere geistige Geschöpfe. Dieses ferne Gebiet liegt außerhalb der Zuständigkeit und Verwaltung der Superuniversumsregierungen. In ganz Orvonton glaubt man, dass ein neuer Schöpfungstyp im Werden begriffen ist, eine neue Universumsordnung, die bestimmt ist, zum Schauplatz künftiger Aktivitäten des sich versammelnden Korps der Finalität zu werden; und wenn unsere Vermutungen zutreffen, dann hält die endlose Zukunft für euch alle möglicherweise dieselben begeisternden Schauspiele bereit wie die endlose Vergangenheit für eure Ahnen und Vorgänger. ***** 12.3 Universale Gravitation ***** Alle Formen von Kraft-Energie - ob materieller, mentaler oder geistiger Natur - sind jenem Zugriff, jener universalen Gegenwart unterworfen, die wir Gravitation nennen. Auch die Persönlichkeit spricht auf die Gravitation an - auf den ausschließlichen Kreis des Vaters; aber obwohl über diesen Kreis ausschließlich der Vater gebietet, ist er deshalb nicht von den anderen Kreisen ausgeschlossen; der Universale Vater ist unendlich und wirkt über alle vier Kreise absoluter Gravitation des Alluniversums: 1. Die Persönlichkeitsgravitation des Universalen Vaters. 2. Die Geistgravitation des Ewigen Sohnes. 3. Die Verstandesgravitation des Mit-Vollziehers. 4. Die Kosmische Gravitation der Paradies Insel. Diese vier Kreise stehen in keinerlei Beziehung zum Kraftzentrum des unteren Paradieses; es sind weder Kraft- noch Energie- noch Machtkreise; es sind absolute Kreise der Gegenwart, und sie sind wie Gott unabhängig von Zeit und Raum. In diesem Zusammenhang ist es interessant, gewisse Beobachtungen anzuführen, die das Korps der Gravitationsforscher in den eben verflossenen Jahrtausenden auf Uversa gemacht hat. Diese Arbeitsgruppe von Experten ist bezüglich der verschiedenen Gravitationssysteme des Alluniversums zu folgenden Schlüssen gelangt: 1. Physische Gravitation. Nachdem die Forscher zu einer Schätzung der Gesamtsumme der im Großen Universum vorhandenen Kapazität physischer Gravitation gelangt waren, stellten sie in mühsamer Arbeit einen Vergleich dieses Resultats mit der geschätzten Gesamtsumme der gegenwärtig wirkenden absoluten Gravitationsgegenwart an. Diese Berechnungen zeigen, dass die gesamte Gravitationseinwirkung auf das Große Universum nur einen sehr kleinen Teil der geschätzten Anziehungskraft der Paradies-Gravitation ausmacht, deren Berechnung auf der Grundlage der Gravitationsantwort der physikalischen Grundeinheiten der Universumsmaterie erfolgte. Diese Forscher gelangen zu dem erstaunlichen Schluss, dass das Zentraluniversum und die es umgebenden sieben Superuniversen derzeit nur etwa fünf Prozent der aktiv wirksamen Anziehung der absoluten Gravitation des Paradieses beanspruchen. Mit anderen Worten: Im jetzigen Zeitpunkt werden etwa fünfundneunzig Prozent der aktiven, aufgrund dieser Totalitätstheorie errechneten kosmischen Gravitation der Paradies-Insel zur Kontrolle von materiellen Systemen verwendet, die außerhalb der Grenzen der gegenwärtig organisierten Universen liegen. All diese Berechnungen beziehen sich auf die absolute Gravitation; die lineare Gravitation ist ein interaktives Phänomen, das nur berechnet werden kann, wenn man die tatsächliche Gravitation des Paradieses kennt. 2. Geistige Gravitation. Unter Anwendung derselben Technik vergleichender Schätzung und Berechnung haben diese Forscher die gegenwärtige Reaktionskapazität der geistigen Gravitation untersucht und sind dank der Zusammenarbeit mit Einsamen Botschaftern und anderen Geistpersönlichkeiten zu einer Summierung der aktiven Geistgravitation des Zweiten Zentralen Ursprungs gelangt. Und es ist höchst aufschlussreich festzustellen, dass sie für die gegenwärtig wirkende Gegenwart der Geistgravitation im Großen Universum ungefähr denselben Wert finden, den sie für die derzeitige Summe aktiver Geistgravitation postulieren. Mit anderen Worten: Gegenwärtig kann praktisch die gesamte, nach dieser Totalitätstheorie errechnete Geistgravitation des Ewigen Sohnes als im Großen Universum wirkend betrachtet werden. Wenn dieser Befund verlässlich ist, können wir daraus schließen, dass die sich jetzt im Äußeren Raum entwickelnden Universen derzeit völlig nichtgeistig sind. Und wenn dies zutreffen sollte, würde es zufrieden stellend erklären, weshalb geistbegabte Wesen über diese gewaltigen Energiemanifestationen so wenige oder gar keine Informationen besitzen, außer dass sie um die Tatsache ihrer physischen Existenz wissen. 3. Verstandesgravitation. Unter Anwendung derselben Prinzipien vergleichender Berechnung gingen diese Sachverständigen das Problem der Gegenwart und Beantwortung der Verstandesgravitation an. Sie gelangten zu der Bestimmung der der Schätzung zugrunde liegenden Verstandeseinheit durch Ermittlung eines Durchschnittswertes aus drei materiellen und drei geistigen Verstandestypen, wobei der den Machtlenkern und ihren Mitarbeitern eigene Verstandestypus sich bei dem Bemühen, eine Grundeinheit für die Schätzung der Verstandesgravitation zu finden, als Störfaktor erwies. Es gab gemäß dieser Totalitätstheorie keine großen Hindernisse bei der Schätzung der gegenwärtigen Kapazität funktioneller Verstandesgravitation des Dritten Zentralen Ursprungs. Obwohl die Resultate in diesem Fall weniger schlüssig sind als bei der Schätzung der physischen und geistigen Gravitation, sind sie doch, im Vergleich betrachtet, sehr aufschlussreich, ja fesselnd. Diese Forscher kommen zu dem Schluss, dass ungefähr fünfundachtzig Prozent der auf die intellektuelle Anziehungskraft des Mit-Vollziehers antwortenden Verstandesgravitation aus dem existierenden Großen Universum stammen. Das legt die Möglichkeit nahe, dass bei den beobachtbaren, jetzt in den Reichen des Äußeren Raums vor sich gehenden physischen Aktivitäten auch Verstandesaktivitäten im Spiel sind. Obwohl diese Schätzung wahrscheinlich weit davon entfernt ist, genau zu sein, stimmt sie doch grundsätzlich mit unserer Meinung überein, dass intelligente Kraftorganisatoren gegenwärtig die Universumsentwicklung in den Raumebenen jenseits der äußeren Grenzen des Großen Universums lenken. Welcher Natur auch immer diese postulierte Intelligenz sein mag, so spricht sie offenbar nicht auf die Geistgravitation an. Indessen sind all diese Berechnungen im besten Fall auf angenommenen Gesetzen beruhende Schätzungen. Wir halten dafür, dass sie recht verlässlich sind. Auch wenn sich einige wenige Geistwesen im Äußeren Raum aufhalten sollten, würde ihre gemeinsame Anwesenheit die sich auf so gewaltige Messungen stützenden Berechnungen nicht wesentlich beeinflussen. Die Persönlichkeitsgravitation kann nicht berechnet werden. Wir stellen ihren Kreislauf fest, aber wir können weder qualitative noch quantitative Realitäten messen, die auf sie ansprechen. ***** 12.4 Raum und Bewegung ***** Alle Einheiten der kosmischen Energie befinden sich in einer Urrotation und führen ihre Sendung aus, während sie auf der universalen Umlaufbahn kreisen. Die Universen des Raums und die sie aufbauenden Systeme und Welten sind alles rotierende Sphären, die sich entlang den endlosen Kreisbahnen der Raum-ebenen des Alluniversums bewegen. Es gibt im ganzen Alluniversum absolut nichts Stillstehendes außer dem Zentrum Havonas, der ewigen Paradies-Insel, dem Gravitationszentrum. Das Eigenschaftslose Absolute ist in seiner Funktion auf den Raum beschränkt, aber wir sind uns der Beziehung dieses Absoluten zur Bewegung nicht so sicher. Ist ihm Bewegung eingeboren? Wir wissen es nicht. Wir wissen, dass die Bewegung dem Raum nicht eingeboren ist; auch die Bewegungen des Raums sind diesem nicht eingeboren. Aber nicht so sicher sind wir uns der Beziehung des Eigenschaftslosen zur Bewegung. Wer oder was ist wirklich verantwortlich für die gigantischen Aktivitäten der Kraft-Energie-Umwandlungen, die sich jetzt jenseits der Grenzen der gegenwärtigen sieben Superuniversen abspielen? Über den Ursprung der Bewegung vertreten wir folgende Ansichten: 1. Wir denken, dass der Mit-Vollzieher die Bewegung im Raum auslöst. 2. Ob der Mit-Vollzieher auch die Bewegungen des Raums bewirkt, können wir nicht beweisen. 3. Das Universale Absolute löst die Bewegung nicht ursprünglich aus, aber es gleicht alle durch die Bewegung erzeugten Spannungen aus und kontrolliert sie. Im Äußeren Raum sind die Kraftorganisatoren offenbar verantwortlich für die Erzeugung der gigantischen Universumsräder, die sich jetzt im Prozess der Sternbildung befinden, aber ihre Fähigkeit, so zu wirken, muss durch irgendeine Änderung der Raumgegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten ermöglicht worden sein. Vom menschlichen Standpunkt aus ist Raum nichts - negativ; er existiert nur in Beziehung zu etwas Positivem und Nicht-Räumlichem. Der Raum ist indessen wirklich. Er enthält die Bewegung und bedingt sie. Und er bewegt sich sogar. Die Bewegungen des Raums können in groben Zügen wie folgt eingeteilt werden: 1. Primäre Bewegung - Raumatmung, die Bewegung des Raums selbst. 2. Sekundäre Bewegung - die abwechselnde Laufrichtung der aufeinander folgenden Raumebenen. 3. Relative Bewegungen - relativ in dem Sinne, dass bei ihrer Beurteilung nicht das Paradies als Ausgangspunkt dient. Primäre und sekundäre Bewegung sind absolut, es sind Bewegungen in Beziehung zum bewegungslosen Paradies. 4. Kompensatorische oder korrelative Bewegungen mit der Aufgabe, alle anderen Bewegungen zu koordinieren. Obwohl die gegenwärtige Beziehung zwischen eurer Sonne und den zu ihr gehörenden Planeten viele relative und absolute Bewegungen im Raum erkennen lässt, vermittelt sie den beobachtenden Astronomen doch eher den Eindruck, als verharret ihr vergleichsweise unbeweglich im Raum, während die euch umgebenden Sternhaufen und -ströme mit immer höheren Geschwindigkeiten nach außen zu fliehen scheinen, je weiter in den Raum hinaus ihr mit euren Berechnungen vordringt. Aber das trifft nicht zu. Ihr verkennt die gegenwärtige nach außen gerichtete, allgemeine Expansion der materiellen Schöpfungen des ganzen durchdrungenen Raums. Auch eure eigene Lokalschöpfung (Nebadon) nimmt an dieser Bewegung universaler Expansion teil. Die gesamten sieben Superuniversen nehmen zusammen mit den äußeren Regionen des Alluniversums an diesen zwei Milliarden Jahre währenden Zyklen der Raumatmung teil. Wenn sich die Universen ausdehnen und zusammenziehen, bewegen sich die materiellen Massen im durchdrungenen Raum abwechselnd gegen die Anziehung der Gravitation des Paradieses und mit ihr. Die zur Bewegung der materiellen Energiemassen der Schöpfung geleistete Arbeit ist Raum- Arbeit und nicht Macht-Energie -Arbeit. Obwohl eure spektroskopischen Schätzungen der astronomischen Geschwindigkeiten recht zuverlässig sind, wenn sie auf die Sternreiche eures Superuniversums und der mit ihm verbundenen Superuniversen angewendet werden, sind solche Berechnungen völlig unzuverlässig, wenn sie sich auf die Reiche des Äußeren Raums beziehen. Ein herannahender Stern verschiebt die Spektrallinien vom Normalbereich zum Violetten hin; desgleichen verschiebt ein fliehender Stern diese Linien gegen das Rote hin. Viele Einflüsse treten dazwischen, die den Eindruck erwecken, als ob die Fluchtbewegung der äußeren Universen mit jedem Anwachsen der Entfernung um eine Million Lichtjahre um mehr als hundertsechzig Kilometer pro Sekunde zunehme. Dank der Vollkommenheit mächtigerer Teleskope wird es auf Grund dieser Rechnungsmethode dann erscheinen, als ob sich jene entlegenen Systeme von diesem Teil des Universums mit der unglaublichen Geschwindigkeit von mehr als vierundfünfzigtausend Kilometern pro Stunde wegbewegten. Aber diese offenbare Fluchtbewegung ist nicht real; sie rührt von vielen irrtümlichen Faktoren her, unter denen sich Beobachtungswinkel und andere Zeit-Raum-Verzerrungen befinden. Aber die größte dieser Verzerrungen entsteht dadurch, dass die gewaltigen Universen des Äußeren Raums in den dem Bereich der Superuniversen am nächsten gelegenen Zonen offenbar in einer Richtung kreisen, die derjenigen des Großen Universums entgegenläuft. Das heißt, dass diese Myriaden von Sternnebeln mit ihren Sonnen und Sphären gegenwärtig im Uhrzeigersinn um die zentrale Schöpfung kreisen. Die sieben Superuniversen umkreisen das Paradies im Gegenuhrzeigersinn. Anscheinend dreht sich das zweite äußere Universum von Galaxien wie die sieben Superuniversen im Gegenuhrzeigersinn um das Paradies. Und die Astronomen von Uversa glauben in einem dritten äußeren Gürtel weit abgelegenen Raums Anzeichen von kreisenden Bewegungen auszumachen, die beginnende Richtungstendenzen im Uhrzeigersinn erkennen lassen. Es ist wahrscheinlich, dass die abwechselnden Richtungen der aufeinander folgenden Raumprozessionen der Universen etwas mit der innerhalb des Alluniversums angewandten Gravitationstechnik des Universalen Absoluten zu tun haben, die in einer Koordinierung von Kräften und in einer Ausgleichung von Raumspannungen besteht. Sowohl Bewegung als auch Raum ergänzen die Gravitation und tragen zu ihrem Gleichgewicht bei. ***** 12.5 Raum und Zeit ***** Wie der Raum ist auch die Zeit eine Gabe des Paradieses, jedoch nicht im selben Sinne, sondern nur indirekt. Zeit entsteht aufgrund von Bewegung und weil der Verstand von Natur aus das Bewusstsein von Abfolgen besitzt. Von einem praktischen Gesichtspunkt aus ist die Bewegung wesentliche Voraussetzung für die Zeit, aber es gibt keine universale Zeiteinheit, die auf Bewegung beruht, außer insofern, als der Paradies-Havona-Standardtag willkürlich als solche anerkannt wird. Die Totalität der Raumatmung zerstört deren lokalen Wert als Zeitquelle. Der Raum ist nicht unendlich, obwohl er seinen Ursprung im Paradies hat; er ist nicht absolut, da er vom Eigenschaftslosen Absoluten durchdrungen ist. Wir kennen die absoluten Grenzen des Raums nicht, hingegen wissen wir, dass das Absolute der Zeit die Ewigkeit ist. Zeit und Raum sind nur in den Zeit-Raum-Schöpfungen, den sieben Superuniversen, unzertrennlich. Nichtzeitlicher Raum (Raum ohne Zeit) existiert theoretisch, aber der einzige wahrhaft nichtzeitliche Ort ist der Paradies-Bereich. Nichträumliche Zeit (Zeit ohne Raum) existiert im Verstand auf der Funktionsebene des Paradieses. Die vergleichsweise bewegungslosen Zwischen-Raum-Zonen, die an das Paradies angrenzen und den durchdrungenen von dem nicht durchdrungenen Raum trennen, sind die Übergangszonen von der Zeit zur Ewigkeit; deshalb müssen die Paradiespilger während dieses Transits, sofern er im Bürgerrecht des Paradieses gipfeln soll, ihr Bewusstsein verlieren. Hingegen können zeitbewusste Besucher sich ohne einen solchen Schlaf in das Paradies begeben, aber sie bleiben Geschöpfe der Zeit. Beziehungen zu der Zeit können ohne Bewegung im Raum nicht existieren, aber das Bewusstsein der Zeit kann es. Die Vorstellung von Abfolgen kann Zeit auch in Abwesenheit von Bewegung bewusst machen. Der menschliche Verstand ist aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit weniger zeit- als raumgebunden. Sogar in den Tagen seines körperlichen Lebens auf Erden ist die schöpferische menschliche Vorstellungskraft vergleichsweise frei von Zeit, obwohl der menschliche Verstand streng raumgebunden ist. Aber die Zeit selber ist ihrer Entstehung nach keine Eigenschaft des Verstandes. Es gibt drei verschiedene Ebenen der Zeitwahrnehmung: 1. Vom Verstand wahrgenommene Zeit - Bewusstsein von Abfolgen, von Bewegung, und ein Sinn für Dauer. 2. Vom Geist wahrgenommene Zeit - Erkenntnis der gottwärts gerichteten Bewegung und Bewusstsein einer zu Ebenen zunehmender Göttlichkeit aufsteigenden Bewegung. 3. Die Persönlichkeit erschafft ein einzigartiges Zeitgefühl ausgehend von einem Einblick in die Realität zusätzlich eines Bewusstseins von Gegenwärtigkeit und eines Gewahrseins von Dauer. Die nichtgeistigen Tiere kennen nur die Vergangenheit und leben in der Gegenwart. Der vom Geist bewohnte Mensch hat Gaben des Weitblicks (Erkenntnis); er kann sich die Zukunft vorstellen. Einzig vorausschauende und vorwärtsgerichtete Haltungen sind persönlich real. Statische Ethik und traditionelle Sittlichkeit erheben sich nur ganz wenig über das Tierische. Auch Stoizismus ist keine hohe Art der Selbstverwirklichung. Ethik und Sittlichkeit werden erst wirklich menschlich, wenn sie dynamisch und vorwärtsgerichtet, von universaler Realität erfüllt sind. Die menschliche Persönlichkeit ist nicht nur eine Begleiterscheinung zeitlich-räumlicher Ereignisse; die menschliche Persönlichkeit kann auch als kosmische Ursache solcher Ereignisse wirken. ***** 12.6 Universale Höchste Kontrolle ***** Das Universum ist nicht-statisch. Stabilität ist nicht das Resultat von Trägheit, sondern vielmehr das Ergebnis von ausgewogenen Energien, verstandesmäßiger Kooperation, Koordination auf morontieller Ebene, höchster Kontrolle durch den Geist und Einigung der Persönlichkeit. Stabilität ist immer und ganz und gar proportional zur Göttlichkeit. Bei der physischen Kontrolle des Alluniversums übt der Universale Vater seine Priorität und seinen Primat durch die Paradies-Insel aus; bei der geistigen Verwaltung des Kosmos ist Gott absolut in der Person des Ewigen Sohnes. Was den Verstandesbereich anbelangt, wirken der Vater und der Sohn koordiniert in dem Mit-Vollzieher. Der Dritte Zentrale Ursprung hilft bei der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und der Koordination kombinierter physischer und geistiger Energien und Organisationen durch die Absolutheit seiner Herrschaft über den kosmischen Verstand und durch die Betätigung der ihm eigenen universalen, physische und geistige Gravitation ergänzenden Eigenschaften. Wann und wo immer eine Verbindung zwischen Materiellem und Geistigem hergestellt wird, ist ein solches Verstandesphänomen ein Akt des Unendlichen Geistes. Nur der Verstand kann die physischen Kräfte und Energien der materiellen Ebene mit den geistigen Mächten und Wesen der Geistebene in Verbindung setzen. Vergewissert euch bei all euren Betrachtungen universeller Phänomene, dass ihr der Wechselbeziehung zwischen den physischen, intellektuellen und geistigen Energien Rechnung tragt und die unerwarteten Phänomene, die deren Einigung durch die Persönlichkeit begleiten, gebührend berücksichtigt, ebenso wie die unvorhersehbaren Phänomene, die eine Folge der Aktionen und Reaktionen der erfahrungsmäßigen Gottheit und der Absoluten sind. Das Universum ist nur im quantitativen Sinne der Messbarkeit durch die Gravitation höchst zuverlässig voraussagbar; nicht einmal die physischen Urkräfte sprechen auf die lineare Gravitation an, und ebenso wenig tun es die höheren mentalen Bedeutungen und die wahren geistigen Werte der ultimen Universumsrealitäten. Im qualitativen Sinn ist das Universum, was neue Verbindungen von physischen, mentalen und geistigen Kräften anbelangt, nicht in hohem Maße voraussagbar, obwohl viele derartige Kombinationen von Energien oder Kräften teilweise voraussagbar werden, wenn sie kritischer Beobachtung unterzogen werden. Wenn Materie, Verstand und Geist durch eine Geschöpfespersönlichkeit geeint werden, sind wir unfähig, die Entscheidungen eines solchen mit freiem Willen begabten Wesens völlig vorauszusagen. Alle Phasen der Urkraft, des entstehenden Geistes und anderer nichtpersönlicher ultimer Realitäten scheinen gemäß gewissen relativ stabilen, aber unbekannten Gesetzen zu reagieren und charakterisieren sich durch einen Spielraum des Verhaltens und eine Elastizität der Reaktion, die einen oft perplex machen, wenn man sie in den Phänomenen einer ganz bestimmten einzelnen Si- tuation antrifft. Wie erklärt sich diese nicht voraussagbare Reaktionsfreiheit, welche die erwachenden Verwirklichungen des Universums an den Tag legen? Diese unbekannten, unergründlichen Unberechenbarkeiten - ob sie sich auf das Verhalten einer uranfänglichen Krafteinheit beziehen, auf die Reaktion einer nicht identifizierten Verstandesebene oder auf das Phänomen des Vorstadiums eines entstehenden gewaltigen Universums im Bereich des Äußeren Raums - verraten wahrscheinlich die Aktivitäten des Ultimen und die wirkende Anwesenheit der Absoluten, die der Funktion aller Universumsschöpfer vorausgehen. Wir wissen es nicht wirklich, vermuten aber, dass solch erstaunliche Flexibilität und tiefgreifende Koordination die Anwesenheit und das Wirken der Absoluten bedeuten und dass eine derartige Vielfalt von Reaktionen angesichts anscheinend einheitlicher Ursachen verrät, dass die Absoluten nicht nur auf die unmittelbaren und situationsbedingten Ursachen reagieren, sondern auch auf alle anderen, im ganzen Alluniversum damit zusammenhängenden Ursachen. Einzelwesen haben ihre Schicksalshüter; Planeten, Systeme, Konstellationen, Universen und Superuniversen haben alle ihre jeweiligen Gebieter, die sich für das Wohl ihrer Reiche einsetzen. Havona und sogar das Große Universum werden von denen überwacht, die mit so hohen Verantwortlichkeiten betraut sind. Aber wer sorgt und kümmert sich um die fundamentalen Bedürfnisse des Alluniversums als eines Ganzen, vom Paradies bis zur Vierten und Äußersten Raumebene? Existentiell ist eine solche höchste Obhut wohl der Paradies-Trinität zuzuschreiben, aber aus einem erfahrungsmäßigen Blickwinkel hängt das Erscheinen der Nach-Havona-Universen ab: 1. Von den Absoluten für das Potential. 2. Vom Ultimen für die Lenkung. 3. Vom Supremen für die evolutionäre Koordinierung. 4. Von den Architekten des Alluniversums für die Verwaltung, bevor spezifische Lenker auftreten. Das Eigenschaftslose Absolute durchdringt allen Raum. Wir sind uns nicht völlig im Klaren über den genauen Status des Gottheit-Absoluten und des Universalen Absoluten, aber wir wissen, dass Letzteres überall da funktioniert, wo das Gottheit- und das Eigenschaftslose Absolute funktionieren. Das Gottheit-Absolute ist wohl universal gegenwärtig, aber kaum im Raum gegenwärtig. Der Ultime ist im Raum bis zu den äußeren Grenzen der Vierten Raumebene gegenwärtig oder wird es eines Tages sein. Wir bezweifeln, dass der Ultime je außerhalb der Peripherie des Alluniversums im Raum gegenwärtig sein wird, aber innerhalb dieser Grenzen integriert der Ultime allmählich die schöpferische Organisation der Potentiale der drei Absoluten. ***** 12.7 Der Teil und das Ganze ***** Durch alle Zeit und allen Raum hindurch und bezüglich jeder Realität, welcher Natur auch immer, wirkt ein unerbittliches und unpersönliches Gesetz, das der Funktion einer kosmischen Vorsehung gleichkommt. Barmherzigkeit charakterisiert Gottes liebevolle Haltung gegenüber dem Einzelnen; Unparteilichkeit motiviert Gottes Haltung gegenüber dem Ganzen. Der Wille Gottes hat im Teil - im Herzen irgendeiner Persönlichkeit - nicht notwendigerweise die Oberhand, aber sein Wille regiert tatsächlich das Ganze, das Universum der Universen. Es ist wahr, dass Gott in seinem ganzen Umgang mit all seinen Geschöpfen nicht Gesetze anwendet, die ihrem Wesen nach willkürlich sind. Euch mit eurer beschränkten Sicht und eurem endlichen Gesichtspunkt müssen Gottes Handlungen oft diktatorisch und willkürlich vorkommen. Die Gesetze Gottes sind nur die Gewohnheiten Gottes, seine Art, die Dinge stets auf gleiche Weise zu tun; und er tut immer alle Dinge gut. Ihr beobachtet, dass Gott dieselbe Sache immer wieder in derselben Art tut, einfach weil es die beste Art ist, diese besondere Sache unter gegebenen Umständen zu tun; und die beste Art ist auch die richtige Art, und deshalb ordnet die unendliche Weisheit stets an, dass sie in genau dieser vollkommenen Art getan werde. Auch solltet ihr euch daran erinnern, dass die Natur nicht der ausschließliche Akt Gottes ist; es sind noch andere Einflüsse in den Phänomenen vorhanden, die der Mensch Natur nennt. Es widerstrebt der göttlichen Natur, irgendwelchen Verfall zu dulden oder je zu erlauben, irgendeine rein persönliche Handlung auf minderwertige Art auszuführen. Es sollte indessen Folgendes klargemacht werden: Wenn in der Göttlichkeit irgendeiner Situation, unter extremen Umständen, und immer dann, wenn in Befolgung höchster Weisheit eine andere Vorgehensweise angezeigt erschiene - wenn die Ansprüche der Vollkommenheit aus irgendeinem Grunde eine andere und bessere Reaktionsweise gebieten sollten - dann würde der allweise Gott auf der Stelle in dieser besseren und passenderen Art handeln. Das wäre dann der Ausdruck eines höheren Gesetzes, nicht das Umstoßen eines niedrigeren Gesetzes. Gott ist nicht ein der Gewohnheit unterworfener Sklave der ständigen Wiederholung seiner eigenen Willensakte. Es gibt keine Konflikte zwischen den Gesetzen des Unendlichen; alle sind vollkommener Ausfluss der unfehlbaren Natur; alle sind fraglos Handlungen, die fehlerlose Entscheidungen ausdrücken. Das Gesetz ist die unveränderliche Reaktion eines unendlichen, vollkommenen und göttlichen Verstandes. Trotz dieser offenkundigen Gleichheit entspringen alle Handlungen Gottes seinem Willen. In Gott "gibt es weder Veränderlichkeit, noch den Schatten eines Wechsels". Aber all das, was man zu Recht von dem Universalen Vater sagen kann, kann nicht mit derselben Bestimmtheit von all seinen untergeordneten Intelligenzen oder von seinen evolutionären Geschöpfen gesagt werden. Weil Gott unveränderlich ist, könnt ihr euch unter allen gewöhnlichen Umständen darauf verlassen, dass er dieselbe Sache in derselben gleich bleibenden, gewöhnlichen Art tut. Gott ist die Garantie der Stabilität für alle erschaffenen Dinge und Wesen. Er ist Gott; deshalb ändert er sich nicht. Und dieses ganze unerschütterliche Verhalten und gleichförmige Handeln ist persönlich, bewusst und im höchsten Grade willensmäßig; denn der große Gott ist kein hilfloser Sklave seiner eigenen Vollkommenheit und Unendlichkeit. Gott ist keine von selbst laufende, automatische Kraft; er ist keine sklavisch an Gesetze gebundene Macht. Gott ist weder eine mathematische Gleichung noch eine chemische Formel. Er ist eine mit freiem Willen begabte, uranfängliche Persönlichkeit. Er ist der Universale Vater, ein mit Persönlichkeit überreich ausgestattetes Wesen und die universale Quelle aller Geschöpfespersönlichkeit. Der Wille Gottes hat in den Herzen der Gott suchenden materiellen Sterblichen nicht einheitlich die Oberhand, aber wenn man den zeitlichen Rahmen über den Augenblick hinaus ausdehnt, bis er die ganze Spanne des ersten Lebens umfasst, dann wird Gottes Wille tatsächlich immer besser an den Geistesfrüchten erkennbar, welche die vom Geist geführten Kinder Gottes in ihrem Leben tragen. Und wenn man das Menschenleben noch mehr ausdehnt, um auch die morontielle Erfahrung einzubeziehen, beobachtet man, dass der göttliche Wille immer heller aus den vergeistigenden Handlungen jener Geschöpfe der Zeit leuchtet, die angefangen haben, sich des göttlichen Glücks einer gelebten Beziehung zwischen der Persönlichkeit des Menschen und der Persönlichkeit des Universalen Vaters zu erfreuen. Die Vaterschaft Gottes und die Bruderschaft der Menschen bergen in sich den Widerspruch zwischen dem Teil und dem Ganzen auf Persönlichkeitsebene. Gott liebt jeden Einzelnen als individuelles Kind der himmlischen Familie. Aber Gott liebt ebenso sehr alle Personen; er kennt kein Ansehen der Person, und die Universalität seiner Liebe ruft eine Ganzheitsbeziehung, die universale Bruderschaft, ins Leben. Die Liebe des Vaters individualisiert in absoluter Weise jede Persönlichkeit als einmaliges Kind des Universalen Vaters, als ein Kind, von dem es in aller Unendlichkeit kein Doppel gibt, als ein Willensgeschöpf, das in aller Ewigkeit durch nichts ersetzt werden kann. Des Vaters Liebe verherrlicht jedes Kind Gottes, indem sie jedes Mitglied der himmlischen Familie erleuchtet und die einzigartige Natur jedes persönlichen Wesens sich scharf abheben lässt gegen die außerhalb des brüderlichen Kreises des gemeinsamen Vaters liegenden unpersönlichen Ebenen. Die Liebe Gottes lässt auf eindrucksvolle Weise den transzendenten Wert jedes Willensgeschöpfes erkennen, offenbart unmissverständlich den hohen Wert, den der Universale Vater jedem einzelnen seiner Kinder beimisst, von der höchsten Schöpferpersönlichkeit mit Paradiesesrang bis hinunter zur niedrigsten mit Willen begabten Persönlichkeit unter wilden Volksstämmen im Morgengrauen der menschlichen Gattung auf irgendeiner evolutionären Welt von Zeit und Raum. Diese Liebe Gottes zum individuellen Wesen ruft die göttliche Familie aller Einzelpersonen ins Dasein, die universale Bruderschaft der mit freiem Willen begabten Kinder des Paradies-Vaters. Und da diese Bruderschaft universal ist, ist sie eine Ganzheitsbeziehung. Wenn sie universal ist, ist sie nicht Ausdruck jeder einzelnen Beziehung, sondern der Beziehung aller. Bruderschaft ist eine die Gesamtheit umfassende Realität und offenbart daher Eigenschaften des Ganzen im Unterschied zu Eigenschaften des Teils. Bruderschaft ist eine Tatsache der Beziehung zwischen allen im Universum existierenden Persönlichkeiten. Niemand kann den Wohltaten oder Benachteiligungen entrinnen, die aus der Beziehung zu anderen Personen hervorgehen. Der Teil profitiert oder leidet nach Maßgabe des Ganzen. Das gute Streben jedes einzelnen Menschen kommt allen Menschen zugute; der Irrtum oder die Schlechtigkeit jedes Menschen vermehrt die Leiden aller Menschen. Wie der Teil sich bewegt, so bewegt sich das Ganze. Wie der Fortschritt des Ganzen, so der Fortschritt des Teils. Die relativen Geschwindigkeiten des Teils und des Ganzen bestimmen, ob der Teil durch die Trägheit des Ganzen gebremst oder vom Schwung der kosmischen Bruderschaft mitgerissen wird. Es ist ein tiefes Geheimnis, dass Gott als ein im höchsten Maße persönliches und selbstbewusstes Wesen mit festem Hauptsitz zugleich in einem so gewaltigen Universum persönlich anwesend ist und mit einer nahezu unendlichen Zahl von Wesen in persönlichem Kontakt steht. Dass solch ein Phänomen ein weit über die menschliche Fassungskraft hinausgehendes Mysterium ist, sollte euren Glauben nicht im mindesten beeinträchtigen. Erlaubt weder den Dimensionen der Unendlichkeit noch der Unermesslichkeit der Ewigkeit noch der Größe und Herrlichkeit des unvergleichlichen Charakters Gottes, euch einzuschüchtern, ins Wanken zu bringen oder zu entmutigen; denn keinem von euch ist der Vater sehr fern; er wohnt in euch, und in ihm bewegen wir uns wörtlich, leben wir wirklich und haben wahrhaftig unser Dasein. Obwohl der Paradies-Vater durch seine göttlichen Schöpfer und die Kinder seiner Schöpfung wirkt, erfreut er sich auch des innigsten inneren Kontaktes mit euch, der so sublim, so höchst persönlich ist, dass er sogar mein Verständnis übersteigt - diese geheimnisvolle Verbindung des Vaterfragmentes mit der menschlichen Seele und mit dem tatsächlich von ihm bewohnten sterblichen Verstand. Nach allem, was euch über diese Geschenke Gottes bekannt ist, wisst ihr jetzt, dass der Vater nicht nur mit seinen göttlichen Mitarbeitern, sondern auch mit seinen evolutionären sterblichen Kindern der Zeit in inniger Berührung steht. Der Vater bewohnt allerdings das Paradies, aber seine göttliche Gegenwart wohnt auch im Verstand der Menschen. Auch wenn der Geist eines Sohnes über alles Fleisch ausgegossen wird, auch wenn ein Sohn einst in Menschengestalt unter euch weilte, auch wenn die Seraphim euch persönlich behüten und führen, wie könnte eines dieser göttlichen Wesen des Zweiten und Dritten Zentrums je hoffen, euch so nahe zu kommen oder euch so völlig zu verstehen wie der Vater, der einen Teil von sich selbst gegeben hat, um in euch zu sein, um euer wirkliches und göttliches, ja euer ewiges Selbst zu sein? ***** 12.8 Materie, Verstand und Geist ***** "Gott ist Geist", nicht aber das Paradies. Das materielle Universum ist stets die Arena, in der alle geistigen Aktivitäten stattfinden; geistige Wesen und geistige Aufsteiger leben und arbeiten auf materiell wirklichen, physischen Sphären. Die Vergabe kosmischer Kraft, die Domäne der kosmischen Gravitation, ist die Funktion der Paradies-Insel. Alle ursprüngliche Kraft-Energie geht vom Paradies aus, und die Materie zur Erschaffung ungezählter Universen zirkuliert jetzt im ganzen Alluniversum in Form einer übergravitationellen Gegenwart, die die Kraftladung des durchdrungenen Raums darstellt. Was für Verwandlungen die vom Paradies ausgegangene Kraft in den entlegenen Universen auch immer durchmachen mag, so bleibt sie doch auf ihrer Reise der unaufhörlichen, ewig gegenwärtigen und unfehlbaren Anziehung der Paradies-Insel unterworfen und kreist für immer gehorsam und selbstverständlich auf den ewigen Raumpfaden des Universums. Die physische Energie ist jene Realität, die in ihrem Gehorsam gegenüber dem universalen Gesetz wahrhaft zuverlässig und unerschütterlich ist. Einzig im Bereich des Geschöpfeswillens hat es Abweichungen von den göttlichen Pfaden und den ursprünglichen Plänen gegeben. Macht und Energie sind die universalen Beweise für die Stabilität, Beständigkeit und Ewigkeit der zentralen Paradies-Insel. Die Vergabe des Geistes und die Vergeistigung der Persönlichkeiten, die Domäne der geistigen Gravitation, sind das Reich des Ewigen Sohnes. Und diese geistige Gravitation des Sohnes, der stets alle geistigen Realitäten an sich zieht, ist genauso real und absolut wie die allmächtige materielle Anziehung der Paradies-Insel. Aber der auf das Materielle sinnende Mensch ist von Natur aus vertrauter mit den materiellen Erscheinungen physischer Natur als mit den ebenso realen und mächtigen Vorgängen geistiger Natur, die nur von der geistigen Schau der Seele wahrgenommen werden können. In dem Maße, wie sich irgendeine Persönlichkeit im Universum vergeistigt - gottähnlich wird - spricht sie weniger auf die physische Gravitation an. Realität, die sich an ihrer Antwort auf die physische Gravitation messen lässt, ist der Gegensatz zu Realität, die durch die Art ihres geistigen Gehalts bestimmt wird. Die Aktivität materieller Gravitation ist ein quantitativer Gradmesser nichtgeistiger Energie; die Aktivität geistiger Gravitation ist ein qualitatives Maß für die lebendige Energie der Göttlichkeit. Was das Paradies für die physische Schöpfung und der Ewige Sohn für das geistige Universum sind, ist der Mit-Vollzieher für die Verstandesreiche - für das intelligente Universum materieller, morontieller und geistiger Wesen und Persönlichkeiten. Der Mit-Vollzieher reagiert sowohl auf materielle als auch auf geistige Realitäten und wird dadurch von Natur aus zum universalen Helfer aller intelligenten Wesen, die in sich die materielle und die geistige Phase der Schöpfung vereinigen. Die Ausstattung mit Intelligenz, der Dienst am Materiellen und am Geistigen durch das Phänomen des Verstandes, ist die ausschließliche Domäne des Mit-Vollziehers, der dadurch zum Partner des geistigen Verstandes, zur Essenz des moron- tiellen Verstandes und zur Substanz des materiellen Verstandes der evolutionären Geschöpfe der Zeit wird. Verstand ist die Technik, dank welcher geistige Realitäten für Geschöpfespersönlichkeiten erfahrbar werden. Und letzten Endes sind sogar die einigenden Fähigkeiten des menschlichen Verstandes, das Vermögen, Dinge, Ideen und Werte zu koordinieren, übermateriell. Obwohl es dem sterblichen Verstand kaum möglich ist, die sieben Ebenen relativer kosmischer Realität zu begreifen, sollte der menschliche Intellekt doch fähig sein, viel von der Bedeutung von drei Funktionsebenen endlicher Realität zu erfassen: 1. Materie. Organisierte Energie, die der linearen Gravitation unterworfen ist, mit der Einschränkung, dass sie durch Bewegung verändert und vom Verstand bedingt werden kann. 2. Verstand. Organisiertes Bewusstsein, das der materiellen Gravitation nicht vollständig unterworfen ist, und das wahrhaft befreit wird, wenn der Geist es verändert. 3. Geist. Die höchste persönliche Realität. Wahrer Geist ist der physischen Gravitation nicht unterworfen, sondern wird schließlich zur motivierenden Triebkraft aller sich entwickelnden Energiesysteme, die Persönlichkeitswürde besitzen. Das Existenzziel aller Persönlichkeiten ist Geist; materielle Manifestationen sind relativ, und zwischen diesen universalen Gegensätzen vermittelt der kosmische Verstand. Die Gabe des Verstandes und der Dienst des Geistes sind das Werk der zusammenwirkenden Personen der Gottheit: des Unendlichen Geistes und des Ewigen Sohnes. Totale Gottheitsrealität ist nicht Verstand, sondern Geist-Verstand - durch Persönlichkeit geeinter Verstand-Geist. Nichtsdestoweniger konvergieren die Absoluten sowohl des Geistes als auch der Dinge in der Person des Universalen Vaters. Im Paradies sind die drei Energien, die materielle, die mentale und die geistige, koordiniert. Im evolutionären Kosmos dominiert Energie-Materie außer in der Persönlichkeit, in welcher der Geist durch die Vermittlung des Verstandes nach Meisterschaft strebt. Geist ist die grundlegende Realität der Persönlichkeitserfahrung aller Geschöpfe, weil Gott Geist ist. Geist ist unveränderlich, und deshalb transzendiert er in allen Persönlichkeitsbeziehungen den Verstand und die Materie, die beide erfahrungsmäßige, veränderliche Größen fortschreitenden Vollbringens sind. In der kosmischen Entwicklung wird die Materie zu einem philosophischen Schatten, den der Verstand in der Gegenwart der geistigen Helle göttlicher Erleuchtung wirft, aber das macht die Realität der Materie-Energie nicht hinfällig. Verstand, Materie und Geist sind gleichermaßen real, aber sie besitzen für die Persönlichkeit beim Streben nach Göttlichkeit nicht denselben Wert. Das Bewusstsein der Göttlichkeit ist eine fortschreitende geistige Erfahrung. Je heller das Leuchten einer vergeistigten Persönlichkeit (der Vater im Universum, das Fragment einer potentiellen geistigen Persönlichkeit im individuellen Geschöpf), umso größer der Schatten, den der vermittelnde Verstand auf seine materielle Hülle wirft. In der Zeit ist der Körper des Menschen gerade so real wie der Verstand oder der Geist, aber im Tod überleben sowohl Verstand (Identität ) als auch Geist, nicht jedoch der Körper. Eine kosmische Realität kann in der Erfahrung der Persönlichkeit nicht-vorhanden sein. Und so hat eure griechische Redewendung - das Mate rielle als der Schatten einer realeren geistigen Substanz - tatsächlich eine philosophische Bedeutung. ***** 12.9 Persönliche Realitäten ***** Geist ist die fundamentale persönliche Realität in den Universen, und Persönlichkeit ist grundlegend für alle fortschreitende Erfahrung mit der geistigen Realität. Jede Phase persönlicher Erfahrung auf allen aufeinanderfolgenden Ebenen des Fortschritts im Universum wimmelt von Hinweisen auf zu entdeckende, verlockende persönliche Realitäten. Die wahre Bestimmung des Menschen besteht darin, neue geistige Ziele zu erschaffen und dann auf die kosmische Lockung solch himmlischer Ziele nicht-materiellen Wertes zu antworten. Liebe ist das Geheimnis ersprießlicher Persönlichkeitsverbindungen. Ihr könnt eine Person aufgrund eines einzigen Kontaktes nicht wirklich kennen. Ihr könnt Musik nicht durch mathematische Folgerungen schätzen, obwohl Musik eine Art von mathematischem Rhythmus ist. Die einem Telefonabonnenten zugeteilte Nummer identifiziert die Persönlichkeit dieses Abonnenten in keiner Weise, noch sagt sie irgendetwas über seinen Charakter aus. Mathematik, materielle Wissenschaft sind für die intelligente Diskussion der materiellen Aspekte des Universums unerlässlich, aber solches Wissen gehört nicht notwendigerweise zur höheren Wahrheitsverwirklichung oder zur persönlichen Würdigung geistiger Realitäten. Nicht nur in den Bereichen des Lebens, sondern sogar in der Welt der physischen Energie ist die Summe zweier oder mehrerer Dinge sehr oft mehr oder etwas anderes als die vorhersagbaren Additionsergebnisse solcher Verbindungen. Die ganze Mathematikwissenschaft, der gesamte Bereich der Philosophie, die fortgeschrittenste Physik oder Chemie vermöchten nicht vorauszusagen oder zu wissen, dass die Vereinigung zweier gasförmiger Wasserstoffatome mit einem gasförmigen Sauerstoffatom eine neue Substanz mit zusätzlichen Eigenschaften - flüssiges Wasser - hervorrufen würde. Allein die verstehende Erkenntnis dieses einen physikochemischen Phänomens hätte die Entwicklung der materialistischen Philosophie und der mechanistischen Kosmologie verhindern sollen. Technische Analyse enthüllt nicht, was eine Person oder eine Sache tun kann. Ein Beispiel: Wasser wird wirksam zum Feuerlöschen eingesetzt. Dass Wasser Feuer löschen kann, ist eine Tatsache täglicher Erfahrung, aber keine Wasseranalyse könnte je eine solche Eigenschaft verraten. Die Analyse ergibt, dass Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzt ist; weiteres Studium dieser Elemente zeigt, dass Sauerstoff der wirkliche Verantwortliche für die Verbrennung ist und dass Wasserstoff von selber frei brennt. Eure Religion wird real, weil sie aus der Sklaverei der Angst heraustritt und die Fesseln des Aberglaubens abstreift. Eure Philosophie kämpft für die Loslösung von Dogma und Tradition. Eure Wissenschaft befindet sich in der endlos langen Auseinandersetzung zwischen Wahrheit und Irrtum, während sie um Befreiung kämpft von den Fesseln der Abstraktion, von der Sklaverei der Mathematik und von der relativen Blindheit des mechanistischen Materialismus. Der sterbliche Mensch besitzt einen Kern aus Geist. Der Verstand ist ein persönliches Energiesystem um einen göttlichen Geistkern herum, der in einem materiellen Umfeld funktioniert. Diese lebendige Beziehung zwischen dem persönlichen Verstand und dem Geist stellt das universale Potential der ewigen Persönlichkeit dar. Wahre Not, dauernde Enttäuschung, ernste Niederlage oder unentrinnbarer Tod können sich nur dann einstellen, wenn eigene Vorstellungen sich angemaßt haben, die lenkende Macht des zentralen geistigen Kerns völlig zur Seite zu schieben und damit den kosmischen Plan der Persönlichkeitsidentität zu zerbrechen. [Dargeboten von einem im Auftrag der Ältesten der Tage handelnden Vervollkommner der Weisheit.] ****** Kapitel 13 Die Heiligen Welten des Paradieses ****** IM Raum zwischen der zentralen Paradies-Insel und dem innersten Planetenkreis Havonas befinden sich drei kleinere Kreise besonderer Himmelskörper. Der innerste Kreis besteht aus den sieben geheimen Sphären des Universalen Vaters, die zweite Gruppe setzt sich aus den sieben leuchtenden Welten des Ewigen Sohnes zusammen, und zuäußerst befinden sich die sieben gewaltigen Sphären des Unendlichen Geistes, die Welten der exekutiven Hauptsitze der Sieben Hauptgeiste. Diese je sieben Welten der drei Kreise des Vaters, des Sohnes und des Geistes sind Sphären von unübertroffener Großartigkeit und unvorstellbarer Herrlichkeit. Selbst ihre materielle oder physische Konstruktion ist von einer euch nicht offenbarten Art. Jeder Kreis besteht aus anderem Material, und jede Welt jedes Kreises ist anders mit Ausnahme der sieben Welten des Sohnes, deren physische Beschaffenheit gleich ist. Alle einundzwanzig Welten sind enorme Sphären, und jede Siebenergruppe ist verschieden verewigt. So viel wir wissen, haben sie immer existiert; sie sind ewig wie das Paradies. Es gibt über ihren Ursprung weder Dokumente noch Überlieferungen. Die sieben geheimen Sphären des Universalen Vaters, welche die ewige Paradies-Insel in nächster Nähe umkreisen, widerspiegeln in hohem Maße die geistige Leuchtkraft des zentralen Glanzes der ewigen Gottheiten, und sie schütten dieses Licht göttlicher Herrlichkeit über das ganze Paradies und über alle sieben Kreise Havonas aus. Auf den sieben heiligen Welten des Ewigen Sohnes scheinen die unpersönlichen Energien geistiger Leuchtkraft ihren Ursprung zu nehmen. Kein persönliches Wesen kann sich in irgendeinem dieser sieben hell scheinenden Reiche aufhalten. Sie erleuchten das ganze Paradies und Havona mit geistiger Herrlichkeit, und sie richten reine geistige Helligkeit auf die sieben Superuniversen. Diese strahlenden Sphären des zweiten Kreises senden ihr Licht (Licht ohne Wärme) ebenso zum Paradies wie zu der Milliarde von Welten des Zentraluniversums mit seinen sieben Kreisen. Die sieben Welten des Unendlichen Geistes sind die Sitze der Sieben Hauptgeiste, welche die Geschicke der sieben Superuniversen lenken und die geistige Erleuchtung der Dritten Person der Gottheit in diese Schöpfungen von Zeit und Raum hinaussenden. Und ganz Havona, aber nicht die Paradies-Insel, ist in diese vergeistigenden Einflüsse getaucht. Obwohl die Planeten des Vaters für alle Vater-begabten Persönlichkeiten die Sphären des allerhöchsten Status darstellen, ist das nicht ihre alleinige Funktion. Viele anders-als-persönliche Wesen und Wesenheiten weilen auf diesen Welten. Jede Welt im Kreis des Vaters und im Kreis des Geistes beherbergt einen anderen Typ von Dauerbürgern, aber wir denken, dass die Welten des Sohnes von gleichförmigen Typen anders-als-persönlicher Wesen bewohnt werden. Unter den Einheimischen von Divinington befinden sich die Vaterfragmente; die übrigen Ordnungen von Dauerbürgern sind euch nicht offenbart. Die einundzwanzig Satelliten des Paradieses dienen manchen Zwecken im Zentraluniversum und in den Superuniversen, die in diesen Erzählungen nicht enthüllt werden. Ihr seid so wenig fähig, etwas vom Leben dieser Sphären zu verstehen, dass ihr nicht hoffen könnt, irgendeine stimmige Anschauung von ihnen zu gewinnen, sei es bezüglich Wesen oder Funktion; auf ihnen spielen sich Tausende von euch nicht offenbarten Aktivitäten ab. Die einundzwanzig Planeten umfassen die Potentiale der Funktion des Alluniversums. Diese Schriften gewähren nur einen flüchtigen Blick auf bestimmte fest umschriebene Aktivitäten, die sich auf das gegenwärtige Zeitalter des Großen Universums beziehen-oder besser, nur auf einen der sieben Sektoren des Großen Universums. ***** 13.1 Die Sieben Heiligen Welten des Vaters ***** Des Vaters Kreis von sieben heiligen Welten des Lebens birgt die einzigen der Persönlichkeit inhärenten Geheimnisse des Universums der Universen. Diese Satelliten des Paradieses, die den innersten der drei Kreise bilden, sind die einzigen verbotenen Zonen des Zentraluniversums, die mit Persönlichkeit zu tun haben. Auch das untere Paradies und die Welten des Sohnes sind für Persönlichkeiten unzugänglich, aber keines von diesen Reichen hat in irgendeiner Weise direkt etwas mit Persönlichkeit zu tun. Die Paradies-Welten des Vaters werden von der höchsten Ordnung der Stationären Söhne der Trinität gelenkt, von den Trinitisierten Geheimnissen der Suprematie. Über diese Welten kann ich nur wenig berichten, und noch weniger über ihre mannigfaltigen Aktivitäten. Solche Auskünfte sind nur für jene Wesen bestimmt, die darauf wirken und von dort fortziehen. Und während ich mit sechs dieser Welten einigermaßen vertraut bin, bin ich nie auf Divinington gelandet; der Zutritt zu dieser Welt ist mir gänzlich untersagt. Einer der Gründe für die Geheimhaltung dieser Welten besteht darin, dass jede der heiligen Sphären sich einer spezialisierten Vertretung oder Manifestation der die Paradies-Trinität bildenden Gottheiten erfreut. Es handelt sich dabei nicht um eine Persönlichkeit, sondern um eine einmalige Anwesenheit der Göttlichkeit, die nur von jenen speziellen Gruppen intelligenter Wesen gewürdigt und verstanden werden kann, welche diese besondere Welt bewohnen oder zu ihr Zutritt haben. Die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie sind die persönlichen Beauftragten dieser spezialisierten und unpersönlichen Anwesenheiten der Göttlichkeit. Und die Geheimnisse der Suprematie sind herrlich begabte und ihrer hohen und anspruchsvollen Arbeit wunderbar gewachsene, hoch persönliche Wesen. 1. DIVININGTON. Diese Welt ist in einem einzigartigen Sinne der "Schoß des Vaters", die Sphäre persönlicher Verbindung mit dem Universalen Vater, und auf ihr gibt es eine besondere Manifestation seiner Göttlichkeit. Divinington ist der Paradies-Treffpunkt der Gedankenjustierer, aber es ist auch die Heimat zahlreicher anderer Wesenheiten, Persönlichkeiten und weiterer dem Universalen Vater entsprungener Wesen. Außer dem Ewigen Sohn gibt es viele Persönlichkeiten, die ihren direkten Ursprung im einsamen Handeln des Universalen Vaters haben. Nur die Vaterfragmente und jene Persönlichkeiten und anderen Wesen, die direkt und ausschließlich dem Universalen Vater entstammen, wirken und verbrüdern sich an diesem Wohnsitz. Die Geheimnisse von Divinington schließen auch das Geheimnis der Verleihung und Sendung der Gedankenjustierer ein. Ihre Natur, ihr Ursprung und die Technik ihres Kontaktes mit den niedrigen Geschöpfen der evolutionären Welten sind ein Geheimnis dieser paradiesischen Sphäre. Diese erstaunlichen Vorgänge betreffen uns Übrigen nicht persönlich, und deshalb halten es die Gottheiten für angebracht, unserem vollen Verständnis gewisse Aspekte dieses großen göttlichen Dienstes vorzuenthalten. Insofern wir mit dieser Phase göttlicher Aktivität in Berührung kommen, wird uns volle Einsicht in diese Vorgänge gewährt, aber über die innersten Einzelheiten dieser großen Vergabe sind wir nicht völlig unterrichtet. Diese Welt birgt auch die Geheimnisse der Natur, Bestimmung und Tätigkeiten aller anderen Formen von Vaterfragmenten, der Gravitationsbotschafter und von Heerscharen anderer, euch nicht offenbarter Wesen. Höchstwahrscheinlich würden die Divinington betreffenden, vor mir geheimgehaltenen Wahrheiten, wenn sie mir offenbart würden, mich bei meiner gegenwärtigen Arbeit nur stören und behindern, und außerdem übersteigen sie vielleicht das Vorstellungsvermögen meiner Ordnung von Wesen. 2. SONARINGTON. Diese Sphäre ist der "Schoß des Sohnes", die persönliche Empfangswelt des Ewigen Sohnes. Sie ist das Paradies-Hauptquartier der niedersteigenden und aufsteigenden Söhne Gottes vom Augenblick an, da diese voll beglaubigt und endgültig bestätigt worden sind. Diese Welt ist die paradiesische Heimat für alle Söhne des Ewigen Sohnes und seiner beigeordneten und mit ihm verbundenen Söhne. Es gibt zahlreiche Ordnungen göttlicher Sohnschaft, die mit dieser himmlischen Stätte verbunden, den Sterblichen aber nicht offenbart worden sind, da sie nichts zu tun haben mit den Plänen des Aufstiegsprogramms für den menschlichen geistigen Fortschritt auf dem Weg durch die Universen nach dem Paradies. Die Geheimnisse von Sonarington schließen auch das Geheimnis der Inkarnation der göttlichen Söhne ein. Wenn ein Gottessohn zu einem Menschensohn wird und regelrecht von einer Frau geboren wird, wie es auf eurer Welt vor neunzehnhundert Jahren geschehen ist, handelt es sich um ein universales Mysterium. Es ereignet sich in allen Universen und es ist ein Sonarington gehörendes Geheimnis göttlicher Sohnschaft. Die Justierer sind ein Mysterium Gottes des Vaters. Die Inkarnation der göttlichen Söhne ist ein Mysterium Gottes des Sohnes; es ist ein Geheimnis, das im siebenten Sektor von Sonarington verschlossen liegt, in einem Bereich, den niemand außer denen betritt, die persönlich diese einmalige Erfahrung durchlebt haben. Nur jene Inkarnationsphasen, die mit eurem aufsteigenden Werdegang zu tun haben, sind euch zur Kenntnis gebracht worden. Es gibt viele andere, euch nicht offenbarte Aspekte des Inkarnationsmysteriums von Paradies-Söhnen geheimgehaltener Ordnungen, die sich auf Missionen universellen Dienstes begeben. Und Sonarington hat noch andere Geheimnisse. 3. SPIRITINGTON. Diese Welt ist der "Schoß des Geistes", die paradiesische Heimat der hohen Wesen, die ausschließlich den Unendlichen Geist repräsentieren. Hier versammeln sich die Sieben Hauptgeiste und gewisse ihrer Abkömmlinge aus allen Universen. An diesem himmlischen Wohnort kann man auch zahlreiche nicht offenbarte Ordnungen von Geistpersönlichkeiten antreffen, Wesen, die mit mannigfachen Universumsaktivitäten betraut sind, indessen in keiner Verbindung mit den Plänen stehen, die sterblichen Geschöpfe der Zeit schrittweise bis zu den Ewigkeitsebenen des Paradieses emporzuheben. Die Geheimnisse von Spiritington schließen die undurchdringlichen Mysterien der Reflexivität ein. Wir berichten euch von dem weit ausgedehnten, universalen Phänomen der Reflexivität, insbesondere wie es auf den Hauptwelten der sieben Superuniversen funktioniert, aber wir können dieses Phänomen nie ganz erklären, weil wir es nicht ganz verstehen. Wir verstehen viel, sogar sehr viel davon, aber viele grundlegende Einzelheiten sind für uns immer noch ein Rätsel. Reflexivität ist ein Geheimnis Gottes des Geistes. Ihr seid über die Funktionen der Reflexivität in Verbindung mit dem Aufstiegsplan für die fortlebenden Sterblichen unterrichtet worden, und sie arbeitet tatsächlich so, aber die Reflexivität ist auch ein unentbehrlicher Bestandteil des normalen Funktionierens zahlreicher anderer universeller Betätigungsfelder. Diese Gabe des Unendlichen Geistes wird auch in anderen Kanälen als jenen benutzt, die der Sammlung von Nachrichtenmaterial und der Weitergabe von Information dienen. Und es existieren noch andere Geheimnisse von Spiritington. 4. VIZEGERINGTON. Dieser Planet ist der "Schoß des Vaters und des Sohnes" und die geheime Sphäre bestimmter nicht offenbarter Wesen, die ihren Ursprung in den Handlungen des Vaters und des Sohnes haben. Es ist auch die paradiesische Heimat vieler verherrlichter Wesen komplexer Abkunft, deren Ursprung durch die vielen verschiedenen in den sieben Superuniversen angewendeten Techniken kompliziert wird. Auf dieser Welt kommen viele Gruppen von Wesen zusammen, deren Identität den Sterblichen Urantias nicht enthüllt worden ist. Die Geheimnisse von Vizegerington umfassen auch die Geheimnisse der Trinitisation, und die Trinitisation besteht im Geheimnis der Autorität, die Trinität zu repräsentieren, als Stellvertreter der Götter zu handeln. Nur solche offenbarte oder nicht offenbarte Wesen sind mit der Autorität ausgestattet, die Trinität zu repräsentieren, die durch beliebige zwei oder alle drei Mitglieder der Paradies-Trinität trinitisiert, erschaffen, eventuiert oder verewigt worden sind. Persönlichkeiten, die aus den trinitisierenden Handlungen gewisser Typen verherrlichter Geschöpfe hervorgegangen sind, repräsentieren nicht mehr als das in dieser Trinitisation mobilisierte Vorstellungspotential, obwohl solche Geschöpfe den zur Umfangung durch die Gottheit hinaufführenden Pfad gehen können, der all ihren Artgenossen offen steht. Nicht trinitisierte Wesen begreifen die Technik der Trinitisation durch zwei oder drei Schöpfer oder durch gewisse Geschöpfe nicht ganz. Ihr werdet solch ein Phänomen nie wirklich verstehen, außer ihr solltet euch in der weit entfernten Zukunft eurer verherrlichten Laufbahn an ein solches Abenteuer heranwagen und es erfolgreich bestehen. Ansonsten werden diese Geheimnisse von Vizegerington für euch auf immer unzugänglich bleiben. Aber mir als einem hohen Wesen trinitären Ursprungs stehen alle Sektoren von Vizegerington offen. Ich verstehe die Geheimnisse meines Ursprungs und meiner Bestimmung restlos und hüte sie ebenso restlos als etwas Geheiligtes. Es gibt noch andere Formen und Phasen der Trinitisation, die den Völkern Urantias nicht eröffnet worden sind, und diese Erfahrungen werden in ihren persönlichen Aspekten in dem geheimen Sektor von Vizegerington in angemessener Weise gehütet. 5. SOLITARINGTON. Diese Welt ist der "Schoß des Vaters und des Geistes" und Versammlungsort wunderbarer Heerscharen nicht offenbarter Wesen, die ihren Ursprung dem gemeisamen Handeln des Universalen Vaters und des Unendlichen Geistes verdanken, von Wesen, die zusätzlich zu dem vom Geist Ererbten an den Väterlichen Wesenszügen teilhaben. Es ist auch die Heimatwelt der Einsamen Botschafter und anderer Persönlichkeiten, die den Ordnungen der Überengel angehören. Ihr kennt nur sehr wenige von diesen Wesen; es gibt eine ungeheure Zahl von auf Urantia nicht offenbarten Ordnungen. Aus der Tatsache, dass sie die fünfte Welt bewohnen, folgt nicht notwendigerweise, dass der Vater irgendetwas mit der Erschaffung der Einsamen Botschafter und ihrer Überengel-Mitarbeiter zu tun hatte, aber in diesem Universumszeitalter hat er etwas mit ihrer Funktion zu tun. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters ist dies auch die Status-Welt der Machtlenker des Universums. Es gibt zahlreiche weitere Ordnungen von geistigen Persönlichkeiten, von sterblichen Menschen nicht bekannten Wesen, die Solitarington als ihre heimatliche Paradies-Welt betrachten. Es sollte daran gedacht werden, dass alle Abteilungen und Ebenen der Universumsaktivitäten ebenso reichlich mit geistigen Dienern versehen sind wie jenes Reich, dessen Aufgabe es ist, den sterblichen Menschen dabei zu helfen, zu ihrer göttlichen Bestimmung im Paradies aufzusteigen. Die Geheimnisse von Solitarington. Nebst bestimmten Geheimnissen der Trinitisation hütet diese Welt die Geheimnisse der persönlichen Beziehung des Unendlichen Geistes zu gewissen höheren Abkömmlingen des Dritten Zentralen Ursprungs. Solitarington birgt die Geheimnisse der innigen Verbindung zahlreicher nicht offenbarter Ordnungen mit den Geisten des Vaters, des Sohnes und des Geistes, mit dem dreieinigen Geist der Trinität und mit den Geisten des Supremen, des Ultimen und des Suprem-Ultimen. 6. SERAPHINGTON. Diese Sphäre ist der "Schoß des Sohnes und des Geistes" und die Heimatwelt von riesigen Heerscharen nicht offenbarter, durch den Sohn und den Geist erschaffener Wesen. Sie ist auch die Sphäre der Bestimmung aller dienenden Ordnungen der Heerscharen der Engel einschließlich der Supernaphim, Sekonaphim und Seraphim. Im Zentraluniversum und in den äußeren Universen dienen auch viele Ordnungen prächtiger Geiste, die aber nicht "jenen beistehen, die zu Erben des Heils werden sollen". All diese geistigen Arbeiter aller Ebenen und aller Bereiche der Universumsaktivitäten blicken auf Seraphington als auf ihre paradiesische Heimat. Die Geheimnisse von Seraphington schließen drei Mysterien in sich, von denen ich nur eines erwähnen darf-das Mysterium des seraphischen Transportes. Die Fähigkeit verschiedener Ordnungen von Seraphim und verwandten Geistwesen, nichtmaterielle Persönlichkeiten aller Ordnungen mit ihren Geist-Gestalten zu umzuhüllen und sie über sehr lange interplanetarische Strecken zu transportieren, ist ein in den geheiligten Sektoren Seraphingtons unter Verschluss gehaltenes Geheimnis. Die Transportseraphim verstehen dieses Geheimnis, aber sie geben es uns Übrigen nicht preis, oder können es nicht. Die anderen Mysterien von Seraphington betreffen die persönlichen Erfahrungen von gewissen den Sterblichen bis jetzt nicht offenbarten Typen geistiger Diener. Und wir verbieten es uns, über die Geheimnisse von so eng mit euch verbundenen Wesen zu sprechen, weil ihr Existenzordnungen, die euch so nahe stehen, fast verstehen könnt und es schon an Vertrauensbruch grenzen würde, wenn wir euch unsere wenn auch nur lückenhafte Kenntnis dieser Phänomene mitteilen würden. 7. ASZENDINGTON. Diese einzigartige Welt ist der "Schoß des Vaters, des Sohnes und des Geistes", der Treffpunkt der aufsteigenden Geschöpfe des Raums, die Empfangssphäre der Pilger der Zeit, die auf ihrem Weg zum Paradies das Universum von Havona durchlaufen. Aszendington ist wirklich das paradiesische Heim der aufsteigenden Seelen von Zeit und Raum, bevor sie den Paradies-Status erlangen. Ihr Sterblichen werdet in Havona die meisten eurer "Ferien" auf Aszendington verbringen. Während eures Lebens in Havona wird Aszendington für euch sein, was während des Aufstiegs durch Lokal- und Superuniversum für euch die Leiter der Rückschau waren. Hier werdet ihr euch Tausenden von Aktivitäten hingeben, die jenseits menschlicher Vorstellungskraft liegen. Und wie bei jedem früheren Vorwärtsrücken im Aufstieg zu Gott wird euer menschliches Selbst hier in neue Beziehungen zu eurem göttlichen Selbst treten. Die Geheimnisse von Aszendington schließen das Mysterium des in einem materiellen und sterblichen Verstand vor sich gehenden allmählichen und sicheren Aufbaus eines geistigen und potentiell unsterblichen Gegenstücks zu Charakter und Identität ein. Dieses Phänomen stellt eines der verblüffendsten Mysterien des Universums dar-die Evolution einer unsterblichen Seele im Verstand eines sterblichen materiellen Geschöpfes. Ihr werdet dieses geheimnisvolle Geschehen nie völlig verstehen, bevor ihr auf Aszendington anlangt. Und das deshalb, weil sich dann euren staunenden Blicken ganz Aszendington öffnen wird. Der Zutritt zu einem Siebentel von Aszendington ist mir verboten-zu jenem Sektor, der gerade dieses Geheimnis betrifft, das ausschließliche Erfahrung und ausschließlicher Besitz eurer Art von Wesen ist (oder sein wird). Diese Erfahrung gehört zu eurer menschlichen Existenzordnung. Meine Ordnung von Persönlichkeiten ist von solchen Vorgängen nicht unmittelbar betroffen. Solches zu kennen ist mir deshalb verwehrt, aber euch wird es schließlich offenbart werden. Aber auch nachdem es euch enthüllt worden ist, bleibt es aus gewissen Gründen auf ewig euer Geheimnis. Ihr werdet es weder uns noch irgendeiner anderen Ordnung von Wesen preisgeben. Wir wissen über die ewige Fusion eines göttlichen Justierers mit einer unsterblichen Seele menschlichen Ursprungs Bescheid, aber allein die aufsteigenden Finalisten kennen diese Erfahrung als eine absolute Realität. ***** 13.2 Beziehungen zu den Vater-Welten ***** Diese Heimatwelten der verschiedenen Ordnungen geistiger Wesen sind gewaltige und Staunen erregende Sphären, und sie sind an unvergleichlicher Schönheit und erhabener Herrlichkeit dem Paradies ebenbürtig. Es sind Begegnungswelten, Sphären des Zusammentreffens, die als kosmische Daueradressen dienen. Als Finalisten werdet ihr im Paradies wohnhaft sein, aber Aszendington wird zu allen Zeiten eure Heimadresse bleiben, sogar wenn ihr euren Dienst im Äußeren Raum antreten werdet. Für alle Ewigkeit werdet ihr Aszendington als Heimat eurer gefühlsmäßigen Andenken und Erinnerungsbilder betrachten. Wenn ihr Geistwesen der siebenten Stufe werdet, gebt ihr möglicherweise euren Wohnstatus auf dem Paradies auf. Wenn äußere Universen im Entstehen begriffen sind, wenn sie dereinst von Geschöpfen mit Aufstiegspotential bewohnt werden sollen, folgern wir, dass auch solche Kinder der Zukunft dazu bestimmt sind, Aszendington als ihre paradiesische Heimatwelt anzusehen. Aszendington ist die einzige heilige Sphäre, die euch als Paradiesankömmlingen uneingeschränkt zur Besichtigung offen stehen wird. Vizegerington ist die einzige heilige Sphäre, die meinem Forschen gänzlich und uneingeschränkt zugänglich ist. Obwohl seine Geheimnisse meinen Ursprung betreffen, betrachte ich Vizegerington in diesem Zeitalter nicht als meine Heimat. Wesen trinitären Ursprungs und trinitisierte Wesen sind nicht dasselbe. Die Wesen trinitären Ursprungs haben nicht völligen Anteil an den Welten des Vaters; sie haben ihre einzigen Wohnstätten auf der Paradies-Insel in nächster Nähe der Sphäre des Allerheiligsten. Sie erscheinen oft auf Aszendington, dem "Schoß von Vater, Sohn und Geist", wo sie mit ihren von den niedrigen Welten des Raums heraufgekommenen Brüdern freundschaftlich verkehren. Ihr könntet annehmen, dass die aus dem Vater und dem Sohn hervorgegangenen Schöpfersöhne Vizegerington als ihre Heimat ansähen, aber das trifft in diesem Universumszeitalter des Wirkens des Siebenfachen Gottes nicht zu. Und es gibt viele ähnliche Probleme, die euch ratlos lassen werden, denn ihr werdet bei dem Versuch, diese dem Paradies so nahen Dinge verstehen zu wollen, mit Sicherheit vielen Schwierigkeiten begegnen. Ihr könnt diese Fragen nicht erfolgreich zu Ende denken; ihr wisst so wenig. Und wüsstet ihr mehr über des Vaters Welten, würdet ihr nur auf noch größere Schwierigkeiten stoßen, solange ihr nicht alles über sie wüsstet. Den Status auf irgendeiner dieser geheimen Welten erwirbt man ebenso durch Dienen wie durch Ursprungsart, und die aufeinander folgenden Universumszeitalter können bei bestimmten von diesen Persönlichkeitsgruppierungen Umverteilungen vornehmen und tun es auch. Die Welten des inneren Kreises sind wirklich mehr brüderliche oder Statuswelten als eigentliche Wohnsphären. Die Sterblichen werden auf jeder Welt des Vaters außer einer einzigen einen bestimmten Status erlangen. Zum Beispiel: Wenn ihr Sterblichen auf Havona ankommt, erhaltet ihr Zugangsgenehmigung zu Aszendington, wo ihr sehr willkommen seid, aber der Besuch der anderen sechs heiligen Welten ist euch untersagt. Nach eurem Durchlaufen der Ordnung des Paradieses und nach eurer Zulassung zum Korps der Finalität wird euch freier Zutritt zu Sonarington gewährt, da ihr ebenso sehr Söhne Gottes wie Aufsteiger seid-und noch mehr als das. Aber ein Siebentel von Sonarington, der Sektor der Inkarnationsgeheimnisse der göttlichen Söhne, wird eurem Forschen nicht zugänglich sein. Nie werden diese Geheimnisse den aufsteigenden Söhnen Gottes entschleiert werden. Schließlich werdet ihr vollen Zugang zu Aszendington und bedingten Zugang zu den anderen Sphären des Vaters mit Ausnahme von Divinington haben. Aber auch nach erhaltener Landeerlaubnis auf den fünf zusätzlichen geheimen Planeten, wenn ihr einmal ein Finalist geworden seid, wird euch der Besuch sämtlicher Sektoren dieser Welten verwehrt bleiben. Ebenso wenig wird es euch erlaubt sein, an der Küste von Divinington, "dem Schoße des Vaters", an Land zu gehen, obwohl ihr mit Bestimmtheit wiederholt "zur Rechten des Vaters" stehen werdet. Nie in aller Ewigkeit wird irgendetwas eure Anwesenheit auf der Welt der Gedankenjustierer notwendig machen. Diese Begegnungswelten geistigen Lebens sind insofern verbotene Gebiete, als man uns bittet, nicht an ein Betreten jener Zonen dieser Sphären zu denken, die völlig außerhalb unseres Erfahrungsbereichs liegen. Ihr könnt als Geschöpf so vollkommen werden wie der Universale Vater als Gottheit vollkommen ist, aber ihr könnt nicht alle erfahrungsmäßigen Geheimnisse aller anderen Ordnungen von Universumspersönlichkeiten kennen. Wenn der Schöpfer mit seinem Geschöpf ein erfahrungsmäßiges Persönlichkeitsgeheimnis teilt, hütet der Schöpfer dieses Geheimnis in ewiger Vertraulichkeit. Vermutlich sind der kollektiven Körperschaft der Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie all diese Geheimnisse bekannt. Über diese Wesen wissen jeweils nur die besonderen Gruppen der Vater-Welten völlig Bescheid; von anderen Ordnungen werden sie kaum verstanden. Wenn ihr das Paradies erreicht habt, werdet ihr die zehn Geheimnisse der Suprematie, die Aszendington leiten, kennen und glühend lieben. Mit der Ausnahme von Divinington werdet ihr auch auf den übrigen Vater-Welten zu einem teilweisen Verständnis der Geheimnisse der Suprematie gelangen, wenn auch nicht in so vollkommener Weise wie auf Aszendington. Wie ihr Name es andeutet, stehen die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie zum Supremen in Beziehung; sie stehen ebenso in Beziehung zum Ultimen und zum zukünftigen Suprem-Ultimen. Diese Geheimnisse der Suprematie sind die Geheimnisse des Supremen und auch die Geheimnisse des Ultimen, ja sogar die Geheimnisse des Suprem-Ultimen. ***** 13.3 Die Heiligen Welten des Ewigen Sohnes ***** Die sieben strahlenden Sphären des Ewigen Sohnes sind die Welten der sieben Phasen rein geistiger Existenz. Diese strahlenden Himmelskörper sind die Quelle des dreifachen Lichts des Paradieses und Havonas, und ihr Einfluss beschränkt sich weitgehend, wenn auch nicht völlig, auf das Zentraluniversum. Auf diesen Satelliten des Paradieses befinden sich keine Persönlichkeiten; deshalb gibt es nur wenig, was der sterblichen, materiellen Persönlichkeit über diese rein geistigen Stätten mitgeteilt werden könnte. Man lehrt uns, dass es auf diesen Welten von dem anders-als-persönlichen Leben der Wesen des Ewigen Sohnes nur so wimmelt. Wir schließen daraus, dass diese Wesenheiten zum Dienst in den geplanten neuen Universen des Äußeren Raums versammelt werden. Die Philosophen des Paradieses vertreten die Ansicht, dass auf diesen geheimen Welten des Sohnes in jedem etwa zwei Milliarden Urantiajahre dauernden Paradies-Zyklus zusätzliche Reserven dieser Ordnungen erschaffen werden. So viel ich weiß, hat nie eine Persönlichkeit irgendeine dieser Sphären des Ewigen Sohnes betreten. Ich habe in all meiner langen Erfahrung inner- und außerhalb des Paradieses nie den Auftrag erhalten, eine dieser Welten zu besuchen. Nicht einmal Persönlichkeiten, an deren Erschaffung der Ewige Sohn mitbeteiligt war, gehen auf diese Welten. Wir folgern, dass alle Typen unpersönlicher Geiste-gleich welcher Abstammung-in diesen Wohnungen des Geistes zugelassen sind. Da ich eine Person bin und eine geistige Gestalt besitze, würde mir eine solche Welt zweifelsohne wüst und leer erscheinen, wenn mir ein Besuch darauf gestattet würde. Hohe Geistpersönlichkeiten geben sich nicht der Befriedigung zweckloser Neugierde und ganz unnötigen Abenteuern hin. Es gibt zu allen Zeiten nur allzu viele fesselnde und zweckvolle Abenteuer, als dass sich ein großes Interesse an solch sinnlosen oder unwirklichen Projekten entwickeln könnte. ***** 13.4 Die Welten des Unendlichen Geistes ***** Zwischen dem innersten Kreis Havonas und den leuchtenden Sphären des Ewigen Sohnes kreisen die sieben Himmelskörper des Unendlichen Geistes. Bewohnt werden diese Welten von den Abkömmlingen des Unendlichen Geistes, von den trinitisierten Söhnen verherrlichter erschaffener Persönlichkeiten und von anderen Typen nicht offenbarter Wesen, denen die wirksame Verwaltung der vielen Unternehmungen der verschiedenen Bereiche universeller Aktivitäten obliegt. Die Sieben Hauptgeiste sind die supremen und ultimen Repräsentanten des Unendlichen Geistes. Sie unterhalten ihre persönlichen Stationen, ihre Brennpunkte der Macht an der Peripherie des Paradieses, aber alle Aktivitäten im Rahmen ihrer Verwaltung und Führung des Großen Universums werden auf diesen sieben besonderen Exekutivwelten des Unendlichen Geistes und von hier aus gelenkt. Die Sieben Hauptgeiste sind in Wirklichkeit die mental-geistige Unruh des Universums der Universen, eine allumfassende, alles einbeziehende und koordinierende, zentral gelegene Macht. Von diesen sieben besonderen Sphären aus wirken die Hauptgeiste ausgleichend und stabilisierend auf die Kreisläufe des kosmischen Verstandes im Großen Universum. Sie haben ebenfalls etwas mit der unterschiedlichen geistigen Haltung und Gegenwart der Gottheiten überall im Großen Universum zu tun. Physische Reaktionen sind gleichförmig, unveränderlich und stets augenblicklich und automatisch. Aber die erfahrungsmäßige geistige Gegenwart richtet sich nach den zugrunde liegenden Bedingungen oder Zuständen geistiger Empfangsbereitschaft, die den einzelnen Verstandeswesen der Welten eignen. Auf der physischen Ebene sind Autorität, Gegenwart und Funktion in allen Universen, ob kleinen oder großen, unveränderlich. Das unterschiedliche Element in der geistigen Gegenwart oder Reaktion ist ihre fluktuierende, unterschiedliche Anerkennung und Annahme durch die Willensgeschöpfe. Während die geistige Gegenwart der absoluten und existentiellen Gottheit in gar keiner Weise durch treues oder untreues Verhalten erschaffener Wesen beeinflusst wird, ist es zugleich auch wahr, dass die wirkende Gegenwart der unter-absoluten und erfahrungsmäßigen Gottheit eindeutig und direkt beeinflusst wird durch Entscheidung, Wahl und Willensausrichtung solch endlicher Geschöpfeswesen-durch die Treue und Ergebenheit eines einzelnen Wesens, Planeten, Systems, einer Konstellation oder eines Universums. Aber diese geistige Anwesenheit der Göttlichkeit ist nicht launisch oder willkürlich; ihre erfahrungsmäßige Veränderlichkeit beruht auf der Ausstattung der persönlichen Geschöpfe mit freiem Willen. Das, was für ein Mehr oder Weniger an geistiger Gegenwart bestimmend ist, befindet sich in eurem eigenen Herzen und Verstand und beruht auf der Art eures Wählens, auf den Entscheidungen eures Verstandes und auf der Entschlossenheit eures Willens. Diese Unterschiede liegen naturgemäß in den Reaktionen des freien Willens der intelligenten persönlichen Wesen, die sich nach dem Ratschluss des Universalen Vaters in dieser Freiheit der Wahl üben sollen. Und die Gottheiten gehen im Abebben und Anschwellen ihrer Geiste stets getreu auf die Bedingungen und Bedürfnisse dieser unterschiedlichen Geschöpfeswahl ein und befriedigen sie. Einmal verstärken sie ihre Gegenwart in Beantwortung eines aufrichtigen Verlangens, ein andermal ziehen sie sich vom Schauplatz zurück, wenn sich ihre Geschöpfe in Ausübung der ihnen göttlich verliehenen Wahlfreiheit gegenteilig entscheiden. Und also gehorcht der Geist der Göttlichkeit ergeben der Wahl der Geschöpfe der Welten. Die Exekutivsitze der Sieben Hauptgeiste sind in Wirklichkeit die Paradies-Hauptquartiere der sieben Superuniversen und der ihnen im Äußeren Raum entsprechenden Segmente. Jeder Hauptgeist steht einem Superuniversum vor, und jede dieser sieben Welten ist ausschließlich einem einzigen der Hauptgeiste zugewiesen. Es gibt buchstäblich keine Phase der unter-paradiesischen Verwaltung der sieben Superuniversen, für die auf diesen Exekutivwelten nicht vorgesorgt wäre. Sie sind nicht so exklusiv wie die Sphären des Vaters oder jene des Sohnes, und obwohl sich der Wohnstatus auf Einheimische und auf hier arbeitende Wesen beschränkt, stehen diese sieben Verwaltungsplaneten stets allen Wesen offen, die sie zu besuchen wünschen und über die nötigen Transitmittel verfügen. Für mich sind diese Exekutivwelten die interessantesten und fesselndsten Orte außerhalb des Paradieses. An keiner anderen Stelle im ganzen weiten Universum kann man so vielfältige Aktivitäten beobachten, an denen sich so viele verschiedene Ordnungen von Lebewesen beteiligen und die sich auf so vielen unterschiedlichen Ebenen abspielen, also gleichzeitig materiell, intellektuell und geistig sind. Wenn mir eine Periode des Ausspannens von der Arbeit gewährt wird und ich mich gerade im Paradies oder in Havona aufhalte, begebe ich mich gewöhnlich auf eine dieser betriebsamen Welten der Sieben Hauptgeiste, um meine Geisteskräfte vom Anblick von soviel Unternehmungslust, Hingabe, Treue, Weisheit und Wirksamkeit inspirieren zu lassen. Nirgendwo anders kann ich eine derart erstaunliche Verbindung von Persönlichkeitsleistungen auf allen sieben Ebenen der Universumsrealität beobachten. Und ich werde immer angespornt durch das Tun derer, die ihre Arbeit so gut auszuführen verstehen und sich ihr mit so restloser Freude hingeben. [Dargeboten von einem Vervollkommner der Weisheit, der von den Ältesten der Tage von Uversa mit dieser Aufgabe betraut wurde.] ****** Kapitel 14 Das Zentrale Göttliche Universum ****** Das vollkommene göttliche Universum nimmt die Mitte der Gesamtschöpfung ein; es ist der ewige Kern, um den sich die gewaltigen Schöpfungen von Zeit und Raum drehen. Das Paradies ist die absolut stabile, riesige Kerninsel, die reglos im Herzen dieses herrlichen ewigen Universums ruht. Die zentrale Planetenfamilie heißt Havona und befindet sich weit weg vom Lokaluniversum von Nebadon. Sie besitzt enorme Dimensionen und eine fast unglaubliche Masse und besteht aus einer Milliarde Sphären von unvorstellbarer Schönheit und erhabener Größe, aber das wahre Ausmaß dieser gewaltigen Schöpfung liegt wirklich jenseits des Begriffsvermögens des menschlichen Verstandes. Dies ist die einzige und alleinige beständige, vollkommene und festbegründete Ansammlung von Welten. Es ist ein ganz und gar erschaffenes, vollkommenes Universum; es ist kein evolutionäres Ergebnis. Es ist das ewige Herzstück der Vollkommenheit, um das sich die endlose Prozession der Universen dreht, welche das unerhörte evolutionäre Experiment, das wagemutige Abenteuer der Schöpfersöhne Gottes darstellen, die danach trachten, dieses Urmuster-Universum, das Ideal göttlicher Vollständigkeit, supremer Endgültigkeit, ultimer Realität und ewiger Vollkommenheit, in der Zeit nachzuvollziehen und im Raum zu reproduzieren. ***** 14.1 Das Paradies-Havona-System ***** Von der Peripherie des Paradieses bis zu den inneren Grenzen der sieben Superuniversen herrschen die folgenden sieben Raumbedingungen und -bewegungen: 1. Die unmittelbar an das Paradies anschließenden ruhigen Zwischen-Raum-Zonen. 2. Die im Uhrzeigersinn erfolgende Prozession der drei Paradieskreise und der sieben Havonakreise. 3. Die halbruhige Raumzone, die die Havonakreise von den dunklen Gravitationskörpern des Zentraluniversums trennt. 4. Der innere, sich im Gegenuhrzeigersinn bewegende Gürtel der dunklen Gravitationskörper. 5. Die zweite, einzigartige Raumzone, die die beiden Raumpfade der dunklen Gravitationskörper voneinander trennt. 6. Der äußere Gürtel dunkler Gravitationskörper, der sich im Uhrzeigersinn um das Paradies dreht. 7. Eine dritte Raumzone - eine halbruhige Zone - die den äußeren Gürtel dunkler Gravitationskörper von den innersten Kreisen der sieben Superuniversen trennt. Die Milliarde von Havonawelten ist in sieben konzentrischen Kreisen angeordnet, welche die drei Kreise der Paradies-Satelliten unmittelbar umgeben. Es gibt über fünfunddreißig Millionen Welten im innersten Havonakreis und mehr als zweihundertfünfundvierzig Millionen im äußersten, während die dazwischen liegenden Kreise proportionale Zahlen aufweisen. Jeder Kreis ist verschieden, aber alle sind in vollkommenem Gleichgewicht und von erlesener Organisation, und jeder wird durchdrungen von einer spezialisierten Vertretung des Unendlichen Geistes, von einem der Sieben Geiste der Kreise. Nebst der Ausübung anderer Funktionen koordiniert dieser unpersönliche Geist in jedem Kreis die Führung der himmlischen Angelegenheiten. Die planetarischen Kreise Havonas überlagern sich nicht; die Welten folgen einander in einer geordneten, linearen Prozession. Das Zentraluniversum dreht sich um die stationäre Paradies-Insel in einer einzigen gewaltigen Ebene, die aus zehn konzentrischen, stabilisierten Einheiten besteht - den drei Kreisen von Paradiessphären und den sieben Kreisen von Havonawelten. Physisch betrachtet, sind die Havona- und Paradieskreise ein und dasselbe System; ihre Trennung geschieht nur mit Rücksicht auf ihre funktionelle und administrative Besonderheit. Im Paradies rechnet man die Zeit nicht; die Abfolge aufeinander folgender Ereignisse ist der Vorstellungskraft der Einheimischen der Zentralen Insel natürlich. Aber die Zeit gehört zu den Kreisen Havonas und zu zahlreichen Wesen sowohl himmlischen als auch irdischen Ursprungs, die sich dort aufhalten. Jede Havonawelt hat ihre eigene, durch ihre Kreisbahn bestimmte örtliche Zeit. Alle Welten eines gegebenen Kreises haben ein gleich langes Jahr, da sie das Paradies einheitlich umkreisen, und die Länge dieser planetarischen Jahre nimmt vom äußersten bis zum innersten Kreis ab. Neben der Zeit der Havonakreise gibt es den Paradies-Havona-Standardtag und andere Zeitbezeichnungen, die auf den sieben Paradies-Satelliten des Unendlichen Geistes bestimmt und von dort ausgesandt werden. Der Paradies-Havona-Standardtag beruht auf der Zeit, die die planetarischen Wohnungen des ersten oder inneren Havonakreises benötigen, um die Paradies-Insel einmal zu umlaufen; und obwohl ihre Geschwindigkeit infolge ihrer Lage zwischen den dunklen Gravita- tionskörpern und dem riesigen Paradies enorm ist, brauchen diese Sphären für einen vollständigen Umlauf fast eintausend Jahre. Ihr habt, ohne es zu wissen, die Wahrheit gelesen, während eure Augen auf dem Spruch ruhten: "Bei Gott sind tausend Jahre wie ein Tag, wie eine Nachtwache." Ein Paradies-Havona-Tag dauert genau eintausend Jahre des gegenwärtigen Schaltjahrkalenders von Urantia, abzüglich sieben Minuten und dreieinachtel Sekunden. Dieser Paradies-Havona-Tag ist das allgemein gültige Zeitmaß für die sieben Superuniversen, obwohl jedes von ihnen seine eigenen internen Zeitstandards beibehält. Am Rande dieses gewaltigen Zentraluniversums, weit jenseits des siebenten Weltengürtels von Havona, kreist eine unglaubliche Zahl von riesigen dunklen Gravitationskörpern. Diese unzähligen dunklen Massen sind in vielen Punkten von anderen Raumkörpern völlig verschieden; sogar ihre Form ist ganz anders. Weder reflektieren diese dunklen Gravitationskörper das Licht, noch absorbieren sie es; sie reagieren nicht auf Licht der materiellen Energieform, und sie umfassen und umhüllen Havona so vollständig, dass es den Blicken auch nahe gelegener bewohnter Universen von Zeit und Raum verborgen bleibt. Der große Gürtel dunkler Gravitationskörper wird durch den Einschub einer einzigartigen Raumzone in zwei gleiche elliptische Bahnen aufgeteilt. Der innere Gürtel dreht sich im Gegenuhrzeigersinn; der äußere dreht sich im Uhrzeigersinn. Diese abwechselnden Bewegungsrichtungen zusammen mit der außerordentlichen Masse der dunklen Körper gleichen die Gravitationslinien Havonas so wirkungsvoll aus, dass sie aus dem Zentraluniversum eine physisch ausbalancierte und vollkommen stabilisierte Schöpfung machen. Die innere Prozession dunkler Gravitationskörper hat einen röhrenförmigen Aufbau, der aus drei kreisförmigen Gruppierungen besteht. Ein Querschnitt durch diese Bahn würde drei konzentrische Kreise von ungefähr derselben Dichte ergeben. Der äußere Kreis dunkler Gravitationskörper ist senkrecht angeordnet; er ist zehntausendmal höher als der innere Kreis. Der vertikale Durchmesser des äußeren Kreises beträgt das Fünfzigtausendfache des quer verlaufenden Durchmessers. Der zwischen diesen beiden Kreisen von Gravitationskörpern befindliche Raum ist insofern einzigartig, als man nirgendwo im ganzen weiten Universum etwas Ähnliches finden kann. Diese Zone zeichnet sich durch enorme wellenförmige Auf-und Ab-Bewegungen aus und ist durchdrungen von ungeheuren energetischen Vorgängen einer unbekannten Natur. Unserer Meinung nach wird nichts, was den dunklen Gravitationskörpern des Zentraluniversums gleicht, die zukünftige Evolution der äußeren Raumebenen charakterisieren; wir halten diese alternierenden Prozessionen der erstaunlichen, die Gravitation ausbalancierenden Körper für einmalig im Alluniversum. ***** 14.2 Die Beschaffenheit von Havona ***** Geistige Wesen halten sich nicht in nebelhaften Räumen auf; sie bewohnen keine ätherischen Welten; sie sind auf richtigen Sphären materieller Natur zu Hause, auf ebenso wirklichen Welten wie jene, auf denen Sterbliche leben. Die Welten Havonas sind durchaus real, obwohl ihre physische Substanz von der materiellen Organisation der Planeten in den sieben Superuniversen verschieden ist. Die physische Realität Havonas stellt ein Energiesystem dar, das von jedem in den evolutionären Universen des Raums herrschenden radikal verschieden ist. Die Energien von Havona sind dreifach; die Einheiten der Energie-Materie der Superuniversen enthalten eine doppelte Energieladung, obwohl eine der Energieformen in negativer und positiver Phase existiert. Die Schöpfung des Zentraluniversums ist dreifach (Trinität); die (direkte) Schöpfung eines Lokaluniversums ist zweifach, sie erfolgt durch einen Schöpfersohn und einen Schöpferischen Geist. Die Grundstoffe Havonas bestehen aus einem System von genau eintausend chemischen Grundelementen und der ausgewogenen Funktion der sieben Energieformen Havonas. Jede dieser Grundenergien erscheint in sieben Erregungsphasen, so dass die Einheimischen Havonas auf neunundvierzig verschiedene Empfindungsstimuli reagieren. Anders ausgedrückt besitzen die Einheimischen des Zentraluniversums vom rein physischen Standpunkt aus gesehen neunundvierzig spezialisierte Empfindungsformen. Die morontiellen Sinne sind siebzig an der Zahl, und die höheren geistigen Reaktionsweisen variieren bei verschiedenen Wesenstypen von siebzig bis zweihundertzehn. Keines der physischen Wesen des Zentraluniversums wäre für Urantianer sichtbar, noch würde irgendein physischer Stimulus dieser weit entfernten Welten in euren groben Sinnesorganen eine Reaktion auslösen. Wenn ein Sterblicher Urantias nach Havona versetzt werden könnte, wäre er dort taub und blind und würde aller anderen Sinnesreaktionen ermangeln; er könnte nur als begrenzt selbstbewusstes Wesen funktionieren, das aller Umweltstimuli und aller Reaktionen auf solche beraubt wäre. Zahlreiche in der zentralen Schöpfung vorhandene physische Phänomene und geistige Reaktionen sind auf Welten wie Urantia unbekannt. Die fundamentale Organisation einer dreifachen Schöpfung ist völlig anders als der zweifache Aufbau der erschaffenen Universen von Zeit und Raum. Alle Naturgesetze sind auf einer völlig anderen Grundlage koordiniert als in den dualen Energiesystemen der sich entwickelnden Schöpfungen. Das ganze Zentraluniversum ist gemäß dem dreifachen System vollkommener und symmetrischer Kontrolle organisiert. Im ganzen Paradies-Havona-System wird ein vollkommenes Gleichgewicht zwischen allen kosmischen Realitäten und allen geistigen Kräften aufrechterhalten. Das Paradies, das die materielle Schöpfung in seinem absoluten Griff hält, reguliert und unterhält die physischen Energien des Zentraluniversums in vollkommener Weise; als Teil seines allumfassenden geistigen Zugriffs hält der Ewige Sohn den geistigen Status aller Bewohner Havonas ebenso vollkommen aufrecht. Im Paradies wird nicht experimentiert, und das Paradies-Havona-System bildet eine Einheit schöpferischer Vollkommenheit. Die universale geistige Gravitation des Ewigen Sohnes ist im ganzen Zentraluniversum von staunenswerter Aktivität. Alle Geistwerte und geistigen Persönlichkeiten werden ohne Unterlass nach innen zu den Wohnstätten der Götter gezogen. Dieser Sog gottwärts ist intensiv und unentrinnbar. Das Verlangen, Gott zu erreichen, ist im Zentraluniversum nicht etwa deshalb stärker, weil hier die geistige Gravitation stärker wäre als in den äußeren Universen, sondern weil die Wesen, die Havona erreicht haben, vergeistigter sind und deshalb stärker auf die dauernd gegenwärtige Einwirkung der universalen Anziehung der Geistgravitation des Ewigen Sohnes ansprechen. In derselben Weise zieht der Unendliche Geist alle intellektuellen Werte paradieswärts. Im ganzen Zentraluniversum funktioniert die Verstandesgravitation des Unendlichen Geistes in Verbindung mit der Geistgravitation des Ewigen Sohnes, und beide zusammen drängen die aufsteigenden Seelen, Gott zu entdecken, die Gottheit zu finden, das Paradies zu erreichen und den Vater zu kennen. Havona ist ein geistig vollkommenes und physisch stabiles Universum. Kontrolle und ausgewogene Stabilität des Zentraluniversums sind offensichtlich vollkommen. Alles Physische oder Geistige ist ganz und gar voraussagbar, aber nicht so die Verstandesphänomene und persönliches Wollen. Wir kommen zu dem Schluss, dass Sünde als unmögliches Vorkommnis angesehen werden kann, aber nur deshalb, weil sich die mit freiem Willen begabten Einheimischen von Havona nie einer Übertretung des Gottheitswillens schuldig gemacht haben. Seit ewigen Zeiten halten diese himmlischen Wesen den Ewigen der Tage unbeirrbar die Treue. Ebenso wenig hat sich je in irgendeinem Geschöpf, das Havona als Pilger betreten hat, Sünde bemerkbar gemacht. Nie hat es ein Beispiel von Fehlverhalten irgendeines Geschöpfes irgendeiner Persönlichkeitsgruppe gegeben, das je im zentralen Havona-Universum erschaffen oder dort zugelassen worden ist. So vollkommen und göttlich sind die Methoden und Mittel der Auswahl in den Universen der Zeit, dass in den ganzen Annalen Havonas nie ein Irrtum geschehen ist; keine Fehler sind je begangen worden; keine aufsteigende Seele ist je vorzeitig in das Zentraluniversum eingelassen worden. ***** 14.3 Die Welten Havonas ***** Was die Regierung des Zentraluniversums anbelangt, so gibt es gar keine. Havona ist so herrlich vollkommen, dass es kein intellektuelles Regierungssystem braucht. Es gibt weder rechtens eingesetzte Gerichtshöfe noch gesetzgebende Versammlungen; Havona benötigt nur eine administrative Leitung. Hier kann man das Ideal wahrer Selbst -Regierung in seiner höchsten Vollendung beobachten. Für so vollkommene oder nahezu vollkommene Intelligenzen besteht keine Notwendigkeit einer Regierung. Sie brauchen keine Reglementierung, denn es sind Wesen von naturgegebener Vollkommenheit, untermischt mit evolutionären Geschöpfen, die die strengen Prüfungen durch die höchsten Tribunale der Superuniversen längst bestanden haben. Die Verwaltung Havonas geschieht nicht automatisch, aber sie ist wunderbar vollkommen und göttlich leistungsfähig. Sie ist im Wesentlichen planetarisch und dem residierenden Ewigen der Tage übertragen; denn jede Welt Havonas wird von einer dieser Persönlichkeiten trinitären Ursprungs geleitet. Die Ewigen der Tage sind keine Schöpfer, aber sie sind vollendete Verwalter. Sie lehren mit höchster Kunst und lenken ihre planetarischen Kinder mit vollkommener, an Absolutheit grenzender Weisheit. Die Milliarde Planeten des Zentraluniversums sind die Schulungswelten der hohen einheimischen Persönlichkeiten des Paradieses und Havonas und dienen des Weiteren als letztes Prüfgelände für die aufsteigenden Geschöpfe der evolutionären Welten der Zeit. In Ausführung des großen Planes des Universalen Vaters für den Geschöpfesaufstieg werden die Pilger der Zeit auf den Empfangswelten des äußeren oder siebenten Kreises gelandet, und nach verstärkter Schulung und erweiterter Erfahrung lässt man sie Schritt für Schritt vorrücken, Planet um Planet, Kreis um Kreis, bis sie endlich die Gottheiten erreichen und es schaffen, im Paradies ansässig zu werden. Obwohl die Welten der sieben Kreise in all ihrer himmlischen Herrlichkeit unterhalten werden, wird gegenwärtig nur etwa ein Hundertstel des ganzen planetarischen Fassungsvermögens zur Förderung des universalen Plans des Vaters für den Aufstieg der Sterblichen beansprucht. Ungefähr ein Zehntel von einem Hundertstel der Oberfläche dieser riesigen Welten ist dem Leben und den Aktivitäten des Korps der Finalität vorbehalten, diesen auf ewig im Licht und Leben beheimateten Wesen, die sich oft auf den Welten Havonas aufhalten und hier dienen. Diese hohen Wesen haben ihre persönlichen Wohnstätten im Paradies. Die planetarische Konstruktion der Sphären Havonas gleicht in nichts derjenigen der evolu- tionären Welten und Systeme des Raums. Nirgendwo anders im ganzen Großen Universum würde es angehen, derart enorme Himmelskörper als bewohnte Welten zu benutzen. Aber die physische Triata-Beschaffenheit zusammen mit der ausgleichenden Wirkung der gewaltigen dunklen Gravitationskörper ermöglicht es, die physischen Kräfte vollkommen auszubalancieren und die verschiedenen Anziehungskräfte dieser kolossalen Schöpfung in wunderbarem Gleichgewicht zu halten. Auch Antigravitation wird bei der Organisation der materiellen Funktionen und geistigen Aktivitäten dieser riesigen Welten angewendet. Architektur, Beleuchtung und Beheizung sowie biologischer und künstlerischer Schmuck der Welten Havonas liegen ganz und gar jenseits der Reichweite äußerster menschlicher Vorstellungskraft. Man kann euch nicht viel über Havona erzählen; um seine Schönheit und Großartigkeit zu begreifen, muss man es sehen. Aber es gibt auf diesen vollkommenen Welten wirkliche Flüsse und Seen. Geistig sind diese Welten ideal ausgerüstet; sie besitzen alles, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, die zahlreichen Ordnungen verschiedenartiger Wesen zu beherbergen, die im Zentraluniversum wirken. Man gibt sich auf diesen wundervollen Welten, die weit über euer Verständnis hinausgehen, den vielfältigsten Aktivitäten hin. ***** 14.4 Die Geschöpfe des Zentraluniversums ***** Es gibt auf den Welten Havonas sieben Grundformen lebendiger Dinge und Wesen, und jede dieser Grundformen existiert in drei verschiedenen Seinsformen. Jede dieser drei Seinsformen ist in siebzig Hauptabteilungen unterteilt, und jede Hauptabteilung ist aus eintausend Unterabteilungen mit noch weiteren Unterteilungen zusammengesetzt, und so fort. Diese Grundformen des Lebens könnte man klassifizieren als: 1. Materiell. 2. Morontiell. 3. Geistig. 4. Absonit. 5. Ultim. 6. Ko-Absolut. 7. Absolut. Verfall und Tod sind kein Teil des Lebenszyklus der Welten Havonas. Im Zentraluniversum machen die niedrigeren lebendigen Dinge Materialisierungsverwandlungen durch. Sie ändern tatsächlich Gestalt und Erscheinung, aber sie lösen sich nicht auf durch Zerfallsprozess und Zelltod. Die Einheimischen Havonas entstammen alle der Paradies-Trinität. Sie haben keine Geschöpfe zu Eltern und sind keine fortpflanzungsfähigen Wesen. Wir können über die Erschaffung der Bürger des Zentraluniversums nichts aussagen, weil diese Wesen nie erschaffen worden sind. Die ganze Geschichte der Erschaffung Havonas ist ein Versuch, Zeit und Raum auf eine Ewigkeitstatsache anzuwenden, die in keiner Beziehung steht zu Zeit und Raum, wie diese von sterblichen Menschen verstanden werden. Aber wir müssen menschlicher Philosophie einen Ausgangspunkt zugestehen; sogar weit über der menschlichen Ebene stehende Persönlichkeiten haben eine Vorstellung von "Anfängen" nötig. Aber das Paradies-Havona-System ist nichtsdestoweniger ewig. Die Einheimischen von Havona leben auf der Milliarde Sphären des Zentraluniversums in derselben Weise, wie andere Ordnungen mit dauerndem Bürgerrecht auf ihren jeweiligen Geburtsplaneten wohnen. So wie sich die Ordnung der Materiellen Söhne der materiellen, intellektuellen und geistigen Ökonomie einer Milliarde von Lokalsystemen eines Superuniversums annimmt, so leben und wirken die Einheimischen Havonas in einem umfassenderen Sinne auf der Milliarde von Welten des Zentral-universums. Ihr könntet diese Havoner unter Umständen als materielle Geschöpfe betrachten, wenn ihr den Begriff "materiell" so sehr ausdehnt, dass er die physischen Realitäten des göttlichen Universums bezeichnet. Havona hat ein ihm eigentümliches Leben, das eine Bedeutung in sich und aus sich heraus besitzt. Die Havoner helfen in mancherlei Weise den aus dem Paradies Niedersteigenden und den aus den Superuniversen Aufsteigenden, aber sie leben auch ein Leben, das es nur im Zentraluniversum gibt und das eine relative Bedeutung besitzt, die in keiner Beziehung zum Paradies oder zu den Superuniversen steht. So wie die Anbetung der Glaubenssöhne der evolutionären Welten die Liebe des Universalen Vaters befriedigt, erfüllt der hohe Kult der Geschöpfe Havonas die vollkommenen Ideale göttlicher Schönheit und Wahrheit. Wie sich der sterbliche Mensch um die Ausführung des Willens Gottes bemüht, leben diese Wesen des Zentraluniversums der Erfüllung der Ideale der Paradies-Trinität. In ihrem innersten Wesen sind sie der Wille Gottes. Der Mensch ist voller Freude über Gottes Güte, die Havoner jubeln in göttlicher Schönheit, während ihr beide froh werdet in der in euch wirkenden Freiheit der lebendigen Wahrheit. Die Havoner haben sowohl gegenwärtige, ihrer Wahl überlassene als auch zukünftige, nicht offenbarte Bestimmungen. Und es gibt eine dem Zentraluniversum eigentümliche Art des Fortschritts einheimischer Geschöpfe, einen Fortschritt, der weder einen Aufstieg zum Paradies noch ein Eindringen in die Superuniversen beinhaltet. Dieses Vorrücken zu einem höheren Havonastatus kann wie folgt angedeutet werden: 1. Erfahrungsmäßiger Fortschritt nach außen vom ersten zum siebenten Kreis. 2. Fortschritt nach innen vom siebenten zum ersten Kreis. 3. Fortschritt innerhalb der Kreise - Vorrücken innerhalb der Welten eines gegebenen Kreises. Unter den Bewohnern des Zentraluniversums gibt es außer den Einheimischen Havonas zahlreiche Klassen von Urmusterwesen für verschiedene Universumsgruppen - Ratgeber, Führer und Lehrer ihrer Gattung und für ihre Gattung in der gesamten Schöpfung. Alle Wesen aller Universen sind irgendeiner Ordnung von Urmustergeschöpfen nachgebildet, die auf einer der Milliarde von Welten Havonas leben. Selbst die Sterblichen der Zeit haben ihr Ziel und ihre Ideale der Geschöpfesexistenz auf den äußeren Kreisen dieser Urmustersphären in der Höhe. Dann gibt es jene Wesen, die den Universalen Vater erreicht und damit das Recht erworben haben, zu kommen und zu gehen, und die da und dort in den Universen im Rahmen von Missionen mit besonderen Aufgaben betraut sind. Und auf jeder Welt Havonas trifft man die Kandidaten der Vollbringung an, die wohl physisch das Zentraluniversum erreicht, aber noch nicht jene geistige Entwicklung erlangt haben, die ihnen erlauben wird, einen Wohnsitz im Paradies zu beanspruchen. Der Unendliche Geist ist auf den Welten Havonas durch eine Heerschar von Persönlichkeiten vertreten, begnadete und glorreiche Wesen, die die verwickelten intellektuellen und geistigen Angelegenheiten des Zentraluniversums in ihren Einzelheiten verwalten. Auf diesen Welten göttlicher Vollkommenheit verrichten sie die Arbeit, die zu der normalen Führung dieser gewaltigen Schöpfung gehört, und widmen sich überdies den vielfältigen Aufgaben der Unterweisung, Schulung und Betreuung der ungeheuren Zahl aufsteigender Geschöpfe, die ausgehend von den dunklen Welten des Raums die Herrlichkeit erklommen haben. Es gibt zahlreiche Gruppen von einheimischen Wesen des Paradies-Havona-Systems, die in keiner Weise direkt mit dem Aufstiegsplan der Geschöpfesvervollkommnung verknüpft sind; deshalb werden sie in der den menschlichen Rassen unterbreiteten Klassifizierung der Persönlichkeiten nicht erwähnt. Nur die hauptsächlichsten Gruppen übermenschlicher Wesen und die direkt mit eurer Erfahrung des Fortlebens verknüpften Ordnungen werden darin vorgestellt. In Havona wimmelt es von allen Arten intelligenter Wesen, die danach trachten, von niedrigeren zu höheren Kreisen vorzurücken im Streben nach Erreichen höherer Ebenen göttlicher Verwirklichung und erweiterter Würdigung supremer Bedeutungen, ultimer Werte und absoluter Realität. ***** 14.5 Das Leben in Havona ***** Auf Urantia macht ihr während eures anfänglichen Lebens materieller Existenz eine kurze und intensive Prüfung durch. Auf den Residenzwelten und danach beim Durchlaufen eures Systems, eurer Konstellation und eures Lokaluniversums geht ihr durch die morontiellen Phasen des Aufstiegs. Auf den Schulungswelten des Superuniversums durchlauft ihr die wahrhaft geistigen Abschnitte des Fortschritts und werdet auf den schließlichen Transit nach Havona vorbereitet. Auf den sieben Kreisen Havonas ist euer Vollbringen intellektueller, geistiger und erfahrungsmäßiger Natur. Und es gilt, auf jeder Welt jedes dieser Kreise eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Das Leben auf den göttlichen Welten des Zentraluniversums ist so reich und voll, so vollständig und ausgefüllt, dass es weit über jede menschliche Vorstellung von irgendetwas, was ein erschaffenes Wesen möglicherweise erfahren könnte, hinausgeht. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten dieser ewigen Schöpfung gleichen in gar nichts den Beschäftigungen der materiellen Geschöpfe, die auf evolutionären Welten wie Urantia leben. Sogar die Technik des Denkens Havonas ist anders als der Denkprozess auf Urantia. Die Regelungen des Zentraluniversums sind auf passende und angeborene Weise natürlich; die Verhaltensregeln sind nicht willkürlich. Aus jeder Anforderung Havonas spricht grundlegende Rechtschaffenheit und das Walten der Gerechtigkeit. Und diese beiden Faktoren ergeben zusammen das, was man auf Urantia Fairness nennen würde. Wenn ihr in Havona ankommt, werdet ihr euch ganz natürlich darüber freuen, die Dinge so zu tun, wie sie getan werden sollten. Wenn intelligente Wesen zum ersten Mal im Zentraluniversum ankommen, werden sie auf der Pilotwelt des siebenten Kreises von Havona empfangen und nehmen hier Wohnung. Sowie die Neuankömmlinge geistige Fortschritte gemacht und dahin gelangt sind, die Identität des Hauptgeistes ihres Superuniversums zu erfassen, werden sie auf den sechsten Kreis versetzt. (Die Kreise des Fortschritts des menschlichen Verstandes sind in Anlehnung an diese Regelungen im Zentraluniversum benannt worden.) Nachdem die Aufsteiger ein Bewusstsein der Suprematie erreicht haben und damit zum Gottheitsabenteuer bereit geworden sind, werden sie auf den fünften Kreis gebracht; und nach Erreichen des Unendlichen Geistes werden sie auf den vierten versetzt. Nachdem sie den Ewigen Sohn erreicht haben, rücken sie auf den dritten vor; und haben sie einmal den Universalen Vater erkannt, nehmen sie auf dem zweiten Weltenkreis Aufenthalt, wo sie mit den Heerscharen des Paradieses enger vertraut werden. Die Ankunft auf dem ersten Kreis von Havona bedeutet, dass die Kandidaten der Zeit für den Dienst im Paradies akzeptiert worden sind. Auf diesem inneren Kreis fortschreitender geistiger Vollbringung verharren sie je nach Länge und Natur des Geschöpfesaufstiegs auf unbestimmte Zeit. Von diesem inneren Kreis aus begeben sich die aufsteigenden Pilger nach innen zu ihrem Wohnsitz im Paradies und zur Aufnahme in das Korps der Finalität. Während eures Aufenthaltes auf Havona als aufsteigende Pilger wird euch erlaubt, die Welten des Kreises, dem ihr zugeteilt seid, frei zu besichtigen. Man wird euch auch gestatten, euch auf die Planeten der bereits durchschrittenen Kreise zurückzubegeben. Und all das ist denen, die sich auf den Kreisen Havonas aufhalten, möglich ohne die Notwendigkeit, sich von Supernaphim transportieren zu lassen. Die Pilger der Zeit sind fähig, sich selber auszurüsten, um "bewältigten" Raum zu durchqueren, aber zur Überwindung "unbewältigten" Raums sind sie auf die hierzu bestimmte Technik angewiesen; ein Pilger kann ohne die Hilfe eines Transportsupernaphs Havona nicht verlassen oder über den ihm zugewiesenen Kreis hinaus vorrücken. In dieser zentralen Schöpfung herrscht erfrischende Ursprünglichkeit. Abgesehen von der physischen Organisation der Materie und der wesentlichen Konstitution der grundlegenden Ordnungen intelligenter Wesen und anderer lebendiger Dinge haben die Welten von Havona nichts miteinander gemein. Jeder dieser Planeten ist eine originale, einzigartige und ausschließliche Schöpfung; jeder Planet ist ein unvergleichliches, herrliches und vollkommenes Werk. Und diese individuelle Verschiedenheit erstreckt sich bis auf alle Einzelheiten der physischen, intellektuellen und geistigen Aspekte der planetarischen Existenz. Jede dieser Milliarde vollkommener Sphären wurde nach den Plänen des auf ihr residierenden Ewigen der Tage entwickelt und verschönert. Und gerade deshalb sehen auch nicht zwei von ihnen einander ähnlich. Der Reiz des Abenteuers und der Ansporn der Neugierde werden nicht eher aus eurem Werdegang verschwinden, als bis ihr den letzten der Kreise Havonas durchschritten und die letzte der Welten Havonas besucht habt. Und dann wird der Drang, der vorwärts gerichtete Impuls der Ewigkeit an die Stelle seines Vorläufers, des Abenteuerreizes der Zeit, treten. Monotonie ist ein Hinweis auf Unreife der schöpferischen Vorstellungskraft und auf inaktive intellektuelle Koordinierung mit der geistigen Begabung. Bis zu dem Zeitpunkt, da ein aufsteigender Sterblicher mit der Erforschung dieser himmlischen Welten beginnt, hat er bereits emotionale, intellektuelle und soziale, wenn nicht geistige Reife erlangt. Nicht nur werdet ihr bei eurem Vorrücken von Kreis zu Kreis in Havona nie erträumte Veränderungen erleben, sondern euer Erstaunen wird unaussprechlich sein, wenn ihr innerhalb jedes Kreises von Planet zu Planet weitergeht. Jede dieser Milliarde von Studienwelten ist eine wahre Universität von Überraschungen. Andauerndes Staunen, nicht endende Verwunderung sind die Erfahrung derer, die diese Kreise durchwandern und diese gigantischen Sphären bereisen. Monotonie gehört nicht zum Havona-Werdegang. Liebe zum Abenteuer, Neugier und Furcht vor Eintönigkeit - der sich entwickelnden menschlichen Natur angeborene Wesenszüge - wurden nicht in euch gelegt, um es euch während eures kurzen Erdenaufenthaltes schwer zu machen und euch zu plagen, sondern vielmehr, um euch zu bedeuten, dass der Tod nur der Beginn einer endlosen Laufbahn von Abenteuern, eines unaufhörlichen Lebens der Vorwegnahme, einer ewigen Entdeckungsreise ist. Neugier - der Geist des Suchens, der Entdeckerdrang, der Forschertrieb - ist ein Teil der angeborenen und göttlichen Begabung der evolutionären Raumgeschöpfe. Diese natürlichen Impulse sind euch nicht geschenkt worden, nur um entmutigt und unterdrückt zu werden. Zugegeben, ihr müsst während eures kurzen Erdenlebens oft durch Enttäuschungen gehen und eure ehrgeizigen Bestrebungen häufig zügeln, aber sie sollen in den kommenden langen Zeitaltern voll verwirklicht und wunderbar belohnt werden. ***** 14.6 Der Zweck des Zentraluniversums ***** Die Spanne der Aktivitäten auf den sieben Kreisen Havonas ist enorm. Im Allgemeinen können sie beschrieben werden als: 1. Havonisch. 2. Paradiesisch. 3. Aufsteigend-endlich - Suprem-Ultim evolutionär. Im Havona des gegenwärtigen Universumszeitalters gibt es viele über-endliche Aktivitäten, die eine unsägliche Vielfalt absoniter und anderer Phasen von Verstandes- und Geistesfunktionen in sich schließen. Es ist möglich, dass das Zentraluniversum vielen Zwecken dient, welche mir nicht enthüllt worden sind, da es auf zahlreiche Weisen funktioniert, die jenseits des Fassungsvermögens des erschaffenen Verstandes liegen. Trotzdem will ich mich bemühen zu schildern, wie diese vollkommene Schöpfung den Bedürfnissen von sieben Klassen universaler Intelligenz gerecht wird und zu ihrer Befriedigung beiträgt. 1. Der Universale Vater - der Erste Zentrale Ursprung. Die Vollkommenheit der zentralen Schöpfung erfüllt Gott den Vater mit höchster elterlicher Genugtuung. Er erfreut sich der Erfahrung voll befriedigter Liebe auf annähernd ebenbürtigen Ebenen. Der vollkommene Schöpfer freut sich auf göttliche Weise an der Anbetung durch das vollkommene Geschöpf. Havona bietet dem Vater die Genugtuung höchster Vollendung. Die Verwirklichung der Vollkommenheit in Havona entschädigt ihn für die Zeit-Raum-Frist, die mit dem ewigen Drang nach unendlicher Expansion verbunden ist. Der Vater erfreut sich an der in Havona verwirklichten Entsprechung göttlicher Schönheit. Es befriedigt den göttlichen Sinn, allen sich entwickelnden Universen ein vollkommenes Urmuster von erlesener Harmonie zu bieten. Unser Vater betrachtet das Zentraluniversum mit restloser Wonne, weil es eine würdige Offenbarung geistiger Realität an alle Persönlichkeiten des Universums der Universen ist. Mit Wohlwollen betrachtet der Gott der Universen Havona und das Paradies als den ewigen Machtkern aller künftigen Universumsexpansion in Zeit und Raum. Der ewige Vater blickt mit unaufhörlicher Genugtuung auf die Schöpfung von Havona als dem würdigen und anziehenden Ziel für die Aufstiegskandidaten der Zeit, seine sterblichen Enkelkinder des Raums, die ihres Schöpfer-Vaters ewige Heimat erreicht haben. Und Gott erfreut sich des Paradies-Havona-Universums als der ewigen Heimat der Gottheit und der göttlichen Familie. 2. Der Ewige Sohn - der Zweite Zentrale Ursprung. Dem Ewigen Sohn bietet die herrliche zentrale Schöpfung den ewigen Beweis für die Wirksamkeit der Partnerschaft der göttlichen Familie - des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Sie ist die geistige und materielle Basis für das absolute Vertrauen in den Universalen Vater. Havona gewährt dem Ewigen Sohn eine beinahe unbegrenzte Basis für die immer weiter greifende Verwirklichung geistiger Macht. Das Zentraluniversum bot dem Ewigen Sohn den Schauplatz, wo er zur Belehrung seiner beigeordneten Paradies-Söhne sicher und unbehelligt Geist und Technik des Dienstes der Selbsthingabe vorleben konnte. Havona ist das Realitätsfundament für des Ewigen Sohnes Geistgravitationskontrolle des Universums der Universen. Dieses Universum verschafft dem Sohn die Zufriedenstellung elterlicher Sehnsucht, erlaubt ihm geistige Fortpflanzung. Die Welten Havonas und ihre vollkommenen Bewohner sind der erste und ewig endgültige Beweis dafür, dass der Sohn das Wort des Vaters ist. Dadurch wird das Bewusstsein des Sohnes, eine unendliche Ergänzung des Vaters zu sein, vollkommen befriedigt. Und dieses Universum bietet dem Universalen Vater und dem Ewigen Sohn die Gelegenheit für wechselseitig verwirklichte Brüderlichkeit in Gleichheit, und das ist der ewige Beweis für beider unendliche Persönlichkeit. 3. Der Unendliche Geist - der Dritte Zentrale Ursprung. Das Universum von Havona ist für den Unendlichen Geist der Beweis dafür, dass er der Mit-Vollzieher, der unendliche Repräsentant der Vater-Sohn-Einigung ist. In Havona wird dem Unendlichen Geist die doppelte Befriedigung zuteil, schöpferisch aktiv zu wirken und zugleich die freudige Genugtuung über die absolute Ko-existenz mit dieser göttlichen Leistung zu haben. In Havona fand der Unendliche Geist einen Schauplatz, wo er seine Fähigkeit und Willigkeit, als potentieller Barmherzigkeitsspender zu dienen, unter Beweis stellen konnte. In dieser vollkommenen Schöpfung probte der Geist für das Abenteuer des Dienstes in den evolutionären Universen. Diese vollkommene Schöpfung bot dem Unendlichen Geist die Gelegenheit, sich mit beiden göttlichen Eltern an der Verwaltung des Universums zu beteiligen - als aus ihnen hervorgegangener Mit-Schöpfer ein Universum zu verwalten und sich dadurch in den mit den Schöpfersöhnen zusammenarbeitenden Schöpferischen Geisten auf die gemeinsame Verwaltung der Lokaluniversen vorzubereiten. Die Welten Havonas sind das Verstandeslaboratorium der Schöpfer des kosmischen Verstandes und die Wohltäter jedes existierenden Geschöpfesverstandes. Der Verstand ist auf jeder Welt Havonas verschieden und dient als Urmuster für den Intellekt aller geistigen und materiellen Geschöpfe. Diese vollkommenen Welten sind die höheren Verstandesschulen für alle Wesen, die für die Gesellschaft des Paradieses bestimmt sind. Sie boten dem Geist Gelegenheit in Fülle, die Technik des Verstandesdienstes an sicheren und beratenden Persönlichkeiten zu erproben. Havona bietet dem Unendlichen Geist einen Ausgleich für sein ausgedehntes und selbstloses Werk in den Universen des Raums. Havona ist die vollkommene Heimat und das Refugium des unermüdlichen Verstandesspenders von Zeit und Raum. 4. Das Supreme Wesen - die evolutionäre Einigung der erfahrungsmäßigen Gottheit. Die Schöpfung Havonas ist der ewige und vollkommene Beweis für die geistige Realität des Supremen Wesens. Diese vollkommene Schöpfung ist die Offenbarung der vollkommenen und symmetrischen Geistnatur des Supremen Gottes vor Beginn der Macht-Persönlichkeits-Synthese der endlichen Widerspiegelungen der Paradies-Gottheiten in den erfahrungsmäßigen Universen von Zeit und Raum. In Havona sind die Machtpotentiale des Allmächtigen vereint mit der geistigen Natur des Supremen. Die zentrale Schöpfung ist die Veranschaulichung der Einheit des Supremen in der ewigen Zukunft. Havona ist ein vollkommenes Urmuster des Universalitätspotentials des Supremen. Dieses Universum ist eine fertige Darstellung der zukünftigen Vollkommenheit des Supremen und lässt das Potential des Ultimen erahnen. Havona zeigt Endgültigkeit von Geistwerten, die als lebendige Willensgeschöpfe mit höchster und vollendeter Selbstkontrolle existieren; Verstand, der in einer Form existiert, die letztendlich dem Geist gleichkommt; Realität und Einheit der Intelligenz mit unbegrenztem Potential. 5. Die Beigeordneten Schöpfersöhne. Havona ist der Ort, wo die Michael-Söhne des Paradieses als Vorbereitung auf ihre späteren Abenteuer in der Universumsschöpfung unterrichtet und eingeübt werden. Diese göttliche und vollkommene Schöpfung dient jedem Schöpfersohn als Urmuster. Er strebt danach, sein eigenes Universum dereinst die Vollkommenheitsebenen des Paradieses und Havonas erreichen zu lassen. Einem Schöpfersohn dienen die Geschöpfe Havonas als mögliche Persönlichkeitsurmuster für seine eigenen sterblichen Kinder und Geistwesen. Die Michaele und die anderen Paradies-Söhne betrachten das Paradies und Havona als die göttliche Bestimmung der Kinder der Zeit. Die Schöpfersöhne wissen, dass die zentrale Schöpfung die tatsächliche Quelle jener unerlässlichen höchsten Universums-Kontrolle ist, die ihr Lokaluniversum stabilisiert und eint. Sie wissen, dass sich die persönliche Gegenwart des stets gegenwärtigen Einflusses des Supremen und des Ultimen in Havona befindet. Havona und das Paradies sind die Quelle der schöpferischen Macht eines Michael-Sohnes. Hier wohnen die Wesen, die bei der Erschaffung des Universums mit ihm zusammenarbeiten. Vom Paradies kommen die Universums-Muttergeiste, die Mitschöpferinnen der Lokaluniversen. Die Paradiessöhne betrachten die zentrale Schöpfung als die Heimat ihrer göttlichen Eltern - als ihre Heimat. Es ist der Ort, wohin sie von Zeit zu Zeit mit Freude zurückkehren. 6. Die Beigeordneten Dienenden Töchter. Die Universums-Muttergeiste, die Mitschöpferinnen der Lokaluniversen, verschaffen sich ihre vorpersönliche Schulung auf den Welten von Havona in enger Zusammenarbeit mit den Geisten der Kreise. Im Zentraluniversum wurden die stets dem Willen des Vaters unterworfenen Geist-Töchter der Lokaluniversen gebührend in den Methoden der Zusammenarbeit mit den Paradies-Söhnen geschult. Auf den Welten Havonas finden der Geist und die Töchter des Geistes die Verstandesurmuster für all ihre Gruppen geistiger und materieller Intelligenzen, und dieses Zentraluniversum ist die dereinstige Bestimmung jener Geschöpfe, die von einem Universums-Muttergeist gemeinsam mit dem ihm verbundenen Schöpfersohn gefördert werden. Die Universumsmutter und -schöpferin erinnert sich an das Paradies und an Havona als an ihren Ursprungsort und die Heimat des Unendlichen Muttergeistes, die Wohnstätte der persönlichen Gegenwart des Unendlichen Verstandes. Aus diesem Zentraluniversum stammt auch die Verleihung der persönlichen Schöpfervorrechte, die eine Göttliche Ministerin des Universums in Ergänzung zu einem Schöpfersohn bei der Erschaffung von lebendigen Willensgeschöpfen einsetzt. Und letztlich, da diese Tochtergeiste des Unendlichen Muttergeistes wohl kaum je wieder in ihre paradiesische Heimat zurückkehren werden, erwächst ihnen große Befriedigung aus dem universalen Phänomen der Reflexivität, das mit dem Supremen Wesen in Havona verbunden und in Majeston im Paradies personifiziert ist. 7. Die evolutionären Sterblichen mit aufsteigendem Werdegang. Havona ist die Heimat der Urmusterpersönlichkeit jedes sterblichen Typs und die Heimat aller mit den Sterblichen verbundenen übermenschlichen Persönlichkeiten, die nicht den Schöpfungen der Zeit entstammen. Diese Welten liefern den Stimulus, der die Menschen dazu antreibt, wahre Geisteswerte auf den höchsten vorstellbaren Realitätsebenen zu erreichen. Havona ist das vorparadiesische Schulungsziel jedes aufsteigenden Sterblichen. Hier erreichen die Sterblichen die vorparadiesische Gottheit - das Supreme Wesen. Havona steht vor jedem Willensgeschöpf als Pforte zum Paradies und zur Auffindung Gottes. Das Paradies ist die Heimat der Finalisten und Havona ihre Werkstatt und ihr Spielplatz. Und jeder Sterbliche, der Gott kennt, sehnt sich danach, ein Finalist zu werden. Das Zentraluniversum ist nicht nur des Menschen fester Bestimmungsort, sondern es ist ebenfalls der Ausgangspunkt zur ewigen Laufbahn der Finalisten, wenn sie dereinst zum nicht enthüllten universalen Erfahrungsabenteuer ausgesandt werden, die Unendlichkeit des Universalen Vaters zu erforschen. Havona wird fraglos selbst in kommenden Universumszeitaltern mit absoniter Bedeutung zu funktionieren fortfahren. Dann wird es vielleicht Raumpilger geben, die versuchen, Gott auf überendlichen Ebenen zu finden. Havona ist in der Lage, als Schulungsuniversum für absonite Wesen zu dienen. Es wird wahrscheinlich zur abschließenden Schule werden, wenn die sieben Superuniversen dereinst als Zwischenschule für die Schulabgänger der Grundschulen des Äußeren Raums funktionieren. Und wir neigen zu der Annahme, dass die Potentiale des ewigen Havona wirklich grenzenlos sind, dass das Zentraluniversum über ewige Kapazität verfügt, um allen vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Typen erschaffener Wesen als erfahrungsmäßiges Schulungsuniversum zu dienen. [Dargeboten von einem dazu von den Ältesten der Tage beauftragten Vervollkommner der Weisheit.] ****** Kapitel 15 Die sieben Superuniversen ****** SOWEIT der Universale Vater - als ein Vater - betroffen ist, sind die Universen virtuell inexistent; er hat mit Persönlichkeiten zu tun; er ist der Vater von Persönlichkeiten. Soweit der Ewige Sohn und der Unendliche Geist - als Schöpfungspartner - betroffen sind, sind die Universen individuell unter der gemeinsamen Leitung der Schöpfersöhne und der Schöpferischen Geiste lokalisiert. Soweit die Paradies-Trinität betroffen ist, gibt es außerhalb Havonas genau sieben bewohnte Universen, die sieben Superuniversen, deren Hoheitsgebiet der Kreis der ersten nach Havona entstandenen Raumebene ist. Die Sieben Hauptgeiste strahlen ihren Einfluss von der zentralen Insel aus und machen so aus der immensen Schöpfung ein einziges gigantisches Rad, dessen Nabe die ewige Paradies-Insel ist, dessen Speichen die Ausstrahlungen der Sieben Hauptgeiste sind und dessen Felge aus den äußeren Gebieten des Großen Universums besteht. Die siebenfache Anlage der Organisation und Regierung des Superuniversums wurde zu Beginn der Materialisierung der universalen Schöpfung formuliert. Die erste Nach-Havona-Schöpfung wurde in sieben gewaltige Segmente unterteilt, und die Hauptsitz-Welten der Superuniversumsregierungen wurden entworfen und gebaut. Der gegenwärtige Verwaltungsplan existiert beinahe seit ewig und die Herrscher der sieben Superuniversen werden zu Recht die Ältesten der Tage genannt. Ich kann kaum hoffen, euch viel von dem gewaltigen, die Superuniversen betreffenden Wissensschatz mitzuteilen, aber in all diesen Reichen arbeitet eine Technik intelligenter Kontrolle sowohl der physischen als auch der geistigen Kräfte, und die universalen Gegenwarten der Gravitation funktionieren in majestätischer Macht und vollkommener Harmonie. Es ist wichtig, dass ihr zuerst eine angemessene Vorstellung von der physischen Beschaffenheit und materiellen Organisation der superuniversellen Reiche gewinnt, da ihr dann eher bereit sein werdet, die Bedeutung der wunderbaren Organisation zu erfassen, die ihrer geistigen Regierung und dem intellektuellen Fortschritt der Willensgeschöpfe dient, welche auf den Myriaden von überall über die sieben Superuniversen verstreuten, bewohnten Planeten leben. ***** 15.1 Die Raumebene der Superuniversen ***** Wenn man sich nur an die innerhalb des begrenzten Raums von einer Million oder einer Milliarde eurer kurzen Jahre gemachten Aufzeichnungen, Beobachtungen und Erinnerungen der Generationen hält, kann man praktisch sagen, dass Urantia und das Universum, zu dem es gehört, die abenteuerliche Erfahrung eines unaufhörlichen Eintauchens in neuen, unerforschten Raum machen; aber laut den Aufzeichnungen Uversas, gemäß älteren Beobachtungen, in Harmonie mit der umfassenderen Erfahrung und den Berechnungen unserer Ordnung und aufgrund von Schlussfolgerungen aus diesen und anderen Befunden wissen wir, dass die Universen in einem geordneten, gut verstandenen und vollkommen kontrollierten, prozessionsartigen Lauf von majestätischer Größe um den Ersten Zentralen Ursprung und sein Residenzuniversum kreisen. Wir haben seit langem herausgefunden, dass die sieben Superuniversen eine große Ellipse, einen gigantischen, in die Länge gezogenen Kreis durchlaufen. Euer Sonnensystem und andere Welten der Zeit tauchen nicht ohne Karte und Kompass kopfüber in unerforschten Raum. Das Lokal-universum, zu welchem euer System gehört, folgt einer ganz bestimmten, gut verstandenen Bahn im Gegenuhrzeigersinn entlang dem gewaltigen Kreis, der das Zentraluniversum umfasst. Dieser kosmische Pfad ist bestens kartographiert, und die Sternbeobachter des Superuniversums sind mit ihm ebenso restlos vertraut wie die Astronomen Urantias mit den Bahnen der Planeten, die euer Sonnensystem bilden. Urantia liegt in einem unvollständig organisierten Lokal- und Superuniversum, und euer Lokaluniversum befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu zahlreichen, nur teilweise vollendeten physischen Schöpfungen. Ihr gehört zu einem der relativ jungen Universen. Aber ihr stürzt euch heute nicht aufs Geratewohl in unerforschten Raum, noch saust ihr blindlings in unbekannte Regionen. Ihr folgt dem geordneten und vorbestimmten Pfad der superuniversellen Raumebene. Ihr durchquert jetzt genau denselben Raum, den euer Planetensystem oder dessen Vorläufer vor unendlich langer Zeit durchquert haben; und eines Tages in ferner Zukunft werden euer System oder seine Nachfolger wieder denselben Raum durchlaufen, den ihr jetzt mit solcher Geschwindigkeit durchmesst. In diesem Zeitalter und nach den auf Urantia geltenden Himmelsrichtungen bewegt sich das Superuniversum Nummer eins fast genau nach Norden, während es sich in östlicher Richtung ziemlich genau gegenüber der Paradies-Residenz der Großen Zentralen Ursprünge und gegenüber dem Zentraluniversum von Havona befindet. Diese Lage stellt zusammen mit der entsprechenden im Westen die größte physische Annäherung der Sphären der Zeit an die ewige Insel dar. Das Superuniversum Nummer zwei befindet sich im Norden, bereit, den Bogen nach Westen zu beginnen, während Nummer drei jetzt den nördlichsten Abschnitt des großen Raumpfades besetzt hält, aber bereits in die Biegung eingetreten ist, die die Reise nach Süden einleitet. Superuniversum Nummer vier befindet sich auf dem vergleichsweise geraden Flug nach Süden; seine vordersten Regionen nähern sich jetzt der den Großen Zentren gegenüberliegenden Stellung. Nummer fünf hat seine Position gegenüber der Mitte der Mitten so ziemlich verlassen und durcheilt mit direktem Kurs nach Süden das unmittelbar vor Beginn der Biegung nach Osten liegende Teilstück; Nummer sechs nimmt den größten Teil der südlichen Krümmung ein, denjenigen Abschnitt, den euer Superuniversum nahezu verlassen hat. Euer Lokaluniversum von Nebadon gehört zu Orvonton, dem siebenten Superuniversum, das zwischen den Superuniversen eins und sechs kreist und nicht vor langem (nach unseren Zeitbegriffen) die südöstliche Biegung der superuniversellen Raumebene verlassen hat. Es ist heute einige Milliarden Jahre her, seit das Sonnensystem, zu dem Urantia gehört, um die südliche Biegung geschwenkt ist, so dass ihr gerade jetzt jenseits des südöstlichen Bogens vorrückt und euch rasch auf dem langen und vergleichsweise geraden Pfad nach Norden bewegt. Während ungezählter Zeitalter wird Orvonton diesen beinah geraden Lauf nach Norden verfolgen. Urantia gehört zu einem System, das sich weit außen am Rande eures Lokaluniversums befindet; und euer Lokaluniversum durchläuft gegenwärtig die Peripherie von Orvonton. Andere befinden sich noch weiter außen als ihr, aber ihr seid im Raum weit von jenen physischen Systemen entfernt, die sich auf der großen Kreisbahn in relativer Nähe des Großen Zentralen Ursprungs fortbewegen. ***** 15.2 Organisation der Superuniversen ***** Nur der Universale Vater kennt Ort und genaue Zahl der bewohnten Welten des Raums; er nennt sie alle bei ihren Namen und Nummern. Ich kann die Zahl bewohnter und bewohnbarer Planeten nur annähernd angeben, da einige Lokaluniversen mehr für intelligentes Leben geeignete Welten besitzen als andere und noch nicht alle projektierten Lokal-universen organisiert sind. Deshalb sollen die von mir gegebenen Schätzungen einzig dem Zweck dienen, eine Idee von der Immensität der materiellen Schöpfung zu vermitteln. Das Große Universum umfasst sieben Superuniversen, und diese sind ungefähr wie folgt aufgebaut: 1. Das System. Diese Grundeinheit der Superregierung besteht aus etwa eintausend bewohnten oder bewohnbaren Planeten. Flammende Sonnen, kalte Welten, Planeten in zu großer Nähe von heißen Sonnen und andere für den Aufenthalt von Geschöpfen ungeeignete Sphären sind in dieser Gruppe nicht enthalten. Diese eintausend zur Beherbergung des Lebens geeigneten Planeten nennt man ein System, aber in den jüngeren Systemen ist unter Umständen nur eine vergleichsweise geringe Anzahl dieser Welten bewohnt. Über jeden bewohnten Planeten gebietet ein Planetarischer Fürst, und jedes Lokalsystem besitzt eine architektonische Sphäre als Hauptsitz und wird von einem Systemsouverän regiert. 2. Die Konstellation. Hundert Systeme (etwa bewohnbare Planeten) bilden eine Konstellation. Jede Konstellation besitzt eine architektonische Hauptsitz-Sphäre und wird von drei Vorondadek-Söhnen, den Allerhöchsten, gelenkt. In jeder Konstellation ist als Beobachter auch ein Getreuer der Tage, ein Botschafter der Paradies-Trinität, anwesend. 3. Das Lokaluniversum. Hundert Konstellationen (etwa 10 000 000 bewohnbare Planeten) machen ein Lokaluniversum aus. Jedes Lokaluniversum besitzt eine prächtige architektonische Hauptsitz-Welt und wird von einem der Michael-Ordnung angehörenden beigeordneten Schöpfersohn Gottes regiert. Jedes Universum ist mit der Gegenwart eines Einigers der Tage, eines Vertreters der Paradies-Trinität, gesegnet. 4. Der Kleine Sektor. Hundert Lokaluniversen (etwa 1 000 000 000 bewohnbare Planeten) bilden einen Kleinen Sektor der Regierung des Superuniversums; er besitzt eine wundervolle Hauptsitz-Welt, von welcher aus seine Herrscher, die Jüngsten der Tage, die Angelegenheiten des Kleinen Sektors verwalten. Es gibt an jedem Hauptsitz eines Kleinen Sektors drei Jüngste der Tage, Supreme Persönlichkeiten der Trinität. 5. Der Große Sektor. Hundert Kleine Sektoren (etwa 100 000 000 000 bewohnbare Planeten) bilden einen Großen Sektor. Jeder Große Sektor ist mit einem herrlichen Hauptsitz versehen und wird von drei Vollkommenen der Tage, Supremen Persönlichkeiten der Trinität, geleitet. 6. Das Superuniversum. Zehn Große Sektoren (etwa 1 000 000 000 000 bewohnbare Planeten) ergeben ein Superuniversum. Jedes Superuniversum hat eine riesige und glorreiche Hauptsitzwelt und wird von drei Ältesten der Tage gelenkt. 7. Das Große Universum. Sieben Superuniversen machen das gegenwärtig organisierte Große Universum aus, das aus annähernd sieben Billionen bewohnbarer Welten besteht, zu denen die architektonischen Sphären und die Milliarde bewohnter Sphären von Havona hinzukommen. Die Superuniversen werden indirekt und reflexiv vom Paradies aus durch die Sieben Hauptgeiste geleitet und verwaltet. Die Milliarde Welten von Havona werden direkt von den Ewigen der Tage verwaltet; einer jeden dieser vollkommenen Sphären steht eine dieser Supremen Persönlichkeiten des Paradieses vor. Unter Ausschluss der Sphären des Paradies-Havona-Systems umfasst der Plan der Universumsorganisation die folgenden Einheiten: Superuniversen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Große Sektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Kleine Sektoren . . . . . . . . . . . . . . . . 7 000 Lokaluniversen . . . . . . . . . . . . . . . 700 000 Konstellationen . . . . . . . . . . . . 70 000 000 Lokalsysteme . . . . . . . . . . . 7 000 000 000 Bewohnbare Planeten . . . 7 000 000 000 000 Jedes der sieben Superuniversen ist ungefähr wie folgt aufgebaut: Ein System umfasst annähernd . . . . . . . . . . . . . . . . . 1000 Welten Eine Konstellation (100 Systeme) . . . . . . . . . . . . . . 100 000 Welten Ein Universum (100 Konstellationen) . . . . . . . . . . . 10 000 000 Welten Ein Kleiner Sektor (100 Universen) . . . . . . . . . . 1 000 000 000 Welten Ein Großer Sektor (100 Kleine Sektoren) . . . . . 100 000 000 000 Welten Ein Superuniversum (10 Große Sektoren) . . . 1 000 000 000 000 Welten Alle derartigen Schätzungen sind bestenfalls Näherungswerte, da sich dauernd neue Systeme entwickeln, während andere Organisationen vorübergehend aus der materiellen Existenz verschwinden. ***** 15.3 Das Superuniversum von Orvonton ***** Praktisch alle von Urantia aus mit bloßem Auge sichtbaren Sternreiche gehören dem siebenten Abschnitt des Großen Universums an, dem Superuniversum von Orvonton. Das ausgedehnte Sternsystem der Milchstraße stellt den zentralen Kern von Orvonton dar, der sehr weit von den Grenzen eures Lokaluniversums entfernt ist. Diese gewaltige Ansammlung von Sonnen, dunklen Rauminseln, Doppelsternen, Kugelhaufen, Sternwolken und spiralförmigen und anderen Nebeln bildet zusammen mit Myriaden von Einzelplaneten eine einer Taschenuhr vergleichbare, länglich-kreisförmige Gruppierung, die etwa einen Siebentel der bewohnten evolutionären Universen umfasst. Wenn ihr von der astronomischen Position Urantias aus quer durch die nahen Systeme auf die große Milchstraße schaut, beobachtet ihr, dass die Sphären Orvontons in einer gewaltigen, in die Länge gezogenen Ebene dahinziehen, deren Breite viel größer als ihre Dicke und deren Länge viel größer als ihre Breite ist. Die Beobachtung der so genannten Milchstraße zeigt eine relative Zunahme der Sterndichte Orvontons, wenn man den Himmel in einer bestimmten Richtung betrachtet, während die Dichte auf beiden Seiten abnimmt; die Zahl der Sterne und anderer Sphären verringert sich mit wachsender Entfernung von der Hauptebene unseres materiellen Superuniversums. Wenn der Beobachtungswinkel günstig ist und ihr durch den Kern dieses Bereichs größter Dichte blickt, schaut ihr in Richtung des Residenzuniversums und der Mitte aller Dinge. Von den zehn großen Abteilungen Orvontons haben die Astronomen Urantias deren acht so ziemlich identifiziert. Die anderen zwei getrennt zu erkennen, fällt schwer, weil ihr diese Phänomene gezwungenermaßen von innen her betrachten müsst. Wenn ihr von einer weit entfernten Raumposition aus auf das Superuniversum von Orvonton blicken könntet, würdet ihr die zehn Großen Sektoren der siebenten Galaxie augenblicklich erkennen. Das Rotationszentrum eures Kleinen Sektors liegt weit entfernt in der riesigen und dichten Sternwolke des Schützen, um die herum euer Lokaluniversum und seine Schwesterschöpfungen sämtlich kreisen, und ihr könnt beobachten, wie aus den gegenüberliegenden Seiten dieses gewaltigen subgalaktischen Systems des Schützen zwei große Ströme von Sternwolken in riesigen stellaren Spiralen hervorkommen. Der Kern des physischen Systems, zu dem eure Sonne mit ihren Planeten gehört, ist das Zentrum des einstigen Andronover-Nebels. Die sprengende Wirkung der Gravitation verformte diesen früheren Spiralnebel leicht im Zusammenhang mit Ereignissen, die die Geburt eures Sonnensystems begleiteten und durch die starke Annäherung eines riesigen Nachbarnebels ausgelöst wurden. Diese Beinah-Kollision verwandelte Andronover in eine einigermaßen kugelige Ansammlung, zerstörte aber die doppelarmige Prozession der Sonnen und der mit ihnen verbundenen physischen Gruppen nicht gänzlich. Euer Sonnensystem nimmt jetzt in einem der Arme dieser verformten Spirale eine ziemlich zentrale Position ein, da es etwa auf halbem Wege vom Zentrum zum äußeren Rand des Sternstroms liegt. Der Sektor des Schützen und alle anderen Sektoren und Abteilungen Orvontons umkreisen Uversa, und ein Teil der Verwirrung der Astronomen Urantias rührt von den Täuschungen und relativen Verzerrungen her, die durch die folgenden zahlreichen Rotationsbewegungen hervorgerufen werden: 1. Das Kreisen Urantias um seine Sonne. 2. Die Kreisbahn eures Sonnensystems um den Kern des früheren Andronover-Nebels. 3. Die Rotation der Sternfamilie von Andronover und der mit ihr verbundenen Sternhaufen um das gemischte Rotations- und Gravitationszentrum der Sternwolke von Nebadon. 4. Der Umlauf der lokalen Sternwolke von Nebadon und der mit ihr verbundenen Schöpfungen um das Zentrum ihres im Schützen gelegenen Kleinen Sektors. 5. Die Rotation der einhundert Kleinen Sektoren einschließlich des Schützen um ihren Großen Sektor. 6. Die Kreisbewegung der zehn Großen Sektoren, der so genannten Sterndrifte, um Uversa, den Hauptsitz von Orvonton. 7. Die Umlaufbewegung Orvontons und der mit ihm verbundenen sechs Superuniversen um das Paradies und Havona, die Prozession im Gegenuhrzeigersinn der superuniversellen Raumebene. Diese zahlreichen Bewegungen sind verschiedener Art: Die Raumpfade eures Planeten und eures Sonnensystems sind angeboren, sie sind ihrer Entstehung inhärent. Die absolute Bewegung Orvontons im Gegenuhrzeigersinn ist ebenfalls angeboren, sie ist den architektonischen Plänen des Alluniversums inhärent. Aber die dazwischenliegenden Bewegungen sind gemischten Ursprungs, da sie zum einen auf die Segmentierung der Materie-Energie zur Bildung der Superuniversen zurückgehen und zum anderen durch intelligentes und absichtsvolles Handeln der Kraftorganisatoren des Paradieses hervorgerufen wurden. Je mehr man sich Havona nähert, umso dichter liegen die Lokaluniversen beieinander; die Kreisläufe werden zahlreicher, und es gibt immer stärkere Überlagerung, Schicht folgt auf Schicht. Aber mit zunehmender Entfernung von dem ewigen Zentrum finden sich immer weniger Systeme, Schichten, Kreisläufe und Universen. ***** 15.4 Die Nebel - Vorläufer der Universen ***** Obwohl Schöpfung und Organisation des Universums auf ewig der Kontrolle der unendlichen Schöpfer und ihrer Beigeordneten unterworfen bleiben, wickelt sich das ganze Phänomen gemäß einer verfügten Technik und in Übereinstimmung mit den Gravitationsgesetzen von Kraft, Energie und Materie ab. Aber etwas Geheimnisvolles umgibt die universale Kraftladung des Raums; wir verstehen die Organisation der materiellen Schöpfungen ausgehend vom ultimatonischen Stadium sehr wohl, aber wir begreifen die kosmischen Vorstadien der Ultimatonen nicht ganz. Wir sind sicher, dass diese Urkräfte ihren Ursprung im Paradies haben, weil sie bei ihrem Lauf durch den durchdrungenen Raum auf ewig genau der riesigen Umrisslinie des Paradieses folgen. Obwohl diese Kraftladung des Raums, die Vorläuferin aller Materialisierung, nicht auf die Paradies-Gravitation anspricht, reagiert sie tatsächlich stets auf die Gegenwart des Unteren Paradieses, da ihr Kreislauf offensichtlich vom Zentrum des Unteren Paradieses ausgeht und wieder dahin zurückführt. Die Kraftorganisatoren des Paradieses wandeln Raumpotenz in Urkraft um und überführen dieses vormaterielle Potential in die primären und sekundären Energiemanifestationen der physischen Realität. Wenn diese Energie das Stadium erreicht, wo sie auf die Gravitation anspricht, treten die Machtlenker und ihre superuniversellen Mitarbeiter in Erscheinung und beginnen mit ihren nie endenden Manipulationen, die bestimmt sind, die vielfältigen Machtkreise und Energiekanäle der Universen von Zeit und Raum zu errichten. Auf diese Weise erscheint die physische Materie im Raum, und nun sind die Voraussetzungen geschaffen, um die Organisation eines Universums einzuleiten. Diese Segmentierung der Energie ist ein Phänomen, für das die Physiker von Nebadon nie eine Erklärung gefunden haben. Ihre Hauptschwierigkeit besteht in der relativen Unzugänglichkeit der Kraftorganisatoren des Paradieses; denn obwohl die lebendigen Machtlenker für die Handhabung der Raum-Energie zuständig sind, haben sie nicht die geringste Vorstellung vom Ursprung der Energien, mit denen sie so geschickt und intelligent umzugehen wissen. Die Kraftorganisatoren des Paradieses sind die Erzeuger der Nebel; sie sind imstande, rund um ihre Gegenwart im Raum jene gewaltigen Kraftzyklone zu entfesseln, die, wenn einmal ausgelöst, nie aufgehalten oder begrenzt werden können, bis die alles durchdringenden Kräfte für das schließliche Erscheinen der ultimatonischen Einheiten der Universumsmaterie mobilisiert werden. Auf diese Weise werden die spiralförmigen und anderen Nebel ins Dasein gebracht, diese Mutterräder der auf direktem Wege entstehenden Sonnen und deren verschiedenartiger Systeme. Im Äußeren Raum können zehn verschiedene Formen von Nebeln, von Phasen primärer Universumsevolution beobachtet werden, und diese riesigen Energieräder haben denselben Ursprung wie diejenigen der sieben Superuniversen. Die Nebel unterscheiden sich stark in Größe und schließlicher Anzahl und Gesamtmasse ihrer stellaren und planetarischen Abkömmlinge. Ein Sonnen bildender Nebel gleich nördlich der Grenzen von Orvonton, aber noch innerhalb der superuniversellen Raumebene, hat schon ungefähr vierzigtausend Sonnen hervorgebracht, und das Mutterrad fährt immer noch fort, Sonnen hinauszuschleudern, die in ihrer Mehrzahl um ein Vielfaches größer sind als die eurige. Einige der größeren Nebel des Äußeren Raums erzeugen sogar an die hundert Millionen Sonnen. Die Nebel stehen in keiner direkten Beziehung zu irgendwelchen administrativen Einheiten wie Kleinen Sektoren oder Lokaluniversen, obwohl einige Lokaluniversen aus den Produkten eines einzigen Nebels organisiert worden sind. Jedes Lokaluniversum verfügt genau über ein Hunderttausendstel der gesamten Energieladung eines Superuniversums, ungeachtet des Zusammenhangs mit Nebeln; denn die Energie wird nicht nach Nebeln organisiert - sie wird universell verteilt. Nicht alle Spiralnebel bringen Sonnen hervor. Einige haben die Kontrolle über viele ihrer losgetrennten stellaren Abkömmlinge beibehalten, und ihre spiralige Erscheinungsform wird durch die Tatsache hervorgerufen, dass ihre Sonnen den Nebelarm in geschlossener Formation verlassen, aber auf verschiedenen Bahnen wieder zurückkehren, was ihre Beobachtung leicht macht, wenn sie an einem Punkt versammelt sind, aber ihr Auffinden erschwert, wenn sie sich auf ihren verschiedenen Rückwegen überall zerstreut weiter außen und vom Nebelarm entfernt befinden. Es gibt gegenwärtig in Orvonton nicht viele Sonnen bildende Nebel, obwohl Andromeda, die sich außerhalb des bewohnten Superuniversums befindet, sehr aktiv ist. Dieser weit entfernte Nebel ist mit bloßem Auge sichtbar, und wenn ihr ihn seht, haltet einen Augenblick lang inne und bedenkt, dass das Licht, das ihr erblickt, diese weit entfernten Sonnen vor fast einer Million Jahren verlassen hat. Die Galaxie der Milchstraße setzt sich aus einer großen Zahl früherer spiraliger und anderer Nebel zusammen, und viele haben ihre ursprüngliche Gestalt beibehalten. Aber viele haben infolge interner Katastrophen und äußerer Anziehung derartige Verzerrungen und Neugliederungen durchgemacht, dass diese enormen Ansammlungen, wie zum Beispiel die Magellansche Wolke, als gigantische Lichtmassen strahlender Sonnen erscheinen. Der kugelförmige Typus von Sternhaufen ist in der Nähe der äußeren Ränder von Orvonton vorherrschend. Man sollte die ausgedehnten Sternwolken von Orvonton als individuelle Ansammlungen von Materie betrachten, die den in den Raumregionen außerhalb der Milchstraße beobachtbaren einzelnen Nebelhaufen vergleichbar sind. Viele der so genannten Sternwolken bestehen indessen nur aus gasförmigem Material. Das Energiepotential dieser stellaren Gaswolken ist unglaublich groß; etwas davon wird von nahen Sonnen aufgenommen und als solare Abstrahlung wiederum in den Raum hinaus gesandt. ***** 15.5 Der Ursprung der Raumkörper ***** Der Großteil der in den Sonnen und Planeten eines Superuniversums enthaltenen Masse hat seinen Ursprung in den Nebelrädern; nur ein sehr geringer Teil der superuniversellen Masse wird durch direkte Intervention der Machtlenker organisiert (wie bei der Konstruktion der architektonischen Sphären), obwohl eine stets schwankende Quantität von Masse im offenen Raum entsteht. Was ihren Ursprung betrifft, kann die Mehrzahl der Sonnen, Planeten und anderen Sphären einer der folgenden zehn Gruppen zugeordnet werden: 1. Konzentrische Kontraktionsringe. Nicht alle Nebel sind spiralförmig. Viele riesengroße Nebel, anstatt sich in ein doppeltes Sternsystem aufzuspalten oder sich als Spirale zu entwickeln, machen einen Verdichtungsprozess infolge vielfacher Ringbildung durch. Während langer Zeiträume erscheint ein solcher Nebel als enorme Zentralsonne, umgeben von zahlreichen gigantischen Wolken von Materiebildungen, die sie im Kreise umfassen und als Ringe erscheinen. 2. Die Ausgeworfenen Sterne umfassen jene Sonnen, die aus den großen Mutterrädern hocherhitzter Gase hinausgeschleudert werden. Sie werden nicht in Ringen ausgeworfen, sondern in rechts- und linksläufiger Gruppierung. Ausgeworfene Sterne entstehen auch in anderen als Spiralnebeln. 3. Planeten aus Gravitationsexplosionen. Wenn eine Sonne aus einem Spiral-oder Streifennebel entsteht, wird sie nicht selten in beträchtliche Entfernungen ausgeworfen. Eine derartige Sonne ist in hohem Grade gasförmig, und wenn sie sich später einigermaßen abgekühlt und verdichtet hat, gerät sie möglicherweise in die Nähe einer gewaltigen Materiemasse wie etwa einer Riesensonne oder einer dunklen Rauminsel. Solch eine Annäherung ist vielleicht nicht genügend, um eine Kollision herbeizuführen, aber doch ausreichend, um der Anziehungskraft des größeren Körpers zu erlauben, auf dem kleineren gezeitenähnliche Konvulsionen auszulösen und damit eine Reihe von an- und abschwellenden Erhebungen einzuleiten, die sich gleichzeitig auf entgegensetzten Seiten der von Konvulsionen ergriffenen Sonne ereignen. Auf ihrem Höhepunkt liefern diese explosiven Eruptionen eine Reihe von verschieden großen Materieansammlungen, die bis über die gravitationsbedingte Rückforderungszone der eruptierenden Sonne hinausgeschleudert werden können und sich dann auf eigenen Kreisbahnen um einen der beiden bei diesem Ereignis betroffenen Himmelskörper herum stabilisieren. Später vereinigen sich die größeren Materieanhäufungen miteinander und ziehen die kleineren Körper allmählich an sich. Auf diese Weise entstehen viele der festen Planeten der kleineren Systeme. Gerade einen solchen Ursprung hat euer eigenes Sonnensystem. 4. Zentrifugale Planetentöchter. Wenn enorme Sonnen sich in bestimmten Entwicklungsstadien befinden und ihre Drehgeschwindigkeit bedeutend zunimmt, beginnen sie, große Mengen von Materie wegzuschleudern, die sich in der Folge zusammenballen kann, um kleine Welten zu bilden, die die Muttersonne weiterhin umkreisen. 5. Sphären mit Gravitationsmangel. Es gibt eine kritische Grenze für die Größe individueller Sterne. Wenn eine Sonne diese Grenze erreicht, ist sie zum Bersten verurteilt, es sei denn, sie setze ihre Drehgeschwindigkeit herab; eine Sonnenspaltung ereignet sich und ein neuer Doppelstern dieser Art ist geboren. In der Folge können sich als Nebenprodukte dieses gewaltigen Auseinanderbrechens zahlreiche kleine Planeten bilden. 6. Durch Attraktion entstandene Sterne. In den kleineren Systemen zieht manchmal der größte äußere Planet seine Nachbarwelten an sich, während die sonnennahen Planeten sich zu ihrem endgültigen Sturz anschicken. Für euer Sonnensystem würde ein solches Ende bedeuten, dass die vier inneren Planeten von der Sonne zurückgefordert würden, während Jupiter als größter Planet durch Einfangen der restlichen Welten gewaltig zunehmen würde. Ein derartiges Ende eines Sonnensystems hätte die Entstehung zweier benachbarter, aber ungleicher Sonnen zur Folge, einer anderen Art von Doppelsternbildung. Solche Katastrophen kommen selten vor ausgenommen weit außen am Rande der Sternansammlungen der Superuniversen. 7. Kumulative Sphären. Aus der großen, im Raum zirkulierenden Menge von Materie können sich langsam kleine Planeten aufbauen. Sie wachsen durch meteorische Hinzufügung und durch kleinere Kollisionen. In gewissen Raumabschnitten herrschen Bedingungen, die solche Formen planetarischer Entstehung begünstigen. Manch eine bewohnte Welt hat einen derartigen Ursprung. Einige der dichten dunklen Inseln sind das direkte Resultat der Hinzufügungen von sich umwandelnder Energie im Raum. Eine andere Gruppe dieser dunklen Inseln ist entstanden durch Akkumulierung enormer Mengen von kalter Materie, bloßen Fragmenten und Meteoriten, die im Raum zirkulieren. Solche Materieballungen sind nie heiß gewesen und sind in ihrer Zusammensetzung, außer was die Dichte betrifft, Urantia sehr ähnlich. 8. Ausgebrannte Sonnen. Einige der dunklen Rauminseln sind ausgebrannte isolierte Sonnen, die alle verfügbare Raumenergie abgegeben haben. Ihre organisierten Materieeinheiten nähern sich der völligen Verdichtung, praktisch vollkommener Verfestigung; und viele Zeitalter vergehen, bis solche enormen Massen hochverfestigter Materie in den Kreisläufen des Raums wieder aufgeladen und dadurch für neue Zyklen universeller Funktion bereit werden können, nachdem eine Kollision oder ein ähnlich belebendes kosmisches Ereignis eingetreten ist. 9. Durch Kollision entstandene Sphären. In den Regionen dichterer Sternhaufen sind Zusammenstöße nichts Ungewöhnliches. Eine derartige astronomische Neuanpassung geht einher mit gewaltigen energetischen Veränderungen und Materieverwandlungen. Kollisionen, an denen tote Sonnen beteiligt sind, sind ganz besonders dazu angetan, weitreichende Energiefluktuationen auszulösen. Von Zusammenstößen herrührende Trümmer liefern oft die materiellen Kerne für die spätere Bildung planetarischer Körper, die sich zur Bewohnung durch Sterbliche eignen. 10. Architektonische Welten. Das sind die Welten, die aufgrund von Plänen und nach besonderen Richtlinien für einen bestimmten Zweck gebaut werden, wie Salvington, Hauptsitz eures Lokaluniversums, und Uversa, Regierungssitz eures Superuniversums. Es gibt zahlreiche weitere Techniken zur Entwicklung von Sonnen und zur Absonderung von Planeten, aber die erwähnten Verfahren deuten die Methoden an, durch welche die große Mehrheit der Sternsysteme und Planetenfamilien ins Dasein gerufen werden. Wollte man all die verschiedenen, an der Sternmetamorphose und Planetenentwicklung beteiligten Techniken beschreiben, würde dies die Aufzählung von fast einhundert unterschiedlichen Arten der Sonnenbildung und Planetenentstehung erfordern. Bei ihrer Erkundung der Himmel werden eure Sternforscher Phänomene beobachten, die all diese Arten stellarer Entwicklung erkennen lassen, aber sie werden nur selten Beweise für die Bildung jener kleinen, nicht leuchtenden Materieansammlungen ausmachen, die als bewohnte Planeten dienen und die wichtigsten Himmelskörper der gewaltigen materiellen Schöpfungen sind. ***** 15.6 Die Sphären des Raums ***** Ohne Rücksicht auf ihren Ursprung können die verschiedenen Sphären des Raums in die folgenden Hauptgruppen eingereiht werden: 1. Die Sonnen - die Sterne des Raums. 2. Die dunklen Rauminseln. 3. Kleinere Raumkörper - Kometen, Meteoriten und Miniatur-Planeten. 4. Die Planeten, einschließlich der bewohnten Welten. 5. Architektonische Sphären - auftragsgemäß erschaffene Welten. Mit Ausnahme der architektonischen Sphären haben alle Raumkörper einen evolutionären Ursprung, evolutionär in dem Sinne, dass sie nicht auf Geheiß der Gottheit ins Dasein getreten sind, evolutionär in dem Sinne, dass sich die Schöpferakte Gottes durch eine Zeit-Raum-Technik unter Mitwirkung vieler erschaffener und eventuierter Intelligenzen der Gottheit entfaltet haben. Die Sonnen. Das sind die Sterne des Raums in allen ihren verschiedenen Existenzstadien. Einige sind einzelne sich entwickelnde Raumsysteme; andere sind Doppelsterne, sich kontrahierende oder verschwindende Planetensysteme. Die Sterne des Raums existieren in nicht weniger als tausend verschiedenen Zuständen und Stadien. Ihr seid mit Sonnen vertraut, die von Wärme begleitetes Licht abgeben; aber es gibt auch Sonnen, die ohne Wärme scheinen. Die Billionen und Aberbillionen Jahre, während welcher eine gewöhnliche Sonne fortfahren wird, Hitze und Licht abzugeben, veranschaulicht gut den gewaltigen Energievorrat, den jede Materieeinheit enthält. Die in diesen unsichtbaren Partikeln der physischen Materie tatsächlich vorrätige Energie ist nahezu unvorstellbar. Und diese Energie wird fast vollständig als Licht verfügbar, wenn sie dem ungeheuren Hitzedruck und den damit verbundenen Energieaktivitäten ausgesetzt ist, die im Inneren der strahlenden Sonnen herrschen. Noch andere Voraussetzungen befähigen die Sonnen dazu, einen großen Teil der Raumenergie, die in den etablierten Raumkreisen ihres Weges kommt, umzuwandeln und auszusenden. Viele Phasen von physischer Energie und alle Formen von Materie werden von diesen solaren Dynamomaschinen angezogen und später wieder ausgeteilt. In dieser Weise dienen die Sonnen als lokale Beschleuniger des Energieflusses und funktionieren als automatische Kontrollstationen der Macht. Das Superuniversum von Orvonton wird von über zehn Billionen strahlenden Sonnen erhellt und erwärmt. Diese Sonnen sind die Sterne eures beobachtbaren astronomischen Systems. Mehr als zwei Billionen sind zu weit entfernt oder zu klein, um von Urantia aus je gesehen zu werden. Aber im Alluniversum gibt es ebenso viele Sonnen, wie die Ozeane eurer Welt Gläser Wasser enthalten. Die dunklen Rauminseln. Das sind tote Sonnen und andere große Materieansammlungen ohne Licht und Wärme. Die dunklen Inseln besitzen manchmal eine riesenhafte Masse und üben auf das universelle Gleichgewicht und bei der Manipulation der Energie einen mächtigen Einfluss aus. Die Dichte einiger dieser gewaltigen Massen ist nahezu unglaublich. Und diese große Massekonzentration befähigt die dunklen Inseln, als machtvolle Ausgleichsorgane zu funktionieren, die ausgedehnte Nachbarsysteme wirkungsvoll im Zaum halten. Sie sichern in vielen Konstellationen das Gleichgewicht zwischen den Gravitationskräften; viele physische Systeme, die sich sonst eilends in nahe Sonnen und ihren Untergang stürzen würden, werden im sicheren Gravitationsgriff dieser dunklen Wächterinseln gehalten. Wegen dieser ihrer Funktion können wir sie genau lokalisieren. Nachdem wir die Anziehungskraft der hellen Körper gemessen haben, können wir die exakte Größe und Lage der dunklen Rauminseln berechnen, die so wirkungsvoll funktionieren, um ein gegebenes System auf fester Bahn zu halten. Kleinere Raumkörper. Meteoriten und andere kleine Materiepartikel, die im Raum zirkulieren und sich darin entwickeln, stellen eine unerhörte Ansammlung von Energie und materieller Substanz dar. Viele Kometen sind nicht sesshaft gewordene, wilde Abkömmlinge der solaren Mutterräder, die nach und nach unter die Kontrolle der zentralen herrschenden Sonne gebracht werden. Die Kometen haben auch zahlreiche andere Ursprünge. Ein Kometenschweif zeigt vom Körper oder der Sonne weg, die ihn anziehen, infolge der elektrischen Reaktion seiner weit ausgedehnten Gase und unter dem effektiven Druck des Lichts und anderer aus der Sonne austretender Energien. Dieses Phänomen stellt einen der positiven Beweise für die Realität des Lichts und der mit ihm verbundenen Energien dar; es führt vor Augen, dass das Licht Gewicht besitzt. Licht ist eine wirkliche Substanz, und nicht nur Wellen eines hypothetischen Äthers. Die Planeten. Das sind die größeren Ballungen von Masse, die einer Kreisbahn um eine Sonne oder irgendeinen anderen Raumkörper folgen; ihre Größe reicht von Planetoiden bis zu enormen gasförmigen, flüssigen oder verfestigten Sphären. Wenn kalte Welten, die durch Ansammlung von im Raume treibendem Material aufgebaut worden sind, zufällig in günstiger Beziehung zu einer nahen Sonne stehen, bilden sie ideale Planeten für die Beherbergung intelligenter Bewohner. Die toten Sonnen sind in der Regel für das Leben ungeeignet; sie sind meistens zu weit von einer lebenden, strahlenden Sonne entfernt und im übrigen bei weitem zu massiv; die Schwerkraft an der Oberfläche ist kolossal. In eurem Superuniversum ist nicht einer von vierzig kühlen Planeten durch Wesen eurer Ordnung bewohnbar. Und natürlich sind die überhitzten Sonnen und die eisigen, weit außen gelegenen Welten untauglich, höheres Leben zu beherbergen. In eurem Sonnensystem sind gegenwärtig nur drei Planeten geeignet, Leben zu beherbergen. Urantia ist aufgrund seiner Größe, Dichte und Lage in mancher Hinsicht ideal für die Bewohnung durch Menschen. Die Gesetze des Verhaltens der physischen Energie sind grundlegend universal, aber lokale Einflüsse prägen die physischen Bedingungen, die auf einzelnen Planeten und in Lokalsystemen vorherrschen. Eine nahezu endlose Mannigfaltigkeit des Geschöpfeslebens und anderer lebendiger Manifestationen charakterisiert die ungezählten Welten des Raums. Es gibt indessen gewisse Übereinstimmungen innerhalb einer in einem gegebenen System zusammengeschlossenen Weltengruppe, so wie es auch ein universelles Urmuster intelligenten Lebens gibt. Es existieren physische Beziehungen zwischen Planetensystemen, die demselben physischen Kreislauf angehören und im endlosen Lauf auf der Kreisbahn der Universen dicht aufeinander folgen. ***** 15.7 Die architektonischen Sphären ***** Jede Regierung eines Superuniversums hat ihren Sitz nahe dem Zentrum der evolutionären Universen ihres Raumsegmentes. Sie bewohnt dort eine auftragsgemäß erstellte Welt, die von beglaubigten Persönlichkeiten bevölkert wird. Diese Hauptsitz-Welten sind architektonische Sphären, Raumkörper, die eigens für ihren besonderen Zweck konstruiert wurden. Obwohl sie auch das Licht naher Sonnen empfangen, werden diese Sphären unabhängig erhellt und erwärmt. Jede von ihnen besitzt eine Sonne, welche Licht ohne Wärme spendet, wie die Satelliten des Paradieses, und jede wird beheizt durch die Zirkulation gewisser Energieströme nahe der Kugeloberfläche. Diese Hauptsitz-Welten gehören einem der größeren Systeme an, die in der Nähe des astronomischen Zentrums ihrer jeweiligen Superuniversen liegen. Auf den Hauptwelten der Superuniversen ist die Zeit standardisiert. Der Standardtag des Superuniversums von Orvonton entspricht fast dreißig Tagen urantianischer Zeit, und das Orvonton-Jahr entspricht hundert Standardtagen. Dieses Uversa-Jahr ist die Standardzeit des siebenten Superuniversums, und es dauert zweiundzwanzig Minuten weniger als dreitausend Tage urantianischer Zeit, also etwa acht und ein Fünftel eurer Jahre. Die Hauptsitz-Welten der sieben Superuniversen teilen Natur und Großartigkeit des Paradieses, ihres zentralen Urmusters der Vollkommenheit. In Wirklichkeit sind sämtliche Hauptsitz-Welten paradiesisch. Es sind tatsächlich himmlische Wohnstätten, und sie nehmen an materieller Größe, morontieller Schönheit und geistiger Herrlichkeit von Jerusem bis zur Zentralen Insel stets zu. Und alle Satelliten dieser Hauptsitz-Welten sind ebenfalls architektonische Sphären. Die verschiedenen Hauptsitz-Welten sind mit allen Phasen materieller und geistiger Schöpfung ausgestattet. Alle Arten von materiellen, morontiellen und geistigen Wesen sind auf diesen Begegnungswelten der Universen zu Hause. Während die sterblichen Geschöpfe im Universum aufsteigen und dabei aus den materiellen in die geistigen Bereiche vorstoßen, kommt ihnen nie die Würdigung ihrer früheren Existenzebenen und ihre Freude daran abhanden. Jerusem, der Hauptsitz eures Lokalsystems von Satania, besitzt seine sieben Welten der Übergangskultur, deren jede wiederum von sieben Satelliten umkreist wird, unter denen sich die sieben Residenzwelten morontiellen Aufenthalts, des Menschen erste Wohnstätten nach dem Tode, befinden. So wie der Ausdruck Himmel auf Urantia verwendet worden ist, hat er manchmal diese sieben Residenzwelten gemeint, wobei die erste Residenzwelt der erste Himmel genannt wurde, und so fort bis zum siebenten. Edentia, der Hauptsitz eurer Konstellation von Norlatiadek, besitzt seine siebzig Satelliten für sozialisierende Kultur und Schulung, auf denen sich die Aufsteiger aufhalten, nachdem sie auf Jerusem ihren Werdegang der Mobilisierung, Einigung und Verwirklichung der Persönlichkeit abgeschlossen haben. Salvington, die Kapitale Nebadons, eures Lokaluniversums, ist umringt von zehn Gruppen universitärer Welten von je neunundvierzig Sphären. Hier erfährt der Mensch seine Vergeistigung nach der auf der Konstellation erfolgten Sozialisierung. Klein-U die Dritte, der Hauptsitz eures Kleinen Sektors Ensa, ist umgeben von den sieben Sphären für höhere materielle Studien des aufsteigenden Lebens. Gross-U die Fünfte, der Hauptsitz eures Großen Sektors, Splandon, ist umgeben von den siebzig Sphären für fortschreitende intellektuelle superuniverselle Schulung. Uversa, der Hauptsitz Orvontons, eures Superuniversums, wird unmittelbar umringt von den sieben höheren Universitäten für vorgerückte geistige Schulung der aufsteigenden Willensgeschöpfe. Jede dieser sieben Gruppen wunderbarer Sphären besteht aus siebzig spezialisierten Welten. Diese verfügen über Tausende und Abertausende von voll ausgerüsteten Institutionen und Organisationen, die sich der Universumsschulung und der geistigen Kultur widmen und wo die Pilger der Zeit vor ihrem langen Flug nach Havona aufs Neue unterrichtet und geprüft werden. Die eintreffenden Pilger der Zeit werden immer auf diesen angegliederten Welten empfangen, während die abreisenden Absolventen immer direkt von den Küsten Uversas nach Havona abgesandt werden. Uversa ist geistiges und administratives Hauptquartier für ungefähr eine Billion bewohnter oder bewohnbarer Welten. Die Herrlichkeit, Großartigkeit und Vollkommenheit der Kapitale Orvontons übersteigt jedes andere Wunder der Zeit-Raum-Schöpfungen. Wenn alle projektierten Lokaluniversen mit ihren Komponenten errichtet wären, gäbe es in den sieben Superuniversen etwas weniger als fünfhundert Milliarden architektonischer Welten. ***** 15.8 Energiekontrolle und -regulierung ***** Die Hauptsitzsphären der Superuniversen sind derart konstruiert, dass sie als wirksame Macht-Energie-Regulatoren für ihre verschiedenen Sektoren funktionieren können, indem sie als Brennpunkte zur Aussendung von Energie in Richtung der zu ihnen gehörenden Lokaluniversen dienen. Sie üben einen machtvollen Einfluss auf Gleichgewicht und Kontrolle der im organisierten Raum zirkulierenden physischen Energien aus. Weitere regulierende Funktionen werden von den superuniversellen Machtzentren und physischen Überwachern wahrgenommen, lebendigen und halb-lebendigen intelligenten Wesenheiten, die eigens für diesen Zweck erschaffen wurden. Diese Machtzentren und Überwacher sind schwer zu verstehen; die niedrigeren Ordnungen sind keine Willensgeschöpfe, sie besitzen keinen Willen, sie können nicht wählen. Ihre Funktionen sind sehr intelligent, aber offensichtlich automatisch und ihrer hochspezialisierten Organisation inhärent. Den Machtzentren und physischen Überwachern obliegt die Lenkung und teilweise Kontrolle der dreißig Energiesysteme, die den Gravita-Bereich umfassen. Die von den Machtzentren von Uversa verwalteten physischen Energiekreise benötigen etwas länger als 968 Millionen Jahre zu einer vollständigen Umkreisung des Superuniversums. Die sich entwickelnde Energie hat Substanz; sie besitzt Gewicht, obwohl Gewicht stets relativ ist, da es von Umdrehungsgeschwindigkeit, Masse und Antigravitation abhängig ist. Die Masse der Materie hat die Tendenz, die Geschwindigkeit der Energie herabzusetzen; und die überall vorhandene Geschwindigkeit der Energie bedeutet: ihre ursprünglich gegebene Geschwindigkeit abzüglich der Verlangsamung durch unterwegs angetroffene Masse und zuzüglich der regulierenden Funktion der lebendigen Energieüberwacher des Superuniversums und des physischen Einflusses naher sehr heißer oder stark aufgeladener Körper. Der universale Plan zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Materie und Energie erfordert die endlose Erzeugung und Vernichtung der kleineren materiellen Einheiten. Die Macht-lenker des Universums besitzen die Fähigkeit, variable Energiemengen zu kondensieren und zurückzuhalten oder zu expandieren und freizusetzen. Unter der Voraussetzung eines lang genug dauernden, verlangsamenden Einflusses würde die Gravitation schließlich alle Energie in Materie verwandeln, gäbe es nicht diese beiden Faktoren: erstens, die Antigravitationseinflüsse der Energieüberwacher, und zweitens, die Neigung der organisierten Masse zur Desintegration unter bestimmten, in sehr heißen Sternen herrschenden Bedingungen und unter gewissen besonderen Umständen im Raum nahe von stark energiegeladenen kalten Körpern aus kondensierter Materie. Wenn sich die Masse zu sehr zusammenballt und die Energie aus dem Gleichgewicht zu werfen und die physischen Machtkreise zu erschöpfen droht, schreiten die physischen Überwacher ein, es sei denn, dass die der Gravitation eigene fortbestehende Tendenz, die Energie zu übermaterialisieren, durch einen Zusammenstoß von toten Raumgiganten zunichte gemacht wird, wobei die ganzen kumulativen Ansammlungen der Gravitation in einem Augenblick restlos zerstieben. Bei solchen Kollisionsereignissen werden enorme Materiemassen plötzlich in die seltenste Form von Energie verwandelt, und der Kampf um universelles Gleichgewicht beginnt von neuem. Am Ende erreichen die größeren physischen Systeme Stabilität, kommen physisch zur Ruhe und werden in die ausgewogenen und festbegründeten Kreisläufe der Superuniversen aufgenommen. Nach einem derartigen Ereignis werden sich in solch zur Ruhe gekommenen Systemen keine weiteren Kolli- sionen oder anderen zerstörerischen Katastrophen mehr ereignen. In Zeiten überschüssiger Energie treten Machtstörungen und Hitzeschwankungen ein, die mit elektrischen Erscheinungen einhergehen. Während Energiemangelzeiten hat die Materie vermehrte Tendenz, sich zusammenzuballen, sich zu verdichten und in Kreisläufen, die ein anfälligeres Gleichgewicht besitzen, außer Kontrolle zu geraten, was durch Gezeitenphänomene und Kolli-sionen zu Neuanpassungen führt, die das Gleichgewicht zwischen zirkulierender Energie und im eigentlicheren Sinne stabilisierter Materie rasch wiederherstellen. Das wahrscheinliche Verhalten der strahlenden Sonnen und dunklen Rauminseln vorauszusagen und anderswie zu verstehen, ist eine der Aufgaben der himmlischen Sternbeobachter. Wir sind in der Lage, die meisten das Universums-Gleichgewicht regierenden Gesetze zu erkennen und vieles vorauszusagen, was mit der Stabilität des Universums zu tun hat. Unsere Vorhersagen sind so gut wie verlässlich, aber wir werden immer wieder mit bestimmten Kräften konfrontiert, die den uns bekannten Gesetzen von Energiekontrolle und Materieverhalten nicht gänzlich unterworfen sind. Die Vorhersage aller physischen Phänomene wird immer schwieriger, je weiter wir uns vom Paradies in die Universen hinausbegeben. Sobald wir die Grenzen der persönlichen Verwaltung der Herrscher des Paradieses verlassen, müssen wir unsere zunehmende Unfähigkeit feststellen, unsere Berechnungen nach den Normen und Erfahrungen anzustellen, die wir ausschließlich aus der Beobachtung der materiellen Phänomene der nahen astronomischen Systeme gewonnen haben. Selbst im Bereich der sieben Superuniversen leben wir in der Mitte von Kraftaktionen und Energiereak- tionen, die all unsere Gebiete durchdringen und sich in geeintem Gleichgewicht durch alle Regionen des Äußeren Raums hindurch fortsetzen. Je weiter nach außen wir uns begeben, umso sicherer begegnen wir diesen abweichenden und unvorhersehbaren Phänomenen, die so unfehlbar die unergründliche, tätige Gegenwart der Absoluten und der erfahrungsmäßigen Gottheiten verraten. Und diese Phänomene müssen ein Hinweis auf eine universale höchste Kontrolle aller Dinge sein. Das Superuniversum von Orvonton befindet sich jetzt offenbar in einer Phase der Entladung; die äußeren Universen scheinen sich aufzuladen für beispiellose künftige Aktivitäten; das Zentraluniversum von Havona ist ewig stabilisiert. Gravitation und Abwesenheit von Hitze (Kälte) organisieren die Materie und halten sie zusammen; Hitze und Antigravitation sprengen die Materie und zerstreuen die Energie. Die lebendigen Machtlenker und Kraftorganisatoren sind das Geheimnis der besonderen Kontrolle und intelligenten Steuerung der endlosen Metamorphosen universeller Erschaffung, Auflösung und Neuerschaffung. Nebel mögen sich auflösen, Sonnen ausbrennen, Systeme verschwinden und Planeten untergehen, aber die Universen erschöpfen sich energetisch nie. ***** 15.9 Die Kreisläufe der Superuniversen ***** Die universalen Kreisläufe des Paradieses durchdringen effektiv die Reiche der sieben Superuniversen. Diese Kreisläufe der Gegenwart sind: die Persönlichkeitsgravitation des Universalen Vaters, die geistige Gravitation des Ewigen Sohnes, die Verstandesgravitation des Mit-Vollziehers und die materielle Gravitation der ewigen Insel. Zusätzlich zu diesen universalen Kreisen des Paradieses und zu der wirkenden Gegenwart der Absoluten und der erfahrungsmäßigen Gottheiten funktionieren innerhalb der superuniversellen Raumebene nur zwei Energiekreis-Aufteilungen oder Macht-Sonderungen: Die Superuniversumskreise und die Lokaluniversumskreise. Die Superuniversumskreisläufe: 1. Der einigende Intelligenzkreis eines der Sieben Hauptgeiste des Paradieses. Ein solcher Kreis des kosmischen Verstandes ist auf ein einziges Superuniversum beschränkt. 2. Der Kreis des reflexiven Dienstes der sieben Reflexiven Geiste in jedem Superuniversum. 3. Die geheimen Kreise der Unergründlichen Mentoren, durch Divinington in bestimmter Weise untereinander verknüpft und weitergeleitet zum Universalen Vater im Paradies. 4. Der Kreis gegenseitigen Austausches zwischen dem Ewigen Sohn und seinen Paradies-Söhnen. 5. Die blitzartige Gegenwart des Unendlichen Geistes. 6. Das Fernmeldewesen des Paradieses, die Raumberichte von Havona. 7. Die Energiekreise der Machtzentren und physischen Überwacher. Die Lokaluniversumskreisläufe: 1. Der Geist der Selbsthingabe der Paradies-Söhne, der Tröster der Selbsthingabe-Welten. Der Geist der Wahrheit, der Geist von Michael auf Urantia. 2. Der Kreis der Göttlichen Ministerinnen, der Mutter-Geiste der Lokaluniversen. Der Heilige Geist eurer Welt. 3. Der Kreis des Intelligenzdienstes eines Lokaluniversums unter Einschluss der verschieden funktionierenden Gegenwarten der mentalen Hilfsgeiste. Wenn sich in einem Lokaluniversum eine derartige geistige Harmonie herausbildet, dass sich seine individuellen und kombinierten Kreisläufe von denjenigen des Superuniversums nicht mehr unterscheiden lassen, wenn tatsächlich eine derartige Übereinstimmung der Funktion und Einheit des Dienstes herrscht, wird das Lokaluniversum augenblicklich in die etablierten Kreise des Lichts und Lebens aufgenommen und damit sofort wählbar zur Aufnahme in die geistige Konföderation des vervollkommneten Bundes der Superschöpfung. Die Voraussetzungen für die Zulassung zu den Räten der Ältesten der Tage, für die Mitgliedschaft in der superuniversellen Konföderation sind: 1. Physische Stabilität. Die Sterne und Planeten eines Lokaluniversums müssen im Gleichgewicht sein; die Perioden plötzlicher Sternmetamorphosen müssen vorüber sein. Das Universum muss einem klaren Raumpfad folgen; seine Bahn muss sicher und endgültig stabilisiert sein. 2. Geistige Loyalität. Es muss ein Zustand universeller Anerkennung des Souveränen Gottessohnes, der den Angelegenheiten eines solchen Lokaluniversums vorsteht, und der Treue zu ihm herrschen. Es muss sich ein Zustand harmonischer Zusammenarbeit zwischen den individuellen Planeten, Systemen und Konstellationen des ganzen Lokaluniversums eingestellt haben. Euer Lokaluniversum wird nicht einmal der stabilisierten physischen Ordnung des Superuniversums zugerechnet und gilt noch viel weniger als Mitglied der anerkannten geistigen Familie der Superregierung. Obwohl Nebadon jetzt noch keine Vertretung auf Uversa besitzt, werden wir Angehörige des Superuniversums von Zeit zu Zeit in besonderer Mission zu seinen Welten abgesandt, gerade so, wie ich direkt von Uversa nach Urantia gekommen bin. Wir leihen euren Lenkern und Gebietern bei der Lösung ihrer schwierigen Probleme jede mögliche Hilfe; wir wünschen, euer Universum möge sich für die volle Aufnahme in die vereinigten Schöpfungen der superuniversellen Familie qualifizieren. ***** 15.10 Die Lenker der Superuniversen ***** Die Kapitalen der Superuniversen sind die Sitze der hohen geistigen Regierungen der Reiche von Zeit und Raum. Der Exekutivzweig der Superregierung, der seinen Ursprung in den Räten der Trinität hat, wird unmittelbar von einem der die höchste Oberaufsicht ausübenden Sieben Hauptgeiste geleitet. Diese Wesen verfügen über Paradies-Autorität und verwalten die Superuniversen über die Sieben Supremen Vollzieher, die auf den sieben besonderen Welten des Unendlichen Geistes, den äußersten Paradies-Satelliten, stationiert sind. Die Hauptsitze der Superuniversen sind die Wohnstätten der Reflexiven Geiste und der Reflexiven Bild-Helfer. Von dieser mittleren Position aus lenken diese wunderbaren Wesen ihre Staunen erregenden Operationen der Reflexivität im Dienste des Zentraluniversums über ihnen und der Lokaluniversen unter ihnen. Jedes Superuniversum wird von drei Ältesten der Tage geleitet, den vereinigten Regierungschefs der Superregierung. Die Belegschaft des Exekutivzweigs der Superuniversumsregierung besteht aus sieben verschiedenen Gruppen: 1. Älteste der Tage. 2. Vervollkommner der Weisheit. 3. Göttliche Ratgeber. 4. Universelle Zensoren. 5. Mächtige Botschafter. 6. Die mit Hoher Autorität Begabten. 7. Die Namen- und Nummernlosen. Die drei Ältesten der Tage werden unmittelbar durch ein Korps von einer Milliarde Vervollkommnern der Weisheit unterstützt, mit dem drei Milliarden Göttliche Ratgeber verbunden sind. Zu jeder Superuniversumsverwaltung gehört eine Milliarde Universeller Zensoren. Diese drei Gruppen sind Koordinierte Persönlichkeiten der Trinität, die ihren direkten und göttlichen Ursprung in der Paradies-Trinität haben. Die übrigen drei Ordnungen, die mächtigen Botschafter, die mit Hoher Autorität Begabten und die Namen- und Nummernlosen sind verherrlichte aufsteigende Sterbliche. Die allerersten dieser Ordnungen durchliefen die aufsteigende Bahn und Havona in den Tagen Großfandas. Nachdem sie das Paradies erreicht hatten, wurden sie in das Korps der Finalität aufgenommen, von der Paradies-Trinität umfangen und später dem himmlischen Dienst unter den Ältesten der Tage zugeteilt. Als eine Klasse kennt man diese drei Ordnungen als Trinitisierte Söhne der Vollbringung; sie haben einen doppelten Ursprung, stehen aber jetzt im Dienst der Trinität. Der Exekutivzweig der Superuniversumsregierung wurde in dieser Weise erweitert, um auch die verherrlichten und vervollkommneten Kinder der evolutionären Welten einzuschließen. Der koordinierte Rat des Superuniversums setzt sich aus den sieben vorgenannten Exekutivgruppen und den folgenden Sektorenlenkern und anderen regionalen Überwachern zusammen: 1. Die Vollkommenen der Tage - die Lenker der Großen Sektoren des Superuniversums. 2. Die Jüngsten der Tage - die Leiter der Kleinen Sektoren des Superuniversums. 3. Die Einiger der Tage - die Paradies-Berater der Herrscher der Lokaluniversen. 4. Die Getreuen der Tage - die Paradies-Ratgeber der Allerhöchsten Regierungschefs der Konstellationen. 5. Die Lehrer-Söhne der Trinität, sofern es sich gerade trifft, dass sie ihren Dienst am Hauptsitz eines Superuniversums erfüllen. 6. Die Ewigen der Tage, sofern sie gerade am Hauptsitz eines Superuniversums anwesend sind. 7. Die sieben Reflexiven Bild-Helfer - die Sprecher der sieben Reflexiven Geiste und durch diese die Repräsentanten der Sieben Hauptgeiste des Paradieses. Die Reflexiven Bild-Helfer funktionieren auch als Repräsentanten zahlreicher Gruppen von Wesen, die in den Superuniversumsregierungen einflussreich sind, aber gegenwärtig aus verschiedenen Gründen ihre individuellen Fähigkeiten nicht voll einsetzen. In dieser Gruppe mit eingeschlossen sind: die sich entwickelnde superuniverselle Persönlichkeitsmanifestation des Supremen Wesens, die Uneingeschränkten Überwacher des Supremen, die Eigenschaftsbegabten Vize-Leiter des Ultimen, die ungenannten reflexiven Verbindungswesen von Majeston und die überpersönlichen geistigen Repräsentanten des Ewigen Sohnes. Es ist fast jederzeit möglich, auf den Hauptsitzwelten der Superuniversen Vertreter aller Gruppen erschaffener Wesen anzutreffen. Die routinemäßigen Diensthandlungen der Superuniversen werden von den mächtigen Sekonaphim und anderen Mitgliedern der unermesslichen Familie des Unendlichen Geistes ausgeführt. Bei der Arbeit in diesen wunderbaren Zentren superuniverseller Verwaltung, Kontrolle, Fürsorge und ausgeübter Gerichtsbarkeit treten die Intelligenzen aus jedem Bereich des universalen Lebens untereinander in engen Kontakt bei wirksamem Dienst, weiser Verwaltung, liebender Betreuung und gerechtem Urteil. Die Superuniversen unterhalten keine Botschaftervertretung irgendwelcher Art; sie sind voneinander vollkommen isoliert. Sie werden über wechselseitige Angelegenheiten einzig durch die von den Sieben Hauptgeisten im Paradies unterhaltene Nachrichtenzentrale informiert. Ihre Leiter arbeiten in Räten göttlicher Weisheit für das Wohlergehen ihrer eigenen Superuniversen ohne Rücksicht auf das, was sich in anderen Abschnitten der universalen Schöpfung ereignen mag. Diese Isolierung der Superuniversen wird so lange dauern, bis ihre Koordinierung vollendet sein wird dank der immer vollständigeren Verwirklichung der Persönlichkeits-Souveränität des sich entwickelnden erfahrungsmäßigen Supremen Wesens. ***** 15.11 Die Beratende Versammlung ***** Gerade auf Welten wie Uversa treten sich die Vertreter der Autokratie der Vollkommenheit und der Demokratie der Evolution gegenüber. Der Exekutivzweig der Superregierung entstammt den Reichen der Vollkommenheit; der Legislativzweig entspringt der Elite der evolutionären Universen. Die beratende Versammlung des Superuniversums tagt nur auf der Hauptsitz-Welt. Dieser gesetzgebende oder beratende Körper besteht aus sieben Häusern; in jedes von ihnen wählt jedes zu den superuniversellen Räten zugelassene Lokaluniversum einen einheimischen Vertreter. Diese Vertreter werden von den hohen Räten der betreffenden Lokaluniversen aus der Mitte jener aufsteigenden Pilger ausgesucht, die nach ihrem Abschluss in Orvonton zum Transport nach Havona berechtigt sind, aber noch auf Uversa verweilen. Die durchschnittliche Dienstzeit beträgt etwa hundert Jahre der Standardzeit des Superuniversums. Nie ist mir eine Misshelligkeit zwischen den Exekutivorganen und der Versammlung von Uversa bekannt geworden. Ebenso wenig hat in der ganzen Geschichte unseres Superuniversums der beratende Körper je eine Empfehlung gemacht, die der Exekutivzweig der Superregierung auszuführen auch nur gezögert hätte. Es hat immer vollkommenste Harmonie und einträchtige Arbeit geherrscht, was die Tatsache bestätigt, dass evolutionäre Wesen wirklich Höhen vervollkommneter Weisheit erreichen können, die sie befähigen, mit Persönlichkeiten vollkommenen Ursprungs und göttlicher Natur zu verkehren. Die Anwesenheit der beratenden Versammlungen auf den Hauptwelten der Superuniversen offenbart die Weisheit des ganzen gewaltigen evolutionären Plans des Universalen Vaters und seines Ewigen Sohnes und gibt eine Vorahnung von dessen letztlichem Triumph. ***** 15.12 Die Höchsten Tribunale ***** Wenn wir von den ausführenden und beratenden Abteilungen der Regierung von Uversa sprechen, werdet ihr wohl in Analogie zu gewissen zivilen Regierungsformen Urantias erwarten, dass wir einen dritten oder Justizzweig haben müssen, und dem ist tatsächlich so, aber er besitzt kein getrenntes Personal. Unsere Gerichtshöfe funktionieren wie folgt: Je nach Natur und Schwere des Falls führt ein Ältester der Tage, ein Vervollkommner der Weisheit oder ein Göttlicher Ratgeber den Vorsitz. Das Beweismaterial für oder gegen eine Person, einen Planeten, ein System, eine Konstellation oder ein Universum wird durch die Zensoren vorgebracht und interpretiert. Die Verteidigung der Kinder der Zeit und der evolutionären Planeten wird von den Mächtigen Botschaftern wahrgenommen, den offiziellen Beobachtern der Superuniversumsregierung bei den lokalen Universen und Systemen. Die Haltung der höheren Regierung wird von den mit Hoher Autorität Begabten dargelegt. Und gewöhnlich wird das Urteil durch einen Ausschuss von wechselnder Größe formuliert, der zu gleichen Teilen aus Namen- und Nummernlosen und einer Gruppe von verstehenden Persönlichkeiten aus der beratenden Versammlung besteht. Die Gerichtshöfe der Ältesten der Tage sind die hohen letztinstanzlichen Tribunale geistiger Rechtsprechung für alle das Superuniversum bildenden Universen. Die Souveränen Söhne der Lokaluniversen herrschen in ihrem eigenen Bereich unumschränkt; sie sind der Superregierung nur insofern unterworfen, als sie den Ältesten der Tage Angelegenheiten zur Beratung oder Aburteilung freiwillig unterbreiten mit Ausnahme jener, die mit der Auslöschung von Willensgeschöpfen zusammenhängen. Die Gerichtserlasse gehen von den Lokaluniversen aus, aber Urteile, die die Auslöschung von Willensgeschöpfen betreffen, werden immer an den Hauptsitzen der Superuniversen gefällt und von hier aus vollstreckt. Die Söhne der Lokaluniversen können das Fortleben des sterblichen Menschen verfügen, aber einzig den Ältesten der Tage steht in den Fragen ewigen Lebens und Todes Endurteil und Vollzug zu. In allen Angelegenheiten, die keinen Prozess, keine Vorlage von Beweisen erfordern, entscheiden die Ältesten der Tage oder ihre Mitarbeiter, und diese Beschlüsse sind immer einstimmig. Wir haben es hier mit den Räten der Vollkommenheit zu tun. Es gibt weder Meinungsverschiedenheiten noch Minderheitsansichten bei den Dekreten dieser allerhöchsten und unübertroffenen Gerichtshöfe. Mit einigen wenigen Ausnahmen üben die Superregierungen in ihrem Zuständigkeitsbereich die Gerichtsbarkeit über alle Dinge und alle Wesen aus. Es gibt keine Berufungsmöglichkeit gegen die Verordnungen und Entscheide der Autoritäten der Superuniversen, da sie die übereinstimmenden Ansichten der Ältesten der Tage und desjenigen Hauptgeistes wiedergeben, der vom Paradies aus die Geschicke des betreffenden Superuniversums leitet. ***** 15.13 Die Regierungen der Sektoren ***** Ein Großer Sektor umfasst ungefähr den zehnten Teil eines Superuniversums und besteht aus hundert Kleinen Sektoren, zehntausend Lokaluniversen und etwa hundert Milliarden bewohnbarer Welten. Diese Großen Sektoren werden durch drei Vollkommene der Tage, Supreme Trinität-Persönlichkeiten, verwaltet. Die Gerichtshöfe der Vollkommenen der Tage haben eine sehr ähnliche Struktur wie diejenigen der Ältesten der Tage, außer dass sie über die Welten nicht in geistiger Hinsicht zu Gericht sitzen. Die Regierungsarbeit dieser Großen Sektoren betrifft vornehmlich den intellektuellen Status einer ungeheuer großen Schöpfung. Die Großen Sektoren behandeln, richten, beenden und tabellarisieren - zur Berichterstattung an die Tribunale der Ältesten der Tage - alle routinemäßigen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten von superuniverseller Bedeutung, die nicht unmittelbar die geistige Verwaltung der Reiche oder die Verwirklichung der Pläne der Paradies- Herrscher für den Aufstieg der Sterblichen betreffen. Die Zusammensetzung der Regierung eines Großen Sektors unterscheidet sich nicht von derjenigen des Superuniversums. So wie die herrlichen Satelliten von Uversa eurer abschließenden geistigen Vorbereitung auf Havona dienen, widmen sich die siebzig Satelliten von Groß-U der Fünften eurer superuniversellen intellektuellen Schulung und Entwicklung. Aus ganz Orvonton sind hier die weisen Wesen versammelt, die die Sterblichen der Zeit unermüdlich auf ihren weiteren Fortschritt im Hinblick auf die Laufbahn der Ewigkeit vorbereiten. Der größte Teil der Schulung der aufsteigenden Sterblichen geschieht auf den siebzig Studienwelten. Die Regierungen der Kleinen Sektoren werden von drei Jüngsten der Tage geleitet. Ihre Administration befasst sich hauptsächlich mit der physischen Kontrolle, Einigung und Stabilisierung der zu ihr gehörenden Lokaluniversen und mit der routinemäßigen Koordination ihrer Verwaltung. Jeder Kleine Sektor zählt ganze hundert Lokaluniversen, zehntausend Konstellationen, eine Million Systeme und ungefähr eine Milliarde bewohnbarer Welten. Die Hauptsitze der Kleinen Sektoren sind der große Treffpunkt der Physischen Hauptüberwacher. Die Hauptsitz-Welten werden umringt von den sieben Instruktionssphären, die die Eintrittsschulen des Superuniversums darstellen und Übungszentren zur Erlangung physikalischen und administrativen Wissens über das Universum der Universen sind. Die Regierungsverwalter der Kleinen Sektoren stehen unmittelbar unter der Gerichtsbarkeit der Leiter der Großen Sektoren. Die Jüngsten der Tage empfangen und koordinieren alle für das Superuniversum bestimmten Berichte, Beobachtungen und Empfehlungen von den Einigern der Tage, die als Beobachter der Trinität und Ratgeber auf den Hauptsitzwelten der Lokaluniversen stationiert sind, und von den Getreuen der Tage, die den Räten der Allerhöchsten in gleicher Funktion auf den Hauptwelten der Konstellationen zur Seite stehen. All diese Berichte werden an die Vollkommenen der Tage in den Großen Sektoren übermittelt, um später an die Gerichte der Ältesten der Tage weitergeleitet zu werden. So erstreckt sich die Regierung der Trinität von den Konstellationen der Lokaluniversen bis hinauf zum Hauptsitz des Superuniversums. Es gibt keine Repräsentanten der Trinität am Hauptsitz eines lokalen Systems. ***** 15.14 Die Ziele der sieben Superuniversen ***** Es gibt sieben hauptsächliche Ziele, die während der Evolution der sieben Superuniversen immer deutlicher hervortreten. Jedes bei der superuniversellen Evolution verfolgte Hauptziel wird seinen vollsten Ausdruck nur in einem der sieben Superuniversen finden, und deshalb hat jedes Superuniversum eine besondere Funktion und einmalige Natur. Orvonton, das siebente Superuniversum, dasjenige, dem euer Lokaluniversum angehört, ist vor allem bekannt für seine den Sterblichen der Welten in unerhörtem, verschwenderischem Maße gewährte erbarmungsvolle Hinwendung. Es ist berühmt für die Art, wie die herrschende Gerechtigkeit durch Barmherzigkeit gemildert und die Ausübung der Macht von Geduld geprägt wird, während großzügige Zeitopfer gemacht werden, um die Stabilisierung in der Ewigkeit sicherzustellen. Orvonton ist eine Demonstration der Liebe und Barmherzigkeit für das Universum. Es ist indessen sehr schwierig, unsere Vorstellung von der wahren Natur des evolutionären Vorhabens zu beschreiben, das sich in Orvonton entfaltet, aber man könnte es andeutungsweise in diesem unseren Gefühl zusammenfassen, dass sich die sechs einmaligen Ziele kosmischer Evolution, die sich in den sechs verbündeten Superschöpfungen ausdrücken, hier zu einer Bedeutung des Ganzen verweben; und dies ist auch der Grund, weshalb wir manchmal gemutmaßt haben, dass die entwickelte und abgeschlossene Personifizierung des Supremen Gottes in weit entfernter Zukunft von Uversa aus über die vervollkommneten sieben Superuniversen herrschen wird, in all der erfahrungsmäßigen Erhabenheit ihrer dann erreichten souveränen Allmacht. Wie Orvonton ist auch jedes der mit ihm verbundenen Superuniversen einmalig in seiner Natur und hat eine individuelle Bestimmung. Sehr vieles von dem, was in Orvonton geschieht, ist euch indessen nicht offenbart, und viele von diesen nicht offenbarten Wesenszügen des Lebens in Orvonton sind dazu ausersehen, ihren vollständigsten Ausdruck in einem anderen Universum zu finden. Die sieben Ziele superuniverseller Entwicklung werden in allen sieben Superuniversen verfolgt, aber in jeder Superschöpfung wird nur eines von diesen Zielen seinen vollsten Ausdruck finden. Um zu einem besseren Verständnis dieser superuniversellen Ziele zu gelangen, müsste euch vieles, was ihr nicht begreift, offenbart werden, aber auch dann würdet ihr nur sehr wenig davon verstehen. Diese gesamte Schilderung gewährt nur einen flüchtigen Blick auf die unermessliche Schöpfung, von der eure Welt und euer Lokaluniversum ein Teil sind. Eure Welt heißt Urantia, und sie hat die Nummer 606 in der Planetengruppe oder dem System von Satania. Dieses System besitzt gegenwärtig 619 bewohnte Welten, und über zweihundert weitere Planeten entwickeln sich günstig, um irgendwann in der Zukunft zu bewohnten Welten zu werden. Satania hat eine Hauptsitz-Welt, die Jerusem heißt, und trägt die Systemnummer vierundzwanzig in der Konstellation von Norlatiadek. Eure Konstellation, Norlatiadek, besteht aus hundert Lokalsystemen und besitzt eine Hauptsitz-Welt, die Edentia heißt. Norlatiadek ist Nummer siebzig im Universum von Nebadon. Das Lokaluniversum von Nebadon besteht aus hundert Konstellationen und hat eine Kapitale, die Salvington heißt. Das Universum von Nebadon ist Nummer vierundachtzig im Kleinen Sektor von Ensa. Der Kleine Sektor von Ensa besteht aus hundert Lokaluniversen und besitzt eine Kapitale, die den Namen Klein-U die Dritte trägt. Dieser Kleine Sektor ist Nummer drei im Großen Sektor von Splandon. Splandon besteht aus hundert Kleinen Sektoren und hat eine Hauptsitz-Welt mit dem Namen Groß-U die Fünfte. Dies ist der fünfte Große Sektor des Superuniversums von Orvonton, des siebenten Segmentes des Großen Universums. So könnt ihr euren Planeten im Schema der Organisation und Administration des Universums der Universen ansiedeln. Im Großen Universum hat eure Welt, Urantia, die Nummer 5 332 382 /337 666. Das ist die auf Uversa und im Paradies registrierte Nummer, eure Nummer im Katalog der bewohnten Welten. Ich kenne die Nummer Urantias im Register aller physischen Sphären, aber diese ist so außerordentlich groß, dass sie für den sterblichen Verstand kaum praktische Bedeutung hat. Euer Planet ist ein Mitglied eines enormen Kosmos; ihr gehört zu einer nahezu unendlichen Weltenfamilie, aber eure Sphäre wird gerade so präzis verwaltet und liebevoll umsorgt, als wäre sie die einzige bewohnte Welt in aller Existenz. [Dargeboten von einem aus Uversa stammenden Universellen Zensor.] ****** Kapitel 16 Die sieben Hauptgeiste ****** DIE Sieben Hauptgeiste des Paradieses sind die Urpersönlichkeiten des Unendlichen Geistes. Mit diesem siebenfachen Schöpferakt der Selbstvervielfältigung erschöpfte der Unendliche Geist die mathematischen Kombinationsmöglichkeiten, die in der Tatsache der Existenz der drei Personen der Gottheit liegen. Wenn es möglich gewesen wäre, eine größere Zahl von Hauptgeisten zu erzeugen, wären sie erschaffen worden, aber es gibt gerade sieben, und nur sieben, Verbindungsmöglichkeiten zwischen drei Gottheiten. Und das erklärt, weshalb das Universum in sieben großen Abteilungen funktioniert und weshalb die Zahl sieben in seiner Organisation und Verwaltung fundamental ist. Die individuellen Wesenszüge der Sieben Hauptgeiste sind diejenigen ihrer sieben folgenden Ursprünge: 1. Der Universale Vater. 2. Der Ewige Sohn. 3. Der Unendliche Geist. 4. Der Vater und der Sohn. 5. Der Vater und der Geist. 6. Der Sohn und der Geist. 7. Der Vater, der Sohn und der Geist. Wir wissen sehr wenig über das Handeln des Vaters und des Sohnes bei der Erschaffung der Hauptgeiste. Allem Anschein nach wurden sie durch die persönlichen Akte des Unendlichen Geistes ins Dasein gerufen, aber man hat uns eindeutig gelehrt, dass sowohl der Vater als auch der Sohn an ihrem Ursprung teilhatten. Dem geistigen Charakter und der geistigen Natur nach sind die Sieben Geiste des Paradieses wie ein einziger, aber bezüglich aller anderen Identitätsaspekte unterscheiden sie sich sehr stark voneinander, und die Ergebnisse ihres Wirkens in den Superuniversen sind derart, dass sich ihre individuellen Unterschiede unmissverständlich bemerkbar machen. Alle späteren Pläne der sieben Segmente des Großen Universums - und selbst der entsprechenden Segmente des Äußeren Raums - sind durch die anders-als-geistige Verschiedenheit der Sieben Hauptgeiste supremer und ultimer Überwachung bedingt worden. Die Hauptgeiste haben viele Funktionen, aber gegenwärtig ist ihre besondere Domäne die zentrale Überwachung der sieben Superuniversen. Jeder Hauptgeist unterhält einen enormen Sitz fokussierter Kraft, der sich langsam um die Peripherie des Paradieses herum bewegt, immer gegenüber dem von ihm überwachten Superuniversum und im Paradies-Fokus seiner spezialisierten Machtkontrolle und Energieausteilung an das Segment. Die radialen Begrenzungslinien jedes Superuniversums laufen tatsächlich am Paradies-Sitz des Hauptgeistes zusammen, der es kontrolliert. ***** 16.1 Beziehung zu der Dreieinigen Gottheit ***** Der Mitschöpfer, der Unendliche Geist, ist nötig zur vollständigen dreieinigen Personifizierung der ungeteilten Gottheit. Dieser dreifachen Personifizierung der Gottheit inhärent ist eine siebenfache Möglichkeit individuellen oder gemeinsamen Ausdrucks; deshalb machte der spätere Plan der Erschaffung von Universen, bewohnt von intelligenten und potentiell geistigen Wesen mit der Fähigkeit, Vater, Sohn und Geist angemessen zum Ausdruck zu bringen, die Personifizierung der Sieben Hauptgeiste unvermeidlich. Wir sind dazu gelangt, von der dreifachen Personifizierung der Gottheit als von der absoluten Unvermeidlichkeit zu sprechen und das Erscheinen der Sieben Hauptgeiste als die unterabsolute Unvermeidlichkeit zu betrachten. Die Sieben Hauptgeiste sind schwerlich der Ausdruck der dreifachen Gottheit, wohl aber das ewige Porträt der siebenfachen Gottheit, der aktiven und sich miteinander verbindenden Funktionen der drei ewig existierenden Personen der Gottheit. Gestützt auf diese Sieben Geiste, in ihnen und durch sie, sind der Universale Vater, der Ewige Sohn und der Unendliche Geist oder jede ihrer Zweierverbindungen in der Lage, als solche zu wirken. Wenn der Vater, der Sohn und der Geist gemeinsam handeln, können sie durch den Hauptgeist Nummer Sieben wirken und tun es auch, aber nicht als die Trinität. Die Hauptgeiste verkörpern einzeln und gemeinsam alle möglichen Gottheitsfunktionen, die einzelnen und mehrfachen, nicht aber die kollektiven, nicht die Trinität. Der Hauptgeist Nummer Sieben steht persönlich in keiner funktionellen Beziehung zur Paradies-Trinität, und gerade deshalb kann er persönlich für das Supreme Wesen wirken. Aber wenn die Sieben Hauptgeiste ihre individuellen Sitze persönlicher Macht und superuniverseller Autorität verlassen und sich in der dreieinigen Gegenwart der Paradies-Gottheit um den Mit-Vollzieher versammeln, verkörpern sie auf der Stelle kollektiv die funktionelle Macht, Weisheit und Autorität der ungeteilten Gottheit - der Trinität - gegenüber den sich entwickelnden Universen und in ihnen. Eine solche Paradies-Verbindung des siebenfachen Urausdrucks der Gottheit umfasst tatsächlich, umfängt buchstäblich alle Attribute und Haltungen der drei ewigen Gottheiten in Suprematie und Ultimität. Praktisch umfassen dann die Sieben Hauptgeiste tatsächlich die funktionelle Domäne des Supremen-Ultimen für das Alluniversum und in ihm. Soweit wir es beurteilen können, sind diese Sieben Geiste mit den göttlichen Aktivitäten der drei ewigen Personen der Gottheit verbunden; hingegen können wir keine Beweise einer direkten Verbindung mit den wirkenden Gegenwarten der drei ewigen Phasen des Absoluten ausmachen. Wenn miteinander verbunden, verkörpern die Hauptgeiste die Paradies-Gottheiten in dem, was man grob als den endlichen Bereich des Handelns betrachten könnte. Es schließt wohl viel Ultimes ein, aber nichts Absolutes. ***** 16.2 Beziehung zum Unendlichen Geist ***** Gerade so wie der Ewige und Ursprüngliche Sohn durch die Personen der an Zahl ständig zunehmenden göttlichen Söhne offenbart wird, offenbart sich der Unendliche und Göttliche Geist durch die Kanäle der Sieben Hauptgeiste und die mit ihnen verbundenen Geistgruppen. In der Mitte aller Mitten kann man sich dem Unendlichen Geist nähern, aber nicht alle, die das Paradies erreichen, sind sofort fähig, seine Persönlichkeit und differenzierte Gegenwart wahrzunehmen; hingegen sind alle, die das Zentraluniversum erreichen, in der Lage, augenblicklich mit einem der Sieben Hauptgeiste in Verbindung zu treten, und zwar mit dem Lenker desjenigen Superuniversums, dem die frisch angekommenen Raumpilger entstammen. Zum Universum der Universen spricht der Paradies-Vater nur durch seinen Sohn, während er und der Sohn gemeinsam nur durch den Unendlichen Geist handeln. Außerhalb des Paradieses und Havonas spricht der Unendliche Geist nur durch die Stimmen der Sieben Hauptgeiste. Der Unendliche Geist übt innerhalb der Grenzen des Paradies-Havona-Systems einen Einfluss persönlicher Gegenwart aus; überall sonst wird seine persönliche Geistgegenwart über und durch einen der Sieben Hauptgeiste ausgeübt. Aus diesem Grunde ist die superuniverselle Geistgegenwart des Dritten Zentralen Ursprungs auf jeder Welt und in jedem Einzelwesen durch die einzigartige Natur desjenigen Hauptgeistes geprägt, der das betreffende Schöpfungssegment überwacht. Umgekehrt laufen die vereinigten Linien geistiger Kraft und Intelligenz über die Sieben Hauptgeiste nach innen zu der Dritten Person der Gottheit. Die Sieben Hauptgeiste sind kollektiv mit den Suprem-Ultimen Attributen des Dritten Zentralen Ursprungs ausgestattet. Obwohl jeder von ihnen individuell an diesen teilhat, verfügen sie nur kollektiv über die Attribute der Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart. Allein kann keiner von ihnen in dieser universalen Weise wirken; als Einzelner und in der Ausübung der Macht der Suprematie und Ultimität ist jeder von ihnen persönlich auf das ihm unterstellte Superuniversum beschränkt. Alles, was euch über Göttlichkeit und Persönlichkeit des Mit-Vollziehers gesagt wurde, gilt ebenso sehr und ohne Einschränkung für die Sieben Hauptgeiste, die den Unendlichen Geist gemäß ihrer göttlichen Begabung und in der Art ihrer unterschiedlichen und individuell einmaligen Naturen so wirksam an die sieben Segmente des Großen Universums austeilen. Es ginge deshalb durchaus an, auf die gesamte Gruppe der Sieben irgendeinen oder alle Namen des Unendlichen Geistes anzuwenden. Im Kollektiv sind sie auf allen unterabsoluten Ebenen eins mit dem Mitschöpfer. ***** 16.3 Identität und Verschiedenheit der Hauptgeiste ***** Die Sieben Hauptgeiste lassen sich als Wesen nicht beschreiben, aber sie sind klar und eindeutig persönlich. Sie haben Namen, aber wir ziehen es vor, sie mit ihren Nummern vorzustellen. Als Urpersonifizierungen des Unendlichen Geistes sind sie einander gleich, aber als Urausdruck der sieben möglichen Verbindungen der dreieinigen Gottheit besitzen sie grundlegend verschiedene Naturen, und diese Wesensverschiedenheit bedingt ihre unterschiedliche Leitung der Superuniversen. Man kann die Sieben Hauptgeiste wie folgt beschreiben: Hauptgeist Nummer Eins. In besonderer Weise ist dieser Geist der direkte Repräsentant des Paradies-Vaters. Er ist eine besondere und wirksame Manifestation der Macht, Liebe und Weisheit des Universalen Vaters. Er ist der enge Mitarbeiter und himmlische Berater des Oberhauptes der Unergründlichen Mentoren, jenes Wesens, das dem Kollegium der Personifizierten Justierer auf Divinington vorsteht. In allen Verbindungen der Sieben Hauptgeiste ist es immer Hauptgeist Nummer Eins, der für den Universalen Vater spricht. Dieser Geist führt das erste Superuniversum, und obwohl er stets die göttliche Natur einer Urpersonifizierung des Unendlichen Geistes erkennen lässt, scheint er im Charakter ausgesprochener dem Universalen Vater zu gleichen. Er steht immer in persönlicher Verbindung mit den sieben Reflexiven Geisten auf der Hauptwelt des ersten Superuniversums. Hauptgeist Nummer Zwei. Dieser Geist ist ein adäquates Porträt der unvergleichlichen Natur und des bezaubernden Charakters des Ewigen Sohnes, des Erstgeborenen der ganzen Schöpfung. Er steht immer in enger Verbindung mit allen Ordnungen der Söhne Gottes, wann immer sich diese einzeln oder im fröhlichen Konklave im Residenzuniversum aufhalten. Bei allen Zusammenkünften der Sieben Hauptgeiste spricht er immer für den Ewigen Sohn und in dessen Namen. Dieser Geist führt die Geschicke des Superuniversums Nummer zwei und lenkt dieses weite Reich gerade so, wie der Ewige Sohn es tun würde. Er steht immer in Verbindung mit den sieben Reflexiven Geisten, die sich in der Kapitale des zweiten Superuniversums befinden. Hauptgeist Nummer Drei. Diese Geistpersönlichkeit gleicht in besonderer Weise dem Unendlichen Geist, und er lenkt die Bewegungen und Arbeiten vieler hoher Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. Er leitet ihre Versammlungen und ist eng verbunden mit allen Persönlichkeiten, die ihren Ursprung ausschließlich im Dritten Zentralen Ursprung haben. Wenn die Sieben Hauptgeiste Rat halten, ist es Hauptgeist Nummer Drei, der stets für den Unendlichen Geist spricht. Dieser Geist lenkt das Superuniversum Nummer drei und verwaltet die Angelegenheiten dieses Segmentes ganz so, wie der Unendliche Geist es tun würde. Er steht in ständiger Verbindung mit den Reflexiven Geisten am Hauptsitz des dritten Superuniversums. Hauptgeist Nummer Vier. Dieser Hauptgeist, der an den vereinigten Naturen des Vaters und des Sohnes teilhat, übt bei den Beratungen der Sieben Hauptgeiste einen entscheidenden Einfluss in allem aus, was Vater-Sohn-Politik und - Vorgehensweise betrifft. Dieser Geist ist der höchste Leiter und Ratgeber jener aufsteigenden Wesen, die den Unendlichen Geist erreicht haben und dadurch zu Anwärtern darauf, den Sohn und den Vater zu sehen, geworden sind. Er fördert die gewaltige Gruppe von Persönlichkeiten, die ihren Ursprung im Vater und im Sohn haben. Wenn es im Verband der Sieben Hauptgeiste nötig wird, den Vater und den Sohn zu vertreten, ist es immer Hauptgeist Nummer Vier, der spricht. Dieser Geist sorgt für das Gedeihen des vierten Segmentes des Großen Universums gemäß der besonderen, für ihn bezeichnenden Verbindung der Attribute des Universalen Vaters mit denen des Ewigen Sohnes. Er steht immer in persönlicher Verbindung mit den Reflexiven Geisten am Hauptsitz des vierten Superuniversums. Hauptgeist Nummer Fünf. Diese göttliche Persönlichkeit, in der sich die Charaktere des Universalen Vaters und des Unendlichen Geistes in erlesener Weise mischen, ist der Berater jener gewaltigen Gruppe von Wesen, die man als Machtlenker, Machtzentren und physische Überwacher kennt. Dieser Geist fördert auch alle Persönlichkeiten, die ihren Ursprung im Vater und im Mit-Vollzieher haben. Wenn sich bei den Beratungen der Sieben Hauptgeiste die Frage nach der Vater-Geist-Haltung stellt, ist es immer Hauptgeist Nummer Fünf, der spricht. Dieser Geist lenkt das fünfte Superuniversum zu dessen Wohl in einer Weise, die das gemeinsame Handeln des Universalen Vaters und des Unendlichen Geistes durchblicken lässt. Er steht immer in Verbindung mit den Reflexiven Geisten am Hauptsitz des fünften Superuniversums. Hauptgeist Nummer Sechs. Dieses göttliche Wesen scheint Ausdruck des vereinigten Charakters des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes zu sein. Wann immer sich die durch den Sohn und den Geist gemeinsam erschaffenen Geschöpfe im Zentraluniversum versammeln, ist dieser Hauptgeist ihr Ratgeber; und wann immer es bei den Beratungen der Sieben Hauptgeiste nötig wird, zugleich für den Ewigen Sohn und den Unendlichen Geist zu sprechen, ist es Hauptgeist Nummer Sechs, der antwortet. Dieser Geist leitet die Angelegenheiten des sechsten Superuniversums ganz so, wie der Ewige Sohn und der Unendliche Geist es tun würden. Er ist immer in Verbindung mit den Reflexiven Geisten am Hauptsitz des sechsten Superuniversums. Hauptgeist Nummer Sieben. Der dem siebenten Superuniversum vorstehende Geist ist ein einzigartig getreues Ebenbild des Universalen Vaters, des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes. Der Siebente Geist, Förderer und Berater aller Wesen dreieinigen Ursprungs, ist auch der Ratgeber und Leiter aller aufsteigenden Pilger von Havona, jener demütigen Wesen, die dank dem gemeinsamen Wirken des Vaters, des Sohnes und des Geistes die Höfe der Herrlichkeit erreicht haben. Der Siebente Hauptgeist ist kein organischer Repräsentant der Paradies-Trinität; aber dies ist eine bekannte Tatsache: Seine persönliche und geistige Natur ist das durch den Mit-Vollzieher erschaffene Ebenbild zu gleichen Teilen der drei unendlichen Personen, deren Gottheitvereinigung die Paradies-Trinität ist und deren Funktion als solche die Quelle der persönlichen und geistigen Natur des Supremen Gottes ist. Deshalb besitzt der Siebente Hauptgeist eine persönliche und organische Beziehung zur Geistperson des sich entwickelnden Supremen. Wenn es nun die in der Höhe versammelten Hauptgeiste für nötig erachten, bezüglich der gemeinsamen Haltung von Vater, Sohn und Geist abzustimmen oder die geistige Haltung des Supremen Wesens zu beschreiben, ist es Hauptgeist Nummer Sieben, der in Funktion tritt. Er wird dadurch ganz selbstverständlich zum Haupt und Vorsitzenden des Paradies-Rates der Sieben Hauptgeiste. Keiner der Sieben Geiste ist organischer Repräsentant der Paradies-Trinität, aber wenn sie sich als siebenfache Gottheit vereinigen, kommt diese Vereinigung in einem Gottheitssinne - nicht in einem persönlichen Sinne - einer Funktionsebene gleich, die sich mit Funktionen der Trinität verbinden lässt. In diesem Sinne kann sich der "Siebenfache Geist" funktionell mit der Paradies-Trinität verbinden. Und in diesem Sinne auch spricht der Hauptgeist Nummer Sieben manchmal, um Haltungen der Trinität zu bestätigen, oder handelt vielmehr als Sprecher für die Haltung der vereinigten Siebenfachen Geiste gegen-über der Haltung der vereinigten Dreifachen Gottheit, der Haltung der Paradies-Trinität. Somit erstrecken sich die zahlreichen Funktionen des Siebenten Hauptgeistes von der Porträtierung der vereinigten persönlichen Naturen von Vater, Sohn und Geist über die Repräsentation der persönlichen Haltung des Supremen Gottes bis zur Offenbarung der Gottheitshaltung der Paradies-Trinität. Und in gewisser Hinsicht ist dieser präsidierende Geist ebenso Ausdruck der Haltungen des Ultimen und des Suprem-Ultimen. Es ist der Hauptgeist Nummer Sieben mit seinen zahlreichen Fähigkeiten, der persönlich den Fortschritt der aufsteigenden Anwärter aus den Welten der Zeit bei ihren Versuchen unterstützt, zum Verständnis der ungeteilten Gottheit der Suprematie zu gelangen. Ein solches Verständnis beinhaltet das Erfassen der existentiellen Souveränität der Trinität der Suprematie, das mit der Vorstellung von der wachsenden erfahrungsmäßigen Souveränität des Supremen Wesens derart koordiniert ist, dass es dem Geschöpf erlaubt, die Einheit der Suprematie zu erkennen. Das Erfassen dieser drei Faktoren durch das Geschöpf bedeutet so viel wie havonisches Verstehen der Trinitätsrealität und verleiht dem Pilger der Zeit die Fähigkeit, schließlich in die Trinität einzudringen, die drei unendlichen Personen der Gottheit zu entdecken. Das Unvermögen der Havonapilger, den Supremen Gott gänzlich zu finden, wird durch den Siebenten Hauptgeist aufgewogen, dessen dreieinige Natur die Geistperson des Supremen in so besonderer Weise offenbart. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters der Unerreichbarkeit der Person des Supremen funktioniert der Hauptgeist Nummer Sieben anstelle des Gottes der aufsteigenden Geschöpfe auf dem Gebiet persönlicher Beziehungen. Er ist jenes hohe Geistwesen, das alle Aufsteiger mit Sicherheit erkennen und einigermaßen verstehen, wenn sie das Zentrum der Herrlichkeit erreichen. Dieser Hauptgeist steht immer in Verbindung mit den Reflexiven Geisten von Uversa, der Hauptwelt des Siebenten Superuniversums, eures eigenen Schöpfungssegmentes. Seine Verwaltung Orvontons offenbart die wunderbare Symmetrie der koordinierten Mischung der göttlichen Naturen von Vater, Sohn und Geist. ***** 16.4 Attribute und Funktionen der Hauptgeiste ***** Die Sieben Hauptgeiste sind die volle Repräsentation des Unendlichen Geistes für die evolutionären Universen. Sie repräsentieren den Dritten Zentralen Ursprung in den Beziehungen zwischen Energie, Verstand und Geist. Vergesst über der Tatsache, dass sie als die koordinierenden Oberhäupter der universalen administrativen Kontrolle des Mit-Vollziehers funktionieren nicht, dass sie ihren Ursprung in den Schöpferakten der Paradies-Gottheiten haben. Es ist buchstäblich so, dass diese Sieben Geiste die Personifizierung der physischen Macht, des kosmischen Verstandes und der geistigen Gegenwart der dreieinigen Gottheit sind, "die Sieben in das ganze Universum ausgesandten Geiste Gottes". Die Hauptgeiste sind darin einzigartig, dass sie auf allen Realitätsebenen des Universums außer der absoluten wirken. Aus diesem Grunde sind sie wirksame und vollkommene Leiter aller Phasen von Verwaltungsangelegenheiten auf allen Ebenen superuniverseller Aktivitäten. Es fällt dem menschlichen Verstand schwer, viel von den Hauptgeisten zu verstehen, weil ihre Arbeit so hochspezialisiert und doch so allumfassend, so außergewöhnlich materiell und zugleich so erlesen geistig ist. Diese vielseitigen Schöpfer des kosmischen Verstandes sind die Ahnen der Machtlenker des Universums und zugleich selber die höchsten Lenker der gewaltigen, unermesslichen Schöpfung geistiger Geschöpfe. Die Sieben Hauptgeiste sind die Schöpfer der Machtlenker des Universums und ihrer Mitarbeiter, von Wesenheiten, die zur Organisation, Kontrolle und Regulierung der physischen Energien des Großen Universums unentbehrlich sind. Und dieselben Hauptgeiste stehen den Schöpfersöhnen bei ihrer Arbeit der Gestaltung und Organisation der Lokaluniversen auf sehr materielle Weise bei. Wir sind außerstande, irgendeine persönliche Verknüpfung zwischen dem Wirken der Hauptgeiste auf dem Gebiet der kosmischen Energie und den Kraft-Funktionen des Eigenschaftslosen Absoluten auszumachen. Die Energiemanifestationen, die in den Zuständigkeitsbereich der Hauptgeiste fallen, werden alle von der Peripherie des Paradieses aus gelenkt; sie scheinen in keinem direkten Zusammenhang mit den Kraftphänomenen zu stehen, die mit der unteren Paradiesoberfläche identifiziert werden. Wenn wir den praktischen Aktivitäten der verschiedenen Morontiellen Machtüberwacher begegnen, stehen wir fraglos bestimmten nicht enthüllten Aktivitäten der Hauptgeiste gegenüber. Wer, außer diesen Stammvätern sowohl der Materie-Überwacher als auch der geistigen Diener hätte es fertig bringen können, materielle und geistige Energien so miteinander zu kombinieren und zu verbinden, dass dabei eine bis dahin nicht existente Phase universaler Realität - morontielle Substanz und morontieller Verstand - herauskam? Viele Realitäten der geistigen Welten gehören dem morontiellen Bereich an, einer auf Urantia völlig unbekannten Phase universaler Realität. Das Ziel der Persönlichkeitsexistenz ist geistig, aber stets treten die morontiellen Schöpfungen dazwischen, um den Abgrund zwischen den materiellen Ursprungswelten der Sterblichen und den superuniversellen Sphären fortschreitenden geistigen Status zu überbrücken. Und gerade in diesem Bereich leisten die Hauptgeiste ihren großen Beitrag zum Plan des menschlichen Aufstiegs zum Paradies. Die Sieben Hauptgeiste haben persönliche Stellvertreter, die überall im Großen Universum wirken; aber da die große Mehrheit dieser untergeordneten Wesen vom aufsteigenden Fortschrittsplan der Sterblichen auf dem Pfad zur paradiesischen Vollkommenheit nicht direkt betroffen ist, ist über sie wenig oder gar nichts enthüllt worden. Vieles, sehr vieles von den Aktivitäten der Sieben Hauptgeiste bleibt menschlichem Begreifen verborgen, da es in keiner Weise direkt euer Problem des Aufstiegs zum Paradies betrifft. Obwohl wir dafür keinen endgültigen Beweis liefern können, ist es höchst wahrscheinlich, dass der Hauptgeist von Orvonton in den folgenden Aktivitätsbereichen einen entscheidenden Einfluss ausübt: 1. Die Verfahren der Lebensbringer des Lokaluniversums zur Einführung des Lebens. 2. Die Lebensaktivierungen der den Welten vom Schöpferischen Geist eines Lokaluniversums verliehenen mentalen Hilfsgeiste. 3. Die Fluktuationen der Energiemanifestationen, welche die auf die lineare Gravitation ansprechenden Einheiten der organisierten Materie zeigen. 4. Das Verhalten der erwachenden Energie, die, nachdem sie vom Zugriff des Eigenschaftslosen Absoluten völlig frei geworden ist, auf den direkten Einfluss der linearen Gravitation und auf die Manipulationen der Universums-Machtlenker und ihrer Mitarbeiter reagieren kann. 5. Die Vergabe des wirkenden Geistes, der auf Urantia Heiliger Geist genannt wird, durch den Schöpferischen Geist eines Lokaluniversums. 6. Die spätere Vergabe des Geistes der Söhne der Selbsthingabe, den man auf Urantia Tröster oder Geist der Wahrheit nennt. 7. Der Reflexivitätsmechanismus der Lokaluniversen und des Superuniversums. Viele Besonderheiten im Zusammenhang mit diesem außerordentlichen Phänomen können kaum vernünftig erklärt oder rational verstanden werden, ohne die Aktivität der Hauptgeiste in Verbindung mit dem Mit-Vollzieher und dem Supremen Wesen anzunehmen. Trotz unseres Unvermögens, das vielfältige Wirken der Sieben Hauptgeiste hinreichend zu begreifen, sind wir überzeugt, dass es im universellen Betätigungsfeld zwei Bereiche gibt, mit denen sie überhaupt nichts zu tun haben: die Vergabe und das Wirken der Gedankenjustierer und die unergründlichen Funktionen des Eigenschaftslosen Absoluten. ***** 16.5 Beziehung zu den Geschöpfen ***** Jedes Segment des Großen Universums, jedes Einzeluniversum und jede Welt erfreut sich der Wohltaten des vereinten Ratschlusses und der Weisheit aller Sieben Hauptgeiste, empfängt aber nur eines einzigen persönliche Note und Färbung. Und diese persönliche Natur jedes Hauptgeistes durchdringt sein Superuniversum vollkommen und prägt es auf einmalige Weise. Wegen dieses persönlichen Einflusses der Sieben Hauptgeiste muss außerhalb des Paradieses und Havonas jedes Geschöpf jeder Ordnung intelligenter Wesen jenen individuellen Stempel tragen, der auf die Ahnennatur eines der Sieben Paradies-Geiste hinweist. Was die sieben Superuniversen anbelangt, so wird jedes einheimische Geschöpf, ob Mensch oder Engel, für immer dieses Zeichen tragen, das sein Geburtsreich identifiziert. Die Sieben Hauptgeiste durchdringen den materiellen Verstand der individuellen Geschöpfe auf den evolutionären Welten des Raums nicht unmittelbar. Die Sterblichen Urantias erfahren nicht die persönliche Gegenwart des mental-geistigen Einflusses des Hauptgeistes von Orvonton. Wenn dieser Hauptgeist während der früheren evolutionären Zeitalter einer bewohnten Welt tatsächlich irgendeine Art von Kontakt mit einem individuellen sterblichen Verstand erreicht, dann musste es durch den Dienst des Schöpferischen Geistes des Lokaluniversums geschehen, durch die Gefährtin und Mitarbeiterin des Schöpfersohnes Gottes, der die Geschicke einer Lokalschöpfung lenkt. Aber dieser Schöpferische Muttergeist ist in Wesen und Charakter ganz wie der Hauptgeist von Orvonton. Der physische Stempel eines Hauptgeistes ist ein Teil des materiellen Ursprungs des Menschen. Die ganze morontielle Laufbahn wird unter dem ständigen Einfluss dieses selben Hauptgeistes durchlebt. Es ist kaum verwunderlich, dass die spätere geistige Laufbahn eines aufsteigenden Sterblichen den charakteristischen Stempel ebendieses lenkenden Geistes nie ganz zum Verschwinden bringt. Die Prägung durch einen Hauptgeist ist einfach fundamental für die Existenz auf jedem vorhavonischen Abschnitt des menschlichen Aufstiegs. Die unterschiedlichen, für jedes Superuniversum charakteristischen Neigungen der Persönlichkeit, die die evolutionären Sterblichen bei ihrer Lebenserfahrung an den Tag legen und die ein direkter Ausdruck der Natur des dominierenden Hauptgeistes sind, werden nie völlig verblassen, nicht einmal nachdem die Aufsteiger durch die lange Schulung und einigende Disziplin hindurchgegangen sind, die ihnen auf der Milliarde Erziehungssphären Havonas zuteil wird. Selbst die anschließende intensive Kultur des Paradieses genügt nicht, um die Merkmale des superuniversellen Ursprungs auszumerzen. In aller Ewigkeit wird ein aufsteigender Sterblicher Wesenszüge erkennen lassen, die den lenkenden Geist seines heimatlichen Superuniversums verraten. Und selbst wenn sich im Korps der Finalität der Wunsch meldet, zu einer vollständigen Trinitätsbeziehung zu der evolutionären Schöpfung zu gelangen oder eine solche zu veranschaulichen, vereinigen sich immer sieben Finalisten zu einer Gruppe, je einer aus jedem Superuniversum. ***** 16.6 Der Kosmische Verstand ***** Die Hauptgeiste sind der siebenfache Quell des kosmischen Verstandes, sie sind das intellektuelle Potential des Großen Universums. Der kosmische Verstand ist eine unterabsolute Verstandesmanifestation des Dritten Zentralen Ursprungs und steht in gewisser Hinsicht funktionell mit dem Verstand des sich entwickelnden Supremen Wesens in Beziehung. Auf einer Welt wie Urantia begegnen wir in den Angelegenheiten der menschlichen Rassen nicht dem direkten Einfluss der Sieben Hauptgeiste. Ihr lebt unter dem unmittelbaren Einfluss des Schöpferischen Geistes von Nebadon. Nichtsdestoweniger beherrschen diese Hauptgeiste die grundlegenden Verstandesreaktionen aller Geschöpfe, da sie die wirkliche Quelle der intellektuellen und geistigen Potentiale sind, die in den Lokaluniversen für ihr Wirken im Leben der individuellen Bewohner der evolutionären Welten von Zeit und Raum eine Spezialisierung erfahren haben. Die Tatsache des kosmischen Verstandes erklärt die Verwandtschaft zwischen verschiedenen menschlichen und übermenschlichen Verstandestypen. Nicht nur verwandte Geister fühlen sich zueinander hingezogen, auch verwandte Mentalitäten sind sehr brüderlich und geneigt, miteinander zu arbeiten. Man beobachtet manchmal, wie menschliche Intellekte sich mit unerklärlicher Übereinstimmung in erstaunlich ähnlichen Kanälen bewegen. Es gibt in allen Verbindungen des kosmischen Verstandes mit der Persönlichkeit eine Qualität, die man als "Ansprechbarkeit auf die Realität" bezeichnen könnte. Diese universale kosmische Begabung der Willensgeschöpfe ist es, was sie davor bewahrt, zu hilflosen Opfern der als selbstverständlich vorausgesetzten Annahmen von Wissenschaft, Philosophie und Religion zu werden. Diese Realitäts-Sensibilität des kosmischen Verstandes spricht auf gewisse Phasen der Realität gerade so an, wie Energie-Materie auf die Gravitation anspricht. Es wäre noch zutreffender zu sagen, dass diese übermateriellen Realitäten in dieser Weise auf den Verstand des Kosmos ansprechen. Der kosmische Verstand antwortet (erkennt die Antwort) unfehlbar auf drei Ebenen universeller Realität. Für klar überlegende und tief denkende Intelligenzen sind diese Antworten sich selber Beweis. Die drei Realitätsebenen sind: 1. Kausalität - der Realitätsbereich der physischen Sinne, das wissenschaftliche Feld logischer Uniformität, die Unterscheidung der Tatsachen von den Nicht-Tatsachen, Überlegungen und Schlüsse, die sich auf die kosmische Reaktion gründen. Das ist die mathematische Form kosmischen Urteilsvermögens. 2. Pflicht - der Realitätsbereich des Sittlichen in der Philosophie, das Feld der Vernunft, die Erkenntnis von relativ Richtigem und Falschem. Das ist die kritische Form kosmischer Urteilsfähigkeit. 3. Religiöse Verehrung - der geistige Realitätsbereich religiöser Erfahrung, das persönliche Gewahrwerden göttlicher Kameradschaft, die Erkenntnis geistiger Werte, das sichere Wissen um das ewige Fortleben, der Aufstieg vom Rang von Dienern Gottes in die Freude und Freiheit der Söhne Gottes. Das ist die höchste Erkenntnis des kosmischen Verstandes, die verehrende und anbetende Form kosmischen Urteilsvermögens. Diese wissenschaftlichen, sittlichen und geistigen Erkenntnisse, diese kosmischen Antworten sind dem kosmischen Verstand, mit dem alle Willensgeschöpfe begabt sind, eingeboren. Die Lebenserfahrung verfehlt nie, diese drei kosmischen Intuitionen zu entwickeln; sie bilden das aus überlegtem Denken hervorgegangene Selbstbewusstsein. Aber es ist traurig, feststellen zu müssen, dass auf Urantia nur so wenige Menschen daran Gefallen finden, diese Art mutigen und unabhängigen kosmischen Denkens zu pflegen. In der Verstandesvergabe eines Lokaluniversums bilden diese drei Erkenntnisse des kosmischen Verstandes die Voraussetzungen, die es dem Menschen ermöglichen, auf den Gebieten der Wissenschaft, Philosophie und Religion als vernünftige und selbstbewusste Persönlichkeiten zu funktionieren. Anders ausgedrückt geschieht die Erkenntnis der Realität dieser drei Manifestationen des Unendlichen durch eine kosmische Technik der Selbstoffenbarung. Materie-Energie wird durch die mathematische Logik der Sinne erkannt; Verstand-Vernunft kennt intuitiv ihre sittliche Pflicht; Geist-Glaube (Anbetung) ist die Religion der Realität geistiger Erfahrung. Diese drei Grundfaktoren überlegten Denkens können in der Persönlichkeitsentwicklung geeint und koordiniert werden, oder aber disproportioniert werden, wobei dann ihre jeweiligen Funktionen praktisch keine Beziehungen untereinander haben. Aber wenn sie geeint werden, bewirken sie einen starken Charakter, in welchem eine auf Tatsachen beruhende Wissenschaft, eine sittliche Philosophie und eine echte religiöse Erfahrung in wechselseitiger Beziehung stehen. Und es sind diese drei kosmischen Intuitionen, die der menschlichen Erfahrung mit den Dingen, Bedeutungen und Werten objektive Gültigkeit, Realität, verleihen. Ziel der Erziehung ist es, diese angeborenen Gaben des menschlichen Verstandes zu entwickeln und zu schärfen, Ziel der Zivilisation, sie auszudrücken, Ziel der Lebenserfahrung, sie zu verwirklichen, Ziel der Religion, sie zu veredeln, und Ziel der Persönlichkeit, sie zu einen. ***** 16.7 Sittlichkeit, Tugend und Persönlichkeit ***** Intelligenz allein kann die sittliche Natur nicht erklären. Sittlichkeit, Tugend, ist der menschlichen Persönlichkeit eingeboren. Sittliche Intuition, Pflichtbewusstsein, ist eine Komponente der menschlichen mentalen Begabung und ist mit den übrigen unveräußerlichen Gütern der menschlichen Natur verbunden: mit wissenschaftlicher Neugier und geistiger Erkenntnis. Die Mentalität des Menschen übersteigt bei weitem diejenige seiner tierischen Vettern, aber seine sittliche und geistige Natur sind es, die ihn insbesondere von der Tierwelt unterscheiden. Die selektive Antwort eines Tieres beschränkt sich auf die motorische Verhaltensebene. Die in den höheren Tieren vermutete Erkenntnis findet auf einer motorischen Ebene statt und erscheint gewöhnlich erst nach erfolgter motorischer Auswahl und nach Irrtümern. Der Mensch ist schon vor allem Forschen und Experimentieren zu wissenschaftlicher, sittlicher und geistiger Erkenntnis fähig. Nur eine Persönlichkeit kann wissen, was sie tut, bevor sie es tut; nur Persönlichkeiten besitzen Erkenntnis vor aller Erfahrung. Eine Persönlichkeit kann schauen, bevor sie springt und kann deshalb ebenso gut durch Schauen wie durch Springen lernen. Ein nichtpersönliches Tier lernt gewöhnlich nur durch Springen. Nach gemachter Erfahrung wird ein Tier fähig, die verschiedenen Mittel, ein Ziel zu erreichen, zu untersuchen und aufgrund der angesammelten Erfahrung einen Weg zu wählen. Aber eine Persönlichkeit kann auch das Ziel selber untersuchen und beurteilen, ob es der Mühe wert ist - seinen Wert beurteilen. Bloße Intelligenz kann die besten Mittel ausmachen, um unkritisch betrachtete Zwecke zu erreichen, aber ein sittliches Wesen besitzt eine innere Schau, die es befähigt, sowohl zwischen den Zwecken als auch den Mitteln zu unterscheiden. Und wenn ein sittliches Wesen die Tugend wählt, ist es nichtsdestoweniger intelligent. Es weiß, was es tut, warum es etwas tut, wohin es geht und wie es dahin gelangen wird. Wenn es dem Menschen nicht gelingt, den Zweck seines sterblichen Strebens zu erkennen, funktioniert er auf der tierischen Existenzebene. Er hat es nicht verstanden, Gebrauch zu machen von den höheren Vorteilen jenes materiellen Scharfsinns, jenes sittlichen Unterscheidungsvermögens und jener geistigen Schau, die integrierende Bestandteile des ihm als persönlichem Wesen verliehenen kosmischen Verstandes sind. Tugend ist Rechtschaffenheit - Übereinstimmung mit dem Kosmos. Die Tugenden mit Namen zu nennen, definiert sie noch nicht, aber sie zu leben, heißt, sie zu kennen. Tugend ist nicht nur Wissen oder auch Weisheit, sondern vielmehr die Realität einer fortschreitenden Erfahrung, die aufsteigende Ebenen kosmischen Vollbringens erreicht. Im täglichen Leben des sterblichen Menschen verwirklicht sich die Tugend durch die konsequente Wahl des Guten anstelle des Bösen, und eine solche Fähigkeit zur Wahl ist der Beweis für den Besitz einer sittlichen Natur. Des Menschen Wahl zwischen Gut und Böse wird nicht allein durch seine ausgeprägte sittliche Natur beeinflusst, sondern unterliegt auch Einwirkungen wie Unwissenheit, Unreife und Wahn. Bei der Übung der Tugend kommt auch ein Sinn für Proportionen ins Spiel, denn Übel kann dadurch angerichtet werden, dass aus verzerrter Sicht oder durch Täuschung anstelle des Größeren das Geringere gewählt wird. Bei der Praxis der Tugenden des sittlichen Bereichs spielt die Kunst relativen Einschätzens oder vergleichenden Abwägens eine Rolle. Des Menschen sittliche Natur wäre ohnmächtig ohne die Kunst des Abwägens, ohne das Unterscheidungsvermögen, das auf seiner Fähigkeit beruht, Bedeutungen zu erforschen. Ebenso wäre eine sittliche Wahl aussichtslos ohne jene kosmische Erkenntnis, die das Bewusstsein geistiger Werte beschert. Vom Standpunkt der Intelligenz aus gesehen, steigt der Mensch zu der Ebene eines sittlichen Wesens auf, weil er mit Persönlichkeit begabt ist. Sittlichkeit kann niemals durch Gesetze oder Gewalt gefördert werden. Sie ist eine persönliche und freiwillige Angelegenheit, und sie muss sich ausbreiten durch den ansteckend wirkenden Kontakt zwischen Personen, die einen sittlichen Duft verströmen, und solchen, die ein geringeres Gespür für Sittliches haben, aber ebenfalls in gewissem Grad den Willen des Vaters zu tun wünschen. Sittliche Akte sind jene menschlichen Leistungen, die sich durch höchste Intelligenz charakterisieren und von genauem Unterscheidungsvermögen leiten lassen, sowohl bei der Wahl höherer Ziele als auch bei der Suche nach sittlichen Mitteln zur Erreichung dieser Ziele. Ein solches Verhalten ist tugendhaft. Höchste Tugend ist es also, sich von ganzem Herzen dafür zu entscheiden, den Willen des Vaters im Himmel zu tun. ***** 16.8 Die Persönlichkeit auf Urantia ***** Der Universale Vater teilt Persönlichkeit an zahlreiche Ordnungen von Wesen aus, die auf verschiedenen Ebenen universaler Realität wirken. Die menschlichen Wesen Urantias sind mit einem endlich-sterblichen Persönlichkeitstyp ausgestattet, der auf der Ebene der aufsteigenden Söhne Gottes funktioniert. Zwar können wir es schwerlich wagen, Persönlichkeit zu definieren, aber wir können eine Darlegung unseres Verständnisses derjenigen bekannten Faktoren versuchen, die das Ganze materieller, mentaler und geistiger Energien aufbauen, deren Zusammenwirken den Mechanismus bildet, in, auf und mit welchem zu arbeiten der Universale Vater die von ihm geschenkte Persönlichkeit veranlasst. Persönlichkeit ist eine einzigartige Gabe ursprünglicher Natur, die unabhängig von der Verleihung eines Gedankenjustierers existiert und dieser vorausgeht. Trotzdem verstärkt die Gegenwart des Justierers die qualitative Manifestation der Persönlichkeit. Wenn die Gedankenjustierer vom Vater herkommen, sind sie identischer Natur, aber Persönlichkeit ist verschieden, original und exklusiv; und des Weiteren wird die Persönlichkeitsmanifestation bedingt und geprägt durch Natur und Eigenschaften der mit ihr verbundenen Energien materieller, verstandesmäßiger und geistiger Natur, die den tragenden Organismus, das Ausdrucksmittel der Persönlichkeit, bilden. Persönlichkeiten können einander ähnlich sein, aber nie sind sie gleich. Personen einer bestimmten Serie, Ordnung, eines bestimmten Typs oder Urmusters können einander gleichen und tun es auch, aber nie sind sie identisch. Persönlichkeit ist jener Zug eines Einzelnen, den wir kennen und der uns in die Lage versetzt, dieses Wesen irgendwann in der Zukunft zu identifizieren, unabhängig von Natur und Ausmaß der Veränderungen, die in seiner Gestalt, seinem Intellekt und geistigen Rang vorgegangen sind. Die Persönlichkeit ist jener Teil eines Einzelwesens, der uns befähigt, diese Person als dieselbe zu erkennen und eindeutig zu identifizieren, die wir früher gekannt haben, gleichgültig wie sehr sie sich verändert haben mag, weil der Ausdrucks- und Manifestationsträger ihrer Persönlichkeit sich gewandelt hat. Die Geschöpfespersönlichkeit zeichnet sich durch zwei sie manifestierende, charakteristische Phänomene menschlichen reaktiven Verhaltens aus: durch das Selbstbewusstsein und den damit verbundenen freien Willen. Das Selbstbewusstsein besteht in der intellektuellen Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeitswirklichkeit; es schließt die Fähigkeit ein, die Realität anderer Persönlichkeiten zu erkennen. Es lässt das Vermögen erkennen, in und mit den kosmischen Realitäten individualisierte Erfahrungen zu machen, was gleichbedeutend ist mit dem Erreichen des Identitätsstatus in den Persönlichkeitsbeziehungen des Universums. Selbstbewusstsein bedeutet, dass man die Wirklichkeit der Verstandesarbeit erkennt und der relativen Unabhängigkeit des schöpferischen und bestimmenden freien Willens innewird. Der relative freie Wille, der das Selbstbewusstsein der menschlichen Persönlichkeit charakterisiert, ist an Folgendem mitbeteiligt: 1. Sittliche Entscheidung, höchste Weisheit. 2. Geistige Wahl, Erkennen der Wahrheit. 3. Selbstlose Liebe, Dienst an den Brüdern. 4. Zielbewusste Zusammenarbeit, Loyalität in der Gruppe. 5. Kosmische Schau, das Erfassen universaler Bedeutungen. 6. Hingabe der Persönlichkeit, die von ganzem Herzen kommende Bereitschaft, des Vaters Willen zu tun. 7. Anbetung, das ehrliche Streben nach göttlichen Werten und die von Herzen kommende Liebe zum göttlichen Werte-Spender. Man kann den urantianischen Typus menschlicher Persönlichkeit folgendermaßen beschreiben: Der physische Mechanismus, in dem er funktioniert, ist die planetarische Modifikation des nebadonschen Organismentyps, welcher jener elektrochemischen Ordnung der Lebensaktivierung angehört und mit jenem elterlichen Fortpflanzungs-Urmuster ausgestattet ist, die die Nebadon-Variante der Orvonton-Serie des kosmischen Verstandes darstellen. Die Vergabe des göttlichen Geschenks der Persönlichkeit an einen solchen mit Verstand begabten sterblichen Mechanismus verleiht ihm die Würde kosmischer Bürgerschaft und befähigt dieses sterbliche Geschöpf hinfort, auf die drei grundlegenden mentalen Realitäten des Kosmos anzusprechen und sie zu erkennen: 1. Die mathematische oder logische Erkenntnis der Uniformität physischer Kausalität. 2. Die wohlüberlegte Anerkennung der Verpflichtung zu sittlichem Verhalten. 3. Das auf Glauben beruhende Erfassen des verehrenden Umgangs mit der Gottheit, verbunden mit liebendem Dienst an der Menschheit. Das volle Funktionieren einer solchen Persönlichkeitsbegabung ist die beginnende Verwirklichung der Gottheit-Verwandtschaft. Ein solches Selbst, dem ein vorpersönliches Fragment von Gott dem Vater innewohnt, ist in Tat und Wahrheit ein geistiger Sohn Gottes. Ein solches Geschöpf zeigt nicht nur die Fähigkeit, die Gabe der göttlichen Gegenwart zu empfangen, sondern lässt auch eine sensible Reaktion auf den Kreis der Persönlichkeitsgravitation des Paradies-Vaters aller Persönlichkeiten erkennen. ***** 16.9 Realität des menschlichen Bewusstseins ***** Das mit kosmischem Verstand begabte, von einem Justierer bewohnte Geschöpf besitzt die angeborene Fähigkeit, die Realität der Energie, die Realität des Verstandes und die Realität des Geistes zu erkennen, sich ihrer bewusst zu werden. Das Willensgeschöpf ist somit in der Lage, die Tatsache, das Gesetz und die Liebe Gottes zu erkennen. Abgesehen von diesen Unveräußerlichkeiten des menschlichen Bewusstseins ist alle menschliche Erfahrung tatsächlich subjektiv, außer dass intuitives Erfassen von Gültigem beiträgt zur Einigung dieser drei aus kosmischer Erkenntnis gewonnenen Antworten auf die Universumsrealität. Der Gott erkennende Sterbliche ist imstande, den Einigungswert dieser drei kosmischen Eigenschaften in der Entwicklung der fortlebenden Seele zu fühlen, und diese Entwicklung ist des Menschen allerhöchstes Unternehmen in seinem physischen Gehäuse, wo der sittliche Verstand mit dem innewohnenden göttlichen Geist zusammen an der Schaffung der unsterblichen Seele arbeitet. Vom ersten Augenblick an ist die Seele real; sie besitzt die Eigenschaften zu kosmischem Fortleben. Wenn dem sterblichen Menschen das Fortleben nach dem natürlichen Tod misslingt, leben die wahren geistigen Werte seiner menschlichen Erfahrung als ein Teil der fortdauernden Erfahrung des Gedankenjustierers weiter. Die Persönlichkeitswerte eines solchen Nicht-Fortlebenden bestehen weiter als ein Faktor in der Persönlichkeit des sich verwirklichenden Supremen Wesens. Solch fortdauernde Persönlichkeitsqualitäten entbehren der Identität, nicht aber der während des irdischen Lebens angesammelten Erfahrungswerte. Das Fortleben der Identität hängt vom Fortleben der unsterblichen Seele ab, die morontiellen Status und wachsenden göttlichen Wert besitzt. Die Identität der Persönlichkeit überlebt mit und dank dem Fortleben der Seele. Menschliches Selbstbewusstsein schließt die Anerkennung der Realität anderer Ichs ein, die vom bewussten Ich verschieden sind, und beinhaltet ferner, dass solche Erkenntnis gegenseitig ist, dass das Ich ebenso gekannt werden kann, wie es kennen kann. Das zeigt sich auf rein menschliche Weise im gesellschaftlichen Leben der Menschen. Aber hinsichtlich der Realität eines Mitmenschen könnt ihr nie zu so absoluter Gewissheit gelangen wie hinsichtlich der Realität der Gegenwart Gottes, der in euch lebt. Das soziale Bewusstsein ist nicht unveräußerlich wie das Gottesbewusstsein; es ist eine kulturelle Entwicklung und hängt ab vom Wissen, von Symbolen und von den Beiträgen der den Menschen ausmachenden Begabungen - Wissenschaft, Sittlichkeit und Religion. Und diese kosmischen Gaben bilden, wenn sozialisiert, die Zivilisation. Zivilisationen sind unbeständig, weil sie nicht kosmisch sind; sie sind den Einzelwesen der Rassen nicht angeboren. Ständig müssen sie genährt werden durch das, was die den Menschen ausmachenden Faktoren - Wissenschaft, Sittlichkeit und Religion - gemeinsam beisteuern. Zivilisationen kommen und gehen, aber Wissenschaft, Sittlichkeit und Religion überleben jeden Zusammenbruch. Jesus machte nicht nur eine Offenbarung Gottes an den Menschen, sondern auch eine neue Offenbarung des Menschen an sich selber und an die anderen Menschen. In Jesu Leben könnt ihr den Menschen in seiner Höchstform sehen. In Jesu Leben wird der Mensch so wunderbar wirklich, weil darin so viel von Gott lag, und das Gewahren (Erkennen) Gottes ist ein unveräußerliches und grundlegendes Gut aller Menschen. Selbstlosigkeit ist, vom elterlichen Instinkt abgesehen, nicht etwas ganz und gar Natürliches; es liegt nicht in der Natur, dass man andere Personen liebt oder ihnen soziale Dienste erweist. Die Erleuchtung durch Verstand und Sittlichkeit und der religiöse Antrieb, die Kenntnis Gottes sind vonnöten, um eine selbstlose und altruistische Gesellschaftsordnung hervorzurufen. Des Menschen Bewusstsein von seiner eigenen Persönlichkeit, sein Selbstbewusstsein, hängt auch direkt gerade von dieser Tatsache des angeborenen Wissens um den anderen ab, von der angeborenen Fähigkeit, die Realität anderer Persönlichkeiten, menschlicher bis göttlicher, wahrzunehmen und zu erfassen. Selbstloses soziales Bewusstsein muss letztlich ein religiöses Bewusstsein sein, d. h. wenn es objektiv gesehen selbstlos ist. Ansonsten ist es nur eine rein subjektive philosophische Abstraktion und entbehrt deshalb der Liebe. Nur ein Gott kennendes Wesen kann eine andere Person lieben wie sich selbst. Selbstbewusstsein ist im Wesentlichen ein Gemeinschaftsbewusstsein: Gott und Mensch, Vater und Sohn, Schöpfer und Geschöpf. Im menschlichen Selbstbewusstsein sind vier Verwirklichungen der Universumsrealität latent und angeboren vorhanden: 1. Das Streben nach Wissen, die Logik der Wissenschaft. 2. Das Streben nach sittlichen Werten, das Pflichtbewusstsein. 3. Das Streben nach geistigen Werten, die religiöse Erfahrung. 4. Das Streben nach Persönlichkeitswerten, die Fähigkeit, die Realität Gottes als einer Persönlichkeit zu erkennen, und die damit einhergehende Erkenntnis unserer brüderlichen Beziehung zu den Persönlichkeiten unserer Mitmenschen. Ihr werdet euch des Menschen als eures Geschöpfesbruders bewusst, weil ihr euch bereits Gottes als eures Schöpfervaters bewusst seid. Vaterschaft ist die Beziehung, von welcher aus unser Verstand zur Anerkennung der Bruderschaft vorstößt. Und die Vaterschaft wird für alle sittlichen Geschöpfe zu einer Universumsrealität oder kann es werden, weil der Vater selber die Persönlichkeit an all diese Wesen ausgeteilt hat, die er, sie an sich ziehend, in seinen universalen Persönlichkeitskreis aufgenommen hat. Wir beten Gott zuerst an, weil er ist, dann, weil er in uns ist, und zuletzt, weil wir in ihm sind. Kann es wirklich verwundern, dass der kosmische Verstand in sich selbst das Bewusstsein seines eigenen Ursprungs, des unendlichen Verstandes des Unendlichen Geistes trägt, und sich zugleich der materiellen Realität eines sich ins Unendliche dehnenden Universums, der geistigen Realität des Ewigen Sohnes und der Realität der Persönlichkeit des Universalen Vaters bewusst ist? [Dargeboten von einem Universellen Zensor aus Uversa.] ****** Kapitel 17 Die sieben Gruppen Supremer Geiste ****** DIE sieben Gruppen Supremer Geiste sind die universell koordinierenden Leiter der Verwaltung der sieben Segmente des Großen Universums. Obwohl man sie alle in die funktionelle Familie des Unendlichen Geistes einordnet, zählt man die drei folgenden Gruppen gewöhnlich zu den Kindern der Paradies-Trinität: 1. Die Sieben Hauptgeiste. 2. Die Sieben Supremen Vollzieher. 3. Die Reflexiven Geiste. Die übrigen vier Gruppen werden durch die schöpferischen Akte des Unendlichen Geistes oder durch seine schöpferischen Status besitzenden Mitarbeiter ins Dasein gebracht: 4. Die Reflexiven Bild-Helfer. 5. Die Sieben Geiste der Kreise. 6. Die Schöpferischen Geiste der Lokaluniversen. 7. Die Mentalen Hilfsgeiste. Diese sieben Ordnungen kennt man auf Uversa als die sieben Gruppen Supremer Geiste. Ihr Wirkungsfeld erstreckt sich von der persönlichen Gegenwart der Sieben Hauptgeiste an der Peripherie der ewigen Insel über die sieben Paradies-Satelliten des Geistes, die Kreise Havonas, die Regierungen der Superuniversen und die Verwaltung und Überwachung der Lokaluniversen bis hinunter zum bescheidenen Dienst der Hilfsgeiste, die sich auf den Welten von Zeit und Raum dem Bereich des evolutionären Verstandes widmen. Die Sieben Hauptgeiste sind die koordinierenden Lenker dieses unermesslichen Verwaltungsreichs. Auf einigen Gebieten, die die administrative Regulierung von organisierter materieller Macht, mentaler Energie und unpersönlichem geistigem Dienst betreffen, handeln sie persönlich und direkt, während sie auf anderen Gebieten durch ihre mannigfaltigen Mitarbeiter wirken. In allen Angelegenheiten exekutiven Charakters-bei Erlassen, Regelungen, Anpassungen und administrativen Entscheidungen-handeln die Hauptgeiste durch die Personen der Sieben Supremen Vollzieher. Im Zentraluniversum wirken die Hauptgeiste durch die Sieben Geiste der Havona-Kreise; auf den Hauptwelten der sieben Superuniversen offenbaren sie sich durch den Kanal der Reflexiven Geiste und handeln durch die Personen der Ältesten der Tage, mit denen sie über die Reflexiven Bild-Helfer in persönlicher Verbindung stehen. Die Sieben Hauptgeiste unterhalten keinen direkten und persönlichen Kontakt mit der Universumsverwaltung unterhalb der Tribunale der Ältesten der Tage. Euer Lokaluniversum wird als ein Teil unseres Superuniversums durch den Hauptgeist von Orvonton verwaltet, aber dessen Funktion gegenüber den aus Nebadon gebürtigen Wesen wird unmittelbar durch den auf Salvington, dem Hauptsitz eures Lokaluniversums residierenden, lenkenden Schöpferischen Muttergeist persönlich ausgeübt. ***** 17.1 Die Sieben Supremen Vollzieher ***** Die Exekutivsitze der Hauptgeiste beanspruchen die sieben Paradies Satelliten des Unendlichen Geistes, die sich zwischen den leuchtenden Sphären des Ewigen Sohnes und dem innersten Kreis Havonas um die zentrale Insel herum bewegen. Diese exekutiven Sphären unterstehen der Leitung der Supremen Vollzieher, einer Siebenergruppe, die durch den Vater, den Sohn und den Geist trinitisiert wurde nach den genauen Vorstellungen der Sieben Hauptgeiste von Wesen, die als ihre universellen Repräsentanten zu wirken hätten. Die Hauptgeiste halten den Kontakt mit den verschiedenen Abteilungen der Superuniversums-Regierungen über diese Supremen Vollzieher aufrecht. Diese sind es, die sehr weitgehend die grundlegenden Marschrichtungen der sieben Superuniversen bestimmen. Sie sind auf uniforme und göttliche Weise vollkommen, aber auch sie besitzen unterschiedliche Persönlichkeiten. Sie haben kein Oberhaupt; jedes Mal, wenn sie zusammenkommen, wählen sie einen aus ihrer Mitte zum Vorsitzenden der gemeinsamen Tagung. Sie begeben sich in regelmäßigen Abständen zu Beratungen mit den Sieben Hauptgeisten ins Paradies. Die Sieben Supremen Vollzieher wirken als verwaltende Koordinatoren des Großen Universums; man könnte sie als das Gremium der Hauptgeschäftsführer der Nach-Havona-Schöpfung bezeichnen. Die inneren Angelegenheiten des Paradieses betreffen sie nicht, und in ihrem beschränkten havonischen Aktivitätsbereich wirken sie durch die Sieben Geiste der Kreise. Im Übrigen sind der Reichweite ihrer Überwachung wenig Grenzen gesetzt; sie beschäftigen sich mit der Leitung materieller, intellektueller und geistiger Dinge; sie sehen alles, hören alles, fühlen alles und wissen sogar alles, was in den sieben Superuniversen und in Havona vor sich geht. Diese Supremen Vollzieher denken keine politischen Linien aus, noch modifizieren sie universelle Verfahrensweisen; ihre Aufgabe ist die Ausführung der von den Sieben Hauptgeisten erlassenen Pläne der Göttlichkeit. Ebenso wenig mischen sie sich in das Regieren der Ältesten der Tage in den Superuniversen ein oder tasten sie die Souveränität der Schöpfersöhne in den Lokaluniversen an. Sie sind die koordinierenden Exekutivorgane, deren Funktion es ist, die kombinierten Politiken aller ordnungsgemäß eingesetzten Herrscher des Großen Universums auszuführen. Jeder Vollzieher widmet sich und alle Hilfsmittel seiner Sphäre der wirksamen Verwaltung eines einzigen Superuniversums. Der Supreme Vollzieher Nummer Eins, der auf der Exekutivsphäre Nummer eins wirkt, wird durch die Angelegenheiten des Superuniversums Nummer eins vollkommen in Anspruch genommen, und dasselbe gilt für jeden bis zum Supremen Vollzieher Nummer Sieben, der vom siebenten Paradies-Satelliten des Geistes aus wirkt und seine Energie auf die Führung des siebenten Superuniversums konzentriert. Der Name dieser siebenten Sphäre ist Orvonton, denn die Paradies-Satelliten des Geistes tragen dieselben Namen wie die mit ihnen verbundenen Superuniversen; effektiv wurden die Superuniversen nach ihnen benannt. Auf der Exekutivsphäre des siebenten Superuniversums übersteigt die Zahl der mit dem geordneten Lauf der Angelegenheiten Orvontons Betrauten das menschliche Fassungsvermögen; unter ihnen findet man praktisch alle Ordnungen himmlischer Intelligenz. Abgesehen von den Inspirierten Geisten der Trinität und den Gedankenjustierern benutzen alle superuniversellen Personentransportdienste eine dieser Exekutivsphären als Durchgangswelt auf ihren Reisen zum und vom Paradies, und hier wird auch das zentrale Register aller durch den Dritten Zentralen Ursprung erschaffenen und in den Superuniversen tätigen Persönlichkeiten geführt. Das System materieller, morontieller und geistiger Archivierung auf einer dieser Exekutivwelten des Geistes versetzt sogar ein Wesen meiner Ordnung in Staunen. ie unmittelbaren Untergebenen der Supremen Vollzieher sind zum größeren Teil trinitisierte Söhne von Paradies-Havona-Persönlichkeiten und trinitisierte Sprosse verherrlichter Sterblicher, die die ganze Zeitalter währende Schulung des Aufstiegsplans von Zeit und Raum abgeschlossen haben. Diese trinitisierten Söhne werden vom Oberhaupt des Supremen Rates des Paradies-Korps der Finalität für den Dienst bei den Supremen Vollziehern bestimmt. Jedem Supremen Vollzieher stehen zwei beratende Kabinette zur Seite: Die Kinder des Unendlichen Geistes auf den Hauptwelten jedes Superuniversums wählen aus ihren Reihen Repräsentanten, die danach während eines Millenniums im ersten beratenden Kabinett ihres Supremen Vollziehers dienen. Für alle Angelegenheiten, die die aufsteigenden Sterblichen der Zeit betreffen, gibt es ein zweites Kabinett, das sowohl aus Sterblichen, die das Paradies erreicht haben, als auch aus trinitisierten Söhnen verherrlichter Sterblicher besteht; diese Körperschaft wird von den sich vervollkommnenden und aufsteigenden Wesen gewählt, die sich vorübergehend auf den Hauptwelten der sieben Superuniversen aufhalten. Die Leiter aller anderen Bereiche werden von den Supremen Vollziehern ernannt. Von Zeit zu Zeit finden auf diesen Paradies-Satelliten des Geistes große Konklaven statt. Diesen Welten zugeteilte trinitisierte Söhne zusammen mit Aufsteigern, die das Paradies erreicht haben, versammeln sich mit den Geistpersönlichkeiten des Dritten Zentralen Ursprungs an Treffen, die die Kämpfe und Triumphe der aufsteigenden Laufbahn zum Gegenstand haben. Die Supremen Vollzieher führen an diesen brüderlichen Zusammenkünften stets den Vorsitz. Einmal in jedem Paradies-Millennium verlassen die Sieben Supremen Vollzieher ihre Sitze der Autorität und begeben sich in das Paradies, um ihr Konklave des Millenniums abzuhalten und an die intelligenten Heerscharen der Schöpfung universelle Grußbotschaften und gute Wünsche zu richten. Dieses denkwürdige Ereignis spielt sich in unmittelbarer Gegenwart von Majeston, dem Haupt aller Gruppen reflexiver Geiste, ab. Und so sind sie dank dem einzigartigen Funktionieren der universellen Reflexivität in der Lage, gleichzeitig mit all ihren Mitarbeitern im Großen Universum in Verbindung zu treten. ***** 17.2 Majeston - Haupt der Reflexivität ***** ie Reflexiven Geiste sind göttlichen, trinitären Ursprungs. Es gibt fünfzig von diesen einzigartigen und einigermaßen geheimnisvollen Wesen. Immer sieben dieser außerordentlichen Persönlichkeiten wurden auf einmal erschaffen, und jedes dieser schöpferischen Ereignisse geschah durch eine Verbindung der Paradies-Trinität mit einem der Sieben Hauptgeiste. ieses denkwürdige Geschehen, das sich im Morgengrauen der Zeit abspielte, ist die erste Bemühung der Supremen Schöpferpersönlichkeiten, repräsentiert durch die Hauptgeiste, als Mitschöpfer mit der Paradies-Trinität zu wirken. Gerade diese Vereinigung der schöpferischen Macht der Supremen Schöpfer mit den schöpferischen Potentialen der Trinität ist die Quelle der Wirklichkeit des Supremen Wesens. Deshalb geschah es nach Abschluss dieses Zyklus reflexiver Schöpfung, als jeder der Sieben Hauptgeiste vollkommene schöpferische Übereinstimmung mit der Paradies-Trinität gefunden hatte und die neunundvierzig Reflexiven Geiste personifiziert waren, dass im Gottheit-Absoluten eine neue und folgenschwere Reaktion eintrat, die dem Supremen Wesen neue Persönlichkeitsvorrechte verlieh und in der Personifizierung Majestons gipfelte. Majeston ist das Oberhaupt der Reflexivität und das Paradies-Zentrum des gesamten Wirkens der neunundvierzig Reflexiven Geiste und ihrer Mitarbeiter im ganzen Universum der Universen. Majeston ist eine wirkliche Person, das persönliche und unfehlbare Zentrum der Reflexivitätsphänomene in allen sieben Superuniversen von Zeit und Raum. Er unterhält ein ständiges Paradies-Hauptquartier nahe der Mitte aller Dinge am Begegnungsort der Sieben Hauptgeiste. Seine einzige Aufgabe ist die Koordination und Aufrechterhaltung des Reflexivitätsdienstes in der ganzen unermesslichen Schöpfung; er beteiligt sich nicht anderswie an der Verwaltung der Universumsangelegenheiten. Majeston ist in unserem Verzeichnis von Paradies-Persönlichkeiten nicht aufgeführt, weil er die einzige existierende göttliche Persönlichkeit ist, die das Supreme Wesen in funktioneller Verbindung mit dem Gottheit-Absoluten erschaffen hat. Er ist eine Person, aber er gibt sich ausschließlich und allem Anschein nach automatisch nur mit dieser einen Phase der Universums-organisation ab; er funktioniert gegenwärtig in keiner persönlichen Eigenschaft in Beziehung zu anderen (nichtreflexiven) Ordnungen von Universumspersönlichkeiten. Die Erschaffung Majestons bedeutete den ersten supremen schöpferischen Akt des Supremen Wesens. Dieser Wille zum Handeln lag in der Absicht des Supremen Wesens, aber die stupende Antwort des Gottheit-Absoluten war nicht vorausgesehen worden. Nie seit dem Erscheinen Havonas in der Ewigkeit war das Universum Zeuge einer so überwältigenden Verwirklichung einer derart gigantischen und immensen Organisation von Macht und Koordination funktioneller Geistaktivitäten geworden. Die Antwort der Gottheit auf den schöpferischen Willen des Supremen Wesens und seiner Mitarbeiter übertraf bei weitem deren Absicht und Planen und ging beträchtlich über das hinaus, was sie in ihrer Vorstellung vorausgesehen hatten. Die Möglichkeiten künftiger Zeitalter, wenn der Supreme und der Ultime neue Göttlichkeitsebenen erreichen und zu neuen Bereichen der Persönlichkeitsfunktion aufsteigen dürften, erfüllen uns mit staunender Ehrfurcht. Diese Zeiten werden in den Reichen der Gottwerdung wohl zu Zeugen noch ganz anderer unerwarteter Wesen werden, von denen sich niemand hätte träumen lassen und welche unvorstellbare Machtbegabungen und gesteigerte Universumskoordination besitzen werden. Es sieht so aus, als besitze das Gottheit-Absolute ein grenzenloses Potential, um auf eine solche Einigung der Beziehungen zwischen der erfahrungsmäßigen Gottheit und der existentiellen Paradies-Trinität zu antworten. ***** 17.3 Die reflexiven Geiste ***** Die neunundvierzig Reflexiven Geiste entstammen der Trinität, aber jede der sieben Schöpferepisoden, die ihr Erscheinen begleiteten, brachte eine Art von Wesen hervor, deren Natur den Eigenschaften des sie miterzeugenden Hauptgeistes glich. Sie widerspiegeln also in verschiedener Weise Natur und Charakter der sieben Möglichkeiten, die göttlichen Wesenszüge des Universalen Vaters, des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes miteinander zu kombinieren. Aus diesem Grunde muss es am Hauptsitz jedes Superuniversums notwendigerweise sieben dieser reflexiven Geiste geben. Einer von jedem der sieben Typen ist erforderlich, um die vollkommene Reflexion aller Phasen jeder möglichen Manifestation der drei Paradies-Gottheiten zu erreichen, wenn solche Phänomene sich in irgendeinem Teil der sieben Superuniversen ereignen sollten. Folglich wurde einer von jedem Typ für den Dienst in jedem Superuniversum ausersehen. Diese Gruppen von sieben ungleichen Reflexiven Geisten unterhalten in den Kapitalen der Superuniversen ihre Hauptquartiere am reflexiven Fokus jeder dieser Welten, und dieser ist nicht identisch mit dem Punkt geistiger Polarität. Die Reflexiven Geiste haben Namen, aber diese Bezeichnungen werden auf den Welten des Raums nicht offenbart. Sie beziehen sich auf Natur und Charakter dieser Wesen und gehören zu einem der sieben universellen Mysterien der geheimen Sphären des Paradieses. Das Attribut der Reflexivität, das Phänomen der Verstandesebenen des Mit-Vollziehers, des Supremen Wesens und der Hauptgeiste, kann auf alle Wesen übertragen werden, die am Funktionieren dieses gewaltigen Systems universaler Intelligenz beteiligt sind. Und hierin liegt ein großes Geheimnis: Weder die Hauptgeiste noch die Paradies-Gottheiten zeigen einzeln oder kollektiv diese Befähigungen zu koordinierter universeller Reflexivität, wie sie in den neunundvierzig Verbindungspersönlichkeiten Majestons zu Tage treten, und doch sind sie die Schöpfer all dieser wunderbar begabten Wesen. Göttliche Vererbung enthüllt manchmal im Geschöpf gewisse Attribute, die im Schöpfer nicht wahrzunehmen sind. Die Mitglieder des reflexiven Dienstes sind mit Ausnahme Majestons und der Reflexiven Geiste alles Geschöpfe des Unendlichen Geistes und seiner unmittelbaren Mitarbeiter und Untergebenen. Die Reflexiven Geiste jedes Superuniversums sind die Schöpfer der Reflexiven Bild-Helfer, ihrer persönlichen Sprachrohre an den Gerichtshöfen der Ältesten der Tage. Die Reflexiven Geiste wirken nicht nur als Übermittler; sie sind auch bewahrende Persönlichkeiten. Ihre Abkömmlinge, die Sekonaphim, sind ebenfalls bewahrende oder archivierende Persönlichkeiten. Alles, was wahren geistigen Wert besitzt, wird im Doppel registriert, und ein Exemplar davon wird in der persönlichen Ausrüstung eines Vertreters einer der zahlreichen Ordnungen sekoraphischer Persönlichkeiten aufbewahrt, die dem gewaltigen Mitarbeiterstab der Reflexiven Geiste angehören. Die offiziellen Berichte der Universen werden durch die Chronistenengel nach oben weitergeleitet, aber die wahren geistigen Berichte werden durch Reflexivität zusammengetragen und im Geiste geeigneter und fähiger Persönlichkeiten aufbewahrt, die der Familie des Unendlichen Geistes angehören. Das sind die lebendigen Aufzeichnungen im Gegensatz zu den offiziellen und toten Aufzeichnungen des Universums, und sie werden im lebendigen Verstand der Chronistenpersönlichkeiten des Unendlichen Geistes unversehrt aufbewahrt. Die Reflexivitätsorganisation ist auch der Mechanismus des Nachrichtensammelns und der Dekretverbreitung für die ganze Schöpfung. Sie ist ständig in Betrieb im Unterschied zum periodischen Funktionieren der verschiedenen Fernmeldedienste. Alles Wichtige, was auf der Hauptwelt eines Lokaluniversums geschieht, wird automatisch durch Reflexivität auf die Kapitale ihres Superuniversums übermittelt. Und umgekehrt wird alles, was für das Lokaluniversum von Bedeutung ist, von den Hauptsitzen der Superuniversen auf die Kapitalen der zugehörigen Lokaluniversen reflektiert. Der Reflexivitätsdienst zwischen den Universen der Zeit und den Superuniversen über ihnen ist scheinbar automatisch oder von selbst funktionierend, aber das stimmt nicht. Er ist ganz und gar höchst persönlich und intelligent; er verdankt seine Präzision der vollkommenen Zusammenarbeit von Persönlichkeiten und kann deshalb schwerlich den unpersönlichen Leistungen der Gegenwart der Absoluten zugeschrieben werden. Obwohl die Gedankenjustierer sich am Wirken des universellen Reflexivitätssystems nicht beteiligen, haben wir allen Grund zu glauben, dass die Vaterfragmente diese Vorgänge bestens kennen und imstande sind, sich ihren Inhalt zunutze zu machen. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters scheint die Reichweite des außerparadiesischen Reflexivitätsdienstes durch die Peripherie der sieben Superuniversen begrenzt zu werden. Davon abgesehen scheint die Funktion dieses Dienstes zeit- und raumunabhängig zu sein. Sie ist offenbar unabhängig von allen bekannten unterabsoluten Universumskreisen. Auf der Hauptwelt jedes Superuniversums handelt die reflexive Organisation als getrennte Einheit; aber bei gewissen besonderen Anlässen und unter der Leitung von Majeston können alle sieben Organisationen in universellem Einklang handeln und tun es tatsächlich, wie bei Gelegenheit des Jubiläums, welches die Verankerung eines ganzen Lokaluniversums im Licht und Leben feiert, oder anlässlich der alle tausend Jahre übermittelten Grußbotschaft der Sieben Supremen Vollzieher. ***** 17.4 Die reflexiven Bild-Helfer ***** ie neunundvierzig Reflexiven Bild-Helfer wurden durch die Reflexiven Geiste erschaffen, und es gibt genau sieben Helfer am Hauptsitz jedes Superuniversums. Der erste Schöpferakt der sieben Reflexiven Geiste von Uversa war die Erzeugung ihrer sieben Bild-Helfer, wobei jeder Reflexive Geist seinen eigenen Helfer erschuf. Hinsichtlich bestimmter Attribute und charakteristischer Eigenschaften sind die Bild-Helfer vollendete Kopien ihrer Reflexiven Muttergeiste; sie sind gleichermaßen ihre Doppel, aber ohne das Attribut der Reflexivität. Sie sind wirkliche Bilder und funktionieren ununterbrochen als Kommunikationskanäle zwischen den Reflexiven Geisten und den superuniversellen Behörden. Die Bild-Helfer sind nicht nur Assistenten; sie sind wirkliche Repräsentanten ihrer jeweiligen Muttergeiste; sie sind Bilder, und sie rechtfertigen ihren Namen. ie Reflexiven Geiste selber sind wahre Persönlichkeiten, aber von einer Art, die sie materiellen Wesen unverständlich erscheinen lässt. Selbst auf der Sphäre des superuniversellen Hauptsitzes bedürfen sie im persönlichen Umgang mit den Ältesten der Tage und deren Mitarbeitern der Unterstützung durch ihre Bild-Helfer. Bei den Kontakten zwischen den Bild-Helfern und den Ältesten der Tage genügt manchmal ein einziger Helfer, während bei anderen Gelegenheiten ihrer zwei, drei, vier oder alle sieben benötigt werden, um die vollständige und adäquate Darstellung der ihnen zur Übermittlung anvertrauten Botschaft zu gewährleisten. Ebenso werden die Meldungen der Bild-Helfer unterschiedlich von einem, zwei oder allen drei Ältesten der Tage empfangen, je nachdem, was der Inhalt der Botschaft verlangt. ie Bild-Helfer dienen auf ewig an der Seite ihrer Muttergeiste, und sie verfügen über eine unglaublich große Helferschar von Sekonaphim. Die Bild-Helfer funktionieren nicht direkt im Zusammenhang mit den Schulungswelten der aufsteigenden Sterblichen. Sie arbeiten eng mit dem Nachrichtendienst des universellen Systems menschlichen Fortschritts zusammen, aber ihr werdet während eures Aufenthaltes an den Schulen Uversas mit ihnen nicht in persönlichen Kontakt treten, weil diese offensichtlich persönlichen Wesen keinen Willen besitzen; sie haben nicht die Macht zu wählen. Sie sind wahrhaftig Bilder, die Persönlichkeit und Verstand des individuellen Muttergeistes völlig getreu widerspiegeln. Als Klasse kommen die aufsteigenden Sterblichen nicht in enge Berührung mit der Reflexivität. Immer wird sich irgendein Wesen reflexiver Natur zwischen euch und das eigentliche Arbeiten des Dienstes schalten. ***** 17.5 Die sieben Geiste der Kreise ***** ie Sieben Geiste der Kreise Havonas sind die gemeinsame unpersönliche Repräsentation des Unendlichen Geistes und der Sieben Hauptgeiste für die sieben Kreise des Zentraluniversums. Sie sind die Diener der Hauptgeiste, deren kollektive Nachkommenschaft sie sind. Die Hauptgeiste prägen die sieben Superuniversen mit ihrer besonderen und verschiedenartigen administrativen Individualität. Die uniformen Geiste der Kreise Havonas befähigen sie, dem Zentraluniversum eine geeinte, uniforme und koordinierte geistige Leitung zu gewähren. Jeder der sieben Geiste der Kreise ist auf die Durchdringung eines einzigen Kreises Havonas beschränkt. Sie haben unmittelbar nichts zu tun mit den Regierungen der Ewigen der Tage, der Herrscher über die einzelnen Welten Havonas. Aber sie stehen mit den Sieben Supremen Vollziehern in Verbindung, und sie sind mit der Gegenwart des Supremen Wesens im Zentraluniversum synchronisiert. Ihr ganzes Wirken beschränkt sich auf Havona. Diese Geiste der Kreise treten mit den in Havona weilenden Personen über ihre persönliche Nachkommenschaft, die tertiären Supernaphim, in Kontakt. Obwohl die Geiste der Kreise mit den Hauptgeisten koexistieren, kam ihrer Funktion als Schöpfer der tertiären Supernaphim keine größere Bedeutung zu, bis in den Tagen Großfandas die ersten Pilger der Zeit auf dem äußeren Kreis von Havona eintrafen. Während ihr in Havona von Kreis zu Kreis vorrückt, werdet ihr über die Geiste der Kreise unterrichtet werden, aber unfähig sein, mit ihnen in persönliche Verbindung zu treten, auch wenn ihr euch persönlich ihrer unpersönlichen Anwesenheit, ihres geistigen Einflusses erfreuen und denselben erkennen werdet. Die Geiste der Kreise stehen zu den einheimischen Bewohnern Havonas in einer sehr ähnlichen Beziehung wie die Gedankenjustierer zu den sterblichen Geschöpfen, die die Welten der evolutionären Universen bewohnen. Wie die Gedankenjustierer sind auch die Geiste der Kreise unpersönlich, und sie verkehren mit den vollkommenen Intelligenzen Havonas sehr ähnlich, wie die unpersönlichen Geiste des Universalen Vaters den endlichen Verstand der sterblichen Menschen bewohnen. Aber die Geiste der Kreise werden nie zu einem dauernden Bestandteil der Persönlichkeiten Havonas. ***** 17.6 Die schöpferischen Geiste der Lokaluniversen ***** Vieles, was Natur und Funktion der Schöpferischen Geiste der Lokaluniversen betrifft, gehört in das Kapitel ihrer Zusammenarbeit mit den Schöpfersöhnen bei der Organisation und Führung der lokalen Schöpfungen; aber es gibt viele Besonderheiten in den dem Lokaluniversum vorausgehenden Erfahrungen dieser wunderbaren Wesen, von denen jetzt als Teil dieser Beschreibung der sieben Gruppen Supremer Geiste berichtet werden soll. Wir sind mit sechs Phasen im Werdegang des Muttergeistes eines Lokaluniversums vertraut, und wir mutmaßen oft über die Wahrscheinlichkeit eines siebenten Aktivitätsstadiums. Diese verschiedenen Existenzstadien sind die folgenden: 1. Ursprüngliche Differenzierung im Paradies. Wenn ein Schöpfersohn durch den gemeinsamen Akt des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes personifiziert wird, ereignet sich gleichzeitig in der Person des Unendlichen Geistes das, was man als "supreme Komplementärreaktion" bezeichnet. Wir verstehen das Wesen dieser Reaktion nicht, aber wir begreifen, dass sie bezeichnend ist für eine inhärente Modifikation der personifizierbaren Möglichkeiten, die im Schöpferpotential des Mit-Schöpfers liegen. Die Geburt eines beigeordneten Schöpfersohnes signalisiert die gleichzeitige, sich in der Person des Unendlichen Geistes ereignende Geburt des Potentials der zukünftigen Lokaluniversumsgefährtin dieses Paradiessohnes. Wir kennen diese neue, vorpersönliche Identifikation einer Wesenheit nicht, aber wir wissen, dass diese Tatsache in den Paradies-Annalen der Laufbahn des betreffenden Schöpfersohnes festgehalten wird. 2. Schulung in Vorbereitung auf die Schöpfertätigkeit. Während der lange währenden vorbereitenden Schulung eines Michael-Sohnes in Universumsorganisation und -verwaltung macht seine zukünftige Gefährtin eine weitere Entwicklung ihrer Wesenheit durch und gelangt zu einem Gruppenbewusstsein der Bestimmung. Wir wissen es nicht, aber wir vermuten, dass eine solche gruppenbewusste Wesenheit den Raum zu erkennen beginnt und mit jener vorbereitenden Schulung anfangen kann, die erforderlich ist zur Erlangung geistiger Gewandtheit in ihrem zukünftigen Werk der Zusammenarbeit mit dem sie ergänzenden Michael bei der Schöpfung und Verwaltung ihres Universums. 3. Das Stadium materieller Schöpfung. Wenn die Zeit kommt, da der Ewige Sohn an einen Michael-Sohn die Verantwortung eines Schöpfers überträgt, spricht der Hauptgeist an der Spitze desjenigen Superuniversums, dem der neue Schöpfersohn zugeteilt ist, in der Gegenwart des Unendlichen Geistes das "Gebet der Identifikation"; und zum ersten Mal erscheint die Wesenheit des späteren Schöpferischen Geistes als verschieden von der Person des Unendlichen Geistes. Diese Wesenheit schreitet jetzt direkt auf die Person des betenden Hauptgeistes zu und entschwindet unserer Wahrnehmung augenblicklich, indem sie offenbar ein Teil der Person dieses Hauptgeistes wird. Der neu identifizierte Schöpferische Geist bleibt bei dem Hauptgeist bis zum Aufbruch des Schöpfersohnes zu seinem Raumabenteuer; zu diesem Zeitpunkt gibt der Hauptgeist die neue Geistgefährtin in die Obhut des Schöpfersohnes und lässt die Geistgefährtin ewige Treue und nie endende Loyalität geloben. Und dann ereignet sich eine der ergreifendsten Episoden, die je im Paradies stattfinden. Der Universale Vater spricht, die ewige Vereinigung des Schöpfersohnes und des Schöpferischen Geistes anerkennend und die Übertragung bestimmter gemeinsamer administrativer Machtbefugnisse durch den für dieses Superuniversum zuständigen Hauptgeist bestätigend. Darauf machen sich Schöpfersohn und Schöpferischer Geist, nun durch den Vater geeint, zu ihrem Abenteuer der Universumsschöpfung auf. Und ihre Zusammenarbeit dauert in dieser Form während der ganzen langen und mühsamen Periode der materiellen Organisation ihres Universums an. 4. Die Ära der Erschaffung des Lebens. Nach der Absichtserklärung des Schöpfersohnes, Leben zu erschaffen, finden im Paradies die "Personifizierungszeremonien" statt, an denen sich die Sieben Hauptgeiste beteiligen und die der betroffene Hauptgeist persönlich an sich erfährt. Dies ist ein Beitrag der Paradies- Gottheit an die Individualität der Geistgefährtin des Schöpfersohnes, und er tut sich dem Universum kund durch das sich in der Person des Unendlichen Geistes ereignende Phänomen der "primären Eruption". Gleichzeitig mit diesem Phänomen im Paradies wird die bislang unpersönliche Geistgefährtin des Schöpfersohnes praktisch zu einer echten Person. Hinfort und für immer wird man diesen Muttergeist des Lokaluniversums als eine Person betrachten, und sie wird mit allen Heerscharen von Persönlichkeiten der darauf folgenden Erschaffung des Lebens persönliche Beziehungen unterhalten. 5. Die Zeitalter nach den Selbsthingaben. Eine neue große Veränderung im endlosen Werdegang eines Schöpferischen Geistes tritt ein, wenn der Schöpfersohn auf die Hauptwelt seines Universums zurückkehrt, nachdem er seine siebente Selbsthingabe abgeschlossen und danach die volle Souveränität über sein Universum erlangt hat. Bei dieser Gelegenheit und vor den versammelten Universumsverwaltern erhebt der triumphierende Schöpfersohn den Muttergeist des Universums zur Mitsouveränität und anerkennt die Geistgefährtin als seine Ebenbürtige. 6. Die Zeitalter des Lichts und Lebens. Nach Anbruch der Ära des Lichts und Lebens tritt die Mitsouveränin des Lokaluniversums in die sechste Phase des Werdegangs eines Schöpferischen Geistes ein. Aber wir wollen die Natur dieser großen Erfahrung nicht schildern. All das gehört einem zukünftigen Evolutionsstadium Nebadons an. 7. Der nicht offenbarte Werdegang. Wir kennen diese sechs Phasen des Werdegangs des Muttergeistes eines Lokaluniversums. Es ist unvermeidlich, dass wir die Frage stellen: Gibt es eine siebente Laufbahn? Wir erinnern uns daran, dass die Finalisten, wenn sie die scheinbar endgültige Bestimmung sterblicher Aufsteiger erreicht haben, in den Registern als Wesen eingetragen werden, die mit der Laufbahn der Geiste des sechsten Stadiums beginnen. Wir vermuten, dass auf die Finalisten noch eine weitere Laufbahn, ein nicht offenbarter universeller Auftrag, wartet. Es ist nur natürlich, dass wir auch von den Muttergeisten der Universen annehmen, es liege eine nicht offenbarte Laufbahn vor ihnen, ihre siebente Phase persönlicher Erfahrung im Dienst am Universum und in treuer Zusammenarbeit mit der Ordnung der Michael-Schöpfersöhne. ***** 17.7 Die mentalen Hilfsgeiste ***** Diese Hilfsgeiste sind die siebenfache Verstandesverleihung des Muttergeistes eines Lokaluniversums an die lebendigen Geschöpfe der gemeinsamen Schöpfung eines Schöpfersohnes und eines solchen Schöpferischen Geistes. Diese Verleihung wird zu der Zeit möglich, da der Geist zum Status mit Persönlichkeitsvorrechten aufsteigt. Aber die Schilderung der Natur und Arbeitsweise der sieben mentalen Hilfsgeiste findet ihren Platz besser bei der Beschreibung eures Lokaluniversums von Nebadon. ***** 17.8 Funktionen der Supremen Geiste ***** Die sieben Gruppen Supremer Geiste bilden den Kern der funktionellen Familie des Dritten Zentralen Ursprungs in dessen Eigenschaften als Unendlicher Geist wie auch als Mit-Vollzieher. Die Domäne der Supremen Geiste erstreckt sich von der Gegenwart der Trinität im Paradies bis zum Arbeiten des Verstandes der evolutionären sterblichen Ordnungen auf den Planeten des Raums. Auf diese Weise einigen sie die absteigenden Verwaltungsebenen und koordinieren die mannigfaltigen Funktionen der darin Beschäftigten. Ob es sich um eine mit den Ältesten der Tage verbundene Gruppe Reflexiver Geiste, um einen gemeinsam mit einem Michael-Sohn handelnden Schöpferischen Geist oder die im Kreis um die Paradies- Trinität geschalteten Sieben Hauptgeiste handelt, so begegnet man der Aktivität der Supremen Geiste überall im Zentraluniversum und in den Super- und Lokaluniversen. Und sie arbeiten ebenfalls mit den trinitären Persönlichkeiten der Ordnung der "Tage" sowie mit den Paradies-Persönlichkeiten der Ordnung der "Söhne" zusammen. Im Verein mit ihrem Unendlichen Muttergeist sind die Gruppen Supremer Geiste die unmittelbaren Schöpfer der gewaltigen Geschöpfesfamilie des Dritten Zentralen Ursprungs. Alle Ordnungen dienender Geiste sind aus diesem Zusammenwirken hervorgegangen. Die primären Supernaphim entstammen dem Unendlichen Geist, die sekundären Wesen dieser Ordnung werden durch die Hauptgeiste, die tertiären Supernaphim durch die Sieben Geiste der Kreise erschaffen. Die Reflexiven Geiste sind kollektiv die Mutter-Schöpfer einer wunderbaren Ordnung von Engelscharen, der mächtigen Sekonaphim der superuniversellen Dienste. Ein Schöpferischer Geist ist die Mutter der Engelsordnungen einer Lokalschöpfung, und diese seraphischen Betreuer besitzen in jedem Lokaluniversum eine originale Prägung, obwohl sie den Urmustern des Zentraluniversums nachgebildet sind. All diesen Schöpfern von dienenden Geisten steht der im Zentrum wohnende Unendliche Geist, die ewige Urmutter aller dienenden Engel, nur indirekt bei. Die sieben Gruppen Supremer Geiste sind die Koordinatoren der bewohnten Schöpfung. Das Zusammenwirken der Lenker an ihrer Spitze, der Sieben Hauptgeiste, scheint die weitgespannten Aktivitäten des Siebenfachen Gottes zu koordinieren: 1. Kollektiv erreichen die Hauptgeiste sozusagen die Göttlichkeitsebene der Trinität der Paradies-Gottheiten. 2. Individuell erschöpfen sie die primären Assoziationsmöglichkeiten der dreieinigen Gottheit. 3. Als voneinander verschiedene Repräsentanten des Mit-Vollziehers sind sie die Gefäße jener Geist-Verstand-Macht-Souveränität des Supremen Wesens, welche dieses noch nicht persönlich ausübt. 4. Durch die Reflexiven Geiste synchronisieren sie die superuniversellen Regierungen der Ältesten der Tage mit Majeston, dem Paradies-Zentrum der universellen Reflexivität. 5. Durch ihre Beteiligung an der Individualisierung der Göttlichen Ministerinnen der Lokaluniversen leisten die Hauptgeiste einen Beitrag zur letzten Ebene des Siebenfachen Gottes, zu der Verbindung Schöpfersohn-Schöpferischer Geist in den Lokaluniversen. Die dem Mit-Vollzieher eingeborene funktionelle Einheit offenbart sich den in Entwicklung begriffenen Universen in den Sieben Hauptgeisten, seinen primären Persönlichkeiten. Aber in den vervollkommneten Superuniversen der Zukunft wird diese Einheit zweifelsohne untrennbar mit der erfahrungsmäßigen Souveränität des Supremen verbunden sein. [Dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber aus Uversa.] ****** Kapitel 18 Die Supremen Persönlichkeiten der Trinität ****** DIE Supremen Persönlichkeiten der Trinität wurden alle für einen spezifischen Dienst erschaffen. Sie wurden von der göttlichen Trinität zur Erfüllung ganz bestimmter Aufgaben ausersehen, und sie besitzen alle Voraussetzungen, um mit vollendeter Technik und letzter Hingabe zu dienen. Es gibt sieben Ordnungen Supremer Persönlichkeiten der Trinität: 1. Die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie. 2. Die Ewigen der Tage. 3. Die Ältesten der Tage. 4. Die Vollkommenen der Tage. 5. Die Jüngsten der Tage. 6. Die Einiger der Tage. 7. Die Getreuen der Tage. Es gibt eine ganz bestimmte und definitive Anzahl dieser administrativ vollkommenen Wesen. Ihre Erschaffung gehört der Vergangenheit an; es werden ihrer keine neuen mehr personifiziert. Im ganzen Großen Universum repräsentieren diese Supremen Persönlichkeiten der Trinität die Verwaltungspolitik der Paradies-Trinität; sie vertreten das Recht und sind das vollstreckende Urteil der Paradies-Trinität. Sie bilden eine ununterbrochene Linie verwaltungstechnischer Vollkommenheit, die von den Paradies-Sphären des Vaters bis auf die Hauptwelten der Lokaluniversen und die Kapitalen der sie aufbauenden Konstellationen reicht. Alle Wesen trinitären Ursprungs sind hinsichtlich all ihrer göttlichen Attribute in Paradies-Vollkommenheit erschaffen. Einzig in den Erfahrungsbereichen hat der Lauf der Zeit ihrer Ausrüstung für den kosmischen Dienst etwas hinzugefügt. Es gibt bei Wesen trinitären Ursprungs nie irgendwelche Gefahr von Pflichtversäumnis oder irgendwelches Risiko von Auflehnung. Ihr Wesen ist göttlich, und nie ist bekannt geworden, dass sie den göttlichen und vollkommenen Pfad persönlichen Verhaltens verlassen hätten. ***** 18.1 Die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie ***** Der innerste Kreis der Paradies-Satelliten umfasst sieben Welten, und einer jeden dieser verherrlichten Welten steht ein Korps von zehn Trinitisierten Geheimnissen der Suprematie vor. Es sind keine Schöpfer, sondern supreme und ultime Verwalter. Die Lenkung der Angelegenheiten dieser sieben brüderlichen Sphären ist gänzlich diesem Korps von siebzig supremen Leitern anvertraut. Obwohl diese Sprosse der Trinität über die sieben zunächst dem Paradies gelegenen heiligen Sphären wachen, wird diese Weltengruppe universell als der persönliche Kreis des Universalen Vaters bezeichnet. Die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie funktionieren in Zehnergruppen als koordinierte und gemeinsame Leiter ihrer jeweiligen Sphären, aber in bestimmten Verantwortungsbereichen wirken sie ebenfalls individuell. Auf jeder dieser besonderen Welten ist die Arbeit in sieben große Abteilungen aufgeteilt, und jeder derartigen Sektion spezialisierter Aktivitäten steht einer dieser koordinierten Leiter vor. Die restlichen drei wirken gegenüber den anderen sieben als persönliche Repräsentanten der dreieinigen Gottheit, indem einer den Vater, einer den Sohn und einer den Geist vertritt. Obwohl die Trinitisierten Geheimnisse der Suprematie eine gewisse typische Familienähnlichkeit haben, weisen sie doch auch sieben unterschiedliche Gruppenmerkmale auf. Die zehn supremen Leiter der Angelegenheiten Diviningtons widerspiegeln den persönlichen Charakter und die persönliche Natur des Universalen Vaters; und ebenso verhält es sich mit jeder dieser sieben Sphären: Jede Zehnergruppe gleicht jener Gottheit oder jenem Gottheitszusammenschluss, die ihre Domäne charakterisieren. Die zehn Leiter, die über Aszendington herrschen, widerspiegeln die kombinierte Natur von Vater, Sohn und Geist. Ich kann über das Wirken dieser hohen Persönlichkeiten auf den sieben heiligen Welten des Vaters nur sehr wenig enthüllen, denn sie sind wirklich die Geheimnisse der Suprematie. Es gibt in Verbindung mit der Annäherung an den Universalen Vater, den Ewigen Sohn oder den Unendlichen Geist keine willkürlichen Geheimnisse. Die Gottheiten sind für alle, die göttliche Vollkommenheit erreichen, ein offenes Buch, aber alle Geheimnisse der Suprematie können nie gänzlich erreicht werden. Wir werden immer unfähig sein, ganz in jene Bereiche einzudringen, die die Persönlichkeitsgeheimnisse des Zusammenwirkens der Gottheit mit der siebenfachen Gruppierung erschaffener Wesen enthalten. Da das Wirken dieser supremen Lenker mit dem innigen und persönlichen Kontakt der Gottheiten mit den sieben Grundgruppen der Universumswesen zu tun hat, wenn diese auf den sieben besonderen Welten wohnen oder irgendwo im Großen Universum arbeiten, geziemt es sich, diese sehr persönlichen Beziehungen und ausserordentlichen Kontakte als etwas Heiliges geheim zu halten. Die Paradies-Schöpfer respektieren die Privatsphäre und die Heiligkeit der Persönlichkeit auch ihrer niederen Geschöpfe. Und das gilt sowohl für Einzelwesen als auch für die zahlreichen verschiedenen Persönlichkeitsordnungen. Auch für Wesen, die hohe Universumsebenen erreicht haben, bleiben diese geheimen Welten ein Treuetest. Es ist uns gegeben, die ewigen Götter voll und persönlich zu kennen, ihre göttlichen und vollkommenen Charaktere ungehindert zu kennen, aber es ist uns verwehrt, ganz in die persönlichen Beziehungen einzudringen, die die Paradies-Herrscher mit all ihren Geschöpfeswesen unterhalten. ***** 18.2 Die Ewigen der Tage ***** Jede der Milliarde von Welten Havonas wird von einer Supremen Persönlichkeit der Trinität gelenkt. Man kennt diese Gebieter als die Ewigen der Tage, und ihre Zahl beträgt genau eine Mil- liarde - einer für jede Sphäre Havonas. Sie sind aus der Paradies-Trinität hervorgegangen, aber es gibt über ihren Ursprung ebenso wenig Berichte wie über denjenigen der Geheimnisse der Suprematie. Seit ewig regieren diese beiden Gruppen allweiser Väter ihre herrlichen Welten des Paradies-Havona-Systems, und sie amtieren ohne Rotation oder Neuzuweisung. Die Ewigen der Tage sind für alle in ihrem Bereich wohnenden Willensgeschöpfe sichtbar. Sie führen den Vorsitz bei den regelmäßigen planetarischen Konklaven. Periodisch und im Turnus besuchen sie die Hauptsitzsphären der sieben Superuniversen. Sie sind enge Verwandte der die Geschicke der sieben Superregierungen lenkenden Ältesten der Tage und kommen ihnen an Göttlichkeit gleich. Wenn ein Ewiger der Tage von seiner Sphäre abwesend ist, wird seine Welt von einem Lehrersohn der Trinität gelenkt. Abgesehen von den ortsansässigen Lebensordnungen wie den Einheimischen Havonas und anderen lebendigen Geschöpfen des Zentraluniversums, haben die residierenden Ewigen der Tage ihre jeweiligen Sphären ganz und gar nach ihren eigenen persönlichen Vorstellungen und Idealen entwickelt. Wohl besucht einer des anderen Planeten, aber weder kopieren sie, noch ahmen sie nach; sie sind immer gänzlich original. Architektur, natürlicher Schmuck, morontielle Bauwerke und geistige Schöpfungen sind auf jeder Sphäre exklusiv und einmalig. Jede Welt ist ein Ort ewiger Schönheit und von jeder anderen Welt des Zentraluniversums völlig verschieden. Und jeder von euch wird sich auf seinem Weg durch Havona nach innen zum Paradies längere oder kürzere Zeit auf jeder dieser einzigartigen und erregenden Sphären aufhalten. Es ist auf eurer Welt natürlich, vom Paradies als in der Höhe liegend zu sprechen, aber es wäre sinngerechter, sich auf das göttliche Ziel des Aufstiegs als im Inneren liegend zu beziehen. ***** 18.3 Die Ältesten der Tage ***** Wenn die Sterblichen der Zeit auf den Schulungswelten, die den Hauptsitz eines Lokaluniversums umringen, abgeschlossen haben und zu den Ausbildungssphären ihres Superuniversums aufrücken, sind sie in ihrer geistigen Entwicklung an dem Punkt angelangt, wo sie fähig sind, die hohen geistigen Herrscher und Lenker dieser höheren Reiche einschließlich der Ältesten der Tage zu erkennen und mit ihnen in Verbindung zu treten Die Ältesten der Tage sind alle grundsätzlich identisch; sie lassen den kombinierten Charakter und die geeinte Natur der Trinität erkennen. Sie besitzen Individualität und sind in ihrer Persönlichkeit verschieden, aber sie unterscheiden sich voneinander nicht in der Art der Sieben Hauptgeiste. Einheitlich ist ihre Führung der im Übrigen verschiedenen Superuniversen, von denen jedes eine besondere, getrennte und einmalige Schöpfung ist. Die Sieben Hauptgeiste unterscheiden sich in Natur und Attributen, aber die Ältesten der Tage, die persönlichen Lenker der Superuniversen, sind alles einheitliche und höchst vollkommene Sprosse der Paradies-Trinität. Die Sieben Hauptgeiste in der Höhe bestimmen die Natur ihrer jeweiligen Superuniversen, aber die Ältesten der Tage diktieren die Verwaltung dieser selben Superuniversen. Schöpferischer Vielfalt überlagern sie administrative Einheitlichkeit und sichern angesichts der grundlegenden schöpferischen Verschiedenheit der sieben Segmente des Großen Universums die Harmonie des Ganzen. Die Ältesten der Tage wurden alle zum selben Zeitpunkt trinitisiert. Mit ihnen beginnen die Persönlichkeitsaufzeichnungen im Universum der Universen, und daher rührt ihr Name - Älteste der Tage. Wenn ihr dereinst das Paradies erreicht und die geschriebenen Annalen über den Anfang aller Dinge durchforscht, werdet ihr finden, dass die erste Eintragung, die in der der Persönlichkeit gewidmeten Abteilung erscheint, der Bericht von der Trinitisation der einundzwanzig Ältesten der Tage ist. Diese hohen Wesen regieren immer als Dreiergruppe. Es gibt viele Aktivitätsphasen, bei denen sie einzeln arbeiten, und wieder andere, bei denen ihrer zwei wirken, aber in den höheren Sphären ihrer Verwaltung müssen sie gemeinsam handeln. Sie verlassen ihre Residenzwelten nie persönlich, aber sie haben es gar nicht nötig, da diese Welten die superuniversellen Brennpunkte des weitgespannten Reflexivitätssystems sind. Der persönliche Wohnsitz jeder Dreiergruppe der Ältesten der Tage befindet sich am Ort der geistigen Polarität ihrer Hauptsitz-Sphäre. Eine solche Sphäre ist in siebzig Verwaltungssektoren unterteilt und besitzt siebzig Abteilungshauptstädte, in denen die Ältesten der Tage von Zeit zu Zeit residieren. An Macht, Reichweite der Autorität und Ausdehnung des Zuständigkeitsbereichs sind die Ältesten der Tage die stärksten, mächtigsten aller direkten Herrscher der Zeit-Raum-Schöpfungen. Im ganzen gewaltigen Universum der Universen sind allein sie mit der hohen Machtbefugnis ausgestattet, in der Frage der ewigen Auslöschung von Willensgeschöpfen ein endgültiges Urteil zu fällen und zu vollstrecken. Und alle drei Ältesten der Tage müssen sich an den Enddekreten des höchsten Tribunals eines Superuniversums beteiligen. Abgesehen von den Gottheiten und ihren Paradies-Mitarbeitern sind die Ältesten der Tage die vollkommensten, vielseitigsten und göttlich begabtesten Lenker der ganzen Zeit-Raum-Existenz. Sie sind offensichtlich die höchsten Herrscher der Superuniversen; aber sie haben dieses Recht zu herrschen nicht durch Erfahrung verdient, und es ist ihnen deshalb bestimmt, eines Tages durch das Supreme Wesen, einen erfahrungsmäßigen Souverän, abgelöst zu werden, dessen Stellvertreter sie zweifelsohne sein werden. Das Supreme Wesen verdient die Souveränität über die sieben Superuniversen genau so durch erfahrungsmäßigen Dienst wie ein Schöpfersohn diejenige über sein Lokaluniversum. Aber während des gegenwärtigen Zeitalters unfertiger Evolution des Supremen sorgen die Ältesten der Tage für eine koordinierte und vollkommene Überwachung der sich entwickelnden Universen von Zeit und Raum. Und originale Weisheit und individuelle Initiative sind charakteristisch für alle Erlasse und Verfügungen der Ältesten der Tage. ***** 18.4 Die Vollkommenen der Tage ***** Es gibt genau zweihundertzehn Vollkommene der Tage, und sie stehen an der Spitze der Regierungen der zehn Großen Sektoren jedes Superuniversums. Sie wurden für die besondere Aufgabe trinitisiert, den Lenkern der Superuniversen zur Seite zu stehen, und sie herrschen als die unmittelbaren und persönlichen Stellvertreter der Ältesten der Tage. Drei Vollkommene der Tage sind jeder Kapitale eines Großen Sektors zugeteilt, aber im Unterschied zu den Ältesten der Tage ist es nicht nötig, dass sie ständig alle drei anwesend sind. Von Zeit zu Zeit begibt sich einer der drei weg, um persönlich mit den Ältesten der Tage über das Wohlergehen seines Reichs zu konferieren. Diese dreieinigen Lenker der Großen Sektoren sind besonders vollkommene Meister in der Handhabung verwaltungstechnischer Einzelheiten, daher ihr Name - die Vollkommenen der Tage. Bei der Nennung der Namen der Wesen der geistigen Welt stehen wir vor dem Problem, sie in eure Sprache zu übertragen, und sehr oft ist es überaus schwierig, eine befriedigende Übersetzung zu geben. Wir verwenden nicht gerne willkürliche Bezeichnungen, die für euch keine Bedeutung haben würden; deshalb finden wir es oft schwierig, einen passenden Namen zu wählen, der zu euch klar spricht und zugleich einigermaßen originalgetreu ist. Den Regierungen der Vollkommenen der Tage sind mäßig große Körperschaften aus Göttlichen Ratgebern, Vervollkommnern der Weisheit und Universellen Zensoren beigegeben. In größerer Zahl beschäftigen sie Mächtige Botschafter, Mit hoher Autorität Begabte und Namen- und Nummernlose. Aber ein bedeutender Teil der Routinearbeit der Angelegenheiten eines Großen Sektors wird von den Himmlischen Wächtern und den Assistenten der Hohen Söhne ausgeführt. Diese beiden Gruppen rekrutieren sich aus den trinitisierten Sprossen sowohl von Paradies-Havona-Persönlichkeiten als auch von verherrlichten sterblichen Finalisten. Einige Angehörige dieser beiden Ordnungen von durch Geschöpfe trinitisierten Wesen werden durch die Paradies-Gottheiten von neuem trinitisiert und danach ausgesandt, um bei der Verwaltung der Superuniversumsregierungen zu helfen. Die meisten der Himmlischen Wächter und Assistenten der Hohen Söhne sind dem Dienst in den Großen und Kleinen Sektoren zugeteilt, aber die Trinitisierten Hüter (durch die Trinität umfangene Seraphim und Mittler) sind die Beamten der Gerichtshöfe aller drei Abteilungen, denn sie wirken an den Tribunalen der Ältesten der Tage, der Vollkommenen der Tage und der Jüngsten der Tage. Den Trinitisierten Botschaftern (durch die Trinität umfangene Sterbliche des mit dem Sohn oder mit dem Geist vereinigten Typs) kann man überall in einem Superuniversum begegnen, aber die Mehrheit von ihnen dient in den Kleinen Sektoren. Vor den Zeiten der vollen Entfaltung des Regierungsplans der sieben Superuniversen durchliefen praktisch alle Verwalter der verschiedenen Abteilungen dieser Regierungen mit Ausnahme der Ältesten der Tage mehr oder weniger lange Lehrjahre unter den Ewigen der Tage auf den mannigfaltigen Welten des vollkommenen Havona-Universums. Die später trinitisierten Wesen wurden ebenfalls eine Zeitlang unter den Ewigen der Tage geschult, bevor sie dem Dienst der Ältesten der Tage, der Vollkommenen der Tage oder der Jüngsten der Tage zugeteilt wurden. Es sind alles gereifte, geprüfte und erfahrene Verwalter. Ihr werdet die Vollkommenen der Tage schon früh sehen, wenn ihr nach eurem Aufenthalt auf den Welten eures Kleinen Sektors zum Hauptsitz von Splandon vorrückt, denn diese hohen Herrscher stehen in enger Verbindung mit den siebzig Welten des Großen Sektors, die der höheren Schulung der aufsteigenden Geschöpfe der Zeit dienen. Die Vollkommenen der Tage höchstpersönlich nehmen den Aufsteigern nach deren Abschluss an den Schulen des Großen Sektors ein kollektives Treuegelöbnis ab. Die Arbeit der Pilger der Zeit auf den Welten, die den Hauptsitz eines Großen Sektors umgeben, ist vornehmlich intellektueller Natur im Unterschied zum mehr physischen und materiellen Charakter der Schulung auf den sieben Erziehungssphären eines Kleinen Sektors und zu den geistigen Unternehmungen auf den vierhundertneunzig Universitätswelten eines superuniversellen Hauptsitzes. Obwohl ihr nur im Register des Großen Sektors von Splandon eingetragen seid, dem euer heimatliches Lokaluniversum angehört, werdet ihr durch jede der zehn großen Abteilungen unseres Superuniversums gehen müssen. Ihr werdet alle dreißig Vollkommenen der Tage sehen, bevor ihr nach Uversa gelangt. ***** 18.5 Die Jüngsten der Tage ***** Die Jüngsten der Tage sind die jüngsten der supremen Lenker der Superuniversen; zu dritt leiten sie die Angelegenheiten der Kleinen Sektoren. Ihrer Natur nach sind sie mit den Vollkommenen der Tage koordiniert, aber bezüglich administrativer Autorität unterstehen sie ihnen. Es gibt genau einundzwanzigtausend dieser persönlich glorreichen und göttlich wirksamen Persönlichkeiten der Trinität. Sie wurden alle gleichzeitig erschaffen und gingen gemeinsam durch ihre havonische Ausbildung unter den Ewigen der Tage. Den Jüngsten der Tage steht ein ähnlicher Assistenten- und Mitarbeiterstab zur Seite wie den Vollkommenen der Tage. Aber zusätzlich ist ihnen eine gewaltige Zahl von verschiedenen untergeordneten Ordnungen himmlischer Wesen zugeteilt. Sie beschäftigen in der Verwaltung der Kleinen Sektoren sehr viele residierende aufsteigende Sterbliche, die Belegschaften verschiedener Freundlichkeitskolonien und verschiedene dem Unendlichen Geist entsprungene Gruppen. Die Regierungen der Kleinen Sektoren geben sich weitgehend, wenn auch nicht ausschließlich, mit den großen materiellen Problemen der Superuniversen ab. Die Sphären der Kleinen Sektoren sind die Sitze der Physischen Hauptüberwacher. Auf diesen Welten betreiben die aufsteigenden Sterblichen Studien und stellen Experimente an im Zusammenhang mit der Untersuchung der Aktivitäten der dritten Ordnung der Supremen Machtzentren und aller sieben Ordnungen der Physischen Hauptüberwacher. Da man in einem Kleinen Sektor so weitgehend mit materiellen Problemen beschäftigt ist, sind seine drei Jüngsten der Tage selten alle miteinander auf der Hauptsphäre anwesend. Die meiste Zeit ist einer von ihnen zu Besprechungen mit den Vollkommenen der Tage des übergeordneten Großen Sektors abwesend oder nimmt in Vertretung der Ältesten der Tage im Paradies an den Konklaven der hohen Wesen trinitären Ursprungs teil. Als Stellvertreter der Ältesten der Tage an den höchsten Konzilen im Paradies wechseln sie mit den Vollkommenen der Tage ab. Währenddessen befindet sich vielleicht ein anderer Jüngster der Tage auf einer Inspektionsreise durch die Hauptwelten der Lokaluniversen, die zu seinem Hoheitsbereich gehören. Aber zumindest einer dieser Herrscher bleibt immer am Hauptsitz eines Kleinen Sektors im Dienst. Ihr werdet alle eines Tages die drei Jüngsten der Tage kennen lernen, die die Verantwortung für Ensa, euren Kleinen Sektor tragen, da ihr auf eurem Weg nach innen zu den Übungswelten der Großen Sektoren durch ihre Hände gehen müsst. Bei eurem Aufstieg nach Uversa werdet ihr nur eine einzige Gruppe von Schulungssphären eines Kleinen Sektors durchlaufen. ***** 18.6 Die Einiger der Tage ***** Die Trinitätspersönlichkeiten der Ordnung der "Tage" wirken unterhalb der Ebenen der Superuniversumsregierungen nicht in administrativer Eigenschaft. In den sich entwickelnden Lokaluniversen handeln sie nur als Berater und Beistände. Die Einiger der Tage sind eine Gruppe von Verbindungspersönlichkeiten, die durch die Paradies-Trinität bei den Herrscherpaaren der Lokaluniversen beglaubigt werden. Jedem organisierten und bewohnten Lokaluniversum ist einer dieser Ratgeber des Paradieses beigegeben; er ist der Repräsentant der Trinität und, in gewisser Hinsicht, des Universalen Vaters für die Lokalschöpfung. Es existieren siebenhunderttausend dieser Wesen, die indessen nicht alle einen Auftrag erhalten haben. Das Reservekorps der Einiger der Tage arbeitet im Paradies als der Höchste Rat Universeller Anpassungen. Auf besondere Weise koordinieren diese Beobachter der Trinität die Verwaltungsaktivitäten aller Zweige der universellen Regierung von den Lokaluniversen über die Sektoren bis zu den Superuniversen, und von daher kommt ihr Name - Einiger der Tage. Sie erstatten ihren Vorgesetzten dreifachen Bericht: Sie melden den Jüngsten der Tage ihres Kleinen Sektors die einschlägigen Tatsachen physischer und halbintellektueller Natur, sie melden den Vollkommenen der Tage ihres Großen Sektors die intellektuellen und fast-geistigen Geschehnisse, und sie melden den Ältesten der Tage auf der Hauptwelt ihres Superuniversums die geistigen und halbparadiesischen Angelegenheiten. Da sie der Trinität entstammende Wesen sind, stehen ihnen alle Paradies-Kreisläufe zur Verfügung, um untereinander zu kommunizieren, und so bleiben sie in steter Berührung miteinander und mit allen anderen benötigten Persönlichkeiten bis hinauf zu den höchsten Räten des Paradieses. Ein Einiger der Tage ist nicht organisch an die Regierung des Lokaluniversums gebunden, dem er zugeteilt ist. Neben seinen Pflichten als Beobachter handelt er nur auf Ersuchen der lokalen Autoritäten. Er ist von Amtes wegen Mitglied aller obersten Räte und aller wichtigen Konklaven der Lokalschöpfung, aber er beteiligt sich nicht an den technischen Erörterungen administrativer Probleme. Wenn ein Lokaluniversum im Licht und Leben verankert ist, pflegen seine verherrlichten Wesen freien Umgang mit dem Einiger der Tage, der dann auf einer solchen Welt evolutionärer Vollkommenheit weit bedeutendere Wirkungsmöglichkeiten besitzt. Aber er bleibt immer primär ein Botschafter der Trinität und ein Ratgeber des Paradieses. Ein Lokaluniversum wird direkt durch einen göttlichen Sohn doppelten Gottheitsursprungs gelenkt, aber er hat an seiner Seite ständig einen Paradies-Bruder, eine Persönlichkeit trinitären Ursprungs. Im Fall einer vorübergehenden Abwesenheit eines Schöpfersohnes vom Hauptsitz seines Lokaluniversums lassen sich die handelnden Verantwortlichen bei ihren wichtigeren Entscheidungen weitgehend vom Rat ihres Einigers der Tage leiten. ***** 18.7 Die Getreuen der Tage ***** Diese hohen Persönlichkeiten trinitären Ursprungs sind die Paradies-Ratgeber der Lenker der einhundert Konstellationen jedes Lokaluniversums. Es gibt siebzig Millionen Getreue der Tage, und gleich den Einigern der Tage sind auch sie nicht alle im Dienst. Ihr Reservekorps im Paradies ist die Beratende Kommission für Zwischenuniverselle Ethik und für Selbstregierung. Die Getreuen der Tage leisten im Turnus Dienst gemäß den Verfügungen des Höchsten Rates ihres Reservekorps. All das, was ein Einiger der Tage für den Schöpfersohn eines Lokaluniversums ist, sind die Getreuen der Tage für die Vorondadek-Söhne, die über die Konstellationen dieser Lokalschöpfung herrschen. Mit letzter Hingabe und göttlicher Treue arbeiten sie für das Wohl der Konstellationen, denen sie zugeteilt sind, und von da kommt ihr Name - Getreue der Tage. Sie wirken nur als Berater; nie beteiligen sie sich an administrativen Aktivitäten außer auf Einladung der Behörden der Konstellationen. Sie stehen auch in keiner direkten Beziehung zu der erzieherischen Betreuung der aufsteigenden Pilger auf den architektonischen Schulungssphären, die die Hauptwelt der Konstellation umgeben. Alle derartigen Unternehmungen unterstehen der Kontrolle der Vorondadek-Söhne. Alle in den Konstellationen eines Lokaluniversums arbeitenden Getreuen der Tage sind den Einigern der Tage unterstellt und legen ihnen direkt Rechenschaft ab. Sie besitzen untereinander kein weitreichendes Beziehungssystem, sondern beschränken sich gewöhnlich aus freien Stücken auf eine Zusammenarbeit innerhalb der Grenzen eines Lokaluniversums. Jeder in Nebadon diensttuende Getreue der Tage kann mit allen anderen in diesem Lokaluniversum Beschäftigten seiner Ordnung in Verbindung treten und tut es auch. Wie die Einiger der Tage auf den Universumshauptwelten unterhalten auch die Getreuen der Tage in den Kapitalen der Konstellationen persönliche Residenzen, die von denjenigen der administrativen Leiter dieser Reiche getrennt sind. Ihre Wohnsitze sind freilich bescheiden im Vergleich zu den Sitzen der Vorondadek-Herrscher der Konstellationen. Die Getreuen der Tage sind das letzte Glied in der langen administrativen und beratenden Kette, die sich von den geheiligten Sphären des Universalen Vaters nahe der Mitte aller Dinge bis hinunter zu den ersten Unterabteilungen der Lokaluniversen erstreckt. Diese der Trinität entstammende Ordnung hört mit den Konstellationen auf; keine derartigen Ratgeber aus dem Paradies sind dauernd auf den die Konstellationen bildenden Systemen oder auf den bewohnten Welten niedergelassen. Die letztgenannten administrativen Einheiten unterstehen völlig der Gerichtsbarkeit von einheimischen Wesen des Lokaluniversums. [Dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber von Uversa.] ****** Kapitel 19 Die Koordinierten Wesen Trinitären Ursprungs ****** DIESE Paradies-Gruppe, die man als die Koordinierten Wesen Trinitären Ursprungs bezeichnet, umfasst die Lehrersöhne der Trinität, die auch zu den Paradies-Söhnen Gottes gezählt werden, drei Gruppen hoher superuniverseller Verwalter und die eher unpersönliche Kategorie der Inspirierten Geiste der Trinität. Sogar die Einheimischen Havonas zusammen mit zahlreichen Gruppen von im Paradies wohnhaften Wesen können sinngemäß in diese Klassifizierung von Persönlichkeiten der Trinität aufgenommen werden. Dies sind die im Folgenden besprochenen Wesen trinitären Ursprungs: 1. Die Lehrersöhne der Trinität. 2. Die Vervollkommner der Weisheit. 3. Die Göttlichen Ratgeber. 4. Die Universellen Zensoren. 5. Die Inspirierten Geiste der Trinität. 6. Die Einheimischen Havonas. 7. Die Bürger des Paradieses. Mit Ausnahme der Lehrersöhne der Trinität und vielleicht auch der Inspirierten Geiste der Trinität weisen diese Gruppen definitive Mitgliederzahlen auf; ihre Erschaffung ist abgeschlossen und gehört der Vergangenheit an. ***** 19.1 Die Lehrersöhne der Trinität ***** Von allen euch offenbarten hohen Ordnungen himmlischer Persönlichkeiten sind die Lehrersöhne der Trinität die einzigen in doppelter Kapazität Handelnden. Obwohl dem Ursprung nach trinitärer Natur, widmen sie sich in ihrem Tun fast ausschließlich den Werken göttlicher Sohnschaft. Sie sind die Verbindungswesen, die den universellen Abgrund zwischen Trinitätspersönlichkeiten und Persönlichkeiten zweifachen Ursprungs überbrücken. Während die Zahl Stationärer Söhne der Trinität endgültig ist, nimmt jene der Lehrersöhne der Trinität ständig zu. Ich weiß nicht, wie viele Lehrersöhne es schließlich geben wird. Hingegen kann ich die Angabe machen, dass nach dem letzten periodischen Bericht Uversas die Paradies-Register 21 001 624 821 diensttuende Söhne verzeichneten. Diese Wesen sind die einzige euch offenbarte Gruppe von Gottessöhnen, die ihren Ursprung in der Paradies-Trinität haben. Man findet sie im Zentraluniversum und in den Superuniversen, und ein gewaltiges Korps ist jedem Lokaluniversum zugeteilt. Gleich den anderen Paradies-Söhnen Gottes dienen auch sie auf den einzelnen Planeten. Da der Plan für das Große Universum noch nicht gänzlich entrollt ist, werden Lehrersöhne in großer Zahl im Paradies in Reserve gehalten, und sie melden sich freiwillig zu Noteinsätzen und außergewöhnlichen Diensten in allen Abteilungen des Großen Universums, auf den einsamen Welten des Raums, in den Lokal- und Superuniversen und auf den Welten Havonas. Sie wirken auch im Paradies, aber es ist wohl besser, mit ihrer ausführlichen Behandlung zuzuwarten, bis wir zu der Besprechung der Paradies-Söhne Gottes kommen. Indessen kann in diesem Zusammenhang vermerkt werden, dass die Lehrersöhne die höchsten koordinierenden Persönlichkeiten trinitären Ursprungs sind. In einem so unermesslichen Universum der Universen besteht immer große Gefahr, dem Irrtum eines eingeschränkten Blickwinkels zu erliegen, dem Übel, das stets in einer bruchstückhaften Vorstellung von Realität und Göttlichkeit liegt. Zum Beispiel: Menschlicher Sinn hätte normalerweise das Verlangen, die in diesen Offenbarungen beschriebene kosmische Philosophie in einer Weise anzugehen, die vom Einfachen und Endlichen zum Komplexen und Unendlichen, von den menschlichen Ursprüngen zu göttlichen Bestimmungen vordringen würde. Aber auf diesem Weg gelangt man nicht zu geistiger Weisheit. Ein solches Vorgehen ist der einfachste Weg zu einer bestimmten Form genetischen Wissens, aber es kann im besten Fall nur den Ursprung des Menschen enthüllen; es enthüllt wenig oder gar nichts über seine göttliche Bestimmung. Auch beim Studium der biologischen Evolution des Menschen auf Urantia gibt es schwere Einwände gegen eine ausschließlich historische Herangehensweise an seinen heutigen Zustand und seine laufenden Probleme. Die wahre Perspektive irgendeines Problems der Realität, sei es menschlicher oder göttlicher, irdischer oder kosmischer Natur, kann nur gewonnen werden aus dem vollständigen und unvoreingenommenen Studium von drei Phasen der Universumsrealität und ihrer Verknüpfung: von Ursprung, Geschichte und Bestimmung. Ein angemessenes Verständnis dieser drei erfahrungsmäßigen Realitäten liefert die Grundlage für eine weise Beurteilung des gegenwärtigen Zustandes. Wenn menschliches Denken es unternimmt, die philosophische Technik anzuwenden, die sich dem Höheren vom Niedrigeren her nähert, sei es in Biologie oder Theologie, steht es immer in Gefahr, vier Überlegungsfehler zu machen: 1. Es kann ihm gänzlich missglücken, das finale und abschließende evolutionäre Ziel persönlicher Vollbringung oder kosmischer Bestimmung zu erkennen. 2. Es kann den gröbsten philosophischen Fehler begehen, die kosmische evolutionäre (erfahrungsmäßige) Realität allzu sehr zu vereinfachen und dadurch zu einer Verzerrung der Tatsachen, zu einer Entstellung der Wahrheit und zu einer irrigen Vorstellung von den Bestimmungen zu gelangen. 3. Die Suche nach den Ursachen ist ein sorgfältiges Lesen der Geschichte. Aber das Wissen darüber, wie ein Wesen sich entwickelt, verschafft nicht notwendigerweise auch ein intelligentes Verständnis des gegenwärtigen Status und wahren Charakters eines solchen Wesens. 4. Die Geschichte allein ist nicht in der Lage, künftige Entwicklungen - die Bestimmung - hinlänglich zu enthüllen. Endliche Ursprünge sind hilfreich, aber einzig göttliche Ursachen offenbaren finale Wirkungen. Ewige Ziele zeigen sich nicht in zeitlichen Anfängen. Die Gegenwart kann nur im Lichte der miteinander verbundenen Vergangenheit und Zukunft richtig interpretiert werden. Deshalb und noch aus anderen Gründen nähern wir uns dem Menschen und seinen planetarischen Problemen mittels jener Methode, die von dem unendlichen, ewigen und göttlichen Zentralen Paradies Ursprung aller persönlichen Realität und kosmischen Existenz zur Reise durch Zeit und Raum aufbricht. ***** 19.2 Die Vervollkommner der Weisheit ***** Die Vervollkommner der Weisheit sind eine spezialisierte Schöpfung der Paradies-Trinität, und ihre Bestimmung ist, die göttliche Weisheit in den Superuniversen zu personifizieren. Es existieren genau sieben Milliarden dieser Wesen, und jedem der sieben Superuniversen ist eine Milliarde zugeteilt. Die Vervollkommner der Weisheit durchliefen zusammen mit ihren Beigeordneten, den Göttlichen Ratgebern und Universellen Zensoren, die Weisheit des Paradieses, Havonas und der Paradies-Sphären des Vaters außer Divinington. Nach diesen Erfahrungen wurden die Vervollkommner der Weisheit dem ständigen Dienst der Ältesten der Tage zugeteilt. Sie dienen weder im Paradies noch auf den Welten der Paradies-Havona-Kreise; sie sind vollauf mit Verwaltungsaufgaben der superuniversellen Regierungen beschäftigt. Wo und wann immer ein Vervollkommner der Weisheit wirkt, wirkt göttliche Weisheit. Wissen und Weisheit, die aus den Taten dieser mächtigen und majestätischen Persönlichkeiten sprechen, sind wirklich gegenwärtig und äußern sich auf vollkommene Weise. Sie widerspiegeln nicht die Weisheit der Paradies-Trinität; sie sind diese Weisheit. Für alle Lehrer sind sie die Quellen der Weisheit bei der Vermittlung universellen Wissens; in allen Universen sind sie die Brunnen der Besonnenheit und die Borne des Unterscheidungsvermögens an den Anstalten des Lernens und der Urteilskraft. Weisheit hat einen doppelten Ursprung, indem sie einerseits der Vollkommenheit göttlicher Erkenntnis entspringt, die den vollkommenen Wesen eignet, und andererseits auf der persönlichen Erfahrung beruht, die die evolutionären Geschöpfe erworben haben. Die Vervollkommner der Weisheit sind die göttliche Weisheit der paradiesisch vollkommenen Erkenntnis der Gottheit. Ihre administrativen Mitarbeiter auf Uversa, die Mächtigen Botschafter, die Namen-und Nummernlosen und die Mit Hoher Autorität Begabten, sind, wenn sie zusammen handeln, die universelle Weisheit der Erfahrung. Ein göttliches Wesen kann die Vollkommenheit göttlichen Wissens besitzen. Ein evolutionärer Sterblicher kann irgendwann die Vollkommenheit aufsteigenden Wissens erreichen, aber keines dieser Wesen erschöpft für sich allein die Potentiale aller möglichen Weisheit. Wenn also bei der Lenkung des Superuniversums der Wunsch nach einem Maximum an administrativer Weisheit laut wird, arbeiten diese göttliche Schau besitzenden Vervollkommner der Weisheit stets mit jenen aufsteigenden Persönlichkeiten zusammen, die sich durch die erfahrungsmäßigen Mühsale des evolutionären Fortschritts bis zu den hohen Verantwortlichkeiten superuniverseller Autorität erhoben haben. Die Vervollkommner der Weisheit werden zur Vervollständigung ihres administrativen Scharfblicks immer dieser ergänzenden erfahrungsmäßigen Weisheit bedürfen. Hingegen ist die Idee vertreten worden, dass die Paradies-Finalisten möglicherweise eine hohe und bis anhin unerreichte Weisheitsebene erreichen könnten, nachdem sie dereinst in das siebente Stadium geistiger Existenz eingetreten sind. Sollte diese Annahme zutreffen, dann würden aus solchen vervollkommneten Wesen evolutionären Aufstiegs unzweifelhaft die wirksamsten Universumsverwalter, die es je in der ganzen Schöpfung gab. Ich glaube, dass gerade dies die hohe Bestimmung der Finalisten ist. Die Vielseitigkeit der Vervollkommner der Weisheit befähigt sie dazu, sich praktisch an allen himmlischen Diensten der aufsteigenden Geschöpfe zu beteiligen. Die Vervollkommner der Weisheit und meine eigene Persönlichkeitsordnung der Göttlichen Ratgeber bilden zusammen mit den Universellen Zensoren die höchsten Ordnungen von Wesen, die sich der Aufgabe der Wahrheitsoffenbarung an die individuellen Planeten und Systeme widmen können und es auch tun, sei es in deren früheren Epochen oder nach der Verankerung im Licht und Leben. Von Zeit zu Zeit treten alle von uns mit dem Dienst der aufsteigenden Sterblichen in Kontakt, von den Planeten des beginnenden Lebens über das Lokaluniversum bis insbesondere zum Superuniversum. ***** 19.3 Die Göttlichen Ratgeber ***** Diese Wesen trinitären Ursprungs sind der Rat der Gottheit für die Reiche der sieben Superuniversen. Sie widerspiegeln nicht den göttlichen Rat der Trinität, sondern sie sind dieser Rat. Es gibt einundzwanzig Milliarden diensttuender Ratgeber, und jedem Superuniversum sind ihrer drei Milliarden zugewiesen. Die Göttlichen Ratgeber sind die ebenbürtigen Mitarbeiter der Universellen Zensoren und der Vervollkommner der Weisheit, indem immer einer bis sieben Ratgeber mit je einer der letzterwähnten Persönlichkeiten zusammenarbeiten. Alle drei Ordnungen beteiligen sich an der Regierung der Ältesten der Tage unter Einschluss der Großen und Kleinen Sektoren und wirken in den Lokaluniversen, Konstellationen und Räten der Souveräne der Lokalsysteme. Wir handeln individuell, wie ich jetzt bei der Abfassung dieser Zeilen, aber wir funktionieren auch zu dritt, wann immer die Umstände es erfordern. Wenn wir in exekutiver Eigenschaft handeln, arbeiten immer ein Vervollkommner der Weisheit, ein Universeller Zensor und einer bis sieben Göttliche Ratgeber zusammen. Ein Vervollkommner der Weisheit, sieben Göttliche Ratgeber und ein Universeller Zensor bilden zusammen ein Tribunal trinitärer Göttlichkeit, die höchste bewegliche beratende Körperschaft der Universen von Zeit und Raum. Man kennt diese Neunergruppen entweder als Tatsachen herausfindende oder als Wahrheit offenbarende Tribunale, und wenn sie über ein Problem beraten und einen Entscheid fällen, ist es, als hätten die Ältesten der Tage in der Angelegenheit geurteilt; denn nie in den ganzen Annalen der Superuniversen ist ein derartiges Verdikt von den Ältesten der Tage umgestoßen worden. Wenn die drei Ältesten der Tage funktionieren, funktioniert die Paradies-Trinität. Wenn das Neunertribunal im Anschluss an seine gemeinsamen Beratungen zu einer Entscheidung gelangt, haben praktisch die Ältesten der Tage gesprochen. Und auf diese Weise treten die Herrscher des Paradieses in Verwaltungsangelegenheiten und bei Regierungsverfügungen mit einzelnen Welten, Systemen und Universen in persönlichen Kontakt. Die Göttlichen Ratgeber sind die Vollkommenheit des göttlichen Rates der Paradies-Trinität. Wir stellen den Rat der Vollkommenheit dar, wir sind tatsächlich dieser Rat. Wenn wir um den erfahrungsmäßigen Rat unserer Mitarbeiter, der vervollkommneten und von der Trinität umfangenen Wesen des evolutionären Aufstiegs bereichert werden, sind unsere gemeinsamen Schlussfolgerungen mehr als nur vollständig. Wenn unser vereintes Urteil durch einen Universellen Zensor zusammengefasst, gefällt, bestätigt und verkündet wird, naht es sich mit großer Wahrscheinlichkeit der Schwelle universaler Totalität. Solche Urteilssprüche stellen innerhalb der Zeit-Raum-Begrenzungen einer gegebenen Situation und eines bestimmten Problems die größtmögliche Annäherung an die absolute Haltung der Gottheit dar. Sieben Göttliche Ratgeber in Verbindung mit einem trinitisierten evolutionären Trio - einem Mächtigen Botschafter, einem Mit Hoher Autorität Begabten und einem Namen- und Nummernlosen - sind im Superuniversum die größte Annäherung an die Vereinigung des menschlichen Gesichtspunktes mit der göttlichen Haltung auf nahezu paradiesischen Ebenen geistiger Bedeutungen und Realitätswerte. Diese nahe Berührung der vereinigten kosmischen Haltungen von Geschöpf und Schöpfer wird nur noch von den Paradies-Söhnen der Selbsthingabe übertroffen, die in jeder Phase persönlicher Erfahrung zugleich Gott und Mensch sind. ***** 19.4 Die Universellen Zensoren ***** Es existieren genau acht Milliarden Universeller Zensoren. Diese einzigartigen Wesen sind das Urteil der Gottheit. Sie widerspiegeln nicht nur die Beschlüsse der Vollkommenheit; sie sind das Urteil der Paradies-Trinität. Nicht einmal die Ältesten der Tage richten anders als in Zusammenarbeit mit den Universellen Zensoren. Jede der Milliarde Welten des Zentraluniversums hat einen bevollmächtigten Zensor, der der planetarischen Verwaltung des residierenden Ewigen der Tage angehört. Weder Vervollkommner der Weisheit noch Göttliche Berater sind in dieser Weise dauernd den Verwaltungen Havonas zugeteilt, und wir verstehen nicht ganz, weshalb im Zentraluniversum Universelle Zensoren stationiert sind. Ihre gegenwärtigen Aktivitäten rechtfertigen ihre Stellung in Havona kaum, und wir vermuten deshalb, dass sie sich dort im Hinblick auf die Bedürfnisse eines künftigen Universumszeitalters aufhalten, in welchem sich die Einwohnerschaft Havonas teilweise verändern könnte. Eine Milliarde Zensoren sind jedem der sieben Superuniversen zugeteilt. Sowohl in eigener Vollmacht als auch in Verbindung mit Vervollkommnern der Weisheit und Göttlichen Beratern operieren sie in allen Abteilungen der sieben Superuniversen. Die Zensoren handeln also auf allen Ebenen des Großen Universums von den vollkommenen Welten Havonas bis zu den Räten der System-Souveräne, und sie sind ein organischer Teil aller Dispensationsgerichte der evolutionären Welten. Wann und wo immer ein Universeller Zensor zugegen ist, ist auch das Urteil der Gottheit anwesend. Und da die Zensoren ihre Urteile stets in Verbindung mit Vervollkommnern der Weisheit und Göttlichen Ratgebern fällen, vereinigen solche Entscheide in sich Weisheit, Rat und Urteil der Paradies-Trinität. In diesem Richtertrio könnte man den Vervollkommner der Weisheit als "Ich war" bezeichnen, den Göttlichen Ratgeber als "Ich werde sein", aber der Universelle Zensor ist immer "Ich bin". Die Zensoren sind universell zusammenfassende Persönlichkeiten. Nachdem tausend - oder eine Million - Zeugen ausgesagt haben, die Stimme der Weisheit gesprochen und der Rat der Göttlichkeit sich geäußert hat, und nachdem das Zeugnis aufsteigender Vollkommenheit hinzugefügt worden ist, tritt der Zensor in Funktion, und augenblicklich erscheint eine unfehlbare und göttliche Zusammenfassung von allem, was geschehen ist; und eine solche Offenbarung ist die göttliche Schlussfolgerung, die Summe und Substanz eines endgültigen und vollkommenen Entscheids. Deshalb wird, nachdem ein Zensor gesprochen hat, niemand mehr sprechen; denn der Zensor hat alles Geschehene in wahrer und unfehlbarer Zusammenschau geschildert. Wenn er spricht, gibt es keine Berufung mehr. Ich verstehe sehr gut, wie der Verstand eines Vervollkommners der Weisheit arbeitet, aber ich begreife wirklich nicht ganz, wie der urteilende Verstand eines Universellen Zensors funktioniert. Es scheint mir, dass die Zensoren ausgehend von einer Verknüpfung der Tatsachen, Wahrheiten und Befunde, die ihnen im Laufe einer Untersuchung von Universumsangelegenheiten vorgelegt werden, neue Bedeutungen formulieren und neue Werte hervorbringen. Sehr wahrscheinlich sind die Universellen Zensoren fähig, aus der Kombination von vollkommener Schöpfererkenntnis und vervollkommneter Geschöpfeserfahrung originale Interpretationen entstehen zu lassen. Diese Vereinigung paradiesischer Vollkommenheit mit Universumserfahrung eventuiert unzweifelhaft einen neuen Wert ultimer Realitäten. Aber damit enden unsere Schwierigkeiten bezüglich der Arbeitsweise des Verstandes der Universellen Zensoren keineswegs. Nachdem wir gewissenhaft alles herbeigezogen haben, was wir über die Arbeitsweise eines Zensors in irgendeiner gegebenen Universumssituation wissen oder vermuten, finden wir, dass wir immer noch unfähig sind, seine Entscheide vorauszuwissen oder seine Urteilssprüche vorauszusagen. Wir ermitteln das wahrscheinliche Resultat der Verbindung von Schöpferhaltung und Geschöpfeserfahrung sehr genau, aber derartige Schlussfolgerungen sind nicht immer zutreffende Vorhersagen von Zensor-Offenbarungen. Es sieht so aus, als stünden die Zensoren irgendwie mit dem Gottheit-Absoluten in Verbindung; ansonsten sind wir außerstande, viele ihrer Entscheidungen und Anordnungen zu erklären. Vervollkommner der Weisheit, Göttliche Ratgeber und Universelle Zensoren bilden zusammen mit den sieben Ordnungen der Supremen Persönlichkeiten der Trinität jene zehn Gruppen, die man manchmal als Stationäre Söhne der Trinität bezeichnet hat. Zusammen umfassen sie das große Korps von Verwaltern, Lenkern, Vollziehern, Gutachtern, Beratern und Richtern der Trinität. Ihre Zahl beträgt etwas mehr als siebenunddreißig Milliarden. Zwei Milliarden und siebzig sind im Zentraluniversum stationiert und etwas über fünf Milliarden in jedem Superuniversum. Es ist sehr schwer zu sagen, wo die funktionellen Grenzen der Stationären Söhne der Trinität liegen. Es wäre falsch zu erklären, ihre Handlungen beschränkten sich auf das Endliche, denn bestimmte in den Superuniversen aufgezeichnete Ereignisse sprechen dagegen. Sie handeln je nach den Erfordernissen der Zeit-Raum-Bedingungen auf jeder Ebene universeller Verwaltung oder Justiz, welche die vergangene, gegenwärtige und zukünftige Entwicklung des Alluniversums betrifft. ***** 19.5 Die Inspirierten Geiste der Trinität ***** Ich kann euch nur sehr wenig über die Inspirierten Geiste der Trinität sagen, denn sie gehören einer der wenigen völlig geheimen Ordnungen von Wesen an, die existieren, geheim zweifelsohne deshalb, weil es ihnen unmöglich ist, sich sogar denen von uns ganz zu offenbaren, deren Ursprung so nahe beim Quell ihrer Erschaffung liegt. Sie kommen durch einen Akt der Paradies-Trinität ins Dasein und können von jeder einzelnen Gottheit, von je zwei oder allen drei eingesetzt werden. Wir wissen nicht, ob ihre Zahl vollständig ist oder stets zunimmt, aber wir neigen zu der Annahme, dass sie nicht festgelegt ist. Wir verstehen weder Natur noch Verhalten der Inspirierten Geiste ganz. Sie gehören möglicherweise der Kategorie überpersönlicher Geistwesen an. Sie scheinen sich bei ihrem Wirken aller bekannten Kreisläufe zu bedienen und handeln offenbar nahezu unabhängig von Zeit und Raum. Aber wir wissen wenig über sie, außer dass wir auf ihren Charakter aus der Natur ihrer Aktivitäten schließen, deren Auswirkungen wir mit Bestimmtheit da und dort in den Universen beobachten. Unter gewissen Bedingungen können sich die Inspirierten Geiste hinreichend indivi- dualisieren, um von Wesen trinitären Ursprungs erkannt zu werden. Ich habe sie gesehen; aber niedrigeren Ordnungen himmlischer Wesen wäre es niemals möglich, einen von ihnen auszumachen. Auch treten bei der Leitung der sich entwickelnden Universen von Zeit zu Zeit gewisse Umstände ein, unter denen irgendein Wesen trinitären Ursprungs im Interesse seines Auftrags diese Geiste direkt einsetzen kann. Wir wissen deshalb, dass sie existieren und dass wir unter bestimmten Bedingungen ihren Beistand anfordern und erhalten und manchmal ihre Gegenwart erkennen können. Aber sie sind nicht ein Teil der in Erscheinung tretenden und klar offenbarten Organisation, die mit der Leitung der Zeit-Raum-Universen betraut ist, bevor solche materiellen Schöpfungen im Licht und Leben verankert werden. Sie haben keinen klar erkennbaren Platz im gegenwärtigen Haushalt oder in der gegenwärtigen Verwaltung der sich entwickelnden sieben Superuniversen. Sie sind ein Geheimnis der Paradies-Trinität. Die Melchisedeks von Nebadon lehren, dass die Inspirierten Geiste der Trinität dazu ausersehen sind, dereinst in der ewigen Zukunft anstelle der Einsamen Botschafter zu wirken, deren Reihen sich langsam aber sicher lichten, da sie gewissen Typen trinitisierter Söhne als Mitarbeiter zugeteilt werden. Die Inspirierten Geiste sind die einsamen Geiste des Universums der Universen. Als Geiste gleichen sie sehr stark den Einsamen Botschaftern mit dem Unterschied, dass diese eindeutige Persönlichkeiten sind. Wir beziehen vieles von dem, was wir über die Inspirierten Geiste wissen, von den Einsamen Botschaftern, die die Nähe der Inspirierten Geiste dank einer angeborenen Empfindlichkeit auf ihre Anwesenheit feststellen, die genau so unfehlbar funktioniert, wie eine Magnetnadel nach dem magnetischen Pol zeigt. Wenn ein Einsamer Botschafter in die Nähe eines Inspirierten Geistes der Trinität kommt, wird er sich bewusst, solch eine göttliche Gegenwart qualitativ wahrzunehmen und auch eine ganz eindeutige quantitative Registrierung zu machen, die ihn befähigt, tatsächlich Klassifizierung und Anzahl des oder der anwesenden Geiste zu kennen. Ich kann hier noch eine weitere interessante Tatsache erwähnen: Wenn ein Einsamer Botschafter auf einem Planeten weilt, dessen Bewohner wie diejenigen Urantias Gedankenjustierer besitzen, stellt er eine qualitative Erregung seines sensiblen Apparates zur Ortung geistiger Gegenwart fest. Es findet dabei keine quantitative Erregung, sondern nur eine qualitative Reaktion statt. Befindet er sich auf einem Planeten, wohin keine Justierer kommen, löst der Kontakt mit den Bewohnern keine derartige Reaktion aus. Das lässt vermuten, dass die Gedankenjustierer in irgendeiner Beziehung zu den Inspirierten Geisten der Paradies-Trinität stehen oder mit ihnen irgendwie verbunden sind. Möglicherweise arbeiten beide in gewissen Phasen ihrer Arbeit irgendwie zusammen; aber wir wissen es nicht wirklich. Beide haben ihren Ursprung nahe der Mitte und Quelle aller Dinge, aber sie gehören nicht derselben Ordnung von Wesen an. Die Gedankenjustierer entspringen dem Vater allein; die Inspirierten Geiste sind Kinder der Paradies-Trinität. Es sieht so aus, als gehörten die Inspirierten Geiste nicht zum evolutionären Plan für die individuellen Planeten oder Universen, und doch scheinen sie fast überall anwesend zu sein. Während ich eben dabei bin, diese Gedanken zu formulieren, verrät meines Mitarbeiters, eines Einsamen Botschafters, persönliche Sensibilität auf diese Geist-Ordnung, dass sich gerade in diesem Augenblick und nur in acht Metern Entfernung von uns ein Geist der Inspirierten Ordnung und des dritten Volumens von Machtgegenwart aufhält. Das dritte Volumen von Machtgegenwart deutet für uns die Wahrscheinlichkeit an, dass drei Inspirierte Geiste im Verband funktionieren. Von den über zwölf Ordnungen von Wesen, die im jetzigen Zeitpunkt mit mir zusammenarbeiten, ist der Einsame Botschafter der einzige, welcher sich der Gegenwart dieser geheimnisvollen Wesenheiten der Trinität bewusst ist. Und obwohl wir jetzt von der Nähe dieser göttlichen Geiste unterrichtet sind, bleiben wir doch hinsichtlich ihrer Sendung alle gleich unwissend. Wir wissen wirklich nicht, ob sie nur interessierte Beobachter unseres Tuns sind, oder ob sie tatsächlich auf eine uns unbekannte Weise zum Gelingen unseres Unternehmens beitragen. Wir wissen, dass sich die Lehrersöhne der Trinität um die bewusste Erleuchtung der Universumsgeschöpfe bemühen. Ich bin zu der festen Ansicht gelangt, dass auch die Inspirierten Geiste der Trinität als Lehrer der Reiche wirken, aber durch überbewusste Techniken. Ich bin überzeugt, dass es ein weites Gebiet wesentlichen geistigen Wissens gibt, von Wahrheit, die zum Erreichen hoher Geistigkeit unerlässlich ist, die nicht auf bewusste Weise empfangen werden kann; Selbstbewusstsein würde ihren sicheren Empfang tatsächlich aufs Spiel setzen. Wenn wir mit unserer Vorstellung Recht haben, und meine ganze Ordnung von Wesen teilt sie, ist es wohl die Aufgabe der Inspirierten Geiste, diese Schwierigkeit zu überwinden, diese Kluft im universellen Plan sittlicher Erleuchtung und geistigen Fortschritts zu überbrücken. Wir denken, dass diese zwei Lehrertypen trinitären Ursprungs bei ihren Tätigkeiten irgendwie miteinander in Verbindung stehen, aber wir wissen es nicht wirklich. Auf den Schulungswelten der Superuniversen und auf den ewigen Kreisen von Havona habe ich mit den sich vervollkommnenden Sterblichen - vergeistigten aufsteigenden Seelen aus den evolutionären Welten - brüderlichen Umgang gepflegt, aber nie sind sie sich der Inspirierten Geiste bewusst gewesen, deren unmittelbare Nähe uns die Einsamen Botschafter mit ihrer Fähigkeit, sie zu orten, hin und wieder angezeigt haben. Ich habe mich mit Gottessöhnen aller Ordnungen, hohen und niedrigen, frei unterhalten, und auch sie sind sich der Ermahnungen der Inspirierten Geiste der Trinität nicht bewusst. Wenn sie auf ihre Erfahrungen zurückblicken, können sie Geschehnisse erzählen, die schwer erklärbar sind, ohne das Handeln solcher Geiste in Rechnung zu stellen. Aber mit Ausnahme der Einsamen Botschafter und manchmal von Wesen trinitären Ursprungs ist sich nie ein Mitglied der himmlischen Familie der Gegenwart der Inspirierten Geiste bewusst gewesen. Ich glaube nicht, dass die Inspirierten Geiste der Trinität mit mir Verstecken spielen. Sie bemühen sich wahrscheinlich ebenso stark darum, sich mir zu erkennen zu geben, wie ich, um mit ihnen auszutauschen; unsere Schwierigkeiten und Begrenzungen müssen gegenseitig und angeboren sein. Ich bin überzeugt, dass es im Universum keine willkürlichen Geheimnisse gibt; deshalb werde ich in meinen Anstrengungen nie nachlassen, das Geheimnis der Isolation dieser Geiste zu lösen, die zu meiner Schöpfungsordnung gehören. Und ihr Sterblichen, die ihr jetzt euren ersten Schritt auf der ewigen Reise tut, könnt alldem sehr wohl entnehmen, dass ihr einen langen Weg zurücklegen müsst, bevor ihr "sehen" und "materielle" Gewissheit besitzen werdet. Während langer Zeit werdet ihr den Glauben nötig haben und von der Offenbarung abhängen, wenn ihr hoffen wollt, rasch und sicher vorwärts zu kommen. ***** 19.6 Die Einheimischen Havonas ***** Die Einheimischen Havonas sind die direkte Schöpfung der Paradies-Trinität, und ihre Zahl geht weit über das Vorstellungsvermögen eures beschränkten Verstandes hinaus. Und es ist Urantianern unmöglich, sich eine Idee von den angeborenen Talenten solch göttlich vollkommener Geschöpfe wie der Rassen trinitären Ursprungs des ewigen Universums zu machen. Ihr könnt euch von diesen herrlichen Geschöpfen nie eine richtige Vorstellung machen; ihr müsst warten, bis ihr in Havona anlangt, wo ihr sie als geistige Kameraden werdet begrüßen können. Während eures langen Aufenthaltes auf der Milliarde von Welten Havonas werdet ihr ewige Gefühle der Freundschaft für diese wunderbaren Wesen entwickeln. Und wie tief ist die Freundschaft, die zwischen den demütigsten persönlichen Geschöpfen aus den Welten des Raums und diesen hohen persönlichen Wesen wächst, die den vollkommenen Sphären des Zentraluniversums entstammen! Während ihres langen und liebenden Umgangs mit den Einheimischen Havonas tun die aufsteigenden Sterblichen vieles, um die geistige Dürftigkeit der früheren Stadien sterblichen Fortschritts zu kompensieren. Gleichzeitig gewinnen die Havoner durch ihre Kontakte mit den aufsteigenden Pilgern eine Erfahrung, welche die erfahrungsmäßige Behinderung, immer ein Leben göttlicher Vollkommenheit gelebt zu haben, in nicht geringem Ausmaße wettmacht. Der sowohl aufsteigenden Sterblichen wie Havonern daraus erwachsende Gewinn ist groß und gegenseitig. Die Einheimischen Havonas sind wie alle anderen Persönlichkeiten trinitären Ursprungs in göttlicher Vollkommenheit geplant worden, und ebenso wie für jene gilt für sie, dass die Zeit ihren Vorrat an Gaben, die auf dem Erfahrungsweg erworben wurden, vermehren kann. Aber im Unterschied zu den Stationären Söhnen der Trinität kann sich ihr Status entwickeln, können sie eine nicht offenbarte zukünftige Ewigkeitsbestimmung haben. Das zeigt sich am Beispiel jener Havoner, die durch ihren Dienst die Voraussetzungen zu einer Fusion mit einem Nicht-Justierer-Vaterfragment erwerben und sich dadurch für die Mitgliedschaft im Korps der Finalität der Sterblichen qualifizieren. Und noch andere Korps der Finalität stehen den Einheimischen des Zentraluniversums offen. Diese Entwicklung des Status der Einheimischen Havonas hat auf Uversa vielen Theorien gerufen. Da die Havoner fortlaufend in die verschiedenen Paradies-Korps der Finalität einsickern und keine weiteren erschaffen werden, nimmt die Zahl der in Havona Verbleibenden offensichtlich ständig ab. Die letzten Konsequenzen dieser Vorgänge sind uns nie enthüllt worden, aber wir glauben nicht, dass Havona eines Tages ganz von seinen einheimischen Wesen entvölkert sein wird. Wir haben die Theorie vertreten, dass die Havoner möglicherweise im Laufe der Zeitalter der aufeinander folgenden Schöpfungen der äußeren Raumebenen irgendwann aufhören werden, in die Korps der Finalität einzutreten. Wir haben auch an die Möglichkeit gedacht, dass das Zentraluniversum in diesen späteren Universumszeitaltern von gemischten Gruppen residierender Wesen bevölkert sein könnte, einer Einwohnerschaft, die nur teilweise aus den ursprünglichen Einheimischen Havonas bestehen würde. Wir wissen nicht, welcher Ordnung oder welchem Geschöpfestyp im zukünftigen Havona der residenzielle Status bestimmt sein könnte, aber wir haben an folgende gedacht: 1. Die Univitatia, die gegenwärtigen Dauerbürger der Konstellationen der Lokaluniversen. 2. Zukünftige Typen Sterblicher, die vielleicht in den blühenden Zeitaltern des Lichts und Lebens auf den bewohnten Sphären der Superuniversen geboren werden. 3. Die aus den sukzessiven äußeren Universen eintreffende geistige Aristokratie. Wir wissen, dass das Havona des vorausgehenden Zeitalters recht verschieden war vom Havona des gegenwärtigen Zeitalters. Es scheint uns nur vernünftig anzunehmen, dass wir jetzt Zeugen jener langsamen Wandlungen im Zentraluniversum sind, die künftige Zeitalter ankündigen. Eines ist sicher: Das Universum ist nicht-statisch; nur Gott ist unveränderlich. ***** 19.7 Die Bürger des Paradieses ***** Im Paradies wohnen zahlreiche Gruppen wunderbarer Wesen, die Bürger des Paradieses. Sie sind vom Plan der sich vervollkommnenden aufsteigenden Willensgeschöpfe nicht direkt betroffen und werden deshalb den Sterblichen Urantias nicht gänzlich offenbart. Es gibt über dreitausend Ordnungen dieser himmlischen Intelligenzen. Die letzte Gruppe wurde zugleich mit dem Erlass der Trinität personifiziert, der den Schöpfungsplan der sieben Superuniversen von Zeit und Raum verkündete. Die Bürger des Paradieses und die Einheimischen Havonas werden manchmal kollektiv als Paradies-Havona-Persönlichkeiten bezeichnet. Dies vervollständigt die Schilderung der durch die Paradies-Trinität ins Dasein gerufenen Wesen. Keines von ihnen ist je auf Abwege geraten. Und doch sind sie alle im höchsten Sinne mit freiem Willen begabt. Die Wesen trinitären Ursprungs besitzen Transitvorrechte, die sie von Transportpersönlichkeiten wie den Seraphim unabhängig machen. Wir besitzen alle die Macht, uns im Universum der Universen frei und rasch zu bewegen. Mit Ausnahme der Inspirierten Geiste der Trinität können wir nicht die fast unglaubliche Geschwindigkeit der Einsamen Botschafter erreichen, aber wir sind fähig, sämtliche im Raum für den Transport vorhandenen Einrichtungen in einer Weise zu benutzen, dass wir jeden beliebigen Punkt eines Superuniversums von dessen Hauptsitz aus in weniger als einem Jahr der Zeit Urantias erreichen können. Ich habe für meine Reise von Uversa nach Urantia 109 Tage eurer Zeit benötigt. Über dieselben Verbindungswege sind wir in der Lage, augenblicklich miteinander in Verbindung zu treten. Unsere ganze Ordnung erschaffener Wesen befindet sich in Kontakt mit jedem Angehörigen jeder Klasse von Kindern der Paradies-Trinität mit der einzigen Ausnahme der Inspirierten Geiste. [Dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber aus Uversa.] ****** Kapitel 20 Die Paradies-Söhne Gottes ****** NACH ihrer Funktion im Superuniversum Orvontons werden die Söhne Gottes in drei allgemeine Kategorien eingeordnet: 1. Die Niedersteigenden Söhne Gottes. 2. Die Aufsteigenden Söhne Gottes. 3. Die Trinitisierten Söhne Gottes. Die niedersteigenden Ordnungen der Sohnschaft umfassen Persönlichkeiten direkter und göttlicher Schöpfung. Die aufsteigenden Söhne, wie die sterblichen Geschöpfe, erlangen diesen Status durch erfahrungsmäßige Teilnahme an der schöpferischen Technik, die man Evolution nennt. Die Trinitisierten Söhne sind eine Gruppe gemischten Ursprungs, die alle Wesen einschließt, die von der Paradies-Trinität umfangen worden sind, auch wenn sie nicht direkten trinitären Ursprungs sind. ***** 20.1 Die Niedersteigenden Söhne Gottes ***** Alle niedersteigenden Söhne Gottes haben einen hohen göttlichen Ursprung. Sie widmen sich dem niedersteigenden Amt des Dienens auf den Welten und Systemen von Zeit und Raum, um dort den niedrigen Geschöpfen evolutionären Ursprungs - den aufsteigenden Söhnen Gottes - den Fortschritt auf ihrem Weg zum Paradies zu erleichtern. Von den zahlreichen Ordnungen niedersteigender Söhne werden wir in diesen Ausführungen deren sieben beschreiben. Die Söhne, die auf der zentralen Insel des Lichts und Lebens aus den Gottheiten hervorgehen, heißen Paradies-Söhne Gottes und umfassen die folgenden drei Ordnungen: 1. Die Schöpfersöhne - die Michaele. 2. Die Richtersöhne - die Avonale. 3. Die Lehrersöhne der Trinität - die Daynale. Die übrigen vier Ordnungen niedersteigender Sohnschaft kennt man als die Söhne Gottes des Lokaluniversums: 4. Die Melchisedek-Söhne. 5. Die Vorondadek-Söhne. 6. Die Lanonandek-Söhne. 7. Die Lebensbringer. Die Melchisedeks sind die gemeinsamen Sprosse des Schöpfersohnes, des Schöpferischen Geistes und des Melchisedek-Vaters eines Lokaluniversums. Sowohl Vorondadeks wie auch Lanonandeks werden durch einen Schöpfersohn und seine Mitarbeiterin, den Schöpferischen Geist, ins Leben gerufen. Die Vorondadeks sind am besten bekannt als die Allerhöchsten, als die Väter der Konstellationen, die Lanonandeks als die Souveräne der Systeme und als Planetarische Fürsten. Die dreifache Ordnung der Lebensbringer wird durch einen Schöpfersohn und einen Schöpferischen Geist gemeinsam mit einem der drei Ältesten der Tage des betreffenden Superuniversums ins Dasein gebracht. Aber es ist sinnvoller, Wesen und Aktivitäten dieser Söhne Gottes des Lokaluniversums in jenen Schriften zu behandeln, die sich mit den Angelegenheiten der Lokalschöpfungen befassen. Die Paradies-Söhne Gottes sind dreifachen Ursprungs: Die primären oder Schöpfersöhne werden durch den Universalen Vater und den Ewigen Sohn ins Dasein gebracht; die sekundären oder Richtersöhne sind die Kinder des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes; die Lehrersöhne der Trinität entstammen dem Vater, dem Sohn und dem Geist. Vom Standpunkt des Dienens, der Anbetung und der Bittstellung sind die Paradies-Söhne wie ein einziger; ihr Geist ist eins, und ihr Wirken ist hinsichtlich Qualität und Vollkommenheit identisch. So wie die Paradies-Ordnungen der Tage sich als göttliche Verwalter bewährt haben, haben sich die Ordnungen der Paradies-Söhne als göttliche Überbringer offenbart - als Schöpfer, Dienende, Sich-Selbst-Hingebende, Richter, Lehrer und Wahrheitsoffenbarer. Man findet sie im Universum der Universen von den Gestaden der ewigen Insel bis zu den bewohnten Welten der Zeit und des Raums, wobei sie im Zentraluniversum und in den Superuniversen mannigfache Dienste leisten, die in diesen Schriften nicht enthüllt werden. Je nach Art und Ort ihres Dienstes sind sie verschieden organisiert, aber in einem Lokaluniversum dienen sowohl Richter- wie Lehrersöhne unter der Leitung des dort herrschenden Schöpfersohnes. Die Schöpfersöhne scheinen eine in ihrer Person zentrierte Geistbegabung zu besitzen, über die sie gebieten und die sie austeilen können, wie euer eigener Schöpfersohn es tat, als er seinen Geist über alle Sterblichen Urantias ausgoss. Jeder Schöpfersohn ist in seinem eigenen Universum mit dieser geistigen Anziehungskraft ausgestattet; er ist sich persönlich jeder Handlung und jeder Gemütsbewegung jedes in seinem Gebiet dienenden niedersteigenden Gottessohnes bewusst. Es ist dies eine göttliche Widerspiegelung, ein Lokaluniversumsdoppel jener weit ausholenden absoluten geistigen Anziehungskraft des Ewigen Sohnes, die ihm erlaubt, mit all seinen Paradies-Söhnen Kontakt aufzunehmen und zu unterhalten, wo im ganzen Universum der Universen sie sich auch immer aufhalten mögen. Die Paradies-Schöpfersöhne dienen nicht nur als Söhne in ihren niedersteigenden Werken des Dienens und der Hingabe, sondern wirken nach Abschluss ihrer Missionen der Selbsthingabe in ihrer eigenen Schöpfung als Universumsväter, während die anderen Gottessöhne mit ihrem Dienst der Selbsthingabe und geistigen Hebung fortfahren, um die Planeten einen nach dem anderen für die willige Anerkennung der liebevollen Herrschaft des Universalen Vaters zu gewinnen, was schließlich in der Hingabe der Geschöpfe an die Ausführung des Willens des Paradies-Vaters gipfelt und in der planetarischen Treue gegenüber der Universumssouveränität seines Schöpfersohnes. In einem durch sieben Selbsthingaben gegangenen Schöpfersohn mischen sich Schöpfer und Geschöpf für immer in verstehender, teilnahmsvoller und erbarmender Verbindung. Der ganze Orden der Michaele, der Schöpfersöhne, ist so einzigartig, dass die Betrachtung ihrer Natur und Tätigkeiten der nächsten Schrift dieser Serie vorbehalten ist, während dieser Bericht sich hauptsächlich mit den zwei übrigen Ordnungen von Paradies-Söhnen, den Richtersöhnen und den Lehrersöhnen der Trinität, beschäftigt. ***** 20.2 Die Richtersöhne ***** Jedes Mal, wenn sich eine durch den Ewigen Sohn formulierte originale und absolute Vorstellung von einem Wesen mit einem durch den Unendlichen Geist konzipierten neuen und göttlichen Ideal liebenden Dienens vereinigt, geht daraus ein neuer und originaler Gottessohn, ein Paradies-Richtersohn, hervor. Diese Söhne bilden die Ordnung der Avonale im Gegensatz zu der Ordnung der Michaele, der Schöpfersöhne. Obwohl selber nicht Schöpfer im persönlichen Sinne, arbeiten sie mit den Michaelen in all ihrem Wirken eng zusammen. Die Avonale sind planetarische Liebespender und Richter, die Magistraten der Zeit-Raum-Welten - für alle Rassen, auf allen Welten und in allen Universen. Wir haben gute Gründe zu der Annahme, dass die Gesamtzahl der Richtersöhne im Großen Universum ungefähr eine Milliarde beträgt. Sie sind eine sich selbst regierende Ordnung, die von ihrem höchsten Rat im Paradies gelenkt wird. Dieser setzt sich aus erfahrenen Avonalen zusammen, die den Diensten aller Universen entnommen wurden. Aber wenn sie zur Erfüllung eines Auftrags einem Lokaluniversum zugeteilt sind, dienen sie unter der Leitung des dortigen Schöpfersohnes. Die Avonale sind die auf den einzelnen Planeten der Lokaluniversen dienenden und sich hingebenden Paradies-Söhne. Und da jeder Avonal-Sohn eine ausschließliche Persönlichkeit besitzt, da auch nicht ihrer zwei einander gleichen, ist ihr Werk individuell einmalig auf den Welten ihres Aufenthaltes, wo sie sich oft als Sterbliche inkarnieren und manchmal von irdischen Müttern der evolutionären Welten geboren werden. Zusätzlich zu den Diensten, die sie auf höheren Verwaltungsebenen leisten, haben die Avonale auf den bewohnten Welten eine dreifache Aufgabe: 1. Richterliche Handlungen. Sie handeln beim Abschluss der planetarischen Dispensationen. Im Laufe der Zeit können auf jedem einzelnen Planeten Dutzende, ja Hunderte von solchen Sendungen durchgeführt werden, und die Avonale können als Dispensationsbeendiger, als Befreier der schlafenden Fortlebenden unzählige Male auf dieselbe oder andere Welten gehen. 2. Richtermissionen. Ein planetarischer Besuch dieser Art findet gewöhnlich vor der Ankunft eines Sohnes der Selbsthingabe statt. Bei einer solchen Mission erscheint der Avonal als ein Erwachsener der Welt durch eine Inkarnationstechnik ohne menschliche Geburt. Nach diesem ersten üblichen Richterbesuch können die Avonale sowohl vor wie nach dem Erscheinen eines Sohnes der Selbsthingabe auf demselben Planeten in Richterfunktion dienen. Bei diesen zusätzlichen Richtermissionen kann ein Avonal in materieller, sichtbarer Gestalt erscheinen oder auch nicht, aber bei keiner von ihnen wird er in der Welt als ein hilfloser Säugling geboren. 3. Missionen der Selbsthingabe. Die Avonal-Söhne geben sich alle mindestens einmal an eine menschliche Rasse auf irgendeiner evolutionären Welt hin. Richterliche Besuche sind zahlreich, der Richtermissonen mag es mehrere geben, aber auf jedem Planeten erscheint nur ein einziger Sohn der Selbsthingabe. Selbsthingabe-Avonale werden von Frauen in derselben Weise geboren, wie sich Michael von Nebadon auf Urantia inkarnierte. Der Zahl der von einem Avonal-Sohn unternommenen Richter- und Selbsthingabe-Missionen ist keine Grenze gesetzt, aber gewöhnlich gibt es, nachdem er siebenmal durch diese Erfahrung hindurchgegangen ist, einen Aufschub zugunsten derer, die weniger lang in dieser Weise gedient haben. Die Söhne mit mehrfacher Selbsthingabe-Erfahrung werden darauf dem hohen persönlichen Rat eines Schöpfersohnes zugeteilt und nehmen fortan an der Verwaltung der Universumsangelegenheiten teil. Bei all ihrem Wirken für eine bewohnte Welt und auf ihr stehen den Richtersöhnen zwei Geschöpfesordnungen des Lokaluniversums zur Seite, die Melchisedeks und die Erzengel. Auf Selbsthingabe-Missionen werden sie zusätzlich von den Leuchtenden Abendsternen begleitet, die ebenfalls aus der Lokalschöpfung stammen. Bei jedem planetarischen Einsatz werden die sekundären Paradies-Söhne, die Avonale, durch die ganze Macht und Autorität eines primären Paradies-Sohnes, des Schöpfersohnes, unterstützt, in dessen Lokaluniversum sie dienen. Ihr Werk auf einer bewohnten Sphäre ist praktisch ebenso wirksam und annehmbar, wie wenn ein Schöpfersohn auf einer solchen von Menschen bevölkerten Welt gedient hätte. ***** 20.3 Richterliche Handlungen ***** Man nennt die Avonale Richtersöhne, weil sie die hohen Richter der Welten sind, die anlässlich der aufeinander folgenden Dispensationen über die Welten der Zeit zu Gericht sitzen. Sie leiten die Auferweckung der schlafenden Fortlebenden, halten über die Welt Gericht, beenden eine Dispensation aufgeschobener Rechtsprechung, vollstrecken die Urteile, nachdem ein Zeitalter lang Barmherzigkeit auf Bewährung gespendet worden ist, weisen den auf dem Planeten dienenden Geschöpfen ihre Aufgaben in der neuen Dispensation zu und kehren nach Abschluss ihrer Mission an den Hauptsitz ihres Lokaluniversums zurück. Wenn die Avonale über die Geschicke eines Zeitalters zu Gericht sitzen, befinden sie über das Schicksal der evolutionären Rassen, aber auch wenn sie die Auslöschung der Identität persönlicher Geschöpfe verfügen, vollziehen sie solche Urteile nicht selber. Allein die Obrigkeit eines Superuniversums führt Verdikte dieser Art aus. Die Ankunft eines Paradies-Avonals auf einer evolutionären Welt zur Beendigung einer Dispensation und zur Einweihung einer neuen Ära planetarischen Fortschritts bedeutet nicht notwendigerweise eine Richter- oder Selbsthingabemission. Richtermissionen sind manchmal, Selbsthingabemissionen immer Inkarnationen; das heißt, dass die Avonale bei solchen Aufgaben auf einem Planeten - buchstäblich - in materieller Gestalt dienen. Ihre übrigen Besuche sind "technischer" Art, und bei einem solchen Auftrag wird ein Avonal für den planetarischen Dienst nicht inkarniert. Wenn ein Richtersohn nur zum Abschluss einer Dispensation kommt, erscheint er auf einem Planeten als ein geistiges Wesen, das für die materiellen Geschöpfe der Welt unsichtbar ist. Derartige technische Besuche finden in der langen Geschichte einer bewohnten Welt wiederholt statt. Avonal-Söhne können als planetarische Richter wirken, bevor sie die Erfahrung von Richter- und Selbsthingabemissionen machen. Nach diesen beiden Sendungen hingegen wird der inkarnierte Sohn das zu Ende gehende Planetenalter richten. Dasselbe gilt für einen Schöpfersohn, wenn er sich in Menschengestalt auf einer Selbsthingabemission befindet. Wenn ein Paradies-Sohn eine evolutionäre Welt besucht und wie einer ihrer Bewohner wird, beendet seine Anwesenheit eine Dispensation und bedeutet, dass die Welt gerichtet wird. ***** 20.4 Richtermissionen ***** Bevor ein Sohn der Selbsthingabe auf einer bewohnten Welt erscheint, wird der Planet üblicherweise von einem Paradies-Avonal in Richtermission besucht. Wenn es sich um eine erste Richtermission handelt, inkarniert sich der Avonal immer als materielles Wesen. Er erscheint auf dem ihm bestimmten Planeten als ein voll erwachsener männlicher Angehöriger der sterblichen Rassen, als ein Wesen, das den sterblichen Geschöpfen jener Tage und Generation gänzlich sichtbar ist und mit ihnen in physischen Kontakt tritt. Während der ganzen Dauer einer Richterinkarnation besteht eine vollständige und ununterbrochene Verbindung zwischen dem Avonal-Sohn und den lokalen und universellen geistigen Kräften. Ein Planet kann vor und nach dem Erscheinen eines Sohnes der Selbsthingabe viele Besuche von Richtersöhnen erleben. Derselbe oder andere Avonale können ihn als Richter viele Male jeweils am Ende einer Dispensation besuchen, aber solche technischen Missionen des Gerichts sind weder Selbsthingabe- noch Richtermissionen, und die Avonale inkarnieren sich dabei nie. Sogar wenn ein Planet mit wiederholten Richtermissionen gesegnet wird, unterziehen sich die Avonale nicht immer einer sterblichen Inkarnation; und wenn sie tatsächlich in sterblicher Gestalt dienen, erscheinen sie stets als erwachsene Wesen der Welt; sie werden nicht von einer Frau geboren. Während ihrer Inkarnation im Rahmen einer Selbsthingabe- oder Richtermission haben die Paradies-Söhne erfahrene Justierer, und diese Justierer wechseln von Inkarnation zu Inkarnation. Die Justierer, die den Verstand der inkarnierten Gottessöhne bewohnen, können nie hoffen, durch eine Fusion mit den sie beherbergenden menschlich-göttlichen Wesen Persönlichkeit zu erlangen, aber sie werden oft auf Geheiß des Universalen Vaters personifiziert. Solche Justierer bilden auf Divinington den höchsten leitenden Rat für Administration, Identifikation und Aussendung der Unergründlichen Mentoren auf die bewohnten Welten. Auch empfangen und beglaubigen sie die Justierer bei ihrer Rückkehr in den "Schoß des Vaters", nachdem der Tod ihre irdischen Gefäße aufgelöst hat. Auf diese Weise werden die treuen Justierer der Weltenrichter zu den hohen Leitern ihresgleichen. Urantia hat nie einen Avonal-Sohn auf Richtermission empfangen. Wäre Urantia dem allgemeinen Plan bewohnter Welten gefolgt, wäre ihm irgendwann zwischen den Tagen Adams und der Selbsthingabe von Christus Michael die Segnung einer Richtermission zuteil geworden. Aber die übliche Abfolge von Paradies-Söhnen ist auf eurem Planeten vor neunzehnhundert Jahren durch das Erscheinen des zu seiner abschließenden Selbsthingabe antretenden Schöpfersohnes völlig umgestürzt worden. Es kann sein, dass Urantia noch den Besuch eines Avonals mit dem Auftrag, sich während einer Richtermission zu inkarnieren, erhalten wird, aber was das künftige Erscheinen von Paradies-Söhnen betrifft, "kennen nicht einmal die Engel im Himmel Zeit und Art solcher Besuche", denn eine Welt, auf der eine Selbsthingabe eines Michaels stattgefunden hat, wird zur individuellen und persönlichen Schutzbefohlenen dieses Meistersohnes und ist als solche vollkommen dessen Plänen und Entscheidungen unterworfen. Und auf eurer Welt wird das Ganze noch durch Michaels Versprechen seiner Wiederkehr kompliziert. Ganz gleichgültig, welche Missverständnisse den Aufenthalt Michaels von Nebadon auf Urantia umgeben, eines steht mit Sicherheit fest: sein Versprechen, auf eure Welt zurückzukehren. Angesichts dieser Aussicht kann einzig die Zeit die künftige Reihenfolge der Besuche der Paradies-Söhne Gottes auf Urantia enthüllen. ***** 20.5 Selbsthingabe der Paradies Söhne Gottes ***** Der Ewige Sohn ist das ewige Wort Gottes. Der Ewige Sohn ist der vollkommene Ausdruck des "ersten" absoluten und unendlichen Gedankens seines ewigen Vaters. Wenn ein persönliches Doppel, eine göttliche Erweiterung dieses Ursprünglichen Sohnes sich auf eine Mission der Selbsthingabe in sterblicher Gestalt begibt, wird es buchstäblich wahr, dass das göttliche "Wort Fleisch geworden ist" und das Wort somit unter den bescheidenen Wesen tierischen Ursprungs weilt. Auf Urantia herrscht der weit verbreitete Glaube, der Zweck der Selbsthingabe eines Sohnes sei, irgendwie die Haltung des Universalen Vaters zu beeinflussen. Aber ihr solltet aufgeklärt genug sein, um zu wissen, dass das nicht wahr ist. Die Selbsthingaben der Avonal- und Michael-Söhne sind ein notwendiger Teil eines erfahrungsmäßigen Prozesses, der dazu bestimmt ist, diese Söhne zu sicheren und mitfühlenden Richtern und Herrschern über die Völker und Planeten von Zeit und Raum werden zu lassen. Das Durchlaufen von sieben Selbsthingaben ist das höchste Ziel aller Paradies-Schöpfersöhne. Und alle Richtersöhne sind von demselben Geist des Dienens bewegt, der den primären Schöpfersöhnen und dem Ewigen Sohn des Paradieses in so überreichem Maße eignet. Irgendein Paradies-Sohn muss sich an eine von Sterblichen bewohnte Welt hingegeben haben, bevor es den Gedankenjustierern möglich wird, den Verstand sämtlicher normaler menschlicher Wesen dieser Sphäre zu bewohnen; denn die Justierer kommen nicht zu allen ehrlich gesinnten menschlichen Wesen, bevor der Geist der Wahrheit über alles Fleisch ausgegossen worden ist, und die Aussendung des Geistes der Wahrheit hängt von der Rückkehr eines Paradies-Sohnes an den Hauptsitz des Universums ab, nachdem er seine Mission der Selbsthingabe als Sterblicher auf einer sich entwickelnden Welt erfolgreich abgeschlossen hat. Im Laufe der langen Geschichte eines bewohnten Planeten finden viele Dispensationsgerichte statt, und es kann mehr als eine Richtermission geben, aber gewöhnlich wird ein Sohn der Selbsthingabe nur ein einziges Mal auf der Sphäre dienen. Nur ein einziger Sohn der Selbsthingabe muss mit Notwendigkeit auf jede bewohnte Welt kommen und hier das ganze sterbliche Leben von der Geburt bis zum Tode durchlaufen. Jede von Sterblichen bewohnte Welt ist unabhängig von ihrem geistigen Status früher oder später dazu bestimmt, einen Richtersohn in Selbsthingabemission zu empfangen mit Ausnahme des einen Planeten in jedem Lokaluniversum, den der Schöpfersohn zu seiner eigenen sterblichen Selbsthingabe auserkoren hat. Da ihr jetzt größere Klarheit über die Söhne der Selbsthingabe habt, versteht ihr, weshalb Urantia in der Geschichte von Nebadon ein so großes Interesse erweckt. Euer kleiner und unbedeutender Planet ist für das Lokaluniversum nur deshalb von Belang, weil er die Heimatwelt des sterblichen Jesu von Nazareth ist. Er war der Ort der letzten und siegreichen Selbsthingabe eures Schöpfersohnes, der Schauplatz, wo Michael die supreme persönliche Souveränität über das Universum von Nebadon gewann. Insbesondere nach Abschluss seiner Selbsthingabe als Sterblicher verbringt ein Schöpfersohn am Hauptsitz seines Lokaluniversums viel Zeit damit, das Kollegium seiner mit ihm arbeitenden Söhne, der Richtersöhne und anderer, zu beraten und auszubilden. Mit Liebe und Hingabe, mit zartem Erbarmen und achtungsvoller Zuneigung geben sich diese Richtersöhne an die Welten des Raums hin. Und ihr planetarisches Dienen steht den Selbsthingaben der Michaele als Sterbliche in keiner Weise nach. Es ist war, dass euer Schöpfersohn für sein letztes Abenteuer in Geschöpfeserfahrung eine Welt auswählte, der ungewöhnliche Missgeschicke widerfahren waren. Aber kein Planet könnte sich je in so schlimmer Verfassung befinden, dass sich zu seiner geistigen Rehabilitierung die Selbsthingabe eines Schöpfersohnes aufdrängen würde. Jeder der Selbsthingabegruppe angehörende Sohn hätte der Aufgabe ebenfalls genügt, denn in all ihrem Wirken auf den Welten eines Lokaluniversums sind die Richtersöhne genauso göttlich erfolgreich und allweise, wie es an ihrer Statt ihr Paradies-Bruder, der Schöpfersohn, gewesen wäre. Obwohl diese inkarnierten, sich selbst hingebenden Paradies-Söhne stets mit der Möglichkeit einer Katastrophe rechnen müssen, habe ich noch nie von Misserfolg oder Pflichtvergessenheit eines Richter- oder Schöpfersohnes auf einer Selbsthingabemission gehört. Beider Ursprung steht der absoluten Vollkommenheit zu nahe, als dass sie fehlen könnten. Sie gehen tatsächlich das Risiko ein, werden tatsächlich wie die sterblichen Geschöpfe aus Fleisch und Blut und gewinnen dadurch die einzigartige Geschöpfeserfahrung, aber so weit meine Beobachtung reicht, sind sie immer erfolgreich. Nie misslingt es ihnen, das Ziel der Selbsthingabemission zu erfüllen. Die Schilderungen ihrer Selbsthingaben und planetarischen Dienste in ganz Nebadon sind das edelste und fesselndste Kapitel der Geschichte eures Lokaluniversums. ***** 20.6 Der irdische Werdegang der Söhne der Selbsthingabe ***** Die Methode, durch welche ein Paradies-Sohn zur sterblichen Inkarnation als Sohn der Selbsthingabe bereit wird und dann auf dem Planeten seiner Selbsthingabe in einen Mutterleib eingeht, ist ein universales Geheimnis; und jeder Versuch, das Funktionieren dieser Technik Sonaringtons herauszufinden, ist zu sicherem Misserfolg verurteilt. Lasst das sublime Wissen um das Leben des sterblichen Jesu von Nazareth sich in eure Seelen senken, aber verschwendet keine Gedanken an nutzlose Spekulationen darüber, wie diese mysteriöse Inkarnation Michaels von Nebadon bewerkstelligt wurde. Freuen wir uns alle im sicheren Wissen darum, dass es der göttlichen Natur möglich ist, Derartiges zu vollbringen, und verlieren wir keine Zeit mit müßigem Rätseln über die Technik, die die göttliche Weisheit zur Bewirkung solcher Phänomene einsetzt. Bei seiner Mission der Selbsthingabe als Sterblicher wird ein Paradies-Sohn immer von einer Frau geboren und wächst als ein männliches Kind der Welt heran, gerade so wie Jesus auf Urantia. Diese Söhne supremen Dienstes durchlaufen Kindheit, Jugend und Mannesalter genau wie ein menschliches Wesen. Sie werden in jeder Beziehung wie die Sterblichen der Rasse, in welcher sie geboren werden. Ganz wie die Kinder der Welten, auf denen sie dienen, richten auch sie Bitten an den Vater. Von einem materiellen Standpunkt aus leben diese menschlich-göttlichen Söhne ein gewöhnliches Leben mit einer einzigen Ausnahme: Sie zeugen auf der Welt ihres Aufenthaltes keine Nachkommen; das ist eine allen Ordnungen sich selbst hingebender Paradies-Söhne auferlegte universelle Einschränkung. So wie Jesus auf eurer Welt als Zimmermannssohn arbeitete, mühen sich andere Paradiessöhne in den verschiedensten Eigenschaften auf den Planeten ihrer Selbsthingabe ab. Ihr könnt schwerlich an eine berufliche Tätigkeit denken, die nicht von irgendeinem Paradies-Sohn während seiner Selbsthingabe auf irgendeinem evolutionären Planeten der Zeit ausgeübt worden wäre. Nachdem ein Sohn der Selbsthingabe die Erfahrung, das Leben eines Sterblichen zu leben, gemeistert und eine vollkommene Harmonisierung mit dem ihm innewohnenden Justierer erreicht hat, beginnt er mit jenem Teil seiner planetarischen Sendung, der bestimmt ist, das Denken seiner irdischen Brüder zu erleuchten und ihre Seelen zu inspirieren. Als Lehrer verschreiben sich diese Söhne einzig der geistigen Erleuchtung der sterblichen Rassen auf den Welten ihres Aufenthaltes. Obwohl die Selbsthingaben der Michaele und Avonale in den meisten Punkten vergleichbar sind, sind sie doch nicht in allen identisch. Nie verkündet ein Richtersohn: "Wer immer den Sohn gesehen hat, hat den Vater gesehen", wie es euer Schöpfersohn tat, als er als ein Mensch auf Urantia weilte. Aber ein sich hingebender Avonal erklärt: "Wer immer mich gesehen hat, hat den Ewigen Sohn Gottes gesehen." Die Richtersöhne stammen nicht unmittelbar vom Vater ab, und sie inkarnieren sich nicht in Unterwerfung unter den Willen des Vaters; sie geben sich immer als Paradies-Söhne hin, die dem Willen des Ewigen Sohnes des Paradieses untertan sind. Wenn die sich hingebenden Schöpfer- oder Richtersöhne durch die Todespforte gehen, erscheinen sie am Dritten Tag wieder. Aber ihr solltet nicht denken, dass sie alle ein so tragisches Ende nehmen wie der Schöpfersohn, der vor neunzehnhundert Jahren auf eurer Erde weilte. Die außergewöhnliche und über alles grausame Erfahrung, durch die Jesus von Nazareth gegangen ist, hat Urantia im Lokaluniversum den Namen "Welt des Kreuzes" eingetragen. Es ist nicht nötig, dass den Gottessöhnen eine so unmenschliche Behandlung widerfahre, und in ihrer großen Mehrheit haben die Planeten sie mit mehr Hochachtung aufgenommen und ihnen erlaubt, ihre irdische Laufbahn zu beenden, das Zeitalter abzuschließen, die schlafenden Fortlebenden zu richten und eine neue Dispensation einzuweihen, ohne sie eines gewaltsamen Todes sterben zu lassen. Ein Sohn der Selbsthingabe muss dem Tod begegnen, muss in ihrer Gänze durch die tatsächliche Erfahrung der Sterblichen der Welt gehen, aber der göttliche Plan fordert nicht, dass der Tod gewaltsamer oder ungewöhnlicher Natur sei. Wenn Söhne der Selbsthingabe nicht ein gewaltsames Ende nehmen, geben sie ihr Leben freiwillig auf und treten durch die Todespforte, nicht etwa, um der Erfordernis "finsterer Gerechtigkeit" oder "göttlichen Zorns" zu genügen, sondern vielmehr, um die Selbsthingabe zu vervollständigen, "den Kelch" des inkarnierten Werdegangs und der persönlichen Erfahrung "zu trinken" in allem, was das Leben eines Geschöpfes ausmacht, wie es auf den Planeten irdischer Existenz gelebt wird. Die Selbsthingabe ist eine planetarische und universelle Notwendigkeit, und der physische Tod ist weiter nichts als ein notwendiger Teil einer Selbsthingabemission. Wenn seine Inkarnation als Sterblicher zu Ende ist, begibt sich der diensttuende Avonal ins Paradies, wird vom Universalen Vater angenommen, kehrt zum Lokaluniversum zurück, dem er dient, und wird vom Schöpfersohn anerkannt. Hierauf senden der Avonal der Selbsthingabe und der Schöpfersohn ihren gemeinsamen Geist der Wahrheit aus, damit er in den Herzen der sterblichen, auf der Welt der Selbsthingabe wohnenden Rassen wirke. In den der Souveränität vorausgehenden Zeitaltern eines Lokaluniversums ist dies der gemeinsame Geist beider Söhne, und er wird vom Schöpferischen Geist ausgeteilt. Er ist etwas verschieden von dem Geist der Wahrheit, der die Zeitalter des Lokaluniversums nach der siebenten Selbsthingabe eines Michaels kennzeichnet. . Nach Abschluss der letzten Selbsthingabe eines Schöpfersohnes ändert sich die Natur des Geistes der Wahrheit, der zuvor in all jene Welten des Lokaluniversums ausgesandt worden war, auf denen sich ein Avonal hingegeben hatte, und wird im eigentlichen Sinne zum Geist des souveränen Michaels. Dieses Phänomen ereignet sich in dem Augenblick, wo der Geist der Wahrheit befreit wird, um sein Amt auf dem Planeten der Selbsthingabe Michaels aufzunehmen. Danach empfängt jede Welt, der die Ehre der Selbsthingabe eines Richtersohnes widerfahren ist, vom siebenfachen Schöpfersohn in Verbindung mit diesem Richtersohn denselben geistigen Tröster, den sie empfangen hätte, wenn sich der Souverän des Lokaluniversums persönlich als Sohn der Selbsthingabe auf ihr inkarniert hätte. ***** 20.7 Die Lehrersöhne der Trinität ***** Diese in hohem Maße persönlichen und hochgeistigen Paradies-Söhne werden durch die Paradies-Trinität ins Dasein gerufen. Man kennt sie in Havona als die Ordnung der Daynale. Auf Orvonton bezeichnet man sie wegen ihres Ursprungs als Lehrersöhne der Trinität. Auf Salvington werden sie manchmal Geistige Söhne des Paradieses genannt. Die Zahl der Lehrersöhne wächst ständig. Die Fernmeldung über die letzte Zählung im Universum gab die Zahl dieser im Zentraluniversum und in den Superuniversen wirkenden Söhne der Trinität mit etwas mehr als einundzwanzig Milliarden an, worin die Paradies-Reserven, die mehr als ein Drittel aller existierenden Lehrersöhne der Trinität ausmachen, nicht enthalten sind. Die Sohnesordnung der Daynale ist kein organischer Teil der lokalen oder superuniversellen Verwaltungen. Ihre Mitglieder sind weder Schöpfer noch Retter, weder Richter noch Herrscher. Sie beschäftigen sich weniger mit universeller Verwaltung als mit sittlicher Erleuchtung und geistiger Entwicklung. Sie sind die universellen Erzieher, die sich der geistigen Erweckung und sittlichen Führung aller Reiche widmen. Ihr Wirken ist innig verknüpft mit demjenigen der Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes und eng verbunden mit dem Aufstieg der Geschöpfeswesen zum Paradies. Die Söhne der Trinität haben an den vereinigten Naturen der drei Paradies-Gottheiten teil, aber in Havona scheinen sie mehr die Natur des Universalen Vaters widerzuspiegeln. In den Superuniversen lassen sie eher die Natur des Ewigen Sohnes durchscheinen, während sie in den Lokalschöpfungen offenbar den Charakter des Unendlichen Geistes zum Ausdruck bringen. In allen Universen sind sie das verkörperte Dienen und die besonnene Weisheit. Im Unterschied zu ihren Paradies-Brüdern, den Michaelen und Avonalen, erhalten die Lehrersöhne der Trinität im Zentraluniversum keine Vorschulung. Sie werden direkt auf die Hauptwelten der Superuniversen abbeordert und dort mit einem Dienst in einem Lokaluniversum betraut. Für ihr Wirken auf den evolutionären Welten benutzen sie den gemeinsamen geistigen Einfluss eines Schöpfersohnes und der ihm beigesellten Richtersöhne, denn die Daynale besitzen in sich und aus sich heraus keine geistige Anziehungskraft. ***** 20.8 Das Wirken der Daynale im Lokaluniversum ***** Die Geistigen Söhne des Paradieses sind einmalige Wesen trinitären Ursprungs und die einzigen Geschöpfe der Trinität, die so vollständig mit der Führung der Universen zweifachen Ursprungs verbunden sind. Mit Liebe und Hingabe walten sie ihres Amtes der Erziehung der sterblichen Geschöpfe und der niedrigeren Ordnungen geistiger Wesen. Sie beginnen ihre Arbeit in den Lokalsystemen und werden dann entsprechend ihrer Erfahrung und Leistung nach innen befördert, um zuerst in den Konstellationen zu dienen und sich hernach an den höchsten Aufgaben der lokalen Schöpfung zu beteiligen. Nach ihrer Bestätigung können sie zu geistigen Botschaftern werden, zu Repräsentanten des Lokaluniversums, dem sie dienen. Ich kenne die genaue Zahl der Lehrersöhne Nebadons nicht; es gibt ihrer viele Tausende. An den Melchisedek-Schulen gehören viele Abteilungsleiter dieser Ordnung an. Einschließlich dieser Söhne umfasst der gesamte Lehrkörper der offiziellen Universität Salvingtons über hunderttausend Mitglieder. In großer Zahl sind sie auf den verschiedenen morontiellen Schulungswelten stationiert, aber sie widmen sich nicht nur dem geistigen Vorankommen der sterblichen Geschöpfe; sie haben auch die Aufgabe, seraphische Wesen und andere Einheimische der Lokalschöpfungen auszubilden. Viele ihrer Helfer entstammen den Reihen der durch Geschöpfe trinitisierten Wesen. Die Lehrersöhne bilden die Ausschüsse, die alle Prüfungen abnehmen und alle Tests leiten, die die Eignung für alle untergeordneten Phasen universellen Dienstes bescheinigen, von den Pflichten der Wachthabenden auf Außenposten bis zu jenen der Sternforscher. Sie leiten einen sich über ganze Zeitalter erstreckenden Studiengang von den planetarischen Kursen bis zu der sich auf Salvington befindenden hohen Akademie der Weisheit. Alle aufsteigenden Sterblichen und ehrgeizigen Cherubim, die diese Weisheits- und Wahrheitsabenteuer erfolgreich bestehen, können der Anerkennung ihrer Anstrengung und Vollbringung sicher sein. Alle Gottessöhne aller Universen sind den ewig treuen und universell wirksamen Lehrersöhnen der Trinität dankbar. Sie sind die hohen Lehrer aller geistigen Persönlichkeiten, ja sogar die geprüften und wahren Lehrer der Gottessöhne selber. Aber ich kann euch schwerlich über die endlosen Einzelheiten ihrer Pflichten und Funktionen Auskunft geben. Das weite Betätigungsfeld der Daynalsöhne wird man auf Urantia besser verstehen, wenn eure Intelligenz größere Fortschritte gemacht und die geistige Isolation eures Planeten ein Ende genommen haben wird. ***** 20.9 Planetarischer Dienst der Daynale ***** Wenn die Entwicklung der Ereignisse auf einer evolutionären Welt erkennen lässt, dass die Zeit für die Einweihung eines geistigen Zeitalters reif ist, melden sich die Lehrersöhne der Trinität immer freiwillig für diesen Dienst. Ihr seid mit dieser Sohnesordnung nicht vertraut, weil Urantia nie ein geistiges Zeitalter erlebt hat, ein Millennium kosmischer Erleuchtung. Aber eben jetzt besuchen die Lehrersöhne eure Welt, um Pläne für ihren in Aussicht genommenen Aufenthalt auf eurer Sphäre zu entwerfen. Sie werden mit Notwendigkeit auf Urantia erscheinen, sobald dessen Bewohner sich von ihren tierischen Fesseln und materialistischen Ketten vergleichsweise befreit haben werden. Die Lehrersöhne der Trinität haben mit der Beendigung der planetarischen Dispensationen nichts zu tun. Weder richten sie die Toten, noch geleiten sie die Lebenden hinüber, aber auf jeder ihrer planetarischen Missionen werden sie von einem Richtersohn begleitet, der diese Ämter wahrnimmt. Die Lehrersöhne sind voll und ganz damit beschäftigt, ein geistiges Zeitalter einzuleiten, auf einem evolutionären Planeten das Morgengrauen der Ära geistiger Realitäten herbeizuführen. Sie machen die geistigen Entsprechungen materiellen Wissens und zeitlicher Weisheit real. Die Lehrersöhne weilen in der Regel während tausend Jahren planetarischer Zeit auf einem Planeten zu Besuch. Ein einziger Lehrersohn leitet die planetarische tausendjährige Herrschaft, und siebzig Mitarbeiter seiner Ordnung stehen ihm zur Seite. Weder inkarnieren sich die Daynale, noch materialisieren sie sich anderswie, um für menschliche Wesen sichtbar zu werden; deshalb wird der Kontakt mit der besuchten Welt durch das Wirken der Leuchtenden Abendsterne, Persönlichkeiten des Lokaluniversums, aufrechterhalten, die mit den Lehrersöhnen der Trinität zusammenarbeiten. Die Daynale können viele Male auf eine bewohnte Welt zurückkehren, und am Ende ihrer letzten Sendung wird der Planet in den Status einer im Licht und Leben verankerten Sphäre überführt, der das evolutionäre Ziel aller von Sterblichen bewohnten Welten des gegenwärtigen Universumszeitalters ist. Das Finalitätskorps der Sterblichen hat viel mit den im Licht und Leben verankerten Sphären zu tun, und seine planetarischen Aktivitäten berühren sich mit denjenigen der Lehrersöhne. In der Tat ist die gesamte Ordnung der Daynalsöhne eng mit allen Phasen der Finalistenaktivitäten in den evolutionären Schöpfungen von Zeit und Raum verbunden. Die Lehrersöhne der Trinität scheinen mit dem Programm sterblichen Fortschritts in den früheren Stadien des evolutionären Aufstiegs so vollkommen identifiziert zu sein, dass wir oft zu Mutmaßungen über ihre mögliche Zusammenarbeit mit den Finalisten in der nicht enthüllten Laufbahn der zukünftigen Universen angeregt werden. Wir beobachten, dass die Verwalter der Superuniversen teils Persönlichkeiten trinitären Ursprungs, teils von der Trinität umfangene aufsteigende evolutionäre Geschöpfe sind. Wir sind der festen Überzeugung, dass Lehrersöhne und Finalisten jetzt daran arbeiten, die Erfahrung der Zusammenarbeit in der Zeit zu machen, wohl eine einführende Schulung, die sie auf eine enge Zusammenarbeit im Rahmen einer nicht offenbarten zukünftigen Bestimmung vorbereiten soll. Auf Uversa glauben wir, dass nach der endgültigen Verankerung der Superuniversen im Licht und Leben diese Paradies-Lehrersöhne, die mit den Problemen der evolutionären Welten so vollkommen vertraut geworden und seit so langer Zeit mit der Laufbahn der evolutionären Sterblichen verbunden sind, wahrscheinlich in einen ewigen Bund mit dem Paradies-Korps der Finalität treten werden. ***** 20.10 Der vereinte Dienst der Paradies Söhne ***** Alle Paradies-Söhne Gottes sind göttlich in Ursprung und Natur. Das Wirken jedes Paradies-Sohnes zugunsten jeder Welt ist gerade so, als wäre dieser dienende Sohn der erste und einzige Sohn Gottes. Die Paradies-Söhne sind die göttliche Offenbarung der handelnden Naturen der drei Personen der Gottheit an die Reiche von Zeit und Raum. Die Schöpfer- sowie die Richter- und Lehrersöhne sind die Geschenke der ewigen Gottheiten an die Menschenkinder und alle anderen über ein Aufstiegspotential verfügenden Universumsgeschöpfe. Diese Gottessöhne sind die göttlichen Diener, die sich unablässig der Aufgabe widmen, den Geschöpfen der Zeit zu helfen, das hohe geistige Ziel der Ewigkeit zu erreichen. In den Schöpfersöhnen vermischt sich die Liebe des Universalen Vaters mit der Barmherzigkeit des Ewigen Sohnes und tut sich in den Lokaluniversen in der schöpferischen Macht, im liebevollen Wirken und in der verständnisvollen Souveränität der Michaele kund. In den Richtersöhnen offenbart sich den evolutionären Reichen die Barmherzigkeit des Ewigen Sohnes, vereint mit der tätigen Liebe des Unendlichen Geistes, im Werdegang der richtenden, dienenden und sich hingebenden Avonale. In den Lehrersöhnen der Trinität sind Liebe, Barmherzigkeit und Betreuung der drei Paradies-Gottheiten auf den höchsten Wertebenen von Zeit und Raum koordiniert und bekunden sich den Universen gegenüber als lebendige Wahrheit, göttliche Güte und wahre geistige Schönheit. In den Lokaluniversen arbeiten diese Sohnesordnungen mit dem Ziel zusammen, den Geschöpfen des Raums die Gottheiten des Paradieses zu offenbaren: Als Vater eines Lokaluniversums vermittelt ein Schöpfersohn ein lebendiges Bild vom unendlichen Charakter des Universalen Vaters. Als Selbsthingabe-Söhne der Barmherzigkeit offenbaren die Avonale die unvergleichliche Natur des unendlich erbarmungsvollen Ewigen Sohnes. Als die wahren Lehrer der aufsteigenden Persönlichkeiten enthüllen die Daynal-Söhne der Trinität die Lehrernatur des Unendlichen Geistes. Durch ihre göttlich vollkommene Zusammenarbeit steuern Michaele, Avonale und Daynale bei zu der Verwirklichung und Offenbarung von Persönlichkeit und Souveränität des Supremen Gottes in den Zeit-Raum-Universen und für diese. In der Harmonie ihrer dreieinigen Aktivitäten wirken diese Paradies-Söhne Gottes unaufhörlich als Vorhut der Persönlichkeiten der Gottheit, indem sie die nie endende Expansion der Göttlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs von der ewigen Paradies-Insel in die unbekannten Tiefen des Raums hinaus mitmachen. [Dargeboten von einem Vervollkommner der Weisheit aus Uversa.] ****** Kapitel 21 Die Paradies-Schöpfersöhne ****** DIE Schöpfersöhne sind die Erschaffer und Herrscher der Lokaluniversen von Zeit und Raum. Diese Universumsschöpfer und -souveräne haben einen doppelten Ursprung; sie vereinigen in sich die Wesenszüge von Gott dem Vater und Gott dem Sohn. Aber jeder Schöpfersohn ist von allen anderen verschieden; jeder ist sowohl in Charakter wie Persönlichkeit einmalig; er ist der "alleinige erzeugte Sohn" des vollkommenen Gottheitsideals, dem er entspringt. Bei der gewaltigen Aufgabe der Organisierung, Entwicklung und Vervollkommnung eines Lokaluniversums erfreuen sich diese hohen Söhne stets der Billigung und Unterstützung des Universalen Vaters. Die Beziehung der Schöpfersöhne zu ihrem Vater im Paradies ist rührend und von allerhöchster Art. Ohne Zweifel ist die tiefe Zuneigung der Gottheits-Eltern zu ihrer göttlichen Nachkommenschaft der Urquell jener wunderschönen und beinahe göttlichen Liebe, die selbst sterbliche Eltern für ihre Kinder empfinden. Diese primären Paradies-Söhne werden als Michaele personifiziert. Wenn sie aus dem Paradies ausziehen, um ihre Universen zu gründen, nennt man sie die Schöpfer-Michaele. Wenn sie endgültig mit supremer Autorität ausgestattet sind, heißen sie Meister-Michaele. Manchmal sprechen wir vom Souverän eures Universums als von Christus Michael. Immer und auf ewig herrschen sie nach der "Ordnung von Michael", denn so heißt der erste Sohn ihrer Ordnung und Natur. Der ursprüngliche und erstgeborene Michael hat nie eine Inkarnation als materielles Wesen durchgemacht, aber siebenmal ist er durch die Erfahrung des geistigen Aufstiegs der Geschöpfe auf den sieben Kreisen Havonas gegangen, indem er von den äußeren Sphären bis zum innersten Kreis der zentralen Schöpfung vorrückte. Die Ordnung der Michaele kennt das Große Universum von einem Ende zum anderen; es gibt keine wesentliche Erfahrung irgendwelcher Kinder von Zeit und Raum, an welcher die Michaele nicht persönlich teilgenommen hätten; tatsächlich haben sie nicht nur Anteil an der göttlichen Natur, sondern auch an eurer Natur, das heißt an allen Naturen, von der höchsten bis zur niedrigsten. Der ursprüngliche Michael ist das leitende Oberhaupt der primären Paradies-Söhne, wenn sich diese in der Mitte aller Dinge zur Beratung versammeln. Es ist nicht lange her, dass wir auf Uversa eine universelle Fernmeldung von einem au-ßerordentlichen Konklave auf der ewigen Insel aufgezeichnet haben, bei dem einhundertfünfzigtausend Schöpfersöhne in der elterlichen Gegenwart versammelt waren, um miteinander über Dinge zu beraten, die den Fortschritt der Einigung und Stabilisierung des Universums der Universen betrafen. Es handelte sich dabei um eine ausgewählte Gruppe von Souveränen Michael-Söhnen mit siebenmaliger Selbsthingabe-Erfahrung. ***** 21.1 Ursprung und Wesen der Schöpfersöhne ***** Wenn die Fülle absoluter geistiger Ideation im Ewigen Sohn der Fülle eines absoluten Persönlichkeitskonzeptes im Universalen Vater begegnet, wenn solch eine schöpferische Vereinigung endgültig und vollständig geworden ist, wenn es zu solch einer absoluten geistigen Identität und solch einer unendlich geeinten Persönlichkeitsvorstellung kommt, dann, genau dann und dort und ohne dass die eine oder andere der unendlichen Gottheiten das Geringste an Persönlichkeit oder Vorrechten einbüßte, springt blitzartig ein voll erwachsener, neuer und originaler Schöpfersohn ins Dasein, der alleinige erzeugte Sohn des vollkommenen Ideals und der mächtigen Idee, deren Vereinigung diese neue mächtige und vollkommene Schöpferpersönlichkeit hervorgebracht hat. Jeder Schöpfersohn ist der alleinige erzeugte und einzig erzeugbare Spross der vollkommenen Vereinigung der originalen Konzepte der beiden unendlichen und ewigen und vollkommenen Verstandesbegabungen der ewig existierenden Schöpfer des Universums der Universen. Es kann nie einen zweiten solchen Sohn geben, weil jeder Schöpfersohn auf uneingeschränkte, abgeschlossene und endgültige Weise Ausdruck und Verkörperung jeder Phase jeder Facette jeder Möglichkeit jeder göttlichen Realität ist, die in aller Ewigkeit jemals in den göttlichen schöpferischen Potentialen, die sich zu der Erzeugung dieses Michael-Sohnes vereinigt haben, gefunden werden könnte, sie ausdrücken könnte oder sich aus ihnen entwickeln ließe. Jeder Schöpfersohn ist das Absolute der vereinigten Gottheitskonzepte, die seinen göttlichen Ursprung bilden. Die göttlichen Naturen der Schöpfersöhne leiten sich im Prinzip zu gleichen Teilen von den Attributen beider Eltern des Paradieses her. Alle teilen die Fülle der göttlichen Natur des Universalen Vaters und der Schöpfervorrechte des Ewigen Sohnes, aber wenn wir die praktischen Ergebnisse des Wirkens der Michaele in den Universen beobachten, stellen wir offensichtliche Unterschiede fest. Einige Schöpfersöhne scheinen mehr Gott dem Vater zu gleichen, andere mehr Gott dem Sohn. Ein Beispiel: Die allgemeine Tendenz der Verwaltung des Universums von Nebadon legt nahe, dass sein Schöpfer und regierender Sohn jemand ist, der in Natur und Charakter eher dem Ewigen Mutter-Sohn gleicht. Es sollte ferner vermerkt werden, dass einige Universen von Paradies-Michaelen gelenkt werden, die in gleicher Weise Gott dem Vater und Gott dem Sohn gleichen. Diese Beobachtungen enthalten in keiner Weise Kritik; sie sind einfach eine Feststellung von Tatsachen. Die exakte Zahl aller existierenden Schöpfersöhne ist mir nicht bekannt, aber ich habe gute Gründe zu der Annahme, dass es ihrer über siebenhunderttausend gibt. Nun wissen wir, dass es genau siebenhunderttausend Einiger der Tage gibt und keine weiteren mehr erschaffen werden. Wir stellen ebenfalls fest, dass die verfügten Pläne des gegenwärtigen Universumszeitalters darauf hinzudeuten scheinen, dass in jedem Lokaluniversum ein einziger Einiger der Tage als beratender Botschafter der Trinität residieren wird. Des Weiteren stellen wir fest, dass die ständig wachsende Zahl von Schöpfersöhnen die feste Zahl der Einiger der Tage bereits überschritten hat. Aber wir sind nie über die Bestimmung der überzähligen Michaele informiert worden. ***** 21.2 Die Schöpfer der Lokaluniversen ***** Die Paradies-Söhne der primären Ordnung sind die Entwerfer, Schöpfer, Erbauer und Verwalter ihrer jeweiligen Domänen, der Lokaluniversen von Zeit und Raum, der schöpferischen Grundeinheiten der sieben evolutionären Superuniversen. Einem Schöpfersohn ist die Wahl des Ortes seiner zukünftigen kosmischen Aktivität im Raum freigestellt, aber bevor er auch nur mit der materiellen Organisation seines Universums beginnen kann, muss er lange Zeit mit Beobachtung und Studium der Anstrengungen seiner älteren Brüder in verschiedenen Schöpfungen zubringen, welche dem Superuniversum seiner geplanten Aktivitäten angehören. Aber noch vor alledem muss der Michael-Sohn seine lange und einzigartige Erfahrung der Beobachtung des Paradieses und der Schulung in Havona abgeschlossen haben. Wenn ein Schöpfersohn das Paradies verlässt, um das Abenteuer der Erschaffung eines Universums anzutreten, um das Haupt - praktisch der Gott - des von ihm selber organisierten Lokaluniversums zu werden, ist er zum ersten Mal in innigem Kontakt mit dem Dritten Zentralen Ursprung und in vieler Hinsicht von ihm abhängig. Obwohl der Unendliche Geist mit dem Vater und mit dem Sohn im Zentrum aller Dinge wohnt, ist seine Bestimmung auch, als tatsächlicher und wirksamer Helfer jedes Schöpfersohnes zu wirken. Deshalb wird jeder Schöpfersohn von einer Schöpferischen Tochter des Unendlichen Geistes begleitet, von jenem Wesen, das bestimmt ist, zur Göttlichen Ministerin, zum Muttergeist des neuen Lokaluniversums zu werden. Das Ereignis des Weggangs eines Michael-Sohnes macht seine Schöpfervorrechte auf ewig von den Zentralen Ursprüngen des Paradieses frei. Er bleibt einzig gewissen Begrenzungen unterworfen, die in der Natur der Vorausexistenz dieser Zentralen Ursprünge liegen, sowie gewissen anderen vorausbestehenden Mächten und Gegenwarten. Unter diesen Begrenzungen der im Übrigen allmächtigen Schöpfervorrechte des Vaters eines Lokaluniversums befinden sich die folgenden: 1. Die Energie-Materie wird vom Unendlichen Geist beherrscht. Bevor irgendwelche neuen Formen oder Dinge, große oder kleine, erschaffen werden können, bevor irgendwelche neuen Umwandlungen von Energie-Materie in Angriff genommen werden können, muss sich ein Schöpfersohn des Einverständnisses und der tätigen Mithilfe des Unendlichen Geistes versichern. 2. Geschöpfesentwürfe und -typen werden vom Ewigen Sohn kontrolliert. Bevor ein Schöpfersohn zur Schöpfung irgendeiner neuen Wesensart, irgendeines neuen Geschöpfesmodells schreiten kann, muss er sich der Zustimmung des Ewigen und Ursprünglichen Mutter-Sohnes vergewissern. 3. Persönlichkeit wird vom Universalen Vater entworfen und verliehen. Die Verstandes typen und -Urmuster werden bedingt durch die dem Geschöpf vorausgehenden Seinsfaktoren. Nachdem diese Faktoren zusammengefügt worden sind, um ein (persönliches oder andersartiges) Geschöpf zu bilden, tritt dazu die Verstandesbegabung durch den Dritten Zentralen Ursprung, den universalen Urquell der Versorgung mit Intelligenz aller Wesen unterhalb der Ebene der Paradies-Schöpfer. Die Kontrolle geistiger Entwürfe und Typen hängt von der Ebene ab, auf der sie sich manifestieren. Letztlich werden die geistigen Entwürfe durch die Trinität kontrolliert oder durch die vortrinitären Geistbegabungen der Persönlichkeiten der Trinität - des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Wenn solch ein vollkommener und göttlicher Sohn vom Gebiet des Universums seiner Wahl Besitz ergriffen hat; wenn die anfänglichen Probleme der Materialisierung des Universums und der Herstellung eines hinreichenden Gleichgewichts gelöst sind; wenn er mit der ihn ergänzenden Tochter des Unendlichen Geistes zu einer leistungsfähigen und gut eingespielten Arbeitsgemeinschaft gelangt ist - dann stellen dieser Universumssohn und dieser Universumsgeist jene Verbindung her, deren Bestimmung es ist, die ungezählten Heerscharen ihrer Lokaluniversumskinder hervorzubringen. In Verbindung mit diesem Ereignis verwandelt sich das Wesen des Schöpferischen Geistes, dieser Fokussierung des Unendlichen Geistes des Paradieses, und nimmt die persönlichen Eigenschaften des Muttergeistes eines Lokaluniversums an. Obwohl alle Schöpfersöhne ihren Paradies-Eltern auf göttliche Weise gleichen, sieht doch keiner genau dem anderen ähnlich; jeder ist einmalig, verschieden, ausschließlich und original in Wesen wie Persönlichkeit. Und da sie die Architekten und Urheber der Lebenspläne ihrer jeweiligen Reiche sind, sorgt gerade diese Verschiedenartigkeit dafür, dass sich auch ihre Gebiete voneinander unterscheiden, und zwar in jeder Form und Phase lebendiger Existenz, die aus den Michaelen hervorgeht, von ihnen erschaffen oder später entwickelt wird. Daher sind die in den Lokaluniversen beheimateten Geschöpfesordnungen ganz und gar verschieden voneinander. Keine zwei dieser Universen werden von darin geborenen Wesen doppelten Ursprungs verwaltet oder bewohnt, die in jeder Hinsicht identisch sind. Innerhalb jedes Superuniversums ist eine Hälfte ihrer angeborenen Attribute genau gleich, da sie den gleichförmigen Schöpferischen Geisten entstammt; die andere Hälfte jedoch variiert, da sie den unterschiedlichen Schöpfersöhnen entstammt. Aber keine derartige Mannigfaltigkeit kennzeichnet die Wesen, die ihren Ursprung einzig im Schöpferischen Geist haben, noch die aus dem Zentraluniversum oder den Superuniversen gebürtigen importierten Wesen. Wenn ein Michael-Sohn von seinem Universum abwesend ist, übernimmt dessen Lenkung das erstgeborene einheimische Wesen, der Helle Morgenstern, der Regierungschef des Lokaluniversums. In solchen Zeiten sind Meinung und Rat des Einigers der Tage von unschätzbarem Wert. Während seiner Abwesenheiten hat der Schöpfersohn die Fähigkeit, den mit ihm verbundenen Muttergeist mit der Kontrolle seiner geistigen Gegenwart auf den bewohnten Welten und in den Herzen seiner sterblichen Kinder zu betrauen. Die Geistmutter eines Lokaluniversums verbleibt immer an dessen Hauptsitz, von wo aus sie auch den entlegensten Teilen solch eines evolutionären Gebietes ihre fördernde Umsorgung und geistige Zuwendung zukommen lässt. Die persönliche Gegenwart eines Schöpfersohnes ist zur Gewährleistung eines glatten Laufs der Dinge in einer etablierten materiellen Schöpfung nicht notwendig. Auch wenn sich die Söhne im Paradies aufhalten, folgen ihre Universen ihrer Bahn durch den Raum. Und wenn sie etwa die Zügel der Macht niederlegen, um sich als Kinder der Zeit zu inkarnieren, kreisen ihre Reiche doch unentwegt um ihre jeweiligen Zentren weiter. Keine materielle Organisation ist unabhängig von der Anziehungskraft der absoluten Gravitation des Paradieses oder von der kosmischen höchsten Kontrolle, die der Raumgegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten innewohnt. ***** 21.3 Die Souveränität über das Lokaluniversum ***** Einem Schöpfersohn wird das Gebiet eines Universums aufgrund des Einverständnisses der Paradies-Trinität und nach der Bestätigung durch den Hauptgeist zugesprochen, der dem betreffenden Superuniversum vorsteht. Diese Handlung bedeutet die Eigentumsurkunde für physischen Besitz, für kosmisches Pachtland. Aber der Aufstieg eines Michael-Sohnes von seinem anfänglichen Herrschaftsstadium selbstauferlegter Beschränkung zur erfahrungsmäßigen Suprematie selbstverdienter Souveränität geschieht aufgrund seiner eigenen persönlichen Erfahrungen, die er bei der Arbeit der Universumsschöpfung und während der inkarnierten Selbsthingaben gewinnt. Bis er seine durch Selbsthingaben verdiente Souveränität erreicht, regiert er als Stellvertreter des Universalen Vaters. Ein Schöpfersohn könnte jederzeit Anspruch auf volle Souveränität über seine persönliche Schöpfung erheben, aber er tut es aus weiser Überlegung nicht. Wenn er sich vor Durchlaufen seiner Selbsthingaben als Geschöpf eine unverdiente supreme Souveränität anmaßen würde, zögen sich die im Lokaluniversum residierenden Persönlichkeiten des Paradieses zurück. Aber so etwas ist in keiner Schöpfung von Zeit und Raum je vorgekommen. Die Tatsache des Schöpfertums schließt die volle Souveränität in sich, aber die Michaele entscheiden sich dafür, sie auf dem Erfahrungsweg zu verdienen und sich dadurch die volle Mitarbeit aller Paradies-Persönlichkeiten zu sichern, die der Verwaltung des Lokaluniversums zugeteilt sind. Wir wissen von keinem Michael, der je anders gehandelt hätte; aber es wäre ihnen nicht verwehrt, denn alle sind sie Söhne mit wahrhaft freiem Willen. Die Souveränität eines Schöpfersohnes in einem Lokaluniversum durchläuft sechs, vielleicht sieben Stadien erfahrungsmäßiger Manifestation. Sie erscheinen in dieser Reihenfolge: 1. Anfängliche stellvertretende Souveränität - von einem Schöpfersohn ausgeübte einsame, provisorische Autorität, bevor der mit ihm verbundene Schöpferische Geist persönliche Eigenschaften annimmt. 2. Gemeinsam ausgeübte stellvertretende Souveränität - gemeinsame Herrschaft des Paradies-Paares, nachdem der Muttergeist des Universums Persönlichkeit erworben hat. 3. Wachsende stellvertretende Souveränität - zunehmende Autorität des Schöpfersohnes in der Periode seiner sieben Selbsthingaben als Geschöpf. 4. Supreme Souveränität - definitive Autorität nach Abschluss der siebenten Selbsthingabe. In Nebadon existiert die supreme Souveränität seit dem Ende der Selbsthingabe Michaels auf Urantia. Sie dauert jetzt gerade seit etwas über neunzehnhundert Jahren eurer planetarischen Zeit. 5. Wachsende supreme Autorität - die fortgeschrittenen Beziehungen, die aus der Verankerung der Mehrzahl der Geschöpfesreiche im Licht und Leben erwachsen. Dieses Stadium gehört der unvollendeten Zukunft eures Lokaluniversums an. 6. Trinitäre Souveränität - ausgeübt nach der Verankerung des gesamten Lokaluniversums im Licht und Leben. 7. Nicht offenbarte Souveränität - die unbekannten Beziehungen eines zukünftigen Universumszeitalters. Wenn ein Schöpfer-Michael die anfängliche stellvertretende Souveränität über ein projektiertes Lokaluniversum annimmt, gelobt er der Trinität unter Eid, sich der supremen Souveränität nicht eher zu bemächtigen, als bis die sieben Selbsthingaben als Geschöpf erfüllt und durch die Lenker des Superuniversums bestätigt worden sind. Aber wenn es einem Michael-Sohn nicht freistünde, solch eine unverdiente Souveränität zu beanspruchen, hätte der Schwur, es nicht zu tun, keinen Sinn. Sogar in den den Selbsthingaben vorausgehenden Zeitaltern herrscht ein Schöpfersohn in seinem Reich nahezu unumschränkt, solange es in keinem von dessen Teilen zu Konflikten kommt. Es würde schwerlich auffallen, dass seiner Herrschaft Grenzen gesetzt sind, wenn die Souveränität nie herausgefordert würde. Die von einem Schöpfersohn vor seinen Selbsthingaben in einem Universum ohne Rebellion ausgeübte Souveränität ist nicht größer als die in einem Universum mit Rebellion; im ersten Fall sind die Beschränkungen nicht sichtbar, wohl aber im zweiten. Wenn je Autorität oder Verwaltung eines Schöpfersohnes herausgefordert, angefochten oder gefährdet werden, ist er ewig verpflichtet, seine persönliche Schöpfung zu unterstützen, zu schützen, zu verteidigen und wenn nötig zu retten. Die Söhne können nur von Geschöpfen, die sie selber erschaffen, oder von höheren Wesen, die sie selber ausgewählt haben, in Schwierigkeiten gebracht oder geplagt werden. Man sollte erwarten, dass "höhere Wesen", die höheren Ebenen als derjenigen eines Lokaluniversums entstammen, einem Schöpfersohn wohl kaum je Schwierigkeiten bereiten würden, und dem ist auch so. Aber sie könnten es, wenn sie wollten. Die Tugend einer Persönlichkeit beruht auf ihrem Willen; mit freiem Willen begabte Geschöpfe sind nicht automatisch rechtschaffen. Solange ein Schöpfersohn nicht durch alle Selbsthingaben hindurchgegangen ist, regiert er mit gewissen selbstauferlegten Souveränitätsbeschränkungen, aber nachdem er seinen Dienst der Selbsthingabe beendet hat, herrscht er aufgrund seiner tatsächlichen, in Gestalt seiner mannigfaltigen Geschöpfe und als eines von ihnen gewonnenen Erfahrung. Nachdem ein Schöpfersohn siebenmal unter seinen Geschöpfen geweilt hat, wenn er seinen Weg der Selbsthingabe beendet hat, ist seine Autorität in seinem Universum auf supreme Weise gefestigt; er ist ein Meistersohn, ein souveräner und supremer Herrscher geworden. Die Technik zur Erlangung supremer Autorität über ein Lokaluniversum schließt die folgenden sieben Erfahrungsschritte ein: 1. Erfahrungsmäßig eindringen in sieben Geschöpfes-Seinsebenen durch die Technik inkarnierter Selbsthingabe in Gestalt eines Geschöpfes der jeweiligen Ebene. 2. Sich erfahrungsmäßig jeder Phase des siebenfachen Willens der Paradies-Gottheit weihen, wie er in den Sieben Hauptgeisten personifiziert ist. 3. Sich gleichzeitig mit dem Durchlaufen jeder der sieben Erfahrungen auf Geschöpfes-ebene der Ausführung eines der sieben Aspekte des Willens der Paradies-Gottheit weihen. 4. Auf jeder Geschöpfesebene für die Paradies-Gottheit und alle Universumsintelligenzen das Bild eines höchst vollendeten Geschöpfeslebens zeichnen. 5. Auf jeder Geschöpfesebene zum Nutzen der Ebene der Selbsthingabe und des ganzen Universums erfahrungsmäßig eine Phase des siebenfachen Willens der Gottheit offenbaren. 6. Erfahrungsmäßig die siebenfache Geschöpfeserfahrung mit der siebenfachen Erfahrung hingebender Offenbarung von Natur und Willen der Gottheit einigen. 7. Zu einer neuen und höheren Beziehung mit dem Supremen Wesen gelangen. Die Rückwirkungen der Gesamtheit dieser Schöpfer-Geschöpf-Erfahrung erhöhen die superuniverselle Realität des Supremen Gottes und die Zeit-Raum-Souveränität des Allmächtigen Supremen und lassen eines Paradies-Michaels supreme Souveränität über sein Lokaluniversum Tatsache werden. Mit der Regelung der Souveränitätsfrage in einem Lokaluniversum beweist ein Schöpfersohn nicht nur seine Fähigkeit zur Herrschaft, sondern offenbart er auch die Natur der Paradies-Gottheiten und illustriert ihre siebenfache Haltung. Es geht um das endliche Verständnis des Primates des Vaters und seine Würdigung durch das Geschöpf, wenn ein Schöpfersohn in das Abenteuer einwilligt, in der Gestalt seiner Geschöpfe durch deren Erfahrungen zu gehen. Die primären Paradies-Söhne sind die wahren Offenbarer der liebenden Natur und wohltuenden Autorität des Vaters, desselben Vaters, der zusammen mit dem Sohn und dem Geist das universale Oberhaupt aller Macht, aller Persönlichkeiten und Regierungen aller Universumsreiche ist. ***** 21.4 Die Selbsthingaben der Michaele ***** Es gibt sieben Gruppen von sich selbst hingebenden Schöpfersöhnen, und diese Klassifizierung geschieht entsprechend der Zahl ihrer Selbsthingaben an die Geschöpfe ihrer Reiche. Auf ihre erste Erfahrung folgen fünf weitere Sendungen progressiver Selbsthingabe, bis sie die siebente und letzte Episode ihrer Schöpfer-Geschöpfes-Erfahrung erreichen. Die Selbsthingaben der Avonale geschehen immer in Menschengestalt, aber die sieben Selbsthingaben eines Schöpfersohnes beinhalten sein Erscheinen auf sieben Daseinsebenen der Geschöpfe und stehen im Zusammenhang mit der Offenbarung der sieben grundlegenden Ausdrucksweisen des Willens und Wesens der Gottheit. Alle Schöpfersöhne ohne Ausnahme gehen durch diese siebenmalige Hingabe ihrer selbst an ihre erschaffenen Kinder, bevor sie die definitive und höchste Gerichtsbarkeit über das Universum ihrer eigenen Schöpfung übernehmen. Obwohl die sieben Selbsthingaben in den verschiedenen Sektoren und Universen voneinander abweichen, schließen sie immer ein menschliches Abenteuer der Selbsthingabe ein. Bei der abschließenden Selbsthingabe erscheint ein Schöpfersohn als Angehöriger einer der höheren sterblichen Rassen einer bewohnten Welt, gewöhnlich als ein Mitglied der rassischen Gruppe mit dem bedeutendsten Erbvermächtnis der Adamischen Rasse, die zuvor zur Hebung des physischen Status der Völker tierischen Ursprungs importiert worden war. Während seiner siebenfachen Laufbahn als ein Sohn der Selbsthingabe wird ein Paradies-Michael nur einmal in der euch bekannten Art des Kindleins von Bethlehem von einer Frau geboren. Nur einmal lebt und stirbt er als ein Angehöriger der niedrigsten Ordnung evolutionärer Willensgeschöpfe. Nach jeder seiner Selbsthingaben begibt sich ein Schöpfersohn zu der "Rechten seines Vaters", um dessen Billigung der Selbsthingabe zu erlangen und von ihm vor Inangriffnahme des nächsten Abschnitts universellen Dienens Weisungen entgegenzunehmen. Nach der siebenten und letzten Selbsthingabe empfängt ein Schöpfersohn vom Universalen Vater die supreme Autorität und Gerichtsbarkeit über sein Universum. Laut den Annalen war der zuletzt auf eurem Planeten erschienene göttliche Sohn ein Paradies-Schöpfersohn, der sechs Phasen seines Selbsthingabeweges durchlaufen hatte; deshalb konnte er, als er auf Urantia das Bewusstsein seines inkarnierten Lebens aufgab, mit Recht sagen "Es ist vollbracht" - es war buchstäblich vollbracht. Sein Tod auf Urantia beschloss die Reihe seiner Selbsthingaben; er war der letzte Schritt in der Erfüllung des heiligen Schwurs eines Paradies-Schöpfersohnes. Und einmal im Besitze dieser Erfahrung, sind diese Söhne supreme Universumssouveräne; sie regieren nun nicht mehr als Stellvertreter des Vaters, sondern in ihrem eigenen Namen und Recht als "König der Könige und Herr der Herren". Mit den bestimmten erwähnten Ausnahmen sind diese siebenfachen Söhne der Selbsthingabe in dem von ihnen bewohnten Universum unbeschränkt suprem. Was sein Lokaluniversum betrifft, ist auf diesen siegreichen und inthronisierten Meistersohn "alle Macht im Himmel und auf Erden" übertragen worden. Die Schöpfersöhne, die ihren Selbsthingabe-Zyklus abgeschlossen haben, betrachtet man als Angehörige einer getrennten Ordnung, als siebenfache Meistersöhne. Als Personen sind die Meistersöhne mit den Schöpfersöhnen identisch, aber sie sind durch eine so einmalige Erfahrung hindurchgegangen, dass man sie gewöhnlich als eine verschiedene Ordnung ansieht. Wenn ein Schöpfer sich zu einer Selbsthingabe bereit findet, ist ihm bestimmt, sich tatsächlich dauerhaft zu verändern. Natürlich ist der Sohn der Selbsthingabe immer noch und nicht minder ein Schöpfer, aber er hat seiner Natur die Erfahrung eines Geschöpfes hinzugefügt, was ihn auf ewig von der göttlichen Ebene eines Schöpfersohnes wegrückt und ihn auf die erfahrungsmäßige Ebene eines Meistersohnes emporhebt, der voll und ganz das Recht erworben hat, über ein Universum zu gebieten und dessen Welten zu verwalten. Derartige Wesen verkörpern alles, was göttliches Erbe verleihen kann und schließen alles in sich, was aus der Erfahrung eines vervollkommneten Geschöpfes gewonnen werden kann. Weshalb sollte der Mensch seinen niedrigen Ursprung und den ihm auferlegten evolutionären Werdegang beklagen, wenn die Götter selber durch eine ebensolche Erfahrung gehen müssen, bevor sie aufgrund ihrer Erfahrung als würdig und kompetent gelten, endgültig und unumschränkt über ihre Universumsreiche zu herrschen! ***** 21.5 Beziehung der Meistersöhne zum Universum ***** Die Macht eines Meister-Michaels ist unbegrenzt, da sie auf der Erfahrung der Zusammenarbeit mit der Paradies-Trinität beruht, und unbestritten, weil sie auf der tatsächlichen Erfahrung beruht, die er gerade als die dieser Autorität unterworfenen Geschöpfe machte. Die Natur der Souveränität eines siebenfachen Schöpfersohnes ist suprem, weil sie 1. Den siebenfachen Gesichtspunkt der Paradies-Gottheit umfasst. 2. Eine siebenfache Haltung von Zeit-Raum-Geschöpfen einschließt. 3. Die Haltung des Paradieses und den Gesichtspunkt des Geschöpfes auf vollkommene Weise verschmilzt. Diese erfahrungsmäßige Souveränität beinhaltet also die ganze Göttlichkeit des im Supremen Wesen gipfelnden Siebenfachen Gottes. Und die persönliche Souveränität eines siebenfachen Sohnes ist gleich der zukünftigen Souveränität des dereinst vervollständigten Supremen Wesens, indem sie den größtmöglichen Macht- und Autoritätsgehalt der Paradies-Trinität umfasst, der sich in den Zeit-Raum-Grenzen des betreffenden Universums manifestieren lässt. Gleichzeitig mit der Erringung der supremen Souveränität über das Lokaluniversum verliert der Michael-Sohn die Macht und Gelegenheit, während des gegenwärtigen Universumszeitalters vollständig neue Typen von Geschöpfeswesen zu erschaffen. Aber eines Meistersohnes Verlust der Macht, völlig neue Ordnungen von Wesen zu erzeugen, behindert in keiner Weise das schon bestehende und sich im Entfaltungsprozess befindliche Werk der Lebensentwicklung; dieses gewaltige Programm universeller Evolution geht ohne Unterbruch oder Beschneidung weiter. Die Erlangung supremer Souveränität durch einen Meistersohn bedeutet auch die Verantwortung persönlicher Hingabe an das Großziehen und Verwalten dessen, was bereits ersonnen und erschaffen worden ist und dessen, was später von denen hervorgebracht werden wird, die so ersonnen und erschaffen worden sind. Mit der Zeit kann sich eine fast endlose Entwicklung verschiedener Wesen ergeben, aber hinfort wird einem Meistersohn kein vollkommen neues Modell, kein neuer Typ intelligenter Geschöpfe mehr direkt entspringen. Das ist in jedem Universum der Beginn, der erste Schritt zu einer stabilen Verwaltung. Die Erhebung eines siebenfachen Sohnes der Selbsthingabe in die unbestrittene Souveränität über sein Universum bedeutet den Anfang vom Ende der Unsicherheit und relativen Verwirrung ganzer Zeitalter. Nach diesem Ereignis wird alles, was keine Aussicht hat, dereinst vergeistigt zu werden, schließlich aufgelöst; alles, was mit der kosmischen Realität nicht eines Tages in Übereinstimmung gebracht werden kann, wird schließlich zerstört werden. Wenn die Vorräte endlosen Erbarmens und namenloser Geduld im Bemühen, die Treue und Hingabe der Willensgeschöpfe der Welten zu gewinnen, aufgebraucht sind, werden Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit vorherrschen. Was Barmherzigkeit nicht zu rehabilitieren vermag, wird Gerechtigkeit schließlich vernichten. Die Meister-Michaele sind in ihren eigenen Lokaluniversen allerhöchste Autorität, wenn sie einmal als souveräne Herrscher eingesetzt worden sind. Die wenigen ihrer Herrschaft auferlegten Beschränkungen liegen in der Natur der kosmischen Vorausexistenz bestimmter Kräfte und Persönlichkeiten. Davon abgesehen sind die Meistersöhne in ihren jeweiligen Universen allerhöchst in Autorität, Verantwortung und administrativer Macht; sie sind als Schöpfer und Götter praktisch in allen Dingen allerhöchste Autorität. Was das Funktionieren eines gegebenen Universums betrifft, so kann nichts tiefer dringen als ihre Weisheit. Nach seiner Erhebung in die fest begründete Souveränität über ein Lokaluniversum übt ein Paradies-Michael über alle anderen in seinem Reich wirkenden Söhne Gottes eine vollständige Kontrolle aus, und er ist frei, gemäß der Vorstellung zu regieren, die er sich von den Bedürfnissen seiner Reiche macht. Ein Meistersohn kann nach Belieben die Ordnung des geistigen Gerichts und der evolutio-nären Anpassung der bewohnten Planeten variieren. Und in allem, was besondere planetarische Bedürfnisse angeht, planen und handeln diese Söhne nach ihrem eigenen Gutdünken, und das gilt insbesondere für die Welten, auf denen sie als Geschöpfe geweilt haben, und noch mehr für die Welt ihrer abschließenden Selbsthingabe, für den Planeten ihrer Inkarnation in Menschengestalt. Die Meistersöhne scheinen mit den Welten ihrer Selbsthingabe in vollkommener Verbindung zu stehen, und zwar nicht nur mit jenen, auf denen sie persönlich geweilt haben, sondern auch mit all denen, an die sich ein Richtersohn hingegeben hat. Dieser Kontakt wird durch ihre eigene geistige Gegenwart aufrechterhalten, durch den Geist der Wahrheit, den "auf alles Fleisch auszugießen" in ihrer Macht steht. Die Meistersöhne halten auch eine ununterbrochene Verbindung zum Ewigen Mutter-Sohn im Zentrum aller Dinge aufrecht. Sie besitzen eine Einfühlungsgabe, die vom Universalen Vater in der Höhe bis zu den demütigen Rassen planetarischen Lebens auf den Welten der Zeit reicht. ***** 21.6 Bestimmung der Meister-Michaele ***** Niemand kann sich anmaßen, mit endgültiger Autorität Aussagen über Natur oder Bestimmung der siebenfachen Meistersouveräne zu machen; trotzdem stellen wir diesbezüglich oft allerhand Mutmaßungen an. Man lehrt uns, und wir glauben es, dass jeder Paradies-Michael das Absolute der doppelten Gottheitsvorstellung ist, die ihn hervorgebracht hat; damit ist er die Verkörperung tatsächlicher Phasen der Unendlichkeit des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes. In Bezug auf die totale Unendlichkeit müssen die Michaele partiell sein, aber sie sind wahrscheinlich absolut in Bezug auf jenen Teil der Unendlichkeit, der ihren Ursprung betrifft. Aber wenn wir ihr Wirken im gegenwärtigen Universumszeitalter beobachten, stellen wir keine Handlungen fest, die mehr als endlich wären; alle vermuteten überendlichen Fähigkeiten müssen in ihnen verschlossen sein und haben sich bis jetzt nicht offenbart. Der Abschluss der als ein Geschöpf durchlebten Selbsthingaben und die Erhebung in die supreme Universumssouveränität müssen das erfüllte Freiwerden eines Michaels von den Fähigkeiten zu endlicher Aktion bedeuten, begleitet vom Erscheinen einer Fähigkeit zu mehr als endlichem Dienst. Denn wir stellen in diesem Zusammenhang fest, dass die Meistersöhne nun in der Erzeugung von neuen Geschöpfeswesen eingeschränkt sind, und diese Einschränkung wird unzweifelhaft nötig gemacht durch die Befreiung ihrer überendlichen Potentialitäten. Höchstwahrscheinlich werden diese geheim gehaltenen Schöpferkräfte während des gegenwärtigen Universumszeitalters in den Michaelen verschlossen bleiben. Aber wir glauben, dass dereinst in weit entfernter Zukunft in den jetzt in Mobilisierung begriffenen Universen des Äußeren Raumes die Verbindung eines siebenfachen Meistersohnes mit einem Schöpferischen Geist des siebenten Stadiums wohl absonite Ebenen des Dienstes erreichen und begleitet sein wird vom Erscheinen neuer Dinge, Bedeutungen und Werte auf transzendenten Ebenen ultimer Universumsbedeutung. Gerade so wie die Gottheit des Supremen sich durch erfahrungsmäßigen Dienst verwirklicht, arbeiten auch die Schöpfersöhne an der persönlichen Verwirklichung der Potentiale paradiesischer Göttlichkeit, die in ihren unergründlichen Naturen liegen. Als er auf Urantia weilte, sagte Christus Michael einmal: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." Und wir glauben, dass die Michaele in der Ewigkeit wörtlich dazu bestimmt sind, "der Weg, die Wahrheit und das Leben" zu sein, und ewig für alle Persönlichkeiten des Universums einen hellen Schein auf den Weg zu werfen, der von supremer Göttlichkeit über ultime Absonität zu ewiger Finalität in der Gottheit führt. [Dargeboten von einem Vervollkommner der Weisheit aus Uversa.] ****** Kapitel 22 Die Trinitisierten Söhne Gottes ****** ES gibt drei Gruppen von Wesen, die man Söhne Gottes nennt. Zu den niedersteigenden und aufsteigenden Sohnesordnungen kommt noch eine dritte Gruppe, die man als die Trinitisierten Söhne Gottes bezeichnet. Die trinitisierte Sohnesordnung wird gemäß den Ursprüngen ihrer vielen offenbarten und nicht offenbarten Persönlichkeitstypen in drei Hauptsektionen unterteilt, nämlich: 1. Durch die Gottheit trinitisierte Söhne 2. Durch die Trinität umfangene Söhne. 3. Durch Geschöpfe trinitisierte Söhne. Ungeachtet ihres Ursprungs ist allen Trinitisierten Söhnen Gottes die Erfahrung der Trinitisation gemeinsam, sei es als Teil ihres Ursprungs oder als die später gemachte Erfahrung, von der Trinität umfangen zu werden. Die durch die Gottheit trinitisierten Söhne werden in diesen Schriften nicht offenbart; deshalb beschränkt sich diese Darstellung auf die Schilderung der restlichen zwei Gruppen, insbesondere der durch die Trinität umfangenen Söhne Gottes. ***** 22.1 Die durch die Trinität umfangenen Söhne Gottes ***** Alle durch die Trinität umfangenen Söhne sind ihrem Herkommen nach doppelten oder einfachen Ursprungs, aber nachdem die Trinität sie umfangen hat, sind sie für immer der Trinität zugeteilt und widmen sich ihrem Dienst. So wie dieses Korps offenbart wird und für den Superuniversumsdienst organisiert ist, umfasst es sieben Persönlichkeitsordnungen: 1. Die Mächtigen Botschafter. 2. Die Mit Hoher Autorität Begabten. 3. Die Namen- und Nummernlosen. 4. Die Trinitisierten Hüter. 5. Die Trinitisierten Botschafter. 6. Die Himmlischen Wächter. 7. Die Assistenten der Hohen Söhne. Diese sieben Persönlichkeitsgruppen sind ferner entsprechend ihrem Ursprung, ihrer Natur und Funktion in drei Hauptgruppen unterteilt: in die Trinitisierten Söhne der Vollbringung, die Trinitisierten Söhne der Erwählung und die Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit. Die Trinitisierten Söhne der Vollbringung - die Mächtigen Botschafter, die Mit Hoher Autorität Begabten und die Namen- und Nummernlosen - sind alles mit dem Justierer fusio-nierte aufsteigende Sterbliche, die das Paradies und das Korps der Finalität erreicht haben. Aber es sind keine Finalisten; nachdem die Trinität sie umfangen hat, werden ihre Namen aus der Liste der Finalisten gestrichen. Die neuen Söhne dieser Ordnung durchlaufen unter der Leitung der Ewigen der Tage während vergleichsweise kurzer Ausbildungszeiten besondere Kurse auf den Hauptsitzplaneten der Kreise Havonas. Hernach werden sie den Diensten der Ältesten der Tage in den sieben Superuniversen zugeteilt. Die Trinitisierten Söhne der Erwählung umfassen die Trinitisierten Hüter und die Trinitisierten Botschafter. Sie werden den Reihen bestimmter evolutionärer Seraphim und transferierter Mittler-Geschöpfe entnommen, die Havona durchlaufen und das Paradies erreicht haben, sowie bestimmter mit dem Geist fusionierter und mit dem Sohn fusionierter Sterblicher, die ebenso zur zentralen Insel des Lichts und Lebens aufgestiegen sind. Nach ihrer Umfangung durch die Trinität und einer kurzen Ausbildung in Havona werden die trinitisierten Söhne der Erwählung den Gerichtshöfen der Ältesten der Tage zugeteilt. Die Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit. Die Himmlischen Wächter und ihre Beigeordneten, die Assistenten der Hohen Söhne, bilden eine einzigartige Gruppe doppelt trinitisierter Persönlichkeiten. Sie sind die durch Geschöpfe trinitisierten Söhne von Paradies-Havona-Persönlichkeiten oder vervollkommneten aufsteigenden Sterblichen, die sich lange im Korps der Finalität hervorgetan haben. Nachdem einige von diesen durch Geschöpfe trinitisierten Söhnen bei den Supremen Vollziehern der Sieben Hauptgeiste und unter den Lehrer-Söhnen der Trinität gedient haben, werden sie durch die Paradies-Trinität von neuem trinitisiert (umfangen) und danach den Gerichten der Ältesten der Tage als Himmlische Wächter und Assistenten der Hohen Söhne zugeteilt. Die Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit werden dem Superuniversumsdienst ohne weitere Schulung direkt zugewiesen. Die Zahl unserer Mitarbeiter trinitären Ursprungs - Vervollkommner der Weisheit, Göttliche Ratgeber und Universelle Zensoren - bleibt sich gleich, aber die durch die Trinität umfangenen Söhne nehmen ständig zu. Alle sieben Ordnungen der durch die Trinität umfangenen Söhne sind beauftragte Mitglieder einer der sieben Superuniversumsregierungen, und jedes Superuniversum beschäftigt ihrer genau gleich viele; keiner von ihnen hat sich je verirrt. Durch die Trinität umfangene Wesen sind nie auf Abwege geraten; sie mögen gelegentlich straucheln, aber nicht einer von ihnen ist je wegen Missachtung der Superuniversumsregierungen verurteilt worden. Die Söhne der Vollbringung und die Söhne der Erwählung haben bei ihrem Dienst in Orvonton nie geschwankt, aber die Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit haben sich manchmal in ihrem Urteil geirrt und dadurch vorübergehend Verwirrung gestiftet. Unter der Leitung der Ältesten der Tage funktionieren alle sieben Ordnungen weitgehend als sich selbst regierende Gruppen. Ihr Einsatzgebiet ist immens. Die Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit verlassen das Superuniversum, dem sie zugeteilt sind, nicht, aber ihre trinitisierten Gefährten durchmessen das Große Universum auf Reisen von den evolutionären Welten der Zeit bis zur ewigen Paradies-Insel. Sie können in allen Superuniversen wirken, aber sie tun es stets als Angehörige der Superuniversumsregierung, welcher sie ursprünglich zugeteilt wurden. Anscheinend sind die durch die Trinität umfangenen Söhne den sieben Superuniversen zu dauerndem Dienst zugeteilt; sicher gilt diese Zuteilung für die Dauer des gegenwärtigen Universumszeitalters, aber man hat uns nie gesagt, sie sei für ewig. ***** 22.2 Die Mächtigen Botschafter ***** Die Mächtigen Botschafter gehören der aufsteigenden Gruppe der Trinitisierten Söhne an. Sie sind eine Klasse vervollkommneter Sterblicher, die während einer Rebellion geprüft wurden oder deren persönliche Treue auf ähnliche Weise auf die Probe gestellt wurde; alle sind in ganz bestimmter Weise auf ihre Ergebenheit gegenüber dem Universum getestet worden. Irgendwann während ihres Aufstiegs zum Paradies blieben sie angesichts des Verrates ihrer Vorgesetzten fest und loyal, und einige von ihnen wirkten aktiv und ergeben anstelle von solch treulosen Führern. Mit einer derartigen persönlichen Vergangenheit der Treue und Ergebenheit gelangen diese aufsteigenden Sterblichen mit dem Strom der Pilger der Zeit über Havona ins Paradies, werden hier graduiert und in das Korps der Finalität aufgenommen. Daraufhin werden sie in der geheimen Umfangung durch die Trinität trinitisiert und erhalten dann ihren Auftrag als Mitarbeiter der Ältesten der Tage in der Verwaltung der sieben Superuniversumsregierungen. Jeder aufsteigende Sterbliche, der sich mit einer Rebellion auseinandergesetzt und angesichts einer Auflehnung loyal verhalten hat, ist dazu ausersehen, ein Mächtiger Botschafter im Dienst des Superuniversums zu werden. Dasselbe gilt für jedes aufsteigende Geschöpf, das derartige auf Irrtum, Schlechtigkeit oder Sünde beruhende Auflehnungen wirkungsvoll zu verhindern weiß; denn Handlungen mit dem Ziel, einer Rebellion vorzubeugen oder in einer Universumskrise eine höhere Art von Ergebenheit zu entwickeln, werden als noch wertvoller betrachtet als Loyalität angesichts einer bereits ausgebrochenen Rebellion. Die Senioren der Mächtigen Botschafter wurden unter den aufsteigenden Sterblichen von Zeit und Raum ausgewählt, die sich unter den frühesten Ankömmlingen im Paradies befanden; viele von ihnen hatten Havona zu den Zeiten Großfandas durchlaufen. Aber die erste Trinitisierung von Mächtigen Botschaftern fand erst statt, als das Korps der Kandidaten Vertreter aus allen sieben Superuniversen umfasste. Und in der letzten Gruppe dieser Ordnung, die im Paradies die Qualifikation erhielt, befanden sich auch aufsteigende Pilger aus dem Lokaluniversum von Nebadon. Die Mächtigen Botschafter werden von der Paradies-Trinität in Klassen zu siebenhunderttausend umfangen, wobei jedem Superuniversum einhunderttausend zugedacht sind. Es gibt auf Uversa fast eine Billion beauftragter Mächtiger Botschafter, und alles spricht für die Annahme, dass in jedem der sieben Superuniversen ihrer genau gleich viele dienen. Ich bin ein Mächtiger Botschafter, und es mag Urantianer interessieren zu hören, dass die Gefährtin und Partnerin meiner sterblichen Erfahrung aus der großen Prüfung ebenfalls siegreich hervorging und dass wir, obwohl wir während des ganze Zeitalter beanspruchenden Aufstiegs nach innen havonawärts viele Male und über lange Zeitspannen voneinander getrennt waren, in derselben Siebenhunderttausendergruppe umfangen wurden, und dass wir die in Vizegerington durchlebte Zeit miteinander in enger und liebender Verbundenheit verbrachten. Wir erhielten schließlich unseren Auftrag und wurden gemeinsam Uversa in Orvonton zugeteilt. Und oft werden wir zusammen entsandt, wenn es um die Ausführung von Aufgaben geht, die den Dienst von zwei Botschaftern erheischen. Wie alle durch die Trinität umfangenen Söhne werden auch die Mächtigen Botschafter in sämtlichen Phasen superuniverseller Aktivität eingesetzt. Über den Reflexivitätsdienst des Superuniversums stehen sie dauernd mit ihren Hauptquartieren in Verbindung. Mächtige Botschafter dienen in allen Sektoren eines Superuniversums und führen oft Missionen in den Lokaluniversen und sogar auf einzelnen Welten aus, wie ich es bei dieser Gelegenheit tue. Die Mächtigen Botschafter treten oft als Verteidiger sowohl von Einzelwesen als auch von Planeten auf, wenn es an den superuniversellen Tribunalen zu Gerichtsverhandlungen kommt; auch unterstützen sie die Vollkommenen der Tage bei der Leitung der Angelegenheiten der Großen Sektoren. Als Gruppe ist ihr hauptsächliches Amt dasjenige von superuniversellen Beobachtern. Sie sind auf den verschiedenen Hauptsitzwelten und auf einzelnen wichtigen Planeten als offizielle Beobachter der Ältesten der Tage stationiert. In dieser Eigenschaft dienen sie auch als Ratgeber der Behörden, welche die Angelegenheiten der Sphären ihres Aufenthaltes leiten. Die Botschafter nehmen aktiven Anteil an allen Phasen des aufsteigenden Plans sterblichen Fortschritts. Im Verein mit ihren Mitarbeitern sterblichen Ursprungs halten sie die Superuniversumsregierungen in enger und persönlicher Fühlung mit dem Stand und Fortschritt der Pläne der niedersteigenden Söhne Gottes. Die Mächtigen Botschafter sind sich ihrer gesamten aufsteigenden Laufbahn bewusst, und deshalb sind sie so nützliche, mitfühlende Helfer und verstehende Botschafter mit der Fähigkeit, auf jeder Welt des Raums und jedem Geschöpf der Zeit zu dienen. Sobald ihr vom Körper befreit seid, werdet ihr mit uns ungehindert, und von uns verstanden, verkehren, da wir allen Rassen aller evolutionären Welten des Raums entspringen, das heißt jenen Rassen Sterblicher, die von einem Gedankenjustierer bewohnt werden und später mit ihm fusionieren. ***** 22.3 Die mit Hoher Autorität Begabten ***** Die Mit Hoher Autorität Begabten, die zweite Gruppe der Trinitisierten Söhne der Vollbringung, sind alles Wesen sterblichen Ursprungs, die mit ihrem Justierer fusioniert haben. Das sind jene vervollkommneten Sterblichen, die höhere administrative Fähigkeiten an den Tag gelegt und während ihrer ganzen aufsteigenden Laufbahn außerordentliche Führungsgaben bewiesen haben. Sie sind, was die Eignung zum Regieren angeht, die Elite der fortlebenden Sterblichen des Raums. Siebzigtausend Mit Hoher Autorität Begabte werden bei jeder Trinitätsverbindung trinitisiert. Obwohl das Lokaluniversum von Nebadon eine relativ junge Schöpfung ist, gibt es in einer vor kurzem trinitisierten Klasse dieser Ordnung auch aus ihm Vertreter. In Orvonton stehen gegenwärtig mehr als zehn Milliarden dieser gewandten Verwalter im Dienst. Wie alle getrennten Ordnungen himmlischer Wesen unterhalten auch sie auf Uversa ihr eigenes Hauptquartier, und wie bei den anderen von der Trinität umfangenen Söhnen funktionieren ihre Reserven auf Uversa als zentrale leitende Körperschaft ihrer Ordnung in Orvonton. Den Mit Hoher Autorität Begabten sind als Verwaltern keine Grenzen gesetzt. Sie sind die überall gegenwärtigen und stets wirksamen ausführenden Organe der Ältesten der Tage. Sie dienen auf jeder beliebigen Sphäre und bewohnten Welt und in jeder beliebigen Aktivitätsphase in irgendeinem der sieben Superuniversen. Mit ihrer großartigen administrativen Weisheit und außergewöhnlichen exekutiven Gewandtheit übernehmen diese brillanten Wesen an den Tribunalen der Superuniversen die Aufgabe, die Sache der Gerechtigkeit zu vertreten; sie wachen über der Ausübung der Justiz und der Berichtigung von Fehlanpassungen in den evolutionären Universen. Solltet ihr also je während eures vorgeschriebenen kosmischen Vorrückens von Welt zu Welt wegen begangener Beurteilungsfehler vorgeladen werden, ist es kaum wahrscheinlich, dass euch Unrecht widerführe, da eure Ankläger ehemalige aufsteigende Geschöpfe wären, die persönlich mit jedem Schritt des Lebensweges vertraut sind, den ihr durchlaufen habt und eben durchlauft. ***** 22.4 Die Namen- und Nummernlosen ***** Die Namen- und Nummernlosen bilden die dritte und letzte Gruppe der Trinitisierten Söhne der Vollbringung; es sind jene aufsteigenden Seelen, die ihre Fähigkeit zur Gottesverehrung weit über diejenige aller Söhne und Töchter der evolutionären Rassen der Zeit-Raum-Welten hinaus entwickelt haben. Sie haben eine geistige Vorstellung vom ewigen Vorhaben des Universalen Vaters erworben, die das Verständnis der evolutionären Geschöpfe mit Namen oder Nummern vergleichsweise transzendiert. Genauer übersetzt müsste ihr Name "Die über Namen und Nummern Stehenden" lauten. Diese Sohnesordnung wird von der Paradies-Trinität in Gruppen von siebentausend umfangen. Auf Uversa sind über einhundert Millionen dieser in Orvonton beauftragten Söhne registriert. Da die Namen- und Nummernlosen die höheren geistigen Vertreter der fortlebenden Rassen sind, besitzen sie ganz besondere Voraussetzungen, um immer dann zu richten und Stellung zu nehmen, wenn ein geistiger Gesichtspunkt erwünscht ist und wenn Erfahrung in der aufsteigenden Laufbahn ausschlaggebend ist für ein angemessenes Verständnis der Fragen, welche die zu beurteilende Angelegenheit aufwirft. Sie sind die höchsten Geschworenen Orvontons. Ein schlecht gehandhabtes Geschworenensystem mag auf gewissen Welten mehr oder minder eine Verhöhnung der Justiz darstellen, aber auf Uversa und an den von ihm abhängigen Tribunalen setzen wir Richter-Geschworene des höchsten Typs entwickelter geistiger Mentalität ein. Die Rechtsprechung ist die höchste Funktion jeder Regierung, und die mit der Urteilsfällung Betrauten sollten unter den erfahrensten und einfühlsamsten Persönlichkeiten des höchsten und edelsten Typs ausgewählt werden. Die Kandidatenauslese für die Trinitisationsklassen der Mächtigen Botschafter, Mit Hoher Autorität Begabten und Namen- und Nummernlosen ist inhärent und automatisch. Die Auswahltechniken des Paradieses sind in keiner Weise willkürlich. Persönliche Erfahrung und geistige Werte entscheiden über die Zugehörigkeit zu den Trinitisierten Söhnen der Vollbringung. Diese Wesen haben dieselbe Autorität und einen einheitlichen administrativen Status, aber sie besitzen alle eine Individualität und unterschiedliche Charaktere; es sind keine standardisierten Wesen. Sie sind aufgrund ihres unterschiedlichen aufsteigenden Werdegangs alle auf charakteristische Weise verschieden. Zusätzlich zu ihren erfahrungsmäßigen Qualifikationen sind die Trinitisierten Söhne der Vollbringung in der göttlichen Umfangung der Trinität trinitisiert worden. Folgerichtig wirken sie als beigeordnete Mitarbeiter der Stationären Söhne der Trinität, denn die Umfangung durch die Trinität scheint tatsächlich viele der nicht verwirklichten Potentiale der Geschöpfeswesen aus dem Strom der Zukunft hinauszuwerfen. Aber das stimmt nur in Bezug auf das gegenwärtige Universumszeitalter. Diese Gruppe von Söhnen widmet sich hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, dem Dienst am aufsteigenden Werdegang der Sterblichen von Zeit und Raum. Wenn der Gesichtspunkt eines sterblichen Geschöpfes je zu Zweifeln Anlass gibt, wird die Angelegenheit durch Anrufung einer Kommission für Aufsteiger geregelt, der je ein Mächtiger Botschafter, ein Mit Hoher Autorität Begabter und ein Namen-und Nummernloser angehört. Ihr Sterblichen, die ihr diese Botschaft lest, werdet vielleicht selber zum Paradies aufsteigen, die Umfangung durch die Trinität erreichen und in fernen, zukünftigen Zeitaltern dem Dienst der Ältesten der Tage in einem der sieben Superuniversen zugeteilt werden und dann eines Tages den Auftrag erhalten, auf irgendeinem in Entwicklung begriffenen, bewohnten Planeten gerade so bei der Erweiterung der Wahrheitsoffenbarung mitzuwirken, wie ich es jetzt auf Urantia tue. ***** 22.5 Die Trinitisierten Hüter ***** Die Trinitisierten Hüter sind Trinitisierte Söhne der Erwählung. Nicht nur eure Rassen und andere zum Fortleben fähige Sterbliche gehen durch Havona, erreichen das Paradies und finden manchmal ihre Bestimmung im superuniversellen Dienst bei den Stationären Söhnen der Trinität, sondern auch eure treuen seraphischen Hüter und eure ebenso treuen Mittler-Gefährten können Anwärter auf dieselbe Trinitäts-Anerkennung und wunderbare persönliche Bestimmung werden. Die Trinitisierten Hüter sind aufsteigende Seraphim und transferierte Mittler-Geschöpfe, die Havona durchschritten und das Paradies und das Korps der Finalität erreicht haben. Danach sind sie durch die Paradies-Trinität umfangen und dem Dienst der Ältesten der Tage zugeteilt worden. Den Anwärtern auf die Umfangung durch die Trinität, die den Reihen der aufsteigenden Seraphim entstammen, wird diese Anerkennung zuteil für ihre tapfere Zusammenarbeit mit einem aufsteigenden Sterblichen, der das Korps der Finalität erreicht hat und anschließend trinitisiert worden ist. Mein eigener seraphischer Hüter der Zeit meines Erdendaseins kämpfte immer an meiner Seite, wurde später trinitisiert und arbeitet jetzt als Trinitisierter Hüter für die Regierung von Uversa. Und ebenso verhält es sich mit den Mittler-Geschöpfen; viele von ihnen werden transferiert, erreichen das Paradies und werden zusammen mit den Seraphim und aus denselben Gründen von der Trinität umfangen und in den Superuniversen als Hüter eingesetzt. Die Trinitisierten Hüter werden von der Paradies-Trinität in Gruppen von siebzigtausend umfangen, und ein Siebentel jeder Gruppe wird je einem Superuniversum zugewiesen. In Orvonton tun jetzt etwas mehr als zehn Millionen dieser verlässlichen und hohen Hüter ihren Dienst. Sie dienen auf Uversa und auf den Hauptwelten der Großen und Kleinen Sektoren. Sie werden bei ihrer schweren Arbeit von einem Korps aus mehreren Milliarden Seraphim und anderen fähigen Persönlichkeiten des Superuniversums unterstützt. Die Trinitisierten Hüter beginnen ihre Laufbahn als Hüter, und als solche wirken sie auch in den Angelegenheiten der Superregierungen weiter. Sie sind in gewissem Sinne Beamte ihrer superuniversellen Regierungen, aber sie geben sich nicht mit Einzelnen ab wie die Himmlischen Wächter. Die Trinitisierten Hüter befassen sich mit Gruppenangelegenheiten und treiben kollektive Projekte voran. Sie sind die Hüter von Aufzeichnungen, Plänen und Institutionen; sie wirken als Treuhänder von Unternehmungen, Persönlichkeitsgruppen, aufsteigenden Projekten, moron- tiellen Plänen, universellen Entwürfen und unzähligen anderen Vorhaben. ***** 22.6 Die Trinitisierten Botschafter ***** Die Trinitisierten Botschafter sind die zweite Ordnung der Trinitisierten Söhne der Erwählung, und gleich ihren Mitarbeitern, den Hütern, werden sie den Reihen von zwei Typen aufsteigender Geschöpfe entnommen. Nicht alle aufsteigenden Sterblichen fusionieren mit dem Justierer, dem Vater; es gibt solche, die mit dem Geist, und andere, die mit dem Sohn fusionieren. Bestimmte dieser mit dem Geist und mit dem Sohn fusionierten Sterblichen erreichen Havona und gelangen ins Paradies. Aus diesen Paradies-Aufsteigern werden Anwärter auf die Umfangung durch die Trinität ausgewählt, und von Zeit zu Zeit werden sie in Klassen von siebentausend trinitisiert. Danach erhalten sie ihren Auftrag in den Superuniversen als Trinitisierte Botschafter der Ältesten der Tage. Auf Uversa sind ihrer fast eine halbe Milliarde registriert. Die Trinitisierten Botschafter werden auf Empfehlung ihrer havonischen Lehrer für die Umfangung durch die Trinität ausgewählt. Es handelt sich bei ihnen um die höheren Intelligenzen ihrer jeweiligen Gruppen, und sie bringen deshalb die besten Voraussetzungen mit, um die Lenker der Superuniversen zu unterstützen, wenn es um das Verständnis und die Wahrnehmung der Interessen jener Welten geht, aus denen die mit dem Geist fusionierten Sterblichen stammen. Die mit dem Sohn fusionierten Botschafter sind uns sehr hilfreich, wenn wir uns mit Problemen beschäftigen, die mit der Persönlichkeitsordnung der mit dem Sohn Fusionierten zusammenhängen. Die Trinitisierten Botschafter sind die Emissäre der Ältesten der Tage für jeden beliebigen Zweck auf allen Welten oder Universen innerhalb des sie beschäftigenden Superuniversums. Sie leisten besondere und wichtige Dienste auf den Hauptwelten der Kleinen Sektoren und führen die zahllosen und mannigfaltigen Aufträge eines Superuniversums aus. Sie bilden das Notfall- oder Reservekorps der Trinitisierten Söhne der Superregierungen, und sie stehen deshalb für einen breiten Aufgabenfächer zur Verfügung. In superuniversellen Angelegenheiten setzen sie sich bei Tausenden und Abertausenden von Unternehmungen ein, die man menschlichem Denken unmöglich beschreiben kann, da auf Urantia nichts geschieht, was diesen Tätigkeiten auch nur im Entferntesten gliche. ***** 22.7 Die Technik der Trinitisation ***** Ich kann dem materiellen Verstand jenen höchsten schöpferischen Vorgang schwerlich eröffnen, den vollkommene und vervollkommnete geistige Wesen erfahren - den Akt der Trinitisation. Die Techniken der Trinitisation gehören zu den Geheimnissen von Vizegerington und Solitarington und können außer denen, die durch diese einmalige Erfahrung gegangen sind, niemandem eröffnet oder verständlich gemacht werden. Deshalb liegt es in keines Wesens Macht, menschlicher Vorstellung die Natur und den Inhalt dieses außerordentlichen Geschehens zu vermitteln. Von den Gottheiten abgesehen machen sich nur Paradies-Havona-Persönlichkeiten und gewisse Angehörige von jedem der Finalistenkorps an Trinitisationen. Unter bestimmten Bedingungen paradiesischer Vollkommenheit können sich diese wunderbaren Wesen an das einzigartige Abenteuer konzeptueller Identität wagen, und oft bringen sie mit Erfolg ein neues Wesen, einen durch Geschöpfe trinitisierten Sohn hervor. Die verherrlichten Geschöpfe, die sich auf solche Trinitisationsabenteuer einlassen, können sich nur an einer einzigen derartigen Erfahrung beteiligen, während dem Vollzug fortlaufender Trinitisationsepisoden durch die Paradies-Gottheiten keine Grenzen gesetzt zu sein scheinen. Die Gottheit scheint nur in einer Hinsicht begrenzt zu sein: Es kann nur einen einzigen Ursprünglichen und Unendlichen Geist geben, nur einen einzigen unendlichen Vollstrecker des vereinigten Vater-Sohn-Willens. Die aufsteigenden, mit einem Justierer fusionierten sterblichen Finalisten, die gewisse Ebenen paradiesischer Kultur und geistiger Entwicklung erreicht haben, gehören zu denen, die versuchen können, ein Geschöpfeswesen zu trinitisieren. Wenn die Kompanien sterblicher Finalisten im Paradies stationiert sind, wird ihnen alle tausend Jahre havonischer Zeit eine Ruhepause gewährt. Sieben verschiedene Möglichkeiten, diese Zeit ohne Pflichten zu verbringen, stehen diesen Finalisten offen, und eine davon ist der Versuch, zusammen mit einem Finalistengefährten oder einer Paradies-Havona-Persönlichkeit eine Geschöpfestrinitisation zu vollbringen. Wenn zwei sterbliche Finalisten vor die Architekten des Alluniversums treten und beweisen, dass sie unabhängig voneinander ein identisches Konzept für die Trinitisation gewählt haben, sind die Architekten ermächtigt, nach eigenem Ermessen Befehle zu erteilen, die diesen verherrlichten sterblichen Aufsteigern erlauben, ihre Ruhepause zu verlängern und sich eine Zeitlang wegzubegeben in den Trinitisationssektor der Paradies-Bürger. Wenn sie am Ende dieser verordneten Zurückgezogenheit berichten, dass sie sich einzeln und zusammen zu dem paradiesischen Kraftakt entschlossen haben, ein ausgewähltes und originales Konzept zu vergeistigen, zu idealisieren und zu verwirklichen, das nie zuvor trinitisiert worden war, erteilt Hauptgeist Nummer Sieben Weisungen zur Bewilligung eines solch außerordentlichen Unterfangens. Für solche Abenteuer braucht es manchmal unglaublich lange Zeitspannen; ein ganzes Zeitalter scheint zu vergehen, bevor diese glaubensstarken und entschlossenen einstigen Sterblichen - und manchmal Paradies-Havona-Persönlichkeiten - endlich ihr Ziel erreichen und es ihnen tatsächlich gelingt, das von ihnen gewählte Konzept universaler Wahrheit in wirkliches Dasein zu überführen. Aber nicht immer ist diesen hingebungsvollen Paaren Erfolg beschieden; oft scheitern sie, ohne dass man ihrerseits einen Irrtum entdecken könnte. Anwärter auf die Trinitisation, die einen derartigen Misserfolg erleben, werden in eine besondere Gruppe von Finalisten aufgenommen, die man als Wesen bezeichnet, welche die äußerste Anstrengung unternommen und die äußerste Enttäuschung erlebt haben. Wenn sich die Paradies-Gottheiten zur Trinitisation vereinigen, sind sie immer erfolgreich, aber anders verhält es sich mit einem homogenen Geschöpfespaar, dem Versuch einer Vereinigung von zwei Angehörigen derselben Wesensordnung. Wenn ein neues und originales Wesen durch die Götter trinitisiert wird, bleibt das Gottheitspotential der göttlichen Eltern dabei unverändert; aber wenn hohe Geschöpfeswesen einen solchen Schöpferakt vollbringen, erfährt eines der beiden daran beteiligten, miteinander verbundenen Wesen eine einmalige Persönlichkeitsveränderung. Die beiden Eltern eines durch Geschöpfe trinitisierten Sohnes werden in einem gewissen Sinne geistig wie eins. Wir glauben, dass dieser Status des Einswerdens-aus-zwei gewisser geistiger Phasen der Persönlichkeit wahrscheinlich so lange dauern wird, bis das Supreme Wesen seine volle und abgeschlossene Persönlichkeitsmanifestation im Großen Universum erreicht hat. Diese funktionelle geistige Vereinigung der beiden Eltern ereignet sich gleichzeitig mit dem Erscheinen eines neuen durch Geschöpfe trinitisierten Sohnes; die beiden trinitisierenden Eltern werden eins auf der ultimen funktionellen Ebene. Kein erschaffenes Wesen im ganzen Universum kann dieses erstaunliche Phänomen einigermaßen erklären; es ist eine beinah-göttliche Erfahrung. Als der Vater und der Sohn sich vereinigten, um den Unendlichen Geist in die Ewigkeit zu rufen, wurden sie nach der Erfüllung ihres Vorsatzes augenblicklich wie eins und sind es seither immer geblieben. Und obwohl die Trinitisationsvereinigung zweier Geschöpfe von derselben Art ist wie die vollkommene Gottheitsvereinigung des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes mit ihrer unendlichen Tragweite, so sind doch die Auswirkungen der Trinitisation durch Geschöpfe nicht ewiger Natur; sie werden ein Ende nehmen, wenn die erfahrungsmäßigen Gottheiten sich endgültig verwirklicht haben werden. Obwohl die Eltern der durch Geschöpfe trinitisierten Söhne bei ihren Universumsaufgaben wie eins werden, zählt man sie dennoch weiterhin in den Listen und bei den Namensappellen des Korps der Finalität und der Architekten des Alluniversums als zwei Persönlichkeiten. Im laufenden Universumszeitalter sind alle durch die Trinitisation vereinigten Eltern unzertrennlich bei ihren Aufgaben und Funktionen; wohin der eine geht, geht auch der andre hin, was der eine tut, tut auch der andre. Wenn an der elterlichen Einswerdung-aus-zwei ein sterblicher (oder anderer) Finalist und eine Paradies-Havona-Persönlichkeit beteiligt sind, wirken die vereinigten elterlichen Wesen weder im Verband der Paradies-Bürger noch der Havoner oder Finalisten. Diese gemischten Paare vereinigen sich in einem Spezialkorps, das nur aus solchen Wesen besteht. Und in all diesen Trinitisationsehen, ob gemischten oder anderen, sind beide elterlichen Wesen sich ihrer gegenseitig bewusst und können miteinander austauschen. Und sie sind imstande, Aufgaben zu übernehmen, die zuvor keiner von ihnen allein hätte ausführen können. Die Sieben Hauptgeiste haben die Vollmacht, die trinitisierende Verbindung zwischen Finalisten und Paradies-Havona-Persönlichkeiten zu billigen, und solch gemischte Verbindungen sind immer erfolgreich. Die daraus hervorgehenden wunderbaren durch Geschöpfe trinitisierten Söhne stellen Konzepte dar, die das Fassungsvermögen sowohl der ewigen Geschöpfe des Paradieses als auch der zeitlichen Geschöpfe des Raums übersteigen; und deshalb werden sie zu Mündeln der Architekten des Alluniversums. Diese trinitisierten Söhne der Bestimmung verkörpern Ideen, Ideale und Erfahrung, die offensichtlich einem zukünftigen Universumszeitalter angehören und deshalb weder für die Verwaltungen der Superuniversen noch des Zentraluniversums einen unmittelbaren praktischen Wert besitzen. Diese einzigartigen Söhne der Kinder der Zeit und der Bürger der Ewigkeit werden alle auf Vizegerington in Reserve gehalten. Hier, in einem besonderen Sektor der Sphäre, der von den geheimen Lehrstätten des Korps der Schöpfersöhne eingenommen wird, studieren sie die Konzepte der Zeit und die Realitäten der Ewigkeit. Das Supreme Wesen ist die Einigung von drei Phasen der Gottheitsrealität, nämlich: des Supremen Gottes - der geistigen Einigung bestimmter endlicher Aspekte der Paradies-Trinität; des Allmächtigen Supremen - der Machteinigung der Schöpfer des Großen Universums; und des Supremen Verstandes - des individuellen Beitrags des Dritten Zentralen Ursprungs und seiner Beigeordneten an die Realität des Supremen Wesens. Bei ihren Trinitisationsabenteuern arbeiten die prächtigen Geschöpfe des Zentraluniversums und des Paradieses an einer dreifachen Erkundung der Gottheit des Supremen, deren Resultat die Schöpfung dreier Ordnungen von durch Geschöpfe trinitisierten Söhnen ist: 1. Durch Aufsteiger trinitisierte Söhne. Durch ihre schöpferischen Anstrengungen versuchen die Finalisten, gewisse konzeptuelle Realitäten des Allmächtigen Supremen zu trinitisieren, die sie während ihres Aufstiegs durch Zeit und Raum zum Paradies auf dem Erfahrungsweg erworben haben. 2. Durch Paradies-Bürger und Havoner trinitisierte Söhne. Die schöpferischen Anstrengungen der Paradies-Bürger und Havoner führen zu der Trinitisation bestimmter hochgeistiger Aspekte des Supremen Wesens, die sie auf dem Erfahrungsweg erlangt haben auf einem übersupremen Hintergrund, der das Ultime und Ewige berührt. 3. Die trinitisierten Söhne der Bestimmung. Aber wenn ein Finalist und ein Paradies-Bürger oder Havoner zusammen ein neues Geschöpf trinitisieren, hat diese gemeinsame Anstrengung Auswirkungen in gewissen Phasen des Suprem-Ultimen Verstandes. Die daraus hervorgehenden durch Geschöpfe trinitisierten Söhne sind Übergeschöpfe; sie stellen Verwirklichungen Suprem-Ultimer Gottheit dar, die außer ihnen erfahrungsmäßig nie erreicht wurden und deshalb automatisch in den Zuständigkeitsbereich der Architekten des Alluniversums, der Hüter jener Dinge fallen, die über die schöpferischen Grenzen des gegenwärtigen Universumszeitalters hinausgehen. Die trinitisierten Söhne der Bestimmung verkörpern gewisse Aspekte der nicht offenbarten Alluniversumsfunktion des Suprem-Ultimen. Wir wissen nicht viel über diese gemeinsamen Kinder der Zeit und der Ewigkeit, aber wir wissen viel mehr, als was uns zu enthüllen gestattet ist. ***** 22.8 Die durch Geschöpfe trinitisierten Söhne ***** Nebst den in diesem Bericht beschriebenen, durch Geschöpfe trinitisierten Söhnen gibt es zahlreiche nicht offenbarte Ordnungen von durch Geschöpfe trinitisierten Wesen - die verschieden geartete Nachkommenschaft aus den zahlreichen Verbindungen zwischen sieben Finalistenkorps und Paradies-Havona-Persönlichkeiten. Aber all diese offenbarten und nicht offenbarten durch Geschöpfe trinitisierten Wesen werden vom Universalen Vater mit Persönlichkeit begabt. Wenn neue durch Aufsteiger trinitisierte und durch Paradies-Bürger und Havoner trinitisierte Söhne jung und ungeschult sind, werden sie gewöhnlich für lange Dienstperioden auf die sieben Paradies-Sphären des Unendlichen Geistes gesandt, wo sie unter der Vormundschaft der Sieben Supremen Vollzieher dienen. Später können sie von den Lehrer-Söhnen der Trinität zu weiterer Schulung in den Lokaluniversen adoptiert werden. Diese hohen und verherrlichten Geschöpfen entsprungenen Adoptivsöhne sind die Lehrlinge, die studierenden Helfer der Lehrer-Söhne, und was ihre Einordnung betrifft, werden sie oft vorü-bergehend zu diesen Söhnen gerechnet. Zugunsten der Welten, die sie für ihren Dienst gewählt haben, können sie unter Selbstverleugnung viele edle Sendungen ausführen und tun es auch. In den Lokaluniversen können die Lehrer-Söhne ihre durch Geschöpfe trinitisierten Schutzbefohlenen für die Umfangung durch die Paradies-Trinität nominieren. Aus dieser Umfangung gehen sie als Trinitisierte Söhne der Vollkommenheit hervor, wonach sie in den Dienst der Ältesten der Tage in den sieben Superuniversen eintreten. Das ist die gegenwärtig bekannte Bestimmung dieser einzigartigen Gruppe doppelt trinitisierter Wesen. Nicht alle durch Geschöpfe trinitisierten Söhne werden durch die Trinität umfangen; viele von ihnen werden zu Mitarbeitern und Botschaftern der Sieben Hauptgeiste des Paradieses, der Reflexiven Geiste der Superuniversen und der Muttergeiste der lokalen Schöpfungen. Andere können besondere Aufgaben auf der ewigen Insel übernehmen. Noch andere treten auf den geheimen Welten des Vaters und auf den Paradies-Sphären des Geistes in Spezialdienste ein. Schließlich finden viele ihren Weg in das gemeinsame Korps der Trinitisierten Söhne auf dem inneren Kreis Havonas. Mit Ausnahme der Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit und jener, die sich auf Vizegerington versammeln, scheint die höchste Bestimmung aller durch Geschöpfe trinitisierten Söhne der Eintritt in das Korps der Trinitisierten Finalisten zu sein, eines der sieben Paradies-Korps der Finalität. ***** 22.9 Die Himmlischen Wächter ***** Durch Geschöpfe trinitisierte Söhne werden durch die Paradies-Trinität in Klassen von siebentausend umfangen. Diese trinitisierten Sprosse von vervollkommneten Menschenkindern und Paradies-Havona-Persönlichkeiten werden alle auf dieselbe Weise durch die Gottheiten umfangen, aber sie werden den Superuniversen gemäß der Empfehlung ihrer vormaligen Ausbilder, der Lehrer-Söhne der Trinität, zugeteilt. Diejenigen, deren Dienst anerkennenswerter ist, werden zu Assistenten der Hohen Söhne ernannt; diejenigen mit weniger bemerkenswerten Leistungen werden zu Himmlischen Wächtern bestimmt. Wenn diese einmaligen Wesen durch die Trinität umfangen worden sind, stellen sie wertvolle Ergänzungen für die superuniversellen Regierungen dar. Sie kennen sich in den Angelegenheiten der aufsteigenden Laufbahn aus, nicht weil sie persönlich aufgestiegen sind, sondern als Frucht ihres Dienens mit den Lehrer-Söhnen der Trinität auf den Welten des Raums. Fast eine Milliarde Himmlischer Wächter sind in Orvonton beauftragt worden. Sie werden hauptsächlich den Verwaltungen der Vollkommenen der Tage auf den Hauptwelten der Großen Sektoren zugeteilt. Sie werden von einem Korps aufsteigender, mit dem Sohn fusionierter Sterblicher geschickt unterstützt. Die Himmlischen Wächter sind die Gerichtsvollzieher der Tribunale der Ältesten der Tage. Sie wirken als Gerichtskuriere und als Überbringer der Vorladungen und Entscheide der verschiedenen Tribunale der superuniversellen Regierungen. Sie nehmen im Auftrag der Ältesten der Tage Verhaftungen vor; sie verreisen von Uversa, um mit Wesen zurückzukehren, deren Erscheinen vor den superuniversellen Richtern gefordert wird; sie führen die Befehle zur Inhaftierung irgendwelcher Persönlichkeiten im Superuniversum aus. Sie begleiten auch mit dem Geist fusionierte Sterbliche der Lokaluniversen, wenn deren Gegenwart auf Uversa aus irgendeinem Grunde gewünscht wird. Die Himmlischen Wächter und ihre Mitarbeiter, die Assistenten der Hohen Söhne, sind nie von Justierern bewohnt worden, noch haben sie mit dem Geist oder mit dem Sohn fusioniert. Indessen kompensiert die Umfangung durch die Paradies-Trinität für den nichtfusionierten Status der Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit. Die Umfangung durch die Trinität kann unter Umständen nur auf die Idee einwirken, die in einem durch Geschöpfe trinitisierten Sohn personifiziert ist, und den umfangenen Sohn im Übrigen unverändert belassen, aber eine solche Begrenzung geschieht nur, wenn sie so geplant ist. Diese doppelt trinitisierten Söhne sind wunderbare Wesen, aber sie sind weder so vielseitig noch so verlässlich wie ihre Aufsteiger-Mitarbeiter; es fehlt ihnen die ungeheure und tiefe persönliche Erfahrung, die die übrigen dieser Gruppe angehörenden Söhne erworben haben, indem sie sich wirklich aus den dunklen Bezirken des Raums zur Herrlichkeit emporgearbeitet haben. Wir Aufsteiger lieben sie und tun alles, was in unserer Macht steht, um ihre Schwächen wettzumachen, aber sie lassen uns immer mit Dankbarkeit an unser bescheidenes Herkommen und daran denken, dass wir der Erfahrung fähig sind. Ihre Bereitschaft, ihre Unzulänglichkeiten in allem zu sehen und anzuerkennen, was die erfahrbaren Realitäten des Aufstiegs im Universum betrifft, ist von transzendenter Schönheit und ist manchmal auf ergreifende Weise mitleiderregend. Die Trinitisierten Söhne der Vollkommenheit sind im Gegensatz zu anderen durch die Trinität umfangenen Söhnen begrenzt, weil ihr Erfahrungsschatz zeit- und raumbehindert ist. Trotz langer Schulung an der Seite der Supremen Vollzieher und der Lehrer-Söhne fehlt es ihnen an Erfahrung, und wäre dies nicht der Fall, würde ihre erfahrungsmäßige Sättigung sie daran hindern, in Reserve zu verharren, um in einem zukünftigen Universumszeitalter Erfahrung zu erwerben. Es gibt in der ganzen universellen Existenz ganz einfach nichts, was wirkliche persönliche Erfahrung ersetzen kann, und diese durch Geschöpfe trinitisierten Söhne werden für erfahrungsmäßiges Wirken in einer zukünftigen Universumsepoche in Reserve gehalten. Auf den Residenzwelten habe ich oft mit angesehen, wie diese würdevollen Gerichtsvollzieher der hohen Tribunale der Superuniversen sehnsuchtsvoll und flehend sogar auf die frisch von den evolutionären Welten des Raums Angekommenen schauten, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Inhaber einer nicht erfahrungsmäßigen Trinitisierung wahrhaftig ihre, wie man annehmen sollte, minder begünstigten Brüder beneideten, die in Schritten echter Erfahrung und wirklichen Erlebens den Universumspfad emporstiegen. Trotz ihrer Behinderungen und Begrenzungen sind sie ein wunderbar nützliches und stets bereitwilliges Korps von Arbeitern, wenn es zur Ausführung der komplexen administrativen Pläne der superuniversellen Regierungen kommt. ***** 22.10 Die Assistenten der Hohen Söhne ***** Die Assistenten der Hohen Söhne sind die höher stehende Gruppe der neu-trinitisierten, trinitisierten Söhne verherrlichter aufsteigender Wesen des Korps der Finalität der Sterblichen und ihrer ewigen Gefährten, der Paradies-Havona-Persönlichkeiten. Sie sind dem Dienst des Superuniversums zugeteilt und wirken als persönliche Helfer der Hohen Söhne der Regierungen der Ältesten der Tage. Sie könnten am passendsten als Privatsekretäre bezeichnet werden. Von Zeit zu Zeit betätigen sie sich als Schreiber für Spezialkommissionen und andere Gruppierungen der Hohen Söhne. Sie dienen den Vervollkommnern der Weisheit, Göttlichen Ratgebern, Universellen Zensoren, Mächtigen Botschaftern, Mit Hoher Autorität Begabten und Namen- und Nummernlosen. Wenn es bei der Besprechung der Himmlischen Wächter so aussehen mochte, als lenke ich die Aufmerksamkeit auf die Beschränkungen und Behinderungen dieser doppelt trinitisierten Söhne, so lasst mich jetzt in aller Gerechtigkeit jenen Punkt hervorheben, der ihre große Stärke ist, jene Eigenschaft, die aus ihnen Mitarbeiter von fast unschätzbarem Wert für uns macht. Diese Wesen verdanken ihre Existenz der Tatsache, dass sie die Personifizierung eines einzigen und höchsten Konzeptes sind. Sie sind die persönliche Verkörperung einer göttlichen Idee, eines universalen Ideals, wie es nie zuvor erdacht, ausgedrückt oder trinitisiert wurde. Und sie sind später durch die Trinität umfangen worden; deshalb zeigen und verkörpern sie tatsächlich die Weisheit der göttlichen Trinität, soweit das Idee-Ideal ihrer persönlichen Existenz betroffen ist. Soweit dieses besondere Konzept dem Universum offenbart werden kann, verkörpern diese Persönlichkeiten alles und jedes, was die Intelligenz irgendeines Geschöpfes oder Schöpfers bezüglich seiner möglicherweise ersinnen, ausdrücken oder veranschaulichen könnte. Sie sind diese Idee in Person. Könnt ihr nicht sehen, dass derartige lebendige Konzentrationen eines einmaligen höchsten Konzeptes universaler Realität den mit der Verwaltung der Universen Betrauten unsagbar wertvolle Dienste leisten müssen? Es ist nicht lange her, dass mir die Leitung einer Sechserkommission - bestehend aus je einem Vertreter der Hohen Söhne - übertragen wurde mit dem Auftrag, drei Probleme zu studieren, die eine Gruppe neuer Universen in den südlichen Gegenden Orvontons betrafen. Der Wert der Assistenten der Hohen Söhne kam mir sehr stark zum Bewusstsein, als ich mich an das Oberhaupt ihrer Ordnung auf Uversa mit dem Gesuch wandte, meiner Kommission vorübergehend derartige Sekretäre zur Verfügung zu stellen. Die erste unserer Ideen wurde durch einen Assistenten der Hohen Söhne auf Uversa repräsentiert, der unserer Gruppe unverzüglich zugesellt wurde. Unser zweites Problem fand sich in einem Assistenten der Hohen Söhne verkörpert, der indessen dem Superuniversum Nummer drei angehörte. Aus dieser Quelle wurde uns über die im Zentral-universum gelegene Stelle für Koordinierung und Verbreitung wesentlichen Wissens große Hilfe zuteil, aber nichts ist der Hilfe vergleichbar, die die wirkliche Gegenwart einer Persönlichkeit bringt, welche das durch Geschöpfe in Suprematie trinitisierte und durch die Gottheit in Finalität trinitisierte Konzept selber ist. Was unser drittes Problem anging, so vermeldeten die Archive des Paradieses, dass die entsprechende Idee durch Geschöpfe nie trinitisiert worden war. Die Assistenten der Hohen Söhne sind einzigartige und originale Personifizierungen gewaltiger Ideen und stupender Ideale. Und als solche sind sie imstande, in unsere Beratungen von Zeit zu Zeit unaussprechliches Licht zu bringen. Stellt euch vor, was für eine Hilfe es mir bedeutet, wenn ich draußen in den Universen des Raums an einem entlegenen Ort im Einsatz bin und dabei das Glück habe, dass meiner Mission ein Assistent der Hohen Söhne angehört, der selber die ganze Fülle des göttlichen Konzeptes bezüglich des Problems ist, welches anzugehen und zu lösen ich ausgesandt wurde! Und ich habe diese Erfahrung wiederholt gemacht. Die einzige problematische Seite dieses Plans ist, dass kein Superuniversum eine vollständige Ausgabe dieser trinitisierten Ideen besitzen kann; wir erhalten nur einen Siebentel dieser Wesen; deshalb erfreuen wir uns nur in einem von sieben Fällen der persönlichen Zusammenarbeit mit ihnen, auch wenn die Register vermelden, dass die Idee trinitisiert worden ist. Wir könnten zu unserem großen Vorteil auf Uversa eine weit bedeutendere Anzahl solcher Wesen beschäftigen. Wegen ihres Wertes für die superuniversellen Verwaltungen ermuntern wir die Pilger des Raums und auch die Bewohner des Paradieses auf jede erdenkliche Weise, sich an eine Trinitisation zu wagen, nachdem sie einander jene erfahrungsmäßigen Realitäten vermittelt haben, die für die Durchführung solch schöpferischer Abenteuer wesentlich sind. Wir haben jetzt in unserem Superuniversum ungefähr eineinviertel Millionen Assistenten der Hohen Söhne, und sie dienen ebenso in den Kleinen und Großen Sektoren wie auf Uversa. Sie begleiten uns sehr oft auf unseren Missionen in entfernte Universen. Die Assistenten der Hohen Söhne sind weder Söhnen noch Kommissionen dauernd zugeteilt. Sie sind ständig unterwegs und dienen dort, wo die Ideen oder Ideale, die sie sind, die ewigen Vorhaben der Paradies-Trinität, deren Söhne sie geworden sind, am besten fördern können. Sie sind voll rührender Zuneigung, großartiger Treue, ausgesuchter Intelligenz, höchster Weisheit - was eine einzige Idee betrifft - und über alles demütig. Während sie einem bezüglich ihrer Idee oder ihres Ideals das Wissen des ganzen Universums vermitteln können, ist es beinahe mitleiderregend zu beobachten, wie sie sich selbst von aufsteigenden Sterblichen Wissen und Auskunft über eine Menge anderer Gegenstände zu verschaffen suchen. Das war die Schilderung von Ursprung, Wesen und Wirken einer Auswahl derer, die man die Trinitisierten Söhne Gottes nennt, genauer jener, die durch die göttliche Umfangung der Paradies-Trinität gegangen und dann den Diensten der Superuniversen zugeteilt worden sind, um hier den Verwaltern der Ältesten der Tage auf weise und verstehende Art bei ihren unermüdlichen Anstrengungen beizustehen, den aufsteigenden Sterblichen der Zeit das Vorrücken auf dem Weg nach innen zu erleichtern, ihrer unmittelbaren Bestimmung in Havona und ihrem schließlichen Ziel im Paradies entgegen. [Berichtet von einem Mächtigen Botschafter, der dem Offenbarungskorps von Orvonton angehört.] ****** Kapitel 23 Die Einsamen Botschafter ****** DIE Einsamen Botschafter sind das persönliche und universelle Korps des Mit-Vollziehers; sie sind die erste und älteste Ordnung der Höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. Sie stellen die allererste schöpferische Handlung des Unendlichen Geistes im Alleingang dar, der damit die Erschaffung einsamer persönlicher Geistwesen bezweckte. Weder der Vater noch der Sohn beteiligten sich direkt an dieser erstaunlichen geistigen Verwirklichung. Diese geistigen Botschafter wurden in einer einzigen Schöpferepisode personifiziert, und ihre Zahl bleibt unverändert. Obwohl ich bei der gegenwärtigen Mission eines dieser außergewöhnlichen Wesen neben mir habe, weiß ich nicht, wie viele dieser Persönlichkeiten im Universum der Universen existieren. Ich erfahre nur hie und da aus den veröffentlichten Registern, wie viele von ihnen dann gerade innerhalb des Hoheitsgebietes unseres Superuniversums arbeiten. Dem letzten Bericht Uversas entnehme ich, dass zu jenem Zeitpunkt innerhalb der Grenzen Orvontons fast 7 690 Billionen Einsame Botschafter tätig waren; und ich vermute, dass dies beträchtlich weniger als ein Siebentel ihrer Gesamtzahl ist. ***** 23.1 Natur und Ursprung der Einsamen Botschafter ***** Unmittelbar nach der Erschaffung der Sieben Geiste der Kreise Havonas rief der Unendliche Geist das gewaltige Korps der Einsamen Botschafter ins Dasein. Es gibt außer dem Paradies und den Kreisen Havonas keinen Teil des Universums, der vor den Einsamen Botschaftern existiert hätte; sie wirken im Großen Universum praktisch seit der Ewigkeit. Sie sind das grundlegende Element der göttlichen Technik des Unendlichen Geistes zur Selbstoffenbarung an die unermesslichen Schöpfungen von Zeit und Raum und zur persönlichen Kontaktnahme mit ihnen. Obwohl diese Botschafter fast seit ewigen Zeiten existieren, haben sie alle das Bewusstsein vom Beginn ihres Selbst. Sie sind sich der Zeit bewusst, und sie sind die ersten Geschöpfe des Unendlichen Geistes, die ein solches Zeitbewusstsein besitzen. Sie sind die erstgeborenen Geschöpfe des Unendlichen Geistes, die in der Zeit personifiziert und im Raum geistig verwirklicht worden sind. Diese einsamen Geiste erschienen im Morgengrauen der Zeit als voll ausgewachsene und vollkommen ausgerüstete Geistwesen. Sie sind alle gleich, und es gibt keine auf persönlichen Unterschieden beruhende Klassen oder Unterteilungen. Ihre Klassifizierung beruht nur auf der Art von Arbeit, die ihnen von Zeit zu Zeit zugewiesen wird. Die Sterblichen beginnen als nahezu materielle Wesen auf den Welten des Raums und steigen empor und nach innen den Großen Zentren zu; diese einsamen Geiste beginnen in der Mitte aller Dinge und sehnen sich danach, in den abgelegenen Schöpfungen eingesetzt zu werden, selbst auf den einzelnen Welten der äußersten Lokaluniversen und gar noch weiter außen. Obwohl sie Einsame Botschafter genannt werden, fühlen sich diese Geistwesen nicht einsam, denn sie lieben es wirklich, allein zu arbeiten. Sie sind die einzigen Wesen in der ganzen Schöpfung, die sich an einer einsamen Existenz freuen können und es wirklich tun, obwohl sie ebenso freudig mit den sehr wenigen Ordnungen universeller Intelligenz zusammenarbeiten, mit denen sie brüderlichen Kontakt haben können. Die Einsamen Botschafter sind bei ihrem Dienst nicht isoliert; sie stehen in ständiger Berührung mit der Fülle des Intellekts der gesamten Schöpfung, da sie fähig sind, in alle Fernmeldungen der Welten ihres Aufenthaltes "hineinzuhören". Sie können auch mit den Angehörigen ihres eigenen unmittelbaren Korps, den Wesen, die im selben Superuniversum dieselbe Art von Arbeit verrichten, gegenseitig in Verbindung treten. Mit anderen Mitgliedern ihrer Ordnung könnten sie kommunizieren, aber sie sind vom Rat der Sieben Hauptgeiste angewiesen worden, es zu unterlassen, und sie sind eine treu ergebene Gruppe; sie kennen weder Ungehorsam noch Pflichversäumnis. Es ist nie bekannt geworden, dass sich ein Einsamer Botschafter in der Dunkelheit verirrt hätte. Mit den Machtlenkern des Universums gehören die Einsamen Botschafter zu den sehr wenigen in den Reichen wirkenden Wesenstypen, die von den Tribunalen der Zeit und des Raums weder verhaftet noch in Gewahrsam genommen werden können. Die einzigen, die sie auffordern könnten, vor ihnen zu erscheinen, sind die Sieben Hauptgeiste, aber nie in den ganzen Annalen des Alluniversums ist dieser Rat des Paradieses je um ein Urteil im Fall eines Einsamen Botschafters angegangen worden. Diese allein wirkenden Botschafter sind eine verlässliche, selbstsichere, vielseitige, durch und durch geistige und höchst einfühlsame Gruppe erschaffener, dem Dritten Zentralen Ursprung entstammender Wesen; sie handeln mit Vollmacht des in der zentralen Paradies Insel residierenden Unendlichen Geistes und seiner Personifizierungen auf den Hauptsitz-Welten der Lokaluniversen. Sie sind ständig in den direkten, vom Unendlichen Geist ausgehenden Kreislauf eingeschaltet, selbst wenn sie in den Lokalschöpfungen unter dem unmittelbaren Einfluss der Lokaluniversums-Muttergeiste arbeiten. Es gibt einen technischen Grund, weshalb die Einsamen Botschafter allein reisen und arbeiten müssen. Für kurze Zeit und wenn stationär, können sie im Gruppenverband arbeiten, aber ein solches Zusammensein schneidet sie gänzlich von der Unterstützung und Lenkung durch ihren Paradies-Kreis ab; sie sind dann völlig isoliert. Wenn sie unterwegs sind oder in den Kreisläufen des Raums und den Strömen der Zeit wirken und zwei oder mehrere ihrer Ordnung sich einander stark nähern, werden beide oder alle aus der Verbindung mit den zirkulierenden höheren Kräften geworfen. Sie erleiden, was ihr anschaulich als "Kurzschluss" beschreiben würdet. Deshalb sind sie mit einem angeborenen automatischen Alarmsystem ausgerüstet, einem Warnsignal, dessen untrügliches Wirken ihnen nahende Konflikte anzeigt und sie unfehlbar in genügendem Abstand hält, um ihr eigenes wirksames Funktionieren nicht zu stören. Sie besitzen auch angeborene und automatische Anlagen, welche die Nähe sowohl der Inspirierten Geiste der Trinität als auch der Gedankenjustierer wahrnehmen und signalisieren. Die Botschafter haben nicht die Macht, ihre Persönlichkeit zu erweitern oder fortzupflanzen, aber es gibt in den Universen praktisch keine Aufgaben, die sie nicht übernehmen oder zu denen sie nicht etwas Wesentliches und Hilfreiches beitragen könnten. Insbesondere sparen die mit der Verwaltung der Universumsangelegenheiten Betrauten dank ihnen sehr viel Zeit; und sie stehen uns allen vom Höchsten bis zum Niedrigsten bei. ***** 23.2 Aufgaben der Einsamen Botschafter ***** Die Einsamen Botschafter sind dauernd weder an einzelne himmlische Persönlichkeiten noch an Gruppen von ihnen gebunden. Ihre Pflichten werden ihnen stets zugewiesen, und während ihres Dienstes arbeiten sie unter der unmittelbaren Oberaufsicht der Leiter des sie beschäftigenden Reichs. Sie besitzen unter sich weder Organisation noch Regierung; sie sind Einsame Botschafter. Die Einsamen Botschafter werden vom Unendlichen Geist den folgenden sieben Dienstzweigen zugewiesen: 1. Botschafter der Paradies-Trinität. 2. Botschafter der Kreise Havonas. 3. Botschafter der Superuniversen. 4. Botschafter der Lokaluniversen. 5. Kundschafter mit Freiem Auftrag. 6. Botschafter und Emissäre in Besonderer Mission. 7. Wahrheitsoffenbarer. Diese geistigen Botschafter können beliebig von einer Dienstart zur anderen wechseln, und solche Versetzungen finden dauernd statt. Es gibt keine unterschiedlichen Ordnungen Einsamer Botschafter; sie sind geistig gleich und einander in jeder Hinsicht ebenbürtig. Man bezeichnet sie im Allgemeinen mit Nummern, aber der Unendliche Geist kennt sie unter persönlichen Namen. Uns Übrigen sind sie unter dem Namen und der Nummer bekannt, die ihre laufende Verpflichtung bezeichnen. 1. Botschafter der Paradies-Trinität. Es ist mir nicht erlaubt, viel über das Wirken dieser der Trinität zugewiesenen Botschaftergruppe zu enthüllen. Sie sind die getreuen und verschwiegenen Diener der Gottheiten, und wenn sie mit besonderen Botschaften betraut werden, welche die nicht offenbarten Richtlinien und zukünftigen Vorgehensweise der Gottheiten enthalten, hat man von ihnen nie gehört, dass sie ein Geheimnis preisgegeben oder das in ihre Ordnung gesetzte Vertrauen verraten hätten. Und wir berichten das in diesem Zusammenhang nicht, um uns mit ihrer Vollkommenheit zu brüsten, sondern um hervorzuheben, dass die Gottheiten vollkommene Wesen erschaffen können und es auch tun. Die Verwirrung und der Tumult auf Urantia bedeuten nicht, dass es den Herrschern des Paradieses an Interesse oder Fähigkeit fehlte, die Dinge anders zu handhaben. Die Schöpfer besitzen alle Macht, um aus Urantia ein richtiggehendes Paradies zu machen, aber ein solches Eden würde kaum zur Entwicklung jener starken, edlen und erfahrenen Charaktere beitragen, welche die Götter auf eurer Welt so sicher zwischen dem Amboss der Notwendigkeit und dem Hammer der Angst schmieden. Euer Bangen und Leid, eure Prüfungen und Enttäuschungen bilden auf eurer Erde ebenso sehr einen Teil des göttlichen Planes wie die erlesene Vollkommenheit und unendliche Anpassung aller Dinge an ihren höchsten Zweck auf den Welten des vollkommenen Zentraluniversums. 2. Botschafter der Kreise Havonas. Während eurer ganzen aufsteigenden Laufbahn werdet ihr die Anwesenheit der Einsamen Botschafter unbestimmt, aber immer besser wahrzunehmen wissen, jedoch werdet ihr sie nicht zweifelsfrei erkennen, bevor ihr Havona erreicht. Die ersten Botschafter, die ihr von Angesicht zu Angesicht sehen werdet, sind diejenigen der Kreise Havonas. Die Einsamen Botschafter erfreuen sich besonderer Beziehungen zu den Einheimischen der Welten Havonas. Die Botschafter, die funktionell so sehr behindert sind, wenn sie sich zusammentun, können sehr enge und persönliche Bande mit den Einheimischen Havonas knüpfen. Aber es ist ganz und gar unmöglich, menschlichem Denken etwas von der höchsten Erfüllung zu vermitteln, welche der Kontakt des Verstandes dieser göttlich vollkommenen Wesen mit dem Geist solch nahezu transzendenter Persönlichkeiten bringt. 3. Botschafter der Superuniversen. Die Ältesten der Tage, diese der Trinität entsprungenen Persönlichkeiten, die die Geschicke der sieben Superuniversen lenken, diese Dreigespanne göttlicher Macht und administrativer Weisheit, sind großzügig mit Einsamen Botschaftern versehen. Einzig durch Vermittlung dieser Ordnung von Botschaftern können die dreieinigen Lenker eines Superuniversums direkt und persönlich mit den Lenkern eines anderen kommunizieren. Die Einsamen Botschafter sind der einzige verfügbare Typ geistiger Intelligenz - womöglich nebst den Inspirierten Geisten der Trinität- , der vom Hauptsitz eines Superuniversums direkt zum Hauptsitz eines anderen gesandt werden kann. Alle anderen Persönlichkeiten müssen für solche Reisen den Weg über Havona und die Exekutivwelten der Hauptgeiste nehmen. Es gibt gewisse Arten von Auskünften, die weder durch die Gravitationsbotschafter noch über Reflexivität oder Fernmeldung erhalten werden können. Und wenn die Ältesten der Tage solche Dinge mit Sicherheit wissen möchten, müssen sie einen Einsamen Botschafter zu der Informationsquelle entsenden. Lange vor der Anwesenheit des Lebens auf Urantia wurde der Botschafter, der jetzt mit mir zusammenarbeitet, mit einer Sendung außerhalb Uversas im Zentraluniversum betraut - und fehlte bei den Namensappellen Orvontons während fast einer Million Jahren, kehrte aber zu gegebener Zeit mit der gewünschten Information zurück. en Diensten der Einsamen Botschafter in den Superuniversen sind keine Grenzen gesetzt; sie können als Vollzieher der höchsten Gerichte oder als Nachrichtenbeschaffer zum Besten des Reichs eingesetzt werden. Von allen Superschöpfungen dienen sie am liebsten in Orvonton, weil hier die Nachfrage nach ihnen am stärksten ist und die Gelegenheiten für heroische Anstrengungen sehr viel zahlreicher sind. Gerade in den bedürftigeren Reichen empfinden wir alle die Befriedigung erfüllteren Wirkens. 4. Botschafter der Lokaluniversen. In den Diensten eines Lokaluniversums sind dem Wirken der Einsamen Botschafter keine Grenzen gesetzt. Sie sind die gewissenhaften Offenbarer der Beweggründe und Absichten des Muttergeistes des Lokaluniversums, obwohl sie der vollen Gerichtsbarkeit des herrschenden Meistersohnes unterstellt sind. Und das gilt für alle in einem Lokaluniversum wirkenden Botschafter, ob sie ihre Reisen direkt vom Universumshauptsitz aus unternehmen oder ob sie vorübergehend in Verbindung mit den Vätern der Konstellation, mit Systemsouveränen oder Planetarischen Fürsten arbeiten. Vor dem Zeitpunkt, da ein Schöpfersohn zum souveränen Herrscher über sein Universum erhoben und alle Macht in seiner Hand konzentriert wird, wirken diese Botschafter der Lokaluniversen unter der allgemeinen Leitung der Ältesten der Tage und sind deren ortsansässigem Repräsentanten, dem Einiger der Tage, gegenüber unmittelbar verantwortlich. 5. Kundschafter mit freiem Auftrag. Wenn das Reservekorps der Einsamen Botschafter überbesetzt ist, ergeht von einem der Sieben Supremen Machtlenker der Ruf nach freiwilligen Kundschaftern; und es fehlt nie an Freiwilligen, denn sie lassen sich mit Wonne als freie und ungebundene Forschungsreisende aussenden, um die begeisternde Erfahrung zu machen, in Organisation begriffene Kerne neuer Welten und Universen zu entdecken. Sie ziehen aus, um die ihnen von den Raumbeobachtern der Reiche gelieferten Hinweise zu untersuchen. Zweifelsohne kennen die Paradies-Gottheiten die Existenz dieser noch unentdeckten Energiesysteme des Raums, aber sie enthüllen solche Informationen nie. Würden die Einsamen Botschafter diese sich neu organisierenden Energiezentren nicht erforschen und kartographieren, entgingen solche Phänomene lange Zeit sogar den Intelligenzen der angrenzenden Reiche. Die Einsamen Botschafter sprechen als Klasse äußerst fein auf Gravitation an; deshalb können sie manchmal die wahrscheinliche Anwesenheit von sehr kleinen dunklen Planeten eruieren, gerade jener Welten, die sich am besten für Lebensexperimente eignen. Diese Botschafter-Kundschafter mit freiem Auftrag durchschweifen das Alluniversum. Sie sind ständig unterwegs auf Forschungsexpeditionen in die kartographisch nicht erfassten Regionen des ganzen Äußeren Raums. Sehr viele Auskünfte darüber, was sich in den Reichen des Äußeren Raums abspielt, verdanken wir der Kundschaftertätigkeit der Einsamen Botschafter, denn sie arbeiten und studieren oft mit den himmlischen Astronomen zusammen. 6. Botschafter und Emissäre in Besonderer Mission. In demselben Superuniversum gelegene Lokaluniversen tauschen untereinander gewöhnlich Botschafter aus, die den eigenen Sohnesordnungen entnommen werden. Aber zur Vermeidung von Zeitverlusten ersucht man die Einsamen Botschafter oft, in Botschafterfunktion von einer Lokalschöpfung zur anderen zu gehen und als Vertreter und Interpreten eines Reiches bei einem anderen zu wirken. Hier ein Beispiel: Man entdeckt ein frisch bewohntes Reich, und es stellt sich vielleicht heraus, dass dieses so fernab im Raum liegt, dass viel Zeit verstreichen würde, bevor ein einseraphierter Botschafter dieses weit entlegene Universum erreichen kann. Ein einseraphiertes Wesen kann unmöglich die Geschwindigkeit von 899 370 Urantia-Kilometern pro Sekunde eurer Zeit überschreiten. Massive Sterne, Gegenströmungen, Umwege sowie durch Anziehung verursachte tangentiale Annäherungen werden allesamt diese Geschwindigkeit eher senken, so dass die mittlere Geschwindigkeit auf einer langen Reise ungefähr 885 000 Kilometer pro Sekunde beträgt. Wenn es sich herausstellt, dass ein einheimischer Botschafter Hunderte von Jahren braucht, um ein fernes Lokaluniversum zu erreichen, wendet man sich oft an einen Einsamen Botschafter, damit er sich unverzüglich dorthin begebe und als Interims-Botschafter wirke. Die Einsamen Botschafter können sich sofort hinbegeben; sie sind zwar nicht von Zeit und Raum unabhängig, aber beinahe. Sie wirken auch in anderen Situationen als Emissäre in besonderer Mission. 7. Wahrheitsoffenbarer. Die Einsamen Botschafter betrachten den Auftrag der Wahrheitsoffenbarung als die höchste Verantwortung ihrer Ordnung. Und sie wirken dann und wann in dieser Eigenschaft, von den Superuniversen bis zu den einzelnen Planeten des Raums. Sie werden oft den Kommissionen beigegeben, die ausgesandt werden, um auf den Welten und Systemen für eine Erweiterung der Wahrheitsoffenbarung zu sorgen. ***** 23.3 Dienste der Einsamen Botschafter in Zeit und Raum ***** Die Einsamen Botschafter stellen den höchsten Typus vollkommener Vertrauenspersönlichkeiten dar, der in allen Reichen zur raschen Übermittlung wichtiger und dringender Botschaften immer dann zur Verfügung steht, wenn es nicht ratsam erscheint, dazu den Fernmeldedienst oder den Reflexivitätsmechanismus zu benutzen. Sie dienen in einer unendlichen Vielfalt von Aufgaben, indem sie geistigen und materiellen Wesen zur Hand gehen, namentlich wenn das Zeitelement im Spiel ist. Von allen Ordnungen, die den Diensten der superuniversellen Bereiche zugeteilt sind, sind sie die höchsten und vielseitigsten personifizierten Wesen, die Zeit und Raum nahezu trotzen können. Das Universum ist gut versorgt mit Geistwesen, die zur Fortbewegung die Gravitation benutzen; sie können sich jederzeit überallhin begeben - augenblicklich -, aber es sind keine Personen. Bestimmte andere Gravitations-Raumdurchquerer wie Gravitationsbotschafter und Transzendente Chronisten sind zwar persönliche Wesen, aber sie stehen den Verwaltern der Super- und Lokaluniversen nicht zur Verfügung. Auf den Welten wimmelt es von Engeln und Menschen und anderen höchst persönlichen Wesen, aber sie sind alle durch Zeit und Raum behindert. Die Geschwindigkeitsgrenze für die meisten nicht einseraphierten Wesen beträgt 299 790 Kilometer eurer Welt pro Sekunde eurer Zeit; die Mittler-Geschöpfe und gewisse andere können die doppelte Geschwindigkeit - 599 580 Kilometer pro Sekunde - erreichen und tun es auch oft, während Seraphim und andere den Raum mit dreifacher Geschwindigkeit durcheilen können, mit etwa 899 370 Kilometern pro Sekunde. Hingegen gibt es außer den Einsamen Botschaftern keine Transit- oder Botschafterpersönlichkeiten, deren Schnelligkeit zwischen der augenblicklichen Fortbewegung der Gravitations-Raumdurchquerer und der vergleichsweise langsamen Geschwindigkeit der Seraphim liegt. Deshalb werden Einsame Botschafter im Allgemeinen für Aussendung und Dienst in all jenen Situationen gebraucht, wo Persönlichkeit für die Ausführung einer Aufgabe ausschlaggebend ist und man den Zeitverlust zu vermeiden wünscht, der einträte, wenn man jede andere rasch verfügbare Art persönlicher Botschafter senden würde. Sie sind die einzigen eindeutig personifizierten Wesen, die sich mit den kombinierten universellen Strömungen des Großen Universums synchronisieren können. Die Geschwindigkeit, mit der sie den Raum durchmessen, ist unterschiedlich, weil von einer großen Vielfalt störender Einflüsse abhängig, aber der Rapport des an meiner Seite arbeitenden Botschafters gibt an, dass er auf seiner Anreise zur Erfüllung dieser Mission pro Sekunde eurer Zeit 1 354 458 739 000 Kilometer zurückgelegt hat. Es übersteigt ganz und gar meine Fähigkeiten, einer materiellen Art von Verstand zu erklären, wie ein Geist eine richtige Person sein und gleichzeitig den Raum mit solch ungeheuren Geschwindigkeiten durchmessen kann. Aber diese Einsamen Botschafter kommen tatsächlich mit derartig unverständlichen Geschwindigkeiten nach Urantia und verlassen es wieder ebenso; ohne diese Tatsache wäre die universelle Administration weitgehend ihres persönlichen Elementes beraubt. Die Einsamen Botschafter sind imstande, in Notsituationen als Verbindungslinien in entlegenen Raumregionen zu funktionieren, in Reichen, die nicht den fest begründeten Kreisen des Großen Universums angehören. Es zeigt sich, dass ein auf diese Weise funktionierender Botschafter einem Botschaftergefährten eine Meldung oder einen Impuls über etwa einhundert jener Lichtjahre hinweg senden kann, mit denen die Astronomen Urantias die Entfernungen der Sterne schätzen. Von den Myriaden von Wesen, die mit uns bei der Führung der Angelegenheiten des Superuniversums zusammenarbeiten, sind, was praktische Hilfeleistung und zeitsparende Unterstützung angeht, keine wichtiger als sie. In den Universen des Raums müssen wir mit den Behinderungen der Zeit rechnen; daraus erhellt der große Dienst, den uns die Einsamen Botschafter leisten, die dank ihrer persönlichen Kommunikationsvorrechte einigermaßen raumunabhängig sind und aufgrund ihrer ungeheuren Reisegeschwindigkeiten so nahe an die Zeitunabhängigkeit herankommen. Ich bin in großer Verlegenheit, wenn ich den Sterblichen Urantias erklären soll, wie es möglich ist, dass die Einsamen Botschafter keine Gestalt haben und trotzdem eine reale und bestimmte Persönlichkeit besitzen. Obwohl sie einer Gestalt entbehren, die man ganz natürlich mit einer Persönlichkeit in Verbindung bringen würde, besitzen sie eine geistige Gegenwart, die von allen höheren Typen von Geistwesen wahrgenommen werden kann. Die Einsamen Botschafter sind die einzige Klasse von Wesen, die offensichtlich im Besitz nahezu aller Vorteile eines gestaltlosen Geistes in Verbindung mit allen Vorrechten einer voll ausgerüsteten Persönlichkeit sind. Sie sind richtige Personen, obwohl mit nahezu allen Attributen unpersönlicher Geistmanifestation ausgestattet. In den sieben Superuniversen ist es gewöhnlich - aber nicht immer - so, dass alles, was dazu neigt, einem Geschöpf größere Freiheit von den Behinderungen durch Zeit und Raum zu verschaffen, in demselben Maße dessen Persönlichkeitsvorrechte schmälert. Die Einsamen Botschafter bilden eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel. Sie verfügen bei ihren Aktivitäten fast schrankenlos über die Gesamtheit der grenzenlosen Mittel geistigen Ausdrucks, göttlichen Dienstes, persönlichen Wirkens und kosmischer Kommunikation. Wenn ihr diese außerordentlichen Wesen im Lichte meiner Erfahrung in der Universumsverwaltung sehen könntet, würdet ihr verstehen, wie schwierig es wäre, die Angelegenheiten eines Superuniversums ohne ihre vielseitige Mitarbeit zu koordinieren. Ganz gleichgültig, wie sehr sich das Universum vergrößern mag, es werden wahrscheinlich kaum je weitere Einsame Botschafter erschaffen werden. Mit dem Wachstum der Universen muss die zunehmende Verwaltungsarbeit vermehrt von anderen Typen geistiger Diener und von den aus diesen neuen Schöpfungen stammenden Wesen übernommen werden, wie den Geschöpfen der Souveränen Söhne und der Muttergeiste der Lokaluniversen. ***** 23.4 Besonderes Wirken der Einsamen Botschafter ***** Die Einsamen Botschafter scheinen Persönlichkeitskoordinatoren für alle Arten von Geistwesen zu sein. Ihr Wirken hilft, dass sich alle Persönlichkeiten der gewaltigen geistigen Welt als Verwandte fühlen. Sie tragen viel dazu bei, dass sich in allen Geistwesen ein Bewusstsein von Gruppenidentität entwickelt. Jedem Typ geistiger Wesen dienen besondere Gruppen Einsamer Botschafter, die in diesen Wesen die Fähigkeit heranbilden, alle anderen Typen und Ordnungen, wie verschieden von ihnen sie auch sein mögen, zu verstehen und mit ihnen brüderlich umzugehen. Die Einsamen Botschafter beweisen ein derart erstaunliches Geschick, alle Typen und Ordnungen endlicher Persönlichkeiten zu koordinieren - und sogar den Kontakt zur absoniten Sphäre der höchsten Überwacher des Alluniversums herzustellen - dass einige von uns die Meinung vertreten, die Erschaffung dieser Botschafter durch den Unendlichen Geist stehe in irgendeinem Zusammenhang mit der Vergabe des Suprem-Ultimen Verstandes durch den Mit-Vollzieher. Wenn ein Finalist und ein Bürger des Paradieses bei der Trinitisation eines "Kindes der Zeit und der Ewigkeit" zusammenarbeiten - bei einem Vorgang, der die nicht offenbarten Verstandespotentiale des Suprem-Ultimen einschließt - und wenn die daraus hervorgehende, nicht klassifizierte Persönlichkeit nach Vizegerington abgesandt wird, wird diesem durch Geschöpfe trinitisierten Sohn als Hüter und Gefährte immer ein Einsamer Botschafter zugeteilt (der vermutlich die personifizierte Rückwirkung der Vergabe ebendieses Verstandes der Gottheit ist). Dieser Botschafter begleitet den neuen Sohn der Bestimmung auf diese ihm zugewiesene Welt und verlässt Vizegerington nie wieder. Wenn ein Einsamer Botschafter auf solche Weise mit dem Schicksal eines Kindes der Zeit und der Ewigkeit verbunden wird, gelangt er für immer unter die ausschließliche Leitung der Architekten des Alluniversums. Was die Zukunft einer solch außerordentlichen Gemeinschaft sein mag, wissen wir nicht. Während ganzer Zeitalter haben sich auf Vizegerington diese Partnerschaften einmaliger Persönlichkeiten ständig angesammelt, aber auch nicht ein einziges Paar hat sich je von dort hinwegbegeben. Die Zahl der Einsamen Botschafter bleibt gleich, aber die Trinitisation der Söhne der Bestimmung ist offenbar eine sich unbegrenzt fortsetzende Technik. Da jedem trinitisierten Sohn der Bestimmung ein Einsamer Botschafter zugeteilt wird, will uns scheinen, dass sich der Vorrat an Botschaftern eines Tages in ferner Zukunft erschöpfen wird. Wer wird dann ihre Arbeit im Großen Universum übernehmen? Kann ihr Dienst von den Inspirierten Geisten der Trinität wahrgenommen werden, nachdem bei diesen eine neue Entwicklung eingetreten ist? Wird das Große Universum zu einem weit entfernten Zeitpunkt in stärkerem Maße von Wesen trinitären Ursprungs verwaltet werden, während die Geschöpfe einfachen und doppelten Ursprungs ausziehen werden in die Reiche des Äußeren Raums? Wenn die Botschafter an ihre frühere Aufgabe zurückkehren sollten, würden diese Söhne der Bestimmung sie dann begleiten? Werden die Trinitisationen zwischen Finalisten und Paradies-Havonern aufhören, wenn der Vorrat an Einsamen Botschaftern zu Ende gegangen ist, weil sie alle zu Hüter-Gefährten der Söhne der Bestimmung geworden sind? Werden alle unsere effizienten Einsamen Botschafter auf Vizegerington konzentriert werden? Werden diese außergewöhnlichen Geistpersönlichkeiten auf ewig mit den trinitisierten Söhnen einer nicht offenbarten Bestimmung verbunden bleiben? Welche Bedeutung sollten wir der Tatsache beimessen, dass die sich auf Vizegerington ansammelnden Paare der ausschließlichen Leitung jener mächtigen und geheimnisvollen Wesen, der Architekten des Alluniversums, unterstehen? Diese und viele ähnliche Fragen stellen wir uns und stellen sich zahlreiche andere Ordnungen himmlischer Wesen, aber wir kennen die Antworten darauf nicht. Dieses Geschehen, zusammen mit vielen ähnlichen Vorgängen in der Verwaltung des Universums, ist ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass die Belegschaft des Großen Universums und sogar jene des Paradieses und Havonas eine klare und sichere Reorganisation durchmacht, die mit den gewaltigen, jetzt in den Reichen des Äußeren Raumes vor sich gehenden energetischen Entwicklungen koordiniert ist und zu ihnen in Beziehung steht. Wir neigen zu dem Glauben, dass die ewige Zukunft Zeuge von Phänomenen der Universumsevolution werden wird, die über alles, was die ewige Vergangenheit erlebt hat, weit hinausgehen werden. Und in Gedanken nehmen wir diese unerhörten Abenteuer mit großer Beglückung und stets wachsender Spannung vorweg, wie auch ihr es tun solltet. [Verfasst von einem Göttlichen Ratgeber aus Uversa.] ****** Kapitel 24 Höhere Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes ****** AUF Uversa teilen wir alle Persönlichkeiten und Wesenheiten des Mit-Schöpfers in drei große Abteilungen ein: in die Höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes, die Botschafterheere des Raums und die Dienenden Geiste der Zeit, jene Geistwesen, deren Aufgabe es ist, die Willensgeschöpfe des aufsteigenden Plans sterblichen Fortschritts lehrend und dienend zu begleiten. Die Höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes, die in diesen Schilderungen Erwähnung finden, wirken im ganzen Großen Universum in sieben Abteilungen: 1. Einsame Botschafter. 2. Überwacher der Universumskreise. 3. Leiter der Geschöpfeszählung. 4. Persönliche Helfer des Unendlichen Geistes. 5. Beigeordnete Inspektoren. 6. Zugeteilte Wachen. 7. Führer der Graduierten. Einsame Botschafter, Überwacher der Kreise, Leiter der Geschöpfeszählung und Persönliche Helfer zeichnen sich durch den Besitz ungeheurer Antigravitationsgaben aus. Die Einsamen Botschafter verfügen über keine bekannten Hauptquartiere; sie durchschweifen das Universum der Universen. Die Überwacher der Universumskreise und die Leiter der Geschöpfeszählung unterhalten Hauptquartiere in den Kapitalen der Superuniversen. Die Persönlichen Helfer des Unendlichen Geistes sind auf der zentralen Insel des Lichts stationiert. Die Beigeordneten Inspektoren sind in den Kapitalen der Lokaluniversen und die Zugeteilten Wachen in den Kapitalen der die Lokaluniversen bildenden Systeme stationiert. Die Führer der Graduierten wohnen im Universum von Havona und wirken auf jeder seiner Milliarde von Welten. Die meisten dieser höheren Persönlichkeiten haben Niederlassungen in den Lokaluniversen, sind aber nicht auf organische Weise mit den Verwaltungen der evolutionären Reiche verbunden. Von den sieben diese Gruppe bildenden Klassen durchwandern einzig die Einsamen Botschafter und vielleicht die Persönlichen Helfer das Universum der Universen. Den Einsamen Botschaftern begegnet man vom Paradies an nach außen: über die Kreise Havonas zu den Kapitalen der Superuniversen und von da über die Sektoren und Lokaluniversen mit ihren Unterabteilungen sogar bis zu den bewohnten Welten. Obwohl die Einsamen Botschafter zu den Höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes gehören, sind ihr Ursprung, Wesen und Dienst in der vorangehenden Schrift besprochen worden. ***** 24.1 Die Überwacher der Universumskreise ***** Die gewaltigen Machtströme des Raums und die Kreisläufe des Geistes mögen den Eindruck erwecken, als arbeiteten sie automatisch. Sie scheinen völlig unbehindert zu funktionieren, aber das trifft nicht zu. All diese ungeheuren Energiesysteme stehen unter Kontrolle; sie unterliegen intelligenter Überwachung. Die Überwacher der Universumskreise geben sich nicht mit dem Bereich der rein physischen oder materiellen Energie - der Domäne der Lenker der Universumsmacht - ab, sondern mit den Kreisläufen der relativ geistigen Energie und mit jenen modifizierten Kreisläufen, die wesentlich sind zum Unterhalt sowohl der hoch entwickelten geistigen Wesen als auch der morontiellen oder Übergangstypen intelligenter Geschöpfe. Die Überwacher erzeugen keine Kreise göttlicher Energie und Überessenz, aber im Allgemeinen haben sie mit allen höheren Geistkreisen der Zeit und Ewigkeit und mit allen relativen Geistkreisen zu tun, welche die Verwaltung der das Große Universum bildenden Teile betreffen. Sie lenken und manipulieren all diese Kreise geistiger Energie außerhalb der Paradies-Insel. Die Überwacher der Universumskreise sind die ausschließliche Schöpfung des Unendlichen Geistes, und sie wirken einzig im Auftrag des Mit-Vollziehers. Sie sind für den Dienst in den folgenden vier Ordnungen personifiziert worden: 1. Höchste Überwacher der Kreise. 2. Beigeordnete Überwacher der Kreise. 3. Sekundäre Überwacher der Kreise. 4. Tertiäre Überwacher der Kreise. Die höchsten Überwacher Havonas und die beigeordneten Überwacher der sieben Superuniversen sind vollzählig; keine weiteren Vertreter dieser Ordnungen werden mehr erschaffen. Es gibt ganze sieben höchste Überwacher und sie sind auf den Pilotwelten der sieben Kreise Havonas stationiert. Der Kreise der sieben Superuniversen nimmt sich eine wunderbare Gruppe von sieben miteinander verbundenen Überwachern an, die ihre Hauptquartiere auf den sieben Paradies-Sphären des Unendlichen Geistes, den Welten der Sieben Supremen Vollzieher, haben. Von hier aus überwachen und lenken sie die Kreise der Superuniversen des Raums. Auf diesen Paradies-Sphären des Geistes stellen die sieben beigeordneten Überwacher der Kreise und die erste Ordnung der Supremen Machtzentren eine Verbindung her, die unter der Leitung der Supremen Vollzieher eine unter-paradiesische Koordination aller materiellen und geistigen Kreisläufe bewirkt, welche zu den sieben Superuniversen hinausgehen. Auf der Hauptwelt jedes Superuniversums sind die sekundären Überwacher für die Lokal-universen von Zeit und Raum stationiert. Die Großen und Kleinen Sektoren sind administrative Abteilungen der Superregierungen, haben aber mit diesen Angelegenheiten der Überwachung geistiger Energie nichts zu tun. Ich weiß nicht, wie viele sekundäre Überwacher der Kreise es im Großen Universum gibt, aber auf Uversa sind es 84 691 dieser Wesen. Sekundäre Überwacher werden fortlaufend erschaffen; von Zeit zu Zeit erscheinen sie in Siebzigergruppen auf den Welten der Supremen Vollzieher. Wir erhalten sie auf Verlangen, wenn wir Vorkehrungen treffen für die Schaffung getrennter Kreisläufe von Geistenergie und Verbindungsmacht zu den sich neu entwickelnden Universen unseres Zuständigkeitsbereichs. Ein tertiärer Überwacher der Kreise arbeitet auf der Hauptwelt jedes Lokaluniversums. Gleich den sekundären Überwachern werden auch die Angehörigen dieser Ordnung fortlaufend erschaffen, aber in Gruppen von siebenhundert. Sie werden den Lokaluniversen von den Ältesten der Tage zugeteilt. Die Überwacher der Kreise werden für ihre besonderen Aufgaben erschaffen, und sie dienen ewig in den Gruppen, denen sie ursprünglich zugeteilt wurden. Sie wechseln nicht turnusmäßig im Dienst und studieren folglich durch alle Zeitalter die Probleme, die sie in den Reichen ihrer ursprünglichen Zuteilung vorfinden. Zum Beispiel wirkt der tertiäre Kreisüberwacher Nummer 572 842 auf Salvington seit der frühen Planung eures Lokaluniversums, und er ist ein Mitglied des persönlichen Mitarbeiterstabs Michaels von Nebadon. Ob die Überwacher der Kreise in Lokal- oder höheren Universen tätig sind, sie lenken alles, was den Gebrauch der richtigen Kreise für die Übermittlung aller geistigen Botschaften und für den Transitverkehr aller Persönlichkeiten betrifft. In ihrer Arbeit der Überwachung der Kreise setzen diese wirksamen Wesen alle im Universum der Universen vorhandenen Hilfsmittel, Kräfte und Persönlichkeiten ein. Sie gebrauchen die nicht offenbarten "hohen Geistpersönlichkeiten der Kontrolle der Kreise" und werden gewandt durch zahlreiche Mitarbeiterstäbe unterstützt, die sich aus Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes zusammensetzen. Sie sind es, die eine evolutionäre Welt isolieren würden, wenn sich deren Planetarischer Fürst gegen den Universalen Vater und dessen stellvertretenden Sohn auflehnen sollte. Sie sind fähig, jede Welt aus bestimmten Universumskreisläufen der höheren geistigen Ordnung auszuschalten, aber sie können die materiellen Ströme der Machtlenker nicht annullieren. Die Überwacher der Universumskreise stehen zu den geistigen Kreisläufen in einer ähnlichen Beziehung wie die Lenker der Universumsmacht zu den materiellen Kreisläufen. Die beiden Ordnungen ergänzen sich, da sie gemeinsam alle geistigen und materiellen Kreise beaufsichtigen, die von Geschöpfen kontrolliert und gehandhabt werden können. Die Überwacher der Kreise üben über die Verstandeskreise, die mit dem Geist verbunden sind, in ganz ähnlicher Weise eine bestimmte Kontrolle aus, wie die Machtlenker in gewisser Weise für die Verstandesphasen zuständig sind, die der physischen Energie zugeordnet sind - für den mechanischen Verstand. Im Allgemeinen erhöhen sich die Funktionsmöglichkeiten beider Ordnungen, sobald sie sich miteinander verbinden, aber die reinen Verstandeskreise unterstehen keiner von ihnen. Auch sind die beiden Ordnungen nicht koordiniert; bei all ihren vielfältigen Arbeiten unterstehen die Überwacher der Universumskreise den Sieben Supremen Machtlenkern und ihren Untergebenen. Obwohl die Überwacher der Kreise innerhalb ihrer jeweiligen Ordnung völlig gleich sind, haben sie alle eine eindeutige Individualität. Sie sind wahrhaft persönliche Wesen, aber sie besitzen einen anderen als den vom Vater verliehenen Persönlichkeitstyp, den man bei keiner anderen Geschöpfesart der ganzen universellen Existenz antrifft. Ihr werdet sie auf eurer Reise nach innen zum Paradies erkennen und kennen, aber mit ihnen in keine persönliche Beziehung treten. Sie sind Überwacher der Kreise, und sie walten ausschließlich und wirksam ihres Amtes. Sie haben nur mit jenen Persönlichkeiten und Wesenheiten zu tun, welche Aktivitäten kontrollieren, die mit den ihrer Überwachung unterstehenden Kreisen zusammenhängen. ***** 24.2 Die Leiter der Geschöpfeszählung ***** Obwohl der kosmische Verstand der Universalen Intelligenz die Gegenwart und den Aufenthaltsort aller denkenden Geschöpfe kennt, funktioniert im Universum der Universen unabhängig davon eine Methode zur Erfassung aller Willens geschöpfe. Die Leiter der Geschöpfeszählung sind eine besondere und abgeschlossene Schöpfung des Unendlichen Geistes, und sie existieren in uns unbekannter Zahl. Sie sind so erschaffen worden, dass sie eine vollkommene Übereinstimmung mit der Reflexivitätstechnik der Superuniversen aufrechterhalten können und zugleich auf intelligenten Willen persönlich sensibel sind und antworten. Diese Leiter werden sich durch eine nicht ganz verstandene Technik unverzüglich der Geburt von Willen in jedem beliebigen Teil des Großen Universums bewusst. Sie sind deshalb in der Lage, uns jederzeit Anzahl, Natur und Aufenthaltsort aller Willensgeschöpfe in jedem Teil der zentralen Schöpfung und der sieben Superuniversen anzugeben. Aber im Paradies arbeiten sie nicht; man hat sie dort nicht nötig. Im Paradies ist das Wissen eingeboren; die Gottheiten kennen alle Dinge. In Havona wirken sieben Leiter der Geschöpfeszählung; je einer von ihnen ist auf der Pilotwelt jedes Kreises von Havona stationiert. Mit Ausnahme dieser sieben und der Reserven der Ordnung auf den Paradies-Welten des Geistes arbeiten alle Leiter der Geschöpfeszählung unter der Zuständigkeit der Ältesten der Tage. Ein Leiter der Geschöpfeszählung präsidiert auf der Hauptwelt jedes Superuniversums, aber Tausende und Abertausende sind diesem obersten Leiter unterstellt, immer einer in der Kapitale jedes Lokaluniversums. Alle Persönlichkeiten dieser Ordnung sind gleich, ausgenommen die auf den Pilotwelten Havonas und die sieben superuniversellen Oberhäupter. Im siebenten Superuniversum gibt es einhunderttausend Leiter der Geschöpfeszählung. Diese Zahl enthält nur diejenigen, die den Lokaluniversen zugeteilt sind; sie schließt den persönlichen Mitarbeiterstab Usatias, des Oberhauptes aller Leiter Orvontons, nicht ein. Gleich den anderen superuniversellen Oberhäuptern ist Usatia nicht direkt auf die Regi-strierung intelligenten Willens abgestimmt. Er ist nur auf seine im Universum von Orvonton stationierten Untergebenen abgestimmt; auf diese Weise wirkt er für ihre von den Kapitalen der lokalen Schöpfungen hereinkommenden Berichte als großartige zusammenfassende Persönlichkeit. Von Zeit zu Zeit halten die offiziellen Archivare von Uversa in ihren Annalen den Stand des Superuniversums fest, wie er aus den Registrierungen in und auf der Persönlichkeit Usatias hervorgeht. Diese Unterlagen der Geschöpfeszählung gehören dem Superuniversum; die Berichte werden weder nach Havona noch zum Paradies weitergeleitet. Die Leiter der Geschöpfeszählung befassen sich mit menschlichen Wesen - sowie mit anderen Willensgeschöpfen - nur insofern, als sie die Tatsache funktionierenden Willens festhalten. Die Aufzeichnung eures Lebens und eurer Taten betrifft sie nicht; sie sind in keiner Weise Bericht erstattende Persönlichkeiten. Der Leiter der Geschöpfeszählung von Nebadon, Nummer 81 412 von Orvonton, der jetzt auf Salvington stationiert ist, ist sich genau in diesem Augenblick eurer lebendigen Gegenwart hier auf Urantia persönlich bewusst; und er wird im Augenblick, da ihr als Willensgeschöpf zu funktionieren aufhört, den Registern die Bestätigung eures Todes liefern. Die Leiter der Geschöpfeszählung registrieren die Existenz eines neuen Willensgeschöpfes, wenn der erste Willensakt geschieht; sie signalisieren den Tod eines Willensgeschöpfes, wenn der letzte Willensakt stattfindet. Das teilweise In-Erscheinung-Treten von Willen, das man bei den Reaktionen gewisser höherer Tiere beobachtet, gehört nicht zu der Domäne der Leiter der Geschöpfeszählung. Sie zählen einzig echte Willensgeschöpfe, und sie sprechen auf nichts anderes an als auf die Funktion des Willens. Wie sie das Funktionieren des Willens genau registrieren, wissen wir nicht. Diese Wesen sind immer Leiter der Geschöpfeszählung gewesen und werden es immer bleiben. Sie wären in jeder anderen Sparte universeller Arbeit vergleichsweise nutzlos. Aber sie sind unfehlbar in ihrer Funktionsweise; nie kommen bei ihnen Pflichtversäumnis oder Fälschung vor. Trotz ihrer wunderbaren Talente und unglaublichen Vorrechte sind sie Personen; sie besitzen eine erkennbare geistige Gegenwart und Gestalt. ***** 24.3 Die Persönlichen Helfer des Unendlichen Geistes ***** Wir haben kein verbürgtes Wissen über Zeitpunkt und Art der Erschaffung der Persönlichen Helfer. Ihre Zahl muss Legion sein, aber sie ist auf Uversa nicht bekannt. Nach vorsichtigen Schlüssen, die sich auf unsere Kenntnis ihrer Arbeit stützen, wage ich zu schätzen, dass ihre Zahl in die Billionen geht. Wir sind der Ansicht, dass der Unendliche Geist in der Erschaffung der Persönlichen Helfer zahlenmäßig nicht beschränkt ist. Die Persönlichen Helfer existieren ausschließlich als Gehilfen der Paradies-Gegenwart der Dritten Person der Gottheit. Obwohl sie direkt dem Unendlichen Geist zugeteilt sind und das Paradies zum Wohnsitz haben, durcheilen sie die ganze Schöpfung blitzartig bis in deren äußerste Regionen. Soweit sich die Kreise des Mit-Schöpfers erstrecken, können diese Persönlichen Helfer erscheinen, um die Weisungen des Unendlichen Geistes auszuführen. Sie durchmessen den Raum ähnlich wie die Einsamen Botschafter, aber sie sind keine Personen im Sinne der Botschafter. Die Persönlichen Helfer sind alle gleich und identisch; sie lassen keine individuelle Differenzierung erkennen. Während der Mit-Vollzieher sie als richtige Persönlichkeiten betrachtet, fällt es anderen schwer, sie als wirkliche Personen anzusehen; sie bekunden anderen Geistwesen gegenüber keine geistige Gegenwart. Dem Paradies entstammende Wesen sind sich der Nähe der Helfer stets bewusst; aber wir stellen keine Persönlichkeitsgegenwart fest. Zweifelsohne macht sie die Abwesenheit einer derartigen Gegenwarts-Gestalt der Dritten Person der Gottheit nur umso nützlicher. Von allen offenbarten Ordnungen von Geistwesen, die ihren Ursprung im Unendlichen Geist haben, sind die Persönlichen Helfer so ziemlich die einzigen, denen ihr während eures Aufstiegs nach innen und paradieswärts nicht begegnen werdet. ***** 24.4 Die Beigeordneten Inspektoren ***** Die Sieben Supremen Vollzieher auf den sieben Paradies-Sphären des Unendlichen Geistes wirken kollektiv als das administrative Gremium allerhöchster Führungskräfte für die sieben Superuniversen. Die Beigeordneten Inspektoren sind die persönliche Verkörperung der Autorität der Supremen Vollzieher in den Lokaluniversen von Zeit und Raum. Diese hohen Beobachter der Angelegenheiten der Lokalschöpfungen sind die gemeinsamen Sprosse des Unendlichen Geistes und der Sieben Hauptgeiste des Paradieses. Vor nahezu unendlichen Zeiten wurden ihrer siebenhunderttausend personifiziert, und ihr Reservekorps wohnt im Paradies. Die Beigeordneten Inspektoren arbeiten unter der direkten Aufsicht der Sieben Supremen Vollzieher, deren persönliche und mächtige Repräsentanten in den Lokaluniversen von Zeit und Raum sie sind. Ein Inspektor ist auf der Hauptsphäre jeder Lokalschöpfung stationiert, und er ist ein enger Mitarbeiter des hier residierenden Einigers der Tage. Die Beigeordneten Inspektoren nehmen Berichte und Empfehlungen einzig von ihren Untergebenen, den Zugeteilten Wachen, entgegen, die in den Kapitalen der Lokalsysteme bewohnter Welten stationiert sind, während sie selber einzig ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Supremen Vollzieher des betreffenden Superuniversums, Bericht erstatten. ***** 24.5 Die Zugeteilten Wachen ***** Die Zugeteilten Wachen sind koordinierende Persönlichkeiten und Verbindungswesen, die die Sieben Supremen Vollzieher repräsentieren. Sie wurden im Paradies durch den Unendlichen Geist personifiziert und im Hinblick auf die spezifischen Ziele ihrer Aufgabe erschaffen. Ihre Zahl bleibt unverändert - es existieren ihrer genau sieben Milliarden. So wie ein Beigeordneter Inspektor der Repräsentant der Sieben Supremen Vollzieher für ein ganzes Lokaluniversum ist, so gibt es in jedem der zehntausend Systeme dieser Lokalschöpfung eine Zugeteilte Wache, die als direkter Repräsentant des weit entfernten supremen Gremiums handelt, das die höchste Kontrolle über die Angelegenheiten aller sieben Superuniversen ausübt. Die in den Regierungen der Lokalsysteme Orvontons diensttuenden Wachen handeln unter der direkten Oberhoheit des Supremen Vollziehers Nummer Sieben, des Koordinators des Siebenten Superuniversums. Aber was ihre administrative Organisation betrifft, sind alle in einem Lokal-universum beauftragten Wachen dem Beigeordneten Inspektor unterstellt, der am Hauptsitz dieses Universums residiert. Innerhalb einer Lokalschöpfung dienen die Zugeteilten Wachen im Turnus, indem sie von System zu System versetzt werden. Gewöhnlich werden sie alle tausend Jahre lokaluniverseller Zeit ausgewechselt. Sie zählen zu den höchstrangigen in einer Systemkapitale stationierten Persönlichkeiten, aber sie beteiligen sich nie an Beratungen, die die Angelegenheiten des Systems betreffen. Sie dienen in den Lokalsystemen von Amtes wegen als Oberhäupter der vierundzwanzig den evolutio-nären Welten entstammenden Verwalter, aber im Übrigen kommen die aufsteigenden Sterblichen mit ihnen kaum in Berührung. Die Wachen sind fast ausschließlich mit der Aufgabe beschäftigt, den Beigeordneten Inspektor ihres Universums über alles ausführlich auf dem Laufenden zu halten, was sich auf das Wohlergehen und den Zustand des Systems bezieht, dem sie zugeteilt sind. Zugeteilte Wachen und Beigeordnete Inspektoren liefern den Supremen Vollziehern ihre Berichte nicht über die Hauptwelten der Superuniversen. Sie sind allein dem Supremen Vollzieher des betreffenden Superuniversums gegenüber verantwortlich; ihre Aktivitäten sind verschieden von der Verwaltung der Ältesten der Tage. Die Supremen Vollzieher, Beigeordneten Inspektoren und Zugeteilten Wachen im Verein mit den Omniaphim und einem ganzen Heer von nicht offenbarten Persönlichkeiten bilden ein wirkungsvolles, direktes, zentralisiertes, aber weit ausgedehntes System beratender und administrativer Koordinierung des ganzen Großen Universums von Dingen und Wesen. ***** 24.6 Die Führer der Graduierten ***** Als Gruppe fördern und leiten die Führer der Graduierten die hohe Universität technischer Ausbildung und geistiger Schulung, die eine so wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die Sterblichen das Ziel der Zeitalter erreichen: Gott, Ruhe und danach eine Ewigkeit vervollkommneten Dienstes. Diese hochpersönlichen Wesen verdanken ihren Namen der Natur und Zielsetzung ihrer Arbeit. Sie widmen sich ausschließlich der Aufgabe, die sterblichen Graduierten der Superuniversen der Zeit durch den Ausbildungs- und Schulungsgang Havonas zu führen, welcher der Vorbereitung der aufsteigenden Pilger auf die Zulassung zum Paradies und zum Korps der Finalität dient. Es ist mir nicht verboten zu versuchen, euch über das Wirken dieser Führer der Graduierten zu berichten, aber dieses ist so hochgeistig, dass ich an meinem Vermögen verzweifle, dem materiellen Verstand eine angemessene Vorstellung von ihren vielfachen Aktivitäten zu vermitteln. Wenn sich dereinst euer Gesichtsfeld auf den Residenzwelten geweitet hat und ihr von den Ketten materieller Vergleiche befreit seid, werdet ihr die Bedeutung von Realitäten zu verstehen beginnen, die "das Auge nicht sehen und das Ohr nicht hören kann und die nie in die Vorstellungen menschlicher Intelligenzen eingedrungen sind", eben die Dinge, die "Gott für jene bereitgestellt hat, die solch ewige Wahrheiten lieben". Es ist euch nicht bestimmt, in eurem Horizont und geistigen Verständnis für immer so beschränkt zu bleiben. Die Führer der Graduierten widmen sich der Aufgabe, die Pilger der Zeit durch die sieben Kreise der Welten Havonas zu steuern. Der Führer, der euch bei eurer Ankunft auf der Empfangswelt des äußeren Kreises Havonas begrüßt, wird während eurer ganzen Laufbahn durch die himmlischen Kreise bei euch bleiben. Obwohl ihr während eures Aufenthaltes auf einer Milliarde Welten mit ungezählten anderen Persönlichkeiten in Verbindung treten werdet, wird euch euer Führer der Graduierten bis ans Ende eures Werdegangs durch Havona folgen und Zeuge eures Eintritts in den abschließenden Schlummer der Zeit sein, in den Schlaf des Ewigkeitstransits nach dem Paradies-Ziel, wo euch beim Aufwachen der Paradies-Gefährte begrüßen wird, der den Auftrag hat, euch willkommen zu heißen und vielleicht an eurer Seite zu bleiben, bis ihr als Mitglied des Korps der Finalität der Sterblichen eingeweiht werdet. Die Zahl der Führer der Graduierten liegt jenseits dessen, was menschliches Denken zu fassen vermag, und es erscheinen ihrer fortlaufend neue. Um ihren Ursprung liegt ein Geheimnis. Sie existieren nicht seit ewig; sie erscheinen auf mysteriöse Weise, wenn sie benötigt werden. Nirgends auf sämtlichen Welten des Zentraluniversums gibt es eine Nachricht über einen Führer der Graduierten vor jenem weit zurückliegenden Tag, als der erste sterbliche Pilger aller Zeiten bis zum äußeren Gürtel der zentralen Schöpfung vordrang. Im Augenblick, da er auf der Pilotwelt des äußeren Kreises anlangte, wurde er freundlich begrüßt durch Malvorian, den ersten der Führer der Graduierten und jetzt Oberhaupt ihres höchsten Rates und Leiter ihrer gewaltigen Erziehungsorganisation. In den Paradies-Annalen Havonas finden sich in der "Führer der Graduierten" benannten Abteilung diese einleitenden Worte: "Und Malvorian, der erste seiner Ordnung, begrüßte den Pilger und Entdecker Havonas, lehrte ihn und führte ihn von den äußeren Kreisen anfänglicher Erfahrung Schritt für Schritt und Kreis um Kreis, bis er sich wirklich in der Gegenwart des Ursprungs und der Bestimmung aller Persönlichkeiten befand, wonach er über die zum Paradies führende Schwelle der Ewigkeit trat." Zu jenem weit zurückliegenden Zeitpunkt war ich dem Dienst der Ältesten der Tage auf Uversa zugeteilt, und wir frohlockten alle, da wir jetzt sicher wussten, dass die Pilger aus unserem Superuniversum schließlich Havona erreichen würden. Während Zeitaltern hatte man uns gelehrt, dass die evolutionären Geschöpfe des Raums das Paradies erreichen würden, und der Freudenschauer aller Zeiten durchlief die himmlischen Höfe, als der erste Pilger tatsächlich dort eintraf. Der Name dieses pilgernden Entdeckers Havonas ist Großfanda, und er entstammte dem Planeten 341 des Systems 84 in Konstellation 62 des Lokaluniversums 1 131, das sich im Superuniversum Nummer eins befindet. Seine Ankunft gab das Signal für die Einrichtung des Fernmeldedienstes des Universums der Universen. Zuvor war nur das Fernmeldewesen der Superuniversen und der Lokaluniversen in Betrieb gewesen, aber die Ankündigung der Ankunft Großfandas vor den Toren Havonas gab das Zeichen zur Einweihung der "glorreichen Raummeldungen", so bezeichnet, weil der erste universelle Fernbericht das Eintreffen des ersten evolutionären Wesens meldete, das die Eingangspforte zum Ziel aller aufsteigenden Existenz erreicht hatte. Die Führer der Graduierten verlassen die Welten Havonas nie; sie widmen sich ganz dem Dienst an den graduierten Pilgern von Zeit und Raum. Und ihr werdet diesen edlen Wesen dereinst von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten, wenn ihr den sicheren und in jeder Hinsicht vollkommenen Plan nicht zurückweist, dessen Bestimmung es ist, euer Fortleben und euren Aufstieg zu gewährleisten. ***** 24.7 Ursprung der Führer der Graduierten ***** Obwohl die Evolution nicht die Ordnung des Zentraluniversums ist, glauben wir, dass die Führer der Graduierten die vervollkommneten und erfahreneren Angehörigen einer anderen Geschöpfesordnung des Zentaluniversums, der Serviten Havonas, sind. Die Führer der Graduierten zeigen eine so große Sympathie für die aufsteigenden Geschöpfe und eine derartige Fähigkeit, sie zu verstehen, dass sie diese Kultur unserer Überzeugung nach in den Reichen der Superuniversen erworben haben müssen, wo sie als die Serviten Havonas universellen Dienstes gewirkt haben. Entspräche diese Sicht nicht der Wahrheit, womit könnten wir dann das fortlaufende Verschwinden der älteren und erfahreneren Serviten erklären? Ein Servit ist vielleicht lange Zeit von Havona abwesend und dient in einem Superuniversum, nachdem er schon früher auf vielen solchen Missionen war, kehrt dann heim, empfängt das Privileg "persönlichen Kontaktes" mit dem Zentralen Leuchten des Paradieses, wird von den Strahlenden Personen umfangen und entschwindet dann der Sicht seiner Geistgefährten, um nie wieder unter den Seinen zu erscheinen. Bei seiner Rückkehr vom Dienst im Superuniversum wird sich ein Servit Havonas unter Umständen zahlreicher göttlicher Umarmungen erfreuen und daraus nur als ein verherrlichter Servit hervorgehen. Die strahlende Umarmung zu erfahren bedeutet nicht notwendigerweise, dass der Servit in einen Führer der Graduierten verwandelt werden muss, aber fast ein Viertel derer, welche die göttliche Umarmung erfahren, kehren nie wieder zum Dienst in den Reichen zurück. In den hohen Aufzeichnungen erscheinen aufeinander folgende Eintragungen wie diese: "Und Servit Nummer 842 842 682 846 782 von Havona, genannt Sudna, kam vom Dienst im Superuniversum zurück, wurde im Paradies empfangen, kannte den Vater, trat in die göttliche Umfangung ein und ist nicht." Wenn solch eine Eintragung in den Annalen erscheint, ist die Laufbahn des betreffenden Serviten abgeschlossen. Aber nach genau drei Augenblicken (etwas weniger als drei Tage eurer Zeit) erscheint auf dem äußeren Kreis des Havona-Universums "spontan" ein neugeborener Führer der Graduierten. Und die Zahl der Führer der Graduierten entspricht genau der Zahl der verschwundenen Serviten, wenn man von einem geringen Unterschied absieht, der ohne Zweifel von denen herrührt, die sich im Durchgang befinden. Ein weiterer Grund spricht für die Annahme, dass die Führer der Graduierten höher entwickelte Serviten Havonas sind, nämlich die unfehlbare Neigung der Führer und der mit ihnen zusammenarbeitenden Serviten, sich auf außerordentliche Weise aneinander zu binden. Die Art, in der diese vermeintlich verschiedenen Ordnungen von Wesen einander verstehen und miteinander sympathisieren, ist völlig unerklärlich. Es ist erfrischend und inspirierend, ihre gegenseitige Hingabe mit anzusehen. Die Sieben Hauptgeiste und die mit ihnen verbundenen Sieben Supremen Machtlenker sind respektive die persönlichen Gefäße des Verstandespotentials und des Machtpotentials des Supremen Wesens, die von diesem noch nicht persönlich gehandhabt werden. Und da diese Paradies-Wesen zusammenwirken, um die Serviten Havonas zu erschaffen, sind diese naturgemäß an gewissen Phasen der Suprematie beteiligt. Die Serviten Havonas sind deshalb in Wirklichkeit eine Rückspiegelung evolutionärer Potentialitäten des Zeit-Raum-Bereichs in das vollkommene Zentraluniversum, und all das wird offenbar, wenn ein Servit durch Verwandlung und Neuerschaffung geht. Wir glauben, dass diese Verwandlung als Antwort auf den Willen des Unendlichen Geistes geschieht, der zweifelsohne im Namen des Supremen handelt. Die Führer der Graduierten werden nicht durch das Supreme Wesen erschaffen, aber wir vermuten alle, dass die erfahrungsmäßige Gottheit in irgendeiner Verbindung zu den Vorgängen steht, die diese Wesen ins Dasein rufen. Das Havona, das die aufsteigenden Sterblichen jetzt durchlaufen, unterscheidet sich in vieler Hinsicht von dem Zentraluniversum, wie es sich vor Großfandas Zeiten darbot. Die Ankunft von sterblichen Aufsteigern auf den Kreisen Havonas rief radikalen Änderungen in der Organisation der zentralen und göttlichen Schöpfung, Änderungen, die ohne Zweifel vom Supremen Wesen - dem Gott der evolutionären Geschöpfe - ausgingen als Reaktion auf die Ankunft der ersten seiner erfahrungsmäßigen Kinder aus den sieben Superuniversen. Das Erscheinen der Führer der Graduierten, zusammen mit der Erschaffung der tertiären Supernaphim, ist ein Hinweis auf dieses Wirken des Supremen Gottes. [Dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber aus Uversa.] ****** Kapitel 25 Die Botschafterheere des Raums ****** IN der Familie des Unendlichen Geistes nehmen die Botschafterheere des Raums eine Mittelstellung ein. Diese vielbegabten Wesen wirken als Bindeglieder zwischen den höheren Persönlichkeiten und den dienenden Geisten. Die Botschafterheere umfassen die folgenden Ordnungen himmlischer Wesen: 1. Serviten Havonas. 2. Universelle Schlichter. 3. Technische Berater. 4. Archivverwalter des Paradieses. 5. Himmlische Chronisten. 6. Morontielle Gefährten. 7. Paradies-Gefährten. Von den sieben erwähnten Gruppen werden nur deren drei - Serviten, Schlichter und Morontielle Gefährten - als solche erschaffen; die übrigen vier stellen Vollbringungsebenen von Engelsordnungen dar. Gemäß ihrer angeborenen Natur und ihrem erreichten Status dienen die Botschafterheere unterschiedlich im Universum der Universen, jedoch immer unter der Leitung der Herrscher der Reiche, denen sie zugeteilt sind. ***** 25.1 Die Serviten Havonas ***** Obwohl Serviten genannt, sind diese "Mittler-Geschöpfe" des Zentraluniversums nicht Diener in irgendeinem niedrigen Sinne des Wortes. In der geistigen Welt gibt es nichts Derartiges wie niedrige Arbeit; jeder Dienst ist geheiligt und belebend; auch schauen die höheren Ordnungen von Wesen nicht auf die niedrigeren Existenzordnungen herab. Die Serviten Havonas sind das gemeinsame Schöpfungswerk der Sieben Hauptgeiste und ihrer Mitarbeiter, der Sieben Supremen Machtlenker. Diese schöpferische Zusammenarbeit kommt einem Urmuster für die lange Fortpflanzungsliste doppelten Charakters am nächsten, die von der Erschaffung eines Hellen Morgensterns aus der Verbindung Schöpfersohn-Schöpferischer Geist bis zu der sexuellen Zeugung auf Welten wie Urantia reicht. Die Zahl der Serviten ist ungeheuer, und es werden ihrer ständig weitere erschaffen. Sie erscheinen in Tausendergruppen im dritten Augenblick, nachdem sich die Hauptgeiste und die Supremen Machtlenker auf ihrem gemeinsamen Areal im weit nördlich gelegenen Paradies-Sektor versammelt haben. Jeder vierte Servit besitzt einen mehr physischen Typus als die anderen; das heißt, dass auf jedes Tausend deren siebenhundertfünfzig offensichtlich typische Vertreter der geistigen Art sind, während zweihundertfünfzig eine halbphysische Natur besitzen. Diese vierten Geschöpfe gehören so ziemlich zur Ordnung materieller Wesen (materiell im havonischen Sinn), indem sie mehr den materiellen Machtlenkern als den Hauptgeisten gleichen. In den Beziehungen zwischen Persönlichkeiten dominiert das Geistige gegenüber dem Materiellen, obwohl das heute auf Urantia nicht der Fall zu sein scheint; und bei der Erschaffung der Serviten Havonas herrscht das Gesetz der Dominanz des Geistes vor; das bestehende Verhältnis bringt auf ein halbphysisches Wesen drei geistige hervor. Die neu erschaffenen Serviten durchlaufen alle zusammen mit frisch erscheinenden Führern der Graduierten die Schulungskurse, welche die Senioren der Führer ständig auf jedem der Kreise Havonas leiten. Die Serviten werden darauf den Tätigkeitsfeldern zugeführt, für die sie die besten Voraussetzungen mitbringen, und da sie in zwei Typen existieren - dem geistigen und dem halbphysischen - gibt es kaum Grenzen für das Spektrum der Arbeit, die von diesen vielseitigen Wesen geleistet werden kann. Die höheren oder geistigen Gruppen werden selektiv den Diensten des Vaters, des Sohnes und des Geistes und der Arbeit der Sieben Hauptgeiste zugeteilt. In großer Zahl werden sie von Zeit zu Zeit ausgesandt, um auf den Studienwelten zu dienen, die die Hauptsphären der sieben Superuniversen umringen, auf den Welten, die sich der abschließenden Ausbildung und geistigen Kultur der aufsteigenden Seelen der Zeit in Vorbereitung auf ihre Beförderung nach den Kreisen Havonas widmen. Die geistigen Serviten ebenso wie ihre mehr physischen Gefährten werden auch zu Gehilfen und Mitarbeitern der Führer der Graduierten bestimmt, um den verschiedenen Ordnungen aufsteigender Geschöpfe, die Havona erreicht haben und danach streben, das Paradies zu erreichen, beizustehen und sie auszubilden. Die Serviten Havonas und die Führer der Graduierten zeigen eine transzendente Hingabe an ihre Aufgabe und eine rührende Zuneigung zueinander, eine Zuneigung, die ihr - obwohl geistiger Art - vielleicht nur verstehen könnt, wenn ihr sie mit dem Phänomen menschlicher Liebe vergleicht. Etwas göttlich Bewegendes liegt in der so oft eintretenden Trennung der Serviten von den Führern, wenn die Serviten in irgendwelcher Mission über die Grenzen des Zentral- universums hinaus abgesandt werden; aber sie gehen freudig und nicht betrübt. Die beglückende Freude hoher Pflichterfüllung ist das alles Übrige in den Schatten stellende Gefühl der geistigen Wesen. Es kann keine Betrübnis geben angesichts des Bewusstseins, treu die göttliche Pflicht zu erfüllen. Und wenn des Menschen aufsteigende Seele vor dem Höchsten Richter steht, wird die Entscheidung von ewiger Tragweite nicht durch materielle Erfolge oder quantitative Leistungen bestimmt; das Urteil, das durch die hohen Gerichtshöfe hallt, spricht: "Bravo, guter und getreuer Diener; du bist in wenigen wesentlichen Dingen treu gewesen; aus dir soll ein Herrscher über universelle Realitäten werden." Wenn die Serviten Havonas in den Superuniversen Dienst leisten, werden sie immer in jenem Teil beschäftigt, über den der Hauptgeist herrscht, dem sie hinsichtlich allgemeiner und besonderer geistiger Vorrechte am meisten gleichen. Sie dienen nur auf den die Kapitalen der sieben Superuniversen umringenden Erziehungswelten, und der letzte Bericht Uversas sagt aus, dass damals auf den 490 Satelliten fast 138 Milliarden Serviten wirkten. Sie übernehmen eine unendliche Vielfalt von Aufgaben im Zusammenhang mit der Arbeit auf diesen Erziehungswelten, die die höchsten Universitäten des Superuniversums von Orvonton beherbergen. Hier sind sie eure Gefährten; sie sind von dort herabgestiegen, wo sich eure nächste Laufbahn abspielen wird, um euch zu studieren und eure schließliche Promotion von den Universen der Zeit zu den Reichen der Ewigkeit in euch Realität und Gewissheit werden zu lassen. Dank diesen Kontakten machen die Serviten bei der Betreuung der aufsteigenden Geschöpfe der Zeit ihre erste Erfahrung, die ihnen bei ihrer späteren Arbeit auf den Kreisen Havonas so sehr zustatten kommen wird, wenn sie Mitarbeiter der Führer der Graduierten oder - als verwandelte Serviten - selber Führer der Graduierten geworden sind. ***** 25.2 Die Universellen Schlichter ***** Auf jeden erschaffenen Serviten Havonas werden sieben Universelle Schlichter ins Dasein gebracht, in jedem Superuniversum einer. Dieses schöpferische Geschehen setzt eine bestimmte superuniverselle Technik reflexiver Antwort auf Vorgänge dar, die sich im Paradies abspielen. Auf den Hauptwelten der sieben Superuniversen funktionieren die sieben Widerspiegelungen der Sieben Hauptgeiste. Es ist ein schwieriges Unterfangen, dem materiellen Verstand die Natur dieser Reflexiven Geiste zu beschreiben. Es sind echte Persönlichkeiten; indessen ist jedes Mitglied einer superuniversellen Gruppe eine vollkommene Widerspiegelung gerade nur eines der Sieben Hauptgeiste. Jedes Mal, wenn die Hauptgeiste sich mit den Machtlenkern vereinigen, um eine Gruppe von Serviten Havonas zu erschaffen, findet eine gleichzeitige Fokussierung auf einen der Reflexiven Geiste in jeder der Superuniversums-Gruppen statt, und augenblicklich erscheint auf den Hauptwelten der Superschöpfungen eine gleiche Zahl ausgewachsener Universeller Schlichter. Wenn zum Beispiel bei der Erschaffung der Serviten Hauptgeist Nummer Sieben die Initiative ergriffe, würden einzig die Reflexiven Geiste der siebenten Ordnung Schlichter hervorbringen; gleichzeitig mit der Erschaffung von eintausend Serviten der Art Orvontons würden in jeder Superuniversumskapitale eintausend Schlichter der siebenten Ordnung erscheinen. Aus diesen Schöpfungsepisoden, die die siebenfache Natur der Hauptgeiste widerspiegeln, gehen die sieben erschaffenen Ordnungen von Schlichtern hervor, die in jedem Superuniversum dienen. Schlichter mit vor-paradiesischem Status sind in ihrem Dienst zwischen den Superuniversen nicht austauschbar; sie sind auf die Schöpfungssegmente ihres Ursprungs beschränkt. Jedes den siebenten Teil jeder erschaffenen Ordnung umfassende Superuniversums-Korps verbringt deshalb eine sehr lange Zeit unter dem Einfluss eines einzigen Hauptgeistes unter Ausschluss der anderen, denn obwohl alle sieben auf die Superuniversumskapitalen reflektiert werden, ist doch in jeder Superschöpfung nur einer dominierend. Jede der sieben Superschöpfungen ist tatsächlich von dem über ihr Geschick waltenden Hauptgeist durchdrungen. Jedes Superuniversum wird so zu einem riesigen Spiegel, der Wesen und Charakter des lenkenden Hauptgeistes reflektiert, und all das setzt sich in den untergeordneten Lokaluniversen in der Gegenwart und Funktion der Schöpferischen Muttergeiste fort. Die Wirkung solch eines Umfeldes auf das evolutionäre Wachstum ist so tiefgreifend, dass die Schlichter in ihrer nach-superuniversellen Laufbahn kollektiv neunundvierzig evolutionäre Anschauungen oder Erkenntnisweisen manifestieren, von denen jede einen besonderen - und folglich unvollständigen - Blickwinkel vertritt, die sich aber alle gegenseitig ergänzen und gemeinsam annähernd den ganzen Kreis der Suprematie umfassen. In jedem Superuniversum finden sich die Universellen Schlichter auf merkwürdige, ihnen angeborene Weise in Vierergruppen gesondert, und in diesen Verbänden setzen sie ihren Dienst fort. In jeder Gruppe gibt es drei geistige Persönlichkeiten, während eine - wie die vierten Geschöpfe der Serviten - ein halbmaterielles Wesen ist. Dieses Quartett bildet eine Schlichtungskommission und setzt sich folgendermassen zusammen: 1. Der Richter-Schiedsrichter. Er wird von den anderen drei als der Kompetenteste und am besten Qualifizierte einstimmig zum richterlichen Oberhaupt der Gruppe bestimmt. 2. Der Geist-Anwalt. Er wird vom Richter-Schiedsrichter ernannt, um das Beweismaterial vorzulegen und die Rechte aller Persönlichkeiten zu wahren, die an der der Schlichtungskommission zur Aburteilung zugewiesenen Angelegenheit beteiligt sind. 3. Der Göttliche Vollzieher. Jener Schlichter, der von seiner Veranlagung her qualifiziert ist, mit den materiellen Wesen der Welten in Kontakt zu treten und die Entscheidungen der Kommission zu vollstrecken. Als vierte Geschöpfe - fast materielle Wesen - sind die göttlichen Vollzieher dem beschränkten Auge der sterblichen Rassen beinah, aber nicht ganz, sichtbar. 4. Der Protokollführer. Das übrig bleibende Kommissionsmitglied wird automatisch zum Protokollanten, zum Gerichtsschreiber. Er sorgt für die sorgfältige Zusammenstellung aller Dokumente zuhanden der Archive des Superuniversums und der Register der Lokaluniversen. Wenn die Kommission auf einer evolutionären Welt dient, wird unter Mitwirkung des Vollziehers ein dritter Bericht für die materiellen Register der zuständigen Systemregierung angefertigt. Wenn die Kommission tagt, funktioniert sie als Dreiergruppe, da der Anwalt während der Urteilsfindung nicht dabei ist und erst am Schluss der Verhandlungen an der Formulierung des Urteils teilnimmt. Deshalb werden diese Kommissionen manchmal Schiedsrichtertrios genannt. Die Schlichter sind für die Aufrechterhaltung des ruhigen Laufs des Universums der Universen äußerst wertvoll. Den Raum wie die Seraphim mit dreifacher Geschwindigkeit durchquerend, dienen sie als reisende Gerichtshöfe der Welten, als Kommissionen, die sich ganz der raschen Beilegung kleinerer Konflikte widmen. Gäbe es diese beweglichen und höchst fairen Kommissionen nicht, würden die Gerichtshöfe der Sphären mit den kleineren Misshelligkeiten der Welten hoffnungslos überschwemmt. Die Schiedsrichtertrios entscheiden nicht in Angelegenheiten von ewiger Bedeutung; die Seele, die ewigen Aussichten eines Geschöpfes der Zeit, werden durch ihre Handlungen nie gefährdet. Die Schlichter befassen sich nicht mit Fragen, die über die zeitliche Existenz und das kosmische Wohlergehen der Geschöpfe der Zeit hinausgehen. Hat sich aber eine Kommission einmal bereit erklärt, einen Fall zu behandeln, dann ist ihr Urteil endgültig und immer einstimmig; gegen den Beschluss eines Richter-Schiedsrichters gibt es keine Berufung. ***** 25.3 Der weitreichende Dienst der Schlichter ***** Die Schlichter unterhalten ein Gruppenhauptquartier in der Kapitale ihres Superuniversums, wo sich ihr primäres Reservekorps befindet. Ihre sekundären Reserven sind in den Kapitalen der Lokaluniversen stationiert. Die jüngeren und weniger erfahrenen Kommissionsmitglieder beginnen ihren Dienst auf den tieferstehenden Welten, auf Welten wie Urantia, und werden, nachdem sie reifere Erfahrung gesammelt haben, zur Beilegung bedeutenderer Fälle befördert. Die Ordnung der Schlichter ist gänzlich zuverlässig; nicht einer ist je auf Abwege geraten. Obwohl ihre Weisheit und ihr Urteil nicht unfehlbar sind, sind sie von unbestrittener Verlässlichkeit und unfehlbarer Treue. Sie haben ihren Ursprung auf der Hauptwelt eines Superuniversums und kehren schließlich wieder dahin zurück, indem sie über die folgenden Stufen universellen Dienstes aufrücken: 1. Schlichter für die Welten. Immer, wenn die überwachenden Persönlichkeiten der einzelnen Welten hinsichtlich des richtigen Vorgehens in einer gegebenen Situation völlig ratlos oder wirklich an einem toten Punkt angelangt sind und die Angelegenheit nicht bedeutend genug ist, um vor die regulär gebildeten Gerichte des Reichs gebracht zu werden, wird eine Schlichtungskommission unverzüglich ihre Arbeit aufnehmen, nachdem sie von zwei Persönlichkeiten, einer von jeder Streitpartei, ein entsprechendes Gesuch erhalten hat. Sind diese administrativen und juristischen Probleme einmal den Schlichtern zu Studium und Urteilsfindung übergeben worden, haben sie höchste Autorität. Aber sie werden solange kein Urteil fällen, als nicht alle Zeugnisse angehört worden sind, und ihrer Befugnis, Zeugen von absolut überallher anzufordern, sind überhaupt keine Grenzen gesetzt. Zwar können ihre Urteile nicht angefochten werden; aber manchmal entwickeln sich die Angelegenheiten in einer Weise, dass die Kommission ihre Bestandesaufnahme an einem bestimmten Punkt abbricht, ihre Schlussfolgerungen bekannt gibt und die ganze Frage an die höheren Gerichte des Reichs weiterleitet. Die Entscheide der Kommissionsmitglieder gehen in die planetarischen Annalen ein und werden wenn nötig durch den Göttlichen Vollzieher ausgeführt. Seine Macht ist sehr groß, und seine Aktivitäten auf einer bewohnten Welt sind sehr breit gefächert. Die Göttlichen Vollzieher handhaben alles meisterhaft, was im Interesse dessen liegt, was sein sollte. Ihr Tun geschieht manchmal zum offensichtlichen Wohl einer Welt, aber manchmal sind ihre Handlungen auf den Welten von Zeit und Raum schwer zu erklären. Bei der Ausführung der Erlasse handeln sie nicht wider die Naturgesetze oder die in einer Welt geltenden Bräuche, aber oft gehorchen ihr seltsames Tun und ihr Vollzug der Schlichter-Befehle den höheren Gesetzen der Systemverwaltung. 2. Schlichter für die System-Hauptsitze. Nach ihrem Wirken auf den evolutionären Welten werden die Viererkommissionen zum Dienst am Hauptsitz eines Systems befördert. Hier erwartet sie viel Arbeit, und sie erweisen sich als verstehende Freunde von Menschen, Engeln und anderen Geistwesen. Die Schiedsrichtertrios beschäftigen sich weniger mit persönlichen Differenzen als mit Gruppenstreitigkeiten und mit Missverständnissen, die zwischen verschiedenen Geschöpfesordnungen auftreten; denn auf einer Systemhauptwelt leben sowohl geistige als auch materielle Wesen neben gemischten Typen wie den Materiellen Söhnen. Vom Augenblick an, da die Schöpfer sich entwickelnde, mit der Macht der Wahl ausgestattete Einzelwesen ins Dasein bringen, ist es mit dem glatten Arbeiten göttlicher Vollkommenheit vorbei; mit Sicherheit werden sich Missverständnisse einstellen, und es muss für eine faire Angleichung dieser gegensätzlichen ehrlichen Sichtweisen gesorgt werden. Wir sollten stets alle daran denken, dass die allweisen und allmächtigen Schöpfer die Lokaluniversen gerade so vollkommen wie Havona hätten erschaffen können. Im Zentraluniversum brauchen keine Schlichtungskommissionen zu arbeiten. Aber in ihrer Allweisheit entschieden sich die Schöpfer dafür, es nicht so zu machen. Und während sie einerseits Universen erschaffen haben, in denen es Unterschiede in Fülle gibt und von Schwierigkeiten nur so wimmelt, haben sie andererseits auch für Mechanismen und Mittel gesorgt, um all diese Differenzen zu schlichten und diese ganze scheinbare Konfusion zu harmonisieren. 3. Die Schlichter der Konstellationen. Vom Dienst in den Systemen werden die Schlichter promoviert, um in den Streitfällen einer Konstellation Recht zu sprechen, wobei sie sich mit den geringfügigeren Schwierigkeiten befassen, die sich zwischen den einhundert Systemen bewohnter Welten einstellen. Nicht viele der sich auf einer Konstellationshauptwelt ergebenden Probleme fallen in ihren Zuständigkeitsbereich, aber sie sind vollauf damit beschäftigt, von System zu System zu gehen, um Beweismaterial zu sammeln und vorbereitende Berichte zu erstellen. Wenn der Streitfall ehrlicher Art ist, wenn die Schwierigkeiten ehrlichen Meinungsverschiedenheiten und aufrichtigen gegensätzlichen Standpunkten entspringen, kann man immer eine Schlichtungskommission erhalten, damit sie mit ihrem Urteil auf den Grund der Kontroverse gehe, ganz gleichgültig, wie wenig Personen daran beteiligt sind oder wie offensichtlich unbedeutend das Missverständnis ist. 4. Schlichter für die Lokaluniversen. Eine große Hilfe in der umfassenderen Arbeit eines Universums sind die Kommissionsmitglieder den Melchisedeks und den Richtersöhnen sowie den Lenkern der Konstellationen und den Heerscharen von Persönlichkeiten, die mit der Koordinierung und Verwaltung der einhundert Konstellationen betraut sind. Auch die verschiedenen Ordnungen von Seraphim und andere Bewohner der Hauptsitzsphären eines Lokaluniversums machen sich die Hilfe und Entscheidungen der Schiedsrichtertrios zunutze. Es ist fast unmöglich, die Natur der Meinungsverschiedenheiten zu erklären, die in den Einzelheiten der Angelegenheiten eines Systems, einer Konstellation oder eines Universums auftreten können. Tatsächlich ergeben sich Schwierigkeiten, aber sie sind sehr verschieden von den unbedeutenden Prozessen und Plackereien der auf den evolutionären Welten gelebten materiellen Existenz. 5. Schlichter für die Kleinen Sektoren des Superuniversums. Nach der Auseinandersetzung mit den Problemen eines Lokaluniversums werden die Kommissionsmitglieder zum Studium von Streitfällen befördert, die in den Kleinen Sektoren ihres Superuniversums auftreten. Je weiter sich die Schlichter von den individuellen Planeten nach oben und innen begeben, umso mehr verringern sich die materiellen Aufgaben des Göttlichen Vollziehers; schrittweise übernimmt er die neue Rolle eines Interpreten von Barmherzigkeit-Gerechtigkeit, und gleichzeitig behält er - als beinah materielles Wesen - die Kommission als Ganzes in einfühlsamer Berührung mit den materiellen Aspekten ihrer Untersuchungen. 6. Schlichter für die Großen Sektoren des Superuniversums. Der Charakter der Arbeit der Kommissions-Mitglieder fährt fort, sich mit ihrem Vorwärtskommen zu verändern. Es gilt immer weniger Missverständnisse gerichtlich beizulegen und immer mehr geheimnisvolle Phänomene zu erklären und zu deuten. Von Stufe zu Stufe entwickeln sie sich von Schiedsrichtern bei Meinungsdifferenzen zu Erklärern von Mysterien - werden sie aus Richtern zu interpretierenden Lehrern. Einst waren sie Schiedsrichter zwischen solchen, die aus Unwissenheit die Entstehung von Schwierigkeiten und Missverständnissen zulassen; aber jetzt werden sie zu Lehrern von solchen, die intelligent und tolerant genug sind, um den Zusammenprall von Gesinnungen und Meinungskämpfe zu vermeiden. Je höher die Erziehung eines Geschöpfes, umso mehr Respekt bezeigt es dem Wissen, der Erfahrung und den Ansichten anderer. 7. Schlichter für das Superuniversum. Dort gelangen die Schlichter zur Koordination - werden zu vier einander völlig verstehenden, vollkommen arbeitenden Schiedsrichter-Lehrern. Der Göttliche Vollzieher verliert seine bestrafende Gewalt und wird zur physischen Stimme des geistigen Trios. Unterdessen sind diese Ratgeber und Lehrer mit den meisten der wirklichen Probleme und Schwierigkeiten, denen man bei der Leitung der superuniversellen Angelegenheiten begegnet, gründlich vertraut geworden. Dadurch werden sie zu wunderbaren Beratern und weisen Lehrern der aufsteigenden Pilger, die ihren Wohnsitz auf den die Hauptsitzwelten der Superuniversen umringenden Erziehungssphären haben. Alle Schlichter dienen unter der allgemeinen Oberaufsicht der Ältesten der Tage und unter der unmittelbaren Leitung der Bild-Helfer, bis die Zeit kommt, da sie ins Paradies vorrücken dürfen. Während ihres Paradies-Aufenthaltes sind sie dem Hauptgeist, der dem Superuniversum ihres Ursprungs vorsteht, unterstellt. In den Registern eines Superuniversums sind all jene Schlichter nicht aufgeführt, die seinen Zuständigkeitsbereich verlassen haben, und solche Kommissionen sind weit über das ganze Große Universum verstreut. Das zuletzt auf Uversa veröffentlichte Verzeichnis gibt die Zahl der in Orvonton wirkenden Kommissionen mit fast achtzehn Billionen - über siebzig Billionen Einzelwesen - an. Aber diese stellen nur einen sehr kleinen Bruchteil der Schlichterscharen dar, die in Orvonton erschaffen worden sind; deren Zahl ist von einer ganz anderen Größenordnung und stimmt mit der Gesamtzahl der Serviten Havonas überein, wenn man von deren Umwandlung in Führer der Graduierten absieht. Im selben Maße, wie die Zahl der Superuniversums-Schlichter zunimmt, werden sie von Zeit zu Zeit ins Paradies zum Rat der Vollkommenheit übergesetzt, aus dem sie später als das vom Unendlichen Geist für das Universum der Universen entwickelte koordinierende Korps hervorgehen, eine wunderbare Gruppe von Wesen, die an Zahl und Wirksamkeit ständig zunimmt. Durch erfahrungsmäßigen Aufstieg und Paradies-Schulung haben sie ein einzigartiges Erfassen der erwachenden Realität des Supremen Wesens erworben und durchschweifen das Universum der Universen in Erfüllung besonderer Aufträge. Die Mitglieder einer Schlichtungskommission werden nie voneinander getrennt. Eine solche Vierergruppe dient für immer gemeinsam in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung. Selbst in ihrem verherrlichten Dienst fahren sie fort, als Quartette mit angesammelter kosmischer Erfahrung und vervollkommneter erfahrungsmäßiger Weisheit zu wirken. Sie bleiben auf ewig miteinander verbunden als Verkörperung der höchsten Gerechtigkeit von Zeit und Raum. ***** 25.4 Die Technischen Berater ***** Diese juristischen und technischen Intelligenzen der geistigen Welt sind nicht als solche erschaffen worden. Den Reihen der frühen Supernaphim und Omniaphim entnahm der Unendliche Geist eine Million der methodischsten Denker als Kern dieser ungeheuer großen und vielseitigen Gruppe. Und seit dieser weit zurückliegenden Zeit ist bei allen, die Technische Berater werden möchten, stets wirkliche Erfahrung in der Anwendung der Gesetze der Vollkommenheit auf die Pläne der evolutionären Schöpfung vorausgesetzt worden. Die Technischen Berater rekrutieren sich aus den Reihen folgender Persönlichkeitsordnungen: 1. Supernaphim. 2. Sekonaphim. 3. Tertiaphim. 4. Omniaphim. 5. Seraphim. 6. Bestimmte Typen aufsteigender Sterblicher. 7. Bestimmte Typen aufsteigender Mittler. Wenn man all die Sterblichen und Mittler, die nur in einem vorübergehenden Dienstverhältnis stehen, nicht mitzählt, beträgt gegenwärtig die Zahl der auf Uversa registrierten und in Orvonton wirkenden Technischen Berater etwas über einundsechzig Billionen. Die Technischen Berater arbeiten oft einzeln, sind aber für den Dienst in Siebenergruppen organisiert und besitzen auf den ihnen zugewiesenen Welten zu siebt gemeinsame Hauptquartiere. In jeder Gruppe müssen zumindest ihrer fünf permanenten Status besitzen, während zwei nur vorübergehende Mitarbeiter sein können. Aufsteigende Sterbliche und aufsteigende Mittler-Geschöpfe dienen in diesen Beraterkommissionen während ihres Aufstiegs zum Paradies, aber sie treten nicht in die ordentlichen Kurse zur Ausbildung Technischer Berater ein, noch werden aus ihnen je Dauermitglieder dieser Ordnung. Die vorübergehend bei den Beratern dienenden Sterblichen und Mittler werden für diese Arbeit aufgrund ihrer Vertrautheit mit dem Konzept universellen Gesetzes und supremer Justiz ausgewählt. Während ihr eurem Paradies-Ziel zustrebt und euch immerfort neues Wissen und erhöhte Gewandtheit aneignet, bietet sich euch ständig Gelegenheit, die von euch bereits angehäufte Weisheit und Erfahrung an andere weiterzugeben; auf eurem ganzen Weg nach innen und havonawärts spielt ihr die Rolle eines Schüler-Lehrers. Ihr werdet euch euren Weg durch die aufsteigenden Ebenen dieser gewaltigen Erfahrungsuniversität dadurch bahnen, dass ihr an jene, die sich unmittelbar unter euch befinden, das neu entdeckte Wissen eures fortschreitenden Werdegangs weitergebt. Im universellen System betrachtet man euch nicht als im Besitz von Wissen und Wahrheit, solange ihr eure Fähigkeit und euren Willen nicht bewiesen habt, anderen dieses Wissen und diese Wahrheit zukommen zu lassen. Nach langer Ausbildung und effektiver Erfahrung ist es allen über den Cherubim stehenden dienenden Geisten erlaubt, zu ständigen Technischen Beratern zu werden. Alle Kandidaten treten freiwillig in diese Dienstordnung ein; aber wenn sie einmal eine solche Verantwortung übernommen haben, können sie sie nicht wieder abgeben. Nur die Ältesten der Tage können die Berater in andere Wirkungsfelder versetzen. Die Schulung der Technischen Berater, begonnen an den Melchisedek-Akademien der Lokaluniversen, wird an den Gerichtshöfen der Ältesten der Tage fortgesetzt. Nach dieser im Superuniversum empfangenen Ausbildung gehen sie weiter zu den auf den Pilotwelten der Kreise Havonas gelegenen "Schulen der sieben Kreise". Und von den Pilotwelten kommend werden sie in die "Akademie der Ethik des Gesetzes und der Technik der Suprematie" im Paradies, die Ausbildungsstätte für die Vervollkommnung der Technischen Berater, aufgenommen. Diese Berater sind mehr als juristische Experten; sie studieren und lehren das angewandte Gesetz, die Gesetze des Universums in ihrer Anwendung auf das Leben und die Bestimmung aller, die die weiten Reiche der riesigen Schöpfung bewohnen. Mit der Zeit werden sie zu den lebendigen Gesetzesbibliotheken von Zeit und Raum und kommen endlosen Wirrnissen und nutzlosen Verzögerungen zuvor, indem sie die Persönlichkeiten der Zeit mit jenen Formen und Arten des Vorgehens bekannt machen, welche die Gebieter der Ewigkeit am meisten befriedigen. Sie vermögen die Arbeiter des Raums so zu beraten, dass diese fähig werden, sich mit den Anforderungen des Paradieses zu harmonisieren; sie sind die Unterweiser aller Geschöpfe in der Technik der Schöpfer. Solch lebendige Bibliotheken angewandten Gesetzes könnten niemals erschaffen werden; derartige Wesen müssen sich dank tatsächlicher Erfahrung entwickeln. Die Unendlichen Gottheiten sind existentiell, was ihren Mangel an Erfahrung aufwiegt; sie wissen alles, noch ehe sie alles erfahren, aber sie teilen ihren untergeordneten Geschöpfen dieses nicht-erfahrungsmäßige Wissen nicht mit. Die Technischen Berater widmen sich dem Werk, Verzögerungen zu vermeiden, den Fortschritt zu erleichtern und mit ihrem Rat das Vollbringen zu fördern. Es gibt immer einen besten und richtigen Weg, etwas zu tun; es gibt immer die Technik der Vollkommenheit, eine göttliche Methode, und die Ratgeber wissen, wie sie uns alle anleiten müssen, damit wir diesen besseren Weg finden. Diese über alles weisen und praktischen Wesen stehen immer in enger Beziehung zum Dienst und Werk der Universellen Zensoren. Die Melchisedeks verfügen über ein fähiges Korps von ihnen. Die Lenker der Systeme, Konstellationen, Universen und Superuniversumssektoren sind alle reichlich mit diesen technischen oder juristischen Auskunftsintelligenzen der geistigen Welt versehen. Die Mitglieder einer besonderen Gruppe stehen den Lebensbringern als juristische Berater zur Seite; sie beraten diese Söhne hinsichtlich des Ausmaßes, in dem es ihnen erlaubt ist, sich von der bestehenden Ordnung der Fortpflanzung des Lebens zu entfernen, und instruieren sie im Übrigen bezüglich ihrer Vorrechte und des Spielraums ihrer Funktion. Sie sind die Berater aller Klassen von Wesen hinsichtlich der geeigneten Vorgehensweisen und Techniken bei allen Unternehmungen der geistigen Welt. Aber sie gehen nicht direkt und persönlich mit den materiellen Geschöpfen der Welten um. Neben ihrer Beratertätigkeit in gesetzeskonformen Praktiken widmen sich die Technischen Berater ebenfalls der wirksamen Interpretation aller Gesetze, die die Geschöpfeswesen - physische, mentale und geistige - betreffen. Sie stehen den Universellen Schlichtern und allen anderen zur Verfügung, die die Wahrheit des Gesetzes zu kennen oder, anders ausgedrückt, zu wissen wünschen, welche Reaktion man von der Suprematie der Gottheit in einer bestimmten Situation zu gewärtigen hat, die in sich Faktoren einer gegebenen physischen, mentalen und geistigen Ordnung vereinigt. Sie versuchen sogar, die Technik des Ultimen zu erhellen. Die Technischen Ratgeber sind ausgewählte und geprüfte Wesen; ich habe von keinem gehört, der je auf Abwege geraten wäre. In den Annalen Uversas findet sich nichts über Ratgeber, die wegen Missachtung der göttlichen Gesetze verurteilt worden wären, die sie so wirkungsvoll deuten und so beredt darlegen. Der Bereich ihres Dienstes kennt keine Grenzen, und ihrem Fortschritt sind keine gesetzt. Sie wirken als Berater sogar bis vor die Pforten des Paradieses; das ganze Universum von Gesetz und Erfahrung steht ihnen offen. ***** 25.5 Die Archivverwalter im Paradies ***** Aus den Reihen der tertiären Supernaphim in Havona werden bestimmte Senior-Hauptarchivisten als Archivverwalter ausgewählt, als Hüter der formellen Archive der Insel des Lichts. Diese Archive bilden einen Gegensatz zu den lebendigen Aufzeichnungen, die im Intellekt der Hüter des Wissens registriert sind, jener Wesen, die man manchmal als "lebendige Bibliothek des Paradieses" bezeichnet. Die Chronisten-Engel der bewohnten Planeten sind die Quelle aller individuellen Aufzeichnungen. Überall in den Universen sind andere Chronisten am Werk, die sowohl formelle als auch lebendige Aufzeichnungen machen. Von Urantia bis zum Paradies findet man beide Registrierungsarten: In einem Lokaluniversum gibt es mehr formelle und weniger lebendige Aufzeichnungen, im Paradies mehr lebendige und weniger formelle, und auf Uversa stehen sie zu gleichen Teilen zur Verfügung. Jedes bedeutungsvolle Geschehen in der organisierten und bewohnten Schöpfung wird festgehalten. Während Ereignisse von bloß lokaler Wichtigkeit nur lokal aufgezeichnet werden, wird mit den bedeutungsschwereren entsprechend verfahren. Aus den Planeten, Systemen und Konstellationen Nebadons wird alles, was für das Universum von Wichtigkeit ist, auf Salvington festgehalten; und aus den Universumskapitalen werden jene Episoden zur Aufzeichnung höher hinauf geleitet, welche die Angelegenheiten der Sektor- und Superregierungen betreffen. Auch das Paradies besitzt eine einschlägige Zusammenfassung von Daten aus den Superuniversen und Havona; und dieser historische und kumulative Bericht über das Universum der Universen befindet sich in der Obhut dieser verherrlichten tertiären Supernaphim. Zwar sind bestimmte dieser Wesen in die Superuniversen abbeordert worden, um als Leiter der Aufzeichnungen die Aktivitäten der Himmlischen Chronisten zu dirigieren, aber kein einziger ist je aus der ständigen Namensliste seiner Ordnung gestrichen worden. ***** 25.6 Die Himmlischen Chronisten ***** as sind die Chronisten, die alles zu Überliefernde im Doppel ausführen, indem sie davon eine originale geistige Registrierung und eine halbmaterielle Entsprechung - eine Art Durchschlag - machen. Dazu sind sie aufgrund ihrer besonderen Fähigkeit imstande, sowohl die geistige als auch die materielle Energie zu handhaben. Die Himmlischen Chronisten werden nicht als solche erschaffen; es sind aufsteigende Seraphim aus den Lokaluniversen. Sie werden auf den Hauptwelten der sieben Superuniversen von den Räten der Leiter der Aufzeichnungen angenommen, klassifiziert und ihren Wirkungsbereichen zugeteilt. Auf diesen Welten befinden sich auch die Schulen zur Ausbildung der Himmlischen Chronisten. Diejenige von Uversa wird von Vervollkommnern der Weisheit und Göttlichen Ratgebern geleitet. Während die Chronisten im Universumsdienst avancieren, setzen sie ihr System doppelter Registrierung fort, wobei sie ihre Aufzeichnungen stets allen Klassen von Wesen, von den Vertretern der materiellen Ordnungen bis zu den hohen Geisten des Lichts, zur Verfügung stellen. Wenn ihr von dieser materiellen Welt aufsteigt und dann eure Übergangserfahrung macht, könnt ihr die Chroniken immer über Geschichte und Traditionen der Sphäre eures Aufenthaltes befragen und euch mit ihnen vertraut machen. Die Chronisten sind ein geprüftes und erprobtes Korps. Nie habe ich vom Abfall eines himmlischen Chronisten gehört und nie ist in ihren Aufzeichnungen eine Fälschung entdeckt worden. Sie sind einer doppelten Inspektion unterworfen, indem ihre Aufzeichnungen von ihren hochrangigen Gefährten aus Uversa und den Mächtigen Botschaftern, welche die Richtigkeit der beinah-materiellen Doppel der ursprünglichen geistigen Registrierungen bescheinigen, genauestens überprüft werden. Während die avancierenden Chronisten, die auf den untergeordneten Registrierwelten der Universen Orvontons stationiert sind, in die Billionen und Aberbillionen gehen, beträgt die Zahl derer, die den Status Orvontons erreicht haben, nicht ganz acht Millionen. Diese Seniorchronisten mit abgeschlossener Ausbildung sind die superuniversellen Hüter und Weiterbeförderer der verbürgten Aufzeichnungen von Zeit und Raum. Ihr ständiges Hauptquartier befindet sich in den kreisförmigen Wohnstätten, die das Archivareal von Uversa umringen. Sie überlassen ihre Dokumente nie der Obhut anderer; sie können sich wohl einzeln wegbegeben, jedoch nie in großer Zahl. Gleich jenen Supernaphim, die Archivverwalter geworden sind, ist auch das Korps der Himmlischen Chronisten dauernd verpflichtet. Wenn Seraphim und Supernaphim einmal ihre Dienste angetreten haben, bleiben sie Himmlische Chronisten beziehungsweise Archivverwalter bis zu dem Tag der neuen und veränderten Verwaltung der vollen Personifizierung des Supremen Gottes. Auf Uversa können diese Senioren der Himmlischen Chronisten die Beschreibung jedes Geschehens von kosmischer Bedeutung in Orvonton seit den weit zurückliegenden Zeiten der Ankunft der Ältesten der Tage vorzeigen, während die Archivverwalter der ewigen Insel die Archive dieses Reiches hüten, die Zeugnis geben von dem, was sich im Paradies seit den Zeiten der Personifizierung des Unendlichen Geistes zugetragen hat. ***** 25.7 Die Morontiellen Gefährten ***** Diese Kinder der Muttergeiste der Lokaluniversen sind die Freunde und Gefährten aller, die das aufsteigende morontielle Dasein leben. Sie sind zur eigentlichen Bewältigung des Geschöpfesfortschritts eines Aufsteigers nicht unerlässlich, noch ersetzen sie in irgendeinem Sinne das Wirken der seraphischen Hüter, die oft ihre sterblichen Gefährten auf deren Reise zum Paradies begleiten. Die Morontiellen Gefährten sind ganz einfach all denen gütige Gastgeber, die gerade den langen Weg nach oben und innen beginnen. Sie sind auch begabte Förderer von Spieltätigkeiten und werden dabei von den Leitern der Rückschau geschickt unterstützt. Obwohl ihr auf den morontiellen Schulungswelten Nebadons ernste und von Mal zu Mal schwierigere Leistungen zu erbringen habt, werdet ihr auch in den Genuss von regelmäßigen Zeiten der Rast und Rückschau kommen. Auf der ganzen Reise zum Paradies wird es immer wieder Zeit für Ruhe und geistiges Spiel geben; und in der Laufbahn des Lichts und Lebens gibt es immer Zeit für Anbetung und neues Vollbringen. Die Morontiellen Gefährten sind so freundliche Weggenossen, dass ihr es wirklich bedauern werdet, dass diese kameradschaftlichen Geschöpfe euch nicht begleiten können, wenn ihr schließlich den letzten Abschnitt morontieller Erfahrung hinter euch lasst, bereit, euch auf das Geistabenteuer des Superuniversums einzulassen; aber sie dienen ausschließlich in den Lokal-universen. In jedem Stadium eurer aufsteigenden Laufbahn werden sich alle Persönlichkeiten, mit denen ihr in Kontakt treten könnt, als freundlich und kameradschaftlich erweisen, aber nie wieder, ehe ihr den Paradies-Gefährten begegnet, werdet ihr eine derart der Freundschaft und Kameradschaft hingegebene Gruppe finden. Das Wirken der Morontiellen Gefährten wird eingehender in jenen Schriften beschrieben, die von den Angelegenheiten eures Lokaluniversums handeln. ***** 25.8 Die Paradies-Gefährten ***** Die Paradies-Gefährten sind eine gemischte oder zusammengesetzte Gruppe, die sich aus den Reihen der Seraphim, Sekonaphim, Supernaphim und Omniaphim rekrutiert. Obwohl ihr Dienst Zeiträume umfasst, die ihr als außerordentlich lang betrachten würdet, besitzen sie keinen Dauerstatus. Wenn sie ihr Liebeswerk erfüllt haben, kehren sie in der Regel (aber nicht immer) an jene Aufgaben zurück, denen sie sich widmeten, als sie zum Dienst im Paradies aufgerufen wurden. Mitglieder der Engelscharen werden durch die Muttergeiste der Lokaluniversen, durch die Reflexiven Geiste der Superuniversen und durch Majeston im Paradies für diesen Dienst ernannt. Sie werden auf die zentrale Insel beordert und erhalten ihren Auftrag als Paradies-Gefährten von einem der Sieben Hauptgeiste. Dieser vorübergehende Dienst als Paradies-Gefährte ist, abgesehen vom Dauerstatus im Paradies, die höchste Ehre überhaupt, die dienenden Geisten widerfahren kann. Diese auserwählten Engel widmen sich dem Dienst der Kameradschaft und sind zu Begleitern von Wesen aller Klassen bestimmt, die sich allein im Paradies aufhalten, insbesondere der aufsteigenden Sterblichen, aber auch aller anderen, die allein auf der zentralen Insel weilen. Die Paradies-Gefährten haben für die, mit denen sie sich verbrüdern, nichts Besonderes zu erfüllen; sie sind ganz einfach Gefährten. Fast jedes andere Wesen, dem ihr während eures Paradies-Aufenthaltes - von euren Mit-Pilgern abgesehen - begegnet, wird etwas Bestimmtes mit euch oder für euch zu tun haben; aber diese Gefährten haben einzig den Auftrag, mit euch zu sein und als persönliche Freunde mit euch Austausch zu pflegen. Oft werden sie in ihrem Amt durch die huldvollen und glänzenden Paradies-Bürger unterstützt. Die Sterblichen entstammen sehr geselligen Rassen. Die Schöpfer wissen sehr wohl, dass es "für den Menschen nicht gut ist, allein zu sein", und deshalb ist für Kameradschaft gesorgt, selbst im Paradies. Wenn ihr als aufsteigende Sterbliche im Paradies in Gesellschaft des Gefährten oder engen Mitarbeiters eurer irdischen Laufbahn anlangen solltet, oder wenn etwa euer seraphischer Schicksalshüter mit euch eintreffen oder hier auf euch warten sollte, dann würde euch kein ständiger Begleiter zuteil werden. Wenn ihr aber allein ankommt, wird euch mit Bestimmtheit ein Gefährte willkommen heißen, sobald ihr auf der Insel des Lichts aus dem Endschlaf der Zeit aufwacht. Auch wenn bekannt ist, dass euch ein aufsteigender Mitarbeiter begleitet, werden Gefährten vorübergehend den Auftrag erhalten, euch an den ewigen Gestaden willkommen zu heißen und an den Ort zu geleiten, der für euren und eures Begleiters Empfang hergerichtet worden ist. Ihr könnt sicher sein, auf das Wärmste begrüßt zu werden, wenn ihr an der zeitlosen Küste des Paradieses die Auferstehung in der Ewigkeit erlebt. Die Gefährten für den Empfang werden während der letzten Tage bestimmt, welche die Aufsteiger auf dem letzten Kreis Havonas verbringen, und sie studieren eingehend die Aufzeichnungen über des Sterblichen Ursprung und bewegten Aufstieg durch die Welten des Raums und die Kreise Havonas. Wenn sie dann die Sterblichen der Zeit begrüßen, sind sie schon gut vertraut mit der Laufbahn der ankommenden Pilger und erweisen sich sogleich als sympathische und fesselnde Gefährten. Wenn ihr im Verlauf eures Paradies-Aufenthaltes als Vorfinalist aus irgendeinem Grunde zeitweilig von eurem sterblichen oder seraphischen Begleiter der aufsteigenden Laufbahn getrennt werden solltet, würde euch unverzüglich ein Paradies-Gefährte als Ratgeber und Kamerad beigegeben. Ist ein Gefährte einmal einem aufsteigenden Sterblichen zugeteilt, der sich allein im Paradies aufhält, dann bleibt er solange bei dieser Person, bis sie sich wieder mit ihrem aufsteigenden Begleiter vereinigt oder in aller Form in das Korps der Finalität aufgenommen wird. Die wartenden Paradies-Gefährten werden der Reihe nach zugeteilt, außer dass ein Aufsteiger nie einem Gefährten anvertraut wird, dessen Natur nicht mit seinem eigenen Superuniversumstyp übereinstimmt. Wenn heute ein Sterblicher Urantias im Paradies einträfe, würde ihm der erste wartende Gefährte zugeteilt, der entweder Orvonton entstammte oder anderswie die Natur des Siebenten Hauptgeistes besäße. Aus diesem Grunde dienen keine Omniaphim den aus den sieben Superuniversen aufsteigenden Geschöpfen. Die Paradies-Gefährten leisten noch viele andere Dienste: Angenommen, ein aufsteigender Sterblicher erreicht das Zentraluniversum allein und scheitert beim Durchlaufen Havonas in irgendeiner Phase des Gottheitsabenteuers, so wird man ihn zu gegebener Zeit in die Universen der Zeit zurücksenden, und unverzüglich wird an das Reservekorps der Paradies-Gefährten ein Appell ergehen und einer von dieser Ordnung den Auftrag erhalten, dem unterlegenen Pilger zu folgen, mit ihm zu sein, ihn zu trösten und aufzurichten und an seiner Seite zu bleiben bis zu seiner Rückkehr in das Zentraluniversum zur Wiederaufnahme seines Aufstiegs zum Paradies. Sollte ein aufsteigender Pilger im Gottheitsabenteuer eine Niederlage erleiden, während er in Gesellschaft eines aufsteigenden Seraphen, des Schutzengels seiner menschlichen Laufbahn, Havona durchquert, würde dieser beschließen, seinen sterblichen Gefährten zu begleiten. Diese Seraphim melden sich immer freiwillig und erhalten die Erlaubnis, ihre langjährigen sterblichen Kameraden zum Dienst in Zeit und Raum zurückzubegleiten. Aber anders verhält es sich mit zwei eng verbundenen sterblichen Aufsteigern: Wenn der eine Gott erreicht, während der andere vorübergehend scheitert, fasst der Erfolgreiche stets den Entschluss, mit der enttäuschten Persönlichkeit in die evolutionären Schöpfungen zurückzukehren, aber das ist nicht erlaubt. Hingegen ergeht ein Aufruf an die Reservisten der Paradies-Gefährten, und einer der Freiwilligen wird dazu auserwählt, den enttäuschten Pilger zu begleiten. Ein freiwilliger Paradies-Bürger wird daraufhin dem erfolgreichen Sterblichen beigegeben, der auf der zentralen Insel verweilt, hier der Rückkehr seines unterlegenen Kameraden nach Havona harrt und mittlerweile an bestimmten Paradies-Schulen lehrt, wo er die abenteuerliche Geschichte des evolutionären Aufstiegs schildert. [Dargeboten von Einem Mit Hoher Autorität Begabten aus Uversa.] ****** Kapitel 26 Die Dienenden Geiste des Zentraluniversums ****** DIE Supernaphim sind die dienenden Geiste des Paradieses und des Zentraluniversums; sie sind die höchste Ordnung der niedrigsten Gruppe der Kinder des Unendlichen Geistes - der Heerscharen der Engel. Solch dienenden Geisten begegnet man von der Paradies-Insel bis zu den Welten von Zeit und Raum. Kein größerer Bestandteil der organisierten und bewohnten Schöpfung ermangelt ihrer Dienste. ***** 26.1 Die Dienenden Geiste ***** Die Engel sind als dienende Geiste eng mit den evolutionären und aufsteigenden Willensgeschöpfen des ganzen Raums verbunden; aber sie sind auch die Kollegen und aktiven Mitarbeiter der höheren Heerscharen göttlicher Persönlichkeiten der Welten. Die Engel aller Ordnungen sind ausgesprochene Persönlichkeiten, und sie sind höchst individualisiert. Sie haben alle eine große Fähigkeit, das Wirken der Leiter der Rückschau zu würdigen. Wie die Botschafterheere des Raums genießen die dienenden Geiste Zeiten der Ruhe und Abwechslung; sie besitzen sehr gesellige Naturen und ihre assoziative Fähigkeit lässt jene menschlicher Wesen weit hinter sich. Die dienenden Geiste des Großen Universums werden in folgende Klassen eingeteilt: 1. Supernaphim. 2. Sekonaphim. 3. Tertiaphim. 4. Omniaphim. 5. Seraphim. 6. Cherubim und Sanobim. 7. Mittler-Geschöpfe. Die individuellen Mitglieder der Engelsordnungen besitzen nicht einen völlig unveränderlichen persönlichen Universumsstatus. Engel gewisser Ordnungen können für eine Zeitlang Paradies-Gefährten werden; einige werden Himmlische Chronisten; andere steigen zum Rang von Technischen Beratern auf. Gewisse Cherubim streben Status und Bestimmung der Seraphim an, während evolutionäre Seraphim die geistigen Ebenen der aufsteigenden Söhne Gottes erreichen können. Für diese Darstellung wurden die sieben Ordnungen dienender Geiste, soweit offenbart, nach denjenigen ihrer Funktionen gruppiert, die für die aufsteigenden Geschöpfe die größte Wichtigkeit haben: 1. Die Dienenden Geiste des Zentraluniversums. Die drei Ordnungen von Supernaphim dienen im System Paradies-Havona. Die primären oder Paradies-Supernaphim werden vom Unendlichen Geist erschaffen. Die sekundäre und die tertiäre Ordnung dienen in Havona; sie entspringen den Hauptgeisten beziehungsweise den Geisten der Kreise. 2. Die Dienenden Geiste der Superuniversen - die Sekonaphim, die Tertiaphim und die Omniaphim. Die Sekonaphim, die Kinder der Reflexiven Geiste, dienen in den sieben Superuniversen in verschiedener Eigenschaft. Die Tertiaphim, dem Unendlichen Geist entsprungen, widmen sich schließlich dem Verbindungsdienst zwischen den Schöpfersöhnen und den Ältesten der Tage. Die Omniaphim werden gemeinsam von dem Unendlichen Geist und den Sieben Supremen Vollziehern erschaffen, und sie dienen ausschließlich den letzteren. Die Besprechung dieser drei Ordnungen ist Gegenstand einer der nächsten Schriften dieser Serie. 3. Die Dienenden Geiste der Lokaluniversen umfassen die Seraphim und ihre Helfer, die Cherubim. Mit diesen Kindern des Muttergeistes eines Lokaluniversums haben die aufsteigenden Sterblichen ihren ersten Kontakt. Die auf den bewohnten Welten geborenen Mittler-Geschöpfe gehören nicht eigentlich den Engelsordnungen an, obwohl man sie oft funktionell den dienenden Geisten zurechnet. Ihre Geschichte und eine Schilderung der Seraphim und Cherubim finden sich in den Schriften, die von den Angelegenheiten eures Lokaluniversums handeln. Alle Engelsordnungen widmen sich den mannigfaltigen Universumsdiensten und dienen in der einen oder anderen Weise den höheren Ordnungen himmlischer Wesen; aber es sind die Supernaphim, Sekonaphim und Seraphim, die in großer Zahl zur Förderung des aufsteigenden Planes zunehmender Vollkommenheit der Kinder der Zeit eingesetzt werden. Sie arbeiten im Zentraluniversum, in den Super- und Lokaluniversen und bilden die ununterbrochene Kette geistiger Diener, die der Unendliche Geist für all jene als Helfer und Führer bereitgestellt hat, die danach trachten, über den Ewigen Sohn den Universalen Vater zu erreichen. Die Supernaphim sind in "geistiger Polarität" nur hinsichtlich einer einzigen Aktionsphase begrenzt, nämlich in Bezug auf den Universalen Vater. Sie können einzeln arbeiten, außer wenn sie direkt die ausschließlichen Kreisläufe des Vaters benutzen. Zum Empfang von Macht über des Vaters direkten Dienst müssen sich die Supernaphim freiwillig zu Paaren zusammenschließen, um funktionsfähig zu sein. Die Sekonaphim sind auf dieselbe Weise beschränkt und müssen zusätzlich in Paaren arbeiten, um sich mit den Kreisen des Ewigen Sohnes zu synchronisieren. Die Seraphim können einzeln als getrennte und lokalisierte Persönlichkeiten arbeiten, aber sie vermögen sich nur dann in einen Kreis einzuschalten, wenn sie als Verbindungspaare polarisiert sind. Wenn solche Geistwesen in Paaren zusammengeschlossen sind, sagt man, das eine sei komplementär zum anderen. Komplementäre Beziehungen können vorübergehender Natur sein; sie sind nicht notwendigerweise von Dauer. Diese strahlenden Lichtgeschöpfe ernähren sich direkt durch Aufnahme von geistiger Energie aus den primären Universumskreisläufen. Die Sterblichen Urantias müssen die Lichtenergie über ihre pflanzliche Materialisierung erhalten, aber die Engelscharen sind in die Kreisläufe eingeschaltet; sie "haben Nahrung, die ihr nicht kennt". Sie haben auch zu den zirkulierenden Unterweisungen der wunderbaren Lehrer-Söhne der Trinität Zugang; sie können Wissen empfangen und Weisheit auf eine Art aufnehmen, die stark ihrer Technik der Absorption der Lebensenergien gleicht. ***** 26.2 Die Mächtigen Supernaphim ***** Die Supernaphim sind die gewandten Diener aller Typen von Wesen, die sich im Paradies und im Zentraluniversum aufhalten. Diese hohen Engel werden in drei großen Ordnungen erschaffen: in der primären, sekundären und tertiären. Die primären Supernaphim sind die ausschließlichen Abkömmlinge des Mit-Vollziehers. Sie lassen ihren Dienst etwa zu gleichen Teilen gewissen Gruppen von Paradies-Bürgern und dem stets wachsenden Korps der aufsteigenden Pilger zukommen. Diese Engel der ewigen Insel treiben die wesentliche Ausbildung beider Gruppen von Paradies-Bewohnern auf höchst wirksame Weise voran. Sie steuern viel Hilfreiches zum gegenseitigen Verständnis dieser beiden einzigartigen Ordnungen von Universumsgeschöpfen bei - deren eine den höchsten Typ göttlicher und vollkommener Willensgeschöpfe verkörpert, während die andere die vervollkommnete Entwicklung des niedrigsten Typs von Willensgeschöpfen des ganzen Universums der Universen darstellt. Das Wirken der primären Supernaphim ist so einzigartig und besonders, dass wir es in der folgenden Schrift getrennt betrachten werden. Die sekundären Supernaphim sind die Leiter der Angelegenheiten der aufsteigenden Wesen auf den sieben Kreisen Havonas. Eine andere ihrer Tätigkeiten ist ihr Beitrag an Erziehung und Ausbildung zahlreicher Ordnungen von Paradies-Bürgern, die sich während langer Zeitabschnitte auf den Weltenkreisen der zentralen Schöpfung aufhalten, aber mit diesem Aspekt ihres Dienstes dürfen wir uns nicht befassen. Es gibt sieben Typen dieser hohen Engel. Jeder entstammt einem der Sieben Hauptgeiste und ist in seinem Wesen entsprechend geprägt. Kollektiv erschaffen die Sieben Hauptgeiste viele verschiedene Gruppen einmaliger Wesen und Wesenheiten, wobei die individuellen Mitglieder jeder Ordnung in ihrer Natur vergleichsweise uniform sind. Aber wenn dieselben Sieben Geiste als individuelle Schöpfer wirken, sind die dabei entstehenden Ordnungen immer siebenfacher Natur; die Kinder jedes Hauptgeistes haben teil an der Natur ihres Schöpfers und sind von den anderen entsprechend verschieden. Einen solchen Ursprung haben die sekundären Supernaphim, und die Engel aller sieben erschaffenen Typen wirken auf allen Tätigkeitsfeldern, die ihrer ganzen Ordnung offen stehen, hauptsächlich auf den sieben Kreisen des zentralen göttlichen Universums. Jeder der sieben planetarischen Kreise Havonas wird direkt überwacht durch einen der Sieben Geiste der Kreise, die ihrerseits die gemeinsame - und deshalb uniforme - Schöpfung der Sieben Hauptgeiste sind. Obwohl der Natur des Dritten Zentralen Ursprungs teilhaftig, waren diese sieben ergänzenden Geiste Havonas kein Teil des ursprünglichen Universumsmodells. Sie traten erst nach der ursprünglichen (ewigen) Schöpfung in Funktion, aber lange vor den Zeiten Großfandas. Sie erschienen zweifelsfrei als eine schöpferische Antwort der Hauptgeiste auf das erwachende Vorhaben des Supremen Wesens, und man entdeckte ihr Wirken nach der Organisation des Großen Universums. Der Unendliche Geist und all seine schöpferischen Mitarbeiter scheinen als universelle Koordinatoren in reichem Maße die Gabe zu besitzen, in passender und schöpferischer Weise auf die gleichzeitigen Entwicklungen in den erfahrungsmäßigen Gottheiten und evolutionären Universen zu antworten. Die tertiären Supernaphim haben ihren Ursprung in den Sieben Geisten der Kreise. Jeder von diesen hat auf den getrennten Kreisen Havonas die vom Unendlichen Geist verliehene Macht, hohe superaphische dienende Geiste der dritten Ordnung in genügender Zahl zu erschaffen, um den Bedürfnissen des Zentraluniversums zu genügen. Während die Geiste der Kreise vor der Ankunft der Pilger der Zeit in Havona relativ wenige dieser Engelsdiener erschufen, hatten die Sieben Hauptgeiste vor der Landung Großfandas noch nicht einmal mit der Schöpfung der sekundären Supernaphim begonnen. Als die ältere der beiden Ordnungen werden wir deshalb zuerst die tertiären Supernaphim betrachten. ***** 26.3 Die Tertiären Supernaphim ***** Diese Diener der Sieben Hauptgeiste sind die Engel-Spezialisten der verschiedenen Kreise Havonas, und ihr Dienst kommt sowohl den aufsteigenden Pilgern der Zeit als auch den niedersteigenden Pilgern der Ewigkeit zugute. Auf der Milliarde Studienwelten der vollkommenen zentralen Schöpfung werden euch eure superaphischen Gefährten aller Ordnungen voll sichtbar sein. Dort werdet ihr alle im höchsten Sinne brüderliche und verstehende Wesen sein, die auf gegenseitiger Sympathie beruhenden Austausch pflegen. Ihr werdet auch die niedersteigenden Pilger voll erkennen und beglückenden brüderlichen Umgang mit diesen Paradies-Bürgern haben, welche die Kreise von innen nach außen durchlaufen, indem sie Havona auf der Pilotwelt des ersten Kreises betreten und sich nach außen auf den siebenten zu bewegen. Die aufsteigenden Pilger aus den sieben Superuniversen durchlaufen Havona in entgegengesetzter Richtung, indem sie es auf der Pilotwelt des siebenten Kreises betreten und dann nach innen weitergehen. Es gibt keine zeitliche Begrenzung für den Fortschritt der aufsteigenden Geschöpfe von Welt zu Welt und von Kreis zu Kreis, ebenso wenig wie die Aufenthaltsdauer auf den morontiellen Welten willkürlich festgelegt ist. Aber während entsprechend entwickelte Wesen vom Aufenthalt auf einer oder mehreren Schulungswelten des Lokaluniversums befreit werden können, kommt kein Pilger darum herum, alle sieben Havonakreise fortschreitender Vergeistigung zu durchlaufen. Das Korps tertiärer Supernaphim, dem hauptsächlich der Dienst an den Pilgern der Zeit obliegt, ist wie folgt eingeteilt: 1. Die Harmonieüberwacher. Es ist einleuchtend, dass es auch im vollkommenen Havona so etwas wie einen koordinierenden Einfluss geben muss, um bei dem ganzen Unternehmen der Vorbereitung der Pilger der Zeit auf ihr späteres Vollbringen im Paradies eine Einheit aufrechtzuerhalten und Harmonie zu gewährleisten. Gerade das ist die wahre Mission der Harmonieüberwacher - dafür zu sorgen, dass alles glatt und zügig vor sich geht. Sie entstammen dem ersten Kreis, dienen aber in ganz Havona, und ihre Gegenwart auf den Kreisen bedeutet, dass unmöglich etwas schiefgehen kann. Ein großes Geschick bei der Koordination einer Vielzahl von Aktivitäten, an denen Persönlichkeiten verschiedener Ordnungen - und sogar zahlreicher Ebenen - beteiligt sind, befähigt diese Supernaphim zur Hilfeleistung, wo und wann immer benötigt. Sie tragen enorm viel zum gegenseitigen Verständnis der Pilger der Zeit und der Pilger der Ewigkeit bei. 2. Die Hauptchronisten. Diese Engel werden auf dem zweiten Kreis erschaffen, wirken aber überall im Zentraluniversum. Sie machen Aufzeichnungen in dreifacher Ausführung , nämlich für die Tatsachenkarteien Havonas, für die geistigen Karteien ihrer Ordnung und für die offiziellen Annalen des Paradieses. Zusätzlich übermitteln sie automatisch Geschehnisse, die für wahres Wissen von Bedeutung sind, an die lebendigen Bibliotheken des Paradieses, die Hüter des Wissens der primären Ordnung der Supernaphim. 3. Die Übermittler. Die Kinder des dritten Geistes der Kreise wirken überall in Havona, aber ihr offizieller Sitz befindet sich auf Planet Nummer siebzig im äußeren Kreis. Diese Meistertechniker sind die Empfänger und Sender der Fernmeldungen der zentralen Schöpfung und die Leiter der Raumberichte über alle Gottheitsphänomene des Paradieses. Sie können alle fundamentalen Kreisläufe des Raums handhaben. 4. Die Botschafter entstammen dem Kreis Nummer vier. Sie durcheilen das Paradies-Havona-System als Überbringer all jener Botschaften, die eine persönliche Beförderung erheischen. Sie dienen ihren Mitengeln, den himmlischen Persönlichkeiten, den Paradies-Pilgern und selbst den aufsteigenden Seelen der Zeit. 5. Die Intelligenzkoordinatoren. Diese tertiären Supernaphim, die Kinder des fünften Geistes der Kreise, sind immer die weisen und mitfühlenden Förderer des brüderlichen Zusammenlebens zwischen den auf- und niedersteigenden Pilgern. Sie dienen allen Bewohnern Havonas und insbesondere den Aufsteigern, indem sie sie regelmäßig über die Angelegenheiten des Universums der Universen auf dem Laufenden halten. Durch persönlichen Kontakt mit Übermittlern und Reflektoren sind diese "lebendigen Zeitungen" Havonas augenblicklich mit allen Informationen vertraut, die über die ausgedehnten Nachrichtenkreise des Zentraluniversums laufen. Sie halten die Nachrichten mit der graphischen Methode Havonas fest, die sie in die Lage versetzt, in einer Stunde urantianischer Zeit eine Informationsmenge aufzunehmen, für die eure schnellste telegraphische Technik tausend Jahre benötigen würde. 6. Die Transportpersönlichkeiten. Diese dem Kreis Nummer sechs entstammenden Wesen wirken normalerweise von dem im äußeren Kreis gelegenen Planeten Nummer vierzig aus. Sie sind es, die jene enttäuschten Kandidaten wegbringen, die beim Gottheitsabenteuer vorübergehend gescheitert sind. Sie halten sich stets bereit, all jenen zu dienen, die im Dienste Havonas kommen und gehen müssen und selber keine Raumdurchquerer sind. 7. Das Reservekorps. Die Fluktuationen in der Arbeit mit den aufsteigenden Wesen, den Paradies-Pilgern und anderen sich in Havona aufhaltenden Wesensordnungen machen es nötig, diese Reserven von Supernaphim auf der Pilotwelt des siebenten Kreises, dem sie entstammen, aufrechtzuerhalten. Sie werden zu keinem besonderen Zweck erschaffen und sind befähigt, die weniger anspruchsvollen Phasen sämtlicher Aufgaben ihrer superaphischen Gefährten der tertiären Ordnung zu übernehmen. ***** 26.4 Die Sekundären Supernaphim ***** Die sekundären Supernaphim dienen auf den sieben planetarischen Kreisen des Zentraluniversums. Ein Teil widmet sich dem Dienst an den Pilgern der Zeit, und die Hälfte der ganzen Ordnung obliegt der Ausbildung der Paradies-Pilger der Ewigkeit. Diese Paradies-Bürger werden auf ihrer Pilgerreise durch die Kreise Havonas auch von Freiwilligen aus dem Finalitätskorps der Sterblichen begleitet, eine Einrichtung, die seit der Vervollständigung der ersten Finalistengruppe besteht. Gemäß ihrer periodischen Zuteilung zum Dienst an den aufsteigenden Pilgern arbeiten die sekundären Supernaphim in den folgenden sieben Gruppen: 1. Helfer der Pilger. 2. Führer zur Suprematie. 3. Führer zur Trinität. 4. Auffinder des Sohnes. 5. Führer zum Vater. 6. Ratgeber und Beistände. 7. Vollender der Ruhe. Jede dieser Arbeitsgruppen enthält Engel aller sieben erschaffenen Typen, und ein Raumpilger wird stets durch einen sekundären Supernaphen unterwiesen, der dem über das heimatliche Superuniversum dieses Pilgers herrschenden Haupt-geist entstammt. Wenn ihr Sterblichen Urantias Havona erreicht, werdet ihr mit Bestimmtheit durch Supernaphim geführt werden, deren erschaffene Naturen - wie eure eigenen entwickelten Naturen - aus dem Hauptgeist von Orvonton hervorgegangen sind. Und da eure Vormunde dem Hauptgeist eures eigenen Superuniversums entstammen, sind sie ganz besonders qualifiziert, euch bei all euren Anstrengungen, Paradies-Vollkommenheit zu erreichen, zu verstehen, zu bestärken und zu helfen. Die Pilger der Zeit werden von den Transportpersönlichkeiten der primären Ordnung der Sekonaphim, die von den Hauptwelten der sieben Superuniversen aus operieren, an den dunklen Gravitationskörpern Havonas vorbei auf den äußeren Planetenkreis Havonas gebracht. Die Mehrzahl der Seraphim des planetarischen und lokaluniversellen Dienstes, die zum Aufstieg zum Paradies autorisiert worden sind, aber nicht alle, trennen sich vor dem langen Flug nach Havona von ihren sterblichen Gefährten und beginnen sofort mit einer langen und intensiven Schulung für ihre himmlische Verwendung in der Erwartung, als Seraphim Vollkommenheit der Existenz und Suprematie des Dienstes zu erreichen. Und sie hoffen dabei, sich wieder mit den Pilgern der Zeit zu vereinigen und zu denen zu zählen, die für immer den Sterblichen folgen, die den Universalen Vater erreicht haben und dem nicht offenbarten Dienst im Korps der Finalität zugeteilt worden sind. Der Pilger landet auf dem Empfangsplaneten Havonas, auf der Pilotwelt des siebenten Kreises, nur im Besitze einer einzigen Vollkommenheit, der Vollkommenheit des Vorsatzes. Der Universale Vater hat die Losung ausgegeben: "Seid vollkommen, wie ich vollkommen bin." Das ist die den endlichen Kindern der Welten des Raums übermittelte, erstaunliche Aufforderung und Einladung. Der Erlass dieses Befehls hat die gesamte Schöpfung in Bewegung gesetzt und die gemeinsame Entschlossenheit der himmlischen Wesen ausgelöst, dabei mitzuhelfen, die Erfüllung und Verwirklichung dieses ungeheuren Gebots des Ersten Großen Zentralen Ursprungs herbeizuführen. Wenn ihr dank dem Wirken aller Helferscharen, die am universalen Fortlebensplan mitarbeiten, letzten Endes auf der Empfangswelt Havonas abgesetzt werdet, kommt ihr nur mit einer einzigen Art Vollkommenheit an - mit der Vollkommenheit des Vorsatzes. Ihr habt eure Entschlossenheit zur Genüge bewiesen; euer Glaube ist auf die Probe gestellt worden. Man weiß von euch, dass ihr gegen Enttäuschungen gefeit seid. Nicht einmal das Versagen beim Bemühen, den Universalen Vater zu erkennen, kann den Glauben eines aufsteigenden Sterblichen erschüttern oder seinem Vertrauen ernstlich etwas anhaben, nachdem er durch die Erfahrung gegangen ist, die alle durchmachen müssen, um die vollkommenen Sphären Havonas zu erreichen. Bis zu der Zeit, da ihr nach Havona gelangt, ist eure Aufrichtigkeit sublim geworden. Vollkommenheit des Vorsatzes und Göttlichkeit der Sehnsucht, gepaart mit einem unentwegten Glauben, haben euch den Zutritt zu den unverrückbaren Wohnungen der Ewigkeit verschafft; eure Befreiung von den Ungewissheiten der Zeit ist vollständig; und nun müsst ihr den Problemen Havonas und den Unermesslichkeiten des Paradieses gegenübertreten, all dem begegnen, auf was hin ihr in den erfahrungsmäßigen Epochen der Zeit auf den Ausbildungswelten des Raums so lange geschult worden seid. Ihr Glaube hat den aufsteigenden Pilgern eine Vollkommenheit des Vorsatzes eingebracht, die diesen Kindern der Zeit die Pforten der Ewigkeit öffnet. Nun müssen die Helfer der Pilger damit beginnen, in ihnen jene Vollkommenheit des Verständnisses und jene Technik des Erfassens zu entwickeln, die zur Paradies-Vollkommenheit der Persönlichkeit so unerlässlich sind. Die Fähigkeit zu begreifen ist des Sterblichen Reisepass zum Paradies. Die Bereitschaft zu glauben ist der Schlüssel zu Havona. Die Bejahung der Sohnschaft - die Zusammenarbeit mit dem innewohnenden Justierer - ist der Preis für das evolutionäre Fortleben. ***** 26.5 Die Helfer der Pilger ***** Die erste der sieben Gruppen sekundärer Supernaphim, der die Neuankömmlinge begegnen, sind die Helfer der Pilger, jene mit raschem Verstehen und großer Sympathie begabten Wesen, die die vielgereisten Aufsteiger des Raums auf den stabilisierten Welten und im fest gefügten System des Zentraluniversums willkommen heißen. Gleichzeitig nehmen diese hohen Diener auch ihre Arbeit für die aus dem Paradies kommenden Pilger der Ewigkeit auf, deren erster in demselben Augenblick auf der Pilotwelt des inneren Kreises Havonas eintraf, als Großfanda auf der Pilotwelt des äußeren Kreises landete. In jenen weit zurückliegenden Tagen begegneten die Pilger aus dem Paradies und die Pilger der Zeit einander zum ersten Mal auf der Empfangswelt des Kreises Nummer vier. ie Helfer der Pilger, die auf dem siebenten Kreis der Welten Havonas wirken, führen ihre Ausbildung der aufsteigenden Sterblichen in drei Hauptabteilungen durch: Deren erste ist das supreme Verständnis der Paradies-Trinität; die zweite das geistige Erfassen der Vater-Sohn-Partnerschaft und die dritte die intellektuelle Erkenntnis des Unendlichen Geistes. Jede dieser Ausbildungsphasen ist unterteilt in sieben Zweige zu je zwölf kleineren Abteilungen zu je siebzig Untergruppen; und jede dieser Untergruppen der Ausbildung wird in eintausend Klassifikationen dargeboten. Für eingehendere Ausbildung wird auf den späteren Kreisen gesorgt, aber in Umrissen wird jede Erfordernis des Paradieses von den Helfern der Pilger gelehrt. Solcherart also ist dieser erste oder Einführungskurs, der die in ihrem Glauben geprüften und vielgereisten Raumpilger erwartet. Aber lange vor ihrer Ankunft auf Havona haben diese aufsteigenden Kinder der Zeit gelernt, sich im Ungewissen behaglich zu fühlen, sich an Enttäuschungen satt zu essen, über scheinbare Niederlagen zu frohlocken, in Gegenwart von Schwierigkeiten Kraft zu sammeln, im Angesicht der Unermesslichkeit unbezähmbaren Mut zu zeigen und einen unbesiegbaren Glauben zu beweisen, wenn die Herausforderung des Unerklärlichen an sie herantrat. Seit langem wurde zum Schlachtruf dieser Pilger: "In Verbindung mit Gott ist nichts - absolut nichts - unmöglich." Auf jedem der Kreise Havonas werden bestimmte Anforderungen an die Pilger der Zeit gestellt; und obwohl jeder Pilger weiterhin in der Obhut von Supernaphim bleibt, die von Natur aus die Fähigkeit besitzen, diesem bestimmten Typ aufsteigender Geschöpfe zu helfen, ist der zu meisternde Lehrgang für alle Aufsteiger, die das Zentraluniversum erreichen, so ziemlich derselbe. Dieser Kurs der Vollbringung ist quantitativ, qualitativ und erfahrungsmäßig - intellektuell, geistig und suprem. Die Zeit ist auf den Kreisen Havonas von untergeordneter Bedeutung. Sie übt wohl einen begrenzten Einfluss auf die Möglichkeiten der Beförderung aus, aber das Vollbringen ist der endgültige und höchste Test. Wenn der Augenblick gekommen ist, da euer superaphischer Gefährte euch für qualifiziert erachtet, nach innen zum nächsten Kreis weiterzugehen, werdet ihr vor die zwölf Mitarbeiter des siebenten Geistes der Kreise geführt. Hier wird man von euch verlangen, die Prüfungen des Kreises abzulegen, die durch euer heimatliches Superuniversum und das System eurer Geburt bestimmt werden. Das Erreichen der Göttlichkeit auf diesem Kreis findet auf der Pilotwelt statt und besteht in der geistigen Wahrnehmung und Erkenntnis des Hauptgeistes des Superuniversums des aufsteigenden Pilgers. Wenn die Arbeit auf dem äußeren Kreis Havonas abgeschlossen und der dargebotene Lehrgang gemeistert ist, bringen die Helfer der Pilger ihre Zöglinge auf die Pilotwelt des nächsten Kreises und vertrauen sie dort der Obhut der Führer zur Suprematie an. Die Helfer der Pilger bleiben immer noch eine Zeitlang mit ihnen zusammen, um zu einem angenehmen und nützlichen Übergang beizutragen. ***** 26.6 Die Führer zur Suprematie ***** Die Aufsteiger des Raums werden als "geistige Graduierte" bezeichnet, wenn sie vom siebenten zum sechsten Kreis gebracht und hier unmittelbar den Führern zur Suprematie unterstellt werden. Diese Führer sollten nicht mit den Führern der Graduierten verwechselt werden - die den Höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes angehören - und die im Verein mit den Serviten auf allen Kreisen Havonas sowohl auf- als auch niedersteigenden Pilgern dienen. Die Führer zur Suprematie wirken nur auf dem sechsten Kreis des Zentraluniversums. Auf diesem Kreis gelangen die Aufsteiger zu einem neuen Erfassen Supremer Göttlichkeit. Während ihres langen Werdegangs in den evolutionären Universen sind sich die Pilger der Zeit in wachsendem Maße der Realität einer allmächtigen höchsten Kontrolle der Zeit-Raum-Schöpfungen bewusst geworden. Hier, auf diesem Kreis Havonas, kommen sie der Begegnung mit dem zentraluniversellen Urquell der Zeit-Raum-Einheit nahe - der geistigen Realität des Supremen Gottes. Ich bin in einiger Verlegenheit, um zu erklären, was auf diesem Kreis geschieht. Die Aufsteiger können keine personifizierte Gegenwart der Suprematie feststellen. In gewisser Hinsicht machen neue Beziehungen mit dem Siebenten Hauptgeist diese Unmöglichkeit des Kontaktes mit dem Supremen Wesen wett. Aber ganz abgesehen von unserer Unfähigkeit, die angewandte Technik zu begreifen, scheint jedes aufsteigende Geschöpf ein verwandelndes Wachstum durchzumachen und eine neue Integration des Bewusstseins, eine neue Vergeistigung des Vorsatzes, ein neues Gespür für Göttlichkeit zu entwickeln, das man kaum befriedigend erklären kann, ohne die nicht offenbarte Aktivität des Supremen Wesens anzunehmen. All denen von uns, die diese geheimnisvollen Vorgänge beobachtet haben, will es scheinen, als schenke der Supreme Gott seinen Erfahrungskindern bis an ihre Grenzen erfahrungsmäßiger Empfänglichkeit liebevoll alles, was ihr intellektuelles Erfassen, ihre geistige Erkenntnis und das Format ihrer Persönlichkeit erweitert, Dinge, die sie in all ihrem Ringen um das Eindringen in die Göttlichkeitsebene der Trinität der Suprematie so nötig haben, um die ewigen und existentiellen Gottheiten des Paradieses zu erreichen. Wenn die Führer zur Suprematie ihre Schüler als beförderungsreif betrachten, führen sie sie vor die gemischte Kommission der Siebzig, die als Examinatoren auf der Pilotwelt von Kreis Nummer sechs dienen. Nachdem die Pilger diese Kommission hinsichtlich ihres Verständnisses des Supremen Wesens und der Trinität der Suprematie zufrieden gestellt haben, wird ihnen bescheinigt, dass sie auf den fünften Kreis weitergehen können. ***** 26.7 Die Führer zur Trinität ***** Die Führer zur Trinität sind die unermüdlichen Förderer der fortschreitenden Pilger von Zeit und Raum im fünften Zyklus ihrer havonischen Ausbildung. Die geistigen Graduierten werden hier als "Kandidaten für das Gottheitsabenteuer" bezeichnet, da die Pilger auf diesem Kreis und unter der Leitung der Führer zur Trinität eine fortgeschrittene Unterweisung bezüglich der göttlichen Trinität erhalten, um sich dadurch auf den Versuch vorzubereiten, die Persönlichkeit des Unendlichen Geistes zu erkennen. Und hier entdecken die aufsteigenden Pilger, was wahres Studium und wirkliche mentale Anstrengung bedeuten, wenn sie beginnen, sich des Wesens der noch anspruchsvolleren und weit schwierigeren geistigen Anspannung bewusst zu werden, die es braucht, um den Forderungen des hohen Ziels zu genügen, das ihrer Vervollkommnung auf den Welten dieses Kreises gesetzt ist. Die Führer zur Trinität sind äußerst verlässlich und wirksam; jedem Pilger wird die ungeteilte Zuwendung eines dieser Ordnung angehörenden sekundären Supernaphen zuteil, und er erfreut sich dessen ganzer Zuneigung. Nie würde ein Pilger der Zeit die erste erreichbare Person der Trinität ohne die Hilfe und den Beistand dieser Führer und des Heers geistiger Wesen finden, die sich allesamt der Aufgabe widmen, den Aufsteigern Wesen und Technik des bevorstehenden Gottheitsabenteuers zu erklären. Wenn der Ausbildungsgang auf diesem Kreis abgeschlossen ist, bringen die Führer zur Trinität ihre Schüler auf seine Pilotwelt und führen sie vor eine der vielen Dreierkommissionen, die als Examinatoren und Beglaubiger der Kandidaten für das Gottheitsabenteuer wirken. Diese Kommissionen bestehen aus je einem Vertreter der Finalisten, einem der Ordnung der primären Supernaphim angehörenden Unterweiser im Verhalten und entweder einem Einsamen Botschafter des Raums oder einem Trinitisierten Sohn des Paradieses. Wenn sich eine aufsteigende Seele tatsächlich nach dem Paradies aufmacht, wird sie nur von einer Transitdreiergruppe begleitet, die sich aus dem superaphischen Gefährten des Kreises, aus ihrem Führer der Graduierten und aus dem mit diesem verbundenen, stets gegenwärtigen Serviten zusammensetzt. Solche Ausflüge von den Kreisen Havonas nach dem Paradies sind Probefahrten; die Aufsteiger besitzen noch keinen Paradies Status. Sie erhalten den Status eines Bewohners des Paradieses nicht, bevor sie in die letzte Ruhe der Zeit eingegangen sind, die auf das Erreichen des Universalen Vaters und die endgültige Absolvierung der Kreise Havonas folgt. Erst nach der göttlichen Ruhe nehmen sie an der "Essenz der Göttlichkeit" und am "Geist der Suprematie" teil und beginnen, wahrhaftig im Kreis der Ewigkeit und in der Gegenwart der Trinität zu wirken. Die drei Transit-Gefährten eines Aufsteigers sind nicht nötig, um ihn zur Ortung der geographischen Präsenz der geistigen Helligkeit der Trinität zu befähigen, wohl aber um einem Pilger jede erdenkliche Hilfe bei seinem schwierigen Unterfangen zu gewähren, den Unendlichen Geist so wahrzunehmen, zu erkennen und zu verstehen, dass er dessen Persönlichkeit wahrnimmt. Alle aufsteigenden Pilger sind imstande, im Paradies die geographische oder lokalisierbare Gegenwart der Trinität festzustellen, und sie sind in ihrer großen Mehrheit fähig, mit der intellektuellen Realität der Gottheiten, insbesondere der Dritten Person, in Kontakt zu treten, aber nicht allen gelingt es, die Realität der geistigen Gegenwart des Vaters und des Sohnes auszumachen oder auch nur teilweise zu verstehen. Noch schwieriger ist auch nur ein Minimum an geistigem Verständnis des Universalen Vaters. Selten steht am Ende der Suche nach dem Unendlichen Geist ein Misserfolg, und die Führer zur Trinität schicken sich an, ihre Zöglinge, die diese Phase des Gottheitsabenteuers mit Erfolg bestanden haben, auf den vierten Kreis Havonas übersetzen zu lassen und der Obhut der Auffinder des Sohnes anzuvertrauen. ***** 26.8 Die Auffinder des Sohnes ***** Der vierte Kreis Havonas wird manchmal "Kreis der Söhne" genannt. Von den Welten dieses Kreises gehen die aufsteigenden Pilger zum Paradies, um in verstehenden Kontakt mit dem Ewigen Sohn zu treten, während die niedersteigenden Pilger auf den Welten dieses Kreises zu einem neuen Verständnis der Natur und der Sendung der Schöpfersöhne von Zeit und Raum gelangen. Es gibt auf diesem Kreis sieben Welten, auf denen das Reservekorps der Paradies-Michaele besondere Schulen gemeinsamen Dienstes an auf- wie niedersteigenden Pilgern unterhält; und es geschieht auf diesen Welten der Michael-Söhne, dass die Pilger der Zeit und die Pilger der Ewigkeit zum ersten Mal zu gegenseitigem Verstehen gelangen. In vieler Hinsicht gehören die Erfahrungen dieses Kreises zu den fesselndsten des ganzen Aufenthaltes auf Havona. Die Auffinder des Sohnes sind die superaphischen Diener der aufsteigenden Sterblichen des vierten Kreises. Zusätzlich zu ihrer allgemeinen Aufgabe der Vorbereitung ihrer Kandidaten auf die Erkenntnis der Beziehungen des Ewigen Sohnes mit der Trinität müssen die Auffinder des Sohnes ihre Schutzbefohlenen so ausgiebig unterweisen, dass sie restlos erfolgreich sein werden: erstens, im hinreichenden geistigen Verstehen des Sohnes; zweitens, im zufrieden stellenden Erkennen der Persönlichkeit des Sohnes; und drittens, im angemessenen Auseinanderhalten des Sohnes von der Persönlichkeit des Unendlichen Geistes. Nach Erreichen des Unendlichen Geistes werden keine weiteren Prüfungen mehr vorgenommen. Die Prüfungen der inneren Kreise sind die von den Pilgerkandidaten erbrachten Leistungen, wenn sie sich in der umhüllenden Umfangung der Gottheiten befinden. Die Beförderung wird rein nur durch die Geistigkeit des Einzelnen bestimmt, und niemand außer den Göttern maßt sich an, über diesen Besitz zu urteilen. Im Falle eines Scheiterns werden nie irgendwelche Gründe angegeben, noch werden die Kandidaten selber oder ihre verschiedenen Lehrer und Führer je getadelt oder kritisiert. Im Paradies wird eine Enttäuschung nie als Niederlage betrachtet; eine Verzögerung gilt nie als Ungnade; die scheinbaren Misserfolge der Zeit werden nie mit den bedeutungsschweren Aufschüben der Ewigkeit verwechselt. Nicht viele Pilger erleiden einen solchen durch scheinbaren Misserfolg im Gottheitsabenteuer bedingten Aufschub. Nahezu alle erreichen den Unendlichen Geist, obwohl gelegentlich ein Pilger aus dem Superuniversum Nummer eins es nicht beim ersten Anlauf schafft. Die Pilger, die den Geist erreichen, verfehlen es selten, den Sohn zu finden; von denen, die beim ersten Anlauf dabei tatsächlich scheitern, stammen fast alle aus den Superuniversen drei und fünf. Die große Mehrzahl derer, denen es beim ersten Mal missglückt, den Vater zu erreichen, nachdem sie sowohl den Geist als auch den Sohn gefunden haben, kommen aus Superuniversum Nummer sechs, obwohl sich unter den Erfolglosen auch einige wenige aus Nummer zwei und drei befinden. Und all das scheint klar darauf hinzudeuten, dass es irgendeinen guten und ausreichenden Grund für diese scheinbaren Misserfolge gibt - die in Wirklichkeit einfach unumgängliche Aufschübe sind. Die im Gottheitsabenteuer erfolglosen Kandidaten werden unter die Verfügungsgewalt der Leiter der Zuteilung, einer Gruppe primärer Supernaphim, gestellt und für nicht weniger als die Dauer eines Millenniums an die Arbeit in den Reichen der Zeit zurückgeschickt. Sie kehren nie in das Superuniversum ihres Ursprungs zurück, sondern immer zu jener Superschöpfung, die für ihre Neuschulung im Hinblick auf das zweite Gottheitsabenteuer am günstigsten ist. Am Ende dieses Dienstes kehren sie aus eigenem Antrieb auf den äußeren Kreis Havonas zurück, werden allsogleich auf den Kreis geleitet, wo sie ihre Laufbahn unterbrochen haben, und nehmen ihre Vorbereitungen auf das Gottheitsabenteuer unverzüglich wieder auf. Beim zweiten Versuch führen die sekundären Supernaphim die ihnen Anvertrauten unfehlbar zum Erfolg, und es sind immer dieselben superaphischen Betreuer und anderen Führer, welche die Kandidaten während des zweiten Abenteuers begleiten. ***** 26.9 Die Führer zum Vater ***** Wenn die pilgernde Seele den dritten Kreis Havonas erreicht, gelangt sie unter die Vormundschaft der Führer zum Vater, der älteren, gewandtesten und erfahrensten aller superaphischen Diener. Auf den Welten dieses Kreises unterhalten die Führer zum Vater Schulen der Weisheit und technische Institutionen, an denen alle das Zentraluniversum bewohnenden Wesen als Lehrer dienen. Nichts wird hier vernachlässigt, was einem Geschöpf der Zeit in seinem transzendenten Abenteuer des Erreichens der Ewigkeit nützlich sein könnte. Das Erreichen des Universalen Vaters ist der Pass zur Ewigkeit trotz der verbleibenden Kreise, die noch durchlaufen werden müssen. Deshalb ist es ein denkwürdiger Augenblick auf der Pilotwelt des dritten Kreises, wenn das Transittrio verkündet, das letzte Abenteuer der Zeit könne jetzt beginnen; ein weiteres Geschöpf des Raums wünsche durch die ewigen Pforten des Paradieses zu treten. Die Prüfung der Zeit ist beinah vorüber; das Wettrennen für die Ewigkeit ist fast gewonnen. Die Tage der Ungewissheit gehen zu Ende; die Versuchung zu zweifeln schwindet; der Aufforderung, vollkommen zu sein, ist gehorcht worden. Von der niedrigsten Stufe intelligenter Existenz ist das Geschöpf der Zeit, die materielle Persönlichkeit, über die evolutionären Welten des Raums aufgestiegen und hat damit die Machbarkeit des Aufstiegsplans bestätigt und für immer die Gerechtigkeit und Richtigkeit des Gebots des Universalen Vaters an seine niedrigen Geschöpfe der Welten bewiesen: "Seid vollkommen, wie ich vollkommen bin." Stufe um Stufe, Leben um Leben, Welt um Welt ist die aufsteigende Laufbahn gemeistert und das Ziel der Gottheit erreicht worden. Das Fortleben ist vollständig in Vollkommenheit, und die Vollkommenheit ist übervoll in der Suprematie der Göttlichkeit. Die Zeit verliert sich in der Ewigkeit; der Raum geht in der anbetenden Identität und Harmonie mit dem Universalen Vater auf. Und der Fernmeldedienst Havonas lässt die Nachrichten der Herrlichkeit blitzartig in den Raum abgehen, die gute Nachricht, dass die gewissenhaften Geschöpfe tierischer Natur und materiellen Ursprungs wahrhaftig durch evolutionären Aufstieg real und auf ewig zu vervollkommneten Söhnen Gottes geworden sind. ***** 26.10 Die Ratgeber und Beistände ***** Die superaphischen Ratgeber und Beistände des zweiten Kreises sind die Ausbilder der Kinder der Zeit im Hinblick auf ihre ewige Laufbahn. Das Erreichen des Paradieses bringt Verantwortungen einer neuen und höheren Art mit sich, und der Aufenthalt auf dem zweiten Kreis liefert Gelegenheiten in Fülle, den hilfreichen Rat dieser hingebungsvollen Supernaphim zu empfangen. Diejenigen, die einen erfolglosen ersten Anlauf unternommen haben, um die Gottheit zu erreichen, werden vom Kreis ihres Versagens direkt auf den zweiten Kreis befördert, bevor sie zum Dienst in das Superuniversum zurückgeschickt werden. So dienen die Ratgeber und Beistände auch diesen enttäuschten Pilgern als Ratgeber und Tröster. Sie haben gerade ihre größte Enttäuschung erlebt, die sich zwar in keiner Weise von der langen Reihe solcher Erfahrungen unterschieden hat, durch die sie wie auf einer Leiter vom Chaos zur Herrlichkeit aufgestiegen sind - außer in ihrem Ausmaß. Sie sind es, die den Kelch der Erfahrungen bis zum letzten Tropfen ausgetrunken haben; und ich habe beobachtet, dass sie bei ihrer vorübergehenden Rückkehr zum superuniversellen Dienst den höchsten Typ liebevoller Betreuer der Kinder der Zeit und zeitlicher Enttäuschungen abgeben. Nach einem langen Aufenthalt auf Kreis Nummer zwei werden die enttäuschten Wesen durch die Räte der Vollkommenheit, die ihren Sitz auf der Pilotwelt dieses Kreises haben, geprüft, und es wird ihnen bescheinigt, dass sie den Test Havonas bestanden haben; und das gewährleistet ihnen in den Universen der Zeit, was den nichtgeistigen Status betrifft, denselben Rang, wie wenn sie das Gottheitsabenteuer wirklich erfolgreich bestanden hätten. Der Geist dieser Kandidaten war durch und durch annehmbar; ihr Scheitern lag in der Natur irgendeiner Phase der Methode oder irgendeines Teils ihres erfahrungsmäßigen Hintergrunds. Daraufhin treten die Ratgeber des Kreises mit ihnen vor die Leiter der Zuteilung des Paradieses, wonach sie zum zeitlichen Dienst auf die Welten des Raums zurückgesandt werden; und freudig und glücklich machen sie sich an die Aufgaben früherer Tage und Zeitalter. Zu einem späteren Zeitpunkt werden sie wieder auf den Kreis ihrer größten Enttäuschung zurückkehren und von neuem das Gottheitsabenteuer versuchen. Für die erfolgreichen Pilger entfällt auf dem zweiten Kreis der Stimulus der evolutionären Unsicherheit, aber das Abenteuer der ewigen Zuteilung hat noch nicht begonnen; und obwohl der Aufenthalt auf diesem Kreis ganz und gar angenehm und höchst nützlich ist, fehlt ihm etwas von dem vorwegnehmenden Enthusiasmus der früheren Kreise. Zahlreich sind die Pilger, die jetzt mit fröhlichem Neid auf den langen, langen Kampf zurückblicken und wirklich wünschen, sie könnten irgendwie wiederum auf die Welten der Zeit zurückkehren und alles wieder von vorne beginnen, gerade so wie ihr Sterblichen beim Nahen des vorgerückten Alters manchmal auf die Kämpfe der Jugend und Kindheit zurückblickt und wahrhaftig wünscht, ihr könntet euer Leben noch einmal leben. Aber das Durchlaufen des innersten Kreises steht jetzt unmittelbar bevor, und bald darauf wird der letzte Transitschlaf zu Ende gehen und das neue Abenteuer der ewigen Laufbahn beginnen. Die Ratgeber und Beistände beginnen auf dem zweiten Kreis, ihre Schutzbefohlenen auf diese große und letzte Ruhe vorzubereiten, auf den unvermeidlichen Schlaf, der sich immer zwischen die ganz großen Abschnitte der aufsteigenden Laufbahn schiebt. Wenn die aufsteigenden Pilger, die den Universalen Vater erreicht haben, die vollständige Erfahrung des zweiten Kreises gemacht haben, stellen die sie stets begleitenden Führer der Graduierten einen Zulassungsbefehl zum letzten Kreis aus. Diese Führer begleiten ihre Schützlinge persönlich auf den inneren Kreis und vertrauen sie hier den Vollendern der Ruhe an, der letzten jener Ordnungen sekundärer Supernaphim, deren Aufgabe im Dienst an den Pilgern der Zeit auf den Weltenkreisen Havonas besteht. ***** 26.11 Die Vollender der Ruhe ***** Einen guten Teil seiner Zeit auf dem letzten Kreis verbringt der Aufsteiger damit, das Studium der Probleme fortzusetzen, die mit der nahe bevorstehenden Niederlassung auf dem Paradies verbunden sind. Ganze Heerscharen verschiedenster Wesen, die in ihrer Mehrheit nicht offenbart werden, wohnen dauernd oder vorübergehend auf diesem inneren Weltenring Havonas. Und ein solches Umfeld, in dem sich so mannigfaltige Wesen mischen, bietet den superaphischen Vollendern der Ruhe in Fülle Situationen, die sie geschickt nutzen, um die Erziehung der aufsteigenden Pilger voranzutreiben, insbesondere im Blick auf die Probleme der Anpassung an die vielen Gruppen von Wesen, denen sie im Paradies bald begegnen werden. Unter den Bewohnern dieses inneren Rings befinden sich auch die durch Geschöpfe trinitisierten Söhne. Die primären und sekundären Supernaphim sind die allgemeinen Hüter des gemeinsamen Korps dieser Söhne, das die trinitisierten Sprosse sowohl der sterblichen Finalisten als auch der Paradies Bürger umfasst. Gewisse dieser Söhne sind von der Trinität umfangen und mit Aufgaben in den Superregierungen betraut worden, andere dienen in verschiedenen Bereichen, aber in ihrer großen Mehrzahl werden sie im gemeinsamen Korps auf den vollkommenen Welten des inneren Kreises Havonas versammelt. Hier werden sie unter Aufsicht der Supernaphim auf irgendeine zukünftige Aufgabe durch ein besonderes, ungenanntes Korps von hohen Paradies-Bürgern vorbereitet, die vor den Zeiten Großfandas die ersten ausführenden Hilfsorgane der Ewigen der Tage gewesen waren. Für die Annahme, dass diese beiden einzigartigen Gruppen trinitisierter Wesen in ferner Zukunft zusammenarbeiten werden, sprechen viele Gründe, deren nicht geringster ihre gemeinsame Bestimmung in den Reserven des Paradies-Korps Trinitisierter Finalisten ist. Auf diesem innersten Kreis pflegen auf- und niedersteigende Pilger untereinander und mit den durch Geschöpfen trinitisierten Söhnen brüderlichen Umgang. Gleich ihren Eltern ist auch diesen Söhnen gesellschaftlicher Austausch eine große Wohltat, und es ist die besondere Aufgabe der Supernaphim, die Brüderlichkeit zwischen den trinitisierten Söhnen der sterblichen Finalisten und den trinitisierten Söhnen der Paradies-Bürger zu erleichtern und sicherzustellen. Die superaphischen Vollender der Ruhe kümmern sich weniger um ihre Schulung als um die Förderung ihres verstehenden Umgangs mit verschiedenen Gruppen. Die Sterblichen haben das Paradies-Gebot erhalten: "Seid vollkommen, wie euer Paradies Vater vollkommen ist." Unermüdlich verkünden die leitenden Supernaphim den trinitisierten Söhnen des gemeinsamen Korps: "Zeigt Verständnis für eure aufsteigenden Brüder, gerade so wie die Paradies-Schöpfersöhne sie kennen und lieben." Das sterbliche Geschöpf muss Gott finden. Der Schöpfersohn hält nie inne, ehe er den Menschen - das niedrigste Willensgeschöpf - gefunden hat. Ohne allen Zweifel bereiten sich die Schöpfersöhne und ihre sterblichen Kinder auf irgendein zukünftiges, unbekanntes Universumsamt vor. Beide durchlaufen die ganze Skala der Universumserfahrungen und werden so im Hinblick auf ihre ewige Sendung geschult und eingeübt. Überall in den Universen findet diese einzigartige Vermengung des Menschlichen mit dem Göttlichen statt, dieses Verschmelzen von Geschöpf und Schöpfer. Gedankenlose Sterbliche haben im Bekunden göttlicher Barmherzigkeit und Zartheit, besonders gegenüber Schwachen und Bedürftigen, das Zeichen eines menschenähnlichen Gottes sehen wollen. Welch ein Irrtum! Vielmehr sollte es, wenn menschliche Wesen sich auf diese Weise erbarmungsvoll und nachsichtig zeigen, als ein Beweis dafür genommen werden, dass der sterbliche Mensch durch den Geist des lebendigen Gottes bewohnt wird; dass das Geschöpf letztenendes durch die Göttlichkeit motiviert wird. Wenn der Aufenthalt auf dem ersten Kreis sich dem Ende nähert, machen die aufsteigenden Pilger zum ersten Mal Bekanntschaft mit den der ersten Ordnung der Supernaphim angehörenden Anleitern zur Ruhe. Das sind Engel des Paradieses, die kommen, um die an der Schwelle der Ewigkeit Stehenden zu begrüßen und sie vollends bereit zu machen für den Übergangsschlaf vor der letzten Auferstehung. Ihr seid nicht wirklich ein Kind des Paradieses, solange ihr nicht den inneren Kreis durchmessen und die ewige Auferstehung aus dem Endschlaf der Zeit erlebt habt. Auf dem ersten Kreis Havonas gehen die vervollkommneten Pilger in diese Ruhe ein und fallen in Schlaf, aber sie erwachen am Gestade des Paradieses. Von allen, die zur ewigen Insel hinansteigen, sind einzig die, welche auf diese Weise hingelangen, Kinder der Ewigkeit. Alle anderen gehen als Besucher hin, als Gäste ohne Wohnstatus. Und wenn ihr Sterblichen euch jetzt, auf dem Höhepunkt eures havonischen Werdegangs angelangt, auf der Pilotwelt des inneren Kreises zum Schlaf bereit macht, begebt ihr euch nicht allein zur Ruhe wie auf der Welt eures Ursprungs, als ihr eure Augen zum natürlichen Todesschlaf der Sterblichen schlosset, noch wie damals, als ihr vor der Reise nach Havona in die lange, tiefe Transitbewusstlosigkeit eintratet. Jetzt, da ihr euch auf die Ruhe der Erfüllung vorbereitet, tritt eurer langjähriger Gefährte des ersten Kreises, der majestätische Vollender der Ruhe, an eure Seite und schickt sich, wie eins mit euch, zum Eintritt in die Ruhe an als Gewähr Havonas dafür, dass euer Übergang vollendet ist und ihr nur noch darauf wartet, dass die letzte Hand an eure Vollkommenheit gelegt werde. Euer erster Übergang war tatsächlich der Tod, der zweite ein idealer Schlaf, und diese dritte Metamorphose nun ist die wahre Ruhe, die Entspannung der Zeitalter. [Dargeboten von einem Vervollkommner der Weisheit aus Uversa.] ****** Kapitel 27 Das Wirken der Primären Supernaphim ****** DIE primären Supernaphim sind die himmlischen Diener der Gottheiten auf der ewigen Paradies-Insel. Nie ist einer von ihnen von den Pfaden des Lichts und der Rechtschaffenheit abgewichen. Die Namensverzeichnisse vermelden sie vollständig; seit der Ewigkeit hat sich nicht ein einziger dieses herrlichen Heers verirrt. Diese hohen Supernaphim sind vollkommene Wesen; sie sind suprem an Vollkommenheit, aber sie sind weder absonit noch absolut. Diese Kinder des Unendlichen Geistes sind die Essenz der Vollkommenheit, und sie arbeiten auswechselbar und beliebig in allen Phasen ihrer mannigfachen Aufgaben. Sie wirken außerhalb des Paradieses nicht in großem Maßstab, obwohl sie an den verschiedenen Jahrtausendzusammenkünften und -gruppentreffen des Zentraluniversums teilnehmen. Sie ziehen auch als Sonderbotschafter der Gottheiten aus, und in großer Zahl steigen sie auf, um Technische Berater zu werden. Den primären Supernaphim wird auch auf Welten, die infolge von Rebellion isoliert sind, die Befehlsgewalt über die seraphischen Heerscharen übertragen. Wenn sich ein Paradies-Sohn auf einer solchen Welt hingibt, seine Sendung beschließt, zum Universalen Vater aufsteigt, angenommen wird und als beglaubigter Befreier dieser isolierten Welt zurückkehrt, bestimmen die Leiter der Zuteilung stets einen primären Supernaphen, um den Befehl über die auf der neulich zurückgewonnenen Sphäre arbeitenden dienenden Geiste zu übernehmen. Die dieses besondere Amt ausübenden Supernaphim werden periodisch ausgewechselt. Der gegenwärtige "Chef der Seraphim" auf Urantia ist der zweite seiner Ordnung, der diesen Dienst seit der Selbsthingabe von Christus Michael versieht. Seit der Ewigkeit haben die primären Seraphim auf der Insel des Lichts gedient und sich in Führungsmission auf die Welten des Raums hinausbegeben, aber in ihrer jetzigen Klassifizierung wirken sie erst seit dem Eintreffen der Pilger der Zeit aus Havona im Paradies. Diese hohen Engel wirken jetzt hauptsächlich in den folgenden sieben Dienstordnungen: 1. Leiter der Anbetung. 2. Meister der Philosophie. 3. Hüter des Wissens. 4. Unterweiser im Verhalten. 5. Interpreten der Ethik. 6. Leiter der Zuteilung. 7. Anleiter zur Ruhe. Erst wenn die aufsteigenden Pilger tatsächlich das Wohnrecht im Paradies gewonnen haben, kommen sie unter den unmittelbaren Einfluss der Supernaphim und machen dann unter Leitung dieser Engel eine Ausbildung in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Nennung durch. Das heißt, dass ihr zu Beginn eures Werdegangs im Paradies von den Anleitern zur Ruhe betreut werdet und nach aufeinander folgenden Perioden mit den dazwischenliegenden Ordnungen eure Ausbildungszeit unter den Leitern der Anbetung beschließt. Danach seid ihr bereit, die endlose Laufbahn eines Finalisten anzutreten. ***** 27.1 Die Anleiter zur Ruhe ***** Die Anleiter zur Ruhe sind die Inspektoren des Paradieses, die von der Zentralinsel auf den inneren Kreis Havonas kommen, um dort mit ihren Kollegen, den Vollendern der Ruhe der sekundären Ordnung der Supernaphim zusammenzuarbeiten. Um sich des Paradieses erfreuen zu können, ist eines ganz wesentlich, nämlich die Ruhe, die göttliche Ruhe; und die Anleiter zur Ruhe sind die letzten Ausbilder, die die Pilger der Zeit für deren Eingehen in die Ewigkeit bereit machen. Sie beginnen mit ihrer Arbeit auf dem letzten Kreis des Vollbringens des Zentraluniversums und setzen sie fort, wenn die Pilger aus dem letzten Übergangsschlaf aufwachen, jenem Schlummer, der den Übertritt eines Geschöpfes des Raums in das Reich des Ewigen bestätigt. Die Ruhe ist siebenfacher Natur: Es gibt die Ruhe des Schlafes und des Spiels bei den tieferstehenden Lebensordnungen, diejenige der Entdeckung bei den höheren Wesen und die Ruhe der Anbetung beim höchsten Typus von Geistpersönlichkeiten. Dann gibt es die normale Ruhe zur Aufnahme von Energie, das Wiederaufladen der Wesen mit physischer oder geistiger Energie. Ferner gibt es den Transitschlaf, den unbewussten Schlummer im einseraphierten Zustand während des Flugs von einer Sphäre zur anderen. Völlig verschieden von all diesen Arten ist der Tiefschlaf der Verwandlung, die Ruhe des Übergangs von einem Daseinszustand in einen anderen, von einem Leben in ein anderes, von einer Existenzart in eine andere, der Schlaf, der immer mit dem Übergang von einem gegebenen Status im Universum zum nächsten verbunden ist, im Gegensatz zu der Entwicklung, die innerhalb ein und desselben Status verschiedene Stadien durchläuft. Aber der letzte verwandelnde Schlaf ist mehr als jene vorangehenden Arten des Übergangsschlafs, die jede neue Statusbewältigung der aufsteigenden Laufbahn gekennzeichnet hatten; dank ihm durchbrechen die Geschöpfe von Zeit und Raum die innersten Grenzen des Zeitlichen und Räumlichen, um den Niederlassungsstatus in den zeit- und raumlosen Wohnungen des Paradieses zu gewinnen. Die Anleiter zur Ruhe und die Vollender der Ruhe sind für diese transzendente Verwandlung ebenso unentbehrlich wie die Seraphim und ihre Mitarbeiter für das Fortleben der sterblichen Geschöpfe nach dem Tod. Ihr tretet auf dem letzten Kreis Havonas in die Ruhe ein und aufersteht für alle Ewigkeit im Paradies. Und sobald ihr dort als geistige Person neu ersteht, werdet ihr allsogleich in dem euch am ewigen Gestade willkommen heißenden Anleiter zur Ruhe denselben primären Supernaphen wieder erkennen, der euren Schlaf auf dem innersten Kreis Havonas herbeigeführt hatte; und ihr werdet euch an die letzte große Zerreißprobe eures Glaubens erinnern, als ihr euch einmal mehr anschicktet, die Hut eurer Identität in die Hände des Universalen Vaters zu legen. Ihr habt die letzte Ruhe der Zeit genossen; ihr seid durch die Erfahrung des letzten Übergangsschlafs gegangen; nun erwacht ihr zum ewigen Leben an den Gestaden der ewigen Wohnstätte. "Und dort wird es keinen Schlaf mehr geben. Die Gegenwart Gottes und seines Sohnes sind vor euch, und ihr seid auf ewig seine Diener; ihr habt sein Angesicht gesehen, und sein Name ist euer Geist. Dort wird es keine Nacht geben; und sie haben kein Sonnenlicht nötig, denn der Große Zentrale Ursprung spendet ihnen Licht; sie werden leben ohne Ende. Und Gott wird alle Tränen von ihren Augen wischen; es wird keinen Tod mehr geben, weder Leid noch Wehklagen noch irgendwelchen Schmerz, denn die früheren Dinge sind vorbei." ***** 27.2 Die Leiter der Zuteilung ***** Dies ist die Gruppe, welcher der oberste Supernaph, "der originale Urmuster-Engel", von Zeit zu Zeit die Aufgabe überträgt, die Organisation aller drei Engelsordnungen - der primären, sekundären und tertiären - zu leiten. Als Körperschaft regieren sich die Supernaphim völlig selbständig und bestimmen ihre eigenen Regeln, wenn man von den Funktionen ihres gemeinsamen Oberhauptes, des ersten Engels des Paradieses, absieht, der stets all diesen Geistpersönlichkeiten vorsteht. Die Engel der Zuteilung haben viel mit den verherrlichten sterblichen Bewohnern des Paradieses zu tun, bevor diese in das Korps der Finalität aufgenommen werden. Studium und Ausbildung sind nicht die ausschließlichen Beschäftigungen der Ankömmlinge im Paradies; das Dienen spielt auch eine wesentliche Rolle in den erzieherischen Erfahrungen der Vorfinalisten des Paradieses. Und ich habe beobachtet, dass die aufsteigenden Sterblichen während ihrer Freizeitperioden eine Vorliebe für brüderliche Kontakte mit dem Reservekorps der superaphischen Leiter der Zuteilung zeigen. Wenn ihr sterblichen Aufsteiger das Paradies erreicht, beinhalten eure gesellschaftlichen Beziehungen sehr viel mehr als nur den Kontakt mit einem Heer hoher göttlicher Wesen und mit der vertrauten Menge verherrlichter Mitsterblicher. Ihr müsst auch mit über dreitausend verschiedenen Ordnungen von Paradies-Bürgern brüderlich umgehen sowie mit den verschiedenartigen Gruppen der Transzendentalen und zahlreichen anderen Typen dauernder und zeitweiliger Paradies-Bewohner, die auf Urantia nicht offenbart worden sind. Nach anhaltenden Kontakten mit diesen mächtigen Intelligenzen des Paradieses ist es sehr entspannend, sich mit Wesen des Verstandestyps der Engel zu unterhalten; denn sie erinnern die Sterblichen der Zeit an die Seraphim, mit denen sie so lange in Kontakt gestanden und erfrischende Gemeinschaft gepflegt haben. ***** 27.3 Die Interpreten der Ethik ***** Je höher man auf der Leiter des Lebens steigt, umso größere Aufmerksamkeit muss man der Universumsethik schenken. Ethisches Bewusstsein eines Einzelwesens ist einfach seine Anerkennung der Rechte, die der Existenz sämtlicher anderen Einzelwesen innewohnen. Aber die geistige Ethik geht weit über die menschliche und sogar morontielle Vorstellung von persönlichen und Gruppenbeziehungen hinaus. Die Ethik ist den Pilgern der Zeit während ihres langen Aufstiegs zur Herrlichkeit des Paradieses gebührend gelehrt und von ihnen gelernt worden. Während sich ihre auf den Geburtswelten des Raums begonnene, nach oben und innen zielende Laufbahn entwickelte, fügten die Aufsteiger ihrem sich ständig erweiternden Kreis universeller Mitarbeiter immer weitere Gruppen hinzu. Jede neue Gruppe von Kollegen, der man begegnet, fügt eine zusätzliche ethische Ebene hinzu, die erkannt und auf die eingegangen werden muss, bis die Zeit kommt, da die aufsteigenden Sterblichen das Paradies erreichen und dringend jemanden brauchen, der ihnen bei der ethischen Interpretation helfenden und freundlichen Rat zuteil werden lässt. Sie haben nicht nötig, dass man sie Ethik lehrt, aber was ihnen jetzt nottut, da sie der außerordentlichen Aufgabe gegenüberstehen, mit so viel Neuem in Berührung zu kommen, ist jemand, der ihnen das, was sie so mühsam erlernt haben, auch richtig interpretiert. Die Interpreten der Ethik leisten den Neuankömmlingen im Paradies einen unschätzbaren Dienst, indem sie ihnen während der ereignisreichen Periode, die sich von der Gewinnung des Status eines Wohnberechtigten bis zur förmlichen Aufnahme in das Finalitätskorps der Sterblichen erstreckt, dabei helfen, sich auf verschiedene Gruppen erhabener Wesen einzustimmen. Die aufsteigenden Pilger sind vielen der zahlreichen Typen von Paradies-Bürgern auf den sieben Kreisen Havonas bereits begegnet. Die verherrlichten Sterblichen haben sich auf dem inneren Kreis Havonas, wo die durch Geschöpfe trinitisierten Söhne des gemeinsamen Korps einen Großteil ihrer Erziehung erhalten, auch eines engen Kontaktes mit diesen Wesen erfreut. Und auf den anderen Kreisen sind die aufsteigenden Pilger zahlreichen nicht offenbarten ständigen Bewohnern des Paradies-Havona-Systems begegnet, die dort in Gruppen ausgebildet werden, um sich auf die nicht offenbarten Verwendungen der Zukunft vorzubereiten. All diese himmlischen Kameradschaften beruhen stets auf Gegenseitigkeit. Als aufsteigende Sterbliche bereichert nicht nur ihr euch im Kontakt mit den fortlaufend angetroffenen Universumskameraden und so zahlreichen Ordnungen immer göttlicherer Gefährten, sondern ihr gebt jedem von diesen brüderlichen Wesen etwas von eurer eigenen Persönlichkeit und Erfahrung mit, die jedes von ihnen für immer anders und besser werden lässt, weil es mit einem aufsteigenden Sterblichen aus den evolutionären Welten von Raum und Zeit verbunden gewesen ist. ***** 27.4 Die Unterweiser im Verhalten ***** Nachdem die aufsteigenden Sterblichen reichlich über die Ethik der Beziehungen im Paradies ins Bild gesetzt worden sind - einer Ethik, die weder auf nichts sagender Formelhaftigkeit noch auf den Diktaten künstlicher Kasten, sondern vielmehr auf den inhärenten Anstandsformen beruht - finden sie es hilfreich, den Rat der superaphischen Unterweiser im Verhalten zu empfangen, die die neuen Mitglieder der Paradies-Gesellschaft mit den Gepflogenheiten des vollkommenen Benehmens der hohen Wesen bekannt machen, die die zentrale Insel des Lichts und Lebens bewohnen. Harmonie ist der Leitgedanke des Zentraluniversums, und im Paradies herrscht wahrnehmbare Ordnung. Ein angemessenes Verhalten ist wesentlich, um auf Wissen gestützt durch Philosophie zu den geistigen Höhen spontaner Anbetung vorzudringen. Es gibt eine göttliche Technik für die Annäherung an die Göttlichkeit; aber die Pilger müssen bis zu ihrer Ankunft auf dem Paradies mit dem Erwerb dieser Technik warten. Deren Geist wurde ihnen bereits auf den Kreisen Havonas vermittelt, aber die letzte Hand an die Ausbildung der Pilger der Zeit kann erst gelegt werden, nachdem sie die Insel des Lichts erreicht haben. Im Paradies ist das Verhalten völlig spontan, in jeder Beziehung natürlich und frei. Und doch gibt es auf der ewigen Insel eine angemessene und vollkommene Weise, die Dinge zu tun, und die Unterweiser im Verhalten stehen den "Fremden im Gehege" stets bei, indem sie sie anleiten und ihre Schritte so lenken, dass sie sich völlig unbefangen bewegen können, und indem sie die Pilger zugleich in die Lage versetzen, eine ansonsten unausweichliche Verwirrung und Unsicherheit zu vermeiden. Nur durch eine derartige Vorkehrung konnte endlose Verwirrung vermieden werden; aber nie stellt sich im Paradies Verwirrung ein. Die Unterweiser im Verhalten dienen wirklich als verherrlichte Lehrer und Führer. Ihre hauptsächliche Aufgabe ist es, den neuen sterblichen Bewohnern im Hinblick auf die fast endlose Reihe neuer Situationen und ungewohnter Gepflogenheiten Anleitung zu geben. Trotz der langen Vorbereitung auf das Paradies und der langen Reise dahin kommt es denen, die schließlich den Niederlassungsstatus erlangen, immer noch unaussprechlich seltsam und unerwartet neu vor. ***** 27.5 Die Hüter des Wissens ***** Die superaphischen Hüter des Wissens sind die höheren "lebendigen Episteln", die von allen Bewohnern des Paradieses gekannt und gelesen werden. Sie sind die göttlichen Aufzeichnungen der Wahrheit, die lebendigen Bücher wahren Wissens. Ihr habt von Aufzeichnungen im "Buch des Lebens" gehört. Die Hüter des Wissens sind gerade solch lebendige Bücher, solch vollkommene Aufzeichnungen, die auf den ewigen Tafeln göttlichen Lebens und höchster Gewissheit eingraviert sind. Sie sind in Wahrheit lebende, automatische Bibliotheken. Die Tatsachen der Universen sind diesen primären Supernaphim eingeboren, wirklich in diesen Engeln aufgezeichnet; und die Natur dieser vollkommenen und überreichen Horte der Wahrheit der Ewigkeit und der Intelligenz der Zeit macht es einer Unwahrheit unmöglich, in ihren Verstand einzudringen. Diese Hüter führen für die Bewohner der ewigen Insel zwanglose Ausbildungskurse durch, aber ihre Hauptfunktion besteht in Nachweis und Verifikation. Wer immer sich im Paradies aufhält, kann nach Belieben den lebendigen Hort der besonderen Tatsache oder Wahrheit, die er kennen möchte, an seiner Seite haben. Ganz im Norden der Insel stehen die lebendigen Auffinder des Wissens zur Verfügung, die den Leiter der Gruppe bezeichnen, die im Besitz der gesuchten Information ist, und augenblicklich erscheinen die strahlenden Wesen, die genau das sind, was ihr zu wissen wünscht. Ihr braucht die Erleuchtung nicht länger aus fein säuberlich geschriebenen Seiten zu gewinnen; ihr kommuniziert jetzt mit lebendiger Intelligenz von Angesicht zu Angesicht. So erhaltet ihr das höchste Wissen durch lebendige Wesen, die seine endgültigen Hüter sind. Wenn ihr jenen Supernaphen ausfindig gemacht habt, der genau das ist, was ihr zu verifizieren wünscht, werden euch diesbezüglich alle bekannten Tatsachen aller Universen zur Verfügung stehen, denn diese Hüter des Wissens sind die endgültigen und lebendigen Zusammenfassungen des gewaltigen Netzwerks der Chronisten-Engel, von den Seraphim und Sekonaphim der Lokal- und Superuniversen bis zu den Hauptchronisten der tertiären Supernaphim in Havona. Aber diese lebendige Anhäufung von Wissen ist zu unterscheiden von den offiziellen Archiven des Paradieses, der kumulativen Zusammenfassung der universellen Geschichte. Die Weisheit der Wahrheit nimmt ihren Ursprung in der Göttlichkeit des Zentraluniversums, aber Wissen, erfahrungsmäßiges Wissen, entspringt weitgehend in den Reichen von Zeit und Raum - daher die Notwendigkeit, die gewaltigen Organisationen der unter der Schirmherrschaft der himmlischen Chronisten stehenden Chronisten-Seraphim und -Supernaphim aufrechtzuerhalten. Diese primären Supernaphim, von Natur aus im Besitz des universellen Wissens, sind auch für seine Organisierung und Klassifizierung verantwortlich. Bei ihrer Konstituierung als lebendige Handbibliothek des Universums der Universen brachten sie das Wissen in sieben großen Ordnungen unter, von denen jede etwa eine Million Unterabteilungen besitzt. Die Leichtigkeit, mit der die Bewohner des Paradieses diesen gewaltigen Wissensvorrat befragen können, verdanken sie einzig den freiwilligen und weisen Anstrengungen der Hüter des Wissens. Die Hüter sind auch die hohen Lehrer des Zentraluniversums, die ihre lebendigen Schätze freigebig an alle Wesen auf allen Kreisen Havonas austeilen, und sie werden, wenn auch indirekt, von den Gerichtshöfen der Ältesten der Tage ausgiebig benutzt. Aber diese lebendige Bibliothek, die dem Zentraluniversum und den Superuniversen zur Verfügung steht, ist für die Lokalschöpfungen unzugänglich. Nur auf Umwegen und über die Reflexivität gelangen die Lokaluniversen in den Genuss der Wohltaten des Paradies-Wissens. ***** 27.6 Die Meister der Philosophie ***** An zweiter Stelle nach der höchsten Befriedigung der Anbetung kommt die Heiterkeit der Philosophie. Nie werdet ihr so hoch hinaufsteigen oder so weit vorrücken, dass nicht noch tausend Mysterien übrig blieben, die zum Versuch ihrer Erhellung den Einsatz der Philosophie erfordern. Es ist für die Meister der Philosophie des Paradieses eine große Genugtuung, den Verstand der einheimischen sowie aufsteigenden Bewohner bei der heiteren Tätigkeit anzuleiten, sich an die Lösung von Universumsproblemen zu wagen. Diese superaphischen Meister der Philosophie sind die "Weisen des Himmels", die weisen Wesen, die sich bei ihrem Bemühen, das Unbekannte in den Griff zu bekommen, auf die Wahrheit des Wissens und die Tatsachen der Erfahrung stützen. Bei ihnen erreicht das Wissen die Wahrheit und steigt die Erfahrung zur Weisheit empor. Im Paradies erleben die aufsteigenden Persönlichkeiten des Raums die Höhen des Daseins: Sie haben das Wissen; sie kennen die Wahrheit; sie können philosophieren - die Wahrheit denken; sie können sogar versuchen, der Konzepte des Ultimen mächtig zu werden, und danach streben, die Techniken der Absoluten zu erfassen. Ganz im Süden der gewaltigen Paradies-Domäne leiten die Meister der Philosophie anspruchsvolle Kurse in den siebzig funktionellen Abteilungen der Weisheit. Hier dozieren sie über die Pläne und Vorhaben der Unendlichkeit und versuchen, die Erfahrungen all derer, die Zugang zu ihrer Weisheit haben, zu koordinieren und ihr Wissen zurechtzulegen. Sie haben gegenüber verschiedenen Universumsproblemen eine hochspezialisierte Haltung entwickelt, aber zu ihren Schlussfolgerungen gelangen sie stets in gleich bleibender Einhelligkeit. Diese Philosophen des Paradieses lehren mittels jeder möglichen Unterweisungsmethode einschließlich der höheren Havona-Technik graphischer Darstellung und gewisser Paradies-Methoden der Informationsvermittlung. All diese höheren Techniken der Wissens- und Ideenvermittlung liegen völlig jenseits des Fassungsvermögens selbst des höchstentwickelten menschlichen Verstandes. Eine Unterrichtsstunde im Paradies entspräche etwa zehntausend Jahren der Wort-Erinnerungs-Methoden Urantias. Ihr könnt solche Kommunikationstechniken nicht fassen, und es gibt in menschlicher Erfahrung ganz einfach nichts, womit man sie vergleichen könnte, nichts, womit sie in Verbindung gebracht werden könnten. Die Meister der Philosophie empfinden die allerhöchste Freude, wenn sie den von den Welten des Raums aufgestiegenen Wesen ihre Interpretation vom Universum der Universen vermitteln können. Und obwohl die Philosophie in ihren Schlüssen nie so eindeutig sein kann wie die Tatsachen des Wissens oder die Wahrheiten der Erfahrung, so werdet ihr doch, nachdem ihr diese primären Supernaphim über die ungelösten Probleme der Ewigkeit und die Leistungen der Absoluten habt dozieren hören, in euch bezüglich dieser ungeklärten Fragen eine gewisse dauernde Genugtuung empfinden. Diese intellektuellen Beschäftigungen des Paradieses werden nicht in die Ferne ausgestrahlt; die Philosophie der Vollkommenheit ist nur für die persönlich Anwesenden bestimmt. Die umkreisenden Schöpfungen erfahren von diesen Lehren nur durch Vermittlung derer, die durch diese Erfahrung gegangen sind und diese Weisheit danach in die Universen des Raums hinausgetragen haben. ***** 27.7 Die Leiter der Anbetung ***** Die Anbetung ist das höchste Vorrecht und die erste Pflicht aller erschaffenen Intelligenzen. Anbetung ist der bewusste und frohe Akt, durch den man die Wahrheit und Tatsache der innigen persönlichen Beziehungen der Schöpfer zu ihren Geschöpfen anerkennt und dankbar annimmt. Die Qualität der Anbetung wird von der Tiefe der Wahrnehmung des Geschöpfes bestimmt; und je weiter man in der Kenntnis des unendlichen Charakters der Götter fortschreitet, umso allumfassender wird der Akt der Anbetung, bis er schließlich die Herrlichkeit höchsten erfahrbaren Entzückens erreicht und zur sublimsten Freude wird, die erschaffene Wesen kennen können. Obwohl die Paradies-Insel bestimmte Orte der Anbetung besitzt, ist sie viel eher ein einziges gewaltiges Heiligtum göttlichen Dienstes. Die Anbetung ist die oberste und beherrschende Leidenschaft aller, die bis zu den glückseligen Gestaden aufgestiegen sind - ist ein spontanes Überschäumen von Wesen, die über Gott genug erfahren haben, um seine Gegenwart zu erreichen. Während der Reise durch Havona nach innen wird die Anbetung mit jedem Kreis zu einer immer mächtigeren Leidenschaft, bis es im Paradies nötig wird, ihren Ausdruck zu lenken und anderswie zu kontrollieren. Die periodischen spontanen, in Gruppen erlebten und anderen besonderen Ausbrüche höchster Anbetung und geistiger Lobpreisung, deren man sich im Paradies erfreut, finden unter der Leitung eines Sonderkorps primärer Supernaphim statt. Unter der Aufsicht dieser Leiter der Anbetung erfüllt eine solche Ehrung das Ziel jedes Geschöpfes, höchste Glückseligkeit zu erleben, und erreicht die vollkommenen Höhen sublimen Selbstausdrucks und persönlicher Freude. Alle primären Supernaphim sehnen sich danach, zu Leitern der Anbetung zu werden; und alle aufsteigenden Wesen möchten für immer in der beglückenden Haltung der Anbetung verharren, würden nicht die Leiter der Zuteilung diese Versammlungen periodisch auflösen. Aber kein aufsteigendes Wesen wird je aufgefordert, eine Aufgabe im ewigen Dienst anzutreten, solange es in der Anbetung nicht vollkommene Befriedigung erfahren hat. Aufgabe der Leiter der Anbetung ist es, die aufsteigenden Geschöpfe so in der Anbetung zu unterweisen, dass sie dieses befriedigenden Selbstausdrucks fähig werden, aber gleichzeitig auch in der Lage sind, ihre Aufmerksamkeit den wesentlichen Aktivitäten der im Paradies herrschenden Ordnung zu schenken. Ohne diese verbesserte Anbetungstechnik würde der durchschnittliche, das Paradies erreichende Sterbliche Hunderte von Jahren brauchen, um seinen Gefühlen intelligenter Würdigung und wachsender Dankbarkeit vollen und befriedigenden Ausdruck geben zu können. Die Leiter der Anbetung öffnen neue und bis dahin unbekannte Ausdruckskanäle, damit diese wundervollen, aus dem Schoß des Raums und den Geburtswehen der Zeit hervorgegangenen Kinder in viel kürzerer Zeit befähigt werden, zu den Beglückungen der Anbetung zu gelangen. Alle Künste aller Wesen des ganzen Universums, welche die Fähigkeit zum Selbstausdruck und die Wertschätzung zu intensivieren und zu erhöhen vermögen, werden bei der Anbetung der Paradies-Gottheiten in ihrer höchsten Wirksamkeit eingesetzt. Die Anbetung ist die höchste Freude der Paradies-Existenz; sie ist das erfrischende Spiel des Paradieses. Was das Spiel für eure abgespannten Gemüter auf Erden tut, wird die Anbetung für eure vervollkommneten Seelen im Paradies tun. Die Art und Weise der Anbetung im Paradies liegt völlig jenseits sterblicher Fassungskraft, aber ihren Geist könnt ihr sogar schon hier unten auf Urantia zu würdigen beginnen, denn die Geiste Gottes wohnen eben jetzt in euch, schweben über euch und inspirieren euch zu wahrer Anbetung. Im Paradies gibt es bestimmte Zeiten und Orte für die Anbetung, aber sie reichen nicht aus, um den stets mächtiger überströmenden geistigen Gefühlen gerecht zu werden, die der wachsenden Intelligenz und zunehmenden Erkenntnis des Göttlichen jener strahlenden Wesen entspringen, welche durch Erfahrung zur ewigen Insel aufgestiegen sind. Nie seit den Zeiten Großfandas waren die Supernaphim in der Lage, dem Geist der Anbetung im Paradies voll zu genügen. Immer gibt es einen Überschuss an Anbetungswilligkeit im Vergleich zu den dafür getroffenen Vorbereitungen. Das kommt daher, dass von Natur vollkommene Persönlichkeiten die überwältigenden Reaktionen geistiger Gefühle von Wesen nie voll verstehen können, die sich aus den Tiefen der geistigen Finsternis der niedrigen Welten von Zeit und Raum langsam und mühselig zur Herrlichkeit des Paradieses hinaufgearbeitet haben. Wenn solche Engel und Sterbliche der Zeit die Gegenwart der Paradies-Gewalten erreichen, brechen die während ganzer Zeitalter aufgestauten Gefühle aus ihnen hervor, etwas, was die Engel des Paradieses mit Staunen betrachten und was in den Paradies-Gottheiten die höchste Freude göttlicher Befriedigung auslöst. Manchmal wird das ganze Paradies von einer machtvollen Flut geistigen und anbetenden Ausdrucks überschwemmt. Oft entgleiten solche Phänomene den Leitern der Anbetung, bis dann das dreimal fluktuierende Licht der Wohnstätte der Gottheit aufscheint und bedeutet, dass das göttliche Herz der Götter durch die aufrichtige Anbetung der Paradies-Bewohner - der vollkommenen Bürger der Herrlichkeit und der aufsteigenden Geschöpfe der Zeit - ganz und gar zufriedengestellt worden ist. Welch ein Triumph der angewandten Methode! Welch eine Ernte des ewigen Plans und Vorhabens der Götter, wenn die intelligente Liebe des Geschöpfeskindes die unendliche Liebe des Schöpfervaters vollkommen befriedigt! Nachdem ihr höchste Befriedigung in der Fülle der Anbetung erreicht habt, seid ihr zur Zulassung zum Korps der Finalität qualifiziert. Die aufsteigende Laufbahn ist nahezu abgeschlossen, und die Feier des siebenten Jubiläums steht bevor. Das erste Jubiläum markierte die Übereinstimmung des Sterblichen mit dem Gedankenjustierer, als der Vorsatz fortzuleben besiegelt wurde; das zweite war das Aufwachen im morontiellen Leben; das dritte war die Fusion mit dem Gedankenjustierer; das vierte war das Erwachen in Havona; das fünfte feierte das Finden des Universalen Vaters; und das sechste Jubiläum war das Ereignis des Aufwachens im Paradies aus dem letzten Übergangsschlummer der Zeit. Das siebente Jubiläum markiert den Eintritt in das Korps der sterblichen Finalisten und den Anfang des Ewigkeitsdienstes. Das Erreichen der siebenten Stufe geistiger Verwirklichung durch einen Finalisten wird wahrscheinlich die Feier des ersten der Ewigkeitsjubiläen bedeuten. Und damit endet die Geschichte der Supernaphim des Paradieses, der höchsten Ordnung aller dienenden Geiste, jener Wesen, die euch als universelle Klasse von eurer Ursprungswelt an stets begleiten, bis die Leiter der Anbetung euch schließlich Lebewohl sagen, wenn ihr den ewigen Eid der Trinität ablegt und in das Finalitätskorps der Sterblichen aufgenommen werdet. Der endlose Dienst für die Paradies-Trinität steht jetzt unmittelbar bevor; und nun sieht sich der Finalist vor die Herausforderung des Ultimen Gottes gestellt. [Dargeboten von einem Vervollkommner der Weisheit aus Uversa.] ****** Kapitel 28 Die Dienenden Geiste der Superuniversen ****** SO wie die Supernaphim die Engelscharen des Zentraluniversums und die Seraphim diejenigen der Lokaluniversen sind, sind die Sekonaphim die dienenden Geiste der Superuniversen. Indessen sind diese Kinder der Reflexiven Geiste in Göttlichkeitsgrad und Potential der Suprematie den Supernaphim viel ähnlicher als den Seraphim. Sie dienen in den Superschöpfungen nicht allein, und zahlreich und faszinierend sind die Tätigkeiten, denen sich ihre nicht offenbarten Mitarbeiter widmen. So wie die dienenden Geiste der Superuniversen in diesen Schriften vorgestellt werden, umfassen sie die folgenden drei Ordnungen: 1. Die Sekonaphim. 2. Die Tertiaphim. 3. Die Omniaphim. Da die letztgenannten zwei Ordnungen nicht so unmittelbar mit dem aufsteigenden Plan für den Fortschritt der Sterblichen zu tun haben, werden wir sie nur rasch besprechen, bevor wir zu der eingehenderen Betrachtung der Sekonaphim übergehen. Technisch gesehen, sind weder Tertiaphim noch Omniaphim dienende Geiste der Superuniversen, obwohl beide als geistige Diener in ihren Bereichen wirken. ***** 28.1 Die Tertiaphim ***** Diese hohen Engel sind auf den Hauptwelten der Superuniversen eingeschrieben, und trotz ihres Dienstes in den Lokalschöpfungen sind sie insofern, als sie nicht den Lokaluniversen entstammen, technisch Bewohner der Universumskapitalen. Die Tertiaphim sind Kinder des Unendlichen Geistes, die im Paradies in Tausendergruppen personifiziert werden. Diese himmlischen Wesen von göttlicher Originalität und nahezu supremer Vielseitigkeit sind die Gabe des Unendlichen Geistes an die Schöpfersöhne Gottes. Wenn ein Michael-Sohn von der elterlichen Paradies-Ordnung losgebunden und für den Aufbruch zum Universumsabenteuer des Raums bereit gemacht wird, gebärt der Unendliche Geist eine Gruppe von eintausend solcher geistiger Gefährten. Und diese majestätischen Tertiaphim begleiten den Schöpfersohn, wenn er zum Abenteuer der Universumsorganisation aufbricht. Während der frühen Zeiten des Universumsbaus sind diese eintausend Tertiaphim der einzige persönliche Mitarbeiterstab eines Schöpfersohnes. Als Helfer der Söhne erwerben sie während dieser bewegten Zeitalter der Universums-Zusammenfügung und anderer astronomischer Manipulationen eine gewaltige Erfahrung. Sie dienen an der Seite des Schöpfersohnes bis zu dem Tag der Personifizierung des Hellen Morgensternes, des Erstgeborenen eines Lokaluniversums. Daraufhin werden ihre offiziellen Rücktrittsgesuche eingereicht und angenommen. Und mit dem Erscheinen der ersten Ordnungen des einheimischen Engellebens ziehen sie sich aus dem aktiven Dienst im Lokaluniversum zurück und werden zu Verbindungsgliedern zwischen dem Schöpfersohn, dem sie zuvor zugeteilt waren, und den Ältesten der Tage des betreffenden Superuniversums. ***** 28.2 Die Omniaphim ***** Die Omniaphim werden durch den Unendlichen Geist in Verbindung mit den Sieben Supremen Vollziehern erschaffen, und sie sind die ausschließlichen Diener und Botschafter ebendieser Supremen Vollzieher. Die Omniaphim sind dem Großen Universum zugeteilt, und in Orvonton unterhält ihr Korps sein Hauptquartier im nördlichen Teil Uversas, wo sie als eine besondere Höflichkeitskolonie wohnen. Weder sind sie auf Uversa registriert, noch sind sie unserer Verwaltung angeschlossen. Ebenso wenig stehen sie in direktem Zusammenhang mit dem aufsteigenden Plan für den Fortschritt der Sterblichen. Die Omniaphim sind völlig mit der Überwachung der Superuniversen im Interesse der administrativen Koordinierung aus der Sicht der Sieben Supremen Vollzieher beschäftigt. Unsere Kolonie von Omniaphim auf Uversa erhält ihre Instruktionen einzig vom Supremen Vollzieher Orvontons, dessen Sitz sich auf der gleichnamigen exekutiven Sphäre Nummer sieben im äußeren Satellitenring des Paradieses befindet, und sie erstattet nur ihm Bericht. ***** 28.3 Die Sekonaphim ***** Die sekoraphischen Heerscharen entstammen den sieben Reflexiven Geisten, die dem Hauptsitz jedes Superuniversums zugeteilt sind. Es gibt eine bestimmte auf das Paradies ansprechende Technik im Zusammenhang mit der Erschaffung dieser Engel in Siebnergruppen. In jeder von diesen gibt es stets einen primären, drei sekundäre und drei tertiäre Sekonaphim; sie personifizieren sich immer genau in diesem Verhältnis. Wenn sieben solcher Sekonaphim erschaffen werden, wird einer, der primäre, dem Dienst der Ältesten der Tage zugeteilt. Die drei sekundären Engel werden drei Gruppen von dem Paradies entstammenden Verwaltern der Superregierungen beigegeben: den Göttlichen Ratgebern, den Vervollkommnern der Weisheit und den Universellen Zensoren. Die drei tertiären Engel werden den aufsteigenden trinitisierten Mitarbeitern der superuniversellen Lenker zugewiesen: den Mächtigen Botschaftern, den Mit Hoher Autorität Begabten und den Namen- und Nummernlosen. Diese Sekonaphim der Superuniversen sind die Sprosse der Reflexiven Geiste, und deshalb liegt die Reflexivität in ihrer Natur. Sie sprechen reflexiv auf die Totalität jeder Phase jedes Geschöpfes an, das seinen Ursprung im Dritten Zentralen Ursprung und in den Schöpfersöhnen des Paradieses hat, aber sie sprechen nicht direkt reflexiv auf Wesen und Wesenheiten persönlicher oder anderer Natur an, die einzig dem Ersten Zentralen Ursprung entstammen. Wir besitzen viele Beweise für die Wirklichkeit der universalen Intelligenzkreise des Unendlichen Geistes, aber selbst wenn wir über keinen anderen verfügten, wären die reflexiven Leistungen der Sekonaphim Beweis genug für die Realität der universalen Gegenwart des unendlichen Verstandes des Mit-Vollziehers. ***** 28.4 Die Primären Sekonaphim ***** Die den Ältesten der Tage zugeteilten primären Sekonaphim sind lebendige Spiegel im Dienste dieser dreieinigen Lenker. Überlegt euch, was für den Betrieb eines Superuniversums die Möglichkeit bedeutet, sich sozusagen einem lebendigen Spiegel zuwenden zu können und darin ein tausend oder hunderttausend Lichtjahre entferntes anderes Wesen zu erblicken und daraus dessen klare Antworten zu hören, und all dies augenblicklich und unfehlbar tun zu können! Aufzeichnungen sind zur Führung eines Universums unerlässlich, Fernmeldungen sind dienlich, das Wirken der Einsamen und anderer Botschafter ist sehr hilfreich, aber die Ältesten der Tage können von ihrem mittleren Standort zwischen den bewohnten Welten und dem Paradies- zwischen Mensch und Gott - augenblicklich in beide Richtungen schauen, in beide Richtungen hören und in beiden Richtungen wissen. Diese Möglichkeit - sozusagen alle Dinge zu hören und zu sehen - kann in den Superuniversen nur von den Ältesten der Tage und nur auf ihren jeweiligen Hauptwelten vollkommen verwirklicht werden. Sogar dort noch stößt man auf Grenzen: Von Uversa aus beschränkt sich diese Art der Kommunikation auf die Welten und Universen von Orvonton, und dieselbe reflexive Technik, obwohl zwischen den Superuniversen unwirksam, hält jedes von diesen in enger Berührung mit dem Zentraluniversum und dem Paradies. Obwohl individuell getrennt, widerspiegeln die sieben Superregierungen somit vollständig die über ihnen liegende Autorität und sind über die Bedürfnisse der Reiche unter ihnen vollkommen auf dem Laufenden und fähig, verständnisvoll auf sie einzugehen. Von Natur aus neigen die primären Sekonaphim zu sieben Arten von Dienst, und es ist mit Fug zu erwarten, dass die erste Serie dieser Ordnung die natürliche Veranlagung habe, den Ältesten der Tage die Gedanken des Geistes zu interpretieren: 1. Die Stimme des Mit-Vollziehers. In jedem Superuniversum zeigen der erste primäre Sekonaph und jeder siebente danach erschaffene dieser Ordnung ein hohes Maß an Eignung, die Gedanken des Unendlichen Geistes zu verstehen und den Ältesten der Tage und ihren Mitarbeitern in den Superregierungen zu interpretieren. Dem kommt auf den Hauptwelten der Superuniversen ein hoher Wert zu, denn der Sitz einer Superregierung verfügt nicht gleich den Lokalschöpfungen mit ihren Göttlichen Ministerinnen über eine spezialisierte Personifizierung des Unendlichen Geistes. Deshalb kommen die sekoraphischen Stimmen auf einer solchen Hauptsphäre persönlichen Repräsentanten des Dritten Zentralen Ursprungs sehr nahe. Es ist wahr, dass es hier auch die sieben Reflexiven Geiste gibt, aber diese Mütter der sekoraphischen Heerscharen reflektieren getreu und automatisch weniger den Mit-Vollzieher als die Sieben Hauptgeiste. 2. Die Stimme der Sieben Hauptgeiste. Der zweite primäre Sekonaph und jeder siebente danach erschaffene neigen dazu, die kollektiven Naturen und Reaktionen der Sieben Hauptgeiste zu verkörpern. Obwohl jeder Hauptgeist auf der Hauptwelt eines Superuniversums bereits durch einen der hier wirkenden sieben Reflexiven Geiste vertreten wird, ist diese Repräsentation individuell, nicht kollektiv. Kollektiv sind die Hauptgeiste nur auf reflexive Weise gegenwärtig; deshalb begrüßen sie die Dienste dieser hochpersönlichen, der zweiten Serie der primären Sekonaphim angehörenden Engel, die sie bei den Ältesten der Tage so kompetent vertreten. 3. Die Stimme der Schöpfersöhne. Der Unendliche Geist muss irgendwie an der Schaffung oder Ausbildung der Paradies-Söhne der Michael-Ordnung beteiligt gewesen sein, da der dritte primäre Sekonaph und jeder siebente danach in Serie erschaffene die bemerkenswerte Gabe besitzen, das Denken dieser Schöpfersöhne widerzuspiegeln. Wenn die Ältesten der Tage die Haltung Michaels von Nebadon in einer zur Debatte stehenden Angelegenheit kennen - wirklich kennen - möchten, brauchen sie ihn nicht über die Linien des Raums anzurufen; sie brauchen nur nach dem Oberhaupt der Stimmen Nebadons zu senden, das auf Verlangen den Registrier-Sekonaphen Michaels vor sie treten lässt; und gerade dann und dort werden die Ältesten der Tage die Stimme des Meistersohnes von Nebadon vernehmen. Keine andere Sohnesordnung ist auf diese Weise "reflektierbar", und keine andere Engelsordnung kann auf diese Weise funktionieren. Wir verstehen nicht recht, wie das genau vollbracht wird, und ich bezweifle sehr stark, dass selbst die Schöpfersöhne es ganz verstehen. Aber wir wissen mit Sicherheit, dass es funktioniert, und wir wissen auch, dass es unfehlbar zufriedenstellend funktioniert, denn in der ganzen Geschichte Uversas haben sich die sekoraphischen Stimmen in ihren Darstellungen nie geirrt. Ihr beginnt hier etwas von der Art und Weise zu sehen, in der die Göttlichkeit den Raum der Zeit umfasst und die Zeit des Raums beherrscht. Ihr erhaltet hier einen eurer ersten flüchtigen Einblicke in die Technik des Ewigkeitszyklus, einstweilen divergierend, um den Kindern der Zeit bei ihren Aufgaben beizustehen, der schwierigen Behinderungen des Raums Herr zu werden. Und diese Phänomene kommen zu der bestehenden Universumstechnik der Reflexiven Geiste noch hinzu. Obwohl die Ältesten der Tage offensichtlich die persönliche Gegenwart der Hauptgeiste über ihnen und der Schöpfersöhne unter ihnen entbehren müssen, stehen ihnen Lebewesen zur Verfügung, die auf die kosmischen Mechanismen reflexiver Vollkommenheit und ultimer Genauigkeit eingestimmt sind, wodurch sie sich der reflexiven Gegenwart all jener hohen Wesen erfreuen können, deren persönliche Gegenwart ihnen verwehrt ist. Dank diesen und anderen euch unbekannten Mitteln ist Gott auf den Hauptwelten der Superuniversen potentiell anwesend. Indem die Ältesten der Tage die blitzartig eintreffenden Stimmen des Geistes aus der Höhe und der Michaele aus der Tiefe in Gleichung setzen, können sie daraus auf vollkommene Weise auf des Vaters Willen schließen. Ein derartiges Ausrechnen des väterlichen Willens erlaubt ihnen, in allem, was die administrativen Angelegenheiten der Lokaluniversen betrifft, zu unfehlbarer Sicherheit zu gelangen. Aber um den Willen eines der Götter aus der Kenntnis desjenigen der beiden anderen abzuleiten, müssen die Ältesten der Tage gemeinsam handeln; zwei würden nicht ausreichen, um die Antwort zu finden. Und aus diesem Grunde - selbst wenn es keine anderen gäbe - werden die Superuniversen immer von drei und nicht von einem oder zwei Ältesten der Tage geleitet. 4. Die Stimme der Engelscharen. Der vierte primäre Sekonaph und jeder siebente folgende erweisen sich als Engel, die besonders auf die Gefühle aller Engelsordnungen, einschließlich der Supernaphim über und der Seraphim unter ihnen, ansprechen. Dadurch wird die Haltung jedes befehlenden oder überwachenden Engels an jeder beliebigen Ratssitzung der Ältesten der Tage augenblicklich zur Urteilsbildung einsehbar. Es verstreicht auf eurer Welt kein Tag, an dem der Chef der Seraphim Urantias sich nicht des Phänomens reflexiver Übertragung bewusst würde, nicht spürte, aus Uversa zu irgendeinem Zweck ausgeforscht zu werden; aber obwohl ein Einsamer Botschafter ihn vorgewarnt hat, bleibt er in völliger Unwissenheit darüber, wonach man sucht und wie man es sich verschafft. Die dienenden Geiste der Zeit liefern beständig diese Art unbewussten und deshalb mit Sicherheit unvoreingenommenen Zeugnisses im Zusammenhang mit der endlosen Reihe von Angelegenheiten, die die Aufmerksamkeit der Ältesten der Tage und ihrer Mitarbeiter erregen und ihren Rat erfordern. 5. Empfänger der Fernmeldungen. Es gibt eine besondere Klasse von Fernmeldungen, die nur von diesen primären Sekonaphim empfangen werden. Zwar sind sie nicht die regulären Fernmelder Uversas, aber sie arbeiten in Verbindung mit den Engeln der reflexiven Stimmen, um die reflexive Schau der Ältesten der Tage mit bestimmten aktuellen Botschaften zu synchronisieren, die über die bestehenden Kreise universeller Kommunikation eintreffen. Die Empfänger der Fernmeldungen sind die fünften der Serie; sie bestehen aus dem fünften und jedem siebenten danach erschaffenen primären Sekonaphen. 6. Tranportpersönlichkeiten. Dies sind die Sekonaphim, die die Pilger der Zeit von den Hauptwelten der Superuniversen auf den äußeren Kreis Havonas befördern. Sie sind das Transportkorps der Superuniversen; sie operieren nach innen paradieswärts und nach außen zu den Welten ihrer jeweiligen Sektoren. Dieses Korps besteht aus dem sechsten primären Sekonaphen und jedem siebenten danach erschaffenen. 7. Das Reservekorps. Eine sehr große Gruppe von primären Sekonaphim, bestehend aus den Siebenten der Septette, wird in Reserve gehalten für nicht näher umschriebene Aufgaben und Not-einsätze auf den Welten. Da sie nicht hochspezialisiert sind, können sie recht gut in jeder Eigenschaft ihrer verschiedenen Mitarbeiter wirken, aber derartige spezialisierte Aufgaben übernehmen sie nur in Notsituationen. Ihre gewöhnliche Beschäftigung ist die Ausübung jener allgemeinen Pflichten eines Superuniversums, die nicht in den Aufgabenbereich der mit besonderen Missionen betrauten Engel fallen. ***** 28.5 Die Sekundären Sekonaphim ***** Die Sekonaphim der sekundären Ordnung sind nicht weniger reflexiv als ihre primären Gefährten. Im Falle der Sekonaphim bedeutet die Einteilung in primäre, sekundäre und tertiäre keinen Unterschied in Status oder Funktion; sie ist nur ein Hinweis auf Handlungsweisen. Alle drei Gruppen zeigen bei ihren Aktivitäten identische Eigenschaften. Die sieben reflexiven Typen sekundärer Sekonaphim sind den Diensten der koordinierten Mitarbeiter trinitären Ursprungs der Ältesten der Tage folgendermaßen zugeteilt: Den Vervollkommnern der Weisheit - die Stimmen der Weisheit, die Seelen der Philosophie und die Einiger der Seelen. Den Göttlichen Ratgebern - die Herzen des Rates, die Freuden der Existenz und die Befriedigungen im Dienst. Den Universellen Zensoren - die Wahrnehmer der Geiste. Gleich der primären Ordnung wird auch diese Gruppe serienmäßig erschaffen; mit anderen Worten war der Erstgeborene eine Stimme der Weisheit und der siebente danach ebenfalls, und dasselbe gilt für die anderen sechs Typen dieser reflexiven Engel. 1. Die Stimme der Weisheit. Einige dieser Sekonaphim befinden sich in dauernder Verbindung mit den lebendigen Bibliotheken des Paradieses, den primären Supernaphim zugehörenden Hütern des Wissens. Im spezialisierten reflexiven Dienst sind die Stimmen der Weisheit lebendige, mit den letzten Entwicklungen vertraute, übervolle und gänzlich vertrauenswürdige Konzentrationen und Fokussierungen der koordinierten Weisheit des Universums der Universen. Diese wunderbaren Wesen widerspiegeln das nahezu unendliche Informationsvolumen, das auf den Hauptkreisen der Superuniversen zirkuliert, so selektiv und sensibel, dass sie in der Lage sind, daraus die Essenz der Weisheit abzusondern und zu empfangen und diese Juwelen der Gedankenarbeit unfehlbar an ihre Vorgesetzten, die Vervollkommner der Weisheit, weiterzuleiten. Und sie funktionieren so, dass die Vervollkommner der Weisheit nicht nur den tatsächlichen, originalen Ausdruck dieser Weisheit hören, sondern auf reflexivem Wege auch die Wesen hohen oder niederen Ursprungs selber sehen, die sie ausgesprochen haben. Es steht geschrieben: "Wenn es jemandem an Weisheit gebricht, so soll er fragen." Wenn es auf Uversa nötig wird, in den verwirrenden Situationen der komplexen Angelegenheiten der Superuniversumsregierung zu Entscheidungen der Weisheit zu gelangen, wenn sowohl die Weisheit der Vollkommenheit als auch jene der Machbarkeit gefragt sind, bieten die Vervollkommner der Weisheit eine Batterie von Stimmen der Weisheit auf. Mit der ihrer Ordnung eigenen Gewandtheit harmonisieren und lenken die Vervollkommner der Weisheit diese lebendigen Empfänger der gedachten und zirkulierenden Weisheit des Universums der Universen derart, dass aus den sekoraphischen Stimmen augenblicklich ein Strom göttlicher Weisheit aus dem Universum in der Höhe und eine Flut praktisch anwendbarer Weisheit der höheren Denker aus den Universen der Tiefe hervorbricht. Wenn bezüglich der Harmonisierung dieser beiden Weisheitsversionen Verwirrung eintritt, werden sofort die Göttlichen Ratgeber angerufen, die sich unverzüglich für die angemessene Kombination der Vorgehensweisen entscheiden. Wenn irgendein Zweifel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit dessen besteht, was aus Welten, in denen eine Rebellion wütet, hereinkommt, wendet man sich an die Zensoren, die mit Hilfe ihrer Wahrnehmer der Geiste allsogleich in der Lage sind zu entscheiden, "welche Art Geist" die Auskunftsperson bewegte. So sind die Weisheit der Zeitalter und der Intellekt des Augenblicks für die Ältesten der Tage stets verfügbar, sie liegen wie ein offenes Buch vor ihrem gütigen Blick. Ihr könnt schwach erahnen, was all das für diejenigen bedeutet, die die Verantwortung für die Leitung der Superuniversumsregierungen tragen. Die Immensität und das Umfassende dieser Vorgänge liegen völlig jenseits des endlichen Fassungsvermögens. Wenn ihr dereinst, wie ich es wiederholt getan habe, in den besonderen Empfangshallen des Tempels der Weisheit auf Uversa steht und seht, wie all das wirklich vor sich geht, werdet ihr euch zur Anbetung getrieben fühlen angesichts solcher Vollkommenheit in der Komplexität und angesichts der Sicherheit des Funktionierens der interplanetarischen Kommunikationen der Universen. Ihr werdet der göttlichen Weisheit und Güte der Götter, die ihre Pläne mit einer so fabelhaften Technik ausführen, alle Ehre erweisen. Und all diese Dinge tragen sich tatsächlich genau so zu, wie ich sie beschrieben habe. 2. Die Seele der Philosophie. Diese wunderbaren Lehrer sind ebenfalls den Vervollkommnern der Weisheit angeschlossen und bleiben stets, sofern sie nicht andere Weisungen ausführen, in synchroner Ausrichtung auf die Meister der Philosophie im Paradies. Stellt euch vor, sozusagen vor einen riesigen lebendigen Spiegel zu treten, aber darin statt des Ebenbildes eures endlichen und materiellen Selbst eine Widerspiegelung der Weisheit der Göttlichkeit und der Philosophie des Paradieses zu erblicken. Und wenn es gewünscht wird, diese Philosophie der Vollkommenheit zu "inkarnieren", sie derart zu verdünnen, dass sie von den tiefstehenden Völkern der niedrigeren Welten praktisch angewendet und assimiliert werden kann, brauchen diese lebendigen Spiegel ihre Gesichter nur nach unten zu wenden, um die Normen und Bedürfnisse einer anderen Welt oder eines anderen Universums widerzuspiegeln. Durch diese Techniken passen die Vervollkommner der Weisheit Entscheidungen und Empfehlungen den wirklichen Bedürfnissen und dem tatsächlichen Status der betroffenen Völker und Welten an, und dabei handeln sie immer in Abstimmung mit den Göttlichen Ratgebern und Universellen Zensoren. Aber die sublime Fülle dieser Vorgänge übersteigt sogar mein eigenes Fassungsvermögen. 3. Der Einiger der Seelen. Diese Reflektoren der Ideale und des Rangs ethischer Beziehungen vervollständigen den dreifachen Mitarbeiterstab der Vervollkommner der Weisheit. Von allen Problemen des Universums, welche die Anwendung vollendeter, auf Erfahrung und Anpassungsfähigkeit beruhender Weisheit erfordern, sind keine wichtiger als jene, welche aus den Beziehungen und Zusammenschlüssen intelligenter Wesen erwachsen. Ob es sich um menschliche Beziehungen in Handel und Gewerbe, Freundschaft und Ehe oder um Verbindungen in den Engelscharen handelt, es entstehen kontinuierlich unbedeutende Reibereien, kleinere Missverständnisse, die zu alltäglich sind, um Schlichtern unterbreitet zu werden, aber doch irritierend und störend genug, um das glatte Arbeiten des Universums zu beeinträchtigen, wenn ihnen gestattet wird, anzuwachsen und anzudauern. Deshalb stellen die Vervollkommner der Weisheit einem ganzen Superuniversum die weise Erfahrung ihrer Ordnung als "Öl der Aussöhnung" zur Verfügung. Bei all dieser Arbeit werden diese Weisen der Superuniversen gewandt von ihren reflexiven Mitarbeitern, den Einigern der Seelen, sekundiert, die laufend Informationen über den Zustand des Universums liefern und gleichzeitig das Paradies-Ideal des besten Ausgleichs in diesen verwirrenden Angelegenheiten darbieten. Wenn sie nicht anderswo spezifisch eingesetzt werden, bleiben diese Sekonaphim in reflexiver Verbindung mit den Interpreten der Ethik im Paradies. Sie sind die Engel, die in ganz Orvonton die Gemeinschaftsarbeit fördern und ermutigen. Eine der wichtigsten Aufgaben, die ihr auf eurem irdischen Lebensweg lernen müsst, ist Teamarbeit. Die Sphären der Vollkommenheit sind von Wesen bevölkert, die Meister in der Kunst der Zusammenarbeit mit anderen Wesen geworden sind. Es gibt im Universum nur wenige Aufgaben für einsame Diener. Je höher ihr steigt, umso einsamer fühlt ihr euch, wenn ihr die Gesellschaft eurer Gefährten vorübergehend missen müsst. 4. Das Herz des Rates. Dies ist die erste Gruppe reflexiver Genien, die der Leitung der Göttlichen Ratgeber unterstehen. Die Sekonaphim dieses Typs sind im Besitz der Tatsachen des Raums, und sie sprechen selektiv auf Daten dieser Art in den Kreisläufen der Zeit an. Insbesondere reflektieren sie die superaphischen Intelligenzkoordinatoren, aber sie reflektieren selektiv ebenfalls den Rat aller Wesen, ob hohen oder niederen Ranges. Wann immer die Göttlichen Ratgeber um wichtigen Rat oder wichtige Entscheidungen angegangen werden, bieten sie unverzüglich ein Ensemble von Herzen des Rates auf, und alsbald verkünden sie eine Entscheidung, die tatsächlich die koordinierte Weisheit und den koordinierten Rat der kompetentesten Intelligenzen des ganzen Superuniversums einschließt, während all das im Lichte des Rates der hohen Intelligenzen Havonas und sogar des Paradieses zensiert und überprüft worden ist. 5. Die Freude der Existenz. Von Natur aus sind diese Wesen auf die superaphischen Harmonieüberwacher in der Höhe und auf die Seraphim in der Tiefe reflexiv eingestimmt, aber es fällt schwer zu erklären, was die Angehörigen dieser interessanten Gruppe wirklich tun. Ihre hauptsächlichen Aktivitäten zielen darauf ab, bei den verschiedenen Ordnungen der Engelscharen und niedrigeren Willensgeschöpfe Reaktionen der Freude zu fördern. Die Göttlichen Ratgeber, denen sie zugeteilt sind, benutzen sie selten zur eigentlichen Freudefindung. In allgemeinerer Weise und in Zusammenarbeit mit den Leitern der Rückschau wirken sie als Sammelpunkte der Freude, indem sie versuchen, auf den Welten die Freudereaktionen zu heben und den Sinn für Humor zu verbessern, unter Sterblichen und Engeln eine Art Überhumor zu entwickeln. Sie bemühen sich zu beweisen, dass die Freude in der Natur der mit freiem Willen begabten Existenz liegt, und zwar unabhängig von äußeren Einflüssen; und sie haben damit recht, obwohl sie beim Versuch, diese Wahrheit den Gemütern der primitiven Menschen einzupflanzen, auf große Schwierigkeiten stoßen. Die höheren Geistpersönlichkeiten und die Engel sprechen rascher auf diese erzieherischen Anstrengungen an. 6. Die Befriedigung im Dienst. Diese Engel widerspiegeln in hohem Maße die Ansichten der Unterweiser im Verhalten des Paradieses, und sie funktionieren sehr ähnlich wie die Freuden der Existenz, indem sie alles daran setzen, den Sinn für den Wert des Dienstes zu fördern und die daraus erwachsende Befriedigung zu verstärken. Sie haben viel getan, um jene hinausgeschobenen Belohnungen, die im selbstlosen Dienen, im Dienen für die Ausbreitung des Reichs der Wahrheit liegen, in hellem Lichte erstrahlen zu lassen. Die Göttlichen Ratgeber, mit denen diese Ordnung verbunden ist, gebrauchen sie, um die Gewinne, die geistiges Dienen abwirft, auf reflexivem Wege von einer Welt zur anderen zu übertragen. Und indem diese Sekonaphim die Leistungen der Besten heranziehen, um die Mittelmäßigen zu inspirieren und zu ermutigen, tragen sie in gewaltigem Maße zur Qualität hingebungsvollen Dienstes in den Superuniversen bei. Sie machen sich den Geist brüderlichen Wetteiferns auf wirksame Weise zunutze, indem sie jede Welt darüber unterrichten, was die anderen Welten, und insbesondere die besten, tun. Erfrischendes und heilsames Rivalisieren wird sogar unter den seraphischen Heerscharen ermutigt. 7. Der Wahrnehmer der Geiste. Eine besondere Verbindung existiert zwischen den Ratgebern und Beiständen des zweiten Kreises Havonas und diesen reflexiven Engeln. Sie sind die alleinigen Sekonaphim, die den Universellen Zensoren beigegeben sind, aber wohl von all ihren Gefährten diejenigen, die am einzigartigsten spezialisiert sind. Gleichgültig, aus welcher Quelle oder aus welchem Informationskanal etwas stammt, gleichgültig, wie dürftig die verfügbaren Beweise sind, wenn etwas dem reflexiven prüfenden Blick der Wahrnehmer ausgesetzt wird, werden diese uns augenblicklich Auskunft geben über die realen Beweggründe, den wirklichen Vorsatz und die wahre Natur, die der Angelegenheit zugrunde liegen. Ich staune über das wunderbare Arbeiten dieser Engel, die den wahren sittlichen und geistigen Charakter jedes Einzelwesens, auf das sie ihre Aufmerksamkeit konzentrieren, so unfehlbar widerspiegeln. Die Wahrnehmer der Geiste leisten diese kniffligen Dienste kraft ihrer angeborenen "geistigen Schau", wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf, um menschlichem Verständnis den Gedanken zu vermitteln, dass diese reflexiven Geiste dabei intuitiv, aus angeborenem Vermögen und unfehlbar funktionieren. Wenn die Universellen Zensoren solche Porträts betrachten, sehen sie sich der nackten Seele des widergespiegelten Wesens gegenüber; und gerade diese Sicherheit und Vollendung der Porträtierung erklären teilweise, weshalb die Zensoren ihres Amtes immer als so gerechte, objektive Richter walten können. Die Wahrnehmer begleiten die Zensoren stets auf all ihren Missionen außerhalb Uversas, und sie sind draußen in den Universen ebenso leistungsfähig wie in ihrem Hauptquartier auf Uversa. Ich versichere euch, dass all diese Vorgänge der geistigen Welt real sind, dass sie nach festen Spielregeln und in Harmonie mit den unveränderlichen Gesetzen der universellen Domänen ablaufen. Durchaus jedes neu erschaffene Wesen wird, sobald es den Lebensatem empfangen hat, allsogleich auf reflexivem Wege nach oben gemeldet; ein lebendiges Porträt der Natur und des Potentials des Geschöpfs geht blitzartig an die Hauptwelt des Superuniversums ab. Auf diese Weise werden die Zensoren durch die Wahrnehmer vollständig darüber unterrichtet, "was für eine Art Geist" genau auf den Welten des Raums geboren wurde. Mit den sterblichen Menschen verhält es sich so: Der Muttergeist auf Salvington kennt euch durch und durch, denn der Heilige Geist auf eurer Welt "erforscht alle Dinge", und was immer der göttliche Geist über euch weiß, ist unmittelbar abrufbar, wann immer die sekoraphischen Wahrnehmer sich reflexiv mit dem Geist bezüglich dessen verbinden, was dieser Geist von euch weiß. Es muss indes erwähnt werden, dass Wissen und Pläne der Vaterfragmente nicht reflektierbar sind. Die Wahrnehmer können die Anwesenheit der Justierer reflektieren und tun es auch (und die Zensoren nennen sie göttlich), aber sie können den Gedankeninhalt der Unergründlichen Mentoren nicht entschlüsseln. ***** 28.6 Die Tertiären Sekonaphim ***** Gleich ihren Gefährten werden auch diese Engel in Serien und sieben reflexiven Typen erschaffen, aber diese Typen sind den getrennten Diensten der superuniversellen Verwalter nicht individuell zugeteilt. Alle tertiären Sekonaphim sind kollektiv den Trinitisierten Söhnen der Vollbringung zugeteilt, und diese aufsteigenden Söhne setzen sie auswechselbar ein; das heißt, dass die Mächtigen Botschafter sowie ihre Beigeordneten, die Mit Hoher Autorität Begabten und die Namen- und Nummernlosen, jeden der tertiären Typen gebrauchen können. Dies sind die sieben Typen tertiärer Sekonaphe: 1. Die Bedeutung des Ursprungs. Den aufsteigenden Trinitisierten Söhnen einer Superuniversumsregierung obliegt die Verantwortung, sich mit allen Problemen auseinanderzusetzen, die sich aus dem Ursprung irgendeines Einzelwesens, einer Rasse oder Welt ergeben; und der Frage nach dem Ursprung kommt bei all unseren Plänen für den kosmischen Fortschritt der lebendigen Geschöpfe des Reichs ausschlaggebende Bedeutung zu. Alle Beziehungen und die Anwendung der Ethik gehen aus den fundamentalen Tatsachen des Ursprungs hervor. Der Ursprung ist die Basis des Verhaltens der Götter in ihren Beziehungen zu den Geschöpfen. Immer nimmt der Mit-Vollzieher "zur Kenntnis, unter welchen Umständen der Mensch geboren wurde". Bei den höheren niedersteigenden Wesen ist der Ursprung eine einfach zu ermittelnde Tatsache; aber bei den aufsteigenden Wesen einschließlich der niederen Engelsordnungen sind Natur und Umstände des Ursprungs, obwohl bei fast jeder Wende der Universumsangelegenheiten von gleich lebenswichtiger Bedeutung, nicht immer so klar. Man kann deshalb ermessen, was es für uns bedeutet, eine Serie reflexiver Sekonaphim zur Verfügung zu haben, die augenblicklich alles Gewünschte über die Entstehung irgendeines Wesens im Zentraluniversum oder im ganzen großen Gebiet eines Superuniversums anschaulich machen können. Die Bedeutungen des Ursprungs sind die lebendigen, stets verfügbaren Nachschlagewerke, die die Genealogien der gewaltigen Scharen von Wesen - Menschen, Engeln und anderen - enthalten, welche die sieben Superuniversen bewohnen. Sie sind immer bereit, ihren Vorgesetzten eine aktuelle, mehr als vollständige und zuverlässige Beurteilung der Ahnenfaktoren und des derzeitigen wahren Status irgendeines Einzelwesens irgendeiner Welt des jeweiligen Superuniversums zu liefern; und ihre Berechnungen aufgrund der in ihrem Besitze befindlichen Fakten sind immer auf dem allerneuesten Stand. 2. Das Gedächtnis der Barmherzigkeit. Das sind die wirklichen, vollständigen und ausführlichen, lebendigen Aufzeichnungen der Barmherzigkeit, welche Einzelnen und Rassen durch die zarten Zuwendungen der Organe des Unendlichen Geistes bei deren Sendung gespendet wurde, die Gerechtigkeit der Rechtschaffenheit dem Status der Welten anzupassen, so wie dieser aus den Darstellungen der Bedeutungen des Ursprungs hervorging. Das Gedächtnis der Barmherzigkeit enthüllt die sittliche Verschuldung der Kinder der Barmherzigkeit - ihre geistigen Passivposten -, die ihren Aktivposten des von den Söhnen Gottes angelegten rettenden Vorrats entgegengehalten werden muss. Indem die Gottessöhne die vorausexistierende Barmherzigkeit des Vaters offenbaren, gewähren sie den notwendigen Kredit zum Fortleben aller. Und danach wird gemäß den Befunden der Bedeutungen des Ursprungs für das Fortleben jedes einzelnen vernunftbegabten Geschöpfes ein Barmherzigkeitskredit gewährt, ein Kredit von verschwenderischen Ausmaßen und hinreichender Gnade, um das Fortleben jeder Seele sicherzustellen, die wirklich den Wunsch nach dem göttlichen Bürgerrecht verspürt. Ein Gedächtnis der Barmherzigkeit ist eine lebendige Saldenbilanz, ein laufender Auszug eures Kontos bei den übernatürlichen Gewalten der Reiche. Diese Gedächtnisse sind die lebendigen Aufzeichnungen der gespendeten Barmherzigkeit, die beim Zeugenaufruf an den Gerichtshöfen Uversas verlesen werden, wenn es zum Urteil über das Recht jedes Einzelnen auf nie endendes Leben kommt, wenn "die Throne errichtet werden und die Ältesten der Tage Platz nehmen. Die Meldungen Uversas gehen aus ihrer Gegenwart in die Ferne ab; Tausende und Abertausende dienen ihnen zu, und zehntausendmal zehntausend stehen vor ihnen. Das Gericht kann beginnen, und die Bücher sind geöffnet." Und die Bücher, die bei einer so denkwürdigen Gelegenheit geöffnet werden, sind die lebendigen Berichte der tertiären Sekonaphim der Superuniversen. Die förmlichen Berichte liegen bei den Akten, um auf Verlangen das Zeugnis der Gedächtnisse der Barmherzigkeit zu erhärten. Das Gedächtnis der Barmherzigkeit muss nachweisen, dass der von den Gottessöhnen gewährte rettende Kredit im liebevollen Dienst der geduldigen Persönlichkeiten des Dritten Zentralen Ursprungs vollständig und getreulich ausbezahlt worden ist. Aber wenn die Barmherzigkeit erschöpft ist, wenn ihr "Gedächtnis" bezeugt, dass keine mehr vorhanden ist, dann geht die Gerechtigkeit vor und die Rechtschaffenheit dekretiert. Denn Barmherzigkeit ist nicht da, um denen aufgedrängt zu werden, die sie verachten; Barmherzigkeit ist nicht ein Geschenk, das von den hartnäckigen Rebellen der Zeit mit Füßen getreten werden darf. Aber obwohl Barmherzigkeit kostbar ist und als etwas Teures verschenkt wird, sind die individuellen Guthaben, die ihr beziehen könnt, weit größer als eure Fähigkeit, den Vorrat zu erschöpfen, wenn ihr aufrichtig in euren Absichten und ehrlichen Herzens seid. Die reflexiven Gedächtnisse der Barmherzigkeit beteiligen sich zusammen mit ihren tertiären Mitarbeitern an vielen superuniversellen Diensten einschließlich der Unterweisung der aufsteigenden Geschöpfe. Unter vielem anderem lehren die Bedeutungen des Ursprungs die Aufsteiger, wie die geistige Ethik anzuwenden ist, und im Anschluss an diese Schulung lehren die Gedächtnisse der Barmherzigkeit sie, wie man wahrhaft erbarmungsvoll wird. Obwohl die geistigen Methoden der Ausübung von Barmherzigkeit eure Vorstellungskraft übersteigen, solltet ihr jetzt schon verstehen, dass Barmherzigkeit eine wachsende Eigenschaft ist. Ihr solltet euch bewusst werden, dass man reich belohnt wird an persönlicher Genugtuung, wenn man zunächst gerecht, dann fair, dann geduldig und dann freundlich wird. Und wenn ihr es wählt und es euer Herzenswunsch ist, könnt ihr auf diesem Fundament den nächsten Schritt tun und wirklich Barmherzigkeit üben; aber ihr könnt nicht einfach Barmherzigkeit an sich zeigen. Es mag sich dann um Bevormundung, Herablassung oder Wohltätigkeit - oder gar Mitleid - handeln, aber nicht um Barmherzigkeit. Wahre Barmherzigkeit stellt sich erst ein als wunderbare Krönung der ihr vorangehenden Helfer des Gruppenverständnisses wie gegenseitige Wertschätzung, brüderlicher Umgang, geistige Verbindung und göttliche Harmonie. 3. Die Wichtigkeit der Zeit. Die Zeit ist die an alle Willensgeschöpfe ausgeteilte universale Gabe; sie ist das allen intelligenten Wesen anvertraute "eine Talent". Ihr alle habt Zeit, um euer Fortleben sicherzustellen; die Zeit ist nur dann auf verhängnisvolle Weise vergeudet, wenn sie nachlässig vertan wird, wenn ihr es versäumt, sie so zu nutzen, dass ihr des Fortlebens eurer Seele sicher sein könnt. Das Unvermögen, seine Zeit bis zum Allerletzten auszunutzen, hat keine tödlichen Sanktionen zur Folge; es hält einfach den Pilger der Zeit auf seiner aufsteigenden Reise zurück. Ist das Fortleben einmal gewonnen, können alle anderen Verluste wieder wettgemacht werden. Bei der Besetzung von Vertrauensposten ist der Rat der Wichtigkeiten der Zeit von unschätzbarem Wert. Die Zeit ist diesseits Havonas und des Paradieses in allem ein lebenswichtiger Faktor. Beim letzten Gericht vor den Ältesten der Tage ist die Zeit ein Element der Beweisführung. Die Wichtigkeiten der Zeit müssen mit ihrem Zeugnis immer den Beweis erbringen, dass jeder Angeklagte ausgiebig Zeit gehabt hat, Entscheidungen zu fällen, zu einer Wahl zu gelangen. Diese Zeitabwäger sind auch das Geheimnis der Prophetie; sie geben das Element Zeit an, das zur Erfüllung irgendeines Unternehmens erforderlich ist, und ihre Auskünfte sind ebenso zuverlässig wie diejenigen der Frandalanke und Chronoldeke, die anderen Lebensordnungen angehören. Die Götter sehen voraus, und deshalb wissen sie voraus; aber die aufsteigenden Autoritäten der Universen der Zeit müssen die Wichtigkeiten der Zeit befragen, um Ereignisse der Zukunft voraussagen zu können. Ihr werdet diesen Wesen zum ersten Mal auf den Residenzwelten begegnen, und sie werden euch dort im vorteilhaften Gebrauch dessen unterweisen, was ihr "Zeit" nennt, und zwar sowohl in ihrer positiven Verwendung als Arbeit als auch in ihrem negativen Gebrauch als Ruhe. Beide Arten, die Zeit zu nutzen, sind wichtig. 4. Die Feierlichkeit des Vertrauens. Vertrauen ist der entscheidende Test der Willensgeschöpfe. Vertrauenswürdigkeit ist der wahre Maßstab der Selbstbeherrschung, des Charakters. Diese Sekonaphim erfüllen in der Ökonomie der Superuniversen einen doppelten Zweck: Sie vermitteln allen Willensgeschöpfen den Sinn der Verpflichtung zum Vertrauen, seiner Heiligkeit und Feierlichkeit. Gleichzeitig informieren sie die regierenden Autoritäten auf reflexivem Wege unfehlbar über die genaue Vertrauenswürdigkeit jedes Anwärters auf ein Vertrauensamt. Auf Urantia versucht ihr auf groteske Weise, den Charakter zu lesen und bestimmte Fähigkeiten abzuschätzen, aber auf Uversa tun wir diese Dinge wirklich in Vollendung. Diese Sekonaphim wägen die Vertrauenswürdigkeit anhand ihrer lebendigen Tabellen unfehlbarer Charaktereinschätzung ab, und wenn sie euch betrachtet haben, brauchen wir nur auf sie zu schauen, um die Grenzen eurer Fähigkeit zu kennen, Verantwortung zu tragen, auf Vertrauen beruhende Aufgaben auszuführen und Missionen zu erfüllen. Eure Aktiven der Vertrauenswürdigkeit werden neben euren Passiven möglicher Pflichtversäumnis oder möglichen Verrats klar offen gelegt. Der Plan eurer Vorgesetzten sieht vor, euch durch zunehmende Übertragung von Verantwortung gerade so schnell vorrücken zu lassen, wie die Entwicklung eures Charakters euch erlaubt, diese zusätzlichen Verantwortlichkeiten mit Anmut zu tragen; aber jemandem zu große Bürden aufzuladen, beschwört nur Unheil herauf und endet in sicherer Enttäuschung. Der Fehler, einem Menschen oder Engel vorzeitig Verantwortung zu übertragen, kann vermieden werden, wenn man den Dienst dieser untrüglichen Begutachter der Vertrauenskapazität der Einzelwesen von Zeit und Raum in Anspruch nimmt. Diese Sekonaphim begleiten stets die Mit Hoher Autorität Begabten, und nie schreiten diese ausführenden Wesen zu Ernennungen, bevor ihre Anwärter auf den sekoraphischen Waagen gewogen und als "der Sache gewachsen" erklärt worden sind. 5. Die Heiligkeit des Dienens. Das Vorrecht des Dienens folgt unmittelbar auf die Entdeckung der Vertrauenswürdigkeit. Nichts kann sich zwischen euch und die Gelegenheit zu vermehrtem Dienst stellen außer eurer eigenen Vertrauensunwürdigkeit, eurer mangelnden Fähigkeit, die Feierlichkeit des Vertrauens zu würdigen. Dienen - vorsätzliches Dienen, nicht Sklaventum - bringt die höchste Befriedigung und drückt die göttlichste Würde aus. Dienen - mehr Dienen, zunehmendes Dienen, schwieriges Dienen, abenteuerliches Dienen und zuletzt göttliches und vollkommenes Dienen - ist das Ziel der Zeit und die Bestimmung des Raums. Aber immer werden die dem Spiel gewidmeten Zyklen der Zeit mit den Dienstzyklen des Fortschritts abwechseln. Und auf den Dienst der Zeit folgt der Überdienst der Ewigkeit. Während des Spiels der Zeit solltet ihr euch die Arbeit der Ewigkeit vorzustellen versuchen, so wie ihr euch während des Dienstes der Ewigkeit an das Spiel der Zeit zurückerinnern werdet. Die universale Ökonomie beruht auf Ein- und Ausströmen; während eurer ewigen Laufbahn werdet ihr nie untätige Monotonie oder eine Stagnation eurer Persönlichkeit erleben. Fortschritt wird durch die angeborene Bewegung ermöglicht, Wachstum folgt aus der göttlichen Fähigkeit des Handelns, und Vollbringung ist das Kind imaginativer Abenteuerlust. Aber dieser Fähigkeit zum Vollbringen wohnt die ethische Verantwortung inne, die Notwendigkeit zu erkennen, dass die Welt und das Universum mit einer Menge verschiedenartiger Wesen angefüllt sind. Diese ganze herrliche Schöpfung einschließlich deiner selbst wurde nicht einzig für dich erschaffen. Dies ist kein egozentrisches Universum. Die Götter haben die Losung ausgegeben: "Es liegt größerer Segen im Geben als im Empfangen." Und euer Meistersohn sagte: "Wer von euch der Größte sein möchte, möge zum Diener aller werden." Die wahre Natur irgendeines von Menschen oder Engeln erbrachten Dienstes enthüllt sich vollständig vor dem Angesicht dieser sekoraphischen Begutachter, der Heiligkeiten des Dienens. In aller Klarheit erscheint eine erschöpfende Analyse der wahren und verborgenen Motive. Diese Engel sind in der Tat die Gedankenleser, Herzenserforscher und Seelenoffenbarer der Universen. Die Sterblichen mögen Worte gebrauchen, um ihre Gedanken zu verstecken, aber diese hohen Sekonaphim legen die tiefen Beweggründe der Menschenherzen und Engelsgemüter bloß. 6 und 7. Das Geheimnis der Größe und die Seele der Güte. Wenn die aufsteigenden Pilger zur Wichtigkeit der Zeit erwacht sind, ist der Weg bereitet für die Erkenntnis der Feierlichkeit des Vertrauens und für die Würdigung der Heiligkeit des Dienens. Während all dies sittliche Elemente der Größe sind, gibt es auch Geheimnisse der Größe. Wenn die Größe auf ihre Geistigkeit hin geprüft wird, werden die sittlichen Elemente nicht vernachlässigt, aber die Beschaffenheit der Selbstlosigkeit, die sich im uneigennützigen Einsatz für das Wohlergehen unserer irdischen Gefährten, insbesondere würdiger, in Not und Leid geratener Wesen, ausdrückt, ist das wahre Maß planetarischer Größe. Und die Manifestation von Größe auf einer Welt wie Urantia ist die an den Tag gelegte Selbstbeherrschung. Der große Mensch ist nicht jener, der "eine Stadt einnimmt" oder "eine Nation besiegt", sondern vielmehr "derjenige, der seine Zunge im Zaum hält". Größe ist gleichbedeutend mit Göttlichkeit. Gott ist über alles groß und gut. Größe und Güte können ganz einfach nicht voneinander getrennt werden. Sie sind in Gott auf ewig eins. Diese Wahrheit wird buchstäblich und frappierend illustriert durch die reflexive gegenseitige Abhängigkeit der Geheimnisse der Größe und der Seelen der Güte, denn die einen können nicht ohne die anderen funktionieren. Bei der Widerspiegelung anderer Eigenschaften der Göttlichkeit können die Sekonaphim der Superuniversen allein handeln und tun es auch, aber die reflexiven Beurteilungen von Größe und Güte sind offensichtlich unzertrennlich. Deshalb müssen diese reflexiven Engel der Größe und Güte auf jeder Welt und in jedem Universum zusammenarbeiten, indem sie immer einen doppelten und gegenseitig abhängigen Befund von jedem Wesen zeigen, auf das sie ihre gebündelte Aufmerksamkeit richten. Größe kann nicht eingeschätzt werden, ohne den Inhalt der Güte zu kennen, während Güte nicht dargestellt werden kann, ohne die ihr innewohnende göttliche Größe aufzudecken. Die Einschätzung der Größe variiert von Sphäre zu Sphäre. Groß sein heißt gottgleich sein. Und aus der Tatsache, dass die Qualität der Größe völlig durch den Inhalt der Güte bestimmt wird, folgt, dass ihr sogar in eurem gegenwärtigen menschlichen Dasein, sollte euch die Gnade widerfahren, gut zu werden, dadurch auch groß werdet. Je unverwandter ihr euren Blick auf die Vorstellungen von göttlicher Güte richtet und je beharrlicher ihr diese verfolgt, desto sicherer werdet ihr an Größe zunehmen, an wahrer Größe mit echter Gewähr für das Fortleben. ***** 28.7 Der Dienst der Sekonaphim ***** Ursprung und Hauptquartier der Sekonaphim befinden sich in den Kapitalen der Superuniversen, aber zusammen mit ihren Verbindungsgefährten operieren sie von den Gestaden des Paradieses bis zu den evolutionären Welten des Raums. Sie dienen den Mitgliedern der beratenden Versammlungen der Superregierungen als hochgeschätzte Helfer und sind den Höflichkeitskolonien auf Uversa eine große Stütze: Sternforschern, Millenniumsreisenden, himmlischen Beobachtern und einer großen Schar anderer, einschließlich der aufsteigenden Wesen, die den Transport nach Havona abwarten. Die Ältesten der Tage machen sich eine Freude daraus, bestimmte Primäre Sekonaphim damit zu beauftragen, den aufsteigenden Geschöpfen beizustehen, die auf den vierhundertneunzig Uversa umringenden Studienwelten wohnen, und hier wirken auch viele Vertreter der zweiten und dritten Ordnung als Lehrer. Diese Satelliten Uversas sind die Abschlussschulen der Universen der Zeit und stellen den Vorbereitungskurs auf die Universität der sieben Kreise Havonas dar. Von den drei Sekonaphimordnungen befasst sich die tertiäre Gruppe, die den aufsteigenden Autoritäten zugeteilt ist, am eingehendsten mit den aufsteigenden Geschöpfen der Zeit. Ihr werdet ihnen gelegentlich bald nach eurem Verlassen Urantias begegnen; indessen werdet ihr ihre Dienste erst frei in Anspruch nehmen, wenn ihr die Welten Orvontons erreicht, auf denen ihr lange verweilen werdet. Ihr werdet ihre Gesellschaft genießen, nachdem ihr mit ihnen während eures Aufenthaltes auf den Schulungswelten Uversas erst einmal ganz vertraut geworden seid. Die tertiären Sekonaphim sind Zeitsparer, Raumabkürzer, Irrtumsdetektoren, treue Lehrer und ewige Wegweiser - lebendige Zeichen göttlicher Gewissheit - die barmherzig an die Wegscheiden der Zeit gestellt worden sind, um dort die Schritte beklommener Pilger in Augenblicken großer Perplexität und geistiger Unsicherheit zu lenken. Lange bevor ihr die Tore der Vollkommenheit erreicht, werdet ihr allmählich zu den Werkzeugen der Göttlichkeit Zugang finden und mit den Techniken der Gottheit in Berührung kommen. Vom Augenblick an, da ihr auf der ersten Residenzwelt ankommt, bis ihr in Havona eure Augen zum Schlaf vor eurem Paradies-Transit schließt, werdet ihr in dringenden Fällen zunehmend die Hilfe dieser wunderbaren Wesen in Anspruch nehmen, die das bestimmte Wissen und die sichere Weisheit jener sicheren und verlässlichen Pilger, die euch auf der langen Reise zu den Pforten der Vollkommenheit vorausgegangen sind, so vollständig und freigebig widerspiegeln. Das volle Vorrecht, diese Engel der reflexiven Ordnung auf Urantia einzusetzen, ist uns verwehrt. Sie besuchen eure Welt häufig als Begleiter beauftragter Persönlichkeiten, aber sie können hier nicht ungehindert funktionieren. Diese Sphäre steht immer noch teilweise unter geistiger Quarantäne, und einige der für die Dienste der Sekonaphim unabdinglichen Kreisläufe sind gegenwärtig nicht vorhanden. Wenn eure Welt wiederum in die betreffenden reflexiven Kreise eingeschaltet ist, wird sich vieles in interplanetarischer und interuniverseller Kommunikation bedeutend vereinfachen und beschleunigen. Die himmlischen Arbeiter begegnen auf Urantia wegen der funktionellen Behinderung ihrer reflexiven Mitarbeiter vielen Schwierigkeiten. Aber wir fahren fröhlich fort, unseren Aufgaben mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nachzugehen, obwohl wir hier auf viele Dienste dieser wunderbaren Wesen, dieser lebendigen Spiegel des Raums, dieser Projektoren der Zeit in die Gegenwart, verzichten müssen. [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter aus Uversa.] ****** Kapitel 29 Die Machtlenker des Universums ****** VON allen Universumspersönlichkeiten, die sich mit der Regulierung interplanetarischer und interuniverseller Angelegenheiten befassen, sind die Machtlenker und ihre Mitarbeiter die auf Urantia am wenigsten gut verstandenen. Während eure Rassen seit langem um die Existenz von Engeln und ähnlichen Ordnungen himmlischer Wesen wissen, ist euch nur wenig über die Kontroll- und Regulierungspersönlichkeiten des physischen Bereichs mitgeteilt worden. Auch jetzt ist mir nur erlaubt, die letzte der folgenden drei Gruppen lebendiger Wesen, die sich im Alluniversum mit der Kraftkontrolle und Energieregulierung abgeben, ganz zu offenbaren: 1. Primäre Eventuierte Haupt-Kraftorganisatoren. 2. Assoziierte Transzendente Haupt-Kraftorganisatoren. 3. Machtlenker des Universums. Obwohl ich es als unmöglich erachte, die Individualität der verschiedenen Gruppen von Lenkern, Zentren und Überwachern der Universumsmacht zu schildern, hoffe ich doch, fähig zu sein, etwas über ihr Tätigkeitsfeld auszusagen. Sie sind eine einzigartige Gruppe lebendiger Wesen, die sich im ganzen Großen Universum mit der intelligenten Regulierung der Energie abgeben. Unter Einbeziehung der supremen Lenker umfassen sie die folgenden Hauptabteilungen: 1. Die Sieben Supremen Machtlenker. 2. Die Supremen Machtzentren. 3. Die Physischen Hauptüberwacher. 4. Die Morontiellen Machtüberwacher. Die Supremen Machtlenker und -zentren existieren seit beinah ewigen Zeiten, und soweit wir wissen, sind keine weiteren Wesen dieser Ordnungen erschaffen worden. Die sieben Supremen Lenker wurden durch die Sieben Hauptgeiste personifiziert, und danach beteiligten sie sich mit ihren Eltern an der Erzeugung von mehr als zehn Milliarden Mitarbeitern. Vor den Tagen der Machtlenker hatten die Energiekreisläufe des Raums außerhalb des Zentraluniversums unter der intelligenten Überwachung der Haupt-Kraftorganisatoren des Paradieses gestanden. Da ihr wisst, was materielle Geschöpfe sind, könnt ihr euch von geistigen Wesen wenigstens ein dazu im Kontrast stehendes Bild machen, aber es ist für den sterblichen Verstand sehr schwer, sich die Machtlenker vorzustellen. Im Plan für den Fortschritt der Aufsteiger zu höheren Existenzebenen werdet ihr direkt weder mit den supremen Lenkern noch mit den Machtzentren etwas zu tun haben. Bei bestimmten seltenen Gelegenheiten werdet ihr zu den physischen Überwachern in Beziehung treten, und nach eurer Ankunft auf den Residenzwelten werdet ihr ungezwungen mit den Überwachern der morontiellen Macht zusammenarbeiten. Diese Morontiellen Machtüberwacher funktionieren so ausschließlich in der morontiellen Domäne der Lokalschöpfungen, dass es uns am besten erscheint, über ihre Aktivitäten in der dem Lokal-universum gewidmeten Abteilung zu berichten. ***** 29.1 Die Sieben Supremen Machtlenker ***** Die Sieben Supremen Machtlenker regulieren die physische Energie des Großen Universums. Ihre Erschaffung durch die Sieben Hauptgeiste ist das erste registrierte Beispiel halbmaterieller Nachkommen von wahrhaft geistigen Ahnen. Wenn die Sieben Hauptgeiste individuell erschaffen, erzeugen sie hochpersönliche Persönlichkeiten von der Art der Engel; wenn sie kollektiv erschaffen, bringen sie manchmal diese hohen Typen halbmaterieller Wesen hervor. Aber sogar diese beinah materiellen Wesen wären für die kurzsichtigen Augen der Sterblichen Urantias unsichtbar. Es gibt sieben Supreme Machtlenker, und sie sind identisch in Erscheinung und Funktion. Sie können nicht voneinander unterschieden werden außer durch denjenigen Hauptgeist, mit dem jeder unmittelbar verbunden und dem er funktionell völlig untergeordnet ist. So steht jeder der Hauptgeiste in einem ewigen Bund mit einem ihrer kollektiven Sprosse. Derselbe Lenker ist immer demselben Geist verbunden, und aus ihrer funktionellen Partnerschaft ergibt sich ein einzigartiges Zusammenspiel physischer und geistiger Energien, eines halbmateriellen Wesens und einer Geistpersönlichkeit. Die Sieben Supremen Machtlenker haben ihren Sitz auf dem peripheren Paradies, wo ihre sich langsam fortbewegenden Gegenwarten die Lage der Sitze fokussierter Kraft der Hauptgeiste angeben. Die Machtlenker funktionieren bei der Macht-Energie-Regulierung der Superuniversen einzeln, aber kollektiv bei der Verwaltung der zentralen Schöpfung. Sie operieren vom Paradies aus, sind aber in allen Abteilungen des Großen Universums in den wirksamen Machtzentren gegenwärtig. Diese mächtigen Wesen sind die physischen Ahnen der gewaltigen Heerschar von Machtzentren und, über diese, die Ahnen der über alle sieben Superuniversen verstreuten physischen Überwacher. Solch untergeordnete Organismen physischer Kontrolle sind grundsätzlich einheitlich, identisch, wenn man von der unterschiedlichen Färbung jedes superuniversellen Korps absieht. Um in den Dienst eines anderen Superuniversums hinüberzuwechseln, brauchten sie nur zu einer neuen Einfärbung ins Paradies zurückzukehren. Die physische Schöpfung ist in ihrer Verwaltung grundsätzlich uniform. ***** 29.2 Die Supremen Machtzentren ***** Die Sieben Supremen Machtlenker sind individuell keiner Fortpflanzung fähig, aber kollektiv und in Verbindung mit den Sieben Hauptgeisten können sie andere ihnen ähnliche Wesen erzeugen - erschaffen - und tun es auch. Das ist der Ursprung der Supremen Machtzentren des Großen Universums, die in den folgenden sieben Gruppen funktionieren: 1. Supreme Zentrenüberwacher. 2. Zentren Havonas. 3. Superuniversumszentren. 4. Lokaluniversumszentren. 5. Konstellationszentren. 6. Systemzentren. 7. Nichtklassifizierte Zentren Gleich den Supremen Machtlenkern sind diese Machtzentren Wesen mit großer Willens- und Handlungsfreiheit. Sie sind reich ausgestattet mit Persönlichkeit des Dritten Ursprungs und legen eine fraglose Willensfähigkeit hoher Art an den Tag. Diese leitenden Zentren des Machtsystems des Universums sind mit ausgesuchter Intelligenz begabt; sie sind der Intellekt des Machtsystems des Großen Universums und das Geheimnis der Verstandestechnik, die das gewaltige Netzwerk der ausgedehnten Funktionen der Physischen Hauptüberwacher und der Morontiellen Machtüberwacher kontrolliert. 1. Supreme Zentrenüberwacher. Diese sieben Beigeordneten und Mitarbeiter der Supremen Machtlenker sind die Regulierer der Hauptenergiekreise des Großen Universums. Jeder der Zentrenüberwacher hat seinen Sitz auf einer der besonderen Welten der Sieben Supremen Vollzieher, und sie arbeiten eng mit diesen Koordinatoren allgemeiner Universumsangelegenheiten zusammen. Die Supremen Machtlenker und die Supremen Zentrenüberwacher funktionieren sowohl individuell als auch gemeinsam bei der Handhabung aller kosmischen Phänomene unterhalb der Ebene der "Gravitationsenergie". Wenn sie im Verband handeln, sind diese vierzehn Wesen für die Universumsmacht, was die Sieben Supremen Vollzieher für die allgemeinen Universumsangelegenheiten und die Sieben Hauptgeiste für den kosmischen Verstand. 2. Zentren Havonas. Vor der Erschaffung der Universen von Zeit und Raum hatte Havona keine Machtzentren nötig, aber seit diesen weit zurückliegenden Zeiten haben ihrer stets eine Million in der zentralen Schöpfung gewirkt, wobei jedes Zentrum je tausend Welten Havonas überwacht. Hier im göttlichen Universum ist die Kontrolle der Energie vollkommen, ein Zustand, den es nirgendwo anders gibt. Die Vollkommenheit der Energieregulierung ist das höchste Ziel aller Machtzentren und physischen Raumüberwacher. 3. Superuniversumszentren. Eintausend Machtzentren der dritten Ordnung nehmen einen riesigen Bezirk auf der Hauptsphäre jedes der sieben Superuniversen in Anspruch. Drei Ströme primärer Energie, deren jeder zehn Unterabteilungen umfasst, treten in diese Machtzentren ein, aber sieben spezialisierte und wohlausgerichtete, wenngleich unvollkommen kontrollierte Machtkreise verlassen ihren Sitz gemeinsamer Aktion. Das ist die elektronische Organisation der Universumsmacht. Alle Energie ist im Paradies-Kreis geschaltet, aber die Machtlenker des Universums richten die Kraft-Energien des unteren Paradieses, so wie sie diese in ihrer Modifikation für die Raumfunktionen des Zentraluniversums und der Superuniversen vorfinden; sie wandeln diese Energien um und lenken sie in Kanäle nutzbringender und konstruktiver Anwendung. Es besteht ein Unterschied zwischen der Energie Havonas und den Energien der Superuniversen. Die Machtladung eines Superuniversums besteht aus drei Energiephasen mit je zehn Unterabteilungen. Diese dreifache Energieladung breitet sich im ganzen Raum des Großen Universums aus; sie ist wie ein gewaltiger bewegter Energieozean, welcher jede der sieben Superschöpfungen in ihrer Gesamtheit überflutet und überspült. Die elektronische Organisation der Universumsmacht funktioniert in sieben Phasen und zeigt unterschiedliche Reaktionen auf die lokale oder lineare Gravitation. Dieser siebenfache Kreislauf entspringt den Machtzentren der Superuniversen und durchdringt jede Superschöpfung. Derartige spezialisierte Zeit- und Raumströme sind ganz bestimmte, lokalisierte Energiebewegungen, die für spezifische Zwecke ausgelöst und gerichtet wurden, ganz ähnlich wie der Golfstrom als eindeutiges Phänomen inmitten des Atlantischen Ozeans funktioniert. 4. Lokaluniversumszentren. Auf der Hauptwelt jedes Lokaluniversums sind einhundert Machtzentren der vierten Ordnung stationiert. Ihre Funktion besteht darin, die den superuniversellen Hauptwelten entströmenden Machtkreise herabzuschalten und anderswie zu modifizieren, damit sie durch die Dienste der Konstellationen und Systeme verwendet werden können. Die lokalen astronomischen Katastrophen des Raums beschäftigen diese Machtzentren nur beiläufig; sie kümmern sich um die geordnete Versorgung der ihnen unterstellten Konstellationen und Systeme mit wirksamer Energie. Sie sind den Schöpfersöhnen in den späteren Zeiten der Universumsorganisation und Energiemobilisierung eine große Hilfe. Diese Zentren sind imstande, verstärkte Energiebahnen einzurichten, die der interplanetarischen Kommunikation zwischen wichtigen bewohnten Punkten dienen. Eine solche manchmal auch Energiepfad genannte Energiebahn oder -linie ist ein direkter Energiekreis von einem Machtzentrum zu einem anderen Machtzentrum oder von einem physischen Überwacher zu einem anderen. Es handelt sich dabei um einen individualisierten Machtstrom im Gegensatz zu den freien Raumbewegungen der undifferenzierten Energie. 5. Konstellationszentren. Zehn dieser lebendigen Machtzentren sind auf jeder Konstellation stationiert, wo sie als Energiezulieferer für die einhundert abhängigen Lokalsysteme wirken. Von diesen Wesen gehen die Machtlinien für Kommunikation und Transport sowie für die Versorgung jener lebendigen Geschöpfe mit Energie aus, die zur Aufrechterhaltung ihres Lebens von bestimmten Formen physischer Energie abhängen. Aber im Übrigen haben weder die Machtzentren noch die untergeordneten physischen Überwacher mit dem Leben als funktioneller Organisation etwas zu tun. 6. Systemzentren. Jedem Lokalsystem ist dauernd ein Supremes Machtzentrum zugeteilt. Diese Systemzentren schicken die Machtkreisläufe zu den bewohnten Welten von Zeit und Raum. Sie koordinieren die Aktivitäten der untergeordneten physischen Überwacher und sorgen noch anderswie für eine zufriedenstellende Versorgung des Lokalsystems mit Macht. Die Übertragung in den Kreisläufen zwischen den Planeten hängt von der vollkommenen Koordination bestimmter materieller Energien und von der wirksamen Regulierung der physischen Macht ab. 7. Nichtklassifizierte Zentren. Das sind Zentren, die in bestimmten lokalen Situationen funktionieren, nicht aber auf den bewohnten Welten. Die individuellen Welten befinden sich in der Obhut der Physischen Hauptüberwacher und empfangen die vom Machtzentrum ihres Systems ausgesandten, in Kreisen geschalteten Machtlinien. Einzig Himmelskörper mit ganz außergewöhnlichen Energieverhältnissen besitzen Machtzentren der siebenten Ordnung, die als Universums-Unruhen oder Energieregler wirken. In jeder Aktivitätsphase sind diese Machtzentren denjenigen voll ebenbürtig, die auf den höheren Kontrolleinheiten funktionieren; aber auf eine Million Raumkörper kommt nicht einmal einer, der eine solche lebendige Machtorganisation beherbergt. ***** 29.3 Die Domäne der Machtzentren ***** Die über die Superuniversen verstreuten Supremen Machtzentren zählen mit ihren Mitarbeitern und Untergebenen mehr als zehn Milliarden. Und sie stehen alle in vollkommenem Synchronismus und vollständiger Verbindung mit ihren Eltern im Paradies, den Sieben Supremen Machtlenkern. Auf diese Weise ist die Machtkontrolle des Großen Universums der Obhut und Leitung der Sieben Hauptgeiste, der Schöpfer der Sieben Supremen Machtlenker, anheim gegeben. Die Supremen Machtlenker und all ihre Mitarbeiter, Helfer und Untergebenen können auf ewig von keinem Tribunal des Raums verhaftet oder sonstwie belangt werden; und sie sind weder der administrativen Leitung der superuniversellen Regierung der Ältesten der Tage noch der Lokaluniversumsverwaltung der Schöpfersöhne unterworfen. Diese Machtzentren und -leiter sind durch die Kinder des Unendlichen Geistes erschaffen worden. Sie gehören nicht zu der Verwaltung der Söhne Gottes, obwohl sie sich den Schöpfersöhnen in den späteren Epochen der materiellen Universumsorganisation anschließen. Hingegen stehen die Machtzentren irgendwie in enger Verbindung mit der kosmischen höchsten Kontrolle des Supremen Wesens. Machtzentren und physische Überwacher werden nicht geschult; als vollkommene Wesen erschaffen, sind sie in ihrem Handeln von Natur aus vollkommen. Nie wechseln sie von einer Funktion zu einer anderen; sie dienen immer in ihrem ursprünglichen Aufgabenkreis. Es findet in ihren Reihen keine Evolution statt, und das gilt für alle sieben Abteilungen beider Ordnungen. Da sie keine aufsteigende Vergangenheit haben, auf die sie sich zurückbesinnen könnten, geben sich Machtzentren und physische Überwacher nie dem Spiel hin; all ihr Tun ist durch und durch geschäftsmäßig. Sie haben ständig Dienst; im universellen Plan ist nichts für einen Unterbruch der physischen Energielinien vorgesehen; nie können diese Wesen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde in ihrer direkten Überwachung der Energiekreise von Zeit und Raum nachlassen. Die Machtlenker, -zentren und -überwacher haben in der ganzen Schöpfung mit nichts anderem zu tun als mit Macht, materieller oder halbmaterieller Energie; sie erzeugen sie nicht, aber sie modifizieren, manipulieren und richten sie. Ebenso wenig haben sie irgendetwas mit physischer Gravitation zu schaffen, außer ihrer Anziehungskraft zu widerstehen. Ihre Beziehung zur Gravitation ist rein negativer Art. Die Machtzentren benutzen gewaltige Mechanismen und Koordinationen materieller Art in Verbindung mit den lebendigen Mechanismen der verschiedenen getrennten Energiekonzentrationen. Jedes individuelle Machtzentrum baut sich aus genau einer Million funktioneller Kontrolleinheiten auf, und diese die Energie modifizierenden Einheiten sind nicht stationär wie die lebenswichtigen Organe des menschlichen physischen Körpers; diese "lebenswichtigen Organe" der Machtregulierung sind beweglich und wahrhaft kaleidoskopisch in ihren Verbindungsmöglichkeiten. Ich bin ganz und gar unfähig zu erklären, auf welche Art diese lebendigen Wesen die Manipulierung und Regulierung der Hauptkreise der Universumsenergie bewerkstelligen. Euch mehr über Größe und Funktion dieser riesigen und nahezu vollkommen arbeitenden Machtzentren verraten zu wollen, würde eure Verwirrung und Bestürzung nur noch vergrößern. Sie sind sowohl lebendig als auch "persönlich", aber jenseits eurer Vorstellungskraft. Außerhalb Havonas funktionieren die Supremen Machtzentren nur auf eigens erbauten (architektonischen) Sphären oder auf anderswie günstig beschaffenen Raumkörpern. Die architektonischen Welten sind so konstruiert, dass die lebendigen Machtzentren als selektive Schalter handeln können, um die Raumenergien, die sich über diese Sphären ergießen, auszurichten, zu modifizieren und zu konzentrieren. Sie könnten auf gewöhnlichen evolutionären Sonnen oder Planeten nicht in dieser Weise funktionieren. Gewisse Gruppen kümmern sich auch um die Beheizung und andere materielle Bedürfnisse dieser besonderen Hauptwelten. Und obwohl dies das Wissen Urantias übersteigt, kann ich verraten, dass diese Ordnungen lebendiger Machtpersönlichkeiten viel mit der Austeilung des Lichts, das ohne Hitze scheint, zu tun haben. Sie rufen dieses Phänomen zwar nicht hervor, aber sie befassen sich mit seiner Verbreitung und Ausrichtung. Aufgabe der Machtzentren und der ihnen unterstellten Überwacher ist das Funktionieren aller materiellen Energien des organisierten Raums. Sie arbeiten mit den drei Grundströmen zu je zehn Energien. Das ist die Energieladung des organisierten Raums; und der organisierte Raum ist ihre Domäne. Die Machtlenker des Universums haben überhaupt nichts mit jenen ungeheuren Kraftaktivitäten zu tun, die sich jetzt außerhalb der gegenwärtigen Grenzen der sieben Superuniversen abspielen. Die Machtzentren und -überwacher haben nur sieben der zehn in jedem universellen Grundstrom vorhandenen Energieformen vollkommen unter ihrer Kontrolle; die Formen, die sich ihrer Kontrolle teilweise oder ganz entziehen, müssen die nicht vorhersagbaren Bereiche der Energiemanifestation sein, die vom Eigenschaftslosen Absoluten beherrscht werden. Es könnte sein, dass sie einen Einfluss auf die Urkräfte dieses Absoluten haben, aber uns sind keine derartigen Funktionen bekannt, obwohl es schwache Hinweise gibt, die zur Annahme berechtigen, dass bestimmte physische Überwacher manchmal automatisch auf gewisse Impulse des Universalen Absoluten reagieren. Diese lebendigen Machtmechanismen stehen in keiner bewussten Verbindung mit der höchsten Energiekontrolle, die das Eigenschaftslose Absolute im Alluniversum ausübt, aber wir vermuten, dass ihr ganzes, nahezu vollkommenes System der Machtlenkung auf irgendeine unbekannte Art dieser übergravitationellen Gegenwart untersteht. In jeder lokalen Energiesituation üben die Zentren und Überwacher Quasi-Suprematie aus, aber sie sind sich stets der überenergetischen Gegenwart und nicht erkenntlichen Tätigkeit des Eigenschaftslosen Absoluten bewusst. ***** 29.4 Die Physischen Hauptüberwacher ***** Diese Wesen sind die mobilen Untergebenen der Supremen Machtzentren. Die physischen Überwacher sind mit Gaben individueller Verwandlung ausgerüstet, die sie zu bemerkenswert vielfältigen Arten des Eigentransportes befähigen. Sie sind imstande, den lokalen Raum mit Geschwindigkeiten zu durchmessen, die dem Flug der Einsamen Botschafter nahe kommen. Aber wie alle anderen Raumdurchquerer benötigen sie die Mithilfe sowohl ihrer Gefährten als auch gewisser anderer Wesenstypen, um beim Verlassen einer materiellen Sphäre die Gravitationswirkung und den Trägheitswiderstand zu überwinden. Die Physischen Hauptüberwacher dienen überall im Großen Universum. Bis zu den Hauptwelten der Superuniversen werden sie direkt vom Paradies aus durch die Sieben Supremen Machtlenker regiert; von hier an leitet und verteilt sie der Rat des Gleichgewichts, bestehend aus den hohen Machtkommissaren, die von den Sieben Hauptgeisten aus dem Mitarbeiterstab der Assoziierten Haupt-Kraftorganisatoren abkommandiert werden. Diese hohen Kommissare sind ermächtigt, die Befunde und Registrierungen der Frandalankmeister zu interpretieren, jener lebendigen Instrumente, die den Machtdruck und die Energieladung eines ganzen Superuniversums anzeigen. Während die Gegenwart der Paradies-Gottheiten das Große Universum umschließt und über den Kreis der Ewigkeit hinwegstreicht, ist der Einfluss jedes der Sieben Hauptgeiste auf ein einziges Superuniversum beschränkt. Es gibt eine deutliche Abgrenzung der Energie und eine Trennung der Machtkreise zwischen jeder der sieben Superschöpfungen; deshalb herrschen in ihnen notwendigerweise individualisierte Kontrollmethoden. Die Physischen Hauptüberwacher sind die direkten Abkömmlinge der Supremen Machtzentren, und ihre Reihen umfassen die folgenden Gruppen: 1. Assoziierte Machtleiter. 2. Mechanische Überwacher. 3. Energieumwandler. 4. Energieübertrager. 5. Primäre Assozierer. 6. Sekundäre Dissozierer. 7. Die Frandalanke und Chronoldeke. Nicht alle Mitglieder dieser Ordnungen sind in dem Sinne Personen, dass sie individuelles Wahlvermögen besitzen. Besonders die letzten vier Ordnungen scheinen in ihrer Beantwortung der Impulse ihrer Vorgesetzten und in ihrer Reaktion auf bestehende Energiebedingungen völlig automatisch und mechanisch zu sein. Aber obwohl ihre Antworten ganz und gar mechanistisch erscheinen, sind sie es nicht; sie gleichen vielleicht Automaten, aber alle lassen die differenzierende Funktion der Intelligenz erkennen. Verstand muss nicht notwendigerweise mit Persönlichkeit einhergehen. Der Verstand kann denken, auch wenn ihm wie bei zahlreichen niedrigeren Tiertypen oder bestimmten dieser untergeordneten physischen Überwacher jegliche Fähigkeit zu wählen abgeht. Viele von diesen mehr automatischen Regulierern materieller Macht sind in keinem Sinne des Wortes Personen. Sie besitzen weder Willen noch Entscheidungsfreiheit, da sie völlig der mechanischen Perfektion des Planes unterworfen sind, der die ihnen zugewiesenen Aufgaben bestimmt. Nichtsdestoweniger sind sie alle hochintelligente Wesen. Die physischen Überwacher beschäftigen sich hauptsächlich mit der Anpassung fundamentaler, auf Urantia unentdeckter Energien. Diese unbekannten Energien sind sehr wesentlich für das interplanetarische Transportsystem und für bestimmte Kommunikationstechniken. Wenn wir zur Übertragung von Entsprechungen des Klangs oder zur Bildübermittlung Energielinien legen, werden diese unentdeckten Energieformen von den lebendigen physischen Überwachern und ihren Mitarbeitern benutzt. Dieselben Energien werden auch gelegentlich von den Mittler-Geschöpfen bei ihrer routinemäßigen Arbeit gebraucht. 1. Assoziierte Machtleiter. Diese wunderbar effizienten Wesen sind mit der Zuteilung und Entsendung aller Ordnungen Physischer Hauptüberwacher entsprechend den ewig wechselnden Bedürfnissen der sich dauernd verändernden Energielage der Reiche betraut. Die gewaltigen Reserven an physischen Überwachern werden auf den Hauptwelten der Kleinen Sektoren unterhalten, und von diesen Sammelpunkten aus werden sie von den assoziierten Machtleitern periodisch zu den Hauptsitzen der Universen, Konstellationen, Systeme und auf die individuellen Planeten entsandt. Während solcher Missionen unterstehen die physischen Überwacher vorübergehend dem Befehl der göttlichen Vollzieher der Schlichtungskommissionen, sind aber im Übrigen einzig ihren assoziierten Leitern und den Supremen Machtzentren unterworfen. Drei Millionen assoziierter Machtleiter sind jedem Kleinen Sektor Orvontons zugeteilt, was für ein Superuniversum die Summe von drei Milliarden dieser erstaunlich vielseitigen Wesen ergibt. Sie unterhalten ihre eigenen Reserven auf ebendiesen Welten der Kleinen Sektoren, wo sie auch all jenen, die die Wissenschaften der Techniken intelligenter Energiekontrolle und -umwandlung studieren, als Ausbilder dienen. Diese Leiter wechseln zwischen gleich langen Dienstperioden ab, die sie das eine Mal in führender Stellung in den Kleinen Sektoren und das andere Mal als Inspektoren auf den Welten des Raums verbringen. Zumindest ein aktiver Inspektor ist stets in jedem Lokalsystem anwesend, auf dessen Hauptsphäre er seinen Sitz hat. Diese Leiter halten die ganze gewaltige, lebendige Energieansammlung in harmonischem Gleichschritt. 2. Mechanische Überwacher. Das sind die äußerst vielseitigen und mobilen Gehilfen der assoziierten Machtleiter. Billionen und Aberbillionen von ihnen leisten Dienst in Ensa, eurem Kleinen Sektor. Man nennt diese Wesen mechanische Überwacher, weil sie von ihren Vorgesetzten vollständig beherrscht werden, weil sie dem Willen der assoziierten Machtleiter völlig unterworfen sind. Sie sind dessen ungeachtet sehr intelligent und verrichten ihre Arbeit, auch wenn diese mechanischer und prosaischer Natur ist, mit großem Geschick. Von allen einer bewohnten Welt zugeteilten Physischen Hauptüberwachern sind die mechanischen Überwacher bei weitem die mächtigsten. Sie besitzen die lebendige Gabe der Antigravitation in weit höherem Maße als alle anderen Wesen, und jeder Überwacher kann der Gravitation einen Widerstand entgegensetzen, der nur von enormen, sich mit schwindelerregender Geschwindigkeit drehenden Sphären erreicht wird. Zehn dieser Überwacher sind jetzt auf Urantia stationiert, und eine ihrer wichtigsten planetarischen Aktivitäten besteht darin, die Abfahrt der seraphischen Transporte zu erleichtern. Dabei handeln alle zehn mechanischen Überwacher im Einklang, während eine Batterie von eintausend Energieübertragern den anfänglichen Schwung für die seraphische Abfahrt liefert. Die mechanischen Überwacher sind fähig, den Fluss der Energie zu richten und ihre Konzentration in den spezialisierten Strömen oder Kreisen zu erleichtern. Diese mächtigen Wesen beschäftigen sich vor allem mit der Trennung, Richtung und Intensivierung der physischen Energien und mit der Ausgleichung der in den interplanetarischen Kreisläufen herrschenden Drücke. Sie sind erfahren in der Manipulation von einundzwanzig der dreißig physischen Energien des Raums, die die Machtladung eines Superuniversums bilden. Sie sind auch imstande, manches zu vollbringen, was sich der Meisterung und Kontrolle von sechs der neun subtileren Formen physischer Energie nähert. Wenn die assoziierten Machtleiter diese Überwacher untereinander und mit bestimmten Machtzentren in geeignete technische Verbindung setzen, wird es ihnen möglich, unglaubliche Veränderungen an Machtanpassung und Energiekontrolle herbeizuführen. Die Physischen Hauptüberwacher funktionieren oft in Batterien von Hunderten, Tausenden und sogar Millionen, und durch Veränderung ihrer Positionen und Formationen sind sie in der Lage, die Energie sowohl kollektiv als auch individuell zu kontrollieren. Je nach den wechselnden Erfordernissen können sie Volumen und Bewegung der Energie zunehmen lassen und beschleunigen oder die Energieströme aufhalten, verdichten und verlangsamen. Sie beeinflussen die Verwandlungen von Energie und Macht ein wenig so, wie die so genannten katalytischen Wirkstoffe die chemischen Reaktionen verstärken. Sie funktionieren mit angeborenem Geschick und in Zusammenarbeit mit den Supremen Machtzentren. 3. Energieumwandler. Diese Wesen sind in einem Superuniversum in unglaublicher Zahl vorhanden. Es gibt ihrer fast eine Million in Satania allein, und die gewöhnliche Quote für jede bewohnte Welt beträgt einhundert. Die Energieumwandler sind die gemeinsame Schöpfung der Sieben Supremen Machtlenker und der Sieben Zentrenüberwacher. Sie gehören zu den mehr persönlichen Ordnungen physischer Überwacher und haben Befehlsgewalt, außer wenn ein assoziierter Machtleiter auf einer bewohnten Welt anwesend ist. Sie sind die planetarischen Inspektoren aller abgehenden seraphischen Transporte. Alle Klassen himmlischen Lebens können die weniger persönlichen Ordnungen physischer Überwacher nur über die persönlicheren Ordnungen der assoziierten Leiter und Energieumwandler benutzen. Diese Umwandler sind mächtige und wirksame lebendige Schalter, die fähig sind, sich im Sinne einer gegebenen Macht-Anordnung oder -ausrichtung oder dieser entgegengesetzt aufzustellen. Großes Geschick beweisen sie auch bei ihren Bemühungen um Abschirmung der Planeten gegen die mächtigen Energieströme, die zwischen benachbarten gigantischen Planeten oder Sternen fließen. Ihre Eigenschaften der Energieumwandlung machen aus ihnen eine sehr große Hilfe bei der wichtigen Aufgabe, die universelle Energiebalance, das Machtgleichgewicht, aufrechtzuerhalten. Das eine Mal scheinen sie Energie zu verzehren oder zu speichern; andere Male scheinen sie welche austreten zu lassen oder zu befreien. Die Umwandler sind fähig, das "Speicher-Batterie"-Potential der lebendigen und toten Energien ihrer jeweiligen Reiche zu erhöhen oder zu verringern. Aber sie haben nur mit physischen und halbmateriellen Energien zu tun; sie wirken nicht direkt im Bereich des Lebens, noch verändern sie die Gestalt von Lebewesen. In gewisser Hinsicht sind die Energieumwandler die bemerkenswertesten und geheimnisvollsten aller halbmateriellen lebendigen Geschöpfe. Sie sind auf unbekannte Weise physisch differenziert, und dadurch, dass sie ihre gegenseitigen Verbindungen variieren, werden sie fähig, auf die Energie, die ihre gemeinsame Gegenwart durchströmt, einen starken Einfluss auszuüben. Der Zustand der materiellen Reiche scheint unter ihrer gewandten Manipulation eine Verwandlung durchzumachen. Sie vermögen die physische Form der Energie des Raums zu verändern. Mit Hilfe ihrer Überwachergefährten sind sie tatsächlich fähig, Form und Potential von siebenundzwanzig der dreißig Energien der superuniversellen Machtladung zu verändern. Dass drei von diesen Energien sich ihrer Kontrolle entziehen, beweist, dass sie keine ausführenden Organe des Eigenschaftslosen Absoluten sind. Die restlichen vier Gruppen physischer Hauptüberwacher sind schwerlich Personen im Sinne irgendeiner vernünftigen Definition dieses Wortes. Diese Übertrager, Assoziierer, Dissoziierer und Frandalanke sind in ihren Reaktionen völlig automatisch; nichtsdestoweniger sind sie in jeder Hinsicht intelligent. Unser Wissen über diese wunderbaren Wesenheiten ist äußerst beschränkt, weil wir mit ihnen nicht kommunizieren können. Sie scheinen die Sprache des Reichs zu verstehen, aber sie können sich uns nicht mitteilen. Sie sind offenbar vollkommen befähigt, unsere Mitteilungen zu empfangen, aber ganz und gar machtlos, darauf zu antworten. 4. Energieübertrager. Diese Wesen funktionieren hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, in interplanetarischer Eigenschaft. Sie sind erstaunliche Absender von Energie, wie sie auf den individuellen Welten in Erscheinung tritt. Wenn Energie in einen neuen Kreislauf umgeleitet werden muss, stellen sich die Übertrager in einer Reihe längs des gewünschten Energiepfades auf, und kraft ihrer einzigartigen Attribute der Energieanziehung können sie tatsächlich einen verstärkten Energiefluss in die gewünschte Richtung herbeiführen. Sie tun das ebenso buchstäblich, wie gewisse metallische Kreise die Flussrichtung gewisser Formen elektrischer Energie bestimmen; und sie sind lebendige Superleiter für mehr als die Hälfte der dreißig Formen physischer Energie. Die Übertrager bilden gewandte Verbindungen zur Wiederherstellung von sich abschwächenden Strömen spezialisierter Energie, die von Planet zu Planet und auf einem einzelnen Planeten von Station zu Station fließt. Sie können Ströme ausfindig machen, die viel zu schwach sind, als dass sie von irgendeinem anderen Typ von Lebewesen wahrgenommen werden könnten, und sie können diese Energien so verstärken, dass die begleitende Botschaft klar verständlich wird. Ihre Dienste sind unschätzbar für die Empfänger von Fernmeldungen. Die Energieübertrager können im Zusammenhang mit allen Formen kommunizierbarer Wahrnehmung funktionieren; sie können ebenso eine entfernte Szene "sichtbar" wie einen entfernten Klang "hörbar" machen. Sie liefern die Notverbindungslinien in den Lokalsystemen und auf den einzelnen Planeten. Für Kommunikationen ausserhalb der regulär eingerichteten Kreise müssen ihre Dienste von praktisch allen Geschöpfen beansprucht werden. Zusammen mit den Energieumwandlern sind diese Wesen unerlässlich zur Aufrechterhaltung der sterblichen Existenz auf Welten, die eine verarmte Atmosphäre besitzen, und sie sind ein integraler Bestandteil der Lebenstechnik auf den von Nichtatmern bewohnten Planeten. 5. Primäre Assoziierer. Diese interessanten und unschätzbaren Wesenheiten sind meisterliche Energieaufbewahrer und -hüter. Ein wenig so, wie eine Pflanze Sonnenlicht speichert, speichern diese lebendigen Organismen Energie in Zeiten, da diese im Überschuss vorhanden ist. Sie arbeiten in gigantischem Maßstab, wobei sie die Energien des Raums in einen physischen Zustand überführen, der auf Urantia unbekannt ist. Sie sind auch fähig, diese Umwandlungen bis an den Punkt zu führen, wo einige der primitiven Einheiten der materiellen Existenz entstehen. Diese Wesen handeln ganz einfach durch ihre Gegenwart. Sie werden durch ihre Funktion keineswegs erschöpft oder entleert; sie handeln wie lebendige katalytische Agenten. In Zeiten des Energiemangels sind sie befähigt, diese angehäuften Energien freizusetzen. Aber euer Wissen über Energie und Materie ist nicht so fortgeschritten, dass es erlauben würde, euch die Technik dieser Phase ihrer Arbeit zu erklären. Sie arbeiten immer in Übereinstimmung mit dem universellen Gesetz und handhaben und manipulieren Atome, Elektronen und Ultimatonen etwa so, wie ihr mit verstellbaren Lettern umgeht, um dieselben alphabetischen Symbole völlig verschiedene Geschichten erzählen zu lassen. Die Assoziierer sind die erste Gruppe von Lebewesen, die auf einer sich organisierenden materiellen Sphäre erscheinen, und sie können bei physischen Temperaturen funktionieren, die ihr als mit der Existenz von Lebewesen schlechthin unvereinbar betrachten würdet. Sie stellen eine Lebensordnung dar, die ganz einfach jenseits der Reichweite menschlicher Vorstellungskraft liegt. Zusammen mit ihren Mitarbeitern, den Dissoziierern, sind sie die sklavischsten aller intelligenten Geschöpfe. 6. Sekundäre Dissoziierer. Verglichen mit den primären Assoziierern sind diese mit enormer Antigravitation ausgerüsteten Wesen die entgegengesetzten Arbeiter. Es gibt nie irgendwelche Gefahr, dass sich die speziellen oder modifizierten Formen physischer Energie auf den Lokalwelten oder in den Lokalsystemen erschöpfen könnten, denn diese lebendigen Organisationen sind mit der einmaligen Macht ausgestattet, Energievorräte ohne Grenzen zu verströmen. Ihre Hauptbeschäftigung besteht in der Entwicklung einer auf Urantia kaum bekannten Energieform aus einer noch weniger anerkannten Materieform. Sie sind wahrhaftig die Alchemisten des Raums und die Wunderwirker der Zeit. Aber bei allen Wundern, die sie wirken, übertreten sie die Weisungen der Kosmischen Suprematie nie. 7. Die Frandalanke. Diese Wesen sind die gemeinsame Schöpfung aller drei Ordnungen energieüberwachender Wesen: der primären und sekundären Kraftorganisatoren und der Machtlenker. Die Frandalanke sind von allen Physischen Hauptüberwachern die zahlreichsten; allein ihre in Satania wirkende Zahl übersteigt euer numerisches Vorstellungsvermögen. Sie sind auf allen bewohnten Welten stationiert und immer den höheren Ordnungen physischer Überwacher zugeteilt. Sie funktionieren auswechselbar im Zentraluniversum, in den Superuniversen und in den Domänen des Äußeren Raums. Die Frandalanke werden in dreißig Abteilungen erschaffen, eine für jede Form fundamentaler Universumskraft, und sie funktionieren ausschließlich als lebendige und automatische Geräte zur Messung von Gegenwart, Druck und Geschwindigkeit. Die einzige Aufgabe dieser lebendigen Barometer ist die automatische und unfehlbare Registrierung des Zustands aller Formen von Kraft-Energie. Sie sind dem physischen Universum, was der gewaltige Reflexivitätsmechanismus dem mentalen Universum. Die Frandalanke, die zusätzlich zur quantitativen und qualitativen Energieanwesenheit auch die Zeit registrieren, nennt man Chronoldeke. Ich anerkenne, dass die Frandalanke intelligent sind, aber ich kann sie nicht anders denn als lebendige Maschinen klassifizieren. So ziemlich die einzige Weise, in der ich euch helfen kann, diese lebendigen Mechanismen zu verstehen, ist, sie mit euren eigenen mechanischen Geräten zu vergleichen, die mit einer fast intelligenzmäßigen Präzision und Genauigkeit arbeiten. Wenn ihr euch jetzt eine Vorstellung von diesen Wesen machen möchtet, dann ruft eure Fantasie zu Hilfe und erkennt, dass wir im Großen Universum tatsächlich intelligente und lebendige Mechanismen (Wesenheiten) haben, die weit verwickeltere und stupende Berechnungen erfordernde Aufgaben ausführen können und dies mit noch feinerer Genauigkeit, sogar mit ultimer Präzision, tun. ***** 29.5 Die Haupt-Kraftorganisatoren ***** Die Kraftorganisatoren wohnen im Paradies, aber sie wirken im ganzen Alluniversum, und im Spezielleren in den Reichen des nicht organisierten Raums. Diese außerordentlichen Wesen sind weder Schöpfer noch Geschöpfe, und sie umfassen zwei große Dienstabteilungen: 1. Primäre Eventuierte Haupt-Kraftorganisatoren. 2. Assoziierte Transzendente Haupt-Kraftorganisatoren. Diese beiden mächtigen Ordnungen von Manipulanten der Urkraft arbeiten ausschließlich unter der Aufsicht der Architekten des Alluniversums, und gegenwärtig ist ihr Wirken innerhalb der Grenzen des Großen Universums unbedeutend. Die Primären Haupt-Kraftorganisatoren sind die Manipulanten der Ur- oder fundamentalen Raum-Kräfte des Eigenschaftslosen Absoluten; sie sind die Schöpfer der Nebel. Sie sind die lebendigen Auslöser der Energiezyklone des Raums und die frühen Organisatoren und Lenker dieser gigantischen Erscheinungen. Diese Kraftorganisatoren wandeln die Urkraft (Vorenergie, die nicht auf die direkte Gravitation des Paradieses anspricht) in primäre oder mächtige Energie um, Energie, die aus dem ausschließlichen Griff des Eigenschaftslosen Absoluten in den gravitationellen Griff der Paradies-Insel übergeht. Daraufhin werden sie von den assoziierten Kraftorganisatoren abgelöst, die den Prozess der Energieumwandlung vom primären zum sekundären oder Gravitations-Energie -Stadium weiterführen. Nach der Fertigstellung der Pläne für die Erschaffung eines Lokaluniversums, die sich in der Ankunft eines Schöpfersohnes äußert, räumen die Assoziierten Haupt-Kraftorganisatoren den Ordnungen der Machtlenker desjenigen Superuniversums das Feld, dessen astronomischer Oberhoheit das Gebiet untersteht. Wenn aber keine derartigen Pläne bestehen, behalten die assoziierten Kraftorganisatoren diese materiellen Schöpfungen auf unabsehbare Zeit in ihrer Obhut, gerade so wie sie jetzt im Äußeren Raum handeln. Die Haupt-Kraftorganisatoren können Temperaturen widerstehen und unter physischen Bedingungen arbeiten, die sogar für die vielbegabten Machtzentren und physischen Überwacher Orvontons unerträglich wären. Die einzigen anderen Typen offenbarter Wesen, die fähig sind, in diesen Reichen des Äußeren Raums zu wirken, sind die Einsamen Botschafter und die Inspirierten Geiste der Trinität. [Dargeboten von einem Universellen Zensor, der unter der Autorität der Ältesten der Tage Uversas handelt.] ****** Kapitel 30 Persönlichkeiten des Grossen Universums ****** DIE Persönlichkeiten und anders-als-persönlichen Wesenheiten, die jetzt im Paradies und im Großen Universum wirken, stellen eine nahezu grenzenlose Zahl lebendiger Wesen dar. Nur schon die Zahl der hauptsächlichen Ordnungen und Typen würde menschliches Vorstellungsvermögen überwältigen, von den zahllosen Untertypen und Varianten ganz zu schweigen. Es ist indessen wünschenswert, so etwas wie zwei grundlegende Klassifizierungen von Lebewesen vorzulegen - eine Idee von der Paradies-Klassifizierung und das abgekürzte Persönlichkeitsregister Uversas. Es ist nicht möglich, umfassende und völlig konsequente Klassifizierungen der Persönlichkeiten des Großen Universums vorzunehmen, weil nicht alle Gruppen offenbart sind. Es würde zahlreiche weitere Schriften erheischen, um die zur systematischen Klassifizierung aller Gruppen erforderliche zusätzliche Offenbarung zu fassen. Eine derartige konzeptuelle Erweiterung wäre kaum wünschenswert, weil sie die denkenden Sterblichen der nächsten tausend Jahre des Anreizes schöpferischer Spekulation berauben würde, den diese lückenhaft offenbarten Konzepte bieten. Es ist besser, der Mensch erhalte nicht ein Zuviel an Offenbarung; denn das erstickt die Imagination. ***** 30.1 Die Paradies Klassifizierung der Lebewesen ***** Im Paradies werden die Lebewesen je nach ihrer angeborenen und erreichten Beziehung zu den Paradies-Gottheiten eingeteilt. Während der großen Zusammenkünfte des Zentraluniversums und der Superuniversen werden die Anwesenden oft ihrem Ursprung nach gruppiert: in diejenigen dreieiniger Abstammung oder die, welche die Trinität erreicht haben; in diejenigen doppelten Ursprungs; und in diejenigen einfachen Ursprungs. Es ist schwierig, dem sterblichen Verstand die Paradies-Klassifizierung der Lebewesen zu interpretieren, aber wir sind ermächtigt, Folgendes vorzulegen: I. WESEN DREIEINIGEN URSPRUNGS. Wesen, die von allen drei Paradies-Gottheiten, die als solche oder als Trinität wirkten, erschaffen wurden, zusammen mit dem Trinitisierten Korps, womit man alle Gruppen offenbarter und nicht offenbarter trinitisierter Wesen bezeichnet. A. Die Supremen Geiste. 1. Die Sieben Hauptgeiste. 2. Die Sieben Supremen Vollzieher 3. Die Sieben Ordnungen Reflexiver Geiste. B. Die Stationären Söhne der Trinität. 1. Trinitisierte Geheimnisse der Suprematie. 2. Ewige der Tage. 3. Älteste der Tage. 4. Vollkommene der Tage. 5. Jüngste der Tage. 6. Einiger der Tage. 7. Getreue der Tage. 8. Vervollkommner der Weisheit. 9. Göttliche Ratgeber. 10. Universelle Zensoren. C. Wesen trinitären Ursprungs und Trinitisierte Wesen. 1. Lehrersöhne der Trinität. 2. Inspirierte Geiste der Trinität. 3. Einheimische Havonas. 4. Paradies-Bürger. 5. Nicht offenbarte Wesen trinitären Ursprungs. 6. Nicht offenbarte, durch die Gottheit trinitisierte Wesen. 7. Trinitisierte Söhne der Vollbringung. 8. Trinitisierte Söhne der Auserwählung. 9. Trinitisierte Söhne der Vollkommenheit. 10. Durch Geschöpfe trinitisierte Söhne. II. WESEN DOPPELTEN URSPRUNGS. Irgendeinem Paar der Paradies Gottheiten entsprungene oder anderswie von zwei direkt oder indirekt von den Paradies-Gottheiten abstammenden Eltern erschaffene Wesen. A. Die Niedersteigenden Ordnungen. 1. Schöpfersöhne. 2. Richtersöhne. 3. Helle Morgensterne. 4. Melchisedek-Väter. 5. Die Melchisedeks. 6. Die Vorondadeks. 7. Die Lanonandeks. 8. Leuchtende Abendsterne. 9. Die Erzengel. 10. Lebensbringer. 11. Nicht offenbarte Universumshelfer. 12. Nicht offenbarte Söhne Gottes. B. Die Stationären Ordnungen. 1. Abandonter. 2. Susatia. 3. Univitatia. 4. Spironga. 5. Nicht offenbarte Wesen doppelten Ursprungs. C. Die Aufsteigenden Ordnungen. 1. Mit dem Justierer fusionierte Sterbliche. 2. Mit dem Sohn fusionierte Sterbliche. 3. Mit dem Geist fusionierte Sterbliche. 4. Transferierte Mittler. 5. Nicht offenbarte Aufsteiger. III. WESEN EINFACHEN URSPRUNGS. Einer der Paradies-Gottheiten entsprungene oder anderswie von einzelnen, direkt oder indirekt von den Paradies-Gottheiten abstammenden Eltern erschaffene Wesen. A. Die Supremen Geiste. 1. Gravitationsbotschafter. 2. Die Sieben Geiste der Kreise Havonas. 3. Die Zwölffachen Helfer der Kreise Havonas. 4. Die Reflexiven Bild-Helfer. 5. Muttergeiste der Universen 6. Die Siebenfachen Mentalen Hilfsgeiste. 7. Nicht offenbarte, der Gottheit entsprungene Wesen. B. Die Aufsteigenden Ordnungen. 1. Personifizierte Justierer. 2. Aufsteigende Materielle Söhne. 3. Evolutionäre Seraphim. 4. Evolutionäre Cherubim. 5. Nicht offenbarte Aufsteiger. C. Die Familie des Unendlichen Geistes. 1. Einsame Botschafter. 2. Überwacher der Universumskreise. 3. Leiter der Geschöpfeszählung 4. Persönliche Helfer des Unendlichen Geistes. 5. Assoziierte Inspektoren. 6. Zugeteilte Wachen. 7. Führer der Graduierten. 8. Serviten Havonas. 9. Universelle Schlichter. 10. Morontielle Gefährten. 11. Supernaphim. 12. Sekonaphim. 13. Tertiaphim. 14. Omniaphim. 15. Seraphim. 16. Cherubim und Sanobim. 17. Nicht offenbarte, dem Geist entsprungene Wesen. 18. Die Sieben Supremen Machtlenker. 19. Die Supremen Machtzentren. 20. Die Physischen Hauptüberwacher. 21. Die Morontiellen Machtüberwacher. IV. EVENTUIERTE TRANSZENDENTE WESEN. Man findet im Paradies ein gewaltiges Heer transzendenter Wesen, deren Ursprung den Universen von Zeit und Raum gewöhnlich nicht enthüllt wird, bevor sie im Licht und Leben verankert sind. Diese Transzendentalen sind weder Schöpfer noch Geschöpfe; sie sind die eventuierten Kinder der Göttlichkeit, Ultimität und Ewigkeit. Diese "Eventuatoren" sind weder endlich noch unendlich - sie sind absonit; und Absonität ist weder Unendlichkeit noch Absolutheit. Diese nicht erschaffenen Nichtschöpfer sind der Paradies-Trinität auf ewig ergeben und gehorchen dem Ultimen. Sie existieren auf vier ultimen Ebenen der Persönlichkeitsaktivität und wirken auf den sieben Ebenen des Absoniten in zwölf großen Abteilungen, die aus eintausend größeren Funktionsgruppen zu je sieben Klassen bestehen. Diese eventuierten Wesen umfassen die folgenden Ordnungen: 1. Die Architekten des Alluniversums. 2. Transzendente Chronisten. 3. Andere Transzendentale. 4. Primäre Eventuierte Haupt-Kraftorganisatoren. 5. Assoziierte Transzendente Haupt-Kraftorganisatoren. Gott als eine Überperson eventuiert; Gott als eine Person erschafft; Gott als eine Vorperson fragmentiert; und solch ein Justiererfragment Seiner selbst sorgt für die Entwicklung der den materiellen und sterblichen Verstand überlagernden Geistseele in Übereinstimmung mit den freien Willenskundgebungen der Persönlichkeit, die einem solchen sterblichen Geschöpf durch den elterlichen Akt Gottes als eines Vaters geschenkt wurde. V. FRAGMENTIERTE WESENHEITEN DER GOTTHEIT. Das typischste Beispiel dieser Ordnung lebender Existenz, die ihren Ursprung im Vater hat, sind die Gedankenjustierer, obwohl diese Wesenheiten keineswegs die einzigen Fragmentierungen der vorpersönlichen Realität des Ersten Zentralen Ursprungs sind. Die Funktionen der Anders-als-Justierer-Fragmente sind mannigfaltig und wenig bekannt. Das Verschmelzen mit einem Justierer oder einem anderen derartigen Fragment macht aus einem Geschöpf ein mit dem Vater fusioniertes Wesen. Die Fragmentierungen des vormentalen Geistes des Dritten Zentralen Ursprungs sollten hier erwähnt werden, obwohl man sie kaum mit den Vaterfragmenten vergleichen kann. Solche Wesenheiten unterscheiden sich in hohem Maße von den Justierern; sie wohnen nicht als solche auf Spiritington, noch durchqueren sie als solche die Verstandesgravitationskreise; ebenso wenig bewohnen sie sterbliche Geschöpfe während des inkarnierten Lebens. Sie sind nicht vorpersönlich im Sinne der Justierer, aber solche Fragmente vormentalen Geistes werden bestimmten fortlebenden Sterblichen verliehen, und die Fusion macht aus diesen mit dem Geist fusionierte Sterbliche im Unterschied zu den mit dem Justierer fusionierten Sterblichen. Noch schwerer fällt die Beschreibung des individualisierten Geistes eines Schöpfersohnes; die Vereinigung mit einem solchen macht aus einem Geschöpf einen mit dem Sohn fusionierten Sterblichen. Und es gibt noch andere Fragmentierungen der Gottheit. VI. ÜBERPERSÖNLICHE WESEN. Es gibt eine gewaltige Armee von anders-als-persönlichen Wesen göttlichen Ursprungs, die im Universum der Universen vielfältige Dienste leisten. Bestimmte dieser Wesen haben ihren Wohnsitz auf den Paradies-Welten des Sohnes; wiederum andere, wie die überpersönlichen Repräsentanten des Ewigen Sohnes, trifft man anderswo an. Die meisten von ihnen werden in diesen Schriften nicht erwähnt, denn der Versuch, sie persönlichen Geschöpfen beschreiben zu wollen, wäre völlig aussichtslos. VII. NICHT KLASSIFIZIERTE UND NICHT OFFENBARTE ORDNUNGEN. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters wäre es nicht möglich, alle Wesen, persönliche oder andersgeartete, in Klassifizierungen unterzubringen, die sich auf das gegenwärtige Universumszeitalter beziehen; noch sind alle derartigen Kategorien in den vorliegenden Schriften offenbart worden; deshalb sind zahlreiche Ordnungen in diesen Listen weggelassen worden. Betrachtet die folgenden: Der Vollender der Universumsbestimmung. Die Eigenschaftsbegabten Stellvertretenden Führer des Ultimen. Die Uneingeschränkten Überwacher des Supremen. Die Nicht offenbarten Schöpferischen Organe der Ältesten der Tage. Majeston im Paradies. Die Namenlosen Reflexiven Verbindungsorgane Majestons. Die Midsoniten Ordnungen der Lokaluniversen. Ihr braucht dem Umstand, dass diese Ordnungen miteinander aufgeführt werden, keine besondere Bedeutung beizumessen, außer dass keine von ihnen in der Paradies-Klassifizierung erscheint, wie wir sie hier enthüllen. Dies sind die wenigen nichtklassifizierten Ordnungen; viele der nicht offenbarten Ordnungen kennen zu lernen, steht euch erst noch bevor. An Geisten gibt es: geistige Wesenheiten, geistige Gegenwarten, persönliche Geiste, vorpersönliche Geiste, überpersönliche Geiste, Geistexistenzen, Geistpersönlichkeiten - aber weder Sprache noch Intellekt der Sterblichen können sie gebührend beschreiben. Hingegen möchten wir betonen, dass es keine Persönlichkeiten aus "reinem Verstand" gibt; keine Wesenheit besitzt Persönlichkeit, es sei denn, sie sei von Gott, der Geist ist, damit begabt worden. Eine Verstandeswesenheit, der nicht geistige oder physische Energie beigegeben ist, ist keine Persönlichkeit. Aber im selben Sinne, wie es Geistpersönlichkeiten gibt, die Verstand besitzen, gibt es Verstandespersönlichkeiten, die Geist besitzen. Majeston und seine Mitarbeiter sind recht gute Beispiele für Wesen, die vom Verstand beherrscht werden, aber es gibt noch bessere, euch unbekannte Vertreter dieses Persönlichkeitstyps. Es gibt sogar ganze nicht offenbarte Ordnungen solcher Verstandespersönlichkeiten, aber sie sind stets mit Geist verbunden. Bestimmte andere nicht offenbarte Geschöpfe sind, was man mit mentaler und physischer Energie ausgerüstete Persönlichkeiten nennen könnte. Dieser Wesenstyp spricht auf die Geistgravitation nicht an, ist aber nichtdestoweniger eine richtige Persönlichkeit - befindet sich im Kreis des Vaters. Diese Schriften beginnen nicht einmal damit - weil sie es nicht können - eine erschöpfende Darstellung der lebenden Geschöpfe, Schöpfer, Eventuatoren und noch-anderswie-existierender Wesen zu geben, all der Wesen, die im Gewimmel der Universen der Zeit und im zentralen Universum der Ewigkeit leben und beten und dienen. Ihr Sterblichen seid Personen; deshalb können wir euch Wesen beschreiben, die personifiziert sind, aber wie könnten euch absonitisierte Wesen je erklärt werden? ***** 30.2 Das Persönlichkeitsregister von Uversa ***** Die göttliche Familie lebendiger Wesen ist auf Uversa in sieben großen Abteilungen regi-striert: 1. Die Paradies Gottheiten. 2. Die Supremen Geiste. 3. Die Wesen Trinitären Ursprungs. 4. Die Söhne Gottes. 5. Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. 6. Die Machtlenker des Universums. 7. Das Korps der Dauerbürger. Diese Gruppen von Willensgeschöpfen zerfallen in zahlreiche Klassen und kleinere Unterabteilungen. Bei dieser Präsentation der Klassifizierung der Persönlichkeiten des Großen Universums geht es indessen vor allem darum, jene Ordnungen intelligenter Wesen aufzuführen, die in diesen Berichten offenbart worden sind; und den meisten von ihnen werden die aufsteigenden Sterblichen der Zeit während der progressiven Erfahrung ihres Aufstiegs zum Paradies begegnen. Die folgenden Listen lassen sehr große Ordnungen von Universumswesen unerwähnt, die ihre Arbeit getrennt vom Aufstiegsplan für die Sterblichen verrichten. I. DIE PARADIES-GOTTHEITEN. 1. Der Universale Vater. 2. Der Ewige Sohn 3. Der Unendliche Geist. II. DIE SUPREMEN GEISTE. 1. Die Sieben Hauptgeiste. 2. Die Sieben Supremen Vollzieher. 3. Die Sieben Gruppen reflexiver Geiste. 4. Die Reflexiven Bild-Helfer. 5. Die Sieben Geiste der Kreise. 6. Schöpferische Geiste der Lokaluniversen. 7. Mentale Hilfsgeiste. III. DIE WESEN TRINITÄREN URSPRUNGS. 1. Trinitisierte Geheimnisse der Suprematie. 2. Ewige der Tage. 3. Älteste der Tage. 4. Vollkommene der Tage. 5. Jüngste der Tage. 6. Einiger der Tage. 7. Getreue der Tage. 8. Lehrersöhne der Trinität. 9. Vervollkommner der Weisheit. 10. Göttliche Ratgeber. 11. Universelle Zensoren. 12. Inspirierte Geiste der Trinität. 13. Einheimische Havonas. 14. Paradies-Bürger. IV. DIE SÖHNE GOTTES. A. Niedersteigende Söhne. 1. Schöpfersöhne - Michaele. 2. Richtersöhne - Avonale. 3. Lehrersöhne der Trinität - Daynale. 4. Melchisedek-Söhne. 5. Vorondadek-Söhne. 6. Lanonandek-Söhne. 7. Lebensbringer-Söhne. B. Aufsteigende Söhne. 1. Mit dem Vater fusionierte Sterbliche. 2. Mit dem Sohn fusionierte Sterbliche. 3. Mit dem Geist fusionierte Sterbliche. 4. Evolutionäre Seraphim. 5. Aufsteigende Materielle Söhne. 6. Transferierte Mittler. 7. Personifizierte Justierer. C. Trinitisierte Söhne. 1. Mächtige Botschafter. 2. Mit Hoher Autorität Begabte. 3. Namen- und Nummernlose. 4. Trinitisierte Hüter. 5. Trinitisierte Botschafter. 6. Himmlische Wächter. 7. Assistenten der Hohen Söhne. 8. Durch Aufsteiger Trinitisierte Söhne. 9. Paradies-Havona-Trinitisierte Söhne. 10. Trinitisierte Söhne der Bestimmung. V. PERSÖNLICHKEITEN DES UNENDLICHEN GEISTES. A. Höhere Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. 1. Einsame Botschafter. 2. Überwacher der Universumskreise. 3. Leiter der Geschöpfeszählung. 4. Persönliche Helfer des Unendlichen Geistes. 5. Assoziierte Inspektoren. 6. Zugeteilte Wachen. 7. Führer der Graduierten. B. Die Botschafterheere des Raums. 1. Serviten Havonas. 2. Universelle Schlichter. 3. Technische Berater. 4. Archivverwalter im Paradies. 5. Himmlische Chronisten. 6. Morontielle Gefährten. 7. Paradies-Gefährten. C. Die Dienenden Geiste. 1. Supernaphim. 2. Sekonaphim. 3. Tertiaphim. 4. Omniaphim. 5. Seraphim. 6. Cherubim und Sanobim. 7. Mittler. VI. DIE MACHTLENKER DES UNIVERSUMS. A. Die Sieben Supremen Machtlenker. B. Supreme Machtzentren. 1. Supreme Zentrenüberwacher. 2. Zentren Havonas. 3. Superuniversumszentren. 4. Lokaluniversumszentren. 5. Konstellationszentren. 6. Systemzentren. 7. Nichtklassifizierte Zentren. C. Physische Hauptüberwacher. 1. Assoziierte Machtleiter 2. Mechanische Überwacher. 3. Energieumwandler. 4. Energieübertrager. 5. Primäre Assoziierer. 6. Sekundäre Dissoziierer. 7. Frandalanke und Chronoldeke. D. Morontielle Machtüberwacher. 1. Regulierer der Kreise. 2. Koordinierer der Systeme. 3. Planetarische Hüter. 4. Kombinierte Überwacher. 5. Stabilisierer der Verbindungen. 6. Selektive Gruppierer. 7. Mit-Archivare. VII. DAS KORPS DER DAUERBÜRGER. 1. Die Planetarischen Mittler. 2. Die Adamischen Söhne der Systeme. 3. Die Univitatia der Konstellationen. 4. Die Susatia der Lokaluniversen. 5. Mit dem Geist fusionierte Sterbliche der Lokaluniversen. 6. Abandonter der Superuniversen. 7. Mit dem Sohn fusionierte Sterbliche der Superuniversen. 8. Die Einheimischen Havonas. 9. Einheimische der Paradies-Welten des Geistes. 10. Einheimische der Paradies-Welten des Vaters. 11. Die Erschaffenen Paradies-Bürger. 12. Mit dem Justierer fusionierte Sterbliche Paradies-Bürger. Das ist die Grundklassifizierung der Universumspersönlichkeiten, wie sie auf der Hauptwelt von Uversa registriert sind. GRUPPEN GEMISCHTER PERSÖNLICHKEITEN. Auf Uversa gibt es Verzeichnisse von zahlreichen weiteren Gruppen intelligenter Wesen, die auch in enger Beziehung zu Organisation und Verwaltung des Großen Universums stehen. Unter diesen Ordnungen befinden sich die folgenden drei Gruppen gemischter Persönlichkeiten: A. Das Paradies-Korps der Finalität. 1. Das Korps der Sterblichen Finalisten. 2. Das Korps der Paradies-Finalisten. 3. Das Korps der Trinitisierten Finalisten. 4. Das Korps der Vereinigten Trinitisierten Finalisten. 5. Das Korps der Havona-Finalisten. 6. Das Korps der Transzendenten Finalisten. 7. Das Korps der Nicht offenbarten Söhne der Bestimmung. Das Finalitätskorps der Sterblichen wird in der nächsten, abschließenden Schrift dieser Serie behandelt. B. Die Universumshelfer. 1. Helle Morgensterne. 2. Leuchtende Abendsterne. 3. Erzengel. 4. Allerhöchste Assistenten. 5. Hohe Kommissare. 6. Himmlische Inspektoren. 7. Lehrer der Residenzwelten. Auf allen Hauptsitz-Welten der Lokal- und Superuniversen sind Vorkehrungen für die Aufnahme dieser Wesen getroffen, die für die Schöpfersöhne, die Herrscher der Lokaluniversen, besondere Sendungen durchführen. Wir heißen diese Universumshelfer auf Uversa willkommen, aber sie unterstehen nicht unserer Gerichtsbarkeit. Diese Emissäre führen ihre Arbeiten und Beobachtungen unter der Oberhoheit der Schöpfersöhne aus. Ihre Tätigkeiten werden bei der Beschreibung eures Lokaluniversums ausgiebiger behandelt. C. Die Sieben Freundlichkeitskolonien. 1. Sternforscher. 2. Himmlische Künstler. 3. Leiter der Rückschau. 4. Ausbilder für zusätzliche Schulung. 5. Die Verschiedenen Reservekorps. 6. Studierende Besucher. 7. Aufsteigende Pilger. Diese sieben Gruppen von Wesen findet man so organisiert und geleitet auf allen Hauptsitzwelten von den Lokalsystemen bis zu den Kapitalen der Superuniversen und insbesondere in diesen. Die Kapitalen der sieben Superuniversen sind Treffpunkt fast aller Klassen und Ordnungen intelligenter Wesen. Mit Ausnahme zahlreicher Gruppen von Bewohnern des Paradieses und Havonas kann man hier die Willensgeschöpfe jeder Existenzphase beobachten und studieren. ***** 30.3 Die Freundlichkeitskolonien ***** Die sieben Freundlichkeitskolonien weilen für längere oder kürzere Zeit auf den architektonischen Sphären, wo sie ihren Sendungen obliegen und ihre besonderen Aufträge ausführen. Ihre Arbeit kann folgendermaßen beschrieben werden: 1. Die Sternforscher, die himmlischen Astronomen, wählen für ihre Arbeit Sphären wie Uversa, weil diese besonders gebauten Welten für ihre Beobachtungen und Berechnungen außerordentlich günstig sind. Uversa hat eine für die Arbeit dieser Kolonie günstige Lage, nicht nur, weil diese so zentral ist, sondern auch, weil sich in der Nähe keine die Energieströme störenden lebenden oder toten Riesensonnen befinden. Diese Forscher sind mit den Angelegenheiten des Superuniversums in keiner Weise organisch verbunden; sie sind bloß Gäste. Die astronomische Kolonie von Uversa umfasst Wesen aus vielen nahen Reichen, aus dem Zentraluniversum, und selbst aus Norlatiadek. Jedes Wesen jeder Welt jedes Systems jedes Universums kann ein Sternforscher werden, kann danach trachten, sich einem Korps himmlischer Astronomen anzuschließen. Die einzigen Voraussetzungen dazu sind: Fortleben und genügendes Wissen über die Welten des Raums, insbesondere über ihre physischen Evolutions- und Kontrollgesetze. Man verlangt von den Sternforschern nicht, ewig in diesem Korps zu dienen, aber niemand, der in eine solche Gruppe aufgenommen worden ist, kann sich vor Ablauf eines Millenniums der Zeit Uversas zurückziehen. Die Kolonie der Sternbeobachter Uversas zählt jetzt über eine Million Mitglieder. Diese Astronomen kommen und gehen, obwohl einige während relativ langer Perioden bleiben. Sie brauchen zu ihrer Arbeit eine Menge mechanischer Instrumente und materieller Apparaturen; große Unterstützung gewähren ihnen auch die Einsamen Botschafter und andere geistige Forscher. Bei ihrer Aufgabe des Sternstudiums und der Raumerforschung setzen die himmlischen Astronomen ständig die lebendigen Energieumwandler und -übertrager sowie die reflexiven Persönlichkeiten ein. Sie studieren alle Formen und Phasen von Raummaterie und Energiemanifestationen, und sie interessieren sich ebenso sehr für die Funktion der Kraft wie für stellare Phänomene; nichts im ganzen Raum entgeht ihrem forschenden Auge. Vergleichbare Astronomenkolonien findet man auf den Hauptsitzwelten der superuniversellen Sektoren sowie auf den architektonischen Kapitalen der Lokaluniversen und ihrer administrativen Unterabteilungen. Außer im Paradies ist das Wissen nicht etwas Angeborenes; das Verständnis des physischen Universums beruht weitgehend auf Beobachtung und Forschung. 2. Die Himmlischen Künstler dienen überall in den sieben Superuniversen. Die aufsteigenden Sterblichen treten mit diesen Gruppen zum ersten Mal während ihres morontiellen Werdegangs im Lokaluniversum in Kontakt, bei dessen Besprechung wir die Künstler eingehender behandeln werden. 3. Die Leiter der Rückschau sind die Förderer von Entspannung und Humor - Rückbesinnung auf vergangenes Geschehen. Sie leisten sehr große Dienste bei der praktischen Durchführung des aufsteigenden Plans für den Fortschritt der Sterblichen, insbesondere in dessen früheren Phasen morontiellen Übergangs und geistiger Erfahrung. Aber ihre Beschreibung gehört zur Schilderung der sterblichen Laufbahn im Lokaluniversum. 4. Ausbilder für zusätzliche Schulung. Jede nächsthöhere Aufenthaltswelt der aufsteigenden Laufbahn unterhält immer ein zahlreiches Lehrerkorps auf der gerade unter ihr liegenden Welt, eine Art vorbereitender Schule für die im Fortschritt begriffenen Bewohner dieser Sphäre; es handelt sich dabei um eine Phase des aufsteigenden Plans zum Vorwärtskommen der Pilger der Zeit. Diese Schulen mitsamt ihren Ausbildungs- und Prüfungsmethoden sind völlig verschieden von allem, was ihr auf Urantia zu tun versucht. Der ganze aufsteigende Plan für den Fortschritt der Sterblichen ist durch die Praxis charakterisiert, neugewonnene Wahrheit und Erfahrung, sobald man sie sich angeeignet hat, an andere Wesen weiterzugeben. Ihr geht euren Weg durch die lange, zum Paradies führende Schule, indem ihr den Schülern, die sich auf der Leiter des Fortschritts gleich unter euch befinden, als Lehrer dient. 5. Die Verschiedenen Reservekorps. Gewaltige Reserven an Wesen, die nicht unmittelbar unserer Aufsicht unterstehen, sind auf Uversa als Reservekorps-Kolonie mobilisiert. Es gibt auf Uversa siebzig primäre Abteilungen dieser Kolonie, und man wird einer allgemein bildenden Erziehung teilhaftig, wenn man die Erlaubnis erhält, einige Zeit mit diesen außergewöhnlichen Persönlichkeiten zu verbringen. Ähnliche allgemeine Reserven werden auf Salvington und anderen Universumskapitalen unterhalten; auf Verlangen ihrer jeweiligen Gruppenleiter werden sie zu aktivem Dienst ausgesandt. 6. Die Studierenden Besucher. Aus dem Ganzen Universum ergießt sich ohne Unterlass ein Strom himmlischer Besucher durch die verschiedenen Hauptsitz-Welten. Einzeln und in Klassen kommen diese verschiedenen Wesenstypen in Schwärmen zu uns als Beobachter, Austauschschüler und studierende Gehilfen. Auf Uversa befinden sich gegenwärtig über eine Milliarde Personen in dieser Freundlichkeitskolonie. Einige Besucher mögen einen Tag verweilen, andere ein Jahr bleiben - alles hängt von der Natur ihrer Mission ab. Diese Kolonie umfasst beinah alle Klassen von Universumswesen außer Schöpferpersönlichkeiten und morontiellen Sterblichen. Als studierende Besucher dürfen sich die morontiellen Sterblichen nur innerhalb der Grenzen des Lokaluniversums ihres Ursprungs bewegen. Das Superuniversum steht ihnen zu Besuchen erst offen, wenn sie den geistigen Status erreicht haben. Gut die Hälfte unserer Besucherkolonie besteht aus "Zwischenhaltern", Wesen, die nach anderswohin unterwegs sind und eine Pause zum Besuch der Kapitale Orvontons einschalten. Diese Persönlichkeiten sind vielleicht dabei, einen Auftrag im Universum auszuführen, oder sie erfreuen sich einer Zeit der Muße - der Freiheit von ihrer Sendung. Das Privileg, innerhalb des Universums reisen und beobachten zu dürfen, ist ein Teil der Laufbahn aller aufsteigender Wesen. Der menschliche Wunsch, zu reisen und neue Völker und Welten zu beobachten, wird während des langen und ereignisreichen Aufstiegs durch Lokal-, Super- und Zentraluniversum zum Paradies voll befriedigt werden. 7. Die Aufsteigenden Pilger. Während die aufsteigenden Pilger mit mannigfaltigen Aufgaben im Zusammenhang mit ihrem Vorrücken zum Paradies betraut sind, wohnen sie als Höflichkeitskolonie auf den verschiedenen Hauptsitz-Sphären. Diese Gruppen regieren sich weitgehend selbst, während sie da und dort im ganzen Superuniversum tätig sind. Sie sind eine sich dauernd wandelnde Kolonie, die alle Ordnungen der evolutionären Sterblichen und ihrer aufsteigenden Mitarbeiter einschließt. ***** 30.4 Die aufsteigenden Sterblichen ***** Die fortlebenden Sterblichen von Zeit und Raum werden aufsteigende Pilger genannt, nachdem sie für den progressiven Aufstieg zum Paradies beglaubigt worden sind; aber diese evolutionären Geschöpfe nehmen in diesen Darstellungen einen so wichtigen Platz ein, dass wir eine Zusammenschau der sieben folgenden Stadien der aufsteigenden Universumslaufbahn zu geben wünschen: 1. Planetarische Sterbliche. 2. Schlafende Fortlebende. 3. Studenten der Residenzwelten. 4. Morontielle Fortschreitende. 5. Superuniverselle Mündel. 6. Pilger Havonas. 7. Paradies-Ankömmlinge. Die folgenden Ausführungen schildern die Universumslaufbahn eines von einem Justierer bewohnten Sterblichen. Mit einem solchen haben die mit dem Sohn und mit dem Geist fusionierten Sterblichen gewisse Abschnitte ihrer Laufbahn gemeinsam, aber wir haben uns dafür entschieden, die Geschichte so zu erzählen, wie sie für einen mit einem Justierer fusionierten Sterblichen abläuft, denn gerade mit einer derartigen Bestimmung können alle menschlichen Rassen Urantias rechnen. 1. Planetarische Sterbliche. Alle Sterblichen sind evolutionäre Wesen tierischen Ursprungs mit dem Potential von Aufsteigern. Ihrem Ursprung, ihrer Natur und Bestimmung nach sind diese mannigfaltigen Gruppen und Typen menschlicher Wesen den Völkern Urantias nicht völlig unähnlich. Die menschlichen Rassen jeder Welt empfangen von den Söhnen Gottes dieselbe Zuwendung und erfreuen sich der Gegenwart der dienenden Geiste der Zeit. Nach dem natürlichen Tod pflegen alle Typen von Aufsteigern auf den Residenzwelten als eine einzige morontielle Familie miteinander brüderlichen Umgang. 2. Schlafende Fortlebende. Alle Sterblichen mit Fortlebensstatus, die sich in der Obhut persönlicher Schicksalshüter befinden, gehen durch die Pforten des natürlichen Todes und personifizieren sich in der dritten Periode auf den Residenzwelten. Aber beglaubigte Wesen, die aus irgendwelchem Grunde nicht in der Lage gewesen sind, jene Ebene der Intelligenzbeherrschung und Geistbegabung zu erreichen, die ihnen das Anrecht auf persönliche Hüter gegeben hätte, können nicht ebenso unmittelbar und direkt auf die Residenzwelten gehen. Diese fortlebenden Seelen müssen in bewusstlosem Schlaf ruhen bis zum Tag des Gerichts einer neuen Epoche, einer neuen Dispensation, wenn ein Sohn Gottes kommt, um zum Namensaufruf des Zeitalters und zum Gericht über die Welt zu schreiten, und dies ist die allgemeine Praxis in ganz Nebadon. Von Christus Michael wurde gesagt, dass er, als er nach Abschluss seines Erdenwerks zur Höhe aufstieg, "eine große Menge Gefangener führte". Diese Gefangenen waren die schlafenden Fortlebenden von den Tagen Adams bis zum Tag der Auferstehung des Meisters auf Urantia. Das Verstreichen der Zeit hat für die schlafenden Sterblichen keine Bedeutung; sie sind vollkommen bewusstlos; sie wissen nichts von der Dauer ihrer Ruhe. Bei der Neuzusammenfügung der Persönlichkeit am Ende eines Zeitalters werden diejenigen, die fünftausend Jahre geschlafen haben, nicht anders reagieren als jene, die fünf Tage geruht haben. Vom zeitlichen Aufschub abgesehen, durchlaufen diese Fortlebenden die Etappen des Aufstiegs genau gleich wie jene, die einen längeren oder kürzeren Todesschlaf vermeiden. Diese Dispensationsklassen von Weltenpilgern werden in der Arbeit des Lokaluniversums für morontielle Gruppenaktivitäten gebraucht. In der Mobilisierung derart gewaltiger Gruppen liegt ein großer Vorteil; auf diese Art bleiben sie während langer Perioden wirkungsvollen Dienstes beisammen. 3. Studenten der Residenzwelten. Alle fortlebenden Sterblichen, die auf den Residenzwelten aufwachen, gehören dieser Klasse an. Der physische Körper aus sterblichem Fleisch ist kein Teil des neu zusammengefügten schlafenden Fortlebenden; der physische Körper ist zum Staub zurückgekehrt. Der zugeteilte Seraph bürgt für den neuen Körper, die morontielle Gestalt, als dem neuen Lebensträger für die unsterbliche Seele und den innewohnenden zurückgekehrten Justierer. In der Verwahrung des Justierers befindet sich die geistige Übersetzung des Verstandes des schlafenden Fortlebenden. Der zugeteilte Seraph ist der Hüter der fortlebenden Identität - der unsterblichen Seele - so weit sich diese entwickelt hat. Und wenn diese beiden, Justierer und Seraph, das ihnen anvertraute Persönlichkeitsgut wiedervereinigen, stellt das neue Wesen die Auferstehung der alten Persönlichkeit dar, das Fortleben der sich entwickelnden morontiellen Identität der Seele. Solch eine Wiedervereinigung von Seele und Justierer nennt man durchaus zutreffend eine Auferstehung, eine Wiederzusammenfügung von Persönlichkeitsfaktoren; aber auch das erklärt das Wiedererscheinen der weiterlebenden Persönlichkeit nicht restlos. Obwohl ihr die Tatsache eines solch unerklärlichen Vorgangs wahrscheinlich nie verstehen werdet, werdet ihr eines Tages die Wahrheit durch eigene Erfahrung kennen, sofern ihr den Plan für das Fortleben der Sterblichen nicht zurückweist. Der Plan des anfänglichen Zurückhaltens der Sterblichen auf sieben Welten fortschreitender Schulung ist in Orvonton nahezu universell. In jedem ungefähr eintausend bewohnte Welten zählenden Lokalsystem gibt es sieben Residenzwelten, die gewöhnlich Satelliten oder Untersatelliten der Systemhauptwelt sind. Sie sind die Empfangswelten für die Mehrheit der aufsteigenden Sterblichen. Manchmal nennt man all diese von Sterblichen bewohnten Schulungswelten die "Wohnungen", und gerade auf solche Sphären spielte Jesus an, als er sagte: "In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen." Von da an werden die Aufsteiger innerhalb einer gegebenen Sphärengruppe wie derjenigen der Residenzwelten von Sphäre zu Sphäre und von einer Lebensphase zur nächsten individuell vorrücken, aber von einem Abschnitt des Universumsstudiums zum anderen gehen sie immer in Klassenformation weiter. 4. Morontielle Fortschreitende. Von den Residenzwelten an aufwärts durch die Sphären des Systems, der Konstellation und des Universums reiht man die Sterblichen in die Klasse der moron-tiellen Fortschreitenden ein; sie durchlaufen jetzt die Übergangssphären des Aufstiegs der Sterblichen. Während die aufsteigenden Sterblichen von den niedrigeren zu den höheren morontiellen Welten fortschreiten, dienen sie in ungezählten Eigenschaften in Zusammenarbeit mit ihren Lehrern und in Gesellschaft ihrer vorgerückteren und älteren Brüder. Das morontielle Wachstum betrifft ständigen Fortschritt von Intellekt, Geist und persönlicher Gestalt. Die Fortlebenden sind immer noch Wesen mit drei Naturen. Während der ganzen morontiellen Erfahrung sind sie Mündel des Lokaluniversums. Die Ordnung des Superuniversums funktioniert für sie erst ab Beginn der geistigen Laufbahn. Die Sterblichen erwerben eine wirklich geistige Identität erst kurz bevor sie den Hauptsitz des Lokaluniversums verlassen, um sich auf die Empfangswelten der Kleinen Sektoren des Superuniversums zu begeben. Der Übergang vom morontiellen Schlussstadium zum ersten oder niedrigsten geistigen Status stellt nur eine geringfügige Verwandlung dar. Verstand, Persönlichkeit und Charakter bleiben bei diesem Schritt unverändert; einzig die Gestalt wandelt sich. Aber die Geistgestalt ist gerade so wirklich wie der morontielle Körper und ebenso deutlich wahrnehmbar. Vor ihrer Abreise von den Lokaluniversen ihres Ursprungs nach den Empfangswelten des Superuniversums erhalten die Sterblichen der Zeit vom Schöpfersohn und vom Muttergeist des Lokaluniversums eine Bestätigung ihrer Geistigkeit. Von da an ist der Status des aufsteigenden Sterblichen endgültig gesichert. Nie hat man von auf Abwege geratenen Mündeln des Superuniversums gehört. Auch die aufsteigenden Seraphim werden zur Zeit ihres Verlassens des Lokaluniversums in ihrem Engelsrang erhöht. 5. Mündel des Superuniversums. Alle auf den Schulungswelten der Superuniversen eintreffenden Aufsteiger werden zu Mündeln der Ältesten der Tage; sie haben das morontielle Leben der Lokaluniversen durchlaufen und sind jetzt beglaubigte Geistwesen. Als junge geistige Wesen beginnen sie den Aufstieg im superuniversellen System der Schulung und Kultur, das sich von den Empfangssphären ihres Kleinen Sektors über die Studienwelten der zehn Großen Sektoren bis hinauf zu den höheren Kultursphären des superuniversellen Hauptsitzes erstreckt. Es gibt drei Ordnungen studierender Geistwesen, je nachdem, ob sie sich in den Kleinen Sektoren, den Großen Sektoren oder auf den superuniversellen Hauptsitzwelten geistigen Fortschritts aufhalten. So wie die morontiellen Aufsteiger auf den Welten des Lokaluniversums studierten und arbeiteten, fahren auch die geistigen Aufsteiger fort, neue Welten zu meistern, während sie sich darin üben, an andere weiterzugeben, was sie aus den Weisheitsbrunnen der Erfahrung getrunken haben. Aber während der superuniversellen Laufbahn als geistiges Wesen zur Schule zu gehen, ist sehr anders als irgendetwas, was je in die Vorstellungswelt des materiellen menschlichen Verstandes eingedrungen ist. Bevor die aufsteigenden Geistwesen das Superuniversum mit Ziel Havona verlassen, erhalten sie denselben vollständigen Unterricht in superuniverseller Führung, wie sie ihn während ihrer morontiellen Erfahrung in lokaluniverseller Leitung genossen haben. Bevor die vergeistigten Sterblichen Havona erreichen, besteht ihr hauptsächliches Studium, wenn auch nicht ihre ausschließliche Beschäftigung, in der Beherrschung der Lokaluniversums- und Superuniversumsverwaltung. Der Grund für diese ganze Erfahrung ist jetzt nicht ganz ersichtlich, aber zweifellos ist diese Schulung weise und notwendig im Hinblick auf die mögliche zukünftige Bestimmung der Sterblichen als Angehörige des Finalitätskorps. Der superuniverselle Werdegang ist nicht für alle aufsteigenden Sterblichen derselbe. Sie erhalten wohl alle dieselbe allgemeine Erziehung, aber besondere Gruppen und Klassen werden in Spezialkursen ausgebildet und ganz bestimmten Übungsgängen unterworfen. 6. Pilger Havonas. Wenn die geistige Entwicklung eines fortlebenden Sterblichen vollständig, wenn auch nicht überreich ist, macht er sich bereit für den langen Flug nach Havona, dem Hafen der evolutionären Geistwesen. Auf Erden wart ihr ein Geschöpf aus Fleisch und Blut; auf der Reise durch das Lokaluniversum wart ihr ein morontielles Wesen; im Superuniversum wart ihr ein in Entwicklung begriffenes Geistwesen; mit eurer Ankunft auf den Empfangswelten Havonas beginnt eure geistige Erziehung wirklich und allen Ernstes; und endlich werdet ihr im Paradies als ein vervollkommnetes Geistwesen erscheinen. Die Reise vom Hauptsitz des Superuniversums nach den Empfangssphären Havonas wird immer allein unternommen. Von jetzt an wird kein Klassen- oder Gruppenunterricht mehr erteilt. Ihr habt die auf den evolutionären Welten von Zeit und Raum empfangene technische und administrative Schulung hinter euch gebracht. Jetzt beginnt eure persönliche Erziehung, eure individuelle geistige Schulung. Von Anfang bis Ende, durch ganz Havona, ist die Ausbildung persönlich und ihrem Wesen nach dreifach: intellektuell, geistig und erfahrungsmäßig. Die erste Handlung eurer havonischen Laufbahn wird sein, eurem Transportsekonaphen eure Anerkennung und Dankbarkeit für die lange und wohlbehalten überstandene Reise auszudrücken. Hierauf werdet ihr den Wesen vorgestellt, die bei euren frühen Havona-Aktivitäten eure Paten sein werden. Als Nächstes geht ihr eure Ankunft registrieren und setzt eine Botschaft des Dankes und der Anbetung zur Absendung an den Schöpfersohn eures Lokaluniversums auf, an den Universumsvater, der euren Sohnes-Werdegang ermöglicht hat. Damit sind die Formalitäten der Ankunft auf Havona abgeschlossen; nun wird euch eine lange Periode der Muße für freie Beobachtung gewährt, die euch Gelegenheit bietet, eure Freunde, Gefährten und Mitarbeiter aus der langen aufsteigenden Erfahrungszeit aufzusuchen. Ihr könnt auch den Fernmeldedienst befragen, um zu erfahren, welche von euren Pilgergefährten seit eurem Verlassen Uversas nach Havona abgereist sind. Die Tatsache eurer Ankunft auf den Empfangswelten Havonas wird ordnungsgemäß an den Hauptsitz eures Lokaluniversums weitergemeldet und eurem seraphischen Hüter persönlich mitgeteilt, wo immer auch dieser Seraph sich dann gerade aufhalten mag. Die aufsteigenden Sterblichen sind mit den Angelegenheiten der evolutionären Welten des Raums gründlich vertraut gemacht worden; nun stehen sie am Anfang ihres langen und lohnenden Kontaktes mit den erschaffenen Sphären der Vollendung. Welch eine Vorbereitung auf irgendein zukünftiges Wirken wird doch durch diese kombinierte, einzigartige und außergewöhnliche Erfahrung geboten! Aber ich kann euch Havona nicht schildern; ihr müsst diese Welten sehen, um ihre Herrlichkeit würdigen und ihre Großartigkeit erfassen zu können. 7. Paradies-Ankömmlinge. Wenn ihr das Paradies mit dem Status von Wohnberechtigten erreicht habt, beginnt ihr mit dem progressiven Lehrgang in Göttlichkeit und Absonität. Euer Wohnrecht im Paradies bedeutet, dass ihr Gott gefunden habt, und dass euch bevorsteht, in das Finalitätskorps der Sterblichen aufgenommen zu werden. Von allen Geschöpfen des Großen Universums werden nur die mit dem Vater fusionierten in das Finalitätskorps der Sterblichen aufgenommen. Nur solche Wesen leisten den Finalisteneid. Andere Wesen, die paradiesische Vollkommenheit besitzen oder erreicht haben, können diesem Finalitätskorps vorübergehend zugeteilt werden, aber ihre Zugehörigkeit zu der unbekannten und nichtoffenbarten Mission dieses anschwellenden Heeres evolutionärer, vervollkommneter Veteranen von Zeit und Raum ist nicht für ewig. Den Paradies-Ankömmlingen wird eine Periode der Freiheit zugestanden, wonach sie ihr Zusammenwirken mit den sieben Gruppen primärer Supernaphim beginnen. Man bezeichnet sie als Graduierte des Paradieses, wenn sie ihren Lehrgang bei den Leitern der Anbetung abgeschlossen haben und danach als Finalisten in der Eigenschaft von Beobachtern und Mitarbeitern in den fernsten Gegenden der gewaltigen Schöpfung eingesetzt werden. Bis jetzt scheint es für das Finalitätskorps der Sterblichen keine bestimmte oder definitive Verwendung zu geben, obwohl sie auf den im Licht und Leben verankerten Welten in vielen Funktionen dienen. Auch wenn es für das Finalitätskorps der Sterblichen keine künftige oder nicht offenbarte Bestimmung gäbe, wäre die diesen aufsteigenden Wesen gegenwärtig zugewiesene Aufgabe ganz und gar angemessen und glorreich. Ihre jetzige Bestimmung rechtfertigt den universalen Plan für den evolutionären Aufstieg vollkommen. Aber die künftigen Zeitalter der Sphärenentwicklung im Äußeren Raum werden ohne Zweifel die von den Göttern bei der Ausführung ihres göttlichen Planes für menschliches Fortleben und sterblichen Aufstieg bekundete Weisheit und Gnade noch ganz anders hervortreten und in hellerem göttlichen Lichte erstrahlen lassen. Zusammen mit dem, was euch offenbart worden ist und was ihr den Ausführungen über eure eigene Welt werdet entnehmen können, stellt dieser Bericht eine Skizze der Laufbahn eines aufsteigenden Sterblichen dar. Die Geschichte hört sich von einem Superuniversum zum anderen beträchtlich anders an, aber diese Schilderung gewährt einen flüchtigen Blick auf den durchschnittlichen Plan für menschlichen Fortschritt, wie er im Lokaluniversum von Nebadon und im siebenten Segment des Großen Universums, im Superuniversum von Orvonton, funktioniert. [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter aus Uversa.] ****** Kapitel 31 Das Korps der Finalität ****** DAS Korps der Sterblichen Finalisten stellt die gegenwärtig bekannte Bestimmung der aufsteigenden, mit ihrem Justierer fusionierten Sterblichen der Zeit dar. Aber es gibt noch andere Gruppen, die ebenfalls diesem Korps zugeteilt sind. Das primäre Finalistenkorps setzt sich wie folgt zusammen: 1. Einheimische Havonas. 2. Gravitationsbotschafter. 3. Verherrlichte Sterbliche. 4. Adoptierte Seraphim. 5. Verherrlichte Materielle Söhne. 6. Verherrlichte Mittler-Geschöpfe. Das sind die sechs Gruppen verherrlichter Wesen, die diese einzigartige Körperschaft ewiger Bestimmung bilden. Wir vermeinen ihre zukünftige Aufgabe zu kennen, aber sicher sind wir nicht. Obwohl sich das Finalitätskorps der Sterblichen im Paradies mobilisiert und obwohl es gegenwärtig auf so umfassende Weise in den Universen des Raums wirkt und die im Licht und Leben verankerten Welten verwaltet, müssen die jetzt in Organisation begriffenen Universen des Äußeren Raumes seine künftige Bestimmung sein. Wenigstens vermutet man das auf Uversa. Das Korps ist in Übereinstimmung mit den Arbeitsgemeinschaften der Welten des Raums organisiert und gemäß der während des langen und bewegten aufsteigenden Werdegangs gesammelten Erfahrung im Zusammenleben. Alle zum Korps zugelassenen aufsteigenden Geschöpfe werden darin als Ebenbürtige empfangen, aber diese erhabene Gleichheit löscht in keiner Weise die Individualität aus, noch zerstört sie die persönliche Identität. Im Umgang mit einem Finalisten können wir sofort feststellen, ob es sich um einen aufsteigenden Sterblichen, einen Einheimischen Havonas, einen adoptierten Seraphen, ein Mittler-Geschöpf oder einen Materiellen Sohn handelt. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters kehren die Finalisten zum Dienst in die Universen der Zeit zurück. Es werden ihnen nacheinander Aufgaben in den verschiedenen Superuniversen übertragen, aber nie im Superuniversum ihrer Herkunft, solange sie nicht in allen anderen sechs Superschöpfungen gedient haben. Auf diese Weise können sie sich die siebenfache Vorstellung vom Supremen Wesen aneignen. Eine oder mehrere Kompanien sterblicher Finalisten sind ständig auf Urantia im Dienst. Es gibt keinen universellen Dienstbereich, dem sie nicht zugeteilt sind; sie sind universell tätig und arbeiten im Wechsel während gleich langer Perioden ihnen zugewiesener Ämter und freien Dienstes. Wir haben keine Vorstellung von der Natur der zukünftigen Organisation dieser außergewöhnlichen Gruppe, aber die Finalisten sind jetzt eine sich völlig selbstverwaltende Körperschaft. Sie wählen ihre eigenen ständigen, periodischen und Missionen zuweisenden Führer und Leiter. Kein äußerer Einfluss kann je auf ihre Politik einwirken, und sie haben einzig der Paradies-Trinität Treue geschworen. Die Finalisten unterhalten ihre eigenen Hauptquartiere im Paradies, in den Superuniversen, in den Lokaluniversen und in allen Kapitalen der Unterabteilungen. Sie sind eine getrennte Ordnung der evolutionären Schöpfung. Wir führen oder kontrollieren sie nicht direkt, und doch sind sie absolut treu und bei all unseren Vorhaben stets zur Mitarbeit bereit. Sie sind in der Tat die sich ansammelnden geprüften und wahren Seelen von Zeit und Raum - das evolutionäre Salz des Universums - und sie sind auf ewig gegen Übel gefeit und vor Sünde sicher. ***** 31.1 Die Einheimischen Havonas ***** Viele Einheimische Havonas, die in den Pilger-Übungsschulen des Zentraluniversums als Lehrer dienen, binden sich sehr stark an die aufsteigenden Sterblichen, und noch stärker faszinieren sie künftiges Wirken und Bestimmung des Korps Sterblicher Finalisten. Im Paradies wird am administrativen Hauptsitz des Korps ein Register für freiwillige Havoner geführt, dem der Mitarbeiter von Großfanda vorsteht. Heute findet man Millionen und Abermillionen von Einheimischen Havonas auf dieser Warteliste. Diese vollkommenen Wesen direkter göttlicher Schöpfung sind dem Finalitätskorps der Sterblichen eine große Hilfe, und sie werden ihm in weit entfernter Zukunft ohne Zweifel noch viel nützlicher sein. Sie steuern den Gesichtspunkt derer bei, die in Vollkommenheit und göttlicher Überfülle geboren sind. Auf diese Weise vereinigen die Finalisten beide Phasen erfahrungsmäßiger Existenz in sich - die vollkommene und die vervollkommnete. Die Einheimischen Havonas müssen in Verbindung mit evolutionären Wesen gewisse erfahrungsmäßige Entwicklungen durchmachen, die in ihnen die Fähigkeit schaffen, ein Geistfragment des Universalen Vaters zu empfangen. Das Finalitätskorps der Sterblichen zählt als dauernde Mitglieder nur Wesen, die mit dem Geist des Ersten Zentralen Ursprungs fusioniert haben oder denen, wie den Gravitationsbotschaftern, dieser Geist Gottes des Vaters schon angeboren ist. Die Bewohner des Zentraluniversums werden in das Korps im Verhältnis von einem auf eintausend Finalisten - so viele zählt eine Finalistenkompanie - aufgenommen. Für befristete Dienste ist das Korps in Kompanien zu eintausend organisiert, wobei auf 997 aufsteigende Geschöpfe ein Einheimischer Havonas und ein Gravitationsbotschafter kommen. Die Finalisten werden solcherweise in Kompanien mobilisiert, aber das Finalistengelübde wird ihnen einzeln abgenommen. Es ist ein Gelübde von enormer Tragweite und ewiger Bedeutung. Der Einheimische Havonas leistet denselben Eid und tritt dem Korps für immer bei. Die havonischen Neulinge folgen der Kompanie, der sie zugeteilt sind; wo immer die Gruppe sich hinbegibt, gehen auch sie mit. Und ihr solltet ihren Enthusiasmus bei der neuen Finalistenarbeit sehen! Die Möglichkeit, dem Korps der Finalität beizutreten, ist etwas vom Allererregendsten in Havona; die Möglichkeit, ein Finalist zu werden, ist eines der höchsten Abenteuer dieser vollkommenen Rassen. Die Einheimischen Havonas werden auch in demselben Verhältnis in das Korps der Vereinigten Trinitisierten Finalisten auf Vizegerington und in das Korps der Transzendenten Finalisten im Paradies aufgenommen. Die Bürger Havonas betrachten diese drei Bestimmungen nebst ihrer möglichen Aufnahme in das Korps der Finalisten Havonas als die höchsten Ziele ihrer himmlischen Laufbahn. ***** 31.2 Gravitationsbotschafter ***** Wo und wann immer Gravitationsbotschafter wirken, führen die Finalisten den Befehl. Alle Gravitationsbotschafter unterstehen der ausschließlichen Verfügungsgewalt Großfandas, und sie sind nur dem primären Korps der Finalität zugeteilt. Sie sind den Finalisten schon jetzt von unschätzbarem Wert, und sie werden sich in der ewigen Zukunft als überaus nützlich erweisen. Keine andere Gruppe intelligenter Geschöpfe besitzt ein derartiges personifiziertes Botschafterkorps, das fähig ist, Zeit und Raum zu transzendieren. Ähnliche, anderen Finalitätskorps zugeteilte Typen von Botschafter-Registrierern sind nicht personifiziert; sie sind absonitisiert. Die Gravitationsbotschafter stammen aus Divinington und sind modifizierte und personifizierte Justierer, aber kein Mitglied unserer Gruppe aus Uversa wird sich unterfangen, die Natur eines dieser Botschafter erklären zu wollen. Wir wissen, dass sie hochpersönliche, göttliche, intelligente und rührend verstehende Wesen sind, aber wir begreifen ihre zeitlose Technik der Raumdurchquerung nicht. Sie scheinen in der Lage zu sein, durchaus alle Energien, Kreisläufe und selbst die Gravitation zu benutzen. Die Finalisten des Korps der Sterblichen können Zeit und Raum nicht trotzen, aber sie haben an ihrer Seite und unter ihrem Befehl beinah unendliche Geistpersönlichkeiten, die dazu imstande sind. Wir nehmen uns die Freiheit, die Gravitationsbotschafter Persönlichkeiten zu nennen, aber in Wirklichkeit sind es Wesen der höchsten Geistesart, unbegrenzte, uferlose Persönlichkeiten. Sie besitzen eine von den Einsamen Botschaftern völlig verschiedene Art der Persönlichkeit. Gravitationsbotschafter können einer Finalistenkompanie in unbeschränkter Zahl angegliedert werden, aber nur ein Botschafter, das Oberhaupt seiner Gefährten, wird in das Finalitätskorps der Sterblichen aufgenommen. Diesem Oberhaupt ist ein permanenter Mitarbeiterstab von 999 Botschaftergefährten zugeteilt, und wenn die Umstände es erfordern, kann er aus den Reserven der Ordnung Hilfskräfte in unbegrenzter Zahl anfordern. Die Gravitationsbotschafter und die verherrlichten sterblichen Finalisten gelangen zu einer rührenden und tiefen Zuneigung zueinander, denn sie haben vieles gemeinsam: Die einen sind direkte Personifizierungen von Fragmenten des Universalen Vaters, die anderen sind Geschöpfespersönlichkeiten, die ihre Existenz in der fortlebenden unsterblichen Seele haben, welche mit einem Fragment desselben Universalen Vaters, mit dem geistigen Gedankenjustierer, fusioniert hat. ***** 31.3 Verherrlichte Sterbliche ***** Die aufsteigenden, mit dem Justierer fusionierten Sterblichen bilden den Hauptharst des primären Korps der Finalität. Zusammen mit den adoptierten und verherrlichten Seraphim gibt es ihrer in jeder Finalistenkompanie gewöhnlich 990. Das Verhältnis zwischen Sterblichen und Engeln ist von Gruppe zu Gruppe verschieden, wobei die Sterblichen den Engeln an Zahl weit überlegen sind. Einheimische Havonas, verherrlichte Materielle Söhne, verherrlichte Mittler-Geschöpfe, Gravitationsbotschafter und das unbekannte, fehlende Mitglied machen nur ein Prozent des Korps aus; jede Kompanie von eintausend Finalisten bietet gerade für zehn von diesen nichtsterblichen und nichtseraphischen Persönlichkeiten Platz. Wir auf Uversa kennen die "Finalitätsbestimmung" der aufsteigenden Sterblichen der Zeit nicht. Gegenwärtig residieren sie im Paradies und dienen vorübergehend in den Korps des Lichts und Lebens; aber ein derart ungeheuerlicher Lehrgang aufsteigender Schulung und eine derart lange Universumsdisziplin müssen dazu bestimmt sein, sie für noch größere Vertrauenstests und noch sublimere verantwortungsvolle Dienste zu qualifizieren. Obwohl diese aufsteigenden Sterblichen das Paradies erreicht haben, in das Korps der Finalität aufgenommen und in großer Zahl zurückgesandt worden sind, um sich an der Führung der Lokaluniversen zu beteiligen und bei der Verwaltung der superuniversellen Angelegenheiten mitzuwirken - trotz dieser scheinbaren Bestimmung bleibt doch die bedeutungsvolle Tatsache bestehen, dass sie nur als Geiste der sechsten Stufe eingetragen sind. Zweifelsohne bleibt im Werdegang des Finalitätskorps der Sterblichen noch ein weiterer Schritt zu tun. Wir kennen die Art dieses Schrittes nicht, aber es sind uns drei Tatsachen bekannt, auf die wir jetzt eure Aufmerksamkeit lenken möchten: 1. Die Annalen sagen uns, dass die Sterblichen während ihres Aufenthaltes in den Kleinen Sektoren Geiste der ersten Ordnung sind, dass sie zur zweiten Ordnung vorrücken, wenn sie auf die Großen Sektoren versetzt werden, und zur dritten, wenn sie auf die zentralen Schulungswelten des Superuniversums weitergehen. Die Sterblichen werden vierte oder graduierte Geiste, wenn sie den sechsten Kreis Havonas erreichen, und Geiste der fünften Ordnung, wenn sie den Universalen Vater finden. Später erreichen sie das sechste Stadium geistiger Existenz, nachdem sie den Eid abgelegt haben, der ihre ewige Zugehörigkeit zum Finalitätskorps der Sterblichen besiegelt. Wir stellen fest, dass die geistige Klassifizierung oder Bezeichnung durch das tatsächliche Vorrücken von einem Bereich universellen Dienstes zu einem anderen Bereich universellen Dienstes oder von einem Universum zu einem anderen Universum bestimmt wird; und wir vermuten, dass die Erhebung des Finalitätskorps der Sterblichen in die siebente Geistklasse zusammenfallen wird mit ihrer Beförderung zum ewigen Amt des Dienens auf bisher unbekannten und nicht offenbarten Sphären und mit ihrem Erreichen des Supremen Gottes. Aber außer diesen kühnen Mutmaßungen wissen wir über all das tatsächlich nicht mehr als ihr; unsere Kenntnis der sterblichen Laufbahn geht nicht weiter als bis zu der gegenwärtigen Paradies-Bestimmung. 2. Die sterblichen Finalisten sind der Aufforderung der Zeitalter "Seid vollkommen" voll und ganz gerecht geworden; sie sind über den universellen Pfad sterblicher Vollbringung aufgestiegen; sie haben Gott gefunden und sind ordnungsgemäß in das Finalitätskorps aufgenommen worden. Diese Wesen haben die gegenwärtige Grenze geistigen Fortschritts erreicht, nicht aber die Finalität des ultimen geistigen Status. Sie sind an die gegenwärtige Grenze der Geschöpfesvollkommenheit gelangt, nicht aber zur Finalität des Geschöpfesdienstes. Sie haben die Fülle der Anbetung der Gottheit erfahren, nicht aber die Finalität des erfahrungsmäßigen Erreichens der Gottheit. 3. Die verherrlichten Sterblichen des Paradies-Korps der Finalität sind aufsteigende Wesen, die jeden Schritt der Wirklichkeit und Philosophie einer so intensiv wie nur möglich gelebten intelligenten Existenz aus Erfahrung kennen. Während der Zeitalter dieses Aufstiegs von den niedrigsten materiellen Welten zu den geistigen Höhen des Paradieses sind diese fortlebenden Geschöpfe bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten geschult worden in jeder Einzelheit jedes göttlichen Prinzips einer sowohl gerechten und wirksamen als auch erbarmungsvollen und geduldigen Verwaltung der gesamten universellen Schöpfung von Zeit und Raum. Wir halten dafür, dass die menschlichen Wesen ein Anrecht darauf haben, unsere Ansichten zu kennen, und dass ihr frei sein sollt, mit uns bezüglich des Geheimnisses der ultimen Bestimmung des Paradies-Korps der Finalität Vermutungen anzustellen. Es scheint uns in die Augen zu springen, dass die gegenwärtigen Missionen dieser vervollkommneten evolutionären Geschöpfe ihrem Wesen nach so etwas wie Kurse für bestandene Graduierte in Universumsverständnis und superuniverseller Verwaltung darstellen; und wir fragen uns alle: "Warum legen die Götter einen derartigen Wert darauf, die fortlebenden Sterblichen so umfassend in der Technik der Universumsführung auszubilden?" ***** 31.4 Adoptierte Seraphim ***** Vielen der treuen seraphischen Hüter von Sterblichen wird gestattet, mit ihren menschlichen Mündeln die aufsteigende Bahn zu durchlaufen, und nach ihrer Fusion mit dem Vater legen viele dieser Schutzengel zusammen mit ihren Schützlingen das Ewigkeitsgelübde der Finalisten ab und akzeptieren für immer dieselbe Bestimmung wie ihre sterblichen Gefährten. Engel, die die aufsteigende Erfahrung sterblicher Wesen durchmachen, können das Los der menschlichen Natur teilen; sie können wie sie und auf ewig in das Korps der Finalität aufgenommen werden. Eine große Zahl adoptierter und verherrlichter Seraphim wird auch den verschiedenen Finalitätskorps Nichtsterblicher zugeteilt. ***** 31.5 Verherrlichte Materielle Söhne ***** Es gibt in den Universen von Zeit und Raum eine Regelung, die es Adamischen Bürgern der Lokalsysteme, die lange vergeblich auf eine planetarische Mission gewartet haben, erlaubt, einen Antrag auf Entbindung vom Status eines Dauerbürgers zu stellen. Wenn diesem entsprochen wird, schließen sie sich den aufsteigenden Pilgern in den Universumskapitalen an und bewegen sich von hier aus auf das Paradies und das Finalitätskorps zu. Wenn eine vorgerückte evolutionäre Welt die späteren Ären des Zeitalters des Lichts und Lebens erreicht, können sich die Materiellen Söhne - die Planetarischen Adame und Evas - dafür entscheiden, sich zu vermenschlichen, Justierer zu empfangen und den evolutionären Weg einzuschlagen, der durch das Universum hinauf- und zum Korps der Sterblichen Finalisten führt. Gewisse dieser Materiellen Söhne, wie Adam auf Urantia, sind bei ihrer Sendung als biologische Beschleuniger teilweise gescheitert oder haben technische Fehler begangen; sie sehen sich dann gezwungen, sich dem für die Völker dieser Welt natürlichen Lauf der Dinge zu unterziehen, Justierer zu empfangen, den Tod zu erleiden, gestützt auf ihren Glauben durch die Etappen des Aufstiegs zu gehen und endlich das Paradies und das Korps der Finalität zu erreichen. Man findet diese Materiellen Söhne nicht in vielen Finalistenkompanien. Ihre Gegenwart verleiht solchen Gruppen ein großes Potential für mögliche hohe Dienste, und sie werden stets zu ihren Führern ernannt. Wenn beide Partner des edenischen Paares derselben Gruppe angehören, erlaubt man ihnen gewöhnlich, gemeinsam, wie eine einzige Persönlichkeit, zu wirken. Solche aufsteigenden Paare sind beim Abenteuer der Trinitisierung weit erfolgreicher als die aufsteigenden Sterblichen. ***** 31.6 Verherrlichte Mittler-Geschöpfe ***** Auf vielen Planeten werden Mittler-Geschöpfe in großer Zahl erzeugt, aber sie harren selten auf ihrer Geburtswelt aus, nachdem diese im Licht und Leben verankert worden ist. Dann, oder bald nachher, werden sie aus ihrem Status als Dauerbürger entlassen und beginnen mit ihrem Aufstieg zum Paradies. Gemeinsam mit den Sterblichen von Zeit und Raum durchlaufen sie dann die morontiellen Welten, das Superuniversum und Havona. Die verschiedenen Universen entstammenden Mittler-Geschöpfe unterscheiden sich in Ursprung und Wesen bedeutend voneinander, aber sie sind alle für das eine oder andere Finalitätskorps des Paradieses bestimmt. Die sekundären Mittler fusionieren schließlich alle mit einem Justierer und werden in das Korps der Sterblichen aufgenommen. Viele Finalistenkompanien haben eines von diesen verherrlichten Wesen in ihren Reihen. ***** 31.7 Die Verkündiger des Lichts ***** Gegenwärtig zählt jede Finalistenkompanie 999 Persönlichkeiten, die einen Eid abgelegt haben, also dauernde Mitglieder sind. Der fehlende Platz wird vom Haupt der jeder einzelnen Mission beigegebenen Verkündiger des Lichts eingenommen. Aber diese Wesen sind nur vorübergehende Mitglieder des Korps. Jede dem Dienst irgendeines Finalistenkorps zugeteilte himmlische Persönlichkeit wird Verkündiger des Lichts genannt. Diese Wesen leisten keinen Finalisteneid und sind, obwohl seiner Organisation unterstellt, mit dem Korps nicht auf Dauer verbunden. Diese Gruppe kann Einsame Botschafter, Supernaphim, Sekonaphim, Paradies-Bürger oder deren trinitisierte Sprosse umfassen - überhaupt jedes zur Ausführung einer vorübergehenden Finalistenmission erforderliche Wesen. Ob das Korps bei seiner ewigen Mission mit diesen Wesen verbunden bleibt oder nicht, wissen wir nicht. Nach Beendigung ihres Auftrags nehmen die Verkündiger des Lichts jeweils wieder ihren früheren Status an. In seiner derzeitigen Zusammensetzung umfasst das Finalitätskorps der Sterblichen gerade nur sechs Klassen von Dauermitgliedern. Wie man sich vorstellen kann, ergehen sich die Finalisten in vielen Mutmaßungen über die Identität ihrer zukünftigen Gefährten, aber sie sind untereinander ziemlich uneins. Wir auf Uversa stellen oft Vermutungen über die Identität der siebenten Finalistengruppe an. Wir haben darüber viele Ideen, wie zum Beispiel die mögliche Zuteilung einiger Mitglieder der sich ansammelnden Korps der zahlreichen trinitisierten Gruppen des Paradieses, Vizegeringtons und des inneren Kreises Havonas. Man mutmaßt sogar, dem Korps der Finalität könnte, sollte es für den Dienst in den jetzt im Werden begriffenen Universen bestimmt sein, die Trinitisierung vieler seiner Helfer bei der universellen Verwaltungsarbeit gestattet werden. Einer von uns vertritt die Ansicht, dass jener leere Platz im Korps der Finalisten von irgendeinem dem neuen Universum ihres zukünftigen Dienstes entstammenden Wesenstyp eingenommen werden wird; ein anderer neigt zur Ansicht, dass dieser Platz von einem Typ paradiesischer Persönlichkeit besetzt werden wird, der noch nicht erschaffen, eventuiert oder trinitisiert worden ist. Aber wir werden höchstwahrscheinlich den Eintritt der Finalisten in das siebente Stadium ihrer geistigen Vollbringung abwarten müssen, um es wirklich zu wissen. ***** 31.8 Die Transzendentalen ***** Ein Teil der Erfahrung der vervollkommneten Sterblichen als Finalisten des Paradieses besteht im Bemühen um das Verständnis von Wesen und Funktion der über eintausend Gruppen transzendenter Überbürger des Paradieses, eventuierter Wesen mit absoniten Attributen. Bei ihrem Umgang mit diesen Überpersönlichkeiten stehen den aufsteigenden Finalisten zahlreiche Ordnungen transzendenter Betreuer helfend und lenkend zur Seite, die die Aufgabe haben, die fortgeschrittenen Finalisten bei ihren neuen Paradies-Brüdern einzuführen. Die ganze Ordnung der Transzendentalen lebt im westlichen Teil des Paradieses in einem gewaltigen Bezirk, der ausschließlich von ihr eingenommen wird. Bei der Besprechung der Transzendentalen sind uns Beschränkungen auferlegt, nicht nur durch das begrenzte menschliche Verständnis, sondern auch durch die Bestimmungen des Erlasses, der unsere die Paradies-Persönlichkeiten betreffenden Enthüllungen regelt. Diese Wesen stehen in keinem Zusammenhang mit dem Aufstieg der Sterblichen nach Havona. Das gewaltige Heer der Transzendentalen des Paradieses hat weder mit den Angelegenheiten Havonas noch denjenigen der sieben Superuniversen das Geringste zu tun, da es sich einzig mit der Überverwaltung der Angelegenheiten des Alluniversums befasst. Ihr als Geschöpfe könnt euch einen Schöpfer vorstellen, aber ihr könnt schwerlich fassen, dass eine enorme und vielfältige Ansammlung intelligenter Wesen existiert, die weder Schöpfer noch Geschöpfe sind. Diese Transzendentalen erschaffen keine Geschöpfe, noch wurden sie je erschaffen. Wenn wir von ihrem Ursprung sprechen, erachten wir es zur Vermeidung der Einführung eines neuen Ausdrucks - einer willkürlichen Bezeichnung ohne Bedeutung - als das Beste zu sagen, dass die Transzendentalen ganz einfach eventuieren. Es mag wohl sein, dass das Gottheit-Absolute etwas mit ihrem Ursprung zu tun gehabt hat und an ihrem Schicksal beteiligt ist, aber diese einzigartigen Wesen werden jetzt nicht durch das Gottheit-Absolute beherrscht. Sie unterstehen dem Ultimen Gott, und ihr gegenwärtiger Paradies-Aufenthalt wird in jeder Beziehung durch die Trinität überwacht und gelenkt. Obwohl alle Sterblichen, die das Paradies erreichen, oft mit den Transzendentalen genauso wie mit den Paradies-Bürgern brüderlich verkehren, ist es doch so, dass der erste ernsthafte Kontakt eines Menschen mit einem Transzendentalen bei jener denkwürdigen Gelegenheit stattfindet, wenn der sterbliche Aufsteiger als Mitglied einer neuen Finalistengruppe im Empfangsrund für Finalisten steht, wo der Ewigkeitsschwur vor der Trinität vom Oberhaupt der Transzendentalen, dem leitenden Vorsteher der Architekten des Alluniversums, abgenommen wird. ***** 31.9 Die Architekten des Alluniversums ***** Die Architekten des Alluniversums sind das leitende Korps der Transzendentalen des Paradieses. Dieses regierende Korps zählt 28 011 Persönlichkeiten, die einen allbeherrschenden Verstand, wundervollen Geist und himmlische absonite Fähigkeiten besitzen. Der präsidierende Würdenträger dieser prachtvollen Gruppe, der Senior-Hauptarchitekt, ist das koordinierende Oberhaupt aller Paradies-Intelligenzen unterhalb der Gottheitsebene. Die sechzehnte Bestimmung des Erlasses, der die vorliegenden Berichte autorisiert, lautet: "Wenn es als weise erscheint, kann die Existenz der Architekten des Alluniversums und ihrer Mitarbeiter enthüllt werden, hingegen dürfen ihr Ursprung, ihre Natur und Bestimmung nicht ganz offen gelegt werden." Wir dürfen euch indessen mitteilen, dass die Hauptarchitekten auf sieben Ebenen des Absoniten existieren. Diese sieben Gruppen sind wie folgt eingeteilt: 1. Die Paradies-Ebene. Nur der älteste oder zuerst eventuierte Architekt wirkt auf dieser höchsten Ebene des Absoniten. Diese ultime Persönlichkeit - weder Schöpfer noch Geschöpf - eventuierte in der Morgendämmerung der Ewigkeit und wirkt jetzt als feinster Koordinator des Paradieses und der einundzwanzig Welten assoziierter Aktivitäten. 2. Die Havona-Ebene. Die zweite Eventuierung von Architekten brachte drei Hauptplaner und absonite Verwalter hervor, die sich immer der Koordinierung der Milliarde vollkommener Sphären des Zentraluniversums angenommen haben. Eine Überlieferung des Paradieses versichert, dass diese drei Architekten, beraten durch den vor ihnen eventuierten Senior-Architekten, zur Planung Havonas beitrugen, aber wir wissen es wirklich nicht. 3. Die Superuniversums-Ebene. Die dritte absonite Ebene umfasst die sieben Hauptarchitekten der sieben Superuniversen, die jetzt als Gruppe ungefähr gleichviel Zeit mit den Sieben Hauptgeisten im Paradies wie mit den Sieben Supremen Vollziehern auf den sieben besonderen Welten des Unendlichen Geistes zubringen. Sie sind die allerobersten Koordinatoren des Großen Universums. 4. Die Primäre Raumebene. Diese Gruppe zählt siebzig Architekten, und wir vermuten, dass diese sich mit den ultimen Plänen für das erste Universum des Äusseren Raumes befassen, das jetzt jenseits der Grenzen der gegenwärtigen sieben Superuniversen in Mobilisierung begriffen ist. 5. Die Sekundäre Raumebene. Dieses fünfte Architektenkorps hat 490 Mitglieder, und wiederum mutmaßen wir, dass sie sich wohl mit dem zweiten Universum des Äußeren Raumes beschäftigen, wo unsere Physiker bereits eindeutige Energiemobilisierungen festgestellt haben. 6. Die Tertiäre Raumebene. Die sechste Gruppe von Hauptarchitekten zählt 3 430 Mitglieder, und wiederum ziehen wir den Schluss, dass sie sich mit den gigantischen Plänen für das dritte Universum des Äußeren Raumes befassen. 7. Die Quartäre Raumebene. Dieses letzte und größte Korps besteht aus 24 010 Hauptarchitekten, und wenn unsere früheren Vermutungen stimmen, muss es zum vierten und letzten der immer größer werdenden Universen des Äußeren Raums in Beziehung stehen. Diese sieben Gruppen von Hauptarchitekten zählen insgesamt 28 011 Universumsplaner. Im Paradies gibt es eine Überlieferung, wonach weit zurück in der Ewigkeit der Versuch unternommen wurde, einen 28 012. Hauptarchitekten zu eventuieren, dass aber die Absonitisierung dieses Wesens misslang, weil seine Persönlichkeit vom Universalen Absoluten ergriffen wurde. Es ist möglich, dass die aufsteigende Serie der Hauptarchitekten mit dem 28 011. Architekten die Grenze der Absonität erreicht hat und man beim 28 012. Versuch auf die mathematische Ebene der Gegenwart des Absoluten gestoßen ist. Mit anderen Worten kam die Qualität der Absonität auf der 28 012ten. Eventuierungsebene der Ebene des Universalen gleich und erreichte den Wert des Absoluten. Was ihre funktionelle Organisation anbelangt, handeln die drei Havona überwachenden Architekten als Mitarbeiter und Helfer des alleinigen Paradies-Architekten. Die sieben Architekten der Superuniversen handeln als Beigeordnete der drei Überwacher Havonas. Die siebzig Planer der Universen der primären äußeren Raumebene dienen gegenwärtig den sieben Architekten der sieben Superuniversen als helfende Mitarbeiter. Den Architekten des Alluniversums stehen zahlreiche Gruppen von Assistenten und Gehilfen zur Verfügung einschließlich der gewaltigen Ordnungen der Kraftorganisatoren - der primären eventuierten und der assoziierten transzendenten. Diese Haupt-Kraftorganisatoren sind nicht zu verwechseln mit den Machtlenkern, die dem Großen Universum angehören. Alle Wesen, die aus der Verbindung von Kindern der Zeit mit Kindern der Ewigkeit hervorgehen, wie die trinitisierten Sprosse von Finalisten und Paradiesbürgern, werden zu Mündeln der Hauptarchitekten. Aber von allen anderen Geschöpfen oder Wesenheiten, deren Wirken in den gegenwärtig organisierten Universen wir offenbart haben, unterhalten nur die Einsamen Botschafter und die Inspirierten Geiste der Trinität organische Beziehungen zu den Transzendentalen und den Architekten des Alluniversums. Die Hauptarchitekten liefern eine technische Genehmigung, wenn es zur Zuweisung von Raumanteilen an die Schöpfersöhne im Hinblick auf die Organisation ihrer Lokaluniversen geht. Es besteht eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen den Hauptarchitekten und den Paradies-Schöpfersöhnen, und obwohl diese Beziehung nicht offen gelegt wird, seid ihr über das Zusammenwirken der Architekten mit den Supremen Schöpfern in der Beziehung der ersten erfahrungsmäßigen Trinität unterrichtet worden. Zusammen mit dem sich entwickelnden und erfahrungsmäßigen Supremen Wesen bilden diese zwei Gruppen die Ultime Trinität transzendenter Werte und alluniverseller Bedeutungen. ***** 31.10 Das Ultime Abenteuer ***** Der älteste Hauptarchitekt führt die Oberaufsicht über die sieben Korps der Finalität, und diese sind: 1. Das Korps der Sterblichen Finalisten. 2. Das Korps der Paradies-Finalisten. 3. Das Korps der Trinitisierten Finalisten. 4. Das Korps der Vereinigten Trinitisierten Finalisten. 5. Das Korps der Finalisten Havonas. 6. Das Korps der Transzendenten Finalisten. 7. Das Korps der Nicht offenbarten Söhne der Bestimmung. Jedes dieser Korps der Bestimmung hat ein leitendes Oberhaupt, und alle sieben bilden zusammen den Supremen Rat der Bestimmung im Paradies; und während des gegenwärtigen Universumszeitalters ist Großfanda der Vorsteher dieser höchsten Körperschaft für die Vergabe von Universumsaufträgen an die Kinder ultimer Bestimmung. Die allmähliche Besammlung dieser sieben Finalistenkorps bedeutet die effektive Mobilisierung von Potentialen, Persönlichkeiten, Intellekten, Geisten, absoniten und erfahrungsmäßigen Wirklichkeiten, die wahrscheinlich sogar über die zukünftigen Alluniversumsfunktionen des Supremen Wesens hinausgehen. Diese sieben Finalistenkorps bedeuten wahrscheinlich die gegenwärtige Aktivität der Ultimen Trinität, welche die Kräfte des Endlichen und des Absoniten im Hinblick auf unvorstellbare Entwicklungen in den Universen des Äußeren Raumes vorbereitet. Nichts mit dieser Mobilisierung Vergleichbares hat sich seit den schier ewigen Zeiten ereignet, als die Paradies-Trinität die damals existierenden Persönlichkeiten des Paradieses und Havonas in derselben Weise aufbot und sie mit der Verwaltung und Regierung der projektierten sieben Superuniversen von Zeit und Raum betraute. Die sieben Finalistenkorps sind die göttliche Antwort des Großen Universums auf die dereinstigen Bedürfnisse der unentwickelten Poten-tiale ewig-zukünftiger Aktivitäten in den äußeren Universen. Wir wagen es, künftige und größere äußere Universen bewohnter Welten vorauszusagen, neue Sphären, die von neuen Ordnungen auserlesener und einzigartiger Wesen bevölkert sein werden, ein in seiner Ultimität sublimes materielles Universum, dem nur eine wichtige Einzelheit fehlen wird - die Anwesenheit der tatsächlichen endlichen Erfahrung im universellen Leben aufsteigender Existenz. Die Entstehung eines derartigen Universums wird mit einer ungeheuren erfahrungsmäßigen Benachteiligung behaftet sein: Es wird sich nicht an der Entwicklung des Allmächtigen Supremen beteiligen können. Die äußeren Universen werden sich alle der unvergleichlichen Zuwendung und himmlischen höchsten Überwachung des Supremen Wesens erfreuen, aber gerade diese Tatsache seiner aktiven Gegenwart schließt ihre Beteiligung am Werden der Supremen Gottheit aus. Während des jetzigen Universumsalters leiden die sich entwickelnden Persönlichkeiten unter vielen Schwierigkeiten, die der unvollständigen Verwirklichung der Souveränität des Supremen Gottes zuzuschreiben sind, aber wir teilen alle die einzigartige Erfahrung seiner Evolution. Wir entwickeln uns in ihm, und er entwickelt sich in uns. Irgendwann in der ewigen Zukunft wird die Evolution der Supremen Gottheit eine abgeschlossene Tatsache der Universumsgeschichte sein, und die Möglichkeit, an dieser wundervollen Erfahrung teilzuhaben, wird vom Schauplatz kosmischer Aktion verschwunden sein. Aber diejenigen von uns, die diese einmalige Erfahrung in der Jugendzeit des Universums gemacht haben, werden sie in der ganzen künftigen Ewigkeit als kostbares Gut bewahren. Und viele von uns mutmaßen, dass es sehr wohl die Sendung der sich kontinuierlich anhäufenden Reserven der aufsteigenden und vervollkommneten Sterblichen des Finalitätskorps sein könnte, im Zusammengehen mit den sechs anderen sich gleicherweise aufbauenden Korps diese äußeren Universen in dem Bemühen zu verwalten, für ihre erfahrungsmäßigen Mängel aufzukommen, die davon herrühren, dass sie nicht an der Zeit-Raum-Evolution des Supremen Wesens teilgenommen haben. Derartige Mängel sind auf allen Ebenen universeller Existenz unvermeidlich. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters kommen wir, die wir den höheren Ebenen geistiger Existenzen angehören, herab, um die evolutionären Universen zu verwalten und den aufsteigenden Sterblichen beizustehen und uns so zu bemühen, ihre Unzulänglichkeiten in den Realitäten höherer geistiger Erfahrung wettzumachen. Obwohl wir über die Pläne der Architekten des Alluniversums bezüglich dieser äußeren Schöpfungen wirklich nichts wissen, haben wir doch in drei Punkten Gewissheit: 1. Ein gewaltiges, neues System von Universen organisiert sich gegenwärtig allmählich in den Weiten des Äußeren Raumes. Neue Ordnungen physischer Schöpfungen, enorme, gigantische Kreise, in denen es von Universen nur so wimmelt, weit draußen jenseits der jetzigen Grenzen der bevölkerten und organisierten Schöpfungen, sind tatsächlich durch eure Teleskope sichtbar. Diese äußeren Schöpfungen sind im Augenblick gänzlich materiell; sie sind offensichtlich unbewohnt und scheinen der Verwaltung durch Geschöpfe zu entbehren. 2. Zeitalter um Zeitalter setzt sich im Paradies die unerklärte und völlig mysteriöse Mobilisierung der vervollkommneten und aufsteigenden Wesen von Zeit und Raum im Zusammenwirken mit den sechs anderen Finalistenkorps fort. 3. Hand in Hand mit diesen Vorgängen wächst die Macht der Supremen Person der Gottheit als eines allgewaltigen Herrschers der Superschöpfungen. Kann man uns einen Vorwurf daraus machen, wenn wir uns angesichts dieser dreifachen Entwicklung, die Geschöpfe, Universen und Gottheit umfasst, vorwegnehmen, dass im Alluniversum etwas Neues und Nichtoffenbartes seinem Höhepunkt zustrebt? Ist es nicht nur natürlich, dass wir diese ganze Zeitalter währende Mobilisierung und Organisierung der physischen Universen in einem bis anhin unbekannten Maßstab und das Erwachen der Persönlichkeit des Supremen Wesens mit dem unerhörten Plan in Verbindung bringen, der die Sterblichen der Zeit zu göttlicher Vollkommenheit hinaufführt und sie danach im Paradies im Korps der Finalität mobilisiert - dessen Bestimmung und Zukunft in universelles Geheimnis gehüllt sind? Immer mehr herrscht auf ganz Uversa der Glaube vor, dass das sich versammelnde Korps der Finalität zu irgendeinem zukünftigen Dienst in den Universen des Äußeren Raums bestimmt ist, wo wir bereits imstande sind, mindestens siebzigtausend geballte Materieansammlungen zu identifizieren, deren jede größer ist als jedes der gegenwärtigen Superuniversen. Die evolutionären Sterblichen werden auf den Planeten des Raums geboren, durchlaufen die morontiellen Welten, steigen zu den geistigen Universen auf, gehen durch die Sphären Havonas, finden Gott, erreichen das Paradies, werden in das primäre Korps der Finalität aufgenommen und warten darin auf die nächste Zuweisung universellen Dienstes. Daneben versammeln sich noch sechs weitere Finalitätskorps, aber Großfanda, der erste sterbliche Aufsteiger, steht als paradiesisches Oberhaupt allen Finalistenordnungen vor. Wenn wir dieses sublime Schauspiel betrachten, rufen wir alle aus: Welch eine glorreiche Bestimmung für die von den Tieren abstammenden Kinder der Zeit, die materiellen Söhne des Raums! [Gemeinsam dargeboten von einem Göttlichen Ratgeber und einem Namen- und Nummernlosen, die durch die Ältesten der Tage von Uversa autorisiert wurden, in dieser Eigenschaft zu wirken.] * * * * * Formulierung und Übertragung ins Englische dieser einunddreißig Schriften, die die Natur der Gottheit, die Realität des Paradieses, die Organisation und Funktionsweise des Zentraluniversums und der Superuniversen, die Persönlichkeiten des Großen Universums und die hohe Bestimmung der evolutionären Sterblichen beschreiben, erfolgte unter der Schirmherrschaft einer aus vierundzwanzig Verwaltern zusammengesetzten hohen Kommission aus Orvonton; wir handeln in Erfüllung eines Erlasses der Ältesten der Tage von Uversa, der bestimmt, dass wir dies auf Urantia, der Nummer 606 Satanias in Norlatiadek von Nebadon, im Jahre 1934 tun sollen. ****** Part 2 Das Lokaluniversum ****** ****** Kapitel 32 Die Evolution der Lokaluniversen ****** EIN Lokaluniversum ist das Werk eines Schöpfersohnes von der Paradies-Ordnung der Michaele. Es umfasst einhundert Konstellationen, deren jede einhundert Systeme bewohnter Welten enthält. Jedes System wird schließlich annähernd eintausend bewohnte Sphären zählen. All diese Universen von Zeit und Raum sind evolutionär. Der Schöpferplan der Paradies-Michaele verfolgt immer die Linie schrittweiser Entfaltung und allmählicher Entwicklung der physischen, intellektuellen und geistigen Naturen und Fähigkeiten der mannigfaltigen Geschöpfe, die auf den verschieden beschaffenen Sphären eines solchen Lokaluniversums wohnen. Urantia gehört zu einem Lokaluniversum, dessen Herrscher der Gott-Mensch von Nebadon, Jesus von Nazareth und Michael von Salvington, ist. Und Michaels sämtliche Pläne für dieses Lokaluniversum genossen die volle Billigung der Paradies-Trinität, bevor er zum supremen Abenteuer des Raums aufbrach. Die Söhne Gottes können die Reiche ihrer schöpferischen Aktivitäten selber auswählen, aber die Projekte und Pläne zu diesen materiellen Schöpfungen sind ursprünglich das Werk der Paradies-Architekten des Alluniversums. ***** 32.1 Das physische Erwachen der Universen ***** Die einem Universum vorangehenden Manipulationen der Raumkraft und der Urenergien sind das Werk der Haupt-Kraftorganisatoren des Paradieses; aber wenn in den superuniversellen Gebieten die erwachende Energie beginnt, auf die lokale oder lineare Gravitation anzusprechen, ziehen sie sich zugunsten der Machtlenker des betreffenden Superuniversums zurück. Diese Machtlenker wirken in den vormateriellen und Nach-Kraft-Phasen einer lokaluniversellen Schöpfung allein. Ein Schöpfersohn hat keine Möglichkeit, mit der Universumsorganisation zu beginnen, solange die Machtlenker die Raumenergien nicht genügend mobilisiert haben, um die materielle Grundlage für das In-Erscheinung-Treten des Universums - mit richtigen Sonnen und materiellen Sphären - zu schaffen. Die Lokaluniversen besitzen alle ungefähr dasselbe Energiepotential, obwohl ihre physischen Ausmaße sehr unterschiedlich sind und ihr Inhalt an sichtbarer Materie von Zeit zu Zeit wechseln kann. Machtladung und Ausstattung mit potentieller Materie eines Lokaluniversums werden ebenso sehr durch die Manipulationen der Machtlenker und ihrer Vorgänger bestimmt wie durch die Aktivitäten des Schöpfersohnes und seiner von Natur aus über die physische Kontrolle gebietenden Schöpferischen Mitarbeiterin. Die Energieladung eines Lokaluniversums beträgt näherungsweise ein Hunderttausendstel der an ein Superuniversum ausgeteilten Kraft. Im Falle Nebadons, eures Lokaluniversums, ist die Materialisierung von Masse um einen Bruchteil geringer. Physisch gesprochen, ist Nebadon mit physischer Energie und Materie ebenso vollständig ausgerüstet wie jede andere Lokalschöpfung Orvontons. Die einzige physische Grenze, die der Entwicklung und Expansion des Universums von Nebadon gesetzt ist, besteht in der quantitativen Raum-Energie-Ladung, die gefangen gehalten wird durch die Gravitationskontrolle der vereinigten Mächte und Persönlichkeiten der kombinierten Universumsmechanismen. Wenn die Energie-Materie ein gewisses Stadium der Massematerialisierung erreicht hat, erscheint ein von einer Schöpferischen Tochter des Unendlichen Geistes begleiteter Paradies-Schöpfersohn am Ort des Geschehens. Gleichzeitig mit der Ankunft des Schöpfersohnes wird mit der Arbeit an der architektonischen Sphäre begonnen, die die Hauptsitz-Welt des projektierten Lokaluniversums werden soll. Während langer Zeitalter entwickelt sich eine solche Lokalschöpfung, stabilisieren sich Sonnen und bilden sich Planeten, die auf ihren Bahnen dahinziehen, und gleichzeitig setzt sich das Werk der Erschaffung architektonischer Welten fort, die den Konstellationen als Hauptsitze und den Systemen als Kapitalen dienen werden. ***** 32.2 Organisation des Universums ***** Die Machtlenker und andere dem Dritten Zentralen Ursprung entstammende Wesen gehen den Schöpfersöhnen bei der Universumsorganisation voraus. Ausgehend von den zuvor organisierten Raumenergien ließ Michael, euer Schöpfersohn, die bewohnten Reiche des Universums von Nebadon entstehen, und er hat sich seither immer gewissenhaft ihrer Verwaltung gewidmet. Aus der Energie, die sie vorfinden, lassen diese göttlichen Söhne sichtbare Materie hervorgehen, projizieren sie lebendige Geschöpfe und erschaffen sie in Zusammenarbeit mit der Universumsgegenwart des Unendlichen Geistes ein mannigfaltiges Gefolge von geistigen Persönlichkeiten. Die Machtlenker und Energieüberwacher, die lange vor des Schöpfersohnes Ankunft die vorbereitende materielle Arbeit der Universumsorganisation leisten, dienen später in wunderbarer Verbindung mit diesem Universumssohn, indem sie die Energien, die sie ursprünglich organisiert und in Kreisläufe gelenkt haben, für immer unter ihrer gemeinsamen Kontrolle behalten. Auf Salvington wirken jetzt die gleichen hundert Machtzentren, die mit eurem Schöpfersohn schon ganz am Anfang bei der Bildung dieses Lokaluniversums zusammenarbeiteten. Der erste vollendete Akt physischer Schöpfung Nebadons bestand in der Organisierung der Hauptsitz-Welt, der architektonischen Sphäre von Salvington, und ihrer Satelliten. Von der Zeit der allerersten Maßnahmen der Machtzentren und physischen Überwacher bis zur Ankunft des lebendigen Mitarbeiterstabes auf den fertig gestellten Sphären Salvingtons verstrichen etwas mehr als eine Milliarde Jahre eurer gegenwärtigen planetarischen Zeitrechnung. Auf die Konstruktion Salvingtons folgte unmittelbar die Erschaffung der einhundert Hauptsitz-Welten der projektierten Konstellationen und der zehntausend Hauptsitz-Sphären der projektierten Lokalsysteme planetarischer Kontrolle und Verwaltung samt ihren architektonischen Satelliten. Solche architektonische Welten sind dazu bestimmt, materielle und geistige Persönlichkeiten sowie Wesen zu beherbergen, die den dazwischenliegenden morontiellen oder Übergangsstufen angehören. Salvington, die Hauptwelt von Nebadon, liegt genau im Energie-Masse-Zentrum des Lokaluniversums. Aber euer Lokaluniversum ist nicht ein einzelnes astronomisches System, obwohl es in seinem Mittelpunkt tatsächlich ein großes System gibt. Salvington ist der persönliche Sitz Michaels von Nebadon, aber er befindet sich nicht immer dort. Das reibungslose Funktionieren eures Lokaluniversums erfordert jetzt nicht mehr die ununterbrochene Anwesenheit des Schöpfersohnes auf der Hauptsphäre, aber dem war in den früheren Epochen physischer Organisation nicht so. Ein Schöpfersohn kann seine Hauptsitz-Welt nicht vor der Zeit verlassen, da die gravitationelle Stabilisierung durch Materialisierung von genügend Energie erreicht worden ist, um die verschiedenen Kreisläufe und Systeme zu befähigen, sich durch gegenseitige materielle Anziehung im Gleichgewicht zu halten. Jetzt, da der physische Plan des Universums erfüllt ist, entwirft der Schöpfersohn gemeinsam mit dem Schöpferischen Geist seinen Plan zur Erschaffung des Lebens, worauf diese Repräsentantin des Unendlichen Geistes ihre Universumsfunktion als eine selbständige schöpferische Persönlichkeit auszuüben beginnt. Wenn der erste Schöpferakt formuliert und ausgeführt wird, springt der Helle Morgenstern ins Dasein, die Personifizierung der ersten schöpferischen Vorstellung von Identität und göttlichem Ideal. Er ist der stellvertretende Gebieter des Universums, der persönliche Mitarbeiter des Schöpfersohnes, dem er in allen Wesenszügen gleicht, obwohl er in seinen göttlichen Attributen eindeutig begrenzt ist. Und wenn einmal die rechte Hand, der Regierungschef des Schöpfersohnes da ist, erfolgt die Erschaffung eines gewaltigen und wunderbaren Heeres von mannigfaltigen Geschöpfen. Die Söhne und Töchter des Lokaluniversums erscheinen, und bald danach wird die Regierung der Lokalschöpfung gebildet, die sich von den höchsten Räten des Universums über die Väter der Konstellationen bis zu den Gebietern der Lokalsysteme erstreckt - der Ansammlungen jener Welten, deren Bestimmung es ist, in der Folge die verschiedenen sterblichen Rassen von Willensgeschöpfen zu beherbergen; und jede dieser Welten wird von einem Planetarischen Fürsten gelenkt werden. Und nun, da das Universum vollständig organisiert und reichlich mit Verwaltern versehen ist, macht sich der Schöpfersohn an die Verwirklichung des Vorsatzes des Vaters, den sterblichen Menschen nach ihrer beider göttlichem Bilde zu erschaffen. In Nebadon geht die Organisation planetarischer Wohnstätten immer noch weiter, denn dieses Universum ist in der Tat ein junges Gebilde unter den Stern- und Planetenreichen Orvontons. Bei der letzten Erfassung gab es in Nebadon 3 840 101 bewohnte Planeten, und Satania, das Lokalsystem eurer Welt, ist recht typisch für andere Systeme. Satania ist nicht ein einheitliches physisches System, eine einzige astronomische Einheit oder Organisation. Seine 619 bewohnten Welten befinden sich in über fünfhundert verschiedenen physischen Systemen. Nur deren fünf besitzen mehr als zwei bewohnte Welten, und von diesen hat nur eines vier bevölkerte Planeten, während es sechsundvierzig mit zwei bewohnten Welten gibt. Das Satania-System bewohnter Welten ist weit entfernt von Uversa und jenem großen Sternhaufen, der als physischer oder astronomischer Mittelpunkt des siebenten Superuniversums funktioniert. Von Jerusem, der Hauptwelt von Satania, sind es mehr als zweihunderttausend Lichtjahre bis zum physischen Zentrum des Superuniversums von Orvonton, das sich weit, weit weg im dichten Durchmesser der Milchstraße befindet. Satania liegt an der Peripherie des Lokaluniversums, und Nebadon befindet sich jetzt weit außen nahe am Rand von Orvonton. Zwischen dem äußersten System bewohnter Welten und dem Zentrum des Superuniversums beträgt der Abstand eine Spur weniger als zweihundertfünfzigtausend Lichtjahre. Das Universum von Nebadon zieht jetzt seine Bahn weit im Süden und Osten des superuniversellen Kreislaufs von Orvonton. Die unmittelbar benachbarten Universen sind: Avalon, Henselon, Sanselon, Portalon, Wolwering, Fanowing und Alworing. Aber die Entwicklung eines Lokaluniversums ist eine lange Geschichte. Unsere vom Superuniversum handelnden Schriften führen das Thema ein, die den lokalen Schöpfungen gewidmeten Schriften dieser Abteilung setzen es fort, während die folgenden, Geschichte und Bestimmung Urantias schildernden Beiträge den Bericht abrunden werden. Aber die Bestimmung der Sterblichen einer solchen Lokalschöpfung könnt ihr nur richtig verstehen, wenn ihr euch gründlich in die Beschreibung des Lebens und der Lehren eures Schöpfersohnes vertieft, der einst in sterblicher Gestalt auf eurer eigenen evolutionären Welt das Leben eines Menschen lebte. ***** 32.3 Die evolutionäre Idee ***** Die einzige vollkommen stabilisierte Schöpfung ist Havona, das Zentraluniversum, das unmittelbar durch den Gedanken des Universalen Vaters und das Wort des Ewigen Sohnes erschaffen wurde. Havona ist ein existentielles, vollkommenes Universum der Überfülle, das die Wohnstätte der ewigen Gottheiten, das Zentrum aller Dinge, umgibt. Die Schöpfungen der sieben Superuniversen sind endlich, evolutionär, und folglich im Fortschritt begriffen. Die physischen Systeme von Zeit und Raum sind alle evolutionären Ursprungs. Sie sind nicht einmal physisch gefestigt, solange sie nicht in die stabilisierten Kreisläufe ihres Superuniversums eingetreten sind. Und ein Lokaluniversum wird erst dann im Licht und Leben verankert, wenn seine physischen Expansions- und Entwicklungsmöglichkeiten erschöpft sind und der geistige Status all seiner bewohnten Welten für immer gesichert und stabilisiert ist. Außer im Zentraluniversum wird die Vollkommenheit allmählich erreicht. In der Zentralen Schöpfung ist uns ein Urmuster der Vollkommenheit gegeben, aber alle anderen Reiche müssen zu dieser Vollkommenheit durch Methoden gelangen, die für den Fortschritt dieser besonderen Welten oder Universen vorgesehen sind. Und eine nahezu unendliche Vielfalt charakterisiert die Pläne der Schöpfersöhne für Organisation, Entwicklung, Disziplinierung und Stabilisierung ihrer jeweiligen Lokaluniversen. Mit Ausnahme der Gottheitsgegenwart des Vaters ist jedes Lokaluniversum in gewissem Sinne ein Doppel der administrativen Organisation der Zentral- oder Urmusterschöpfung. Obwohl der Universale Vater im Residenzuniversum persönlich anwesend ist, bewohnt er den Verstand der diesem Universum entstammenden Wesen nicht, während er den Seelen der Sterblichen von Zeit und Raum im wahrsten Sinne innewohnt. Es scheint bei der Abstimmung und Regulierung der geistigen Angelegenheiten der gewaltigen Schöpfung eine allweise Kompensation zu geben. Im Zentraluniversum ist der Vater als solcher persönlich anwesend, aber abwesend vom Verstand der Kinder dieser vollkommenen Schöpfung; in den Universen des Raums ist der Vater als Person abwesend - er wird durch seine Souveränen Söhne vertreten - hingegen ist er im Verstand seiner sterblichen Kinder auf intime Weise gegenwärtig - er wird geistig vertreten durch die vorpersönliche Gegenwart der Unergründlichen Mentoren, die sich im Verstand dieser Willensgeschöpfe aufhalten. Am Hauptsitz eines Lokaluniversums wohnen all jene Schöpfer- und Schöpferischen Persönlichkeiten, die eine in ihnen selber gründende Autorität und administrative Autonomie mit Ausnahme der persönlichen Gegenwart des Universalen Vaters verkörpern. Im Lokaluniversum kann man Vertreter nahezu aller im Zentraluniversum existierenden Klassen intelligenter Wesen antreffen außer dem Universalen Vater. Obwohl der Universale Vater in einem Lokaluniversum nicht persönlich anwesend ist, wird er durch dessen Schöpfersohn persönlich vertreten, der zunächst Statthalter Gottes ist und später souveräner Herrscher aus eigenem Recht wird. Je weiter auf der Leiter des Lebens wir hinuntersteigen, umso schwieriger wird es, den unsichtbaren Vater mit den Augen des Glaubens ausfindig zu machen. Es fällt den tieferstehenden Geschöpfen - und manchmal sogar höheren Persönlichkeiten - schwer, den Universalen Vater immer in seinen Schöpfersöhnen zu erkennen. Und so lassen sie noch vor der Zeit ihrer geistigen Erhöhung, wenn ihre vollkommene Entwicklung sie befähigen würde, Gott in Person zu sehen, in ihren Anstrengungen nach und unterhalten Zweifel, stolpern in die Verwirrung und isolieren sich dadurch von den fortschreitenden geistigen Zielen ihrer Zeit und ihres Universums. Und so verlieren sie die Fähigkeit, beim Betrachten des Schöpfersohnes den Vater zu sehen. Im ganzen langen Ringen des Geschöpfs, zum Vater zu gelangen, während der Zeit, da die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens in der Natur der Dinge liegt, besteht sein sicherster Schutz darin, sich beharrlich an die Wahrheits-Tatsache der Gegenwart des Vaters in seinen Söhnen zu halten. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, geistig und persönlich, sind der Vater und die Söhne eins. Es ist eine Tatsache: Wer den Schöpfersohn gesehen hat, hat den Vater gesehen. Die Festigkeit und Verlässlichkeit der Persönlichkeiten eines gegebenen Universums hängt zu Beginn nur von ihrem Verwandtschaftsgrad mit der Gottheit ab. Wenn der Geschöpfesursprung weit genug von den göttlichen Urquellen entfernt ist - ob wir es dabei mit den Söhnen Gottes oder mit den zum Unendlichen Geist gehörenden dienenden Geschöpfen zu tun haben - besteht eine zunehmende Möglichkeit zu Disharmonie, Verwirrung und manchmal Rebellion - Sünde. Mit Ausnahme vollkommener, der Gottheit entsprungener Wesen sind alle Willensgeschöpfe der Superuniversen evolutionärer Natur. Ihr Rang ist am Anfang niedrig, und sie bewegen sich ewig nach oben - in Wahrheit nach innen. Sogar hochgeistige Persönlichkeiten fahren fort, die Stufen des Lebens hinaufzusteigen durch fortlaufende Versetzungen von Leben zu Leben und von Sphäre zu Sphäre. In der Tat gibt es für die möglichen Höhen geistigen Aufstiegs und universeller Vollbringung derer, die Unergründliche Mentoren beherbergen, keine Grenzen. Wenn die Vollkommenheit der Geschöpfe der Zeit endlich erreicht ist, ist sie ganz und gar etwas Erworbenes, ein echter Besitz der Persönlichkeit. Obwohl Elemente der Gnade großzügig beigemischt sind, sind die Geschöpfesvollbringungen nichtsdestoweniger das Resultat individueller Anstrengung und tatsächlichen Erlebens, sind sie die Persönlichkeitsreaktion auf das existierende Umfeld. Die Tatsache tierischer evolutionärer Abstammung einer Persönlichkeit ist in den Augen des Universums keine Schande, denn es handelt sich dabei um die ausschließliche Methode, einen der beiden fundamentalen Typen endlicher intelligenter Willensgeschöpfe hervorzubringen. Sind die Höhen der Vollkommenheit und Ewigkeit einmal erreicht, gebührt denen umso größere Ehre, die zuunterst begonnen haben und frohgemut auf der Lebensleiter emporgeklommen sind, Sprosse um Sprosse, und die, einmal auf der Höhe der Herrlichkeit angelangt, eine persönliche Erfahrung erworben haben, die tatsächlich die Kenntnis jeder Phase des Lebens von zuunterst bis zuoberst umfasst. In alledem zeigt sich die Weisheit der Schöpfer. Es fiele dem Universalen Vater ebenso leicht, alle Sterblichen als vollkommene Wesen zu erschaffen, ihnen durch sein göttliches Wort Vollkommenheit zu verleihen. Aber das würde sie der wunderbaren Erfahrung des Abenteuers und der Schulung berauben, die mit dem langen, schrittweisen Vorrücken nach innen einhergeht, einer Erfahrung, die nur jene machen können, die so glücklich sind, am untersten Ende der lebendigen Existenz zu beginnen. In den Havona umringenden Universen gibt es nur gerade soviel vollkommene Geschöpfe, wie es braucht, um dem Bedarf an vorbildlichen Lehrer-Führern jener zu genügen, die auf der evolutionären Lebensleiter emporsteigen. Die erfahrungsmäßige Natur des evolutionären Persönlichkeitstyps ist die natürliche kosmische Ergänzung der ewig-vollkommenen Naturen der Paradies-Havona-Geschöpfe. In Wahrheit sind sowohl vollkommene als auch vervollkommnete Geschöpfe bezüglich endlicher Totalität unvollständig. Aber in der komplementären Gemeinschaft der existentiell vollkommenen Geschöpfe des Paradies-Havona-Systems und der erfahrungsmäßig vervollkommneten aufsteigenden Finalisten aus den evolutionären Universen finden beide Typen Befreiung von angeborenen Begrenzungen und können so gemeinsam versuchen, die erhabenen Höhen der Ultimität des Geschöpfesstatus zu ersteigen. Diese Vorgänge unter Geschöpfen sind der universelle Widerhall von Aktionen und Reaktionen innerhalb der Siebenfachen Gottheit, in der sich die ewige Göttlichkeit der Paradies-Trinität mit der sich entwickelnden Göttlichkeit der Supremen Schöpfer der Zeit-Raum-Universen vereinigt in der ihre Macht verwirklichenden Gottheit des Supremen Wesens, dank dieser und durch diese. Das göttlich vollkommene Geschöpf und das evolutionäre vervollkommnete Geschöpf besitzen denselben Grad an Göttlichkeitspotential, aber sie sind verschieden geartet. Jedes ist vom anderen abhängig, um die Suprematie des Dienstes zu erreichen. Die evolutionären Superuniversen hängen vom vollkommenen Havona ab, um ihren aufsteigenden Bürgern die abschließende Schulung zu verschaffen, aber ebenso benötigt das vollkommene Zentraluniversum die Existenz der sich vervollkommnenden Superuniversen, um für die volle Entwicklung seiner niedersteigenden Bewohner zu sorgen. Die beiden wesentlichen Manifestationen endlicher Realität, angeborene Vollkommenheit und entwickelte Vollkommenheit, sind, ob es sich um Persönlichkeiten oder Universen handelt, koordiniert, voneinander abhängig und integriert. Jede benötigt die andere, um die Fülle der Funktion, des Dienstes und der Bestimmung zu erreichen. ***** 32.4 Gottes Beziehung zu einem Lokaluniversum ***** Verfallt nicht auf den Gedanken, der Universale Vater sei ein schweigendes oder untätiges Mitglied der Gottheit-Partnerschaft, weil er so viel von sich und seiner Macht an andere abgegeben hat. Abgesehen von den Bereichen der Persönlichkeit und der Verleihung der Justierer ist er scheinbar die am wenigsten aktive unter den Paradies-Gottheiten, da er seinen Söhnen, den Beigeordneten der Gottheit, und zahlreichen erschaffenen Intelligenzen erlaubt, bei der Umsetzung seines ewigen Planes so Großes zu leisten. Er ist nur insofern ein stilles Mitglied des Schöpfertrios, als er nie etwas tut, was irgendeiner seiner beigeordneten oder untergeordneten Mitarbeiter auch tun kann. Gott hat volles Verständnis für die Bedürfnisse jedes intelligenten Geschöpfes nach Betätigung und Erfahrung, und deshalb, gehe es um das Schicksal eines Universums oder um das Wohl auch des demütigsten seiner Geschöpfe, verzichtet er in jeder Situation auf das Handeln zugunsten der Galaxie von Geschöpfes- und Schöpferpersönlichkeiten, die naturgemäß zwischen ihn und irgendeine gegebene Universumssituation oder schöpferische Begebenheit treten. Aber trotz dieser Zurückhaltung und dieser Entfaltung unendlicher Koordination beteiligt sich Gott wirklich, buchstäblich und persönlich an diesen Ereignissen durch seine beauftragten Organe und Persönlichkeiten. Der Vater wirkt in diesen Kanälen und durch sie für das Wohl seiner ganzen immensen Schöpfung. Was politische Linie, Führung und Verwaltung eines Lokaluniversums betrifft, so handelt der Universale Vater durch die Person seines Schöpfersohnes. In die Beziehungen der Gottessöhne untereinander, in die Gruppenverbindungen der dem Dritten Zentralen Ursprung entstammenden Persönlichkeiten oder in die Beziehungen zwischen irgendwelchen anderen Geschöpfen wie menschlichen Wesen - in solche Verbindungen schaltet sich der Universale Vater nie ein. Immer sind das Gesetz des Schöpfersohnes, die Entscheidungen der Väter der Konstellationen, der Souveräne der Systeme und der Planetarischen Fürsten - die diesem Universum verordneten Richtlinien und Vorgehensweisen - maßgebend. Es gibt keine geteilte Autorität; nie gibt es ein Gegeneinanderarbeiten zwischen göttlicher Macht und göttlichem Plan. Zwischen den Gottheiten besteht vollkommene und ewige Einstimmigkeit. Der Schöpfersohn ist höchster Gebieter in allem, was ethische Zusammenschlüsse, was die Beziehungen irgendeiner Geschöpfesabteilung zu irgendeiner anderen Geschöpfesklasse oder von zwei oder drei Individuen einer gegebenen Gruppe anbetrifft; aber diese Anordnung bedeutet nicht, dass der Universale Vater nicht auf seine eigene Weise dazwischentreten und mit jedem individuellen Geschöpf in der ganzen Schöpfung alles tun kann, was den göttlichen Sinn erfreut, unter Beachtung des gegenwärtigen Status oder der künftigen Aussichten dieses Einzelwesens und im Einklang mit des Vaters ewigem Plan und unendlichem Vorhaben. In den sterblichen Willensgeschöpfen ist der Vater als der innewohnende Justierer, als ein Fragment seines vorpersönlichen Geistes, wirklich gegenwärtig; und der Vater ist auch die Quelle der Persönlichkeit solch eines sterblichen Willensgeschöpfes. Die Gedankenjustierer, die Geschenke des Universalen Vaters, sind vergleichsweise isoliert; sie bewohnen den menschlichen Verstand, sind aber nicht auf erkennbare Weise mit den ethischen Angelegenheiten einer Lokalschöpfung verbunden. Sie sind weder mit dem seraphischen Dienst noch mit der Verwaltung von Systemen, Konstellationen oder eines Lokaluniversums direkt koordiniert, und nicht einmal mit der Herrschaft eines Schöpfersohnes, dessen Wille in seinem Universum höchstes Gesetz ist. Die innewohnenden Justierer sind eine der separaten, aber geeinten Arten der Kontaktnahme Gottes mit den Geschöpfen seiner fast unendlichen Schöpfung. So bekundet er, der für den sterblichen Menschen unsichtbar ist, seine Gegenwart, und vermöchte er es, würde er sich uns noch auf andere Weise zeigen, aber solch eine zusätzliche Offenbarung ist göttlich nicht möglich. Wir können den Mechanismus erkennen und verstehen, dank welchem die Söhne sich einer innigen und vollständigen Kenntnis des Universums ihrer Gerichtsbarkeit erfreuen; aber wir können die Methoden nicht ganz begreifen, die es Gott erlauben, mit den Einzelheiten des Universums der Universen so vollständig und persönlich vertraut zu sein, obwohl wir wenigstens den Weg feststellen können, auf dem der Universale Vater Auskunft über die Wesen seiner immensen Schöpfung erhalten und ihnen seine Gegenwart kundtun kann. Über den Persönlichkeitskreis kennt der Vater - persönlich - alle Gedanken und alle Handlungen aller Wesen in allen Systemen aller Universen der ganzen Schöpfung. Obwohl wir diese Technik der Kommunikation Gottes mit seinen Kindern nicht recht fassen können, kann uns die Gewissheit stärken, dass der "Herr seine Kinder kennt", und dass er sich von jedem von uns "merkt, wo wir geboren wurden". In eurem Universum und in euren Herzen ist der Vater, geistig gesprochen, durch einen der Sieben Hauptgeiste der zentralen Wohnstätte und ganz besonders durch den göttlichen Justierer gegenwärtig, der in den Tiefen des menschlichen Gemütes lebt, wirkt und wartet. Gott ist keine egozentrische Persönlichkeit; der Vater teilt sich freigebig an seine Schöpfung und an seine Geschöpfe aus. Er lebt und handelt nicht nur in den Gottheiten, sondern auch in seinen Söhnen, die er damit betraut, alles zu tun, was ihnen zu tun göttlich möglich ist. Der Universale Vater hat sich in Wahrheit jeder Funktion entäußert, die einem anderen Wesen wahrzunehmen möglich ist. Und das trifft ebenso sehr für den sterblichen Menschen wie für den Schöpfersohn zu, der am Hauptsitz eines Lokaluniversums an Gottes Statt herrscht. Darin erblicken wir die angewandte ideale und unendliche Liebe des Universalen Vaters. In dieser universalen Selbstausteilung haben wir einen reichlichen Beweis für die Größe und Großherzigkeit der göttlichen Natur des Vaters. Wenn Gott der universalen Schöpfung etwas von sich selbst vorenthalten hat, so verschenkt er von diesem Rest an die Sterblichen der Welten in verschwenderischer Freigebigkeit die Gedankenjustierer, jene Unergründlichen Mentoren der Zeit, die den sterblichen Anwärtern auf das ewige Leben so geduldig innewohnen. Der Universale Vater hat sich sozusagen ausgeschüttet, um die ganze Schöpfung mit dem Reichtum des Persönlichkeitsbesitzes und potentieller geistiger Vollbringung auszustatten. Gott hat sich uns gegeben, damit wir ihm gleichen mögen, und er hat für sich selber an Macht und Herrlichkeit nur zurückbehalten, was für die Aufrechterhaltung all dessen notwendig ist, wofür er sich aus Liebe aller anderen Dinge entkleidet hat. ***** 32.5 Das Ewige und Göttliche Vorhaben ***** Dem Lauf der Universen durch den Raum liegt ein großes und glorreiches Vorhaben zugrunde. All euer menschliches Kämpfen ist nicht umsonst. Wir sind alle ein Teil eines immensen Planes, einer gigantischen Unternehmung, und es ist die Riesenhaftigkeit der Unternehmung, die es unmöglich macht, zu irgendeinem Zeitpunkt und im Laufe irgendeines Lebens viel davon zu sehen. Wir sind alle ein Teil eines ewigen Projektes, das die Götter überwachen und ausführen. Der ganze wunderbare und universale Mechanismus bewegt sich majestätisch durch den Raum zu Musik und Metrum des unendlichen Gedankens und ewigen Planes des Ersten Großen Zentralen Ursprungs. Der ewige Plan des ewigen Gottes ist ein hohes geistiges Ideal. Die Ereignisse der Zeit und die Kämpfe der materiellen Existenz sind nur ein vorübergehendes Gerüst, welches eine Brücke nach der anderen Seite hinüberschlägt, nach dem gelobten Land geistiger Realität und himmlischer Existenz. Natürlich findet ihr Sterblichen es schwierig, die Idee eines ewigen Planes zu fassen; ihr seid praktisch außerstande, den Gedanken der Ewigkeit zu begreifen, etwas, das nie beginnt und nie endet. Alles, was euch vertraut ist, nimmt ein Ende. Im Blick auf ein einzelnes Leben, die Dauer einer Welt oder die zeitliche Abfolge irgendeiner Reihe miteinander verknüpfter Ereignisse will es scheinen, als hätten wir es mit isolierten Zeitspannen zu tun; alles scheint einen Anfang und ein Ende zu haben. Und es könnte der Eindruck entstehen, dass eine Kette von solchen Erfahrungen, Leben, Zeitaltern oder Epochen, wenn man sie aneinanderreiht, eine gerade Fahrt darstellt, ein isoliertes Geschehnis der Zeit, das einen Augenblick lang am unendlichen Antlitz der Ewigkeit vorbeiflitzt. Aber wenn wir all das vom Hintergrund der Bühne aus beobachten, so legen eine verständigere Betrachtungsweise und ein vollständigeres Begreifen nahe, dass eine solche Deutung unangemessen, zusammenhanglos und völlig ungeeignet ist, die Vorgänge der Zeit einleuchtend zu erklären und sie mit den ihnen zugrunde liegenden Plänen und fundamentalen Reaktionen der Ewigkeit in Verbindung zu bringen. Um dem sterblichen Verstand die Ewigkeit zu erklären, scheint es mir passender, sie als einen Zyklus und den ewigen Plan als einen unendlichen Kreis aufzufassen, als einen Ewigkeitszyklus, der irgendwie mit den vergehenden materiellen Zeitzyklen synchronisiert ist. Was die Zeitabschnitte anbetrifft, die mit dem Ewigkeitszyklus verbunden sind und einen Teil von ihm ausmachen, sind wir gezwungen festzustellen, dass solche vorübergehende Epochen genauso geboren werden, leben und sterben wie die vorübergehenden Wesen der Zeit geboren werden, leben und sterben. Die meisten menschlichen Wesen sterben, weil es ihnen nicht gelungen ist, die geistige Ebene der Fusion mit dem Justierer zu erreichen, und die Metamorphose des Todes deshalb das einzig mögliche Verfahren darstellt, durch welches sie den Ketten der Zeit und den Fesseln der materiellen Schöpfung entrinnen können und nun fähig werden, mit der fortlaufenden Prozession der Ewigkeit geistig Schritt zu halten. Wenn ihr nach einem Leben der Prüfung in der Zeit und in der materiellen Existenz fortlebt, wird es für euch möglich, in enger Berührung mit der Ewigkeit und gar als Teil von ihr weiterzufahren und für immer zusammen mit den Welten des Raums auf dem Rund der ewigen Zeitalter zu kreisen. Die Abschnitte der Zeit sind wie das Aufblitzen der Persönlichkeit in zeitlicher Form; sie treten eine Zeitlang in Erscheinung, entschwinden dann dem menschlichen Auge, nur um wiederzukehren als neue Akteure und sich fortsetzende Faktoren im höheren Leben der endlosen Runden auf dem Kreis der Ewigkeit. In Anbetracht unseres Glaubens an ein begrenztes Universum, das sich auf einem ungeheuren, in die Länge gezogenen Kreis um die zentrale Wohnstätte des Universalen Vaters bewegt, kann die Ewigkeit schwerlich als eine Fahrt in gerader Linie betrachtet werden. Offen gestanden ist die Ewigkeit dem endlichen Verstand der Zeit unbegreiflich. Ihr könnt sie ganz einfach nicht fassen; ihr könnt sie nicht begreifen. Auch ich kann mir von ihr kein vollständiges Bild machen, und selbst wenn ich es vermöchte, wäre es mir unmöglich, dem menschlichen Verstand meine Vorstellung davon zu vermitteln. Trotzdem habe ich mein Bestes getan, um etwas von unserem Gesichtspunkt zum Ausdruck zu bringen, um euch etwas von dem mitzuteilen, wie wir die ewigen Dinge verstehen. Ich bemühe mich darum, euch bei der Festigung eurer Vorstellungen von diesen Werten, die unendlicher Natur und von ewiger Wichtigkeit sind, zu helfen. Gott hat einen Plan im Sinn, der jedes Geschöpf in all seinen riesigen Reichen einbezieht, und dieser Plan ist ein ewiges Vorhaben grenzenloser Gelegenheiten, unbeschränkten Fortschritts und endlosen Lebens. Und die unendlichen Schätze einer solch unvergleichlichen Laufbahn harren eurer, wenn ihr nach ihnen strebt! Das Ziel der Ewigkeit liegt vor euch! Das Abenteuer, Göttlichkeit zu erlangen, breitet sich vor euch aus! Der Wettlauf um Vollkommenheit hat begonnen! Wer immer will, mag antreten, und ein sicherer Sieg wird die Anstrengungen jedes menschlichen Wesens krönen, das den Kampf des Glaubens und des Vertrauens kämpfen will, indem es sich unterwegs bei jedem Schritt an die Führung des ihm innewohnenden Justierers und an die Lenkung durch jenen guten Geist des Universumssohnes hält, der so freigebig über alles Fleisch ausgegossen worden ist. [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter, der vorübergehend dem Höchsten Rat Nebadons angehört und durch Gabriel von Salvington mit dieser Sendung betraut worden ist.] ****** Kapitel 33 Verwaltung des Lokaluniversums ****** WÄHREND der Universale Vater höchst gewiss über seine unermessliche Schöpfung herrscht, wirkt er in der Verwaltung eines lokaluniversums durch die Person des Schöpfersohnes. Der Vater wirkt in den Verwaltungsangelegenheiten eines Lokaluniversums persönlich nicht auf andere Weise. Mit diesen Dingen sind der Schöpfersohn und der Muttergeist des Lokaluniversums und ihre mannigfachen Kinder betraut. Pläne, Politik und administrative Maßnahmen eines Lokaluniversums werden durch diesen Sohn erdacht und ausgeführt, der zusammen mit seiner Geistgefährtin die exekutive Gewalt an Gabriel und die Autorität der Gerichtsbarkeit an die Väter der Konstellationen, an die Systemsouveräne und an die Planetarischen Fürsten delegiert. ***** 33.1 Michael von Nebadon ***** Unser Schöpfersohn ist die Personifizierung der 611 121ten ursprünglichen Vorstellung von unendlicher Identität, die gleichzeitig im Universalen Vater und im Ewigen Sohn entstanden ist. Der Michael von Nebadon ist der "eingeborene Sohn", der diese 611 121te Vorstellung von Göttlichkeit und Unendlichkeit personifiziert. Sein Hauptquartier befindet sich auf Salvington in der dreifachen Lichtresidenz. Und seine Wohnstätte zeigt diese Anordnung, weil Michael die Lebenserfahrung aller drei Existenzphasen intelligenter Geschöpfe gemacht hat, der geistigen, morontiellen und materiellen. Wegen des Namens, der mit seiner siebenten und letzten Selbsthingabe verbunden ist, wird er manchmal Christus Michael genannt. Unser Schöpfersohn ist nicht der Ewige Sohn, der existentielle Paradies-Gefährte des Universalen Vaters und des Unendlichen Geistes. Michael von Nebadon ist nicht ein Mitglied der Paradies-Trinität. Nichtsdestoweniger besitzt unser Meistersohn in seinem Reich alle göttlichen Attribute und alle Macht, die der Ewige Sohn selber zeigen würde, wenn er tatsächlich auf Salvington anwesend wäre und in Nebadon wirkte. Michael besitzt sogar noch zusätzliche Macht und Autorität, da er nicht nur den Ewigen Sohn personifiziert, sondern in seinem Lokaluniversum und für dieses auch voll und ganz die persönliche Gegenwart des Universalen Vaters repräsentiert und tatsächlich verkörpert. Er repräsentiert sogar den Vater-Sohn. Diese Beziehungen machen aus einem Schöpfersohn das mächtigste, vielseitigste und einflussreichste aller göttlichen Wesen, die fähig sind, evolutionäre Universen direkt zu verwalten und mit unreifen Geschöpfeswesen in persönlichen Kontakt zu treten. Unser Schöpfersohn übt von seinem Hauptsitz des Lokaluniversums aus dieselbe geistige Anziehungskraft, Geistgravitation, aus, die der Ewige Sohn des Paradieses ausüben würde, wenn er persönlich auf Salvington anwesend wäre, und noch mehr; dieser Universumssohn ist auch die Personifizierung des Universalen Vaters für das Universum von Nebadon. Schöpfersöhne sind persönliche Zentren für die geistigen Kräfte des Vater-Sohnes des Paradieses. Die Schöpfersöhne sind die finalen Macht-Persönlichkeit-Fokussierungen der mächtigen Zeit-Raum-Attribute des Siebenfachen Gottes. Der Schöpfersohn ist die stellvertretende Personifizierung des Universalen Vaters, der in Göttlichkeit dem Ewigen Sohn Beigeordnete und schöpferischer Mitarbeiter des Unendlichen Geistes. Für unser Universum und all seine bewohnten Welten ist der Souveräne Sohn praktisch Gott. Er ist die Personifizierung all dessen, was die sich entwickelnden Sterblichen von den Paradies-Gottheiten wahrnehmen und begreifen können. Dieser Sohn und seine Geistgefährtin sind eure Schöpfer-Eltern. Für euch ist Michael, der Schöpfersohn, die supreme Persönlichkeit; für euch ist der Ewige Sohn übersuprem - eine unendliche Gottheits-Persönlichkeit. In der Person des Schöpfersohnes besitzen wir einen Herrscher und göttlichen Vater, der gerade so mächtig, wirksam und wohltätig ist, wie es der Universale Vater und der Ewige Sohn wären, wenn sie beide auf Salvington wohnen und sich mit der Verwaltung der Universumsangelegenheiten von Nebadon befassen würden. ***** 33.2 Der Souverän von Nebadon ***** Die Beobachtung der Schöpfersöhne verrät, dass einige mehr dem Vater, andere mehr dem Sohn gleichen, während wiederum andere eine Mischung von beiden unendlichen Eltern sind. Unser Schöpfersohn zeigt auf ganz ausgesprochene Weise Wesenszüge und Attribute, die eher dem Ewigen Sohn gleichen. Michael entschied sich für die Organisation dieses Lokaluniversums, und darin regiert er jetzt als souveräner Herrscher. Seine persönliche Macht wird durch die vorausexistierenden, im Paradies zusammenlaufenden Gravitationskreise eingeschränkt und dadurch, dass sich die Ältesten der Tage der Superuniversumsregierung die Ausführung aller endgültigen Urteile vorbehalten haben, die die Auslöschung der Persönlichkeit betreffen. Die Persönlichkeit ist das ausschließliche Geschenk des Vaters, aber die Schöpfersöhne machen sich im Einverständnis mit dem Ewigen Sohn an die Entwürfe neuer Geschöpfe, und unter tätiger Mitwirkung ihrer Geistgefährtinnen können sie neue Umwandlungen von Energie-Materie versuchen. Michael ist die Personifizierung des Vater-Sohnes für das Lokaluniversum von Nebadon und in diesem; deshalb erlangte der Meistersohn die Verfügungsgewalt über "alle Macht im Himmel und auf Erden", als der Schöpferische Muttergeist, die Lokaluniversums-Vertreterin des Unendlichen Geistes, sich Christus Michael nach seiner Rückkehr von seiner letzten Selbsthingabe auf Urantia unterordnete. Diese Unterordnung der Göttlichen Ministerinnen unter die Schöpfersöhne der Lokaluniversen macht aus diesen Meistersöhnen die persönlichen Gefäße der im Endlichen manifestierbaren Göttlichkeit von Vater, Sohn und Geist, während die Selbsthingabe-Erfahrungen der Michaele in Geschöpfesgestalt sie in die Lage versetzen, die erfahrungsmäßige Göttlichkeit des Supremen Wesens auszudrücken. Keine anderen Wesen der Universen haben auf diese Weise persönlich die Potentiale gegenwärtiger, endlicher Erfahrung ausgeschöpft, und keine anderen Wesen der Universen besitzen derartige Voraussetzungen zu einsamer Souveränität. Obwohl sich das Hauptquartier Michaels offiziell auf Salvington, der Kapitale von Nebadon, befindet, verbringt er viel Zeit mit Besuchen auf den Hauptsitzwelten von Konstellationen und Systemen und sogar auf einzelnen Planeten. Periodisch reist er ins Paradies und oft nach Uversa, wo er sich mit den Ältesten der Tage berät. Wenn er von Salvington abwesend ist, nimmt Gabriel seinen Platz ein und übt dann die Funktion eines Regenten des Universums von Nebadon aus. ***** 33.3 Universumssohn und Universumsgeist ***** Obwohl der Unendliche Geist alle Universen von Zeit und Raum durchdringt, funktioniert er vom Hauptsitz jedes Lokaluniversums aus als eine spezialisierte Fokussierung, welche durch die Technik schöpferischer Zusammenarbeit mit dem Schöpfersohn volle Persönlichkeitseigenschaften erwirbt. Was ein Lokaluniversum angeht, ist die administrative Autorität eines Schöpfersohnes suprem; der Unendliche Geist - als Göttliche Ministerin - ist gänzlich kooperativ, obwohl vollkommen koordiniert. Der Universumsmuttergeist Salvingtons, Michaels Mitarbeiterin bei der Überwachung und Verwaltung von Nebadon, gehört der sechsten Gruppe Supremer Geiste an und ist die 611 121te dieser Ordnung. Sie erklärte sich bereit, Michael zu begleiten, als er von seinen Paradies-Verpflichtungen befreit wurde, und sie hat seither bei der Erschaffung und Regierung seines Universums stets an seiner Seite gewirkt. Der Meister-Schöpfersohn ist der persönliche Souverän seines Universums, aber in all dessen Führungseinzelheiten ist der Universumsgeist Mitleiterin mit dem Sohn. Während der Geist den Sohn stets als Souverän und Herrscher anerkennt, gewährt der Sohn dem Geist immer eine koordinierte Stellung und eine ebenbürtige Autorität in allen Angelegenheiten des Reichs. In all seinem Werk der Liebe und Lebensverleihung wird der Schöpfersohn immer und ewig durch den allweisen und ewigtreuen Universumsgeist und dessen mannigfaltiges Gefolge von Engelspersönlichkeiten vollkommen unterstützt und gewandt assistiert. Solch eine Göttliche Ministerin ist in Wahrheit die Mutter der Geiste und Geistpersönlichkeiten, die ewiggegenwärtige und allweise Ratgeberin des Schöpfersohnes, eine treue und wahre Manifestation des Unendlichen Geistes des Paradieses. Der Sohn wirkt in seinem Lokaluniversum als ein Vater. So wie sterbliche Geschöpfe es ansehen würden, nimmt der Geist die Rolle einer Mutter wahr, indem sie dem Sohn stets helfend zur Seite steht und zur Verwaltung des Universums auf ewig unerlässlich ist. Angesichts einer Auflehnung können nur der Sohn und die mit ihm verbundenen Söhne als Befreier wirken. Nie kann der Geist es unternehmen, sich einer Rebellion entgegenzusetzen oder die Autorität zu verteidigen, wohl aber unterstützt der Geist den Sohn ewig in jeder Erfahrung, die diesem bei seinem Bemühen abverlangt werden mag, auf Welten, die vom Übel angesteckt sind oder von der Sünde beherrscht werden, die Regierung zu festigen und die Autorität aufrechtzuerhalten. Nur ein Sohn kann ihr gemeinsam erschaffenes Werk wiederherstellen, aber kein Sohn könnte auf endgültigen Erfolg hoffen ohne die unaufhörliche Mitarbeit der Göttlichen Ministerin und ihrer gewaltigen Versammlung geistiger Helferinnen, der Töchter Gottes, die so ergeben und tapfer für das Wohlergehen der sterblichen Menschen und zum Ruhm ihrer göttlichen Eltern kämpfen. Nach Erfüllung der siebenten und abschließenden Selbsthingabe des Schöpfersohnes in Geschöpfesgestalt nimmt die Unsicherheit periodischer Isolierung für die Göttliche Ministerin ein Ende, und die Universumshelferin des Sohnes richtet sich für immer in Sicherheit und Kontrolle ein. Es geschieht anlässlich der Inthronisierung des Schöpfersohnes als Meistersohn, beim Jubiläum der Jubiläen, dass der Universumsgeist vor versammelten Heerscharen zum ersten Mal eine öffentliche und universale Erklärung der Unterordnung unter den Sohn abgibt und ihm Treue und Gehorsam gelobt. Dieses Ereignis fand in Nebadon zur Zeit der Rückkehr Michaels nach Salvington nach der Selbsthingabe auf Urantia statt. Nie vor dieser denkwürdigen Gelegenheit hatte der Universumsgeist die Unterordnung unter den Universumssohn bestätigt, und vor diesem freiwilligen Verzicht des Geistes auf Macht und Autorität konnte vom Sohn nicht wahrhaftig gesagt werden, dass "alle Macht im Himmel und auf Erden in seine Hände gelegt worden ist". Nachdem der Schöpferische Muttergeist seine Unterordnung gelobt hatte, anerkannte Michael von Nebadon in edler Weise seine ewige Abhängigkeit von seiner Geistgefährtin und setzte den Geist als Mitherrscherin über die Reiche seines Universums ein und verlangte von all ihren gemeinsamen Geschöpfen, sich gegenüber dem Geist zu derselben Treue wie gegenüber dem Sohn zu verpflichten; und es erging die abschließende "Proklamation der Gleichheit", die überallhin ausgestrahlt wurde. Obwohl Souverän dieses Lokaluniversums, tat der Sohn den Welten die Tatsache kund, dass der Geist hinsichtlich aller Begabungen der Persönlichkeit und aller Attribute göttlichen Charakters seine Ebenbürtige sei. Und dieses Vorgehen wird zum transzendenten Vorbild für die Familienorganisation und -führung selbst der niederen Geschöpfe der Welten des Raums. Dies ist in Tat und Wahrheit das hohe Ideal der Familie und der menschlichen Institution freiwilliger Heirat. Der Sohn und der Geist lenken jetzt das Universum sehr ähnlich, wie ein Vater und eine Mutter über ihre Familie von Söhnen und Töchtern wachen und für sie sorgen. Es ist nicht ganz unangebracht, vom Universumsgeist als von der schöpferischen Gefährtin des Schöpfersohnes zu sprechen und die Geschöpfe der Welten als ihre Söhne und Töchter zu betrachten - als eine große und glorreiche Familie, aber auch als eine, die unsägliches Verantwortungsgefühl und endlose Umsorgung erheischt. Der Sohn ergreift die Initiative zur Erschaffung bestimmter Universumskinder, während der Geist allein dafür verantwortlich ist, die zahlreichen Ordnungen von Geistpersönlichkeiten ins Leben zu rufen, die unter der Führung und Anleitung dieses selben Muttergeistes dienen und sein Werk der Liebe verrichten. Bei der Schaffung anderer Typen von Universumspersönlichkeiten wirken der Sohn und der Geist zusammen, und bei keinem schöpferischen Akt tut der eine irgendetwas ohne den Rat und die Zustimmung des anderen. ***** 33.4 Gabriel - der Regierungs-Chef ***** Der Helle Morgenstern ist die Personifizierung der ersten Vorstellung von Persönlichkeitsidentität und Persönlichkeitsideal, die der Schöpfersohn und die lokaluniverselle Manifestation des Unendlichen Geistes entwickelt haben. Wenn wir uns in die frühen Tage des Lokaluniversums zurückversetzen, noch bevor die Bande schöpferischer Zusammenarbeit den Schöpfersohn und den Muttergeist einen, zurück in die Zeiten, bevor sie mit der Erschaffung ihrer vielseitigen Familie von Söhnen und Töchtern beginnen, so hat der erste gemeinsame Akt der frühen und freien Zusammenarbeit dieser zwei göttlichen Personen die Erschaffung der höchsten geistigen Persönlichkeit des Sohnes und des Geistes, des Hellen Morgensterns, zur Folge. In jedem Lokaluniversum wird nur ein einziges derart weises und majestätisches Wesen hervorgebracht. Der Universale Vater und der Ewige Sohn können eine unbeschränkte Anzahl von Söhnen erschaffen, die ihnen an Göttlichkeit ebenbürtig sind, und sie tun es tatsächlich; aber diese Söhne können zusammen mit den Töchtern des Unendlichen Geistes in jedem Universum jeweils nur einen einzigen Hellen Morgenstern erschaffen, ein Wesen wie sie, das reichlich an ihren vereinigten Naturen, nicht aber an ihren Schöpferprärogativen, teilhat. Gabriel von Salvington ist hinsichtlich Göttlichkeit seiner Natur dem Universumssohn ebenbürtig; hingegen ist er in seinen Gottheitsattributen beträchtlich eingeschränkt. Dieser Erstgeborene der Eltern eines neuen Universums ist eine einmalige Persönlichkeit mit vielen wundervollen Wesenszügen, die in keinem von beiden Eltern in Erscheinung treten, ein Wesen von nie dagewesener Vielseitigkeit und unvorstellbarem Glanz. Diese himmlische Persönlichkeit kombiniert in sich den göttlichen Willen des Sohnes und die schöpferische Vorstellungskraft des Geistes. Die Gedanken und Handlungen des Hellen Morgensterns sind auf immer vollgültiger Ausdruck sowohl des Schöpfersohnes als auch des Schöpferischen Geistes. Ein solches Wesen ist auch fähig¸ die geistigen seraphischen Heerscharen ebenso wie die materiellen evolutionären Willensgeschöpfe voll zu verstehen und in mitfühlenden Kontakt mit ihnen zu treten. Der Helle Morgenstern ist kein Schöpfer, aber er ist ein wunderbarer Verwalter; er ist der persönliche administrative Repräsentant des Schöpfersohnes. Abgesehen von Schöpfung und Lebensverleihung beraten sich der Sohn und der Geist nie ohne Gabriels Gegenwart über das Vorgehen in wichtigen Universumsfragen. Gabriel von Salvington ist der Regierungschef des Universums von Nebadon und höchster Schiedsrichter in allen Berufungsfällen im Zusammenhang mit dessen Verwaltung. Dieser Regierungschef des Universums wurde als ein Wesen erschaffen, das mit allem zu seiner Aufgabe Nötigen reichlich ausgestattet war, aber er hat während des Wachstums und der Entwicklung unserer Lokalschöpfung Erfahrung gesammelt. Gabriel ist oberstes ausführendes Organ für alle superuniversellen Erlasse, die sich auf nichtpersönliche Angelegenheiten des Lokaluniversums beziehen. Auch das Meiste im Zusammenhang mit den Massengerichten und dispensationellen Auferstehungen, über welche die Ältesten der Tage als Richter befinden, wird zur Ausführung an Gabriel und seinen Mitarbeiterstab übertragen. Das macht Gabriel gleichzeitig zum obersten ausführenden Organ sowohl der superuniversellen als auch der lokaluniversellen Herrscher. Seinem Befehl untersteht ein fähiges Korps administrativer Helfer, die für ihre besondere Aufgabe erschaffen wurden, die aber den evolutionären Sterblichen nicht offenbart worden sind. Über diese Helfer hinaus kann Gabriel sämtliche in Nebadon wirkenden Ordnungen himmlischer Wesen einsetzen, und er ist auch der Oberbefehlshaber über die "Armeen des Himmels" - die himmlischen Heerscharen. Gabriel und sein Mitarbeiterstab sind keine Lehrer; sie sind Verwalter. Nie sind sie von ihrer gewohnten Arbeitsweise abgewichen, außer wenn Michael sich in Geschöpfesgestalt selber hingab. Während der Dauer dieser Selbsthingaben stand Gabriel dem Willen des inkarnierten Sohnes stets zu Diensten, und in Zusammenarbeit mit dem Einiger der Tage wurde er während der späteren Selbsthingaben zum tatsächlichen Lenker der Universumsangelegenheiten. Seit der Selbsthingabe Michaels als Sterblicher ist Gabriel mit Geschichte und Entwicklung von Urantia aufs Engste verbunden. Außer wenn die Sterblichen Gabriel auf den Welten der Selbsthingabe oder zu Zeiten allgemeiner oder besonderer Auferstehungen unter Namensaufruf zu Gesicht bekommen, werden sie ihm während ihres Aufstiegs durch das Lokaluniversum nur selten begegnen, ehe sie in die verwaltungstechnische Arbeit der Lokalschöpfung eingeführt werden. Als Verwalter, gleichgültig welcher Ordnung oder welchen Grades, werdet ihr der Leitung Gabriels unterstehen. ***** 33.5 Die Botschafter der Trinität ***** Die Verwaltung durch Persönlichkeiten, die der Trinität entstammen, endet bei den Regierungen der Superuniversen. Die Lokaluniversen werden durch zweifache Lenkung charakterisiert, durch den Beginn der Vater-Mutter-Vorstellung. Der Universumsvater ist der Schöpfersohn; die Universumsmutter ist die Göttliche Ministerin - der Schöpferische Geist des Lokaluniversums. Jedes Lokaluniversum ist indessen mit der Gegenwart gewisser Persönlichkeiten aus Zentraluniversum und Paradies gesegnet. In Nebadon steht an der Spitze dieser Paradies-Gruppe der Botschafter der Paradies-Trinität - Immanuel von Salvington - der dem Lokaluniversum von Nebadon zugewiesene Einiger der Tage. In einem gewissen Sinne ist dieser hohe Sohn der Trinität auch der persönliche Repräsentant des Universalen Vaters am Hofe des Schöpfersohnes; daher sein Name, Immanuel. Immanuel von Salvington, Nummer 611 121 der sechsten Ordnung Supremer Persönlichkeiten der Trinität, ist ein Wesen von erhabener Würde und von so wunderbarer Demut, dass er Verehrung und Anbetung durch alle lebendigen Geschöpfe zurückweist. Er unterscheidet sich von allen anderen Persönlichkeiten in ganz Nebadon darin, dass er als einziger nie irgendwelche Unterordnung unter seinen Bruder Michael ausgedrückt hat. Seine Funktion ist die eines Beraters des Souveränen Sohnes, aber er gibt seinen Rat nur auf Verlangen ab. In Abwesenheit des Schöpfersohnes kann er jedem hohen Universumsrat vorstehen, beteiligt sich aber im Übrigen nicht an den Regierungsangelegenheiten des Universums, außer man ersuche ihn darum. Dieser Botschafter des Paradieses für Nebadon untersteht nicht der Gerichtsbarkeit der Lokaluniversumsregierung. Ebenso wenig übt er in den Regierungsangelegenheiten des sich entwickelnden Lokaluniversums irgendwelche richterliche Autorität aus, wenn man von der Aufsicht über seine Verbindungsbrüder, die auf den Hauptwelten der Konstellationen dienenden Getreuen der Tage, absieht. Ebenso wenig wie die Einiger der Tage erteilen die Getreuen der Tage den Herrschern der Konstellationen Ratschläge oder bieten ihnen ihre Hilfe an, außer sie werden darum angegangen. Diese Botschafter des Paradieses bei den Konstellationen verkörpern die letzte persönliche Gegenwart der Stationären Söhne der Trinität, die in den Lokaluniversen beratende Funktion ausüben. Die Konstellationen sind enger mit der superuniversellen Verwaltung verflochten als die Lokalsysteme, die ausschließlich durch einheimische Persönlichkeiten des Lokaluniversums verwaltet werden. ***** 33.6 Allgemeine Verwaltung ***** Gabriel ist der Regierungschef und tatsächliche Verwalter Nebadons. Michaels Abwesenheit von Salvington behindert den geordneten Lauf der Universumsangelegenheiten in keiner Weise. Wenn sich Michael wegbegibt, wie z. B. neulich für die Zusammenkunft der Meistersöhne Orvontons im Paradies, ist Gabriel der Regent des Universums. Zu solchen Zeiten holt Gabriel bei allen bedeutenderen Problemen stets den Rat Immanuels von Salvington ein. Der Melchisedek-Vater ist Gabriels erster Helfer. Wenn der Helle Morgenstern von Salvington abwesend ist, werden seine Verantwortlichkeiten von diesem ersten Melchisedek-Sohn wahrgenommen. Den verschiedenen Unterverwaltungen des Universums sind bestimmte besondere Verantwortlichkeitsbereiche übertragen. Wohl wacht die Regierung eines Systems im Allgemeinen über das Wohlergehen seiner Planeten, sie ist jedoch insbesondere zuständig für den physischen Zustand der Lebewesen, für biologische Probleme. Dagegen lenken die Herrscher der Konstellationen ihr besonderes Augenmerk auf die sozialen und verwalterischen Bedingungen, die auf den verschiedenen Planeten und Systemen herrschen. Die Regierung einer Konstellation arbeitet hauptsächlich an Einigung und Stabilisierung. Noch höher oben beschäftigen sich die Universumslenker mehr mit dem geistigen Status der Welten. Durch richterliche Verfügung werden Botschafter ernannt, die die Universen bei anderen Universen vertreten. Vertreter der Konstellationen untereinander und am Hauptsitz des Universums sind die Konsuln; sie werden durch Gesetzeserlasse ernannt und wirken nur innerhalb der Grenzen des Lokaluniversums. Auf Anweisung des Systemsouveräns erhalten die Beobachter den Auftrag, dieses System bei anderen Systemen und am Hauptsitz der Konstellation zu vertreten, und auch sie wirken nur innerhalb der Grenzen des Lokaluniversums. Von Salvington werden Fernmeldungen gleichzeitig auf die Hauptsitze der Konstellationen und Systeme und auf die einzelnen Planeten übertragen. Alle höheren Ordnungen himmlischer Wesen sind befähigt, diese Dienstleistung zur Kommunikation mit ihren über das ganze Universum verstreuten Gefährten zu benutzen. Der universelle Fernmeldedienst erstreckt sich auf alle bewohnten Welten, unabhängig von ihrem geistigen Rang. Von gegenseitiger planetarischer Kommunikation sind nur Welten ausgeschlossen, die unter geistiger Quarantäne stehen. Die Fernmeldungen der Konstellation werden von deren Hauptsitz aus in regelmäßigen Abständen durch das Haupt der Väter der Konstellation ausgestrahlt. Die Zeitbestimmung erfolgt auf Salvington durch eine besondere Gruppe von Wesen, die die Zeit berechnen, schätzen und berichtigen. Der Standardtag von Nebadon entspricht achtzehn Tagen und sechs Stunden plus zweieinhalb Minuten urantianischer Zeit. Das Nebadonjahr besteht aus einem Segment der Zeit des Universumsumlaufs in Beziehung zur Kreisbahn Uversas; es beträgt hundert Tage universeller Standardzeit, was etwa fünf Jahren urantianischer Zeit entspricht. Die aus Salvington übertragene Nebadonzeit ist für alle Konstellationen und Systeme dieses Lokaluniversums maßgebend. Jede Konstellation wickelt ihre Angelegenheiten nach Nebadonzeit ab, aber die Systeme ebenso wie die einzelnen Planeten halten sich an ihre eigene Zeitbestimmung. Ein Sataniatag, wie er auf Jerusem gerechnet wird, beträgt etwas weniger (1 Stunde, 4 Minuten und 15 Sekunden) als drei Tage urantianischer Zeit. Man nennt diese Zeiten allgemein Salvington- oder Universumszeit und Satania- oder Systemzeit. Standardzeit ist die Universumszeit. ***** 33.7 Die Gerichtshöfe Nebadons ***** Michael, der Meistersohn, befasst sich intensivst nur mit drei Dingen: Erschaffen, Stützen und Dienen. Er beteiligt sich nicht persönlich am Gerichtswesen des Universums. Nie sitzen die Schöpfer über ihre Geschöpfe zu Gericht; das ist die ausschließliche Funktion von umfassend geschulten Geschöpfen, die tatsächliche Geschöpfeserfahrung besitzen. Der gesamte Justizapparat Nebadons untersteht Gabriel. Die sich auf Salvington befindenden hohen Gerichtshöfe beschäftigen sich mit Problemen allgemeinen universellen Interesses und mit Berufungsfällen, die von den Systemtribunalen heraufkommen. Die Universumsgerichte weisen siebzig Zweige auf, deren jede in sieben Abteilungen zu zehn Sektionen funktioniert. Bei allen Gerichtsfällen führen zwei Richterpersönlichkeiten den Vorsitz, nämlich ein der Vollkommenheit entstammender Richter und einer mit aufsteigender Erfahrung. Was die Rechtsprechung anbelangt, sind die Tribunale des Lokaluniversums in folgenden Bereichen eingeschränkt: 1. Die Verwaltung des Lokaluniversums befasst sich mit Schöpfung, Evolution, Aufrechterhalten und Dienen. Den Universumstribunalen ist deshalb das Recht verwehrt, in Fällen zu richten, in denen es um die Frage ewigen Lebens oder Todes geht. Das hat nichts mit dem natürlichen Tod zu tun, wie er auf Urantia vorherrscht, aber wenn die Frage des Anrechts auf fortgesetzte Existenz, auf das ewige Leben, vor Gericht kommt, muss die Angelegenheit an die Tribunale von Orvonton weitergeleitet werden; und sollten diese gegen ein Einzelwesen entscheiden, dann werden alle Auslöschungsurteile auf Befehl und durch die Organe der Herrscher der Superregierung ausgeführt. 2. An den Tribunalen eines Sohnes wird nie über einen Fehltritt oder einen Abfall von Gottessöhnen des Lokaluniversums entschieden, welche deren Sohnes-Status und -autorität aufs Spiel setzen; eine derartige Auseinandersetzung würde augenblicklich vor die Gerichte des Superuniversums gebracht. 3. Die Frage der Wiedereingliederung irgendeines in geistiger Isolation befindlichen Bestandteiles eines Lokaluniversums - wie eines Lokalsystems - in die Gemeinschaft des vollen geistigen Status der Lokalschöpfung muss die Zustimmung der hohen Versammlung des Superuniversums erhalten. In allen anderen Angelegenheiten sind die Gerichtshöfe von Salvington letzte und höchste Instanz. Gegen ihre Entscheidungen und Urteile gibt es weder Berufung noch Ausweichmöglichkeit. Wie offensichtlich ungerecht auf Urantia in menschlichen Streitfällen manchmal auch entschieden werden mag - im Universum obsiegen tatsächlich Gerechtigkeit und göttliche Unparteilichkeit. Ihr lebt in einem wohlgeordneten Universum, und früher oder später könnt ihr euch darauf verlassen, gerecht, ja sogar erbarmungsvoll, behandelt zu werden. ***** 33.8 Legislative und exekutive Funktionen ***** Auf Salvington, dem Hauptsitz von Nebadon, gibt es keinen eigentlichen gesetzgebenden Körper. Die Hauptsitzwelten der Universen beschäftigen sich insbesondere mit Gerichtsbarkeit. Die gesetzgebenden Versammlungen des Lokaluniversums befinden sich auf den Hauptwelten der einhundert Konstellationen. Die Systeme beschäftigen sich hauptsächlich mit der Regierungs- und Verwaltungsarbeit der Lokalschöpfungen. Die Systemsouveräne und ihre Mitarbeiter sorgen für die Anwendung der Gesetzeserlasse der Konstellationsherrscher und führen die richterlichen Weisungen der hohen Tribunale des Universums aus. Zwar findet am Universumshauptsitz keine wahre Gesetzgebung statt, hingegen funktionieren auf Salvington verschiedene beratende und mit Forschung betraute Versammlungen, die je nach Aufgabe und Ziel verschiedene Zusammensetzung und Leitung aufweisen. Einige davon sind ständige Einrichtungen; andere lösen sich nach Erreichen des gesetzten Ziels wieder auf. In den höchsten Rat des Lokaluniversums entsendet jedes System drei Mitglieder und jede Konstellation sieben Repräsentanten. Isolierte Systeme sind in dieser Versammlung nicht vertreten, aber sie haben die Erlaubnis zur Abordnung von Beobachtern, die all ihre Beratungen verfolgen und studieren. Auch die einhundert Räte oberster Sanktionierung befinden sich auf Salvington. Die Vorsitzenden dieser Räte bilden die unmittelbare Regierungsmannschaft Gabriels. Alle Befunde der hohen beratenden Versammlungen des Universums werden entweder an die Gerichtsinstanzen auf Salvington oder an die gesetzgebenden Versammlungen der Konstellationen weitergeleitet. Die hohen Räte besitzen weder Autorität noch Macht zur Durchsetzung ihrer Empfehlungen. Wenn ihre Ratschlüsse auf den fundamentalen Gesetzen des Universums beruhen, werden die Gerichtshöfe Nebadons Weisungen zu ihrer Ausführung geben; aber wenn sich ihre Empfehlungen auf lokale oder Notsituationen beziehen, müssen sie zu Beschlussfassung und Erlass den Weg hinunter zu den gesetzgebenden Versammlungen der Konstellation nehmen und danach zur Ausführung an die Bevollmächtigten des Systems weitergehen. Diese hohen Räte sind in Tat und Wahrheit die höchsten gesetzgebenden Versammlungen des Universums, aber sie wirken ohne Verfügungsgewalt und ohne Vollmacht zur Ausführung. Wenn wir bei der Besprechung der Universumsverwaltung Ausdrücke wie "Gerichtshöfe" und "Versammlungen" gebrauchen, sollte es klar sein, dass diese geistigen Vorgänge sich von den primitiveren und materielleren Vorgängen auf Urantia, welche entsprechende Namen tragen, beträchtlich unterscheiden. [Dargeboten vom Oberhaupt der Erzengel Nebadons.] ****** Kapitel 34 Der Muttergeist des Lokaluniversums ****** WENN der Universale Vater und der Ewige Sohn einen Schöpfersohn personifizieren, individualisiert der Unendliche Geist eine neue und einmalige Repräsentation seiner selbst, die jenen Schöpfersohn in die Reiche des Raums hinausbegleiten und dort seine Gefährtin sein wird, zuerst bei der physischen Organisation und später bei der Erschaffung und Umsorgung der Geschöpfe des neu projektierten Universums. Ein Schöpferischer Geist spricht sowohl auf physische als auch auf geistige Realitäten an; dasselbe gilt für einen Schöpfersohn; auf diese Weise sind sie bei der Verwaltung eines Lokal-universums von Zeit und Raum koordiniert und verbunden. Diese Töchter-Geiste besitzen das Wesen des Unendlichen Geistes, aber sie können nicht gleichzeitig bei der physischen Schöpfung und im geistigen Dienst funktionieren. Bei der physischen Schöpfung liefert der Universumssohn das Urmuster, während der Universumsgeist die Materialisierung der physischen Realitäten in Gang setzt. Der Sohn wirkt bei den Machtvorhaben, aber der Geist überführt diese Energieschöpfungen in physische Substanzen. Obwohl es etwas schwer fällt, diese frühe Universumsgegenwart des Unendlichen Geistes als eine Person zu bezeichnen, ist die Geistgefährtin für den Schöpfersohn doch persönlich und hat stets als eindeutige Individualität gewirkt. ***** 34.1 Personifizierung des Schöpferischen Geistes ***** Nach Abschluss der physischen Organisation eines Stern- und Planetenhaufens und nach der Einrichtung der Energiekreise durch die superuniversellen Machtzentren, nach diesem einleitenden Schöpfungswerk, das die Organe des Unendlichen Geistes durch dessen lokaluniverselle schöpferische Fokussierung und unter ihrer Leitung ausgeführt haben, ergeht die Proklamation des Michael-Sohnes, dass die Projektion des Lebens in das neu organisierte Universum unmittelbar bevorstehe. Nachdem das Paradies diese Absichtserklärung zur Kenntnis genommen hat, findet in der Paradies-Trinität eine Zustimmungsreaktion statt, worauf der Hauptgeist, in dessen Superuniversum sich diese neue Schöpfung organisiert, im geistigen Glanz der Gottheiten verschwindet. Mittlerweile nähern sich die anderen Hauptgeiste der zentralen Wohnstätte der Paradies-Gottheiten, und wenn jetzt der von den Gottheiten umfangene Hauptgeist wiedererscheint und vor seine Gefährten tritt, ereignet sich, was man eine "primäre Eruption" nennt. Dies ist ein ungeheurer geistiger Lichtblitz, ein Phänomen, das an einem so weit entfernten Punkt wie am Hauptsitz des betreffenden Superuniversums klar wahrgenommen werden kann; und gleichzeitig mit diesem wenig verstandenen Vorgang in der Trinität geschieht eine einschneidende Veränderung im Wesen der das betreffende Lokal-universum bewohnenden schöpferischen geistigen Gegenwart und Macht des Unendlichen Geistes. Als Antwort auf diese Vorgänge im Paradies personifiziert sich augenblicklich in Gegenwart des Schöpfersohnes eine neue persönliche Repräsentantin des Unendlichen Geistes. Dies ist die Göttliche Ministerin. Die individualisierte Schöpferische Geist-Helferin des Schöpfersohnes ist zu seiner persönlichen schöpferischen Mitarbeiterin geworden, zum Muttergeist des Lokaluniversums. Aus dieser neuen persönlichen Absonderung des Mit-Schöpfers und durch sie entspringen die festen Ströme und geordneten Kreisläufe geistiger Macht und geistigen Einflusses, die bestimmt sind, alle Welten und Wesen dieses Lokaluniversums zu durchdringen. In Wahrheit ist diese neue persönliche Gegenwart nur eine Verwandlung der schon vorher existierenden, aber weniger persönlichen Gefährtin des Sohnes während seines früheren Werks physischer Universumsorganisation. Das ist in wenigen Worten die Erzählung eines erstaunlichen Dramas, aber sie stellt so ziemlich alles dar, was über diese denkwürdigen Vorgänge ausgesagt werden kann. Diese sind augenblicklich, unergründlich und unverständlich; das Geheimnis ihrer Technik und Durchführung ruht im Schoße der Paradies-Trinität. Wir sind uns nur einer Sache sicher: Die Gegenwart des Geistes im Lokaluniversum während der Zeit der rein physischen Erschaffung oder Organisation war vom Geist des Unendlichen Geistes des Paradieses nur unvollständig differenziert; nach dem Wiederauftauchen des herrschenden Hauptgeistes aus der geheimen Umfangung durch die Götter und nach dem Aufblitzen geistiger Energie hingegen nimmt die lokaluniverselle Manifestation des Unendlichen Geistes plötzlich und vollständig die persönlichen Züge jenes Hauptgeistes an, welcher sich eben in verwandelnder Verbindung mit dem Unendlichen Geist befunden hat. Der Muttergeist des Lokaluniversums erwirbt auf diese Weise eine persönliche Natur, die von jener des Hauptgeistes gefärbt ist, in dessen superuniversellem astronomischem Zuständigkeitsbereich das Lokaluniversum liegt. In Satania kennt man die personifizierte Gegenwart des Unendlichen Geistes, den Schöpferischen Muttergeist des Lokaluniversums, als Göttliche Ministerin. Sowohl praktisch als auch geistig kann man durchaus sagen, dass diese Gottheitsmanifestation eine göttliche Individualität, eine Geistperson ist. Und sie wird durch den Schöpfersohn als solche betrachtet und anerkannt. Durch diese Lokalisierung und Personifizierung des Dritten Zentralen Ursprungs in unserem Lokaluniversum wurde es möglich, dass der Geist sich in der Folge so vollkommen dem Schöpfersohn unterwerfen konnte, dass man von diesem Sohn wahrheitsgetreu sagte: "Alle Macht im Himmel und auf Erden ist ihm anvertraut worden." ***** 34.2 Natur der Göttlichen Ministerin ***** Nachdem die Göttliche Ministerin zu der Zeit der Erschaffung des Lebens in ihrer Persönlichkeit eine tief greifende Verwandlung durchgemacht hat, wirkt sie als eine Person und arbeitet mit dem Schöpfersohn bei der Planung und Ausführung der umfassenden Angelegenheiten ihrer beider Lokalschöpfung in sehr persönlicher Weise zusammen. Vielen Arten von Universumswesen erscheint selbst diese Verkörperung des Unendlichen Geistes während der Zeitalter, die der letzten Selbsthingabe Michaels vorausgehen, nicht gänzlich persönlich; aber nach der Erhebung des Schöpfersohns zur souveränen Autorität eines Meistersohnes nehmen die persönlichen Eigenschaften des Schöpferischen Muttergeistes dermaßen zu, dass sie von allen mit ihr in Berührung kommenden Einzelwesen persönlich erkannt wird. Von den frühesten Stunden seiner Zusammenarbeit mit dem Schöpfersohn an besitzt der Universumsgeist alle Attribute physischer Kontrolle des Unendlichen Geistes einschließlich der vollen Verfügung über die Antigravitation. Nachdem der Universumsgeist den persönlichen Status erreicht hat, übt er im Lokaluniversum eine gerade ebenso umfassende und vollständige Kontrolle über die Verstandesgravitation aus wie der Unendliche Geist, wenn dieser persönlich anwesend wäre. In jedem Lokaluniversum wirkt die Göttliche Ministerin gemäß der Natur und den eingeborenen Wesenszügen des Unendlichen Geistes, so wie dieser in einem der Sieben Hauptgeiste des Paradieses verkörpert ist. Obwohl alle Universumsgeiste in ihrem Wesen grundlegend gleichförmig sind, zeigen sie doch Unterschiede in der Funktion, die durch ihre Abstammung von einem der Sieben Hauptgeiste bedingt werden. Dieser je andere Ursprung ist verantwortlich für die abweichenden, von den Muttergeisten der Lokaluniversen in den verschiedenen Superuniversen angewandten Techniken. Aber in allen wesentlichen geistigen Attributen sind diese Geiste bei aller superuniversellen Differenzierung doch identisch, von gleicher Geistigkeit und durch und durch göttlich. Der Schöpferische Geist trägt zusammen mit dem Schöpfersohn die Verantwortung für die Erzeugung der Geschöpfe der Welten, und er wird nie müde, dem Sohn bei all seinen Anstrengungen zur Aufrechterhaltung und Bewahrung dieser Schöpfungen zur Seite zu stehen. Das Leben wird gespiesen und unterhalten durch das Wirken des Schöpferischen Geistes. "Du sendest deinen Geist aus, und sie werden erschaffen. Du erneuerst das Antlitz der Erde." Bei der Schöpfung eines Universums intelligenter Geschöpfe wirkt der Schöpferische Muttergeist zuerst in der Vollkommenheitssphäre des Universums, indem er zusammen mit dem Sohn den Hellen Morgenstern hervorbringt. Danach nähert sich die Nachkommenschaft des Geistes mehr und mehr der Ordnung der auf den Planeten erschaffenen Wesen, in dem die Söhne in Stufen von den Melchisedeks bis zu den Materiellen Söhnen hinabsteigen, welche tatsächlich mit den Sterblichen der Welten in Berührung treten. Bei der späteren Entwicklung sterblicher Geschöpfe liefern die Lebensbringer den physischen Körper, der aus der existierenden organisierten Materie der Welt aufgebaut wird, während der Universumsgeist den "Lebensatem" beisteuert. Obwohl das siebente Segment des Großen Universums in mancherlei Hinsicht in seiner Entwicklung zurückgeblieben sein mag, freuen sich tiefsinnige Beobachter unserer Probleme auf die Entwicklung einer außerordentlich ausgewogenen Schöpfung in den künftigen Zeitaltern. Wir sagen diesen hohen Symmetriegrad Orvontons voraus, weil der dieses Superuniversum lenkende Geist das Oberhaupt der Hauptgeiste in der Höhe und eine geistige Intelligenz ist, die die ausgewogene Vereinigung und vollkommene Koordination der Wesenszüge und Charaktere aller drei ewigen Gottheiten verkörpert. Wir sind im Vergleich zu anderen Sektoren langsam und zurückgeblieben, aber ohne Zweifel erwartet uns irgendwann in den ewigen Zeitaltern der Zukunft eine transzendente Entwicklung und eine nie dagewesene Vollendung. ***** 34.3 Der Sohn und der Geist in Zeit und Raum ***** Weder der Ewige Sohn noch der Unendliche Geist sind durch Zeit oder Raum beschränkt oder bedingt, wohl aber die meisten ihrer Nachkommen. Der Unendliche Geist durchdringt allen Raum und bewohnt den Kreis der Ewigkeit. Trotzdem müssen die Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes bei ihren persönlichen Kontakten mit den Kindern der Zeit oft mit zeitlichen Elementen rechnen, aber in geringerem Maße mit dem Raum. Viele Verstandesdienste sind völlig raumunabhängig, erleiden aber einen zeitlichen Aufschub, bis sie die Koordination auf verschiedenen Ebenen universeller Realität erreicht haben. Ein Einsamer Botschafter ist praktisch vom Raum unabhängig, außer dass er tatsächlich Zeit benötigt, um von einem Ort zu einem anderen zu reisen; und es gibt noch andere solche euch unbekannte Wesenheiten. Zu den persönlichen Vorrechten eines Schöpferischen Geistes gehört eine totale Raum-, nicht aber Zeitunabhängigkeit. Es gibt weder auf den Hauptsitzen der Konstellationen noch auf denen der Systeme eine spezialisierte persönliche Gegenwart eines solchen Universumsgeistes. Sie ist in ihrem ganzen Lokaluniversum gleichmäßig und fließend anwesend und deshalb auf irgendeiner gegebenen Welt genau so buchstäblich und persönlich gegenwärtig wie auf jeder anderen. Bei seinen Diensten am Universum ist der Schöpferische Geist einzig hinsichtlich des Elementes Zeit beschränkt. Ein Schöpfersohn kann in seinem ganzen Universum augenblicklich handeln; aber der Schöpferische Geist muss bei der Austeilung des universellen Verstandes mit der Zeit rechnen, außer er versieht sich bewusst und vorsätzlich mit den persönlichen Vorrechten des Universumssohnes. Bei rein geistigen Funktionen sowie bei seinem Zusammenwirken mit der geheimnisvollen Arbeitsweise der universellen Reflexivität handelt der Schöpferische Geist auch unabhängig von der Zeit. Obwohl der Kreislauf geistiger Gravitation des Ewigen Sohnes sowohl zeit- wie raumunabhängig arbeitet, sind nicht alle Funktionen der Schöpfersöhne frei von Raumbegrenzungen. Wenn man von den Vorgängen auf den evolutionären Welten absieht, scheinen die Michael-Söhne fähig zu sein, relativ unabhängig von der Zeit zu handeln. Ein Schöpfersohn wird durch die Zeit nicht behindert, aber er unterliegt den Bedingungen des Raums; er kann nicht zu gleicher Zeit an zwei verschiedenen Orten persönlich anwesend sein. Michael von Nebadon handelt zeitunabhängig in seinem eigenen Universum und dank der Reflexivität praktisch ebenfalls im Superuniversum. Er steht mit dem Ewigen Sohn direkt in zeitloser Verbindung. Die Göttliche Ministerin ist die verstehende Helferin des Schöpfersohnes, indem sie ihn dazu befähigt, seine ihm eigenen räumlichen Beschränkungen zu überwinden und wettzumachen; denn wenn alle beide in administrativer Einheit zusammenwirken, sind sie innerhalb der Grenzen ihrer lokalen Schöpfung praktisch unabhängig von Zeit und Raum. Deshalb wirken in einem ganzen Lokaluniversum vom praktischen Standpunkt aus der Schöpfersohn und der Schöpferische Geist gewöhnlich unabhängig von Zeit und Raum, da jedem jederzeit die Zeit- und Raumbefreiung des anderen zur Verfügung steht. Nur absolute Wesen sind im absoluten Sinne unabhängig von Zeit und Raum. Die Mehrzahl der untergeordneten Personen des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes sind sowohl der Zeit als auch dem Raum unterworfen. Wenn eine Göttliche Ministerin "raumbewusst" wird, erkennt sie allmählich einen ganz bestimmten "Raumbereich" als den ihren, ein Reich, in welchem sie vom Raum befreit ist im Gegensatz zu allem anderen Raum, durch welchen sie bedingt würde. Man besitzt die Freiheit des Wählens und Handelns nur innerhalb des Bereichs des eigenen Bewusstseins. ***** 34.4 Die Kreisläufe des Lokaluniversums ***** Es gibt im Lokaluniversum von Nebadon drei unterschiedliche Geistkreise: 1. Den Geist der Selbsthingabe des Schöpfersohnes, den Tröster, den Geist der Wahrheit. 2. Den Geistkreis der Göttlichen Ministerin, den Heiligen Geist. 3. Den die Intelligenz spendenden Kreis, der die mehr oder weniger geeinten Aktivitäten, aber verschiedenartigen Funktionsweisen der sieben mentalen Hilfsgeiste einschließt. Die Schöpfersöhne sind mit einem Geist universeller Gegenwart begabt, der in vieler Hinsicht demjenigen der Sieben Hauptgeiste des Paradieses gleicht. Es ist der Geist der Wahrheit, der von einem Sohn der Selbsthingabe über eine Welt ausgegossen wird, nachdem er den geistigen Rechtsanspruch auf diese Sphäre erworben hat. Der so ausgeteilte Tröster ist die geistige Kraft, die dauernd alle Wahrheitssucher zu Ihm, der im Lokaluniversum die Wahrheit verkörpert, hinzieht. Dieser Geist gehört zu der natürlichen Veranlagung eines Schöpfersohnes. Er entspringt seiner göttlichen Natur gerade so, wie die Hauptkreise des Großen Universums aus der persönlichen Gegenwart der Paradies-Gottheiten fließen. Der Schöpfersohn mag kommen und gehen, er mag sich persönlich im Lokaluniversum oder anderswo aufhalten; und doch arbeitet der Geist der Wahrheit ungestört weiter, denn obwohl seine göttliche Gegenwart der Persönlichkeit des Schöpfersohnes entstammt, ist er funktionell in der Person der Göttlichen Ministerin zentriert. Der Muttergeist des Universums hingegen verlässt die Hauptwelt des Lokaluniversums nie. Der Geist des Schöpfersohnes kann unabhängig von der persönlichen Gegenwart des Sohnes funktionieren und tut es auch, nicht so indessen ihr persönlicher Geist. Der Heilige Geist der Göttlichen Ministerin würde funktionsunfähig, wenn sich ihre persönliche Gegenwart von Salvington entfernen sollte. Ihre Geistgegenwart scheint an den Hauptsitz des Universums gebunden zu sein, und gerade diese Tatsache erlaubt es dem Geist des Schöpfersohnes, unabhängig vom Aufenthaltsort dieses Sohnes zu wirken. Der Muttergeist des Universums spielt die Rolle eines universellen Brennpunktes und Mittelpunktes sowohl für den Geist der Wahrheit als auch für ihren eigenen persönlichen Einfluss, den Heiligen Geist. Der Schöpfer-Vater-Sohn und der Schöpferische Muttergeist tragen beide unterschiedlich zu der Verstandesbegabung ihrer Lokaluniversumskinder bei. Aber der Schöpferische Geist verleiht keinen Verstand, bevor er mit persönlichen Vorrechten ausgestattet worden ist. Die überevolutionären Persönlichkeitsordnungen eines Lokaluniversums sind mit dem lokaluniversellen Typus des superuniversellen Verstandesurmusters ausgestattet. Die menschlichen und untermenschlichen Ordnungen des evolutionären Lebens sind mit den Hilfsgeiste-Typen der Verstandesvergabe ausgestattet. Die sieben mentalen Hilfsgeiste sind die Schöpfung der Göttlichen Ministerin eines Lokaluniversums. Diese Verstandesgeiste sind wesensgleich, aber mit unterschiedlicher Macht begabt, und alle teilen gleichermaßen die Natur des Universumsgeistes, obwohl kaum jemand außer ihrer Mütterlichen Schöpferin sie als Persönlichkeiten einstuft. Die sieben Hilfsgeiste sind folgendermaßen benannt worden: als Geist der Weisheit, Geist der Anbetung, Geist des Rates, Geist des Wissens, Geist des Mutes, Geist des Begreifens und Geist der Intuition - der raschen Wahrnehmung. Das sind die "sieben Geiste Gottes", die "wie Lampen vor dem Thron brennen", welche der Prophet in den Symbolen der Vision sah. Aber er sah nicht die Sitze der vierundzwanzig Wachen um diese sieben mentalen Hilfsgeiste herum. Dieser Bericht stellt eine Vermengung von zwei Bildern dar, deren erstes sich auf den Hauptsitz des Universums und deren zweites sich auf die Kapitale des Systems bezieht. Die Sitze der vierundzwanzig Ältsten befinden sich auf Jerusem, der Hauptwelt eures Lokalsystems bewohnter Welten. Aber es handelte sich um Salvington, als Johannes schrieb: "Und von dem Thron gingen Blitze aus und Donner und Stimmen" - die universellen Fernmeldungen nach den Lokalsystemen. Er erblickte ebenfalls die Richtung gebenden Kontrollgeschöpfe des Lokaluniversums, die lebenden Kompasse der Hauptwelt. Diese Richtungskontrolle wird in Nebadon durch die vier Kontrollgeschöpfe von Salvington aufrechterhalten, die über die Universumsströme wirken und dabei durch den ersten funktionierenden mentalen Hilfsgeist der Intuition, den Geist des "raschen Erfassens", gewandt unterstützt werden. Aber in jener Beschreibung sind diese vier - Tiere genannten - Geschöpfe auf unglückliche Weise verunstaltet worden; denn sie sind von unvergleichlicher Schönheit und köstlicher Gestalt. Die vier Himmelsrichtungen sind universell und sie sind dem Leben in Nebadon eingeschrieben. Alle lebendigen Geschöpfe besitzen körperliche Einheiten, die auf diese Richtungsströme ansprechen und antworten. Diese Einrichtungen finden sich identisch in den Geschöpfen des ganzen Universums bis hinunter zu den einzelnen Planeten, und in Verbindung mit den magnetischen Kräften der Welten aktivieren sie die Menge mikroskopischer Körperchen im tierischen Organismus so, dass diese Richtungszellen stets nach Norden und Süden zeigen. Dadurch ist der Orientierungssinn in den Lebewesen des Universums für immer verankert. Die Menschheit ermangelt dieses Sinnes als eines bewussten Besitzes nicht gänzlich. Diese Körperchen wurden auf Urantia zum ersten Mal zur Zeit dieser Niederschrift beobachtet. ***** 34.5 Das dienende Amt des Geistes ***** Die Göttliche Ministerin wirkt zusammen mit dem Schöpfersohn bei der Formulierung des Lebens und bei der Erschaffung neuer Ordnungen von Wesen bis zu der Zeit seiner siebenten Selbsthingabe, und darauf, nach seiner Erhebung zur vollen Souveränität über sein Universum, setzt sie ihre Zusammenarbeit mit dem Sohn und mit dem ausgeteilten Geist des Sohnes fort im weiteren Wirken für die Versorgung der Welten und die planetarische Fortentwicklung. Auf den bewohnten Welten nimmt der Geist das Werk der evolutionären Progression in Angriff, indem er mit der unbelebten Materie der Welt beginnt, hernach das pflanzliche Leben, hierauf die tierischen Organismen und endlich die ersten Ordnungen menschlicher Existenz mit Leben begabt; und jede folgende Vergabe steuert das ihre bei zur weiteren Entfaltung des evolutionären Potentials planetarischen Lebens von den anfänglichen primitiven Stadien bis zum Erscheinen der Willensgeschöpfe. Diese Arbeit des Geistes geschieht weitgehend durch die sieben Hilfsgeiste, durch diese Geiste des Versprechens, durch diesen einigenden und koordinierenden Geist-Verstand der sich entwickelnden Planeten, der die Menschenrassen unablässig und einigend höheren Ideen und geistigen Idealen zuführt. Der sterbliche Mensch erfährt das Wirken des Geistes in Verbindung mit dem Verstand zum ersten Mal, wenn sein rein tierischer Verstand eines evolutionären Geschöpfes die Fähigkeit entwickelt, für die Hilfsgeiste der Anbetung und Weisheit empfänglich zu werden. Dieses Wirken des sechsten und siebenten Hilfsgeistes zeigt an, dass der in Entwicklung begriffene Verstand die Schwelle zum segensreichen Wirken des Geistes überschritten hat. Und unverzüglich werden solche Verstandeswesen mit Anbetungs- und Weisheitsfunktion in die geistigen Kreisläufe der Göttlichen Ministerin aufgenommen. Wenn der Verstand solcherweise in den Genuss des Wirkens des Heiligen Geistes kommt, besitzt er die Voraussetzung dazu, (bewusst oder unbewusst) die geistige Gegenwart des Universalen Vaters - des Gedankenjustierers - zu wählen. Aber erst nachdem ein Sohn der Selbsthingabe den Geist der Wahrheit befreit hat, um allen Sterblichen des Planeten beizustehen, ist jeder normale Verstand automatisch darauf vorbereitet, einen Gedankenjustierer zu erhalten. Der Geist der Wahrheit arbeitet wie eins mit der Gegenwart des Geistes der Göttlichen Ministerin zusammen. Diese doppelte geistige Verbindung schwebt über den Welten und trachtet danach, die Wahrheit zu lehren und die menschlichen Gemüter geistig zu erleuchten, die Seelen der Geschöpfe der aufsteigenden Rassen zu inspirieren und die auf den evolutionären Planeten wohnenden Völker unermüdlich ihrem paradiesischen Ziel göttlicher Bestimmung zuzuführen. Obwohl der Geist der Wahrheit über alles Fleisch ausgegossen worden ist, wird dieser Geist des Sohnes in seinem Wirken und seiner Macht fast völlig durch des Menschen persönliche Aufnahmefähigkeit dessen beschränkt, was Summe und Substanz der Selbsthingabe-Mission des Sohnes ausmacht. Der Heilige Geist ist teils unabhängig von der menschlichen Haltung und teils durch die Entscheidungen und die Mitarbeit des menschlichen Willens bedingt. Dennoch zeitigt das Wirken des Heiligen Geistes stetig wachsende Erfolge bei der Heiligung und Vergeistigung des inneren Lebens derjenigen Sterblichen, die den göttlichen Weisungen vollständiger gehorchen. Als Einzelwesen besitzt ihr nicht persönlich ein getrenntes Fragment oder eine getrennte Wesenheit des Geistes des Schöpfer-Vater-Sohnes oder des Schöpferischen Muttergeistes; diese Einflüsse treten nicht wie die Unergründlichen Mentoren mit den denkenden Zentren des individuellen Verstandes in Kontakt oder bewohnen sie in derselben Weise. Die Gedankenjustierer sind eindeutige Individualisierungen der vorpersönlichen Realität des Universalen Vaters, die den menschlichen Verstand tatsächlich als ein Teil dieses Verstandes bewohnen, und sie arbeiten immer in vollkommener Harmonie mit den vereinigten Geisten des Schöpfersohnes und des Schöpferischen Geistes. Die Anwesenheit des Heiligen Geistes der Universumstochter des Unendlichen Geistes, jene des Geistes der Wahrheit des Universumssohnes des Ewigen Sohnes und jene des Justierer-Geistes des Paradies-Vaters in einem evolutionären Sterblichen oder bei ihm bedeutet Symmetrie geistiger Begabung und Umsorgung und versetzt einen solchen Sterblichen in die Lage, sich der auf Glauben beruhenden Tatsache der Gottessohnschaft bewusst zu werden. ***** 34.6 Der Geist im Menschen ***** Mit fortschreitender Evolution eines bewohnten Planeten und fortgesetzter Vergeistigung seiner Bewohner können von solchen reifen Persönlichkeiten zusätzliche geistige Einwirkungen empfangen werden. Im demselben Maße wie die Sterblichen bei der Herrschaft über ihren Verstand und bei der geistigen Wahrnehmung Fortschritte erzielen, funktionieren diese zahlreichen Dienste des Geistes immer koordinierter; sie vermischen sich zunehmend mit dem Überdienst der Paradies-Trinität. Obwohl die Göttlichkeit sich in der Mehrzahl manifestieren kann, erfährt der Mensch die Gottheit immer in der Einzahl, als eins. Der Mensch erfährt den geistigen Dienst nie in der Mehrzahl. Aus wie vielen Quellen die geistigen Einwirkungen auch stammen mögen, wirken sie doch alle wie eine einzige. Sie sind tatsächlich eins, denn sie sind ja das Geisteswirken des Siebenfachen Gottes in und an den Geschöpfen des Großen Universums; und in demselben Maße, wie der Geschöpfe Würdigung dieses einigenden Wirkens des Geistes und ihre Empfänglichkeit dafür wächst, wird es in ihrer Erfahrung zum Dienst des Supremen Gottes. Von den Höhen ewiger Herrlichkeit steigt der göttliche Geist über eine lange Folge von Stufen herab, um euch zu finden, wie ihr seid und wo ihr seid, um dann, in Partnerschaft mit eurem Glauben, eure Seele sterblichen Ursprungs liebevoll zu umfangen und der sicheren und gewissen Aufwärtsbegehung jener niedersteigenden Stufen zuzuführen und nicht müde zu werden, bis die evolutionäre Seele heil auf denselben gesegneten Höhen anlangt, von denen der göttliche Geist ursprünglich zu seiner Sendung barmherzigen Dienstes aufbrach. Geistige Kräfte suchen und erreichen unfehlbar ihre eigenen ursprünglichen Ebenen. Da sie vom Ewigen ausgegangen sind, sind sie auch sicher, wieder zu ihm zurückzufinden und all jene Kinder von Zeit und Raum mit sich zu bringen, die die Führung und Unterweisung des ihnen innewohnenden Justierers angenommen haben, jene, die wahrhaftig "vom Geiste geboren sind", die Söhne Gottes durch den Glauben. Der göttliche Geist ist für die Menschenkinder eine Quelle ständiger Zuwendung und Ermutigung. Euer Vermögen und Vollbringen geschehen "gemäß seiner Barmherzigkeit, durch die Erneuerung des Geistes". Wie die physische Energie erschöpft sich auch das geistige Leben. Geistige Anstrengung hat relative geistige Erschöpfung zur Folge. Die ganze aufsteigende Erfahrung ist ebenso wirklich wie geistig; deshalb steht zu Recht geschrieben: "Es ist der Geist, der belebt." "Der Geist schenkt Leben." Die tote Theorie auch der höchsten religiösen Glaubenssätze ist machtlos, den menschlichen Charakter zu verwandeln oder das menschliche Verhalten zu kontrollieren. Was der heutigen Welt nottut, ist die Wahrheit, die euer einstiger Lehrer verkündete: "Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Macht und im Heiligen Geiste". Der Samen theoretischer Wahrheit ist tot und die höchsten sittlichen Vorstellungen bleiben wirkungslos, solange nicht der Atem des göttlichen Geistes auf die Formen der Wahrheit bläst und die Formeln der Rechtschaffenheit belebt. Diejenigen, welche den ihnen innewohnenden Gott empfangen und erkannt haben, sind aus dem Geiste geboren. "Ihr seid die Tempel Gottes, und der Geist Gottes wohnt in euch." Es genügt nicht, dass dieser Geist über euch ausgegossen wurde; der göttliche Geist muss jede Phase der menschlichen Erfahrung beherrschen und kontrollieren. Die Gegenwart des göttlichen Geistes, des Wassers des Lebens, ist es, was vor dem verzehrenden Durst menschlicher Unbefriedigtheit und dem unbeschreiblichen Hunger des nicht vergeistigten sterblichen Verstandes bewahrt. Durch den Geist motivierte Wesen "haben nie Durst, denn dieses geistige Wasser soll in ihnen ein Quell der Befriedigung sein, der in das ewige Leben hinaufsprudelt". Solch göttlich bewässerte Seelen sind, was die Freuden des Lebens und die Befriedigungen der menschlichen Existenz angeht, vom materiellen Umfeld fast unabhängig geworden. Sie sind geistig erleuchtet und erfrischt und sittlich gestärkt und gerüstet. In jedem Sterblichen existiert eine doppelte Anlage: das Erbe der tierischen Tendenzen und der hohe Drang der Geistbegabung. Während eures kurzen auf Urantia verbrachten Lebens können diese beiden verschiedenen und gegensätzlichen Triebe selten völlig versöhnt werden; sie können schwerlich harmonisiert und geeint werden; aber euer ganzes Leben lang wirkt der vereinigte Geist unablässig dahin, euch dabei zu unterstützen, das Fleisch mehr und mehr der Führung des Geistes zu unterwerfen. Obwohl ihr durch euer materielles Leben hindurchgehen müsst, obwohl ihr dem Körper und seinen Bedürfnissen nicht entrinnen könnt, werdet ihr doch dank euren Vorsätzen und Idealen immer fähiger, die tierische Natur der Herrschaft des Geistes zu unterwerfen. Es gibt in euch tatsächlich eine Verschwörung geistiger Kräfte, ein Bündnis göttlicher Mächte, dessen ausschließliches Ziel darin besteht, euch letztlich von den materiellen Fesseln und endlichen Behinderungen zu befreien. Das Ziel all dieser Umsorgung ist, "dass ihr durch Seinen Geist in eurem Inneren machtvoll gestärkt werden möget". Aber all das stellt nur die allerersten Schritte zum letztendlichen Erreichen der Vollkommenheit im Glauben und Dienst dar, jener Erfahrung, die euch "mit der Fülle Gottes erfüllen wird", "denn all jene, die sich vom Geiste Gottes führen lassen, sind die Söhne Gottes". Der Geist treibt nie an, er führt nur. Wenn du ein williger Lernender bist, wenn du geistige Ebenen erreichen und zu göttlichen Höhen gelangen willst, wenn du aufrichtig das ewige Ziel zu erreichen wünschest, dann wird der göttliche Geist dich sachte und liebevoll entlang dem Pfad der Sohnschaft und des geistigen Fortschritts führen. Jeder Schritt, den du tust, muss ein solcher der Bereitwilligkeit und intelligenter und fröhlicher Zusammenarbeit sein. Nie haftet der Herrschaft des Geistes Zwang an, noch wird sie durch Ausüben von Druck beeinträchtigt. Und wenn man einmal ein freies und intelligentes Ja zu einem solchen durch den Geist geführten Leben gesagt hat, entwickelt sich im menschlichen Verstand allmählich ein eindeutiges Bewusstsein göttlichen Kontaktes und die Gewissheit geistiger Verbindung; früher oder später "legt der Geist mit eurem Geist (dem Justierer) Zeugnis ab, dass ihr ein Kind Gottes geworden seid". Bereits hat euch euer eigener Gedankenjustierer von eurer Verwandtschaft mit Gott berichtet; deshalb sagt die Schrift, dass der Geist "mit eurem Geist", und nicht eurem Geist gegenüber, Zeugnis ablegt. Zum Bewusstsein der geistigen Herrschaft über ein menschliches Leben gesellt sich bald eine zunehmende Äußerung der Merkmale des Geistes in den Lebensreaktionen solch eines geistgeführten Sterblichen, "denn die Früchte des Geistes sind Liebe, Freude, Friede, Langmut, Aufmerksamkeit, Güte, Glaube, Demut und Mäßigkeit". Während solche vom Geiste geführte und göttlich erleuchtete Sterbliche immer noch auf den demütigen Pfaden mühseliger Arbeit wandeln und in menschlicher Pflichttreue die ihnen auf der Erde zugewiesenen Aufgaben erfüllen, haben sie schon begonnen, die Lichter des ewigen Lebens wahrzunehmen, die von den weit entfernten Küsten einer anderen Welt herüberflimmern; bereits haben sie begonnen, die Realität dieser inspirierenden und stärkenden Wahrheit zu begreifen: "Das Reich Gottes ist nicht Speise und Trank, sondern Rechtschaffenheit, Friede und Freude im Heiligen Geist." Und in allen Prüfungen und angesichts aller Schwierigkeiten werden geistgeborene Seelen von jener Hoffnung getragen, die alle Furcht hinter sich lässt, weil Gott seine Liebe durch die Gegenwart des göttlichen Geistes in alle Herzen ausschüttet. ***** 34.7 Der Geist und das Fleisch ***** Das Fleisch, die den Rassen tierischen Ursprungs angeborene Natur, bringt nicht natürlicherweise die Früchte des göttlichen Geistes hervor. Nachdem die sterbliche Natur durch den Beitrag der Natur der Materiellen Söhne Gottes veredelt worden ist, wie es dank Adams Hingabe bis zu einem gewissen Grade mit den Rassen Urantias geschah, ist der Weg für den Geist der Wahrheit besser geebnet, um in Zusammenarbeit mit dem innewohnenden Justierer die schöne Ernte der Charakterfrüchte des Geistes hervorzubringen. Wenn ihr diesen Geist nicht ablehnt - auch wenn es die Ewigkeit erfordern sollte, um den Auftrag auszuführen - "wird er euch in alle Wahrheit führen". Auf normalen Welten geistigen Fortschritts wohnende evolutionäre Sterbliche erleben nicht die heftigen Konflikte zwischen Geist und Fleisch, wie sie die heutigen Rassen Urantias charakterisieren. Aber auch auf den idealsten Planeten muss der voradamische Mensch ausgesprochene Anstrengungen unternehmen, um von der rein tierischen Existenzebene über sukzessive Stufen immer intellektuellerer Bedeutungen und höherer geistiger Werte aufzusteigen. Die Sterblichen einer normalen Welt erleben zwischen ihrer physischen und geistigen Natur keinen dauernden Kriegszustand. Sie sehen sich wohl vor die Notwendigkeit gestellt, sich von den tierischen Existenzebenen zu den höheren Ebenen geistigen Lebens zu erheben, aber dieser Aufstieg gleicht mehr dem Durchlaufen einer erzieherischen Übung, wenn man sie den intensiven Konflikten der Sterblichen Urantias auf diesem Gebiet der auseinanderstrebenden materiellen und geistigen Naturen entgegenhält. Die Völker Urantias leiden unter den Folgen des Ausbleibens einer doppelten Hilfe bei dieser Aufgabe fortschreitenden planetarischen geistigen Vollbringens. Die Auflehnung Caligastias stürzte die ganze Welt in Verwirrung und beraubte alle nachfolgenden Generationen des sittlichen Rückhalts, den eine wohlgeordnete Gesellschaft ihnen geboten hätte. Aber noch heilloser war das adamische Versagen, indem es den Rassen jenen höheren Typus physischer Natur vorenthielt, welcher besser auf geistige Aspirationen eingestimmt gewesen wäre. Die Sterblichen Urantias müssen zwangsläufig durch solch ausgeprägte Kämpfe zwischen Geist und Fleisch gehen, weil ihre entfernten Vorfahren durch die edenische Hingabe nicht ausgiebiger adamisiert worden sind. Der göttliche Plan hatte für die sterblichen Rassen Urantias selbstverständlicher auf den Geist ansprechende physische Naturen vorgesehen. Trotz dieses für die Natur des Menschen und seine Umgebung doppelten Verhängnisses würden die heutigen Sterblichen diesen scheinbaren Krieg zwischen Fleisch und Geist weniger heftig erleben, wenn sie in das Reich des Geistes einträten, worin die Glaubenssöhne Gottes sich einer relativen Befreiung von der Versklavung durch das Fleisch erfreuen, indem sie sich in erleuchtetem und befreiendem Dienst von ganzem Herzen der Ausführung des Willens des himmlischen Vaters hingeben. Jesus zeigte der Menschheit den neuen Weg menschlicher Lebensführung, auf dem die menschlichen Wesen den unheilvollen Folgen der Rebellion Caligastias weitgehend entrinnen und die Unzulänglichkeiten, die vom adamischen Versagen herrühren, sehr wirksam wettmachen können. "Der Geist des Lebens Jesu Christi hat uns vom Gesetz tierischen Lebens und den Versuchungen des Übels und der Sünde befreit." "Das ist der Sieg, der das Fleisch überwindet, nämlich euer Glaube." Derartige Gott kennende Männer und Frauen, die aus dem Geiste geboren sind, leiden nicht unter größeren Konflikten mit ihrer sterblichen Natur als die Bewohner der normalsten von allen Welten, solchen Planeten, die nie von Sünde befleckt worden, noch mit Rebellion in Berührung gekommen sind. Glaubenssöhne arbeiten auf intellektuellen Ebenen und bewegen sich in geistigen Bereichen, welche weit über den Konflikten liegen, die durch ungezügelte und unnatürliche physische Begierden bewirkt werden. Die normalen Triebe tierischer Wesen und die natürlichen Begierden und Impulse der physischen Natur befinden sich nicht einmal mit der höchsten geistigen Leistung im Widerstreit außer in der Vorstellung von unwissenden, falsch unterrichteten oder an einem überreizten Gewissen leidenden Personen. Wenn ihr einmal den Weg des ewigen Lebens betreten, den Auftrag angenommen und eure Befehle zum Vorwärtsgehen empfangen habt, dann fürchtet euch nicht mehr vor den Gefahren menschlicher Vergesslichkeit und Unbeständigkeit, lasst euch nicht mehr beunruhigen durch Gedanken an Schiffbruch oder durch Perplexität stiftende Verwirrung, schwankt nicht mehr und stellt eure Stellung und euren Rang nicht mehr in Frage, denn in jeder dunklen Stunde, an jedem Scheideweg eures Vorwärts-Kampfes wird stets der Geist der Wahrheit sprechen und sagen: "Dies ist der Weg." [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter, der vorübergehend auf Urantia Dienst tut.] ****** Kapitel 35 Die Lokaluniversumssöhne Gottes ****** DIE bis jetzt besprochenen Gottessöhne haben ihren Ursprung im Paradies. Sie sind die Sprosse der göttlichen Gebieter der universalen Reiche. Von der ersten Sohnesordnung des Paradieses, den Schöpfersöhnen, gibt es in Nebadon nur einen, Michael, den Vater und Souverän des Universums. Von der zweiten Sohnesordnung des Paradieses, den Avonalen oder Richtersöhnen, besitzt Nebadon seinen ganzen Anteil - 1 062. Und diese "kleineren Christe" sind genauso wirksam und allmächtig in ihren planetarischen Selbsthingaben, wie es der Schöpfer- und Meistersohn auf Urantia war. Da die dritte Ordnung trinitären Ursprungs ist, erscheint sie in den Registern eines Lokaluniversums nicht, aber ich schätze, dass es in Nebadon fünfzehn bis zwanzigtausend Lehrersöhne der Trinität gibt, ohne die 9 642 registrierten, durch Geschöpfe trinitisierten Helfer mitzuzählen. Diese Daynale des Paradieses sind weder Richter noch Verwalter; es sind Superlehrer. Die Sohnestypen, die wir jetzt betrachten, sind lokaluniversellen Ursprungs; sie sind die Sprosse eines Paradies-Schöpfersohnes in verschiedenem Zusammenwirken mit dem ihn ergänzenden Universumsmuttergeist. Folgende Sohnesordnungen des Lokaluniversums werden in dieser Beschreibung besprochen: 1. Die Melchisedek-Söhne. 2. Die Vorondadek-Söhne. 3. Die Lanonandek-Söhne. 4. Die Lebensbringer-Söhne. Die Dreieinige Paradies-Gottheit beteiligt sich an der Erschaffung von drei Sohnesordnungen: den Michaelen, den Avonalen und den Daynalen. Die Zweifache Gottheit des Lokaluniversums, der Sohn und der Geist, beteiligt sich ebenfalls an der Erschaffung von drei hohen Sohnesordnungen: den Melchisedeks, den Vorondadeks und den Lanonandeks; und nach Erfüllung dieses dreifachen Ausdrucks arbeiten sie mit der nächsten Ebene des Siebenfachen Gottes zusammen zur Erzeugung der vielseitigen Ordnung der Lebensbringer. Diese Wesen werden zu den niedersteigenden Gottessöhnen gezählt, aber sie stellen eine einmalige und originale Form universellen Lebens dar. Die ganze nächste Schrift wird ihrer Besprechung gewidmet sein. ***** 35.1 Der Melchisedek-Vater ***** Nachdem die Wesen persönlicher Hilfeleistung wie der Helle Morgenstern und andere Verwalterpersönlichkeiten gemäß dem göttlichen Ziel und den schöpferischen Plänen eines gegebenen Universums ins Dasein gerufen worden sind, kommt es zu einer neuen Art kreativer Vereinigung zwischen dem Schöpfersohn und dem Schöpferischen Geist, der lokaluniversellen Tochter des Unendlichen Geistes. Die Persönlichkeit, die dieser schöpferischen Partnerschaft entspringt, ist der ursprüngliche Melchisedek - der Melchisedek-Vater - dieses einmalige Wesen, das in der Folge mit dem Schöpfersohn und mit dem Schöpferischen Geist zusammenarbeitet, um die gesamte Gruppe dieses Namens in die Existenz zu rufen. Im Universum von Nebadon waltet der Melchisedek-Vater als erster regierender Mitarbeiter des Hellen Morgensterns. Gabriel widmet sich mehr den universellen politischen Richtlinien, Melchisedek mehr dem praktischen Vorgehen. Gabriel steht den regulär gebildeten Tribunalen und Räten Nebadons vor, Melchisedek den besonderen, außerordentlichen und in Notsituationen gebildeten Kommissionen und beratenden Körperschaften. Gabriel und der Melchisedek-Vater begeben sich nie zur selben Zeit von Salvington weg, denn in Gabriels Abwesenheit wirkt der Melchisedek-Vater als Regierungschef von Nebadon. Die Melchisedeks unseres Universums wurden alle innerhalb eines Zeitraums von eintausend Jahren Standardzeit durch den Schöpfersohn und den Schöpferischen Geist in Verbindung mit dem Melchisedek-Vater erschaffen. Als eine Sohnesordnung, in welcher einer aus ihren eigenen Reihen als beigeordneter Schöpfer wirkte, gründen die Melchisedeks zum Teil in sich selber und erfüllen deshalb die Voraussetzungen zur Verwirklichung einer himmlischen Art von Selbstregierung. Sie wählen periodisch ihr eigenes administratives Oberhaupt für eine Amtszeit von sieben Jahren Standardzeit und funktionieren im Übrigen als eine sich selbst verwaltende Ordnung, obwohl der ursprüngliche Melchisedek gewisse in der Natur seiner Mitelternschaft liegende Vorrechte ausübt. Von Zeit zu Zeit bestimmt der Melchisedek-Vater bestimmte Mitglieder seiner Ordnung dazu, auf midsoniten Welten, einem Typus von bisher auf Urantia nicht offenbarten besonderen Planeten, als besondere Lebensbringer zu wirken. Die Melchisedeks haben außerhalb der Lokaluniversen keine bedeutenden Aktivitäten, außer wenn sie aufgerufen werden, in hängigen Angelegenheiten vor den Gerichten des Superuniversums als Zeugen aufzutreten, oder wenn sie, wie es manchmal geschieht, zu Sonderbotschaftern ernannt werden, um innerhalb desselben Superuniversums ein Universum bei einem anderen zu vertreten. Der ursprüngliche oder erstgeborene Melchisedek jedes Universums hat stets die Freiheit, in Missio-nen, die die Interessen und Pflichten seiner Ordnung betreffen, in die Nachbaruniversen oder ins Paradies zu reisen. ***** 35.2 Die Melchisedek-Söhne ***** Die Melchisedeks sind die erste Ordnung von göttlichen Söhnen, die dem niedrigeren Geschöpfesleben nahe genug stehen, um unmittelbar das Amt menschlicher Förderung versehen und den evolutionären Rassen ohne die Notwendigkeit einer Inkarnation beistehen zu können. Diese Söhne befinden sich auf der großen absteigenden Persönlichkeitsleiter naturgemäß in der Mitte. Ihr Ursprung liegt ungefähr auf halbem Wege zwischen höchster Göttlichkeit und niedrigstem willensbegabtem Geschöpfesleben. Dadurch werden sie zu natürlichen Mittlern zwischen den höheren, göttlichen Ebenen lebendiger Existenz und den tieferstehenden, ja sogar materiellen Lebensformen auf den evolutionären Welten. Die seraphischen Ordnungen, die Engel, schätzen es über alles, mit den Melchisedeks zusammenzuarbeiten; in der Tat finden alle Arten intelligenten Lebens in diesen Söhnen verstehende Freunde, mitfühlende Lehrer und weise Ratgeber. Die Melchisedeks sind eine sich selbst regierende Ordnung. In dieser einzigartigen Gruppe begegnen wir der ersten Bemühung lokaluniverseller Wesen um Selbstbestimmung und beobachten wir die höchste Form wahrer Selbstregierung. Diese Söhne organisieren den eigenen Verwaltungsmechanismus für ihre Gruppe und ihren Heimatplaneten sowie für die sechs mit diesem verbundenen Sphären und deren Trabantenwelten. Und es sollte festgehalten werden, dass sie ihre Vorrechte nie missbraucht haben; im ganzen Superuniversum von Orvonton haben diese Melchise- dek-Söhne nicht ein einziges Mal das in sie gesetzte Vertrauen verraten. Sie sind die Hoffnung jeder Universumsgruppe, die nach Selbstregierung strebt; sie sind die Vorbilder und Lehrer der Selbstregierung für alle Sphären Nebadons. Alle Ordnungen intelligenter Wesen, sowohl höher-wie tieferstehende, sind einhellig des Lobes voll über die Regierung der Melchisedeks. Die Melchisedek-Sohnesordnung nimmt die Stellung des ältesten Sohnes in einer großen Familie ein und übernimmt die Verantwortung eines solchen. Der größte Teil ihres Wirkens läuft geregelt und etwas routinemäßig ab, aber vieles davon ist freiwillig und gänzlich selbstauferlegt. Die Mehrzahl der außerordentlichen Versammlungen, die von Zeit zu Zeit auf Salvington abgehalten werden, werden auf Anregung der Melchisedeks einberufen. Aus eigenem Antrieb durchschweifen diese Söhne ihr heimatliches Universum. Sie unterhalten eine autonome Organisation, die sich dem Nachrichtendienst des Universums widmet; und unabhängig von aller Information, die über die mit der laufenden Verwaltung des Reichs betrauten ordentlichen Dienststellen auf die Hauptwelt gelangt, liefern sie dem Schöpfersohn periodische Berichte. Sie sind von Natur aus vorurteilsfreie Beobachter; sie genießen das volle Vertrauen von allen Klassen intelligenter Wesen. Die Melchisedeks funktionieren als mobile und beratende Revisionsgerichte der Welten; diese Söhne des Universums suchen in kleinen Gruppen die Welten auf, um als beratende Kommissionen zu dienen, um Erklärungen einzuholen, Anregungen entgegenzunehmen, als Berater zu wirken und auf diese Weise zu helfen, größere Schwierigkeiten auszuräumen und ernste Differenzen zu schlichten, die sich von Zeit zu Zeit in den Angelegenheiten der evolutionären Bereiche einstellen. Diese ältesten Söhne eines Universums sind die hauptsächlichen Helfer des Hellen Morgensterns bei der Ausführung von Anordnungen des Schöpfersohnes. Wenn sich ein Melchisedek im Namen Gabriels auf eine entfernte Welt begibt, kann er für die Zwecke dieser besonderen Mission als Abgesandter seines Herrn auftreten und wird in diesem Fall auf dem betreffenden Planeten mit der vollen Autorität des Hellen Morgensterns erscheinen. Das gilt insbesondere für jene Sphären, auf denen noch kein höherer Sohn in Gestalt der Weltenbewohner erschienen ist. Wenn ein Schöpfersohn zu einem Leben der Selbsthingabe auf einer evolutionären Welt aufbricht, geht er allein hin; aber wenn einer seiner Paradies-Brüder, ein Avonal-Sohn, eine Selbsthingabe antritt, wird er von zwölf ihn unterstützenden Melchisedeks begleitet, die auf so wirksame Weise zum Erfolg der Mission der Selbsthingabe beitragen. Sie unterstützen die Paradies-Avonale auch bei Richtermissionen auf bewohnten Welten, und in dieser Eigenschaft sind die Melchisedeks für sterbliche Augen sichtbar, wenn auch der Avonal-Sohn sich in dieser Weise manifestiert. Es gibt keine Phase planetarischer geistiger Bedürfnisse, in die sie nicht dienend eingreifen würden. Sie sind die Lehrer, die so oft ganze Welten fortgeschrittenen Lebens für die endgültige und volle Anerkennung des Schöpfersohnes und seines Paradies-Vaters gewinnen. Die Melchisedeks sind an Weisheit nahezu vollkommen, aber sie sind in ihrem Urteil nicht unfehlbar. Allein abbeordert in planetarischer Mission, haben sie sich manchmal in geringeren Angelegenheiten geirrt, das heißt, dass sie sich für bestimmte Dinge entschieden, die ihre Vorgesetzten in der Folge nicht billigten. Ein solcher Ermessensfehler disqualifiziert einen Melchisedek vorübergehend, bis er sich nach Salvington begibt und in Audienz vom Schöpfersohn jene Weisung empfängt, die ihn wirkungsvoll von der Disharmonie reinigt, welche zu Meinungsverschiedenheiten mit seinen Gefährten geführt hatte; und am dritten darauf folgenden Tag, nach einer Besserungspause, wird er wieder in den Dienst eingesetzt. Aber solch unbedeutendere Fehlanpassungen im Wirken der Melchisedeks haben sich in Nebadon nur selten ereignet. Diese Söhne sind keine wachsende Ordnung; ihre Zahl, obgleich von Lokaluniversum zu Lokaluniversum verschieden, bleibt unverändert. Die Zahl der auf ihrem Hauptplaneten in Nebadon registrierten Melchisedeks beträgt mehr als zehn Millionen. ***** 35.3 Die Melchisedek-Welten ***** Die Melchisedeks bewohnen ihre eigene Welt nahe bei Salvington, dem Universumshauptsitz. Diese Melchisedek genannte Sphäre ist die Pilotwelt des Salvingtonkreises von siebzig primären Sphären, von denen jede von sechs Trabantensphären umringt wird, welche spe-zialisierten Aktivitäten vorbehalten sind. Von diesen wunderbaren Sphären - siebzig primären und 420 Trabanten - spricht man oft als von der Melchisedek-Universität. Die aufsteigenden Sterblichen aus allen Konstellationen Nebadons werden auf allen 490 Welten ausgebildet, um den Residenzstatus auf Salvington zu erlangen. Aber die Erziehung der Aufsteiger ist nur eine von den mannigfaltigen Aktivitäten, die auf der Ansammlung architektonischer Sphären Salvingtons ausgeübt werden. Die 490 Sphären des Salvingtonkreises sind in zehn Gruppen aufgeteilt, von denen jede sieben primäre und zweiundvierzig Trabantensphären zählt. Jede dieser Gruppen steht unter der allgemeinen Aufsicht von einer der Hauptordnungen des Universumslebens. Die erste Gruppe mit der Pilotwelt und den nächstfolgenden sechs primären Sphären in der kreisförmigen Planetenprozession steht unter der Leitung der Melchisedeks. Diese Melchisedekwelten sind: 1. Die Pilotwelt - die Heimatwelt der Melchisedek-Söhne. 2. Die Welt der Schulen physischen Lebens und der Laboratorien lebender Energien. 3. Die Welt morontiellen Lebens. 4. Die Sphäre anfänglichen geistigen Lebens. 5. Die Welt halbgeistigen Lebens. 6. Die Sphäre progressiven geistigen Lebens. 7. Die Domäne koordinierter und höchster Selbstverwirklichung. Auf den sechs Trabantenwelten jeder dieser Melchisedeksphären geht man Tätigkeiten nach, die mit der zugehörigen primären Sphäre verwandt sind. Die Pilotwelt, die Sphäre Melchisedek, ist der gemeinsame Begegnungsort für alle Wesen, die sich mit der Erziehung und Vergeistigung der aufsteigenden Sterblichen von Zeit und Raum befassen. Für einen Aufsteiger ist diese Welt wahrscheinlich der interessanteste Ort in ganz Nebadon. Allen evolutionären Sterblichen, die ihre Ausbildung in der Konstellation abgeschlossen haben, ist bestimmt, auf Melchisedek zu landen, wo sie in die herrschende Ordnung der Wissenszweige und der geistigen Progression des Erziehungssystems Salvingtons eingeführt werden. Und nie werdet ihr eure Reaktionen auf den ersten Tag vergessen, den ihr auf dieser einzigartigen Welt verlebt habt, nicht einmal nach Erreichen eurer Bestimmung im Paradies. Die aufsteigenden Sterblichen behalten ihren Wohnsitz auf der Melchisedekwelt bei, während sie ihre Schulung auf den sechs im Kreis angeordneten Planeten spezialisierter Erziehung fortsetzen. Und dieselbe Methode befolgen sie während ihres ganzen Aufenthaltes auf den siebzig kulturellen Welten, den primären Sphären des Salvingtonkreises. Viele verschiedene Aktivitäten füllen die Zeit der zahlreichen Wesen aus, die auf den sechs Trabantenwelten der Melchisedek-Sphäre wohnen, aber was die aufsteigenden Sterblichen anbelangt, widmen sie sich auf diesen Satelliten den folgenden Studiumsphasen: 1. Auf Sphäre Nummer eins beschäftigt man sich mit der Rückschau auf das anfängliche planetarische Leben der aufsteigenden Sterblichen. Dieser Arbeit geht man in Klassen nach, deren Mitglieder derselben Ursprungswelt entstammen. Die aus Urantia Gebürtigen widmen sich diesem erfahrungsmäßigen Rückblick gemeinsam. 2. Die besondere Aufgabe der Sphäre Nummer zwei besteht in einer entsprechenden Aufarbeitung der Erfahrungen, durch die man auf den Residenzwelten gegangen ist, welche den ersten Satelliten der Hauptwelt des Lokalsystems umringen. 3. Der Rückblick dieser Sphäre befasst sich mit dem Aufenthalt auf der Kapitale des Lokalsystems und schließt auch die Aktivitäten auf den übrigen um die Systemhauptwelt gruppierten architektonischen Welten ein. 4. Auf der vierten Sphäre hält man Rückschau auf die Erfahrungen auf den siebzig Trabantenwelten der Konstellation und auf den mit ihnen verbundenen Sphären. 5. Auf der fünften Sphäre werden die Erinnerungen an den aufsteigenden Aufenthalt auf der Hauptwelt der Konstellation verarbeitet. 6. Die Zeit auf Sphäre Nummer sechs wird mit dem Versuch verbracht, diese fünf Epochen zueinander in Beziehung zu setzen und dadurch in Vorbereitung auf den Eintritt in die Melchisedek-Grundschulen universeller Ausbildung zu einer Koordinierung der Erfahrungen zu gelangen. Die Schulen für Universumsverwaltung und geistige Weisheit befinden sich auf der Heimatwelt der Melchisedeks, wo man auch die Schulen findet, die nur eine einzige Forschungsrichtung betreiben wie Energie, Materie, Organisation, Kommunikation, Archivierung, Ethik und vergleichende Geschöpfesexistenz. An der Melchisedek-Lehrstätte für Geistiges Talent kooperieren alle Ordnungen - sogar die Paradies-Ordnungen - der Söhne Gottes mit den seraphischen und Melchisedek-Lehrern bei der Ausbildung der Heerscharen, die als gute Herolde der Bestimmung ausziehen, um auch den abgelegenen Welten des Universums geistige Freiheit und göttliche Sohnschaft zu verkünden. Diese besondere Schule der Melchisedek-Universität ist eine exklusive Institution des Universums; studierende Besucher aus anderen Reichen sind in ihr nicht zugelassen. Der höchste Lehrgang in Universumsverwaltung wird von den Melchisedeks auf ihrer Heimatwelt gegeben. Dieser Akademie der Hohen Ethik steht der ursprüngliche Melchisedek-Vater vor. Es sind diese Schulen, wohin die verschiedenen Universen ihre Austauschstudenten senden. Obwohl das junge Universum von Nebadon auf der Stufenleiter der Universen hinsichtlich geistiger Vollendung und hoher ethischer Entwicklung nur einen niedrigen Platz einnimmt, haben nichtsdestoweniger unsere administrativen Wirren das ganze Universum für andere benachbarte Schöpfungen in eine derartige kolossale Klinik verwandelt, dass die Lehranstalten der Melchisedeks mit studierenden Besuchern und Beobachtern aus anderen Reichen überfüllt sind. Nebst der riesigen Gruppe lokaler Eingeschriebener werden die Melchisedek-Schulen stets von über hunderttausend fremden Studenten besucht, denn die Ordnung der Melchisedeks von Nebadon genießt in ganz Splandon einen hervorragenden Ruf. ***** 35.4 Besonderes Wirken der Melchisedeks ***** Ein hochspezialisierter Zweig der Melchisedekaktivitäten befasst sich mit der Überwachung der fortschreitenden morontiellen Laufbahn der aufsteigenden Sterblichen. Deren Schulung wird zwar zu einem großen Teil durch die geduldigen und weisen seraphischen Lehrmeister gewährleistet, welchen Sterbliche zur Seite stehen, die zu vergleichsweise höheren Ebenen universeller Vollendung aufgestiegen sind; aber dieses ganze Erziehungswerk untersteht der allgemeinen Leitung der Melchisedeks in Zusammenarbeit mit den Lehrersöhnen der Trinität. Obwohl sich die Ordnungen der Melchisedeks hauptsächlich dem ausgedehnten Erziehungssystem des Lokaluniversums und der erfahrungsmäßigen Ausbildung widmen, führen sie auch einmalige Aufträge aus und handeln in außergewöhnlichen Situationen. In einem in Entwicklung begriffenen Universum, das schließlich an die zehn Millionen bewohnte Planeten umfassen wird, geschehen notwendigerweise viele Dinge, die den gewöhnlichen Rahmen sprengen, und gerade in solchen Notfällen greifen die Melchisedeks ein. Auf Edentia, dem Hauptsitz eurer Konstellation, nennt man sie Nothelfersöhne. Sie sind stets bereit, in allen dringlichen Lagen - ob physischen, intellektuellen oder geistigen - zu dienen - sei es auf einem Planeten, in einem System, in einer Konstellation oder im Universum. Wann und wo immer besondere Hilfe benötigt wird, wird man einen oder mehrere Melchisedek-Söhne antreffen. Wenn der Plan des Schöpfersohnes in irgendeinem seiner Aspekte zu scheitern droht, eilt ein Melchisedek unverzüglich zu Hilfe. Aber angesichts einer sündigen Auflehnung wie derjenigen von Satania werden die Melchisedeks nicht oft zum Eingreifen aufgefordert. Die Melchisedeks sind die ersten, die in allen wie immer gearteten Notsituationen auf allen von Willensgeschöpfen bewohnten Welten handeln. Sie wirken manchmal als zeitweilige Verwalter auf widerspenstigen Planeten, wo sie für eine abgeirrte planetarische Regierung Treuhänderfunktion ausüben. In einer planetarischen Krise dienen die Melchisedek-Söhne in manch einzigartiger Eigenschaft. Es ist einem solchen Sohn leicht möglich, sich sterblichen Wesen sichtbar zu machen, und manchmal hat sich ein Vertreter dieser Ordnung sogar in Menschengestalt inkarniert. Siebenmal hat in Nebadon ein Melchisedek auf einer evolutionären Welt in Menschengestalt gedient, und bei zahlreichen Gelegenheiten sind diese Söhne in Gestalt anderer Ordnungen von Universumsgeschöpfen aufgetreten. Sie sind in der Tat die vielseitigen und freiwilligen Nothelfer aller Ordnungen von Universumsintelligenzen und aller Welten und Weltensysteme. Den Melchisedek, der zu Abrahams Zeiten auf Urantia lebte, kannte man lokal als den Fürsten von Salem, weil er einer kleinen Kolonie von Wahrheitssuchern vorstand, die an einem Salem genannten Ort wohnte. Er meldete sich freiwillig zur Inkarnation in Menschengestalt und tat es im Einvernehmen mit den Melchisedek-Treuhändern des Planeten, die befürchteten, das Licht des Lebens könnte in jener Zeit wachsender geistiger Finsternis verlöschen. Und tatsächlich stärkte er in jenen Tagen die Wahrheit und gab sie sicher an Abraham und dessen Weggefährten weiter. ***** 35.5 Die Vorondadek-Söhne ***** Nach der Erschaffung der persönlichen Helfer und der ersten Gruppe der vielseitig begabten Melchisedeks planten der Schöpfersohn und der Schöpferische Geist des Lokaluniversums die zweite große, andersartige Ordnung von Universumssöhnen, die Vorondadeks, und riefen sie ins Dasein. Man kennt sie allgemeiner als Väter der Konstellationen, weil in jedem Lokaluniversum an der Spitze jeder Konstellationsregierung ein Sohn dieser Ordnung steht. Die Zahl der Vorondadeks ist von einem Lokaluniversum zum anderen verschieden. Ihre in Nebadon registrierte Zahl beläuft sich genau auf eine Million. Diese Söhne besitzen kein Zeugungsvermögen, ebenso wenig wie ihre Beigeordneten, die Melchisedeks. Es ist keine Methode bekannt, wodurch sich ihre Zahl erhöhen ließe. In vieler Hinsicht sind diese Söhne eine sich selbst regierende Körperschaft; als Einzelne und als Gruppen, ja sogar als Ganzes, besitzen sie wie die Melchisedeks weitgehende Selbstbestimmung, aber ihre Aktivitäten sind nicht ebenso breit gefächert. Sie stehen ihren Melchisedek-Brüdern an glänzender vielseitiger Begabung nach, aber als Herrscher und weit blickende Verwalter sind sie sogar noch verlässlicher und wirksamer. Ebenso wenig sind sie in administrativer Hinsicht ihren Untergebenen, den Lanonandek-Souveränen der Systeme, ganz ebenbürtig, aber sie übertreffen alle Sohnesordnungen des Universums an unerschütterlicher Zielgerichtetheit und Göttlichkeit des Urteils. Obwohl die Entscheidungen und Dekrete der Söhne dieser Ordnung sich immer in Übereinstimmung mit dem Geist göttlicher Sohnschaft und in Harmonie mit den Richtlinien des Schöpfersohnes befinden, sind sie wegen Irrtümern schon vor den Schöpfersohn gerufen worden, und in technischen Einzelheiten sind ihre Entscheide nach Anrufung der höheren Universumstribunale manchmal umgestoßen worden. Aber diese Söhne irren sich nur selten, und sie haben sich nie aufgelehnt; nie in der ganzen Geschichte von Nebadon hat es einen Vorondadek gegeben, der die Regierung des Universums missachtet hätte. Der Dienst der Vorondadeks in den Lokaluniversen ist sehr umfassend und vielgestaltig. Sie dienen als Botschafter bei anderen Universen und als Konsuln, die innerhalb ihres Heimatuniversums Konstellationen repräsentieren. Von allen Sohnesordnungen eines Lokaluniversums werden sie am häufigsten damit betraut, in kritischen Universumssituationen die volle souveräne Autorität zu übernehmen und auszuüben. Auf abgeschnittenen und in geistiger Finsternis lebenden Welten, auf Sphären, über die infolge offener Auflehnung und Pflichtverletzung eine planetarische Isolation verhängt wurde, ist gewöhnlich bis zur Wiederherstellung des Normalzustandes ein Vorondadek-Beobachter anwesend. In bestimmten Notsituationen könnte dieser Allerhöchste Beobachter über jedes diesem Planeten zugewiesene himmlische Wesen absolute und eigenmächtige Autorität ausüben. Die Archive Salvingtons berichten, dass die Vorondadeks manchmal als Allerhöchste Regenten solcher Planeten eine derartige Autorität ausgeübt haben, und das sogar auch auf bewohnten, von Rebellion unberührten Welten. Oft tagt ein Korps von zwölf oder mehr Vorondadek-Söhnen als hoher Revisions-und Berufungsgerichtshof in besonderen Fällen, in denen es um den Status eines Planeten oder eines Systems geht. Aber ihr Wirken besteht viel eher in gesetzgeberischen Tätigkeiten, die mit der Regierung der Konstellationen einhergehen. All ihre Dienste hatten zur Folge, dass die Vorondadek-Söhne zu den Historikern der Lokaluniversen wurden; sie sind mit allen politischen Kämpfen und sozialen Aufständen der bewohnten Welten persönlich vertraut. ***** 35.6 Die Väter der Konstellation ***** Mindestens drei Vorondadeks werden zu Herrschern über jede der einhundert Konstellationen eines Lokaluniversums ernannt. Diese Söhne werden vom Schöpfersohn ausgewählt und erhalten von Gabriel den Auftrag, als Allerhöchste der Konstellationen während eines Deka-Millenniums zu dienen - das sind 10 000 Standardjahre oder rund 50 000 Jahre urantianischer Zeit. Dem regierenden Allerhöchsten, dem Vater der Konstellation, stehen zwei Partner zur Seite, ein Senior und ein Junior. Bei jedem Verwaltungswechsel wird der Seniorpartner Regierungsoberhaupt und übernimmt der Junior die Pflichten des Seniors, während die auf den Welten Salvingtons residierenden, unbeauftragten Vorondadeks einen aus ihren Reihen als möglichen Kandidaten für die Übernahme der Verantwortlichkeiten des Juniorpartners bezeichnen. Auf diese Weise verbringt in Befolgung der gegenwärtigen Ordnung jeder der Allerhöchsten Herrscher am Hauptsitz einer Konstellation eine Dienstperiode von drei Deka-Millennien, was ungefähr 150 000 Jahren Urantias entspricht. Die hundert Väter der Konstellationen, die gegenwärtigen Vorsteher der Konstellationsregierungen, bilden den höchsten Beraterkreis des Schöpfersohnes. Dieser Rat tagt häufig auf der Hauptwelt des Universums, und unbegrenzt sind die von ihm behandelten Gebiete, aber seine Hauptsorge gilt dem Wohlergehen der Konstellationen und der Einigung der Verwaltung des ganzen Lokaluniversums. Wenn ein Vater der Konstellation arbeitsmäßig am Hauptsitz des Universums weilt, was oft geschieht, wird sein Seniorpartner amtierender Leiter der Konstellationsgeschäfte. Die normale Funktion des Seniorpartners ist die Überwachung der geistigen Angelegenheiten, während der Juniorpartner sich persönlich um die physische Wohlfahrt der Konstellation kümmert. Indessen wird in einer Konstellation nie eine bedeutendere politische Entschließung ausgeführt, solange nicht alle drei Allerhöchsten in allen Einzelheiten ihrer Anwendung Einigkeit erzielt haben. Den Allerhöchsten steht der gesamte Mechanismus geistiger Nachrichten- und Kommunikationskanäle der Konstellation zur Verfügung. Sie stehen in vollkommener Verbindung mit ihren Vorgesetzten auf Salvington und mit ihren direkten Untergebenen, den Souveränen der Lokalsysteme. Sie versammeln sich oft mit diesen Systemsouveränen zu Beratungen über den Zustand der Konstellation. Die Allerhöchsten umgeben sich mit einem Beraterstab, dessen Zahl und Zusammensetzung sich von Zeit zu Zeit ändern je nach der Gegenwart der verschiedenen Gruppen am Hauptsitz der Konstellation und je nach den wechselnden lokalen Bedürfnissen. In besonders angespannten Zeiten können sie um zusätzliche Söhne der Vorondadekordnung zur Hilfe bei der administrativen Arbeit nachsuchen, und diese werden ihnen sogleich gewährt. Norlatiadek, eure eigene Konstellation, wird gegenwärtig von zwölf Vorondadek-Söhnen verwaltet. ***** 35.7 Die Vorondadek-Welten ***** Die zweite Gruppe von sieben Welten im Kreis der siebzig Salvington umringenden primären Sphären umfasst die Vorondadek-Planeten. Jede dieser Sphären mit ihren sechs sie umringenden Satelliten ist einer besonderen Phase von Vorondadek-Aktivitäten gewidmet. Auf diesen neunundvierzig Welten erreichen die aufsteigenden Sterblichen den Gipfel ihrer Ausbildung in Universumsgesetzgebung. Die aufsteigenden Sterblichen haben auf den Hauptwelten der Konstellationen das Funktionieren der gesetzgebenden Versammlungen beobachtet, aber hier auf diesen Vorondadek-Welten beteiligen sie sich unter der Vormundschaft der Vorondadek-Senioren an den Erlassen der tatsächlichen allgemeinen Gesetzgebung des Lokaluniversums. Aufgabe solcher Erlasse ist es, die verschiedenen Entscheidungen der autonomen legislativen Versammlungen von einhundert Konstellationen zu koordinieren. Die in den Vorondadek-Schulen gebotene Ausbildung wird nicht einmal auf Uversa übertroffen. Diese Schulung ist fortschreitend; ausgehend von der ersten Sphäre - mit zusätzlichen Aufgaben auf deren sechs Satelliten - setzt sie sich auf den restlichen sechs primären Sphären und den mit diesen verbundenen Satellitengruppen fort. Die aufsteigenden Pilger werden auf diesen Welten des Studiums und der praktischen Arbeiten in zahlreiche neue Aktivitäten eingeführt. Der Versuch, diese neuen, von euch auch nicht im Traum erahnten Beschäftigungen offen zu legen, ist uns nicht verwehrt, aber wir verzweifeln an unserer Fähigkeit, dem materiellen Verstand sterblicher Wesen eine Vorstellung von diesen Unternehmungen zu geben. Wir verfügen über keine Worte, um die Bedeutungen dieser himmlischen Aktivitäten zu vermitteln, und es gibt keine vergleichbaren menschlichen Beschäftigungen, die herangezogen werden könnten, um diese neuen Aktivitäten der aufsteigenden Sterblichen während ihres Studiengangs auf den neunundvierzig Welten zu schildern. Und noch viele andere Tätigkeiten, die nicht zum aufsteigenden Plan gehören, sind auf diesen Vorondadek-Welten des Salvingtonkreises konzentriert. ***** 35.8 Die Lanonandek-Söhne ***** Nach der Erschaffung der Vorondadeks vereinigen sich der Schöpfersohn und der Muttergeist des Universums, um die dritte Sohnesordnung des Universums, die Lanondadeks, ins Dasein zu rufen. Obwohl diese sich im Zusammenhang mit der Verwaltung der Systeme verschiedenen Aufgaben widmen, kennt man sie am besten als Systemsouveräne, als Herrscher der Lokalsysteme, und als Planetarische Fürsten, als Verwaltungschefs der bewohnten Welten. Da diese Wesen, was göttliche Ebenen anbelangt, einer späteren und tieferstehenden Schöpfung von Sohnesordnung angehören, mussten sie auf den Melchisedek-Welten in Vorbereitung auf ihren späteren Dienst bestimmte Ausbildungsgänge durchlaufen. Sie waren die ersten Studierenden an der Melchisedek-Universität, und sie wurden von ihren Melchisedek-Lehrern und - Examinatoren gemäß ihren Fähigkeiten, ihrer Persönlichkeit und erbrachten Leistung klassifiziert und beglaubigt. Das Universum von Nebadon begann seine Existenz mit genau zwölf Millionen Lanonandeks, und nachdem diese durch die Melchisedek-Sphäre gegangen waren, wurden sie bei Schlusstests in drei Klassen eingeteilt: 1. Primäre Lanonandeks. Von den Ranghöchsten gab es deren 709 841. Das sind die Söhne, die zu Systemsouveränen, zu Mitarbeitern in den höchsten Räten der Konstellationen und zu Beratern in der höheren Verwaltungsarbeit des Universums ausersehen sind. 2. Sekundäre Lanonandeks. Als diese Ordnung aus der Sphäre Melchisedek hervorging, zählte sie 10 234 601 Mitglieder. Sie werden zu Planetarischen Fürsten bestimmt oder den Reserven dieser Ordnung zugeteilt. 3. Tertiäre Lanonandeks. Diese Gruppe umfasste 1 055 558 Angehörige. Diese Söhne wirken als untergeordnete Mitarbeiter, Botschafter, Verwahrer, Beauftragte, Beobachter und versehen die mannigfaltigen Dienste eines Systems und der es bildenden Welten. Diesen Söhnen ist es nicht wie evolutionären Wesen möglich, sich von einer Gruppe zur nächsten fortzuentwickeln. Wenn sie nach ihrer Ausbildung durch die Melchisedeks einmal geprüft und eingeteilt worden sind, dienen sie fortwährend auf der ihnen zugewiesenen Stufe. Auch können sich diese Söhne nicht vermehren; ihre Zahl im Universum bleibt unverändert. In runden Zahlen ist die Sohnesordnung der Lanonandeks auf Salvington wie folgt eingeteilt: Universumskoordinatoren und Konstellationsratgeber . . . 100 000 Systemsouveräne und -mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . 600 000 Planetarische Fürsten und Reserven . . . . . . . . . . . . 10 000 000 Botschafterkorps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 000 Verwahrer und Archivare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 000 Reservekorps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800 000 Da die Lanonandeks einer etwas niedrigeren Sohnesordnung angehören als die Melchisedeks und Vorondadeks, leisten sie in den untergeordneten Universumseinheiten noch größere Dienste, weil sie fähig sind, näher an die tieferstehenden Geschöpfe der intelligenten Rassen heranzutreten. Sie stehen aber auch in größerer Gefahr, vom Weg abzuirren, sich von der vertretbaren Technik der Universumsregierung zu entfernen. Aber diese Lanonandeks, und insbesondere ihre erste Ordnung, sind die fähigsten und vielseitigsten aller Administratoren eines Lokaluniversums. An Regierungsgewandtheit werden sie einzig durch Gabriel und dessen nicht offenbarte Mitarbeiter übertroffen. ***** 35.9 Die Lanonandek-Herrscher ***** Die Lanonandeks sind die ständigen Gebieter der Planeten und die turnusmäßigen Souveräne der Systeme. Ein solcher Sohn regiert jetzt auf Jerusem, dem Hauptsitz eures Lokalsystems bewohnter Welten. Die Systemsouveräne regieren in Zweier- oder Dreierkommissionen auf der Hauptwelt jedes Systems bewohnter Planeten. Der Vater der Konstellation ernennt alle tausend Jahre einen dieser Lanonandeks zum Regierungsoberhaupt. Manchmal wird an der Spitze des Trios keine Veränderung vorgenommen - die Sache liegt ganz im freien Ermessen der Herrscher der Konstellation. Das Personal der Systemregierungen wird nicht plötzlich ausgewechselt, außer es ereigne sich irgendeine Tragödie. Wenn Systemsouveräne oder -mitarbeiter zurückgerufen werden, wählt der am Konstellationshauptsitz befindliche höchste Rat zur Neubesetzung ihrer Stellen Nachfolger aus den Reserven der Ordnung aus, einer Gruppe, die auf Edentia über dem angegebenen Durchschnitt liegt. Die höchsten Lanonandek-Räte befinden sich auf den verschiedenen Konstellationshauptwelten. Einen solchen Körper präsidiert der Allerhöchste Seniorpartner des Vaters der Konstellation, während der Juniorpartner die Leitung der Reserven der sekundären Ordnung innehat. Die Systemsouveräne tragen ihren Namen zu Recht; sie sind in den lokalen Angelegenheiten der bewohnten Welten nahezu souverän. Sie sind fast väterlich in ihrer Leitung der Planetarischen Fürsten, Materiellen Söhne und dienenden Geiste. Die persönliche Einflussnahme des Souveräns ist beinahe vollständig. Diese Herrscher werden durch keine Beobachter der Trinität aus dem Zentraluniversum überwacht. Sie sind die ausführende Abteilung des Lokaluniversums, und als Garanten der Durchsetzung gesetzlicher Erlasse und als Verantwortliche für die Anwendung von Gerichtsurteilen nehmen sie in der gesamten Universumsadministration gerade jenen Platz ein, wo persönliche Untreue gegenüber dem Willen des Michael-Sohnes sich am leichtesten einnisten und zu behaupten versuchen kann. Unser Lokaluniversum hatte das Unglück, dass sich mehr als siebenhundert Söhne der Lanonandek-Ordnung gegen die Universumsregierung auflehnten und dadurch in mehreren Systemen und auf zahlreichen Planeten große Verwirrung stifteten. Unter all diesen Abtrünnigen befanden sich nur drei Systemsouveräne; sozusagen all diese Söhne gehörten zu der zweiten und dritten Ordnung, zu den Planetarischen Fürsten und tertiären Lanonandeks. Die große Zahl von Söhnen, die den Weg der Integrität verließen, ist kein Hinweis auf irgendeinen Schöpfungsfehler. Sie hätten göttlich vollkommen gemacht werden können, aber sie wurden so erschaffen, dass sie die auf den Welten von Zeit und Raum wohnenden evolutionären Wesen besser verstehen und ihnen nahe sein können. Von Henselon abgesehen, hat unser Universum von allen Lokaluniversen Orvontons die meisten Söhne dieser Ordnung verloren. Auf Uversa ist man einhellig der Meinung, dass wir in Nebadon deshalb so viele Verwaltungsschwierigkeiten gehabt haben, weil unsere Söhne der Lanonandek-Ordnung mit einem derart hohen Grad an persönlicher Freiheit zum Wählen und Planen erschaffen wurden. Ich mache diese Bemerkung nicht in kritischer Absicht. Der Schöpfer unseres Universums hat alle Autorität und Macht, auf diese Weise zu handeln. Unsere hohen Lenker sind der Ansicht, dass diese frei wählenden Söhne wohl in den früheren Universumszeitaltern übermäßige Verwirrung stiften können, dass aber, wenn sich die Dinge einmal völlig geklärt und beruhigt haben, die hinzugewonnene höhere Treue dieser gründlich geprüften Söhne und ihr stärkerem Wollen entspringendes Dienen die Wirrnis und Drangsal früherer Zeiten weit mehr als nur aufwiegen. Im Falle einer Rebellion auf einer Systemhauptwelt wird gewöhnlich in relativ kurzer Zeit ein neuer Souverän eingesetzt, nicht aber auf den einzelnen Planeten. Sie sind die Einheiten, die die materielle Schöpfung aufbauen, und der freie Wille der Geschöpfe ist ein Faktor bei der schließlichen Urteilsfällung in allen derartigen Angelegenheiten. Für isolierte Welten, Planeten, deren die Autorität innehabende Fürsten auf Abwege geraten sind, werden Planetarische Nachfolgerfürsten ernannt, aber diese nehmen die Regierung solcher Welten nicht aktiv in die Hand, solange die Folgen der Erhebung nicht teilweise überwunden und durch die von den Melchisedeks und anderen dienenden Persönlichkeiten gewählten Abwehrmaßnahmen ausgeräumt worden sind. Die Rebellion eines Planetarischen Fürsten hat die sofortige Isolierung seines Planeten zur Folge; die lokalen geistigen Kreisläufe werden augenblicklich unterbrochen. Nur ein Sohn der Selbsthingabe kann die interplanetarischen Kommunikationslinien auf solch geistig isolierten Welten wiederherstellen. Es gibt einen Plan zur Rettung dieser widerspenstigen und unweisen Söhne, und viele von ihnen haben von diesem barmherzigen Angebot Gebrauch gemacht; aber nie wieder werden sie in Stellungen wie jenen wirken dürfen, in dehnen sie sich verfehlt haben. Nach ihrer Rehabilitierung werden ihnen Verwahreraufgaben oder Funktionen in den Abteilungen für physische Verwaltung zugewiesen. ***** 35.10 Die Lanonandek-Welten ***** Die dritte Gruppe von sieben Welten mit ihren zugeordneten zweiundvierzig Satelliten im siebzig Planeten umfassenden Salvington-Kreis bildet die Ansammlung administrativer Sphären der Lanonandeks. Auf diesen Welten wirkt das Korps ehemaliger Systemsouveräne als administrative Lehrer der aufsteigenden Pilger und der seraphischen Heerscharen. Die evolutionären Sterblichen beobachten auf den Systemkapitalen die Verwalter des Systems an der Arbeit, aber hier beteiligen sie sich an der tatsächlichen Koordinierung der administrativen Entscheidungen von zehntausend Lokalsystemen. Diese administrativen Schulen des Lokaluniversums werden durch ein Korps von Lanonandek-Söhnen geleitet, die als Systemsouveräne und Konstellationsberater eine lange Erfahrung hinter sich haben. Diese Exekutivanstalten werden nur noch durch die Verwaltungsschulen von Ensa übertroffen. Die Lanonandek-Welten dienen einerseits als Schulungssphären für die aufsteigenden Sterblichen, andererseits sind sie Zentren für weitausgreifende Unternehmungen im Zusammenhang mit den normalen und routinemäßigen administrativen Operationen des Universums. Während ihres ganzen Weges zum Paradies setzen die aufsteigenden Pilger ihre Studien an den praktischen Schulen für angewandtes Wissen fort, indem sie sich darin üben, die Dinge, die man sie lehrt, auch wirklich selber zu tun. Das unter der Schirmherrschaft der Melchisedeks stehende Erziehungssystem des Universums ist praktisch, fortschreitend, bedeutungsvoll und erfahrungsmäßig. Es umfasst die Ausbildung in materiellen, intellektuellen, morontiellen und geistigen Dingen. Gerade in Verbindung mit diesen Verwaltungssphären der Lanonandeks dienen die meisten der erretteten Söhne der Ordnung als Verwahrer und Leiter planetarischer Angelegenheiten. Und diese entgleisten Planetarischen Fürsten und ihre rebellischen Mitläufer, die sich zur Annahme der ihnen angebotenen Rehabilitierung entschlossen haben, werden in dieser routinemäßigen Eigenschaft mindestens so lange weiterdienen, bis das Universum von Nebadon im Licht und Leben verankert ist. Hingegen können viele Lanonandek-Söhne der älteren Systeme auf wundervoll gelebte Leben des Dienens, der Verwaltungsarbeit und geistiger Vollbringung zurückblicken. Sie sind eine edle, treue und ergebene Gruppe trotz ihrer Neigung, sich durch Trugbilder von persönlicher Freiheit und durch falsche Vorstellungen von Selbstbestimmung in die Irre führen zu lassen. [Dargeboten vom Haupt der Erzengel, das unter der Autorität Gabriels von Salvington handelt.] ****** Kapitel 36 Die Lebensbringer ****** DAS Leben entsteht nicht spontan. Das Leben wird nach Plänen konstruiert, die von den (nicht offenbarten) Architekten des Seins ersonnen werden, und erscheint auf den bewohnten Planeten entweder durch direkten Import oder als Ergebnis der Operationen der lokaluniversellen Lebensbringer. Diese Lebensbringer zählen zu den interessantesten und vielseitigsten der so unterschiedlichen Familie von Universumssöhnen. Sie sind damit betraut, das Leben der Geschöpfe zu entwerfen und auf die planetarischen Sphären zu bringen. Und nachdem sie auf diesen neuen Welten das Leben angesiedelt haben, bleiben sie dort während langer Zeitperioden, um seine Entwicklung zu fördern. ***** 36.1 Ursprung und Natur der Lebensbringer ***** Obwohl die Lebensbringer zur Familie göttlicher Söhne gehören, stellen sie einen besonderen und eigenen Typus von Universumssöhnen dar, da sie in einem Lokaluniversum die einzige Gruppe intelligenten Lebens sind, an deren Erschaffung sich die Lenker des Superuniversums beteiligen. Die Lebensbringer sind die Sprosse dreier vorausexistierender Persönlichkeiten: des Schöpfersohnes, des Muttergeistes des Universums und, je nach Bestimmung, eines der drei Ältesten der Tage, welche die Geschicke des betreffenden Superuniversums leiten. Dieselben Ältesten der Tage, die allein die Auslöschung intelligenten Lebens verfügen können, beteiligen sich auch an der Erschaffung der Lebensbringer, die den Auftrag haben, das physische Leben auf den sich entwickelnden Welten anzusiedeln. Die Register des Universums von Nebadon vermelden die Erschaffung von hundert Millionen Lebensbringern. Dieses wirksame Korps von Lebenssäern ist nicht wirklich eine sich selbst regierende Gruppe. Sie werden von dem Trio der Lebensbestimmung geleitet, das aus Gabriel, dem Melchisedek-Vater und Nambia, dem ursprünglichen, erstgeborenen Lebensbringer von Nebadon besteht. Aber in allen Phasen ihrer Abteilungsverwaltung regieren sie sich selber. Die Lebensbringer werden in drei große Abteilungen eingeteilt: Die erste Abteilung ist diejenige der Senior-Lebensbringer, die zweite die der Assistenten und die dritte die der Bewahrer. Die primäre Abteilung weist zwölf Untergruppen von Spezialisten für die verschiedenen Manifestationsweisen des Lebens auf. Die Abgrenzung dieser drei Abteilungen wurde durch die Melchisedeks vorgenommen, die zu diesem Zweck auf der Hauptwelt der Lebensbringer Tests durchführten. Seither sind die Melchisedeks immer eng mit den Lebensbringern verbunden, und sie begleiten sie immer, wenn sie ausziehen, um auf einem neuen Planeten das Leben anzusiedeln. Wenn ein evolutionärer Planet schließlich im Licht und Leben verankert ist, organisieren sich die Lebensbringer neu in beratenden Körpern mit empfehlenden Eigenschaften, um weiterhin Verwaltung und Entwicklung der Welt und ihrer verherrlichten Wesen helfend zu begleiten. In den späteren stabilen Zeitaltern eines sich entwickelnden Universums werden die Lebensbringer mit vielen neuen Aufgaben betraut. ***** 36.2 Die Lebensbringer-Welten ***** Die Melchisedeks üben die allgemeine Aufsicht über die vierte Gruppe von sieben primären Sphären des Salvingtonkreises aus. Diese Welten der Lebensbringer bezeichnet man wie folgt: 1. Die Lebensbringer-Hauptwelt. 2. Die Sphäre der Lebensplanung. 3. Die Sphäre der Lebenserhaltung. 4. Die Sphäre der Lebensentwicklung. 5. Die Sphäre des mit Verstand verbundenen Lebens. 6. Die Sphäre von Verstand und Geist in den Lebewesen. 7. Die Sphäre nicht offenbarten Lebens. Jede dieser primären Sphären wird von sechs Satelliten umgeben, auf denen die Sonderphasen aller Lebensbringeraktivitäten des Universums zentriert sind. Die Welt Nummer Eins, die Hauptsphäre, mit den sechs von ihr abhängigen Satelliten, ist dem Studium des universellen Lebens, des Lebens in all seinen bekannten Erscheinungsformen, gewidmet. Hier befindet sich die Lehranstalt für Lebensplanung, an der Lehrer und Berater aus Uversa und Havona und sogar aus dem Paradies wirken. Und ich habe die Erlaubnis zu enthüllen, dass sich die sieben zentralen Stellungen der mentalen Hilfsgeiste auf dieser Welt der Lebensbringer befinden. Die Zahl zehn - das Dezimalsystem - ist dem physischen Universum inhärent, nicht aber dem geistigen. Der Bereich des Lebens charakterisiert sich durch drei, sieben und zwölf oder durch Vielfache und Kombinationen dieser Grundzahlen. Es gibt drei uranfängliche und grundlegend verschiedene Lebensebenen nach der Ordnung der drei Zentralen Ursprünge des Paradieses, und im Universum von Nebadon erscheinen diese drei Grundformen des Lebens getrennt auf drei verschiedenen Planetentypen. Es gab ursprünglich zwölf verschiedene göttliche Vorstellungen von übertragbarem Leben. Diese Zahl zwölf mit ihren Unterteilungen und Vielfachen zieht sich in allen sieben Superuniversen durch alle dem Leben zugrunde liegenden Urmuster. Es gibt auch sieben architektonische Typen des Lebensentwurfs, fundamentale Anordnungen der Fortpflanzungsstrukturen der lebenden Materie. Die Lebensurmuster von Orvonton sind als zwölf Erbschaftsträger strukturiert. Die verschiedenen Ordnungen von Willensgeschöpfen sind nach den Zahlen 12, 24, 48, 96, 192, 384 und 768 strukturiert. Auf Urantia gibt es in den Geschlechtszellen der menschlichen Fortpflanzung achtundvierzig Einheiten der Urmusterkontrolle - Bestimmer der Wesenszüge. Die Zweite Welt ist die Sphäre, wo das Leben entworfen wird; hier werden alle neuen Arten von Lebensorganisation ausgearbeitet. Obwohl die ursprünglichen Lebensentwürfe vom Schöpfersohn stammen, ist die tatsächliche Ausarbeitung dieser Pläne den Lebensbringern und ihren Mitarbeitern anvertraut. Wenn die allgemeinen Lebenspläne für eine neue Welt festgelegt worden sind, werden sie an die Hauptsphäre weitergeleitet, wo sie durch den höchsten Rat der Senior-Lebensbringer in Zusammenarbeit mit einem Beraterkorps von Melchisedeks einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Wenn sich diese Pläne von den zuvor genehmigten Formeln entfernen, müssen sie vom Schöpfersohn überprüft und gutgeheißen werden. Oft vertritt das Oberhaupt der Melchisedeks den Schöpfersohn bei diesen Beratungen. Deshalb ist das planetarische Leben auf jeder evolutionären Welt, wenn auch einige Gemeinsamkeiten aufweisend, doch in mancher Hinsicht verschieden. Selbst in einer uniformen Lebensserie innerhalb einer einzelnen Familie von Welten finden sich keine zwei Planeten, auf denen das Leben genau gleich ist; es gibt immer einen planetarischen Typus, denn die Lebensbringer arbeiten ständig daran, die ihrer Hut anvertrauten Lebensformeln zu verbessern. Es gibt über eine Million fundamentaler oder kosmischer chemischer Formeln, welche die elterlichen Urmuster der Lebenserscheinungen und ihre zahlreichen grundlegenden funktionellen Variationen darstellen. Der Satellit Nummer eins der Lebensplanungssphäre ist das Reich der Universumsphysiker und - elektrochemiker, die den Lebensbringern als technische Assistenten beim Erfassen, Organisieren und Manipulieren der wesentlichen Einheiten der Energie dienen, die zum Aufbau der materiellen Träger der Lebenstransmission, des so genannten Keimplasmas, gebraucht werden. Die planetarischen Laboratorien für Lebensplanung befinden sich auf dem zweiten Satelliten der Welt Nummer zwei. In diesen Laboratorien arbeiten die Lebensbringer und all ihre Mitarbeiter mit den Melchisedeks im Bemühen zusammen, das zur Ansiedlung auf den Dezimalplaneten Nebadons bestimmte Leben zu modifizieren und wenn möglich zu verbessern. Gerade auf dieser Welt ist das Leben, das sich jetzt auf Urantia entwickelt, geplant und teilweise ausgearbeitet worden, denn Urantia ist ein Dezimalplanet, eine Experimentierwelt des Lebens. Auf einer von zehn Welten sind größere Abweichungen von den normalen Lebensmodellen als auf den übrigen (nicht experimentellen) Welten erlaubt. Die Welt Nummer Drei ist der Bewahrung des Lebens gewidmet. Hier studieren und entwickeln die Assistenten und Bewahrer vom Korps der Lebensbringer verschiedene Methoden zum Schutze und zur Aufrechterhaltung des Lebens. Die Lebenspläne für jede neue Welt sehen immer die frühe Einsetzung der Lebensbewahrungskommission vor, bestehend aus Bewahrerspezialisten, die sich auf die gewandte Manipulation der grundlegenden Lebens-Urmuster verstehen. Auf Urantia gab es vierundzwanzig solcher Bewahrer-Kommissionsmitglieder, zwei für jedes fundamentale oder elterliche Urmuster der architektonischen Organisation des Lebensmater-ials. Auf Planeten wie dem euren pflanzt sich die höchste Form des Lebens durch ein Paket von Lebensträgern fort, das vierundzwanzig Urmustereinheiten besitzt. (Und da das intellektuelle Leben aus dem physischen erwächst und auf diesem gründet, treten auch die vierundzwanzig Grundordnungen der psychischen Organisation ins Dasein.) Auf Sphäre Nummer Vier und den von ihr abhängigen Satelliten widmet man sich dem Studium der Evolution des Geschöpfeslebens im Allgemeinen und den evolutionären Vorläufern jeder Lebensstufe im Besonderen. Das ursprüngliche Lebensplasma einer evolutionären Welt muss das ganze Potential für alle zukünftigen Entwicklungsvariationen und für alle späteren evolutionären Umwandlungen und Veränderungen enthalten. Die Vorkehrungen für so weitreichende Projekte der Lebensmetamorphose können unter Umständen das Auftreten vieler scheinbar unnützer Formen des tierischen und pflanzlichen Lebens erfordern. Solche Nebenprodukte der planetarischen Evolution, ob vorausgesehen oder nicht, erscheinen auf dem Schauplatz des Geschehens nur, um wiederum zu verschwinden, aber durch diesen ganzen langen Prozess hindurch ziehen sich wie ein roter Faden die weisen und intelligenten Formulierungen der ursprünglichen Entwerfer des planetarischen Lebensplanes und Projektes der Gattung. Die mannigfaltigen Nebenprodukte der biologischen Evolution sind alle wesentlich für das schließliche volle Funktionieren der höheren intelligenten Lebensformen, auch wenn unter Umständen von Zeit zu Zeit eine große äußere Disharmonie herrscht, während sich die höheren Geschöpfe emporkämpfen, um der niedrigeren Lebensformen Herr zu werden, von denen viele sich so sehr dem Frieden und der Bequemlichkeit der sich entwickelnden Willensgeschöpfe entgegenstellen. Die Welt Nummer Fünf befasst sich ausschließlich mit Leben in Verbindung mit Verstand. Auf jedem ihrer Satelliten widmet man sich dem Studium einer einzigen Phase des Geschöpfesverstandes im Zusammenhang mit dem Geschöpfesleben. Der Verstand, wie der Mensch ihn begreift, wird von den sieben mentalen Hilfsgeisten, den Organen des Unendlichen Geistes, verliehen, die ihn den nicht-unterweisbaren oder mechanischen Verstandesebenen überlagern. Die Urmuster des Lebens sprechen unterschiedlich auf diese Hilfsgeiste und die verschiedenen überall in den Universen von Zeit und Raum wirkenden geistigen Einflüsse an. Die Fähigkeit der materiellen Geschöpfe zu geistiger Antwort hängt ganz und gar von der ihnen verliehenen Verstandesbegabung ab, die ihrerseits für den Lauf der biologischen Evolution derselben sterblichen Geschöpfe richtunggebend war. Auf der Welt Nummer Sechs beschäftigt man sich mit der Beziehung von Verstand und Geist in deren Verknüpfung mit lebendigen Formen und Organismen. Auf dieser Welt und ihren sechs Trabanten befinden sich die Schulen für Geschöpfeskoordination, an denen Lehrer aus dem Zentraluniversum wie aus dem Superuniversum in Zusammenarbeit mit den Ausbildern von Nebadon über die höchsten Ebenen dozieren, die die Geschöpfe in Zeit und Raum erreichen können. Die Siebente Sphäre der Lebensbringer widmet sich nicht offenbarten Gebieten evolutionären Geschöpfeslebens, nämlich seiner Beziehung zu der kosmischen Philosophie der zunehmenden Verwirklichung des Supremen Wesens. ***** 36.3 Die Verpflanzung des Lebens ***** Das Leben erscheint in den Universen nicht spontan; die Lebensbringer müssen es auf den öden Planeten erst initiieren. Sie sind es, die das Leben, wie es auf den evolutionären Welten des Raums erscheint, dorthin bringen, für seine Ausbreitung sorgen und es behüten. Alles Leben, wie es sich in den auf Urantia bekannten Ordnungen und Formen darbietet, entsteht durch diese Söhne, obwohl auf Urantia nicht alle Formen planetarischen Lebens existieren. Das Lebensbringerkorps, das den Auftrag hat, einer neuen Welt das Leben einzupflanzen, besteht gewöhnlich aus hundert Senior-Lebensbringern, hundert Assistenten und tausend Bewahrern. Oft bringen die Lebensbringer das Lebensplasma mit sich auf eine neue Welt, aber nicht immer. Manchmal organisieren sie die Lebensurmuster erst nach ihrer Ankunft auf dem ihnen anvertrauten Planeten gemäß den zuvor gebilligten Formeln für ein neues Abenteuer der Lebensgründung. Und gerade so hat das planetarische Leben auf Urantia begonnen. Wenn die physischen Urmuster den genehmigten Formeln gemäß bereitstehen, katalysieren die Lebensbringer dieses unbelebte Material, indem sie aus ihren Personen den geistigen Lebensfunken überspringen lassen; und sogleich wird aus den toten Urmustern lebendige Materie. Der Lebensfunke - das Mysterium des Lebens - wird durch die Lebensbringer, aber nicht von ihnen, verliehen. Allerdings lenken sie diese Vorgänge und formulieren sie das Lebensplasma, aber der Muttergeist des Universums ist es, der den wesentlichen Faktor des lebendigen Plasmas liefert. Von der Schöpferischen Tochter des Unendlichen Geistes kommt der Energiefunke, der den Körper belebt und den Verstand erahnen lässt. Bei der Verleihung des Lebens übertragen die Lebensbringer nichts von ihrer persönlichen Natur, nicht einmal auf jenen Sphären, für die neue Ordnungen des Lebens geplant sind. Sie entzünden jeweils nur den Lebensfunken und übertragen ihn, lösen nur die erforderlichen Rotationen der Materie aus in Befolgung der physischen, chemischen und elektrischen Bestimmungen der verfügten Pläne und Urmuster. Die Lebensbringer sind eine lebendige katalytische Gegenwart, welche die sonst inaktiven Elemente der materiellen Existenzordnung bewegen, organisieren und vitalisieren. Den Lebensbringern eines planetarischen Korps steht zur Ansiedlung des Lebens auf einer neuen Welt eine bestimmte Periode zur Verfügung, etwa eine halbe Million Jahre der Zeit des Planeten. Wenn diese Periode zu Ende geht, was gewisse Resultate in der Entwicklung des planetarischen Lebens erkennen lassen, hören ihre Anstrengungen zur Lebensimplantation auf, und sie können in der Folge dem Leben auf diesem Planeten nichts Neues oder Zusätzliches mehr hinzufügen. Während der Zeitalter, die zwischen der Ansiedlung des Lebens und dem Auftreten menschlicher Geschöpfe mit sittlichem Status liegen, ist es den Lebensbringern erlaubt, das Lebensumfeld zu beeinflussen und noch auf andere Weise den Lauf der biologischen Evolution in eine günstige Richtung zu lenken. Und das tun sie während langer Zeitabschnitte. Wenn es den auf einer neuen Welt wirkenden Lebensbringern einmal gelungen ist, ein mit Willen, mit sittlicher Entscheidungs- und geistiger Wahlfähigkeit begabtes Wesen hervorzubringen, nimmt ihre Arbeit ein Ende - sie sind damit fertig; von nun an dürfen sie das sich entwickelnde Leben nicht mehr manipulieren. Von diesem Punkt an muss die Entwicklung alles Lebendigen gemäß den Anlagen der innewohnenden Natur und der Tendenzen weitergehen, die den planetarischen Lebensformeln und Urmustern bereits mitgegeben und in ihnen festgelegt worden sind. Es ist den Lebensbringern nicht gestattet, mit dem Willen zu experimentieren oder sich in seine Betätigung einzumischen; es ist ihnen nicht erlaubt, sittliche Geschöpfe zu beherrschen oder willkürlich zu beeinflussen. Nach der Ankunft eines Planetarischen Fürsten schicken sie sich zur Abreise an, obgleich zwei Senioren und zwölf Bewahrer einen zeitweiligen Verzicht geloben und sich bereit erklären können, auf unbestimmte Zeit auf dem Planeten auszuharren, um bei der weiteren Entwicklung und Bewahrung des Lebensplasmas als Berater zu wirken. Zwei derartige Söhne dienen jetzt mit ihren zwölf Mitarbeitern auf Urantia. ***** 36.4 Die Melchisedek-Lebensbringer ***** In ganz Nebadon gibt es in jedem Lokalsystem bewohnter Welten eine einzelne Sphäre, auf der die Melchisedeks als Lebensbringer gewirkt haben. Diese Orte sind als die midsoniten Welten der Systeme bekannt, und auf jeder von ihnen hat sich ein materiell umgeänderter Melchisedek mit einer ausgewählten Tochter von der materiellen Sohnesordnung vermählt. Die Mutter-Evas solcher midsoniter Welten werden vom Hauptsitz des zuständigen Systems abgesandt, nachdem sie der designierte Melchisedek-Lebensbringer aus den zahlreichen Freiwilligen ausgewählt hat, welche sich auf den Aufruf hin gemeldet haben, den der Systemsouverän an die Materiellen Töchter seiner Sphäre hat ergehen lassen. Die Abkömmlinge eines Melchisedek-Lebensbringers und einer Materiellen Tochter nennt man Midsoniter. Der Melchisedek-Vater einer solchen Rasse himmlischer Geschöpfe verlässt schließlich den Planeten seiner einzigartigen Lebensfunktion, und die Mutter-Eva dieser besonderen Ordnung von Universumswesen reist nach dem Erscheinen der siebenten Generation planetarischer Nachkommen ebenfalls ab. Die Leitung einer solchen Welt geht dann an ihren ältesten Sohn über. Die midsoniten Geschöpfe leben und wirken auf ihren herrlichen Welten als sich fortpflanzende Wesen, bis sie das Alter von eintausend Standardjahren erreicht haben; daraufhin werden sie durch seraphischen Transport weggebracht. Von da an sind die Midsoniter fortpflanzungsunfähige Wesen, weil die Technik der Dematerialisierung, die an ihnen vor ihrer Einseraphierung vorgenommen wird, sie für immer ihres Zeugungsprivilegs beraubt. Der gegenwärtige Status dieser Wesen kann weder als sterblich noch als unsterblich bezeichnet werden, noch kann man sie eindeutig menschlichen oder göttlichen Wesen zurechnen. Diese Geschöpfe werden nicht von Justierern bewohnt und sind daher schwerlich unsterblich. Aber ebenso wenig scheinen sie sterblich zu sein; noch kein Midsoniter hat je den Tod erlitten. Alle Midsoniter, die je in Nebadon geboren wurden, sind heute am Leben. Sie wirken auf ihrer Geburtswelt, auf irgendeiner zwischengeschalteten Sphäre oder auf der midsoniten Sphäre Salvingtons in der Weltengruppe der Finalisten. Die Finalistenwelten Salvingtons. Die Melchisedek-Lebensbringer und die ihnen verbundenen Mutter-Evas gehen von den midsoniten Sphären des Systems weg auf die Finalistenwelten des Salvingtonkreises, wo auch ihren Nachkommen bestimmt ist, sich zu versammeln. Es sollte in diesem Zusammenhang erklärt werden, dass die fünfte Gruppe von sieben primären Welten im Salvingtonkreis aus den Welten der Finalisten Nebadons besteht. Die Kinder der Melchisedek-Lebensbringer und der Materiellen Töchter bewohnen die siebente Welt der Finalisten, die midsonite Sphäre von Salvington. Die Satelliten der sieben primären Welten der Finalisten sind der Begegnungsort für die Persönlichkeiten von Super- und Zentraluniversum, die in Nebadon irgendeine Mission ausführen. Während sich die aufsteigenden Sterblichen auf allen kulturellen Welten und Schulungssphären der 490 Welten einschließlich der Melchisedek-Universität frei bewegen können, gibt es gewisse besondere Schulen und zahlreiche Sperrzonen, zu denen ihnen der Zutritt verwehrt ist. Das gilt insbesondere für die neunundvierzig der Oberhoheit der Finalisten unterstellten Sphären. Die Bestimmung der midsoniten Geschöpfe ist gegenwärtig unbekannt, aber es macht den Anschein, als versammelten sich diese Persönlichkeiten auf der siebenten Finalistenwelt, um sich auf irgendeine mögliche künftige Universumsentwicklung vorzubereiten. Wenn wir uns über die midsoniten Rassen erkundigen wollen, verweist man uns immer an die Finalisten, und diese lehnen es stets ab, sich über die Bestimmung ihrer Mündel auszulassen. Ungeachtet unserer Ungewissheit hinsichtlich der Zukunft der Midsoniter wissen wir, dass jedes Lokal- univerum Orvontons solch ein anschwellendes Korps dieser geheimnisvollen Wesen beherbergt. Die Melchisedek-Lebensbringer sind des Glaubens, dass ihre midsoniten Kinder eines Tages mit dem transzendenten, ewigen Geist der Absonität des Ultimen Gottes ausgestattet werden. ***** 36.5 Die sieben Mentalen Hilfsgeiste ***** Es ist die Gegenwart der sieben mentalen Hilfsgeiste auf den primitiven Welten, die den Lauf der organischen Evolution bestimmt; das erklärt, wieso die Evolution absichtsvoll und nicht zufällig ist. Die Hilfsgeiste sind Ausdruck jener Funktion der mentalen Betreuung durch den Unendlichen Geist, die sich durch das Wirken des Muttergeistes eines Lokaluniversums bis auf die niedrigeren Ordnungen intelligenten Lebens erstreckt. Die Hilfsgeiste sind die Kinder des Universums-Muttergeistes und verkörpern ihren persönlichen Dienst am Verstand der materiellen Weltenbewohner. Wo und wann immer sich solcher Verstand manifestiert, sind diese Geiste in verschiedener Weise am Werk. Die sieben mentalen Hilfsgeiste besitzen Namen, die den folgenden Bezeichnungen entsprechen: Intuition, Begreifen, Mut, Wissen, Rat, Anbetung und Weisheit. Diese Verstandesgeiste üben auf allen bewohnten Welten einen auf differenzierte Weise stimulierenden Einfluss aus, wobei jeder von ihnen nach Empfänglichkeitseigenschaften Ausschau hält, um sich manifestieren zu können, und zwar ganz unabhängig davon, in welchem Grad seine Gefährten Empfangsbereitschaft und Gelegenheit zum Funktionieren vorfinden. Dank den zentralen Standorten der Hilfsgeiste auf der Hauptwelt der Lebensbringer sind die leitenden Lebensbringer informiert über Ausmaß und Qualität der Verstandesfunktion der Hilfsgeiste auf irgendeiner Welt und in irgendeinem gegebenen lebendigen Organismus mit intellektuellem Status. Was die fünf ersten Hilfsgeiste anbelangt, sind diese Standorte des lebendigen Verstandes vollkommene Indikatoren der lebendigen Verstandesfunktion. Aber die zentralen Stellungen der Hilfsgeiste sechs und sieben - der Anbetung und Weisheit - registrieren nur eine qualitative Funktion. Die quantitative Aktivität des Hilfsgeistes der Anbetung und des Hilfsgeistes der Weisheit wird in unmittelbarer Gegenwart der Göttlichen Ministerin auf Salvington registriert, denn es handelt sich dabei um eine persönliche Erfahrung des Muttergeistes des Universums. Die sieben mentalen Hilfsgeiste begleiten die Lebensbringer immer auf einen neuen Planeten, aber sie sollten nicht als Wesenheiten betrachtet werden; sie gleichen eher Kreisläufen. Die Geiste der sieben Universums-Helfer wirken nicht unabhängig von der Universumsgegenwart der Göttlichen Ministerin als Persönlichkeiten; sie sind in Wahrheit eine Bewusstseinsebene der Göttlichen Ministerin und stets dem Handeln und der Gegenwart der Schöpferischen Mutter unterworfen. Die Worte fehlen uns, um diese sieben mentalen Hilfsgeiste angemessen zu charakterisieren. Sie dienen den niedrigeren Ebenen des erfahrungsmäßigen Verstandes, und man kann sie in der Reihenfolge der evolutionären Stufenbewältigung wie folgt beschreiben: 1. Der Geist der Intuition - rasche Wahrnehmung, die primitiven physischen und eingeborenen reflexmäßigen Instinkte, die Orientierungsfähigkeit und andere Selbsterhaltungsgaben aller Verstandesschöpfungen; der einzige Hilfsgeist, der so weitgehend in den tieferen Ordnungen tierischen Lebens wirkt und der einzige, der in umfassender funktioneller Berührung mit den unterweisungsunfähigen Ebenen des mechanischen Verstandes steht. 2. Der Geist des Begreifens - der Impuls zur Koordination, die spontane und offenbar automatische Ideenassoziation. Es ist die Gabe der Koordination erworbenen Wissens, das Phänomen schnellen Folgerns, raschen Urteilens und prompter Entscheidung. 3. Der Geist des Mutes - die Gabe der Treue - in persönlichen Wesen, Basis der Charakterformung und intellektuelle Wurzel sittlichen Stehvermögens und geistiger Tapferkeit. Wenn Erleuchtung durch die Tatsachen und Inspiration durch die Wahrheit hinzukommen, wird dies das Geheimnis des Drangs zum evolutionären Aufstieg durch die Kanäle intelligenter und bewusster Selbstlenkung. 4. Der Geist des Wissens - die Neugier-Mutter von Abenteuerlust und Entdeckerdrang, der wissenschaftliche Geist; der Führer und treue Gefährte der Geiste des Mutes und des Rates; die Triebfeder, die die Gaben des Mutes in die nützlichen Bahnen stetigen Wachstums leitet. 5. Der Geist des Rates - der sittliche Antrieb, die Gabe der Zusammenarbeit innerhalb der Gattung; die Fähigkeit der Willensgeschöpfe, mit ihren Gefährten zu harmonieren; der Ursprung des Herdeninstinkts bei den niedrigeren Geschöpfen. 6. Der Geist der Anbetung - der religiöse Impuls, der erste differenzierende Antrieb, der die Verstandesgeschöpfe in die zwei fundamentalen Klassen sterblicher Existenz scheidet. Der Geist der Anbetung unterscheidet für immer das tierische Wesen, mit dem er verbunden ist, von den seelenlosen, mit Verstand begabten Geschöpfen. Anbetung ist das Kennzeichen der Anwartschaft auf geistigen Aufstieg. 7. Der Geist der Weisheit - das angeborene Verlangen aller sittlichen Geschöpfe nach geordnetem und progressivem evolutionärem Aufstieg. Dieser Geist ist der oberste der Helfer, der geistige Koordinator und Gliederer des Werks aller übrigen. Er ist das Geheimnis des den Verstandesgeschöpfen angeborenen Drangs, das effektive, praktische Programm der aufsteigenden Existenzskala in Angriff zu nehmen und daran festzuhalten; er ist jene Gabe lebendiger Dinge, die verantwortlich ist für die unerklärliche Fähigkeit der Geschöpfe, den Tod zu überleben und im Fortleben die Koordination aller ihrer vergangenen Erfahrungen und gegenwärtigen Gelegenheiten zu benutzen, um all das zu erwerben, was die anderen sechs mentalen Hilfsgeiste zusammen im Verstand des betreffenden Organismus mobilisieren können. Weisheit ist der Gipfel aller intellektuellen Leistung. Weisheit ist das Ziel einer rein mentalen und sittlichen Existenz. Die mentalen Hilfsgeiste wachsen an Erfahrung, erlangen aber nie Persönlichkeit. Ihre Funktion macht eine Entwicklung durch, und ihre Funktion in den tierischen Ordnungen ist in gewissem Ausmaß wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren aller sieben als menschlicher Intellekt. Ihre Beziehung zum tierischen Bereich macht die Hilfsgeiste als menschlicher Verstand praktisch wirksamer; deshalb sind die Tiere in gewissem Grade unentbehrlich sowohl für die intellektuelle als auch für die physische Entwicklung des Menschen. Diese mentalen Helfer eines lokaluniversellen Muttergeistes stehen zum Geschöpfesleben mit Intelligenzstatus in einer ganz ähnlichen Beziehung wie die Machtzentren und physischen Überwacher zu den unbelebten Kräften des Universums. Sie leisten in den Verstandeskreisen der bewohnten Welten unschätzbare Dienste und sind wirksame Mitarbeiter der Physischen Hauptüberwacher, die ebenfalls als Überwacher und Lenker jener Verstandesebenen dienen, die dem Wirken der Hilfsgeiste vorausgehen, der Ebenen des nicht unterweisbaren oder mechanischen Verstandes. Bevor der lebendige Verstand fähig wird, aus Erfahrung zu lernen, gehört er zur Domäne der Physischen Hauptüberwacher. Bevor der Geschöpfesverstand dahingelangt, die Göttlichkeit wahrzunehmen und die Gottheit zu verehren, ist er die ausschließliche Domäne der Hilfsgeiste. Mit dem Erscheinen der geistigen Ansprechbarkeit des Geschöpfesintellekts wird ein erschaffener Verstand plötzlich mit Überverstand begabt - augenblicklich in die Geistkreisläufe des lokaluniversellen Muttergeistes aufgenommen. Die mentalen Hilfsgeiste stehen in keiner Weise in direkter Beziehung zur andersgearteten und hochgeistigen Funktion des Geistes der persönlichen Gegenwart der Göttlichen Ministerin, des Heiligen Geistes der bewohnten Welten; aber ihr Wirken geht dem Erscheinen ebendieses Geistes im evolutionären Menschen voraus und bereitet ihn darauf vor. Die Helfer ermöglichen dem Muttergeist des Universums einen mannigfaltigen Kontakt mit den materiellen lebendigen Geschöpfen eines Lokaluniversums und die Kontrolle über sie, aber ihr Wirken auf vorpersönlichen Ebenen findet im Supremen Wesen keinen Widerhall. Nichtgeistiger Verstand ist entweder eine Manifestation geistiger Energie oder ein Phänomen physischer Energie. Selbst der menschliche Verstand, der persönliche Verstand, besitzt keine Voraussetzungen zum Fortleben, außer er identifiziere sich mit dem Geist. Der Verstand ist ein göttliches Geschenk, aber er ist nicht unsterblich, solange er ohne geistige Schau arbeitet und ihm die Fähigkeit abgeht, anzubeten und sich nach dem Fortleben zu sehnen. ***** 36.6 Lebendige Kräfte ***** Das Leben ist zugleich mechanischer und vitaler Natur - materiell und geistig. Die Physiker und Chemiker Urantias werden in ihrem Verständnis der Protoplasmaarten des pflanzlichen und tierischen Lebens ständig fortschreiten, aber nie werden sie imstande sein, lebendige Organismen zu erzeugen. Das Leben ist etwas von allen Energiemanifestationen Verschiedenes; sogar das materielle Leben physischer Geschöpfe ist der Materie nicht eingeboren. Materielle Dinge können sich einer unabhängigen Existenz erfreuen, aber Leben entspringt einzig dem Leben. Verstand kann sich nur von zuvor existierendem Verstand ableiten. Geist entstammt nur geistigen Ahnen. Das Geschöpf kann unter Umständen die Formen des Lebens herstellen, aber nur eine Schöpferpersönlichkeit oder eine schöpferische Kraft kann den aktivierenden Lebensfunken liefern. Die Lebensbringer können die materiellen Formen oder physischen Urmuster der Lebewesen organisieren, aber der Geist liefert den auslösenden Lebensfunken und schenkt die Verstandesbegabung. Selbst die lebendigen Formen experimentellen Lebens, die die Lebensbringer auf ihren Welten Salvingtons organisieren, sind nie zur Fortpflanzung fähig. Wenn die Lebensformeln und vitalen Urmuster richtig zusammengefügt und zweckmäßig organisiert werden, genügt die Gegenwart eines Lebensbringers, um das Leben auszulösen, aber allen derartigen lebendigen Organismen fehlen zwei wesentliche Eigenschaften: Verstandesbegabung und Fortpflanzungsfähigkeit. Tierischer und menschlicher Verstand sind Geschenke des durch die sieben mentalen Hilfsgeiste wirkenden Muttergeistes des Lokaluniversums, während die Fortpflanzungsfähigkeit der Geschöpfe eine spezifische und persönliche Gabe des Universums-Geistes an das durch die Lebensbringer eingeweihte Ur-Lebensplasma ist. Nachdem die Lebensbringer die Urmuster des Lebens entworfen und die Energiesysteme organisiert haben, muss sich ein zusätzliches Phänomen ereignen; diesen leblosen Formen muss der "Lebensatem" eingehaucht werden. Die Gottessöhne können wohl die Lebensformen konstruieren, aber es ist der Geist Gottes, der tatsächlich den Lebensfunken beisteuert. Und wenn das so verliehene Leben erlischt, wird der zurückbleibende materielle Körper wiederum zu toter Materie. Wenn das geschenkte Leben erschöpft ist, kehrt der Körper in den Schoß des materiellen Universums zurück, dem die Lebensbringer ihn entlehnt hatten, damit er als vorübergehendes Vehikel für die Gabe des Lebens diene, die sie auf diese sichtbare Verbindung von Energie und Materie übertragen hatten. Das von den Lebensbringern an Pflanzen und Tiere ausgeteilte Leben kehrt nach dem Tod der Pflanze oder des Tieres nicht zu den Lebensbringern zurück. Das von solchen Lebensträgern weichende Leben besitzt weder Identität noch Persönlichkeit; es überlebt den Tod nicht individuell. Während seiner Existenz, während der Zeit seines Aufenthaltes im Körper aus Materie, ist mit ihm eine Veränderung vorgegangen; es hat eine energetische Entwicklung durchgemacht und lebt nur als Teil der kosmischen Kräfte des Universums weiter; es überlebt nicht als individuelles Leben. Das Fortleben sterblicher Geschöpfe fußt gänzlich auf der Entwicklung einer unsterblichen Seele im sterblichen Verstand. Wir sprechen vom Leben als einer "Energie" oder "Kraft", aber es ist in Wirklichkeit weder das eine noch das andere. Kraft-Energie spricht unterschiedlich auf die Gravitation an; nicht so das Leben. Ebenso wenig antworten die Urmuster auf die Gravitation, da sie eine Konfiguration von Energien sind, die sich der Gravitation gegenüber bereits aller Antwortschulden entledigt haben. Das Leben als solches ist die Animation irgendeines - ob materiellen, verstandesmäßigen oder geistigen - Energiesystems, das durch Urmuster gestaltet ist oder ein andersgeartetes Sonderdasein führt. Es gibt im Zusammenhang mit der Entwicklung des Lebens auf den evolutionären Planeten einiges, was uns nicht ganz klar ist. Wir verstehen die physische Organisation der elektrochemischen Formeln der Lebensbringer vollkommen, aber Natur und Ursprung des Funkens der Lebensaktivierung begreifen wir nicht völlig. Wir wissen, dass das Leben vom Vater über den Sohn und durch den Geist fließt. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Hauptgeiste der siebenfache Kanal des Lebensstromes sind, der über die ganze Schöpfung ausgegossen wird. Aber wir verstehen die Technik nicht, durch welche der lenkende Hauptgeist sich an der anfänglichen Episode der Lebensverleihung auf einem neuen Planeten beteiligt. Wir sind überzeugt, dass auch die Ältesten der Tage ihren Anteil an der Einweihung des Lebens auf einem neuen Planeten haben, aber dessen Natur ist uns völlig unbekannt. Wir wissen mit Bestimmtheit, dass der Muttergeist des Universums tatsächlich die leblo- sen Urmuster vitalisiert und dem solcherweise aktivierten Plasma das Vorrecht der Fortpflanzung der Organismen verleiht. Wir stellen fest, dass diese drei, die manchmal als die Supremen Schöpfer von Zeit und Raum bezeichnet werden, Ebenen des Siebenfachen Gottes sind; aber darüber hinaus wissen wir kaum mehr als die Sterblichen Urantias - nur, dass das Konzept in der Natur des Vaters liegt, der Ausdruck in der des Sohnes und die Verwirklichung des Lebens in der des Geistes. [Verfasst durch einen als Beobachter auf Urantia stationierten Vorondadek-Sohn, der in dieser Eigenschaft auf Verlangen des Melchisedek-Oberhauptes des Leitenden Offenbarungskorps handelt.] ****** Kapitel 37 Persönlichkeiten des Lokaluniversums ****** AN der Spitze aller Persönlichkeiten Nebadons steht der Schöpfer- und Meistersohn, Michael, der Vater und Souverän des Universums. Seine Beigeordnete an Göttlichkeit und seine Ergänzung hinsichtlich schöpferischer Attribute ist der Muttergeist des Lokaluniversums, die Göttliche Ministerin von Salvington. Und diese Schöpfer sind in einem sehr wörtlichen Sinne der Vater-Sohn und die Geist-Mutter aller in Nebadon geborenen Geschöpfe. Die vorangehenden Schriften haben sich mit den erschaffenen Sohnesordnungen beschäftigt; die späteren Beschreibungen werden die dienenden Geiste und die aufsteigenden Sohnesordnungen darstellen. Diese Schrift handelt hauptsächlich von einer dazwischen liegenden Gruppe, den Universumshelfern, aber es wird darin auch ein kurzer Blick auf gewisse in Nebadon stationierte höhere Geiste und bestimmte Ordnungen von Dauerbürgern des Lokaluniversums geworfen. ***** 37.1 Die Universumshelfer ***** Viele von den einzigartigen Ordnungen, die man im Allgemeinen in dieser Kategorie unterbringt, werden nicht offenbart, aber soweit in diesen Schriften vorgestellt, umfassen die Universumshelfer die folgenden sieben Ordnungen: 1. Helle Morgensterne. 2. Leuchtende Abendsterne. 3. Erzengel. 4. Allerhöchste Assistenten. 5. Hohe Kommissare. 6. Himmlische Inspektoren. 7. Lehrer der Residenzwelten. Von der ersten Ordnung der Universumshelfer, den Hellen Morgensternen, gibt es in jedem Lokaluniversum gerade nur einen, und er ist das erstgeborene aller einem Lokaluniversum entstammenden Geschöpfe. Den Hellen Morgenstern unseres Universums kennt man als Gabriel von Salvington. Er ist der Regierungschef ganz Nebadons; er wirkt als persönlicher Repräsentant des Souveränen Sohnes und als Sprecher seiner schöpferischen Gefährtin. In der Frühzeit Nebadons arbeitete Gabriel ganz allein mit Michael und dem Schöpferischen Geist zusammen. Als das Universum wuchs und sich die administrativen Probleme vervielfachten, wurde ihm ein persönlicher Stab von nicht offenbarten Mitarbeitern beigegeben, und schließlich wuchs diese Gruppe durch die Erschaffung des Korps der Abendsterne von Nebadon an. ***** 37.2 Die Leuchtenden Abendsterne ***** Diese strahlenden Geschöpfe wurden von den Melchisedeks ersonnen und durch den Schöpfersohn und den Schöpferischen Geist ins Dasein gebracht. Sie dienen in vielen Eigenschaften, aber vornehmlich als Verbindungsoffiziere Gabriels, des Regierungschefs des Lokaluniversums. Eines oder mehrere dieser Wesen wirken als seine Stellvertreter auf jeder Kapitale der Konstellationen und Systeme Nebadons. Als Regierungschef Nebadons fällt Gabriel von Amtes wegen bei den meisten Tagungen Salvingtons die Rolle eines Vorsitzenden oder Beobachters zu, und manchmal werden bis zu tausend Sitzungen gleichzeitig abgehalten. In solchen Fällen wird Gabriel durch die Leuchtenden Abendsterne vertreten, denn er kann nicht zur selben Zeit an zwei Orten anwesend sein, und die Überengel machen diese Beschränkung wett. Denselben Dienst leisten sie dem Korps der Lehrersöhne der Trinität. Obwohl Gabriel persönlich mit administrativen Aufgaben beschäftigt ist, bleibt er durch die Leuchtenden Abendsterne mit allen anderen Phasen des Lebens und der Angelegenheiten des Universums in Berührung. Sie begleiten ihn immer auf seinen planetarischen Rundreisen, und sie begeben sich oft als seine persönlichen Repräsentanten in besonderer Mission auf einzelne Planeten. In solcher Eigenschaft wurden sie manchmal "Engel des Herrn" genannt. Sie gehen häufig nach Uversa, um den Hellen Morgenstern vor den Gerichten und Versammlungen der Ältesten der Tage zu vertreten, aber nur selten führen ihre Reisen sie über die Grenzen von Orvonton hinaus. Die Leuchtenden Abendsterne sind eine einzigartige doppelte Ordnung, indem die einen schon in ihrer ganzen Würde erschaffen wurden, während die anderen dieselbe erst durch Dienen erlangten. Das Nebadonsche Korps dieser Überengel zählt jetzt 13 641 Mitglieder. Davon besitzen 4 832 erschaffene Würde, während 8 809 aufsteigende Geiste sind, die dieses Ziel hohen Dienstes erreicht haben. Viele von diesen aufsteigenden Abendsternen haben ihre Universumslaufbahn als Seraphim begonnen; andere sind von nicht offenbarten Ebenen des Geschöpfeslebens aufgestiegen. Solange ein Universum nicht im Licht und Leben verankert ist, steht dieses hohe Korps aufsteigenden Anwärtern als Ziel der Vollbringung immer offen. Beide Typen von Leuchtenden Abendsternen sind für morontielle Persönlichkeiten und bestimmte Typen von übersterblichen materiellen Wesen gut sichtbar. Die erschaffenen Wesen dieser interessanten und vielbegabten Ordnung besitzen eine geistige Kraft, die sich unabhängig von ihrer persönlichen Anwesenheit kundgeben kann. Das Haupt dieser Überengel ist Gavalia, der Erstgeborene der Ordnung Nebadons. Seit der Rückkehr von Christus Michael von seiner siegreichen Selbsthingabe auf Urantia ist Gavalia dem Dienst an den aufsteigenden Sterblichen zugeteilt. Seit neunzehnhundert Jahren Urantias unterhält sein Mitarbeiter Galantia einen ständigen Sitz auf Jerusem, wo er etwa die Hälfte seiner Zeit verbringt. Galantia ist der erste der aufsteigenden Überengel, der diesen hohen Rang erreicht hat. Es gibt keine andere gruppen- oder zunftmäßige Organisation der Leuchtenden Abendsterne als ihr übliches Zusammengehen in Paaren auf vielen Missionen. Es werden ihnen nicht viele Aufgaben übertragen, die die aufsteigende Laufbahn der Sterblichen berühren, aber wenn sie einen solchen Auftrag erhalten, arbeiten sie nie allein, sondern immer in Paaren, wobei der eine ein erschaffenes Wesen und der andere ein aufsteigender Abendstern ist. Eine der hohen Aufgaben der Abendsterne besteht darin, die Avonal-Söhne der Selbsthingabe auf ihren planetarischen Missionen zu begleiten, so wie Gabriel Michael bei seiner Selbsthingabe auf Urantia begleitete. Die beiden begleitenden Überengel sind bei solchen Sendungen die ranghöchsten Persönlichkeiten und dienen als Mitkommandanten der Erzengel und aller anderen an diesen Unternehmungen Beteiligten. Es ist der Senior dieser kommandierenden Überengel, der dem Avonal-Sohn der Selbsthingabe zu gegebener Zeit und im richtigen Alter die Weisung erteilt: "Kümmere dich um deines Bruders Angelegenheiten." Ebensolche Paare von Überengeln sind dem planetarischen Korps von Lehrersöhnen der Trinität zugeteilt, das auf einer bewohnten Welt an der Errichtung des auf die Selbsthingabe folgenden oder heraufdämmernden geistigen Zeitalters arbeitet. In solcher Eigenschaft dienen die Abendsterne als Bindeglieder zwischen den Sterblichen jener Welt und dem unsichtbaren Korps der Lehrersöhne. Die Welten der Abendsterne. Die sechste Gruppe von sieben Welten Salvingtons und die von ihr abhängigen zweiundvierzig Satelliten sind der Verwaltung der Leuchtenden Abendsterne unterstellt. Die sieben primären Welten werden von den erschaffenen Ordnungen dieser Überengel geleitet, während die dazugehörigen Satelliten von aufsteigenden Abendsternen verwaltet werden. Die Satelliten der ersten drei Welten beherbergen die den geistigen Persönlichkeiten des Lokaluniversums vorbehaltenen Schulen der Lehrersöhne und der Abendsterne. Auf den nächsten drei Gruppen befinden sich entsprechende gemeinsam geführte Schulen, die die Ausbildung der aufsteigenden Sterblichen zur Aufgabe haben. Die Satelliten der siebenten Welt sind den dreieinigen Beratungen der Lehrersöhne, Abendsterne und Finalisten vorbehalten. In jüngster Zeit ist es zu einer sehr engen Teilnahme dieser Überengel am lokaluniversellen Werk des Korps der Finalität gekommen, und seit langem arbeiten sie mit den Lehrersöhnen zusammen. Es besteht eine Verbindung von ungeheurer Kraft und Tragweite zwischen den Abendsternen und den Gravitationsbotschaftern, die den Arbeitsgruppen der Finalisten zugeteilt sind. Die siebente Primärwelt selber ist jenen nicht offenbarten Bereichen vorbehalten, welche die zwischen Lehrersöhnen, Finalisten und Abendsternen bestehenden Beziehungen der Zukunft betreffen, wenn einmal das Erwachen der superuniversellen Persönlichkeitsmanifestation des Supremen Gottes abgeschlossen sein wird. ***** 37.3 Die Erzengel ***** Die Erzengel sind Sprosse des Schöpfersohnes und des Muttergeistes des Universums. Sie sind der höchste Typ von hohen Geistwesen, die in einem Lokaluniversum in großer Zahl hervorgebracht werden. Zum Zeitpunkt der letzten Registrierung gab es von ihnen in Nebadon fast achthunderttausend. Die Erzengel sind eine der wenigen Gruppen von lokaluniversellen Persönlichkeiten, die gewöhnlich nicht der Gerichtsbarkeit Gabriels unterstehen. Sie werden in keiner Weise von der laufenden Verwaltung des Universums berührt, da sie sich ganz der Aufgabe des Fortlebens der Geschöpfe und der Förderung der aufsteigenden Laufbahn der Sterblichen von Zeit und Raum widmen. Obwohl sie gewöhnlich nicht dem Hellen Morgenstern unterstellt sind, handeln die Erzengel manchmal unter seiner Autorität. Sie arbeiten auch mit anderen Universumshelfern wie etwa den Abendsternen zusammen, was Operationen wie jene illustrieren, die im Bericht über die Verpflanzung des Lebens auf eure Welt beschrieben werden. Das Korps der Erzengel von Nebadon wird vom Erstgeborenen dieser Ordnung geleitet, und seit eher kurzer Zeit wird auf Urantia ein Abteilungshauptquartier der Erzengel unterhalten. Es ist diese unübliche Tatsache, die bald einmal die Aufmerksamkeit der von außerhalb Nebadons kommenden studierenden Besucher erregt. Unter ihren ersten Beobachtungen inneruniverseller Vorgänge befindet sich die Entdeckung, dass viele aufsteigende Aktivitäten der Leuchtenden Abendsterne von der Kapitale eines Lokalsystems, nämlich von Satania aus, gelenkt werden. Wenn sie dann weiterforschen, entdecken sie, dass gewisse Aktivitäten der Erzengel von einer kleinen und anscheinend unbedeutenden bewohnten Welt namens Urantia aus geleitet werden. Dann enthüllt man ihnen Michaels Selbsthingabe auf Urantia, worauf ihr Interesse für euch und eure bescheidene Sphäre sprunghaft zunimmt. Ermesst ihr die Bedeutung der Tatsache, dass euer bescheidener und von Wirren geplagter Planet zu einem Abteilungshauptquartier der universellen Verwaltung und Leitung von bestimmten Erzengelaktivitäten geworden ist, die den Aufstiegsplan zum Paradies betreffen? Das kündigt ohne Zweifel eine zukünftige Konzentration anderer aufsteigender Aktivitäten auf Michaels Welt der Selbsthingabe an und gibt dem persönlichen Versprechen des Meisters "Ich werde wiederkehren" eine ungeheuer große und feierliche Bedeutung. Im Allgemeinen sind die Erzengel dem Dienst und Fürsorgewerk der Sohnesordnung der Avonale zugeteilt, aber nicht eher, als bis sie eine ausgiebige vorbereitende Schulung in allen Arbeitsphasen der verschiedenen dienenden Geiste durchgemacht haben. Ein Korps von hundert Erzengeln begleitet jeden Paradies-Sohn der Selbsthingabe auf eine bewohnte Welt. Sie sind ihm nur vorübergehend, für die Dauer der Selbsthingabe, zugeteilt. Sollte der Richtersohn zeitweiliger Herrscher des Planeten werden, würden die Erzengel als leitende Häupter des gesamten himmlischen Lebens dieser Sphäre handeln. Zwei Senior-Erzengel sind einem Paradies-Avonal stets bei allen planetarischen Missionen als persönliche Helfer zugeteilt, ob es sich nun um Gerichtshandlungen, Richtermissionen oder Inkarnationen der Selbsthingabe handle. Wenn ein solcher Paradies-Sohn über eine Welt Gericht gehalten hat und die Toten zur Registrierung aufgerufen werden (die so genannte Auferstehung), ist es buchstäblich wahr, dass die seraphischen Wächter der schlummernden Persönlichkeiten der "Stimme des Erzengels" antworten. Die Namensliste eines Dispensationsabschlusses wird von einem begleitenden Erzengel verkündet. Es handelt sich um den Erzengel der Auferstehung, der manchmal als "Erzengel Michaels" bezeichnet wird. Die Welten der Erzengel. Die siebente Gruppe der Salvington umringenden Sphären mit ihren Trabantenwelten ist die Domäne der Erzengel. Die Sphäre Nummer eins und alle sechs ihr zugeordneten Satelliten sind Sitz der Wesen, die über die Persönlichkeiten Buch führen. Dieses riesige Korps von Registratoren ist damit beschäftigt, die Eintragungen über jeden Sterblichen der Zeit auf dem letzten Stand zu halten, und zwar vom Augenblick der Geburt an und während der ganzen Universumslaufbahn, bis der Betreffende Salvington verlässt und ins Superuniversum übertritt oder aber auf Weisung der Ältesten der Tage "aus der Chronik der Existenz gestrichen" wird. Ebenfalls auf diesen Welten werden in der Zeit, die zwischen dem Tod des Sterblichen und der Stunde seiner Neupersonifizierung, der Auferstehung von den Toten, vergeht, die Angaben über seine Persönlichkeit und die Garantie seiner Identifizierung klassifiziert, geordnet und verwahrt. ***** 37.4 Die Allerhöchsten Assistenten ***** Die Allerhöchsten Assistenten sind eine Gruppe von freiwilligen Wesen, die von außerhalb des Lokaluniversums stammen und den lokalen Schöpfungen vorübergehend als Repräsentanten des Zentral- und Superuniversums oder als Beobachter zugeteilt werden. Ihre Zahl schwankt ständig, geht aber immer weit in die Millionen. Von Zeit zu Zeit genießen wir so die Zuwendung und den Beistand von solchen aus dem Paradies stammenden Wesen wie Vervollkommnern der Weisheit, Göttlichen Ratgebern, Universellen Zensoren, Inspirierten Geisten der Trinität, Trinitisierten Söhnen, Einsamen Botschaftern, Supernaphim, Sekonaphim, Tertiaphim und anderen gnadenvollen Dienern, die bei uns weilen, um unseren heimischen Per- sönlichkeiten bei ihrem Bemühen beizustehen, ganz Nebadon in größere Harmonie mit den Ideen Orvontons und den Idealen des Paradieses zu bringen. Jedes dieser Wesen kann freiwillig in Nebadon dienen und befindet sich dann außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs, aber wenn solche Persönlichkeiten aus Super- und Zentraluniversum einen Auftrag ausführen, sind sie der Regeln des sie beherbergenden Lokaluniversums nicht gänzlich enthoben, obwohl sie weiterhin als Repräsentanten der höheren Universen wirken und gemäß den Anweisungen arbeiten, die sie für ihre Sendung bei uns erhalten haben. Ihr allgemeines Hauptquartier befindet sich auf Salvington im Sektor des Einigers der Tage, und sie wirken in Nebadon unter der Oberaufsicht dieses Botschafters der Paradies-Trinität. Wenn diese Persönlichkeiten der höheren Reiche in Gruppen ohne bindenden Auftrag dienen, leiten sie sich gewöhnlich selber, aber wenn sie auf Verlangen Dienst tun, unterstellen sie sich oft aus freien Stücken ganz der Zuständigkeit der Lenker, die den Bereichen vorstehen, in denen sie dienen. Die Allerhöchsten Assistenten dienen auf Lokaluniversums- und Konstellationsebene und werden nicht direkt den Regierungen der Systeme und Planeten zugeteilt. Sie können indessen überall im Lokaluniversum wirken und jeder Phase nebadonscher Aktivität zugewiesen werden, handle es sich um Verwaltung, Regierung, Erziehung oder andere Gebiete. Der größte Teil dieses Korps ist als Helfer der Paradies-Persönlichkeiten von Nebadon tätig - des Einigers der Tage, des Schöpfersohnes, der Getreuen der Tage, der Richtersöhne und der Lehrersöhne der Trinität. Bei der Führung der Angelegenheiten einer lokalen Schöpfung erscheint es ab und zu weise, sozusagen allen diesem Lokaluniversum entstammenden Persönlichkeiten vorübergehend die Kenntnis von bestimmten Einzelheiten vorzuenthalten. Gewisse sehr fortschrittliche Pläne und komplexe Regierungsmaßnahmen werden von dem reiferen und weitsichtigeren Korps der Allerhöchsten Assistenten besser überblickt und vollständiger begriffen, und gerade in solchen Situationen wie in vielen anderen erweist es sich, wie äußerst nützlich sie den Universumsherrschern und -verwaltern sind. ***** 37.5 Die Hohen Kommissare ***** Die Hohen Kommissare sind mit dem Geist fusionierte aufsteigende Sterbliche; sie haben nicht mit dem Justierer fusioniert. Ihr versteht die aufsteigende Universumslaufbahn eines Sterblichen, der nach der Fusion mit seinem Justierer strebt, recht gut, da diese hohe Bestimmung seit der Selbsthingabe von Christus Michael allen Sterblichen Urantias in Aussicht gestellt ist. Aber dieses exklusive Schicksal teilen in den der Selbsthingabe vorausgehenden Zeitaltern nicht alle Sterblichen von Welten wie der euren, und es gibt noch einen anderen Typ von Welten, deren Bewohner nie dauernd einen Gedankenjustierer besitzen. Solche Sterbliche gehen nie auf ewig eine Verbindung mit einem vom Paradies geschenkten Unergründlichen Mentor ein; trotzdem bewohnen die Justierer sie vorübergehend, indem sie ihnen als Führer und Vorbilder für die Dauer des irdischen Lebens dienen. Während dieses zeitlich begrenzten Aufenthaltes begünstigen sie die Entwicklung einer unsterblichen Seele genau so wie bei jenen Wesen, mit denen sie zu fusionieren hoffen, aber wenn die letzte Stunde kommt, nehmen sie auf ewig Abschied von den Geschöpfen, mit denen sie zeitweilig verbunden waren. Die fortlebenden Seelen dieser Ordnung gelangen durch die ewige Fusion mit einem individualisierten Geistfragment des Muttergeistes des Lokaluniversums zur Unsterblichkeit. Es handelt sich bei ihnen nicht um eine zahlreiche Gruppe, wenigstens nicht in Nebadon. Ihr werdet diesen mit dem Geist fusionierten Sterblichen auf den Residenzwelten begegnen und mit ihnen brüderlichen Umgang pflegen, während sie mit euch auf dem Paradies-Pfad bis Salvington aufsteigen, wo sie indessen Halt machen. Einige von ihnen steigen unter Umständen in der Folge zu höheren Universumsebenen auf, aber in ihrer Mehrzahl werden sie für immer im Dienst des Lokaluniversums bleiben; als Klasse sind sie nicht dazu bestimmt, das Paradies zu erreichen. Da sie nicht mit einem Justierer fusioniert haben, werden aus ihnen nie Finalisten, aber sie finden schließlich Aufnahme in das Korps der Vollkommenheit des Lokaluniversums. Sie haben im Geist das Gebot des Vaters befolgt: "Seid vollkommen." Nachdem die mit dem Geist fusionierten Aufsteiger das nebadonsche Korps der Vollkommenheit erreicht haben, können sie sich für die Stellung eines Universumshelfers entscheiden. Das ist einer der Wege ständigen erfahrungsmäßigen Wachstums, die ihnen offen stehen. Dadurch werden sie zu Anwärtern auf die Übernahme von Aufgaben, bei denen sie das hohe Amt eines Interpreten versehen können, der den himmlischen Behörden des Lokaluniversums die Gesichtspunkte der sich entwickelnden Geschöpfe der materiellen Welten darlegt. Die Hohen Kommissare beginnen ihren Dienst auf den Planeten als Rassenkommissare. Als solche interpretieren sie die Gesichtspunkte der verschiedenen Menschenrassen und bringen deren Bedürfnisse zum Ausdruck. Mit größter Hingabe sorgen sie für das Wohlergehen der Rassen, deren Sprecher sie sind, und sie trachten immer danach, für diese Sterblichen in all ihren Beziehungen zu anderen Völkern Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und faire Behandlung zu erwirken. Die Rassenkommissare kommen in einer endlosen Reihe planetarischer Krisen zum Einsatz und dienen ganzen Gruppen ringender Sterblicher, indem sie ihren Anliegen deutlichen Ausdruck verleihen. Nachdem sie während langer Zeit auf den bewohnten Welten beim Lösen von Problemen Erfahrung gesammelt haben, werden die Rassenkommissare auf höhere Wirkungsebenen befördert und erreichen schließlich den Status von Hohen Kommissaren ihres Lokaluniversums. Bei der letzten amtlichen Erfassung wurden in Nebadon etwas mehr als anderthalb Milliarden Hoher Kommissare gezählt. Diese Wesen sind zwar keine Finalisten, aber es sind aufsteigende Wesen mit langer Erfahrung, die ihrem heimatlichen Reich große Dienste erweisen. Wir finden diese Kommissare stets an allen Gerichtshöfen, vom niedrigsten bis zum höchsten. Sie nehmen zwar nicht am Rechtsverfahren selber teil, aber sie wirken als Freunde des Gerichts und beraten dessen Vorsitzende in allem, was sich auf Herkommen, Umfeld und innere Natur der vom Verfahren Betroffenen bezieht. Die Hohen Kommissare sind den verschiedenen Botschafterheeren des Raums und immer den dienenden Geisten der Zeit zugeteilt. Man begegnet ihnen an den Tagungen verschiedener Universumsversammlungen, und stets sind diese so menschenähnlichen Kommissare den Sendungen der Gottessöhne auf den Welten des Raums beigegeben. Wann immer Fairness und Gerechtigkeit Klarheit darüber verlangen, in welcher Weise sich eine bestimmte Politik oder Vorgehensweise auf die evolutionären Rassen der Zeit auswirken könnten, sind die Kommissare zur Stelle, um ihre Empfehlungen zu machen; sie sind immer da, um für jene zu sprechen, die nicht anwesend sein können, um für sich selber zu sprechen. Die Welten der mit dem Geist fusionierten Sterblichen. Die achte Gruppe von sieben Primärwelten mit ihren zugehörigen Satelliten im Salvingtonkreis ist der exklusive Besitz der mit dem Geist fusionierten Sterblichen von Nebadon. Die aufsteigenden, mit dem Justierer fusionierten Sterblichen sind von diesen Welten nicht betroffen, abgesehen davon, dass sie auf ihnen als geladene Gäste ihrer mit dem Geist fusionierten Bewohner viele angenehme und förderliche Aufenthalte verbringen. Außer jenen wenigen, die Uversa und das Paradies erreichen, sind diese Welten der dauernde Aufenthaltsort der mit dem Geist fusionierten Fortlebenden. Diese bewusste Begrenzung des sterblichen Aufstiegs wirkt sich auf die Lokaluniversen segensreich aus, indem sie das Dableiben einer dauernden, entwickelten Bevölkerung sicherstellt, deren wachsende Erfahrung kontinuierlich auf die künftige Stabilisierung und Diversifizierung der lokaluniversellen Verwaltung hinarbeitet. Diese Wesen erreichen zwar das Paradies nicht, aber sie gelangen in der Meisterung von Nebadonproblemen zu einer auf Erfahrung beruhenden Weisheit, die bei weitem alles übertrifft, was vorübergehende Aufsteiger erreichen. Diese fortlebenden Seelen fahren als einzigartige Verbindungen von Menschlichem mit Göttlichem weiter und werden immer fähiger, die Blickpunkte dieser weit auseinander liegenden Ebenen zusammenzubringen und diesen doppelten Gesichtspunkt mit stets wachsender Weisheit zu liefern. ***** 37.6 Die Himmlischen Inspektoren ***** Das Erziehungssystem Nebadons wird gemeinsam von den Lehrersöhnen der Trinität und dem Lehrkorps der Melchisedeks verwaltet, aber ein großer Teil der zu seinem Unterhalt und Aufbau nötigen Arbeit wird von den Himmlischen Inspektoren geleistet. Diese Wesen bilden ein Korps, das sich aus allen Typen von Persönlichkeiten rekrutiert, die mit dem Plan der Erziehung und Schulung der aufsteigenden Sterblichen in Verbindung stehen. Es gibt ihrer in Nebadon über drei Millionen. Es sind alles Freiwillige, die aufgrund ihrer Erfahrung die Qualifikation erworben haben, im ganzen Reich als Erziehungsberater zu dienen. Von ihrem Hauptquartier auf den Melchisedekwelten Salvingtons aus durchschweifen sie das Lokaluniversum als Inspektoren der nebadonschen Schulungstechnik, welche die Übung des Verstandes und die Erziehung des Geistes der aufsteigenden Geschöpfe zur Aufgabe hat. Diese Intelligenz- und Geistesschulung wird auf den Welten der menschlichen Herkunft begonnen und danach weiterverfolgt auf den Residenzwelten des Systems und auf den anderen mit Jerusem verbundenen Sphären des Fortschritts, auf den siebzig Edentia zugesellten und der Sozia-lisierung gewidmeten Reichen und weiter auf den Salvington umringenden vierhundertneunzig Sphären geistigen Fortschritts. Auf der Universumshauptwelt selbst gibt es zahlreiche Melchisedek-Schulen, die Hochschulen der Universumssöhne, die seraphischen Universitäten und die Schulen der Lehrersöhne und des Einigers der Tage. Jede erdenkliche Gelegenheit wird geboten, um die verschiedenen Universumspersönlichkeiten zu fortschreitendem Dienst und verbessertem Wirken zu befähigen. Das ganze Universum ist eine einzige riesige Schule. Die in vielen höheren Schulen angewandten Methoden übersteigen menschliche Vorstellung von der Kunst, die Wahrheit zu lehren, aber der Leitgedanke des gesamten Erziehungssystems ist dieser: Charaktererwerbung durch erleuchtete Erfahrung. Die Lehrer verschaffen die Erleuchtung; der Ort im Universum und der Status des Aufsteigers liefern die Erfahrungsmöglichkeit; der weise Gebrauch beider verstärkt den Charakter. Grundsätzlich sorgt das Erziehungssystem Nebadons für die Übertragung einer Aufgabe an euch und bietet euch dann Gelegenheit, in die ideale, göttliche Methode, wie diese Aufgabe am besten zu bewältigen ist, eingeführt zu werden. Man überträgt euch eine bestimmte Aufgabe und versieht euch zugleich mit fähigen Lehrern, die euch in der besten Methode zur Ausführung eures Auftrags unterrichten. Der göttliche Erziehungsplan sorgt für eine innige Verflechtung von Arbeit und Unterweisung. Wir lehren euch, wie ihr die Dinge, die wir euch zu tun befehlen, am besten ausführen könnt. Die dieser ganzen Schulung und Erfahrung zugrunde liegende Absicht ist es, euch auf die Zulassung zu den höheren und geistigeren Schulungssphären des Superuniversums vorzubereiten. Der Fortschritt in einem gegebenen Reich geschieht individuell, aber der Übergang von einer Phase zur nächsten findet gewöhnlich in Klassen statt. Der ewige Fortschritt besteht nicht nur aus geistiger Entwicklung. Auch intellektuelle Bereicherung ist ein Teil der universellen Erziehung. Die Erfahrung des Verstandes nimmt gleichzeitig mit der Erweiterung des geistigen Horizontes zu. Dem Verstand und dem Geist werden in gleicher Weise Gelegenheiten zu Übung und Fortschritt geboten. Aber bei all dieser wunderbaren Verstandes- und Geistesschulung seid ihr für immer von den Behinderungen durch das sterbliche Fleisch befreit. Ihr müsst nicht mehr dauernd zwischen den widerstreitenden Ansprüchen eurer auseinanderstrebenden geistigen und materiellen Naturen entscheiden. Endlich seid ihr so weit, euch des geeinten Antriebs eines verherrlichten Verstandes zu erfreuen, der seine primitive tierische Hinneigung zu materiellen Dingen seit langem abgelegt hat. Bevor sie das Universum von Nebadon verlassen, werden die meisten Sterblichen Urantias Gelegenheit erhalten, für längere oder kürzere Zeit als Mitglieder des nebadonschen Korps Himmlischer Inspektoren zu dienen. ***** 37.7 Die Lehrer der Residenzwelten ***** Die Lehrer der Residenzwelten sind rekrutierte, verherrlichte Cherubim. Wie viele andere Ausbilder Nebadons werden sie von den Melchisedeks eingesetzt. Sie wirken in den meisten erzieherischen Unternehmungen des morontiellen Lebens, und ihre Zahl liegt völlig jenseits dessen, was menschlicher Verstand fassen kann. Als eine von Cherubim und Sanobim angestrebte Vollbringungsebene werden die Lehrer der Residenzwelten in der nächsten Schrift ausführlicher besprochen, während auf sie als Lehrer, die im morontiellen Leben eine wichtige Rolle spielen, in der Schrift dieses Namens näher eingegangen wird. ***** 37.8 Zugeteilte Höhere Geistige Ordnungen ***** Nebst den Machtzentren und physischen Überwachern sind dem Lokaluniversum bestimmte der Familie des Unendlichen Geistes angehörende Geistwesen höherer Ordnung dauernd zugeteilt. Von den höheren Geistordnungen der Familie des Unendlichen Geistes sind die Folgenden so zugeteilt: Wenn die Einsamen Botschafter funktionell an die lokaluniverselle Verwaltung gebunden sind, leisten sie uns bei unserem Bemühen, die Hindernisse von Zeit und Raum zu überwinden, unschätzbare Dienste. Wenn sie nicht auf diese Weise zugeteilt sind, haben wir Angehörige der Lokaluniversen absolut keine Autorität über sie. Aber selbst dann sind diese einmaligen Wesen stets gewillt, uns bei der Lösung unserer Probleme und bei der Ausführung unserer Aufträge zu helfen. Andovontia ist der Name des tertiären Überwachers der Universumskreise, der in unserem Universum stationiert ist. Er beschäftigt sich einzig mit geistigen und morontiellen Kreisläufen und nicht mit den in den Zuständigkeitsbereich der Machtzentren fallenden. Er war es, der Urantia damals isolierte, als Caligastia in den prüfungsreichen Zeiten der Rebellion Luzifers den Planeten verriet. In einer Grußbotschaft an die Sterblichen Urantias bekundet er seine Freude im Ausblick auf eure dereinstige Wiedereingliederung in die ihm unterstehenden Universumskreise. Der Leiter der Geschöpfeszählung von Nebadon, Salsatia, hat sein Hauptquartier auf Salvington im Sektor Gabriels. Er besitzt automatische Kenntnis von der Geburt und vom Tod des Willens und registriert laufend die exakte Zahl der im Lokaluniversum lebenden Willensgeschöpfe. Er arbeitet eng mit den auf den Archivwelten der Erzengel wohnhaften Persönlichkeitschronisten zusammen. Ein Assoziierter Inspektor residiert auf Salvington. Er ist der persönliche Repräsentant der Höchsten Vollzieher Orvontons. Seine Mitarbeiter, die Zugeteilten Wachen der Lokalsysteme, sind ebenfalls Repräsentanten der Höchsten Vollzieher Orvontons. Die Universellen Schlichter sind die reisenden Gerichtshöfe der Universen von Zeit und Raum, die von den evolutionären Welten an aufwärts in jeder Sektion des Lokaluniversums und darüber hinaus funktionieren. Diese Schiedsrichter sind auf Uversa registriert; die exakte Zahl derer, die in Nebadon wirken, ist nicht bekannt, aber ich schätze, dass es in unserem Lokaluniversum etwa hundert Millionen Schlichtungskommissionen gibt. An Technischen Beratern, den gesetzeskundigen Intelligenzen des Reichs, beträgt unsere Quote ungefähr eine halbe Milliarde. Diese Wesen sind die lebendigen und reisenden erfahrungsmäßigen Gesetzesbibliotheken des ganzen Raums. Von den Himmlischen Chronisten, aufsteigenden Seraphim, besitzen wir in Nebadon fünfundsiebzig. Es handelt sich dabei um die leitenden oder Seniorchronisten. Die vorrückenden, in Ausbildung begriffenen Studenten dieser Ordnung zählen fast vier Milliarden. Das Wirken der siebzig Milliarden Morontieller Gefährten Nebadons wird in den Schriften dargestellt, die von den Übergangsplaneten der Pilger der Zeit handeln. Jedes Universum hat sein eigenes angestammtes Engelskorps; trotzdem gibt es Gelegenheiten, bei denen die Mitwirkung höherer Geiste, deren Ursprung ausserhalb der lokalen Schöpfung liegt, sehr hilfreich ist. Supernaphim sind gewisser seltener und einzigartiger Dienstleistungen fähig; das gegenwärtige Oberhaupt der Seraphim Urantias ist ein primärer Supernaph des Paradieses. Den reflexiven Sekonaphim begegnet man überall dort, wo eine superuniverselle Belegschaft arbeitet, und eine große Zahl von Tertiaphim leistet vorübergehenden Dienst als Allerhöchste Assistenten. ***** 37.9 Dauerbürger des Lokaluniversums ***** Wie die Superuniversen und das Zentraluniversum besitzt auch das Lokaluniversum seine Ordnungen von Dauerbürgern. Diese umfassen die folgenden erschaffenen Typen: 1. Susatia. 2. Univitatia. 3. Materielle Söhne. 4. Mittler-Geschöpfe. Diese Einheimischen der Lokalschöpfung bilden zusammen mit den mit dem Geist fusionierten Aufsteigern und den Spironga (die anders eingeordnet sind) eine relativ dauernde Bürgerschaft. Diese Ordnungen von Wesen sind im Großen und Ganzen weder auf- noch niedersteigend. Es sind alles erfahrungsmäßige Geschöpfe, aber ihre zunehmende Erfahrung fährt fort, dem Universum auf ihrer jeweiligen Ursprungsebene zugute zu kommen. Das stimmt ziemlich für all diese Ordnungen, obwohl es für die Adamischen Söhne und die Mittler-Geschöpfe nicht ganz zutrifft. Die Susatia. Diese wunderbaren Wesen wohnen und wirken als Dauerbürger auf Salvington, dem Hauptsitz dieses Lokaluniversums. Sie sind die brillanten Sprosse des Schöpfersohnes und des Schöpferischen Geistes, und sie stehen in enger Verbindung mit den aufsteigenden Bürgern des Lokaluniversums, den mit dem Geist fusionierten Sterblichen des nebadonschen Korps der Vollkommenheit. Die Univitatia. Jede der einhundert Konstellationshauptwelten samt den um sie versammelten architektonischen Sphären genießt die dauernde Hinwendung einer ortsansässigen Wesensordnung, die man unter dem Namen Univitatia kennt. Diese Kinder des Schöpfersohnes und des Schöpferischen Geistes bilden die bleibende Bevölkerung der Konstellationshauptwelten. Als der Fortpflanzung unfähige Wesen existieren sie auf einer Lebensebene etwa auf halbem Wege zwischen dem halbmateriellen Status der die Hauptwelten der Systeme bewohnenden Materiellen Söhne und der deutlicher geistigen Ebene der mit dem Geist fusionierten Sterblichen und der Susatia von Salvington; aber die Univitatia sind keine morontiellen Wesen. Sie leisten für die aufsteigenden Sterblichen während ihres Durchgangs durch die Konstellationssphären das, was die Einheimischen Havonas für die pilgernden Geiste auf ihrer Wanderung durch die zentrale Schöpfung tun. Die Materiellen Söhne Gottes. Wenn die schöpferische Verbindung zwischen dem Schöpfersohn und der Universumsrepräsentantin des Unendlichen Geistes, dem Muttergeist des Universums, ihren Zyklus erfüllt hat, wenn aus der Verbindung ihrer Naturen keine weiteren Nachkommen mehr hervorgehen, dann personifiziert der Schöpfersohn seine letzte Vorstellung von Wesen in doppelter Gestalt und bestätigt damit endgültig seinen eigenen ursprünglichen doppelten Ursprung. In sich und aus sich selber heraus erschafft er dann die schönen und prachtvollen Söhne und Töchter der materiellen Ordnung der Universumssohnschaft. So sind die ursprünglichen Adame und Evas jedes Lokalsystems von Nebadon entstanden. Sie sind eine fortpflanzungsfähige Sohnesordnung, da sie männlich und weiblich erschaffen wurden. Ihre Nachkommen üben die Funktion von relativ dauernden Bürgern einer Systemkapitale aus, obwohl einige von ihnen als planetarische Adame abbeordert werden können. Auf einer planetarischen Mission sind der Materielle Sohn und die Materielle Tochter beauftragt, die adamische Rasse jener Welt zu begründen, eine Rasse, die dazu bestimmt ist, sich schließlich mit den sterblichen Bewohnern jener Sphäre zu vermischen. Planetarische Adame sind sowohl niedersteigende als auch aufsteigende Söhne, aber wir ordnen sie gewöhnlich unter den aufsteigenden ein. Die Mittler-Geschöpfe. In den frühen Tagen der meisten bewohnten Welten leisten gewisse übermenschliche, aber materialisierte Wesen Dienst, die sich jedoch gewöhnlich gleich nach der Ankunft der planetarischen Adame zurückziehen. Die Handlungen solcher Wesen und die Anstrengungen der Materiellen Söhne zur Verbesserung der evolutionären Rassen haben oft das Auftreten einer begrenzten Anzahl von Geschöpfen zur Folge, die nur schwer einzuordnen sind. Diese einzigartigen Wesen sind oft auf halbem Wege zwischen den materiellen Söhnen und den evolutionären Geschöpfen zu situieren; daher ihr Name: Mittler-Geschöpfe. In vergleichendem Sinne sind diese Mittler die Dauerbürger der evolutionären Welten. Von den frühen Tagen der Ankunft eines Planetarischen Fürsten an bis zu der in weiter Ferne liegenden Zeit der Verankerung des Planeten im Licht und Leben bilden sie die einzige Gruppe intelligenter Wesen, die ständig auf der Sphäre bleiben. Auf Urantia sind die dienenden Mittler in Wirklichkeit die tatsächlichen Wächter des Planeten; sie sind in einem praktischen Sinne die Bürger Urantias. Die Sterblichen sind allerdings die physischen und materiellen Bewohner einer evolutionären Welt, aber ihr seid alle so kurzlebig; ihr verweilt nur so kurze Zeit auf eurem Geburtsplaneten. Ihr werdet geboren, lebt und sterbt und geht hinüber auf andere Welten evolutionären Fortschritts. Auch die übermenschlichen Wesen, die als himmlische Beauftragte auf den Planeten dienen, erfüllen nur vorübergehende Aufträge; nur wenige von ihnen sind längere Zeit an eine bestimmte Sphäre gebunden. Die Mittler-Geschöpfe hingegen sorgen angesichts ständig wechselnder himmlischer Missionsträger und sich dauernd ablösender sterblicher Bewohner für Kontinuität in der planetarischen Verwaltung. Inmitten all dieser unaufhörlichen Wechsel und Verschiebungen harren die Mittler-Geschöpfe auf dem Planeten aus und gehen ununterbrochen ihrer Arbeit nach. In gleicher Weise haben alle Abteilungen der Verwaltungsorganisation der Lokal- und Superuniversen ihre mehr oder weniger permanenten Bevölkerungen, Bewohner mit Bürgerstatus. So wie Urantia seine Mittler, besitzt Jerusem, eure Systemkapitale, seine Materiellen Söhne und Töchter; Edentia, euer Konstellationshauptsitz, verfügt über die Univitatia, während es auf Salvington zweierlei Bürger gibt, die erschaffenen Susatia und die entwickelten, mit dem Geist fusionierten Sterblichen. Die administrativen Welten der Kleinen und Großen Sektoren der Superuniversen haben keine Dauerbürger. Aber die Hauptwelten von Uversa werden ständig von einer erstaunlichen Gruppe von Wesen betreut, die Abandonter heißen und eine Schöpfung der nicht offenbarten ausführenden Organe der Ältesten der Tage und der in der Kapitale Orvontons residierenden sieben Reflexiven Geiste sind. Diese ortsansäßigen Uversabürger verwalten gegenwärtig die laufenden Angelegenheiten ihrer Welt unter der unmittelbaren Aufsicht des Uversakorps der mit dem Sohn fusionierten Sterblichen. Auch Havona hat seine einheimischen Wesen, und die zentrale Insel des Lichts und Lebens ist die Heimat der verschiedenen Gruppen von Paradies-Bürgern. ***** 37.10 Andere Gruppen des Lokaluniversums ***** Neben den seraphischen und sterblichen Ordnungen, die wir in späteren Schriften betrachten werden, arbeiten noch zahlreiche weitere Wesen am Unterhalt und an der Vervollkommnung einer so riesenhaften Organisation wie des Universums von Nebadon, das jetzt schon über drei Millionen bewohnter Welten zählt, während ihrer zehn Millionen in Aussicht stehen. Die verschiedenen Lebenstypen Nebadons sind viel zu zahlreich, als dass sie in dieser Schrift aufgeführt werden könnten, aber es mögen zwei ungewöhnliche Ordnungen erwähnt werden, die überall auf den 647 591 architektonischen Sphären des Lokaluniversums wirken. Die Spironga sind die geistigen Sprosse des Hellen Morgensterns und des Melchisedek-Vaters. Ihre Persönlichkeit nimmt nie ein Ende, aber sie sind keine evolutionären oder aufsteigenden Wesen, noch hat ihre Funktion etwas mit dem evolutionären Aufstiegsplan zu tun. Sie sind die geistigen Helfer des Lokaluniversums, die die alltäglichen geistigen Aufgaben Nebadons ausführen. Die Spornagia. Die architektonischen Hauptwelten des Lokaluniversums sind wirkliche Welten - physische Schöpfungen. Ihr physischer Unterhalt verlangt viel Arbeit, und dabei hilft uns eine Gruppe physischer, Spornagia genannter Geschöpfe. Ihre Sorge gilt der Pflege und dem Anbau der materiellen Phasen dieser Hauptwelten von Jerusem bis Salvington. Spornagia sind weder geistige Wesen noch Personen; sie sind eine tierische Existenzordnung. Aber wenn ihr sie sehen könntet, wäret ihr ebenfalls der Ansicht, dass sie vollkommenen Tieren gleichen. Die verschiedenen Freundlichkeitskolonien sind auf Salvington und anderswo zuhause. Wir profitieren insbesondere vom Wirken der himmlischen Künstler auf den Konstellationen und erfahren die Wohltat der Aktivitäten der Leiter der Rückschau, die hauptsächlich in den Kapitalen der Lokalsysteme tätig sind. Stets ist dem universellen Dienst ein Korps aufsteigender Sterblicher angegliedert, dem auch verherrlichte Mittler-Geschöpfe angehören. Nachdem diese Aufsteiger Salvington erreicht haben, werden sie bei der Handhabung der Universumsangelegenheiten in einer schier endlosen Vielfalt von Aktivitäten eingesetzt. Von jeder Ebene der Vollbringung aus wenden sich diese vorrückenden Sterblichen nach rückwärts und nach unten, um ihren Weggefährten, die hinter ihnen heraufklimmen, eine helfende Hand entgegenzustrecken. Solche Sterbliche, die sich vorübergehend auf Salvington aufhalten, werden auf Verlangen praktisch allen Korps himmlischer Persönlichkeiten als Helfer, Studenten, Beobachter und Lehrer zugeteilt. Es gibt noch andere Arten intelligenten Lebens, die sich mit der Verwaltung eines Lokaluniversums beschäftigen, aber der Plan dieses Berichtes sieht keine weitere Offenlegung dieser erschaffenen Ordnungen vor. Leben und Verwaltung dieses Universums sind damit ausreichend geschildert worden, um dem sterblichen Verstand zu erlauben, etwas von der Realität und Größe der Existenz nach dem Tode zu erahnen. Weitere Erfahrungen auf eurer progressiven Lebensbahn werden euch diese interessanten und anmutigen Wesen immer näher bringen. Dieser Bericht kann nicht mehr sein als eine kurze Skizze von Wesen und Wirken der mannigfaltigen Persönlichkeiten, die die Universen der Zeit in Scharen bevölkern und diese Schöpfungen als gewaltige Übungsschulen verwalten, als Schulen, durch welche die Pilger der Zeit vorrücken, Leben um Leben und Welt um Welt, bis sie von den Grenzen ihres Heimatuniversums aus liebevoll zum höheren Erziehungssystem des Superuniversums abgesandt werden und dann weiter auf die Havona-Welten der Geistschulung und schließlich zum Paradies und zur hohen Bestimmung von Finalisten - mit dem ewigen Auftrag zu Missionen, die den Universen von Zeit und Raum noch nicht offenbart worden sind. [Diktiert von einem Leuchtenden Abendstern von Nebadon, der Nummer 1 146 des Erschaffenen Korps.] ****** Kapitel 38 Dienende Geiste des Lokaluniversums ****** MAN unterscheidet zwischen drei Persönlichkeitsordnungen des Unendlichen Geistes. Der ungestüme Apostel besaß darüber Klarheit, als er von Jesus schrieb: "Der in den Himmel gegangen ist und zur Rechten Gottes sitzt, während ihm Engel, Gewalten und Mächte untertan sind." Die Engel sind die dienenden Geiste der Zeit, die Gewalten die Botschafterheere des Raums und die Mächte die höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. Gleich den Supernaphim im Zentraluniversum und den Sekonaphim in einem Superuniversum bilden die Seraphim zusammen mit den ihnen beigesellten Cherubim und Sanobim das Engelskorps eines Lokaluniversums. Die Seraphim besitzen alle einen ziemlich einheitlichen Typ. Von Universum zu Universum und durch alle sieben Superuniversen hindurch weichen sie nur minimal voneinander ab; von allen geistigen Typen persönlicher Wesen kommen sie einem Einheitstyp am nächsten. Ihre verschiedenen Ordnungen bilden das Korps der gewandten, gewöhnlichen Diener der Lokalschöpfungen. ***** 38.1 Ursprung der Seraphim ***** Die Seraphim werden durch den Muttergeist des Universums erschaffen, und seit der Erschaffung der "Urmusterengel" und gewisser Engelarchetypen in Nebadons Frühzeit werden sie in Einheitsformationen - 41 472 auf einmal - hervorgebracht. Der Schöpfersohn und die Universumsrepräsentantin des Unendlichen Geistes erschaffen eine große Zahl von Söhnen und anderen Universumspersönlichkeiten in Kollaboration. Nach Abschluss dieser gemeinsamen Anstrengung macht sich der Sohn an die Erschaffung der Materiellen Söhne, der ersten geschlechtlichen Geschöpfe, während die Geistmutter des Universums parallel dazu mit ihrer ersten einsamen Anstrengung der Geistfortpflanzung beginnt. Das ist der Beginn der Erschaffung der seraphischen Heerscharen eines Lokaluniversums. Diese Engelsordnungen werden zu dem Zeitpunkt projektiert, wo die Entwicklung sterblicher Willensgeschöpfe geplant wird. Die Erschaffung der Seraphim geht auf die Erlangung relativer Persönlichkeit durch den Universumsmuttergeist zurück, nicht als spätere Gleichgeordnete des Meistersohnes, sondern als frühere schöpferische Helferin des Schöpfersohnes. Vor diesem Ereignis wurden die in Nebadon diensttuenden Seraphim vorübergehend von einem benachbarten Universum ausgeliehen. Periodisch werden immer neue Seraphim erschaffen; das Universum von Nebadon ist noch im Werden. Der Universumsmuttergeist stellt seine schöpferische Tätigkeit in einem wachsenden und sich vervollkommnenden Universum nie ein. ***** 38.2 Wesen der Engel ***** Die Engel haben keine materiellen Körper, sind aber ganz bestimmte, eindeutige Wesen; ihre Natur und ihr Ursprung sind geistig. Obwohl sie selber für Sterbliche unsichtbar sind, nehmen sie euch in eurer Körperlichkeit ohne Hilfe von Transformatoren oder Übersetzern wahr; sie verstehen die sterbliche Lebensweise intellektuell und teilen alle menschlichen nicht-sinnlichen Emotionen und Gefühle. Sie würdigen eure Bemühungen in Musik, Kunst und wirklichem Humor und freuen sich sehr darüber. Sie kennen eure Gewissenskämpfe und geistigen Schwierigkeiten vollkommen. Sie lieben die menschlichen Wesen, und aus eurem Bemühen, sie verstehen und lieben zu lernen, kann nur Gutes entstehen. Obwohl die Seraphim sehr liebevolle und mitfühlende Wesen sind, sind sie keine Geschöpfe mit geschlechtlichen Empfindungen. Sie gleichen sehr dem, was ihr einst auf den Residenzwelten sein werdet, wo ihr "weder heiratet noch verheiratet werdet, sondern wie die Engel des Himmels seid". Denn alle, die "für würdig befunden werden, die Residenzwelten zu erreichen, heiraten nicht und werden nicht verheiratet; auch sterben sie nicht mehr, denn sie sind den Engeln gleich". Trotzdem pflegen wir, wenn wir es mit geschlechtlichen Geschöpfen zu tun haben, von jenen Wesen, die unmittelbarer vom Vater und vom Sohn abstammen, als von den Söhnen Gottes zu sprechen, hingegen von den Töchtern Gottes, wenn es sich um die Kinder des Geistes handelt. Deshalb verwendet man auf den Planeten mit Geschlechtswesen für die Engel im Allgemeinen weibliche Fürwörter. Die Seraphim sind so erschaffen, dass sie auf der geistigen wie auf der materiellen Ebene wirken können. Es gibt nur wenige Phasen morontieller oder geistiger Betätigung, die ihren Diensten unzugänglich sind. Während die Engel in ihrem persönlichen Status von den Menschen nicht so weit entfernt sind, übertreffen die Seraphim sie in bestimmten funktionellen Leistungen bei weitem. Sie sind mancher Dinge fähig, die menschliches Fassungsvermögen erheblich übersteigen. Zum Beispiel hat man euch gesagt, dass "sogar die Haare auf eurem Kopf gezählt sind", und sie sind es tatsächlich, aber ein Seraph verbringt seine Zeit nicht damit, sie zu zählen und ihre Zahl auf den neuesten Stand zu bringen. Die Engel besitzen angeborene und automatische (das heißt für eure Wahrnehmung automatische) Fähigkeiten, um solche Dinge zu wissen; ihr würdet einen Seraphen wahrhaftig als ein mathematisches Wunder betrachten. Deshalb lösen die Seraphim mit äußerster Leichtigkeit zahlreiche Aufgaben, bei denen es Sterblichen schwindlig würde. Die Engel besitzen einen höheren geistigen Status als ihr, aber sie sind nicht eure Richter oder Ankläger. Was für Fehler ihr auch immer begeht, so "erheben die Engel, obwohl größer an Macht und Gewalt, gegen euch keine Anklagen". Die Engel sitzen über die Menschheit nicht zu Gericht, und ebenso wenig sollten einzelne Sterbliche ihre Mitgeschöpfe vorschnell verurteilen. Ihr tut gut daran, sie zu lieben, aber ihr solltet sie nicht anbeten; Engel sind keine Objekte der Anbetung. Als euer Seher "dem Engel zu Füßen fiel, um ihn anzubeten", sagte der große Seraph Loyalatia zu ihm: "Sieh davon ab, so etwas zu tun; ich bin dein und deiner Rassen Gefährte im Dienen, und wir sind alle aufgefordert, Gott anzubeten." Ihrem Wesen und ihren Persönlichkeitsgaben nach befinden sich die Seraphim auf der Stufenleiter der Geschöpfesexistenz eine Spur oberhalb der sterblichen Rassen. Tatsächlich werdet ihr ihnen sehr stark gleichen, wenn ihr einmal vom Fleisch befreit seid. Auf den Residenzwelten werdet ihr lernen, die Seraphim zu schätzen, auf den Konstellationssphären, ihre Gesellschaft zu genießen, und auf Salvington werden sie ihre Stätten der Rast und Andacht mit euch teilen. Während des ganzen morontiellen und darauf folgenden geistigen Aufstiegs wird euer brüderlicher Umgang mit den Seraphim ideal, eure Kameradschaft prachtvoll sein. ***** 38.3 Nicht offenbarte Engel ***** Zahlreiche Ordnungen geistiger Wesen wirken überall in Bereichen des Lokaluniversums, die den Sterblichen deshalb nicht bekannt gegeben werden, weil sie in keiner Beziehung zum evolutionären Plan des Aufstiegs zum Paradies stehen. In dieser Schrift wird das Wort "Engel" mit Vorsatz einzig zur Bezeichnung jener seraphischen und mit ihnen verbundenen Kinder des Universums-Muttergeistes gebraucht, die in so hohem Maße an der Abwicklung des Planes für das menschliche Fortleben beteiligt sind. Sechs andere Ordnungen verwandter Wesen dienen im Lokaluniversum, die nicht offenbarten Engel, die auf keine spezifische Weise mit den Universumsaktivitäten verbunden sind, die sich mit dem Aufstieg der evolutionären Sterblichen zum Paradies befassen. Diese sechs Gruppen engelhafter Mitarbeiter werden nie Seraphim genannt oder als dienende Geiste bezeichnet. Diese Persönlichkeiten sind völlig mit administrativen und anderen Angelegenheiten Nebadons beschäftigt, Aufgaben, die in keinem Zusammenhang mit der fortschreitenden Laufbahn des Menschen, mit seinem geistigen Aufstieg und seiner Erlangung von Vollkommenheit stehen. ***** 38.4 Die Seraphischen Welten ***** Die neunte Gruppe von sieben primären Sphären im Kreis Salvingtons wird von den Welten der Seraphim gebildet. Jede dieser Welten besitzt sechs zugehörige Satelliten, auf denen sich die allen Phasen seraphischer Ausbildung gewidmeten Spezialschulen befinden. Zwar haben die Seraphim Zugang zu allen neunundvierzig Welten, die diese Gruppe von Salvington-Sphären bilden, aber sie besetzen ausschließlich die erste Siebnergruppe. Die restlichen sechs Gruppen werden von den sechs auf Urantia nicht offenbarten Ordnungen engelhafter Mitarbeiter eingenommen; jede dieser Gruppen unterhält ein Hauptquartier auf einer dieser sechs primären Welten und geht auf den sechs zugehörigen Satelliten spezialisierten Aktivitäten nach. Jede Engelsordnung hat freien Zutritt zu allen Welten der sieben verschiedenen Gruppen. Diese Hauptwelten zählen zu den herrlichsten Reichen Nebadons; das besondere Merkmal der seraphischen Behausungen sind ihre Schönheit und Weite. Hier besitzt jeder Seraph ein wirkliches Heim, und "Heim" bedeutet Wohnstätte von zwei Seraphim; denn sie leben in Paaren. Obwohl nicht männlich und weiblich wie die Materiellen Söhne und die sterblichen Rassen, sind die Seraphim negativ und positiv. Bei der Mehrzahl ihrer Verwendungen braucht es zur Erfüllung des Auftrags zwei Engel. Wenn sie nicht im Kreislauf geschaltet sind, können sie auch allein arbeiten; ebenso wenig brauchen sie eine Seinsergänzung, solange sie stationär bleiben. Gewöhnlich behalten sie ihre ursprüngliche Seinsergänzung bei, aber nicht notwendigerweise. Solche Verbindungen sind hauptsächlich funktionell bedingt; sie charakterisieren sich durch keine sexuellen Empfindungen, obwohl sie äußerst persönlich und wahrhaft liebevoll sind. Neben bestimmten Heimen verfügen die Seraphim auch über Gruppen-, Kompanie-, Bataillons- und Einheitshauptsitze. Alle tausend Jahre versammeln sie sich an Treffen, bei denen alle anwesend sind, die zum selben Zeitpunkt erschaffen wurden. Wenn ein Seraph Verantwortungen wahrnimmt, die keine Abwesenheit vom Dienst zulassen, besucht er die Treffen im Wechsel mit seinem Komplementärwesen, wobei er von einem Seraphen mit einem anderen Geburtsdatum abgelöst wird. Das erlaubt jedem seraphischen Partner, wenigstens an jeder zweiten Zusammenkunft teilzunehmen. ***** 38.5 Seraphische Ausbildung ***** Die Seraphim verbringen ihre ersten tausend Jahre als unbeauftragte Beobachter auf Salvington und seinen Weltenschulen. Das zweite Jahrtausend wird auf den seraphischen Welten des Salvingtonkreises verlebt. Ihre zentrale Ausbildungsstätte untersteht jetzt der Leitung der ersten einhunderttausend Seraphim von Nebadon, und an ihrer Spitze steht der ursprüngliche oder erstgeborene Engel des Lokaluniversums. Die erste erschaffene Gruppe nebadonscher Seraphim erfuhr ihre Ausbildung durch ein Korps von eintausend Seraphim aus Avalon; in der Folge wurden unsere Engel durch ihre eigenen Senioren unterrichtet. Die Melchisedeks nehmen auch in großem Maße an der Erziehung und Schulung aller Engel des Lokaluniversums - der Seraphim, Cherubim und Sanobim - teil. Nach Abschluss dieser Ausbildungszeit auf den seraphischen Welten Salvingtons werden die Seraphim in den herkömmlichen Gruppen und Einheiten der Engelsorganisation mobilisiert und irgendeiner Konstellation zugeteilt. Noch haben sie keine Beauftragung als dienende Geiste, obwohl sie sich bereits mitten in den einer solchen Beauftragung vorausgehenden Phasen seraphischer Einübung befinden. Die Seraphim arbeiten sich als dienende Geiste ein, indem sie als Beobachter auf den niedersten der evolutionären Welten dienen. Nach dieser Erfahrung kehren sie auf die Trabantenwelten des Hauptsitzes der sie beschäftigenden Konstellation zurück, um ihre höheren Studien in Angriff zu nehmen und sich gezielter auf den Dienst in einem bestimmten Lokalsystem vorzubereiten. Im Anschluss an diese allgemeine Erziehung werden sie zum Dienst in einem der Lokalsysteme befördert. Auf den mit irgendeiner System-Hauptwelt Nebadons verbundenen architektonischen Welten vollenden unsere Seraphim ihre Ausbildung und werden dann als dienende Geiste der Zeit bevollmächtigt. Nach erteilter Vollmacht können die Seraphim überall in Nebadon, ja sogar in Orvonton, eingesetzt werden. Ihrem Wirken im Universum sind weder Schranken noch Grenzen gesetzt; sie sind eng mit den materiellen Geschöpfen der Zeit verbunden und stehen immer im Dienste der niedrigeren Ordnungen geistiger Persönlichkeiten, wobei sie den Kontakt zwischen diesen Wesen der geistigen Welt und den Sterblichen der materiellen Welten herstellen. ***** 38.6 Die Seraphische Organisation ***** Nach dem zweiten am seraphischen Hauptsitz verbrachten Millennium werden die Seraphim in Zwölfergruppen (12 Paare, 24 Seraphim) unter je einem Chef eingeteilt. Zwölf solcher Gruppen bilden eine Kompanie (144 Paare, 288 Seraphim), die von einem Führer befehligt wird. Zwölf Kompanien unter einem Kommandanten bilden ein Bataillon (1 728 Paare oder 3 456 Seraphim), und zwölf Bataillone unter einem Leiter machen eine seraphische Einheit (20 736 Paare oder 41 472 Individuen) aus, während zwölf Einheiten, die dem Kommando eines Oberleiters unterstehen, eine Legion mit 248 832 Paaren oder 497 664 Individuen bilden. Auf eine solche Engelsgruppe spielte Jesus in jener Nacht im Garten von Gethsemane an, als er sagte: "Ich kann noch jetzt meinen Vater darum bitten, und er wird mir augenblicklich mehr als zwölf Engelslegionen geben." Aus zwölf Engelslegionen baut sich eine 2 985 984 Paare oder 5 971 968 Individuen umfassende Heerschar auf, und zwölf solcher Heerscharen (35 831 808 Paare oder 71 663 616 Individuen) machen die größte zum Einsatz gelangende seraphische Organisation, eine Engelsarmee, aus. Eine seraphische Heerschar wird von einem Erzengel oder einer anderen Persönlichkeit mit entsprechendem Status befehligt, während die Engelsarmeen von den Leuchtenden Abendsternen oder anderen von Gabriels unmittelbaren Leutnants angeführt werden. Und Gabriel ist der "oberste Befehlshaber der Himmelsarmeen", der Regierungschef des Souveräns von Nebadon, "Gott, Herr der Heere". Obwohl die Seraphim und alle anderen Ordnungen des Lokaluniversums unmittelbar unter dem Unendlichen Geist in seiner Personifizierung auf Salvington dienen, stehen sie seit der Selbsthingabe Michaels auf Urantia unter der Souveränität des Meistersohnes. Selbst als Michael auf Urantia als Mensch geboren wurde, erging an ganz Nebadon eine superuniverselle Fernmeldung, welche proklamierte: "Und lasst alle Engel ihn anbeten." Die Engel aller Ränge sind seiner Souveränität untertan; sie sind ein Teil jener Gruppe, die man "seine mächtigen Engel" bezeichnet hat. ***** 38.7 Cherubim und Sanobim ***** Bezüglich aller wesentlichen Gaben sind Cherubim und Sanobim den Seraphim gleich. Sie haben denselben Ursprung, aber nicht immer dieselbe Bestimmung. Sie sind wunderbar intelligent und staunenswert wirksam, rührend liebevoll und fast menschlich. Sie sind die niedrigste Engelsordnung und deshalb den fortgeschritteneren Typen menschlicher Wesen auf den evolutio-nären Welten umso näher verwandt. Cherub und Sanob sind von Natur aus miteinander verbunden und bilden eine funktionelle Einheit. Der eine ist eine mit positiver, der andere eine mit negativer Energie geladene Persönlichkeit. Der Rechtsdeflektor oder positiv geladene Engel ist der Cherub - die kontrollierende oder Seniorpersönlichkeit. Der Linksdeflektor oder negativ geladene Engel ist der Sanob - die Seinsergänzung. Jeder der beiden Engelstypen ist bei einsamem Funktionieren sehr eingeschränkt; deshalb dienen sie gewöhnlich in Paaren. Wenn sie unabhängig von ihren seraphischen Leitern dienen, sind sie mehr denn je auf gegenseitigen Kontakt angewiesen und funktionieren stets gemeinsam. Cherubim und Sanobim sind die treuen und wirksamen Helfer der seraphischen Betreuer, und alle sieben seraphischen Ordnungen sind mit diesen ihnen unterstellten Assistenten wohl versehen. Während ganzer Zeitalter dienen Cherubim und Sanobim in dieser Eigenschaft, aber sie begleiten die Seraphim nicht auf Missionen außerhalb der Grenzen des Lokaluniversums. Cherubim und Sanobim sind die routinemäßigen geistigen Arbeiter der Einzelwelten der Systeme. Bei nichtpersönlichen Einsätzen oder in Notfällen können sie anstelle eines seraphischen Paares dienen, aber sie wirken nie, auch nicht vorübergehend, als Engel, die menschliche Wesen umsorgen; dies ist ein ausschließlich seraphisches Privileg. Wenn die Cherubim einem Planeten zugeteilt werden, treten sie in die örtlichen Ausbildungskurse ein, die das Studium planetarischer Gebräuche und Sprachen einschließen. Die dienenden Geiste der Zeit sind alle zweisprachig, da sie die Sprache des Lokaluniversums ihres Ursprungs sowie diejenige ihres heimatlichen Superuniversums beherrschen. Durch Studium in den Schulen der Welten lernen sie weitere Sprachen hinzu. Wie die Seraphim und alle anderen Ordnungen geistiger Wesen unternehmen die Cherubim und Sanobim fortwährend Anstrengungen zur Selbstvervollkommnung. Nur untergeordnete Wesen wie diejenigen, die die Macht kontrollieren und die Energie lenken, sind des Fortschritts unfähig; alle Geschöpfe mit wirklichem oder potentiellem persönlichem Wollen streben danach, Neues zu vollbringen. Die Natur von Cherubim und Sanobim kommt der morontiellen Existenzebene sehr nahe, und sie erweisen sich im Grenzbereich zwischen physischer, morontieller und geistiger Welt als äußerst wirksam. Diese Kinder des Muttergeistes des Lokaluniversums werden ganz ähnlich den Serviten Havonas und den Schlichtungskommissionen durch "vierte Geschöpfe" charakterisiert. Jeder vierte Cherub und jeder vierte Sanob sind quasi-materiell und gleichen ganz ausgesprochen der morontiellen Existenzebene. ie vierten Engelsgeschöpfe sind den Seraphim in den mehr materiellen Phasen ihrer universellen und planetarischen Aktivitäten eine große Hilfe. Diese morontiellen Cherubim übernehmen auch viele unerlässliche Aufgaben in den Grenzbereichen auf den morontiellen Schulungswelten, und sie werden den Morontiellen Gefährten in großer Zahl zugeteilt. Was die Mittler-Geschöpfe den evolutionären Planeten, sind sie in etwa den morontiellen Sphären. Auf den bewohnten Welten arbeiten die morontiellen Cherubim oft in Verbindung mit den Mittler-Geschöpfen. Cherubim und Mittler-Geschöpfe sind eindeutig getrennte Wesensordnungen; sie haben unterschiedliche Ursprünge, aber in Wesen und Funktionsweise zeigen sie große Ähnlichkeit. ***** 38.8 Die Evolution von Cherubim und Sanobim ***** Den Cherubim und Sanobim eröffnen sich zahlreiche Wege fortschreitenden Dienstes, die zu einem höheren Status führen; und diesen kann die Umfangung durch die Göttliche Ministerin noch weiter heben. Hinsichtlich ihres evolutionären Potentials gibt es drei große Klassen von Cherubim und Sanobim: 1. Aufstiegskandidaten. Diese Wesen sind von Natur aus Anwärter auf den seraphischen Status. Cherubim und Sanobim dieser Ordnung sind glänzend begabt, obwohl ihre natürliche Anlage nicht an diejenige der Seraphim heranreicht; aber Fleiß und Erfahrung ermöglichen es ihnen, die volle seraphische Statur zu erreichen. 2. Cherubim der mittleren Stufe. Das sind die von Natur aus beschränkten Wesen der Engelsschöpfungen; denn nicht alle Cherubim und Sanobim haben dasselbe Aufstiegspotential. Die meisten von ihnen bleiben für immer Cherubim und Sanobim, obwohl die Begabteren unter Umständen zu begrenztem seraphischem Dienst gelangen. 3. Morontielle Cherubim. Diese "vierten Geschöpfe" der Engelsordnungen behalten stets ihre quasi-materiellen Eigenschaften. Zusammen mit der Mehrzahl ihrer Brüder der mittleren Stufe werden sie bis zur vollkommenen Verwirklichung des Supremen Wesens als Cherubim und Sanobim weiterdienen. Während das Wachstumspotential der zweiten und dritten Gruppe einigermaßen begrenzt ist, können die Aufstiegskandidaten die Höhen universellen seraphischen Dienstes erreichen. Viele von den erfahreneren dieser Cherubim werden den seraphischen Schicksalshütern beigegeben, was sie in die direkte Ausgangsposition bringt, um zum Status von Lehrern der Residenzwelten aufzusteigen, wenn ihre seraphischen Senioren sie verlassen. Den Schicksalshütern stehen als Helfer keine Cherubim und Sanobim mehr zur Verfügung, wenn ihre sterblichen Schützlinge das morontielle Leben erreichen. Und wenn andere Typen evolutionärer Seraphim die Bewilligung erhalten, sich nach Seraphington und dem Paradies aufzumachen, müssen sie ihre bisherigen Untergebenen verlassen, wenn sie sich außerhalb der Grenzen Nebadons begeben. Solch zurückgelassene Cherubim und Sanobim werden gewöhnlich vom Universums-Muttergeist umfangen, wodurch sie auf eine Ebene gelangen, die derjenigen eines Lehrers der Residenzwelten auf der seraphischen Statusleiter entspricht. Nachdem die einmal umfangenen Cherubim und Sanobim während langer Zeit als Lehrer der Residenzwelten auf den morontiellen Sphären - von den niedrigsten bis zu den höchsten - gedient haben, und wenn ihr Korps auf Salvington übervoll ist, fordert der Helle Morgenstern diese treuen Diener der Geschöpfe der Zeit auf, vor ihm zu erscheinen. Der Eid der Persönlichkeitsumwandlung wird abgenommen, und danach werden diese fortgeschrittenen Seniorcherubim und - sanobim in Gruppen zu siebentausend von neuem vom Universums-Muttergeist umfangen. Aus dieser zweiten Umarmung gehen sie als vollwertige Seraphim hervor. Von nun an steht diesen wiedergeborenen Cherubim und Sanobim die vollständige Laufbahn eines Seraphen mit all ihren Paradies-Möglichkeiten offen. Solche Engel können menschlichen Wesen als Schicksalshüter zugeteilt werden, und wenn ihr sterblicher Schützling das Fortleben schafft, werden sie wählbar zum Weitergehen nach Seraphington und zu den sieben Kreisen seraphischer Vollbringung, ja sogar zum Paradies und zum Korps der Finalität. ***** 38.9 Die Mittler-Geschöpfe ***** Man klassifiziert die Mittler-Geschöpfe auf dreierlei Weise: Sie werden zu Recht unter die aufsteigenden Söhne Gottes eingereiht; sie werden den Tatsachen entsprechend zu den Ordnungen der Dauerbürger gezählt, während sie der Funktion nach und aufgrund ihrer engen und wirksamen Verbindung mit den Engelscharen im Dienst an den sterblichen Menschen auf den Einzelwelten des Raums den dienenden Geisten der Zeit zugerechnet werden. Diese einzigartigen Geschöpfe erscheinen auf der Mehrzahl der bewohnten Welten, und man findet sie immer auf den Dezimal- oder Lebensexperimentier-Planeten wie Urantia. Es gibt zwei Typen von Mittlern - primäre und sekundäre - und sie erscheinen durch folgende Techniken: 1. Die primären Mittler, die geistigere Gruppe, sind eine einigermaßen standardisierte Ordnung von Wesen, die alle aus den zum Stab des Planetarischen Fürsten gehörenden, modifizierten sterblichen Aufsteigern hervorgehen. Die Zahl der primären Mittler-Geschöpfe beträgt immer fünfzigtausend, und kein sich ihres Wirkens erfreuender Planet besitzt eine größere Zahl von ihnen. 2. Die Zahl der sekundären Mittler, der materielleren Gruppe dieser Geschöpfe, ist von Welt zu Welt sehr verschieden, obwohl das Mittel bei fünfzigtausend liegt. Sie entstammen unterschiedlich den planetarischen biologischen Veredlern, den Adamen und Evas, oder deren unmittelbaren Nachkommen. Nicht weniger als vierundzwanzig verschiedene Techniken werden auf den evolutionären Welten des Raums zur Erzeugung dieser sekundären Mittler-Geschöpfe angewandt. Die Entstehungsweise ihrer Gruppe auf Urantia war unüblich und außergewöhnlich. Weder die eine noch die andere Gruppe ist ein evolutionärer Zwischenfall; beide sind wesentliche Bestandteile der vorausbestimmten Pläne der Universumsarchitekten, und ihr Auftreten auf den evolutionären Welten zu einem günstigen Zeitpunkt geschieht gemäß den ursprünglichen Vorstellungen und Entwicklungsplänen der überwachenden Lebensbringer. Die primären Mittler werden durch die Engelstechnik mit intellektueller und geistiger Energie versehen und besitzen einen uniformen intellektuellen Status. Die sieben mentalen Hilfsgeiste haben keinen Kontakt mit ihnen, und nur der sechste und siebente, der Geist der Anbetung und der Geist der Weisheit, können auf die sekundäre Gruppe einwirken. Die sekundären Mittler werden durch die adamische Technik mit physischer Energie versorgt, dem geistigen Kreislauf durch die seraphische Technik angeschlossen und intellektuell mit dem morontiellen Übergangs-Verstandestyp ausgerüstet. Sie sind in vier physische Typen und geistig in sieben Ordnungen unterteilt und sprechen intellektuell auf zwölf Ebenen auf die gemeinsame Einwirkung der beiden letzten Hilfsgeiste und des morontiellen Verstandes an. Diese Verschiedenheiten bestimmen ihre unterschiedlichen Aktivitäten und planetarischen Verwendungen. Die primären Mittler gleichen mehr Engeln als Sterblichen; die sekundären Ordnungen sind viel mehr wie menschliche Wesen. Beide leisten sich gegenseitig unschätzbare Dienste bei der Ausführung ihrer mannigfaltigen planetarischen Aufträge. Die primären Wesen können sowohl mit den Überwachern morontieller und geistiger Energie als auch mit den Handhabern der Verstandeskreisläufe Verbindung aufnehmen und zusammenarbeiten. Die sekundäre Gruppe kann nur mit den physischen Überwachern und den Handhabern der materiellen Kreisläufe Arbeitsverbindungen herstellen. Aber da beide Mittler-Ordnungen miteinander perfekt synchronisierten Kontakt aufnehmen können, ist jede von ihnen zur praktischen Verwendung der gesamten Energieskala imstande, von der rohen physischen Macht der materiellen Welten über die Übergangsphasen der universellen Energien bis hin zu den höheren Kräften geistiger Realität der himmlischen Reiche. Der Abgrund zwischen den materiellen und geistigen Welten wird vollkommen überbrückt durch das Zusammenwirken in Serie zwischen sterblichem Menschen, sekundärem Mittler, primärem Mittler, morontiellem Cherub, Cherub der mittleren Stufe und Seraph. In der persönlichen Erfahrung eines einzelnen Sterblichen werden diese verschiedenen Ebenen durch das unbemerkte und geheimnisvolle Wirken des göttlichen Gedankenjustierers ohne Zweifel mehr oder weniger geeint und persönlich bedeutungsvoll gemacht. Auf normalen Planeten walten die primären Mittler ihres Amtes als Nachrichtenkorps und als himmlische Gastgeber im Namen des Planetarischen Fürsten, während die sekundären Wesen ihre Zusammenarbeit mit der adamischen Ordnung zur Förderung der progressiven planetarischen Zivilisation fortsetzen. Wenn ein Planetarischer Fürst abtrünnig oder ein Materieller Sohn fehlbar wird, wie es auf Urantia geschehen ist, werden die Mittler-Geschöpfe Mündel des Systemsouveräns und dienen unter der Leitung des amtierenden Verwalters des Planeten. Aber nur auf drei anderen Welten Satanias funktionieren diese Wesen als eine einzige Gruppe unter einheitlicher Führung wie die vereinigten Mittler-Diener Urantias. Das planetarische Wirken der primären und sekundären Mittler auf den zahlreichen Einzelwelten eines Universums ist abwechslungsreich und unterschiedlich, aber auf normalen, durchschnittlichen Planeten sind ihre Aktivitäten sehr verschieden von den Aufgaben, die ihre Zeit auf isolierten Sphären wie Urantia beanspruchen. Die primären Mittler sind die planetarischen Historiker, die von der Zeit der Ankunft des Planetarischen Fürsten an bis ins Zeitalter der Verankerung im Licht und Leben für die Zurschaustellung der Planeten auf den Systemhauptwelten historische Festspiele inszenieren und Porträts der planetarischen Geschichte entwerfen. Die Mittler harren während langer Zeitperioden auf einer bewohnten Welt aus, aber wenn sie ihrem Auftrag treu bleiben, werden sie schließlich und mit großer Sicherheit lobende Anerkennung finden für ihren ganze Zeitalter währenden Dienst zur Aufrechterhaltung der Souveränität des Schöpfersohnes; sie werden für ihre geduldige Hingabe an die materiellen Sterblichen ihrer Welt von Zeit und Raum gebührend belohnt werden. Früher oder später werden alle beglaubigten Mittler-Geschöpfe in die Reihen der aufsteigenden Söhne Gottes aufgenommen und ordnungsgemäß eingeführt werden in das lange Abenteuer des Aufstiegs zum Paradies in Gesellschaft derselben Sterblichen tierischen Ursprungs, ihrer irdischen Brüder, über die sie während ihres langen planetarischen Aufenthaltes so eifersüchtig gewacht und denen sie so erfolgreich gedient haben. [Dargeboten von einem Melchisedek auf Ersuchen des Chefs der Seraphischen Heerscharen von Nebadon.] ****** Kapitel 39 Die Seraphischen Heerscharen ****** SOWEIT wir wissen, ist es die Absicht des Unendlichen Geistes in seiner Personifizierung auf der Hauptwelt des Lokaluniversums, alle Seraphim gleich vollkommen zu erschaffen, aber aus einem unbekannten Grunde sind diese seraphischen Abkömmlinge sehr verschieden. Ihre Verschiedenheit rührt vielleicht von einer unbekannten Einschaltung der sich entwickelnden erfahrungsmäßigen Gottheit her; ob dem so ist, können wir nicht beweisen. Aber wir beobachten, dass jedes Mal, wenn Seraphim erzieherischen Tests und schulischer Disziplin unterworfen werden, sie sich unfehlbar und eindeutig in die sieben folgenden Kategorien aufteilen: 1. Höchste Seraphim. 2. Höhere Seraphim. 3. Überwacher-Seraphim. 4. Verwalterseraphim. 5. Planetarische Helfer. 6. Übergangsförderer. 7. Seraphim der Zukunft. Es wäre kaum richtig zu sagen, irgendein Seraph stehe tiefer als ein Engel irgendeiner anderen Gruppe. Trotzdem ist jeder Engel am Anfang in seiner Dienstbefähigung auf die Gruppe seiner ursprünglichen, angeborenen Einteilung beschränkt. Meine seraphische Mitarbeiterin bei der Abfassung dieses Berichts, Manotia, ist ein höchster Seraph, der einst nur in dieser Eigenschaft wirkte. Durch Fleiß und hingebungsvollen Dienst meisterte sie eine nach der anderen alle sieben seraphischen Dienstarten, wobei sie auf nahezu sämtlichen einem Seraphen offen stehenden Betätigungsfeldern wirkte. Sie hat jetzt das Amt eines beigeordneten Chefs der Seraphim Urantias inne. Menschliche Wesen haben manchmal Mühe zu verstehen, dass eine naturgegebene Fähigkeit zum Wirken auf höheren Ebenen nicht notwendigerweise das Geschick zum Dienst auf vergleichsweise tieferen Ebenen in sich schließt. Der Mensch beginnt sein Leben als hilfloser Säugling; daher müssen jeder menschlichen Leistung alle erforderlichen Erfahrungen vorausgehen; die Seraphim haben kein dem Erwachsensein vorausgehendes Leben - keine Kindheit. Sie sind dessen ungeachtet erfahrungsmäßige Geschöpfe, und durch Erfahrung und zusätzliche Ausbildung können sie ihr göttliches und naturgegebenes Geschick vermehren und auf dem Erfahrungsweg in einem oder mehreren seraphischen Diensten funktionelle Gewandtheit erwerben. Nachdem sie ihren Auftrag erhalten haben, werden die Seraphim den Reserven ihrer natürlichen Gruppe zugeteilt. Seraphim mit planetarischem oder Verwalterstatus dienen oft während langer Perioden in ihrer ursprünglichen Klassifizierung, aber je höher die Ebene, der die dienenden Engel ihrer Natur nach angehören, umso beharrlicher streben sie danach, den niedrigeren Ordnungen universellen Dienstes zugeteilt zu werden. Ihr ganz besonderer Wunsch ist es, in die Reserven der planetarischen Helfer aufgenommen zu werden, und wenn ihnen dies gelingt, treten sie in die am Hauptsitz des Planetarischen Fürsten einer evolutionären Welt befindlichen himmlischen Schulen ein. Hier nehmen sie das Studium der Sprachen, der Geschichte und der örtlichen Sitten der Menschenrassen auf. Die Art, wie die Seraphim sich Wissen aneignen und Erfahrung sammeln müssen, ist derjenigen menschlicher Wesen sehr verwandt. Hinsichtlich bestimmter Persönlichkeitseigenschaften stehen sie euch nicht fern. Ihr aller sehnlichster Wunsch ist es, ganz unten anzufangen, auf der tiefstmöglichen Stufe des Dienens; so können sie hoffen, die höchstmögliche Ebene erfahrungsmäßiger Bestimmung zu erreichen. ***** 39.1 Die Höchsten Seraphim ***** Diese Seraphim bilden die höchste der sieben offenbarten Engelsordnungen des Lokaluniversums. Sie arbeiten in sieben Gruppen, deren jede eng mit den dienenden Engeln des Seraphischen Korps der Vollendung verbunden ist. 1. Die Sohn-Geist-Diener. Die erste Gruppe der höchsten Seraphim ist mit dem Dienst an den im Lokaluniversum wohnenden und wirkenden hohen Söhnen und den dem Geist entstammenden Wesen beauftragt. Diese Gruppe helfender Engel dient auch dem Universumssohn und dem Universumsgeist und steht in enger Fühlung mit dem Nachrichtenkorps des Hellen Morgensterns, der als Regierungschef des Universums den vereinten Willen des Schöpfersohnes und des Schöpferischen Geistes vollstreckt. Da diese Seraphim den hohen Söhnen und Geisten zugeteilt sind, sind sie ganz natürlich auch mit den weitgespannten Diensten der Paradies-Avonale verbunden, der göttlichen Kinder des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes. Die Paradies-Avonale werden auf all ihren Richter- und Selbsthingabe-Missionen immer von dieser hohen und erfahrenen Ordnung von Seraphim begleitet, die sich dann der Organisation und Ausführung der besonderen Aufgaben widmen, welche mit dem Abschluss einer planetarischen Dispensation und der Einweihung eines neuen Zeitalters einhergehen. Aber die mit einem solchen Dispensationswechsel möglicherweise zusammenfallende Abhaltung eines Gerichts betrifft sie nicht. Begleiter der Selbsthingaben. Wenn Paradies-Avonale, aber nicht Schöpfersöhne, auf einer Mission der Selbsthingabe sind, befindet sich in ihrem Gefolge stets ein Korps von 144 Begleitern der Selbsthingabe. Diese 144 Engel sind die Vorgesetzten aller anderen Sohn-Geist-Diener, die mit einer Selbsthingabe-Mission verbunden sein mögen. Ganze Legionen von Engeln könnten unter Umständen dem Kommando eines inkarnierten, sich auf einem Planeten hingebenden Gottessohnes unterstellt sein, aber all diese Seraphim würden dabei von den 144 Begleitern der Selbsthingabe organisiert und befehligt. Auch Engel höherer Ordnungen wie Supernaphim und Sekonaphim könnten einen Teil der Begleiterschar ausmachen, und obwohl ihre Aufgaben von denen der Seraphim verschieden sind, würden all ihre Aktivitäten durch die Begleiter der Selbsthingaben koordiniert. Diese Begleiter der Selbsthingaben sind Seraphim der Vollendung; sie sind alle durch die Kreise Seraphingtons gegangen und haben das Seraphische Korps der Vollendung erreicht. Und im Weiteren haben sie eine besondere Ausbildung erfahren, um den Schwierigkeiten begegnen zu können und den Notsituationen gewachsen zu sein, die bei den dem Fortschritt der Kinder der Zeit dienenden Selbsthingaben der Gottessöhne auftreten können. Solche Seraphim haben alle das Paradies erreicht und sind persönlich vom Zweiten Zentralen Ursprung, dem Ewigen Sohn, umfangen worden. Die Seraphim haben ein ebenso heißes Verlangen, den Sendungen der inkarnierten Söhne zugeteilt zu werden, wie den Sterblichen der Welten als Schicksalshüter beigegeben zu werden; letzteres ist der sicherste seraphische Pass zum Paradies, während die Begleiter der Selbsthingaben es zum höchsten lokaluniversellen Dienst für zum Paradies gelangte Seraphim der Vollendung gebracht haben. 2. Die Gerichtsberater. Das sind die seraphischen Ratgeber und Helfer, die allen Ordnungen der Rechtsprechung zugeteilt sind, von den Schlichtern bis hinauf zu den höchsten Gerichten des Reichs. Solche Gerichte befassen sich nicht mit der Fällung von Strafurteilen, sondern vielmehr damit, bei ehrlichen Meinungsdifferenzen zu entscheiden und das ewige Fortleben aufsteigender Sterblicher anzuordnen. Und hierin besteht die Aufgabe der Gerichtsberater: darüber zu wachen, dass alle gegen menschliche Geschöpfe erhobenen Anklagen in Gerechtigkeit dargelegt und die Urteile in Barmherzigkeit gesprochen werden. Dieser Aufgabe gehen sie in enger Zusammenarbeit mit den Hohen Kommissaren nach, aufsteigenden, mit dem Geist fusionierten Sterblichen, die im Lokaluniversum dienen. Die seraphischen Gerichtsberater dienen auf umfassende Weise als Verteidiger der Sterblichen. Nicht dass irgendeine Neigung bestünde, mit den niederen Geschöpfen der Welten unfair zu verfahren; aber weil die Gerechtigkeit verlangt, dass über jede Verfehlung im Aufstieg zu göttlicher Vollkommenheit befunden werde, fordert die Barmherzigkeit, dass über jeden derartigen Fehltritt fair und in Übereinstimmung mit der Natur des Geschöpfes und mit dem göttlichen Vorhaben geurteilt werde. Diese Engel sind die Repräsentanten und die Veranschaulichung des in der göttlichen Gerechtigkeit mitenthaltenen Elementes der Barmherzigkeit - einer Fairness, die auf dem Wissen um die zugrunde liegenden Tatsachen persönlicher Beweggründe und rassischer Tendenzen beruht. Die Engel dieser Ordnung dienen von den Räten der Planetarischen Fürsten bis hinauf zu den höchsten Gerichtshöfen des Lokaluniversums, während ihre Gefährten vom Seraphischen Korps der Vollendung in den höheren Reichen Orvontons, ja sogar an den Gerichtshöfen der Ältesten der Tage, wirken. 3. Die Universums-Orientierer. Das sind die wahren Freunde und Berater der graduierten und zum letzten Mal auf Salvington, ihrem Heimatuniversum, rastenden aufsteigenden Geschöpfe, die nun unmittelbar vor dem sie erwartenden Geistabenteuer im gewaltigen Universum von Orvonton stehen. In einem solchen Augenblick befällt manch einen Aufsteiger eine Anwandlung, die Sterbliche nur nachempfinden können, wenn sie an menschliches Heimweh denken. Hinter ihnen liegen die Welten des Vollbrachten, Welten, mit denen sie in langem Dienst und morontieller Bewältigung vertraut geworden sind. Vor ihnen liegt die geheimnisvolle Herausforderung eines größeren und gewaltigeren Universums. Es ist Aufgabe der Universums-Orientierer, den Übergang der aufsteigenden Pilger von der geschafften zu der erst zu schaffenden Ebene universellen Dienstes zu erleichtern, diesen Pilgern dabei zu helfen, an ihrem Verständnis von Bedeutungen und Werten jene kaleidoskopischen Neuanpassungen vorzunehmen, die aus der Erkenntnis stammen, dass ein Geistwesen der ersten Stufe nicht am Ende und auf dem Höhepunkt seines morontiellen Aufstiegs durch das Lokaluniversum angelangt ist, sondern vielmehr ganz unten steht auf der langen Leiter des geistigen Aufstiegs zum Universalen Vater im Paradies. Viele Graduierte Seraphingtons, Mitglieder des Seraphischen Korps der Vollendung, die mit diesen Seraphim verbunden sind, üben an bestimmten Schulen Salvingtons, die die Geschöpfe Nebadons auf die Beziehungen im nächsten Universumszeitalter vorbereiten, eine umfassende Lehrtätigkeit aus. 4. Die Lehrer-Berater. Diese Engel sind die unschätzbaren Assistenten des geistigen Lehrkorps des Lokaluniversums. Die Lehrer-Berater sind die Sekretäre aller Ordnungen von Lehrern, von den Melchisedeks und den Lehrersöhnen der Trinität bis hinunter zu den morontiellen Sterblichen, die als Helfer jenen ihrer Gefährten zugeteilt sind, die auf der Leiter des aufsteigenden Lebens gleich hinter ihnen kommen. Ihr werdet diese Lehrerseraphim zum ersten Mal auf einer von den sieben Jerusem umringenden Residenzwelten sehen. Diese Seraphim werden Mitarbeiter der Abteilungsleiter der zahlreichen Erziehungs- und Ausbildungstätten des Lokaluniversums, und sie sind in großer Zahl den Fakultäten der sieben Schulungswelten der Lokalsysteme und der siebzig Erziehungssphären der Konstellationen zugeteilt. Ihre Dienstleistungen reichen bis hinunter auf die einzelnen Welten. Sogar die wahren und hingebungsvollen Lehrer der Zeit werden von diesen den höchsten Seraphim angehörenden Beratern unterstützt und oft begleitet. Die vierte Selbsthingabe des Schöpfersohnes erfolgte in der Gestalt eines Lehrer-Beraters der höchsten Seraphim Nebadons. 5. Die Leiter der Zuweisungen. Ein Körper von 144 höchsten Seraphim wird von Zeit zu Zeit durch die Engel gewählt, die auf den von Geschöpfen bewohnten evolutionären und architektonischen Sphären dienen. Das ist der höchste Engelsrat jeder Sphäre, und er koordiniert die selbst-geleiteten Phasen seraphischen Dienstes und seraphischer Beauftragung. Diese Engel leiten alle seraphischen Versammlungen, welche die Art der Pflichterfüllung oder den Aufruf zur Anbetung betreffen. 6. Die Chronisten. Das sind die offiziellen Chronisten für die höchsten Seraphim. Viele dieser Engel wurden schon mit voll entwickelten Gaben geboren; andere haben sich für ihre verantwortungsvollen Vertrauensstellungen qualifiziert durch sehr fleißiges Studium und treue Ausübung ähnlicher Tätigkeiten, während sie bei niedrigeren oder geringere Verantwortung tragenden Ordnungen dienten. 7. Ungebundene Diener. Nicht-beauftragte Seraphim der höchsten Ordnung in großer Zahl wirken als über sich frei verfügende Diener auf den architektonischen Sphären und bewohnten Planeten. Freiwillig füllen diese Diener Lücken, wenn eine große Nachfrage nach dem Dienst höchster Seraphim besteht, und bilden so die allgemeine Reserve dieser Ordnung. ***** 39.2 Die Höheren Seraphim ***** Die höheren Seraphim haben ihren Namen nicht deshalb erhalten, weil sie qualitativ auf irgendeine Weise höher stünden als andere Engelsordnungen, sondern weil ihnen die höheren Aktivitäten eines Lokaluniversums übertragen sind. Sehr viele von den ersten zwei Gruppen dieses seraphischen Korps sind arrivierte Seraphim, Engel, die dienend alle Schulungsphasen durchgemacht haben und darauf zur Übernahme des glorreichen Amtes eines Vorgesetzten ihresgleichen in die Sphären ihrer früheren Aktivitäten zurückgekehrt sind. Da Nebadon ein junges Universum ist, besitzt es nicht viele von ihnen. Die höheren Seraphim wirken in den folgenden sieben Gruppen: 1. Das Nachrichtenkorps. Diese Seraphim gehören zum persönlichen Mitarbeiterstab Gabriels, des Hellen Morgensterns. Zu seiner Orientierung in den Räten Nebadons durchstreifen sie das Lokaluniversum, um sich Informationen aus den Welten zu verschaffen. Sie sind das Nachrichtenkorps der mächtigen Heerscharen, über die Gabriel als Stellvertreter des Meistersohnes gebietet. Diese Seraphim sind nicht direkt mit den Systemen oder Konstellationen verknüpft, und ihre Informationen strömen über einen ständigen, direkten und unabhängigen Kreislauf unmittelbar nach Salvington. Die Nachrichtenkorps der verschiedenen Lokaluniversen können miteinander kommunizieren und tun es, aber nur innerhalb eines gegebenen Superuniversums. Es gibt ein Energiegefälle, das die Geschäfte und Operationen der verschiedenen Superregierungen wirksam gegeneinander abkapselt. Ein Superuniversum kann gewöhnlich mit einem anderen Superuniversum nur über die Einrichtungen und Möglichkeiten der Freigabestelle des Paradieses kommunizieren. 2. Die Stimme der Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist der Grundton seraphischen Dienens und engelhafter Fürsorge. Es ist deshalb zu erwarten, dass es ein Engelskorps gibt, das die Barmherzigkeit auf besondere Weise verkörpert. Diese Seraphim sind die wirklichen Barmherzigkeitsspender der Lokaluniversen. Sie sind die inspirierten Führer, welche die höheren Impulse und heiligeren Empfindungen von Menschen und Engeln fördern. Die Lenker dieser Legionen sind jetzt immer Seraphim der Vollendung, die ebenfalls graduierte Schicksalshüter von Sterblichen sind; das heißt, dass jedes Engelspaar wenigstens eine Seele tierischen Ursprungs während ihres inkarnierten Lebens geführt und später die Kreise Seraphingtons durchlaufen hat und in das Seraphische Korps der Vollendung aufgenommen worden ist. 3. Die Geistkoordinatoren. Die dritte Gruppe höherer Seraphim hat ihre Basis auf Salvington, wirkt aber überall dort im Lokaluniversum, wo sie fruchtbare Dienste leisten kann. Obwohl ihre Aufgaben im Wesentlichen geistiger Natur sind und deshalb das wirkliche Begreifen des menschlichen Verstandes übersteigen, werdet ihr vielleicht etwas von ihrem Dienst an den Sterblichen erfassen, wenn ihr erfährt, dass diese Engel mit der Aufgabe betraut sind, die auf Salvington weilenden Aufsteiger auf ihren letzten Übergang im Lokaluniversum vorzubereiten - auf den Übertritt von der höchsten morontiellen Ebene zum Status von neugeborenen Geistwesen. Wie die Mentalitätsplaner auf den Residenzwelten den fortlebenden Geschöpfen helfen, sich auf die Potentiale des morontiellen Verstandes auszurichten und davon tatsächlichen Gebrauch zu machen, so setzen diese Seraphim auf Salvington die morontiellen Graduierten über die neu erworbenen Fähigkeiten des geistigen Verstandes ins Bild. Und sie dienen den aufsteigenden Sterblichen noch auf manch andere Weise. 4. Die assistierenden Lehrer. Die assistierenden Lehrer sind die Helfer und Mitarbeiter ihrer seraphischen Gefährten, der Lehrer-Berater. Sie sind auch individuell mit den breit angelegten erzieherischen Unternehmungen des Lokaluniversums verbunden, insbesondere mit dem auf den Residenzwelten des Lokalsystems funktionierenden siebenfachen Ausbildungsplan. Ein wunderbares Korps dieser Seraphimordnung wirkt auf Urantia mit dem Auftrag, die Sache der Wahrheit und Rechtschaffenheit zu stärken und zu fördern. 5. Die Transporteure. Alle Gruppen dienender Geiste haben ihre Transportkorps, Engelsordnungen, die sich dem Transport von Persönlichkeiten widmen, welche von sich aus unfähig sind, von einer Sphäre zu einer anderen zu reisen. Die höheren Seraphim der fünften Gruppe haben ihr Hauptquartier auf Salvington und dienen als Raumdurchquerer von und zu dem Hauptsitz des Lokaluniversums. Gleich den höheren Seraphim anderer Unterabteilungen wurden einige von ihnen als solche erschaffen, während andere von niedrigeren oder weniger begabten Gruppen aufgestiegen sind. Die "Energie-Reichweite" der Seraphim genügt lokaluniversellen und sogar superuniversellen Anforderungen vollkommen, aber sie könnten die nötige Energie für eine so lange Reise wie diejenige von Uversa nach Havona niemals aufbringen. Eine so erschöpfende Reise verlangt die besondere Machtbegabung eines primären Sekonaphen mit Transportfähigkeiten. Die Transporteure nehmen die für den Flug nötige Energie unterwegs auf und gewinnen ihre persönlichen Kräfte am Ende der Reise wieder zurück. Nicht einmal auf Salvington besitzen die sterblichen Aufsteiger persönliche Transitgestalten. Die Aufsteiger müssen beim Aufsteigen von Welt zu Welt vom seraphischen Transport abhängig bleiben bis nach dem letzten Ruheschlaf auf dem innersten Kreis Havonas und ihrem Aufwachen in der Ewigkeit des Paradieses. Danach werdet ihr für den Transport von Universum zu Universum nicht mehr von den Engeln abhängen. Der Vorgang des Einseraphiertwerdens ist der Erfahrung des Todes oder des Schlafes nicht unähnlich, außer dass es beim Transitschlummer ein automatisches Zeitelement gibt. Ihr seid während der seraphischen Ruhe bewusst unbewusst. Aber der Gedankenjustierer ist voll und ganz bewusst und tatsächlich ausnehmend wirksam, da ihr unfähig seid, euch seinem schöpferischen und verwandelnden Wirken zu verweigern, zu widersetzen oder es anderswie zu behindern. Einmal einseraphiert, werdet ihr für eine ganz bestimmte Zeit einschlafen und zum vorbestimmten Zeitpunkt wieder aufwachen. Die Länge einer Reise im Transitschlaf ist nicht materieller Natur. Ihr seid euch des Vergehens der Zeit nicht direkt bewusst. Es ist, als ob ihr in einer Stadt in einem Transportfahrzeug einschliefet, die ganze Nacht in friedlichem Schlummer ruhtet und in einer anderen, weit entfernten Metropole wieder aufwachtet. Ihr wart auf der Reise, während ihr schlummertet. Und so durchfliegt ihr den Raum, einseraphiert, während ihr ruht - schlaft. Der Transitschlaf wird durch eine Verbindung zwischen Justierer und seraphischem Transporteur ausgelöst. Verbrennungskörper - aus Fleisch und Blut - , wie ihr sie jetzt besitzt, können die Engel nicht transportieren, hingegen alle anderen Gestalten, von den niedrigsten morontiellen bis zu den höheren geistigen. Am Ereignis des natürlichen Todes sind sie nicht beteiligt. Wenn ihr eure irdische Laufbahn beschließt, bleibt euer Körper auf diesem Planeten. Euer Gedankenjustierer kehrt zum Schoß des Vaters zurück, und diese Engel wirken an der späteren Wiederzusammenfügung eurer Persönlichkeit auf der Residenzwelt der Identifizierung nicht direkt mit. Dort hat euer neuer Körper eine morontielle Gestalt, die einseraphiert werden kann. Ihr "sät einen sterblichen Körper" im Grab; ihr "erntet" eine morontielle Gestalt auf den Residenzwelten. 6. Die Chronisten. Die besondere Aufgabe dieser Persönlichkeiten ist der Empfang, das Sortieren und Wiederversenden der Aufzeichnungen Salvingtons und der mit ihm verbundenen Welten. Sie dienen auch als besondere Archivisten für ortsansässige Gruppen von superuniversellen und höheren Persönlichkeiten, als Gerichtsdiener Salvingtons und als Sekretäre seiner Regierenden. Die Übermittler - Empfänger und Sender - sind eine spezialisierte Unterabteilung der seraphischen Chronisten, deren Aufgabe die Übersendung von Aufzeichnungen und die Verbreitung wesentlicher Information ist. Ihre Arbeit ist von sehr anspruchsvoller Art, besitzen sie doch so viele Schaltkreise, dass 144 000 Botschaften gleichzeitig dieselben Energielinien passieren können. Sie adaptieren die höheren ideographischen Techniken der superaphischen Hauptchronisten und unterhalten mittels dieser gewöhnlichen Symbole gegenseitigen Kontakt mit den Intelligenzkoordinatoren der tertiären Supernaphim und mit den verherrlichten Intelligenzkoordinatoren des Seraphischen Korps der Vollendung. Die seraphischen Chronisten der höheren Ordnung sorgen auf diese Weise für eine enge Verbindung mit dem Nachrichtenkorps ihrer eigenen Ordnung und mit allen untergeordneten Chronisten, während die Fernmeldungen ihnen erlauben, in ständiger Verbindung mit den höheren Chronisten des Superuniversums und über diesen Kanal mit den Chronisten Havonas und den Hütern des Wissens im Paradies zu bleiben. Viele Chronisten der höheren Ordnung sind aufgestiegene Seraphim, die zuvor in niedrigeren Sektionen des Universums ähnliche Aufgaben erfüllt hatten. 7. Die Reserven. Bedeutende Reserven von allen Typen höherer Seraphim werden auf Salvington unterhalten, die augenblicklich verfügbar sind, um auf Anforderung der Leiter der Zuweisungen oder auf Verlangen der Universumsverwalter nach den abgelegensten Welten Nebadons geschickt zu werden. Die Reserven der höheren Seraphim liefern auch Botschafter-Helfer auf Befehl des Chefs der Leuchtenden Abendsterne, der mit der Überwachung und Beförderung aller persönlich überbrachten Mitteilungen betraut ist. Ein Lokaluniversum ist wohl versehen mit allen erforderlichen Kommunikationsmitteln, aber es gibt immer einen Rest von Botschaften, die durch persönliche Abgesandte überbracht werden müssen. Die Grundreserven für das gesamte Lokaluniversum werden auf den seraphischen Welten Salvingtons unterhalten. Dieses Korps umfasst alle Typen von sämtlichen Engelsgruppen. ***** 39.3 Überwacher-Seraphim ***** Diese vielseitige Engelsordnung des Universums steht ausschließlich im Dienst der Konstellationen. Diese fähigen Diener schlagen ihre Hauptquartiere in den Kapitalen der Konstellationen auf, arbeiten aber in ganz Nebadon im Interesse der ihnen zugeteilten Reiche. 1. Die Überwacher-Helfer. Die Angehörigen der ersten Ordnung der Überwacher-Seraphim sind der gesamten Tätigkeit der Konstellationsväter zugeteilt; sie sind die stets wirksamen Helfer der Allerhöchsten. Die allererste Aufgabe dieser Seraphim ist die Einigung und Stabilisierung einer ganzen Konstellation. 2. Die Gesetzesprognostiker. Die intellektuelle Grundlage der Gerechtigkeit ist das Gesetz, und in einem Lokaluniversum geht das Gesetz aus den legislativen Versammlungen der Konstellationen hervor. Diese beratenden Körper legen die Grundgesetze Nebadons fest und erlassen sie in aller Form, Gesetze, die dazu bestimmt sind, einer ganzen Konstellation die größtmögliche Koordination zu verschaffen, aber eine Koordination, die sich mit der unveränderlichen Politik der Unverletzlichkeit des sittlichen freien Willens persönlicher Geschöpfe verträgt. Die zweite Ordnung der Überwacher-Seraphim hat die Aufgabe, den Gesetzgebern der Konstellation eine Vorhersage darüber zu unterbreiten, wie irgendein vorgeschlagener Erlass sich auf das Leben von Geschöpfen mit freiem Willen auswirken würde. Zur Ausübung dieses Amtes sind sie aufgrund langer Erfahrung in den Lokalsystemen und auf den bewohnten Welten bestens qualifiziert. Diese Seraphim suchen keine besondere Gunst für die eine oder andere Gruppe zu erlangen, aber sie treten vor die himmlischen Gesetzgeber, um für jene zu sprechen, die nicht anwesend sein können, um für sich selbst zu sprechen. Sogar die sterblichen Menschen können zur Entwicklung des universellen Gesetzes beitragen, denn ebendiese Seraphim zeichnen ein getreues und vollständiges Bild nicht notwendigerweise vom vorübergehenden und bewussten Verlangen des Menschen, wohl aber von den wahren Sehnsüchten des Menscheninnern, von der sich entwickelnden morontiellen Seele des materiellen Sterblichen auf den Welten des Raums. 3. Die sozialen Architekten. Von den einzelnen Planeten bis hinauf zu den morontiellen Erziehungswelten arbeiten diese Seraphim daran, alle aufrichtigen sozialen Kontakte zu vertiefen und die gesellschaftliche Evolution der Universumsgeschöpfe zu fördern. Das sind die Engel, die danach trachten, die Verbindungen intelligenter Wesen von aller Künstlichkeit zu befreien, und die sich zugleich darum bemühen, das Zusammenleben der Willensgeschöpfe auf der Grundlage wirklichen Selbst-Verständnisses und authentischer gegenseitiger Wertschätzung zu erleichtern. Die sozialen Architekten unternehmen alles in ihrer Zuständigkeit und Macht Liegende, um auf Erden zueinander passende Wesen zusammenzuführen, damit sie wirkungsvolle und angenehme Arbeitsgruppen bilden; und manchmal sind solche Gruppen auf den Residenzwelten wieder vereinigt worden, um ihren fruchtbaren Dienst fortzusetzen. Aber nicht immer erreichen diese Seraphim ihr Ziel; nicht immer sind sie fähig, diejenigen zusammenzubringen, die die idealste Gruppe bilden würden, um einen gegebenen Plan zu verwirklichen oder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen; unter diesen Umständen müssen sie aus dem vorhandenen Material das Beste herausholen. Diese Engel führen ihr Amt auf den Residenz- und höheren morontiellen Welten weiter. Sie sind an jedem Unternehmen beteiligt, das mit dem Fortschritt auf den morontiellen Welten zu tun hat und zugleich drei oder mehr Personen betrifft. Von zwei Wesen gilt, dass sie auf der Grundlage der Paarbindung, Komplementarität oder Partnerschaft funktionieren, aber wenn drei oder mehr eine Dienstgruppe bilden, stellen sie ein gesellschaftliches Problem dar und fallen deshalb in den Zuständigkeitsbereich der sozialen Architekten. Diese wirksamen Seraphim sind auf Edentia in siebzig Abteilungen organisiert, die auf den siebzig die Hauptsitzsphäre umringenden morontiellen Welten des Fortschritts dienen. 4. Die ethischen Sensibilisierer. Die Sendung dieser Seraphim besteht darin, die Geschöpfe so zu lenken und zu fördern, dass sie in ihrer Würdigung der Sittlichkeit zwischenpersönlicher Beziehungen wachsen, denn das ist der Kern und das Geheimnis kontinuierlichen und zielgerichteten Wachstums einer menschlichen oder übermenschlichen Gesellschaft oder Regierung. Diese Vertiefer ethischer Wertschätzung wirken überall dort, wo ihre Dienste benötigt werden, sei es als freiwillige Berater der planetarischen Herrscher oder als Austauschlehrer auf den Schulungswelten der Systeme. Ihr werdet unter ihre volle Führung indessen erst kommen, wenn ihr die Schulen der Brüderlichkeit auf Edentia betretet, wo sie euren Sinn für die Wahrheiten gerade jener Brüderlichkeit beleben werden, die ihr dann in den sozialen Laboratorien Edentias, den siebzig Satelliten der Kapitale Norlatiadeks, durch wirkliche Erfahrung im Zusammenleben mit den Univitatia so ernsthaft erforschen werdet. 5. Die Transporteure. Die Überwacher-Seraphim der fünften Gruppe arbeiten als Personenbeförderer, die Wesen zu den Konstellationshauptsitzen und von diesen wegtransportieren. Solche Transportseraphim sind sich während des Flugs von einer Sphäre zur anderen ihrer Geschwindigkeit, Richtung und astronomischen Lage voll bewusst. Sie durchqueren den Raum nicht wie leblose Geschosse. Sie können während des Raumflugs ohne die geringste Kollisionsgefahr nahe aneinander vorbeifliegen. Sie sind durchaus fähig, Reisegeschwindigkeit und Flugrichtung zu ändern, ja sogar den Bestimmungsort zu wechseln, wenn sie etwa von ihren Vorgesetzten an irgendeiner Raumverbindungsstation der universellen Nachrichtenkreise eine entsprechende Weisung erhalten. Ihre Organisation erlaubt diesen Transitpersönlichkeiten, gleichzeitig alle drei der universell vorhandenen Energielinien zu benutzen, deren jede die genaue Raumgeschwindigkeit von 299 725 Kilometern pro Sekunde hat. So sind diese Transporteure in der Lage, der Geschwindigkeit der Macht die Geschwindigkeit der Energie zu überlagern, bis sie auf ihren langen Reisen eine mittlere Geschwindigkeit erreichen, die zwischen 893 000 und 899 400 Kilometern pro Sekunde eurer Zeit schwankt. Die Geschwindigkeit wird beeinflusst durch Masse und Nähe benachbarter Materie und durch Intensität und Richtung nahe gelegener Hauptkreisläufe der Universumsmacht. Es gibt zahlreiche den Seraphim vergleichbare Wesenstypen, die fähig sind, den Raum zu durchqueren, und die ebenfalls fähig sind, andere entsprechend zubereitete Wesen zu transportieren. 6. Die Chronisten. Die Überwacher-Seraphim der sechsten Ordnung amtieren als besondere Archivisten der Konstellationsangelegenheiten. Ein großes und leistungsfähiges Korps arbeitet auf Edentia, dem Hauptsitz der Konstellation von Norlatiadek, zu dem euer System und Planet gehören. 7. Die Reserven. Allgemeine Reserven an Überwacher-Seraphim werden auf den Konstellationshauptwelten unterhalten. Solche Engelsreservisten sind keineswegs inaktiv; viele von ihnen dienen den Konstellationsherrschern als Botschafter-Helfer; andere sind auf Salvington den Reserven unbeauftragter Vorondadeks zugeteilt; wiederum andere begleiten besonders beauftragte Vorondadek-Söhne wie zum Beispiel den Vorondadek-Beobachter und manchmal Allerhöchsten Regenten Urantias. ***** 39.4 Die Verwalterseraphim ***** Die vierte Seraphimordnung ist mit den administrativen Aufgaben der Lokalsysteme betraut. Diese Engel sind in den Systemkapitalen beheimatet, stationieren aber auch in großer Zahl auf den morontiellen und Residenzsphären und auf den bewohnten Welten. Die Seraphim der vierten Ordnung sind von Natur aus mit außergewöhnlichen administrativen Talenten ausgestattet. Sie sind die fähigen Assistenten der Leiter der niedrigeren Abteilungen der Universumsregierung eines Schöpfersohnes und beschäftigen sich hauptsächlich mit den Angelegenheiten der Lokalsysteme und der diese aufbauenden Welten. Sie sind für den Dienst wie folgt eingeteilt: 1. Die Verwaltungsassistenten. Diese fähigen Seraphim sind die unmittelbaren Assistenten eines Systemsouveräns, eines primären Lanonandek-Sohnes. Sie sind von unschätzbarer Hilfe bei der Ausführung der komplizierten Einzelheiten der Regierungsarbeit des Systemhauptsitzes. Sie dienen auch als persönliche Beauftragte der Systemlenker. Als solche reisen sie in großer Zahl zwischen der Systemkapitale und den verschiedenen Übergangswelten und bewohnten Planeten hin und her und führen dabei viele Aufträge zum Wohl des Systems und im physischen und biologischen Interesse seiner bewohnten Welten aus. Dieselben seraphischen Verwalter sind auch den Regierungen der Weltenlenker, der Planetarischen Fürsten, beigegeben. Die Mehrzahl der Planeten eines gegebenen Universums untersteht der Gerichtsbarkeit eines sekundären Lanonandek-Sohnes, aber auf bestimmten Welten - wie Urantia - scheiterte der göttliche Plan. Im Falle der Abtrünnigkeit eines Planetarischen Fürsten werden diese Seraphim den Melchisedeks, die die planetarische Autorität empfangen, und ihren Nachfolgern zugeteilt. Der jetzige amtierende Lenker Urantias wird von einem Korps von eintausend Seraphim dieser vielbegabten Ordnung assistiert. 2. Die Gerechtigkeitsweiser. Das sind die Engel, die die Zusammenfassung des Beweismaterials vorlegen, welches das ewige Wohlergehen von Menschen und Engeln betrifft, wenn solche Angelegenheiten zur Urteilsfällung vor die Gerichte eines Systems oder Planeten gelangen. Sie arbeiten die Sachdarstellungen für alle Voruntersuchungen aus, die das menschliche Fortleben zum Gegenstand haben, Darstellungen, die später zusammen mit den Akten solcher Fälle an die höheren Gerichtshöfe des Universums und des Superuniversums weitergeleitet werden. Die Verteidigung aller Fälle zweifelhaften Fortlebens wird durch diese Seraphim vorbereitet, die jede noch so geringfügige Einzelheit jedes von den Verwaltern der Universumsjustiz festgehaltenen Anklagepunktes vollkommen verstehen. Es ist nicht Mission dieser Engel, die Justiz abzuwenden oder aufzuschieben, sondern vielmehr sicherzustellen, dass allen Geschöpfen in reichlicher Barmherzigkeit und Fairness unfehlbare Gerechtigkeit widerfahre. Diese Seraphim arbeiten oft auf den lokalen Welten, wo sie meistens vor der Ankunft der Schiedsrichtertrios der Schlichtungskommissionen - den Gerichten für unbedeutendere Missverständnisse - eintreffen. Viele, die einmal als Gerechtigkeitsweiser auf niedrigeren Welten gedient haben, erscheinen später als Stimmen der Barmherzigkeit auf höheren Planeten und auf Salvington. Bei der Rebellion Luzifers in Satania gingen nur sehr wenige Gerechtigkeitsweiser verloren, aber mehr als ein Viertel der übrigen Verwalterseraphim und der niedrigeren Ordnungen seraphischer Diener ließ sich durch die Sophistereien ungezügelter persönlicher Freiheit in die Irre führen und täuschen. 3. Die Interpreten kosmischen Bürgerrechts. Wenn die aufsteigenden Sterblichen ihre Ausbildung auf den Residenzwelten, ihre erste Lehrlings- und Studienzeit in der Universumslaufbahn, abgeschlossen haben, wird ihnen erlaubt, vorübergehend - als Bürger der Systemkapitale - die Befriedigung relativer Reife zu genießen. Obwohl das Erreichen jedes aufsteigenden Ziels eine wirkliche Eroberung ist, sind solche Ziele in einem weiteren Sinne bloß Meilensteine auf dem langen aufsteigenden Pfad zum Paradies. Aber wie relativ solche Erfolge auch immer sein mögen, so wird es keinem evolutionären Geschöpf je verwehrt, es voll, wenn auch nur vorübergehend zu genießen, das Ziel erreicht zu haben. Dann und wann gibt es beim Aufstieg zum Paradies eine Pause, eine kurze Zeit zum Atemholen, während der die Universumshorizonte stillstehen, der Geschöpfesstatus stationär bleibt und die Persönlichkeit die Süße des vollbrachten Ziels kostet. Die erste derartige Periode in der Laufbahn eines sterblichen Aufsteigers wird auf der Kapitale eines Lokalsystems eingeschaltet. Während dieser Pause werdet ihr als Bürger Jerusems versuchen, in eurem Geschöpfesleben all das auszudrücken, was ihr während der acht vorausgegangenen Lebenserfahrungen - auf Urantia und den sieben Residenzwelten - erworben habt. Die seraphischen Interpreten kosmischen Bürgerrechts dienen den neuen Bürgern der Systemkapitalen als Führer und stimulieren ihren Sinn für die Verantwortlichkeiten in der Universumsregierung. Diese Seraphim stehen auch in der Verwaltung der Systeme in enger Verbindung mit den Materiellen Söhnen, während sie den materiellen Sterblichen der bewohnten Welten einen Begriff von der Verantwortlichkeit und Ethik kosmischer Staatsangehörigkeit vermitteln. 4. Die Stimulierer der Ethik. Auf den Residenzwelten beginnt ihr zum Besten aller Beteiligten mit der Erlernung der Selbstregierung. Euer Sinn für Zusammenarbeit erwacht, ihr erlernt das Planen mit anderen, weiseren Wesen. Auf den Systemhauptwelten werden die seraphischen Lehrer eurer Aufgeschlossenheit für kosmische Ethik - für die Wechselwirkung zwischen Freiheit und Loyalität - noch weitere Impulse geben. Was ist Loyalität? Sie ist die Frucht einer intelligenten Wertschätzung universeller Brüderlichkeit; man kann nicht so viel nehmen und dann nichts geben. Während ihr auf der Persönlichkeitsleiter emporsteigt, lernt ihr zuerst, loyal zu sein, dann zu lieben, dann euch wie ein Sohn zu verhalten, und dann könnt ihr frei sein; aber nicht bevor ihr ein Finalist seid, nicht bevor ihr Vollkommenheit in der Loyalität erreicht habt, könnt ihr in euch selbst endgültige Freiheit verwirklichen. Diese Seraphim lehren die Fruchtbarkeit von Geduld: dass Stagnation sicheren Tod bedeutet, dass aber zu schnelles Wachstum ebenfalls selbstmörderisch ist; und dass gleich dem Wassertropfen, der von einer höheren auf eine tiefere Ebene hinunterfällt und im Weiterfließen in aufeinander folgenden kleinen Fällen immer tiefer sinkt, der Fortschritt in den morontiellen und geistigen Welten immer aufwärts geht - und genauso langsam und in ebenso stufenweisen Etappen. Für die bewohnten Welten stellen die Stimulierer der Sittlichkeit das sterbliche Leben als eine ununterbrochene Kette mit vielen Gliedern dar. Euer kurzer Aufenthalt als Sterbliche auf Urantia, der Sphäre eurer Kindheit, ist nur ein einzelnes Glied, das allererste in einer langen Kette, die bestimmt ist, sich durch Universen und ewige Zeitalter zu erstrecken. Von Wichtigkeit ist nicht so sehr, was ihr in diesem ersten Leben lernt; wichtig ist die Erfahrung, dieses Leben zu leben. Auch die Arbeit dieser Welt, obwohl von größter Bedeutung, ist nicht annähernd so wichtig wie die Art, in der ihr diese Arbeit tut. Es gibt keine materielle Belohnung für rechtschaffenes Leben, aber tiefe Befriedigung - ein Bewusstsein der Erfüllung - die weit über jede denkbare materielle Belohnung hinausgeht. Die Schlüssel zum Königreich des Himmels sind: Aufrichtigkeit, mehr Aufrichtigkeit und noch mehr Aufrichtigkeit. Alle Menschen haben diese Schlüssel. Die Menschen benutzen sie - rücken in ihrem geistigen Status vor - durch Entscheide, mehr Entscheide und noch mehr Entscheide. Die höchste sittliche Wahl ist die Wahl des höchstmöglichen Wertes, und das ist immer - auf irgendwelchem Planeten, auf allen überhaupt - die Wahl, den Willen Gottes zu tun. Wenn der Mensch so wählt, ist er groß, sei er auch der demütigste Bürger von Jerusem oder gar der Geringste unter den Sterblichen Urantias. 5. Die Transporteure. Das sind die Transportseraphim, die in den Lokalsystemen arbeiten. In Satania, eurem System, bringen sie Passagiere nach und von Jerusem weg und dienen im Übrigen als interplanetarische Transporteure. Es vergeht selten ein Tag, an dem nicht ein Transportseraph von Satania einen studierenden Besucher oder anderen Reisenden geistiger oder halbgeistiger Natur an Urantias Küste absetzte. Dieselben Raumdurchquerer werden auch euch eines Tages auf die verschiedenen, um den Hauptsitz des Systems herum gruppierten Welten und wieder von ihnen wegbringen, und nachdem ihr eure Aufgabe auf Jerusem erfüllt habt, werden sie euch nach Edentia übersetzen. Aber unter keinen Umständen werden sie euch auf die Welt eures menschlichen Ursprungs zurückbringen. Nie kehrt ein Sterblicher während der Dispensation, in die seine zeitliche Existenz fällt, auf seinen Heimatplaneten zurück, und sollte er während einer späteren Dispensation dahin zurückkehren, geschähe es in Begleitung eines Transportseraphen aus den Beständen der Universumshauptwelt. 6. Die Chronisten. Diese Seraphim verwahren die dreifachen Aufzeichnungen des Lokalsystems. Der Tempel der Archive einer Systemkapitale ist ein einzigartiger Bau. Er ist zu einem Drittel materiell, aus leuchtenden Metallen und Kristallen errichtet, zu einem Drittel morontiell, aus einer Verbindung von geistigen mit materiellen Energien fabriziert, jedoch außerhalb des menschlichen Sehbereichs liegend, und zu einem Drittel geistig. Die Chronisten dieser Ordnung leiten ihn und unterhalten sein dreifaches Archivierungssystem. Aufsteigende Sterbliche nehmen zuerst Einblick in die materiellen Archive, Materielle Söhne und höhere Übergangswesen benutzen diejenigen der morontiellen Hallen, während Seraphim und höhere Geistpersönlichkeiten des Reichs von den Aufzeichnungen der geistigen Sektion Gebrauch machen. 7. Die Reserven. Die Verwalterseraphim des Reservekorps von Jerusem bringen einen Großteil ihrer Wartezeit damit zu, sich als geistige Kameraden mit den neu angekommenen aufsteigenden Sterblichen aus den verschiedenen Welten des Systems zu unterhalten - mit den beglaubigten Graduierten der Residenzwelten. Es wird eine der größten Wonnen eures Aufenthaltes auf Jerusem sein, in Ferienzeiten mit diesen vielgereisten und über einen reichen Erfahrungsschatz verfügenden Seraphim vom wartenden Reservekorps zu plaudern und auszutauschen. Gerade deratige freundliche Beziehungen sind es, welche die aufsteigenden Sterblichen eine Systemkapitale so liebgewinnen lassen. Auf Jerusem werdet ihr zum ersten Mal Materielle Söhne, Engel und aufsteigende Pilger in bunter Mischung antreffen. Hier pflegen Wesen, die völlig geistig und halbgeistig sind, mit solchen, die eben erst der materiellen Existenz entstiegen sind, brüderlichen Umgang. Die Gestalt der Sterblichen ist hier derart verändert und die Bandbreite der menschlichen Lichtreaktion derart erweitert, dass alle imstande sind, sich gegenseitiger Wahrnehmung und eines von Sympathie getragenen Verstehens der Persönlichkeit zu erfreuen. ***** 39.5 Die Planetarischen Helfer ***** Diese Seraphim unterhalten Hauptquartiere auf den Systemkapitalen und werden, obwohl eng mit den einheimischen Adamischen Bürgern verbunden, in erster Linie dem Dienst der Planetarischen Adame zugeteilt, der biologischen oder physischen Veredler der materiellen Rassen auf den evolutionären Welten. Das dienende Wirken der Engel wird umso interessanter, je mehr es sich den bewohnten Welten nähert und damit den tatsächlichen Problemen, denen die Männer und Frauen der Zeit gegenüberstehen, die sich zum Versuch rüsten, das Ziel der Ewigkeit zu erreichen. Die Mehrheit der planetarischen Helfer wurde nach dem Zusammenbruch der adamischen Ordnung von Urantia abgezogen und die seraphische Überwachung eurer Welt in größerem Maße Verwaltern, Übergangsförderern und Schicksalshütern anvertraut. Aber diese seraphischen Helfer eures fehlbaren Materiellen Sohnes dienen Urantia immer noch in den folgenden Gruppen: 1. Die Stimmen des Gartens. Wenn der planetarische Lauf der menschlichen Evolution seinen biologischen Gipfel erreicht hat, treten immer die Materiellen Söhne und Töchter, die Adame und Evas, auf den Plan, um die weitere Entwicklung der Rassen durch das tatsächliche Beisteuern ihres höher stehenden Lebensplasmas günstig zu beeinflussen. Das planetarische Hauptquartier eines solchen Adams und einer solchen Eva wird üblicherweise Garten Eden genannt, und ihre persönlichen Seraphim werden oft als "Stimmen des Gartens" bezeichnet. Diese Seraphim erweisen den Planetarischen Adamen bei all ihren Projekten zur physischen und intellektuellen Hebung der evolutionären Rassen unschätzbare Dienste. Nach der adamischen Verfehlung auf Urantia wurden einige dieser Seraphim auf dem Planeten belassen und den bevollmächtigten Nachfolgern Adams zur Verfügung gestellt. 2. Die Geiste der Brüderlichkeit. Man wird leicht einsehen, dass die Aufgabe, vor die sich ein Adam und eine Eva bei ihrer Ankunft auf einer evolutionären Welt gestellt sehen, nämlich zwischen den verschiedenen Rassen Harmonie und soziale Zusammenarbeit herzustellen, außerordentlich anspruchsvoll ist. Selten wollen sich die Rassen verschiedener Hautfarbe und anderer Wesensart mit dem Gedanken der Brüderlichkeit unter den Menschen anfreunden. Diese primitiven Menschen werden sich der Weisheit friedlichen Zusammenlebens nur aufgrund ihrer gereiften menschlichen Erfahrung und dank dem treuen Dienst der seraphischen Geiste der Brüderlichkeit bewusst. Ohne das Wirken dieser Seraphim müssten die materiellen Söhne bei ihren Anstrengungen zur Harmonisierung und Förderung der Rassen einer sich entwickelnden Welt bedeutende Verzögerungen hinnehmen. Und hätte sich euer Adam an den ursprünglichen Plan für den Fortschritt Urantias gehalten, dann hätten die Geiste der Brüderlichkeit bis zum heutigen Tag in der menschlichen Rasse unglaubliche Verwandlungen bewirkt. Angesichts des adamischen Versagens ist es in der Tat bemerkenswert, dass diese seraphischen Ordnungen es überhaupt fertig gebracht haben, soviel an Brüderlichkeit, wie wir jetzt auf Urantia haben, heranzubilden und Wirklichkeit werden zu lassen. 3. Die Seelen des Friedens. Die frühen Jahrtausende der sich emporarbeitenden evolutionären Menschen sind durch viele Kämpfe gekennzeichnet. Friede ist nicht der natürliche Zustand der materiellen Welten. Die Welten vernehmen zum ersten Mal von "Frieden auf Erden und gutem Willen unter den Menschen" durch das Amt der seraphischen Seelen des Friedens. Obwohl die frühen Anstrengungen dieser Engel auf Urantia weitgehend durchkreuzt wurden, ist Vevona, das Oberhaupt der Seelen des Friedens in Adams Tagen, weiterhin auf Urantia belassen worden und gehört jetzt zum Mitarbeiterstab des residierenden Generalgouverneurs. Dieselbe Vevona war es, die als Anführerin der Engelsheere der Welt die Geburt Michaels mit den Worten verkündete: "Ehre sei Gott in Havona, und auf Erden wohne Friede und guter Wille unter den Menschen." In den fortgeschritteneren Epochen planetarischer Evolution spielen diese Seraphim eine wichtige Rolle bei der Ersetzung der Idee des Büßens durch die Vorstellung von der Einstimmung auf das Göttliche als Philosophie des Fortlebens der Sterblichen. 4. Die Geiste des Vertrauens. Argwohn ist die angeborene Reaktion primitiver Menschen; die Überlebenskämpfe der frühen Zeitalter sind nicht natürlicherweise vertrauensbildend. Vertrauen ist eine neue menschliche Erwerbung, hervorgerufen durch das Wirken dieser planetarischen Seraphim der adamischen Herrschaft. Es ist ihre Sendung, in die Gemüter der sich entwickelnden Menschen das Vertrauen einzupflanzen. Die Götter haben sehr großes Vertrauen; der Universale Vater ist aus freien Stücken gewillt, sich - den Justierer - vertrauensvoll an den Menschen zu binden. Diese ganze Seraphimgruppe ist nach dem adamischen Fehlschlag der neuen Leitung übergeben worden und hat seither ihre Anstrengungen auf Urantia stets fortgesetzt. Und sie ist dabei nicht ganz erfolglos geblieben, da sich jetzt eine Zivilisation entwickelt, die viele ihrer Ideale des Vertrauens und der Zuversicht enthält. In den vorgerückteren planetarischen Zeitaltern lehren diese Seraphim die Menschen immer mehr die Wahrheit schätzen, dass Ungewissheit das Geheimnis zufriedenstellender Kontinuität ist. Sie helfen den sterblichen Philosophen in der Erkenntnis, dass es in Situationen, wo Nichtwissen für den Erfolg wesentlich ist, ein kolossaler Fehler wäre, ein Geschöpf die Zukunft wissen zu lassen. Sie verstärken den Geschmack der Menschen an der Süßigkeit der Ungewissheit, an der Romantik und am Zauber einer undeutlichen und unbekannten Zukunft. 5. Die Transporteure. Die planetarischen Transporteure dienen den einzelnen Welten. Die auf diesen Planeten gebrachten einseraphierten Wesen sind in ihrer Mehrzahl auf der Durchreise; sie schalten nur einen Halt ein; sie befinden sich in der Obhut ihrer eigenen besonderen seraphischen Transporteure; eine große Zahl solcher Seraphim ist auf Urantia stationiert. Das sind die Transportpersönlichkeiten, die von den lokalen Planeten aus operieren, wie von Urantia nach Jerusem. Eure hergebrachte Vorstellung von Engeln ist auf folgende Weise entstanden: Unmittelbar vor dem physischen Tod spielt sich manchmal im menschlichen Gedankenapparat während Augenblicken ein reflexives Phänomen ab, und das dämmernde Bewusstsein des Menschen scheint etwas von der Gestalt des an seiner Seite wachenden Engels wahrzunehmen und übersetzt es augenblicklich in die gewöhnlich in seinem Verstand wohnende Vorstellung von Engeln. Die irrige Auffassung, dass Engel Flügel besitzen, beruht nicht allein auf der alten Idee, dass sie welche haben müssen, um durch die Luft zu fliegen. Menschlichen Wesen ist manchmal gestattet worden, Seraphim zu beobachten, die für den Transportdienst hergerichtet wurden, und die Überlieferungen solcher Erlebnisse haben weitgehend die urantianische Engelsvorstellung bestimmt. Wenn man zuschaut, wie ein Transportseraph vorbereitet wird, um einen Passagier für einen interplanetarischen Flug aufzunehmen, kann man etwas erblicken, was aussieht wie ein sich von Kopf zu Fuß des Engels erstreckendes, doppeltes Flügelpaar. In Wirklichkeit sind diese Flügel Energie-Isolatoren - Schilde gegen die Reibung. Wenn himmlische Wesen zur Überführung von einer Welt in eine andere einseraphiert werden sollen, werden sie zum Hauptquartier der Sphäre gebracht und nach gehöriger Registrierung in den Transitschlaf getaucht. Inzwischen nimmt der Transportseraph unmittelbar über dem planetarischen Pol der Universumsenergie eine horizontale Lage ein. Während die Energieschilde weit offen stehen, wird die schlafende Persönlichkeit durch die diensthabenden seraphischen Assistenten mit Gewandtheit direkt auf den Transportengel gelegt. Dann werden oberes und unteres Schildepaar sorgfältig geschlossen und angepasst. Und jetzt beginnt unter der Einwirkung der Energieumwandler und -übertrager eine seltsame Metamorphose, um den Seraphen in die Lage zu versetzen, sich in die Energieströme der Universumskreisläufe zu werfen. Von außen gesehen spitzt sich der Seraph an beiden Enden zu und wird derart von einem absonderlichen, gelb getönten Licht umhüllt, dass es unmöglich wird, die einseraphierte Persönlichkeit zu unterscheiden. Wenn alles zur Abreise bereit ist, unterzieht der Transportverantwortliche das Lebensgefährt einer eingehenden Untersuchung, führt die routinemäßigen Tests durch, um abzuklären, ob der Engel richtig an die Energiekreise angeschlossen ist oder nicht, meldet dann, dass der Reisende fachgemäß einseraphiert ist, dass die Energien aufeinander abgestimmt sind, dass der Engel isoliert ist und dass alles bereit ist zum blitzartigen Start. Jetzt nehmen zwei mechanische Überwacher ihre Position ein. Inzwischen hat der Transportseraph ein fast durchsichtiges, vibrierendes, gleißend helles Aussehen mit torpedoartigen Konturen angenommen. Nun ruft der Abfertiger der Transporte die Hilfsbatterien der lebenden Energieübertrager auf, gewöhnlich ihrer tausend an der Zahl; und während er den Bestimmungsort des Transportes bekanntgibt, greift er aus und berührt die ihm am nächsten liegende Stelle des seraphischen Gefährtes, das mit blitzartiger Geschwindigkeit losschießt und, soweit die atmosphärische Hülle des Planeten sich erstreckt, eine Spur himmlischen Leuchtens zurücklässt. In weniger als zehn Minuten entschwindet das wundervolle Schauspiel auch der stärkeren seraphischen Sicht. Im Unterschied zu den planetarischen Raummeldungen, die empfangen werden, wenn es am Meridian des gegebenen geistigen Hauptquartiers Mittag ist, werden die Transporteure von derselben Stelle aus um Mitternacht abgesandt. Das ist die günstigste Startzeit, und es ist die übliche Stunde, wenn nicht ausdrücklich anders bestimmt. 6. Die Chronisten. Das sind die Archivare der wesentlichen Angelegenheiten des Planeten, soweit sie dessen Funktionieren als Teil des Systems und seine Beziehung zur Universumsregierung betreffen oder für diese von besonderem Interesse sind. Sie zeichnen die planetarischen Angelegenheiten auf, beschäftigen sich aber nicht mit individuellen Schicksalen und Existenzen. 7. Die Reserven. Das Reservekorps planetarischer Seraphim Satanias wird auf Jerusem in engem Zusammenwirken mit den Reserven der Materiellen Söhne unterhalten. Die reichlich vorhandenen Reserven genügen jeder Phase der mannigfaltigen Aktivitäten dieser seraphischen Ordnung. Diese Engel sind auch die Überbringer persönlicher Botschaften des Lokalsystems. Sie dienen den Sterblichen, die sich im Übergang befinden, den Engeln und den Materiellen Söhnen sowie anderen Bewohnern der Systemhauptwelten. Obwohl sich Urantia gegenwärtig außerhalb der geistigen Kreisläufe Satanias und Norlatiadeks befindet, bleibt ihr im Übrigen in inniger Berührung mit interplanetarischen Angelegenheiten, denn diese Botschafter kommen aus Jerusem oft auf diese Welt sowie auf alle anderen Sphären des Systems. ***** 39.6 Die Übergangs-Förderer ***** Wie es ihr Name andeutet, versehen die Seraphim des Übergangsdienstes ihr Amt überall dort, wo sie den Geschöpfen beim Übergang vom materiellen zum geistigen Zustand behilflich sein können. Diese Engel dienen von den bewohnten Welten bis zu den Systemkapitalen, aber diejenigen von Satania richten gegenwärtig ihre größten Anstrengungen auf die Erziehung der fortlebenden Sterblichen auf den sieben Residenzwelten. Ihr unterschiedliches Wirken erfolgt in den folgenden sieben Ordnungen: 1. Seraphische Verkünderengel. 2. Rasseninterpreten. 3. Mentalitätsplaner. 4. Morontielle Berater. 5. Techniker. 6. Lehrer-Chronisten. 7. Dienende Reserven. Mehr über diese seraphischen Helfer der Aufsteiger im Übergangsstadium werdet ihr im Zusammenhang mit den Schriften erfahren, die von den Residenzwelten und vom morontiellen Leben handeln. ***** 39.7 Die Seraphim der Zukunft ***** Diese Engel üben nur auf älteren Welten und auf den fortgeschritteneren Planeten Nebadons eine bedeutende Tätigkeit aus. In großer Zahl werden sie auf den Salvington nahen seraphischen Welten in Reserve gehalten, wo sie im Zusammenhang mit dem dereinstigen Heraufdämmern des Zeitalters des Lichts und Lebens in Nebadon ihre Forschungen betreiben. Diese Seraphim wirken tatsächlich im Zusammenhang mit der Laufbahn der aufsteigenden Sterblichen, dienen aber fast ausschließlich nur jenen Sterblichen, die dank einer der modifizierten Aufstiegsarten fortleben. Da diese Engel weder mit Urantia noch den Urantianern direkt etwas zu tun haben, scheint es uns ratsam, von der Beschreibung ihrer fesselnden Aktivitäten abzusehen. ***** 39.8 Seraphische Bestimmung ***** Die Seraphim haben ihren Ursprung in den Lokaluniversen, und in ebendiesen Reichen ihrer Geburt erfüllen einige von ihnen auch ihre dienende Bestimmung. Von den Senior-Erzengeln unterstützt und beraten, können einige Seraphim in die hohe Verantwortung von Leuchtenden Abendsternen erhoben werden, während andere den Status und Dienst von nicht-offenbarten Zugeordneten der Abendsterne erreichen. Die Engel können noch andere Abenteuer lokaluniverseller Bestimmung wagen, aber Seraphington bleibt für immer aller ewiges Ziel. Seraphington ist für die Engel die Schwelle zum Paradies und zum Erreichen der Gottheit, die Übergangssphäre vom Dienen in der Zeit zum verherrlichten Dienst in der Ewigkeit. Seraphim können auf Dutzenden, ja Hunderten von Wegen ins Paradies gelangen, aber die wichtigsten und in diesen Darstellungen behandelten sind die folgenden: 1. Aus eigenem Vermögen die Zulassung zur seraphischen Wohnstätte im Paradies gewinnen durch Erlangen der Vollkommenheit in einem spezialisierten Dienstzweig als himmlischer Künstler, Technischer Berater oder Himmlischer Chronist. Ein Paradies-Gefährte werden und danach, in der Mitte aller Dinge angelangt, vielleicht ein ewiger Beistand und Berater einer seraphischen oder anderen Ordnung werden. 2. Die Aufforderung erhalten, nach Seraphington zu gehen. Unter bestimmten Gegebenheiten werden Seraphim von oben her angefordert; unter wieder anderen Bedingungen gelangen Engel manchmal in viel kürzerer Zeit ins Paradies als Sterbliche. Aber eine wie große Eignung ein Seraphimpaar auch besitzen mag, es kann die Initiative zur Abreise nach Seraphington oder anderswohin nicht selber ergreifen. Niemand außer erfolgreichen Schicksalshütern kann gewiss sein, auf einem schrittweisen Pfad evolutionären Aufstiegs ins Paradies zu gelangen. Alle anderen müssen geduldig die Ankunft der zu den tertiären Supernaphim gehörenden Botschafter aus dem Paradies abwarten, die ihnen das Aufgebot, in der Höhe zu erscheinen, überbringen. 3. Das Paradies über die evolutionäre sterbliche Technik erreichen. Die höchste Wahl, die Seraphim in ihrer zeitlichen Laufbahn treffen können, ist das Amt eines Schutzengels, damit sich ihnen die Laufbahn der Finalität eröffnet und sie sich für die Zuteilung zu den ewigen Sphären seraphischen Dienstes qualifizieren. Diese persönlichen Führer der Kinder der Zeit nennt man Schicksalshüter, was bedeutet, dass sie die sterblichen Geschöpfe auf dem Pfad zur göttlichen Bestimmung sicher bewahren und dadurch ihr eigenes hohes Los bestimmen. Die Schicksalshüter werden den Reihen aller erfahreneren Engelspersönlichkeiten aller Seraphimordnungen entnommen, die sich für diesen Dienst qualifiziert haben. Allen zur Fusion mit ihrem Justierer ausersehenen Sterblichen werden befristet Hüter beigegeben, und diese Gefährten können ihnen auf Dauer zugeteilt werden, wenn die fortlebenden Sterblichen die erforderliche intellektuelle und geistige Entwicklung erreichen. Bevor die sterblichen Aufsteiger die Residenzwelten verlassen, besitzen sie alle dauernde seraphische Gefährten. Diese Gruppe dienender Geiste behandeln wir im Zusammenhang mit den Schriften über Urantia. Den Engeln ist es nicht möglich, Gott ausgehend von der menschlichen Ursprungsebene zu erreichen, denn sie sind "ein bisschen höher als ihr" erschaffen worden; aber es ist weise so eingerichtet worden, dass sie, obwohl ihnen der Beginn ganz zuunterst, im geistigen Tiefland der sterblichen Existenz, verwehrt ist, zu denen hinabsteigen können, die wirklich ganz unten anfangen, um diese Geschöpfe Schritt für Schritt und Welt um Welt bis an die Pforten Havonas zu führen. Wenn die sterblichen Aufsteiger Uversa verlassen, um mit den Kreisen Havonas zu beginnen, nehmen die ihnen nach dem irdischen Leben zugeteilten Hüter vorübergehend von ihren Pilgergefährten Abschied, um sich nach Seraphington, der Bestimmungswelt der Engel des Großen Universums, zu begeben. Hier werden diese Hüter versuchen, die sieben Kreise seraphischen Lichts zu meistern, was ihnen ohne Zweifel gelingen wird. Viele, aber nicht alle Seraphim, die ihren sterblichen Gefährten während des materiellen Lebens als Schicksalshüter zugeteilt waren, begleiten diese durch die Kreise Havonas, während gewisse andere Seraphim die Kreise des Zentraluniversums auf eine vom Aufstieg der Sterblichen völlig verschiedene Weise durchlaufen. Aber auf welchem Wege sie auch immer aufsteigen, durchlaufen alle evolutionären Seraphim Seraphington, und sie gehen in ihrer Mehrheit durch diese Erfahrung anstatt durch die Kreise Havonas. Seraphington ist die Bestimmungssphäre der Engel, und was sie auf dieser Welt erwerben, ist ganz und gar verschieden von den Erfahrungen der sterblichen Pilger auf Aszendington. Engel sind ihrer ewigen Zukunft nicht absolut sicher, solange sie Seraphington nicht erreicht haben. Man hat nie von einem auf Seraphington angelangten und auf Abwege geratenen Engel gehört; nie wird Sünde im Herzen eines Seraphen der Vollendung Widerhall finden. Die Graduierten Seraphingtons werden unterschiedlich zugeteilt: Schicksalshüter mit der Erfahrung der Kreise Havonas treten gewöhnlich dem Korps der Sterblichen Finalisten bei. Andere Hüter vereinigen sich häufig wieder mit ihren sterblichen Gefährten im Paradies, nachdem sie durch die Prüfungen des Getrenntseins in Havona gegangen sind, und einige werden die ewigen Gefährten der sterblichen Finalisten, während wieder andere in die verschiedenen Finalistenkorps Nichtsterblicher eintreten. Viele werden in das Korps der Seraphischen Vollendung aufgenommen. ***** 39.9 Das Korps der Seraphischen Vollendung ***** Nachdem sie den Vater der Geiste erreicht haben und zum seraphischen Dienst der Vollendung zugelassen worden sind, werden den Engeln manchmal Aufgaben auf Welten übertragen, die im Licht und Leben verankert sind. Sie erlangen die Zuteilung zu den hohen trinitisierten Wesen der Universen und zu den hohen Diensten des Paradieses und Havonas. Diese Seraphim der Lokaluniversen haben auf dem Erfahrungsweg den Unterschied an Göttlichkeitspotential wettgemacht, der früher zwischen ihnen und den dienenden Geisten des Zentraluniversums und der Superuniversen bestand. Engel vom Seraphischen Korps der Vollendung dienen als Mitarbeiter der Sekonaphim des Superuniversums und als Assistenten der hohen Supernaphimordnungen des Paradieses und Havonas. Für solche Engel ist die Laufbahn in der Zeit abgeschlossen; von nun an und für immer sind sie Diener Gottes, Vertraute göttlicher Persönlichkeiten und Ebenbürtige der Finalisten des Paradieses. In großer Zahl kehren die Seraphim der Vollendung in ihre Heimatuniversen zurück, um dort das auf göttlichen Gaben fußende Dienen durch das auf erfahrungsmäßiger Vollkommenheit beruhende Dienen zu ergänzen. Nebadon ist, vergleichsweise gesprochen, eines der jüngeren Universen und hat deshalb von diesen zurückgekehrten Graduierten Seraphingtons nicht so viele, wie man in anderen Reichen antrifft; trotzdem ist unser Lokaluniversum hinreichend mit Seraphim der Vollendung versorgt, denn es ist bedeutsam, dass die evolutionären Reiche zunehmend ihrer Dienste bedürfen, wenn sie sich dem Status des Lichts und Lebens nähern. Die Seraphim der Vollendung dienen jetzt vornehmlich mit den Ordnungen der höchsten Seraphim, aber einige dienen mit jeder der anderen Engelsordnungen. Sogar eure Welt erfreut sich des ausgedehnten Wirkens von zwölf spezialisierten Gruppen des Seraphischen Korps der Vollendung; diese Meisterseraphim planetarischer Führung begleiten alle neu beauftragten Planetarischen Fürsten auf die bewohnten Welten. Den Seraphim der Vollendung stehen viele fesselnde Dienstwege offen, aber so wie sie sich in den vor ihrem Paradiesaufenthalt liegenden Tagen nach einem Auftrag als Schicksalshüter gesehnt hatten, so ist es in der auf das Paradies folgenden Erfahrung ihr größter Wunsch, Begleiter der inkarnierten Paradies-Söhne während ihrer Selbsthingaben zu werden. Sie dienen immer noch mit größter Hingabe dem universellen Plan, den sterblichen Geschöpfen der evolutionären Welten bei der langen und lockenden Reise zum paradiesischen Ziel der Göttlichkeit und Ewigkeit Starthilfe zu leisten. Während des ganzen Abenteuers der Sterblichen, Gott zu finden und göttliche Vollkommenheit zu erlangen, sind diese geistigen Diener seraphischer Vollendung zusammen mit den treuen dienenden Geisten der Zeit immer und für ewig eure wahren Freunde und unfehlbaren Helfer. [Dargeboten von einem Melchisedek, der auf Ersuchen des Chefs der Seraphischen Heerscharen Nebadons handelt.] ****** Kapitel 40 Die Aufsteigenden Söhne Gottes ****** WIE bei vielen der Hauptgruppen von Universumswesen sind sieben allgemeine Klassen aufsteigender Gottessöhne offenbart worden: 1. Mit dem Vater fusionierte Sterbliche. 2. Mit dem Sohn fusionierte Sterbliche. 3. Mit dem Geist fusionierte Sterbliche. 4. Evolutionäre Seraphim. 5. Aufsteigende Materielle Söhne. 6. Transferierte Mittler. 7. Personifizierte Justierer. Die Geschichte dieser Wesen von den niedrigen Sterblichen tierischen Ursprungs der evolutionären Welten bis zu den Personifizierten Justierern des Universalen Vaters ist zugleich auch eine glorreiche Darstellung des sich durch alle Zeiten ziehenden und in allen Universen der gewaltigen Schöpfung der Paradies-Gottheiten geübten schrankenlosen Schenkens göttlicher Liebe und gnadenvollen Sichherabbeugens. Unsere Ausführungen haben mit einer Beschreibung der Gottheiten begonnen, und Gruppe um Gruppe ist die Erzählung auf der universellen Stufenleiter lebender Wesen hinabgestiegen bis zur niedrigsten mit dem Potential zur Unsterblichkeit begabten Lebensordnung; und jetzt bin ich - ein einst auf einer evolutionären Welt des Raums geborener Sterblicher - von Salvington hergesandt worden, um weiterzufahren mit der sorgfältigen Beschreibung dessen, was die Götter mit den aufsteigenden Sohnesordnungen und im Besonderen mit den sterblichen Geschöpfen von Zeit und Raum in der Ewigkeit vorhaben. Da sich der größere Teil dieser Schrift der Behandlung der drei grundlegenden Ordnungen aufsteigender Sterblicher widmen wird, schenken wir unsere Aufmerksamkeit zuerst den nicht-sterblichen aufsteigenden Sohnesordnungen - den seraphischen, adamischen, Mittler- und Justiererordnungen. ***** 40.1 Die evolutionären Seraphim ***** Die sterblichen Geschöpfe tierischen Ursprungs sind nicht die einzigen Wesen, die sich des Privilegs der Sohnschaft erfreuen; auch die Heerscharen der Engel teilen mit ihnen die himmlische Möglichkeit, das Paradies zu erreichen. Durch Erfahrung und Dienst bei den aufsteigenden Sterblichen der Zeit gelangen auch die seraphischen Hüter zum Status aufsteigender Sohnschaft. Solche Engel erreichen das Paradies über Seraphington, und viele von ihnen werden sogar in das Finalitätskorps der Sterblichen aufgenommen. Die himmlischen Höhen der Gottessohnschaft eines Finalisten zu erklimmen, ist für einen Engel eine meisterliche Vollbringung, eine Leistung, die weit über eure Erlangung des ewigen Fortlebens durch den Plan des Ewigen Sohnes und die immer gegenwärtige Hilfe des euch innewohnenden Justierers hinausgeht; aber die Hüterseraphim und gelegentlich auch andere schaffen tatsächlich einen derartigen Aufstieg. ***** 40.2 Die aufsteigenden Materiellen Söhne ***** Die Materiellen Söhne Gottes werden in einem Lokaluniversum wie die Melchisedeks und ihre Mitarbeiter erschaffen, die alle zu den niedersteigenden Söhnen gerechnet werden. Und in der Tat sind die Planetarischen Adame - die Materiellen Söhne und Töchter der evolutionären Welten - niedersteigende Söhne, die von ihren Heimatsphären, den Kapitalen der Lokalsysteme, auf die bewohnten Welten herabkommen. Wenn solch ein Adam und solch eine Eva bei ihrer gemeinsamen planetarischen Mission als biologische Veredler gänzlich erfolgreich sind, teilen sie die Bestimmung der Bewohner ihrer Welt. Und wenn diese Welt einmal in den vorgerückten Stadien des Lichts und Lebens verankert ist, wird ihren getreuen Materiellen Verwaltern erlaubt, all ihre planetarischen administrativen Pflichten aufzugeben; den so von ihrem niedersteigenden Abenteuer Befreiten wird jetzt gestattet, sich in die Register des Lokaluniversums als vervollkommnete Materielle Söhne einzutragen. Auf dieselbe Weise können sich Materielle Söhne mit stationärem Status - Bürger des Lokalsystems - von den Aktivitäten ihrer Statussphären zurückziehen, wenn ihre planetarische Zuteilung lange hinausgeschoben worden ist, und sich ebenfalls als vervollkommnete Materielle Söhne regi- strieren lassen. Nach diesen Formalitäten sind solche befreiten Adame und Evas als aufsteigende Söhne Gottes beglaubigt und können unverzüglich mit ihrer langen Reise nach Havona und dem Paradies beginnen, wobei sie genau an dem Punkt starten, wo sich ihr Status und ihre geistige Entwicklung in jenem Augenblick befinden. Und sie machen diese Reise zusammen mit den sterblichen und anderen aufsteigenden Söhnen und hören nicht auf, bis sie Gott gefunden und das Finalitätskorps der Sterblichen im ewigen Dienst an den Paradies-Gottheiten erreicht haben. ***** 40.3 Die transferierten Mittler ***** Obwohl sie nicht in den unmittelbaren Genuss der planetarischen Selbsthingaben der niedersteigenden Söhne Gottes kommen und obwohl ihr Aufstieg zum Paradies lange auf sich warten lässt, werden doch beide Gruppen von Mittler-Geschöpfen schließlich aus dem planetarischen Dienst entlassen, bald nachdem ein evolutionärer Planet die Zwischenstadien des Lichts und Lebens erreicht hat - wenn nicht schon vorher. Manchmal geschieht die Transferierung der meisten von ihnen, zusammen mit ihren menschlichen Vettern, am Tag des Niedersteigens des Tempels des Lichts und der Erhebung des Planetarischen Fürsten zur Würde eines Planetarischen Souveräns. Nach ihrer Entlassung aus dem planetarischen Dienst werden beide Ordnungen im Lokaluniversum als aufsteigende Gottessöhne registriert und beginnen unverzüglich mit ihrem langen Aufstieg zum Paradies auf den für den Fortschritt der sterblichen Rassen der materiellen Welten vorgezeichneten Pfaden. Die Bestimmung der primären Gruppe sind verschiedene Finalistenkorps, aber der Weg aller sekundären oder adamischen Mittler führt zur Eingliederung in das Finalitätskorps der Sterblichen. ***** 40.4 Die Personifizierten Justierer ***** Wenn es den Sterblichen der Zeit misslingt, ihren Seelen in planetarischer Zusammenarbeit mit dem geistigen Geschenk des Universalen Vaters das ewige Fortleben zu sichern, beruht ein solches Scheitern nie irgendwie darauf, dass der Justierer seine Pflicht, seine Fürsorge oder seinen Dienst vernachlässigt oder es an Hingabe hätte fehlen lassen. Beim Tod des Sterblichen kehren diese verlassenen Mentoren nach Divinington zurück. Später, nachdem der Nicht-Fortlebende gerichtet worden ist, können sie den Welten von Zeit und Raum von Neuem zugeteilt werden. Manchmal, nach wiederholten Diensten dieser Art oder nach einer außergewöhnlichen Erfahrung wie etwa dem Dienst als innewohnender Justierer eines inkarnierten Sohnes der Selbsthingabe, werden diese wirksamen Justierer durch den Universalen Vater personifiziert. Personifizierte Justierer sind Wesen von einmaliger und unergründlicher Art. Während ihr Status ursprünglich existentiell und vorpersönlich ist, sind sie durch die Teilnahme an Leben und Laufbahn der niederen Sterblichen der materiellen Welten auch zu Erfahrungswesen geworden. Und weil die diesen erfahrenen Gedankenjustierern verliehene Persönlichkeit ihren Ursprung und Urquell in des Universalen Vaters persönlicher und unablässiger Austeilung erfahrungsmäßiger Persönlichkeit an seine Geschöpfes-Schöpfung hat, werden diese Personifizierten Justierer den aufsteigenden Söhnen Gottes zugerechnet, wobei sie die höchste all dieser Sohnesordnungen darstellen. ***** 40.5 Die Sterblichen von Zeit und Raum ***** Die Sterblichen bilden das letzte Glied in der Kette der Wesen, die man Söhne Gottes nennt. Das persönliche Gepräge des Ursprünglichen und Ewigen Sohnes pflanzt sich nach unten fort in einer Folge von abnehmend göttlichen und zunehmend menschlichen Personifizierungen, bis ein Wesen gerade wie ihr erscheint, das ihr sehen, hören und berühren könnt. Und dann bringt man die große Wahrheit in euer geistiges Bewusstsein, die euer Glaube vielleicht fassen kann - dass ihr Söhne des ewigen Gottes seid! Desgleichen nähert sich der Ursprüngliche und Unendliche Geist durch eine lange Serie von abnehmend göttlichen und zunehmend menschlicheren Ordnungen immer mehr den kämpfenden Geschöpfen der Welten und findet die Grenze seiner Ausdrucksfähigkeit in den Engeln - ihr seid um ein Weniges geringer erschaffen worden als sie -, die euch auf der Lebensreise eures zeitlichen Werdegangs von Sterblichen persönlich behüten und führen. Gott der Vater steigt selber nicht auf diese Weise herab, um in so engen persönlichen Kontakt mit der beinahe grenzenlosen Zahl aufsteigender Geschöpfe im ganzen Universum der Universen zu treten - er kann es nicht. Aber der Vater muss den persönlichen Kontakt mit seinen niederen Geschöpfen deshalb nicht entbehren; ihr seid nicht ohne die göttliche Gegenwart. Obwohl Gott der Vater nicht direkt, persönlich manifestiert, bei euch sein kann, ist er doch in euch und ein Teil von euch in der Identität des euch innewohnenden Gedankenjustierers, des göttlichen Mentors. So tritt der Vater, der an Persönlichkeit und Geist am weitesten von euch entfernt ist, am nächsten an euch heran über seinen Persönlichkeitskreis und im geistigen Kontakt innerer Verbindung mit den Seelen seiner sterblichen Söhne und Töchter. Die Identifikation mit dem Geist ist das Geheimnis des persönlichen Fortlebens; sie ist entscheidend für die Bestimmung des geistigen Aufstiegs. Und da die Gedankenjustierer die einzigen Geiste mit Fusionspotential sind, die sich mit dem Menschen während seines Erdenlebens identifizieren können, teilt man die Sterblichen von Zeit und Raum primär nach ihrer Beziehung zu diesen göttlichen Geschenken, den sie bewohnenden Unergründlichen Mentoren, ein. Diese Einteilung geschieht wie folgt: 1. Sterbliche mit einem sich bei ihnen vorübergehend, erfahrungsmäßig aufhaltenden Justierer. 2. Sterbliche der Typen, die nicht mit dem Justierer fusionieren. 3. Sterbliche mit dem Potential zur Fusion mit dem Justierer. Erste Serie - Sterbliche mit einem sich bei ihnen vorübergehend, erfahrungsmäßig aufhaltenden Justierer. Diese Serienbezeichnung gilt vorübergehend für jeden Planeten, indem sie für die frühen Stadien aller bewohnten Welten mit Ausnahme derjenigen der zweiten Serie gilt. Die Sterblichen der ersten Serie wohnen auf den Welten des Raums während der früheren Epochen der Menschheitsentwicklung und umfassen die primitivsten Typen menschlicher Intelligenz. Auf vielen Welten wie auf dem voradamischen Urantia gewinnen höhere und fortgeschrittenere Typen primitiver Menschen in großer Zahl die Voraussetzungen zum Fortleben nach dem Tode, bringen es aber nicht bis zur Justiererfusion. Zeitalter nach Zeitalter, vor dem Aufstieg der Menschen zur Ebene höheren geistigen Wollens, bewohnen die Justierer den Verstand dieser kämpfenden Geschöpfe während ihres kurzen Erdenlebens, und im Augenblick, da solche Willensgeschöpfe von Justierern bewohnt werden, treten die kollektiven Schutzengel in Funktion. Wenn diese Sterblichen der ersten Serie auch keine persönlichen Beschützer haben, so besitzen sie doch Gruppenhüter. Ein erfahrungsmäßiger Justierer bleibt bei einem primitiven menschlichen Wesen während dessen ganzen Erdenlebens. Die Justierer tragen viel zum Vorwärtskommen der primitiven Menschen bei, sind aber außerstande, mit solchen Sterblichen ewige Verbindungen einzugehen. Dieses zeitlich begrenzte Wirken erfüllt zwei Dinge: Erstens gewinnen sie eine wertvolle und wirkliche Erfahrung von Wesen und Arbeitsweise des evolutionären Intellekts, eine Erfahrung von unschätzbarem Wert für spätere Kontakte mit höher entwickelten Wesen auf anderen Welten. Und zweitens trägt der vorübergehende Aufenthalt der Justierer viel dazu bei, ihre sterblichen Schutzbefohlenen auf eine mögliche spätere Fusion mit dem Geist vorzubereiten. Alle Gott suchenden Seelen dieses Typs erreichen das ewige Leben in der geistigen Umfangung durch den Muttergeist des Lokaluniversums und werden dadurch zu aufsteigenden Sterblichen der lokaluniversellen Ordnung. Viele Personen des voradamischen Urantia wurden so auf die Residenzwelten Satanias befördert. Die Götter, die anordneten, dass sich der sterbliche Mensch durch lange Zeitalter evolutionärer Prüfungen und Beschwernisse zu höheren Ebenen geistiger Einsicht emporarbeite, tragen seinem Status und seinen Bedürfnissen an jeder Stelle seines Aufstiegs Rechnung; und immer sind sie, wenn sie endgültig über diese ringenden Sterblichen der frühen Tage der sich entwickelnden Rassen Gericht halten, göttlich fair und gerecht, ja sogar voll bezaubernden Erbarmens. Zweite Serie - Sterbliche der Typen, die nicht mit dem Justierer fusionieren. Das sind spezialisierte Typen menschlicher Wesen, die mit den ihnen innewohnenden Justierern keine ewige Verbindung eingehen können. Die Einteilung der Rassen in ein-, zwei- und dreihirnige Typen hat mit der Justiererfusion nichts zu tun; all diese Sterblichen sind miteinander verwandt, aber die Typen ohne Justiererfusion sind eine völlig verschiedene und bedeutend abgeänderte Ordnung von Willensgeschöpfen. Viele von den Nichtatmern gehören dieser Serie an, und daneben gibt es noch zahlreiche andere Gruppen, die gewöhnlich nicht mit ihren Justierern fusionieren. Wie bei der ersten Serie erfreut sich jedes Mitglied dieser Gruppe während seines inkarnierten Lebens der Betreuung durch einen einzelnen Justierer. Während des zeitlichen Lebens tun diese Justierer für die Schützlinge, die sie bewohnen, all das, was auf anderen Welten getan wird, wo die Sterblichen das Potential zur Fusion besitzen. Die Sterblichen dieser zweiten Serie werden oft von jungfräulichen Justierern bewohnt, während die höheren menschlichen Typen mit meisterlichen und erfahrenen Mentoren verbunden sind. Der aufsteigende Plan zur Erhöhung der Geschöpfe tierischen Ursprungs will, dass diesen Wesen derselbe hingebungsvolle Dienst der Söhne Gottes gewährt werde, wie er den Sterblichen vom Typ Urantias widerfährt. Auf den Planeten ohne Fusion ist die seraphische Zusammenarbeit mit den Justierern ebenso ausgiebig vorhanden wie auf den Welten mit Fusionspotential; die Schicksalshüter walten ihres Amtes auf solchen Sphären genauso wie auf Urantia und versehen zum Zeitpunkt des Fortlebens des Sterblichen, dann, wenn die fortlebende Seele mit dem Geist fusioniert, dieselben Funktionen. Wenn ihr auf den Residenzwelten dereinst diesen Sterblichen des abgeänderten Typs begegnet, werdet ihr keine Schwierigkeiten haben, mit ihnen zu kommunizieren. Sie sprechen dort dieselbe Systemsprache, aber mittels einer abgeänderten Technik. Diese Wesen sind mit eurer Ordnung des Geschöpfeslebens in den Äußerungen des Geistes und der Persönlichkeit identisch und unterscheiden sich von euch nur in gewissen physischen Merkmalen und durch die Tatsache, dass sie nicht mit Gedankenjustierern fusionieren können. Aus welchem genauen Grunde dieser Geschöpfestyp nie mit den Justierern des Universalen Vaters zu fusionieren vermag, kann ich nicht sagen. Einige von uns neigen zu der Annahme, dass sich die Lebensbringer bei ihren Bemühungen um den Entwurf von Wesen, die in einem ungewöhnlichen planetarischen Umfeld überlebensfähig sind, vor die Notwendigkeit gestellt sehen, am Universumsplan intelligenter Willensgeschöpfe derart radikale Änderungen vorzunehmen, dass es aus der Sache heraus unmöglich wird, zu einer dauernden Verbindung mit den Justierern zu gelangen. Oft haben wir uns gefragt: Ist dies ein beabsichtigter oder ein unbeabsichtigter Teil des Aufstiegsplans? Aber wir haben die Antwort darauf nicht gefunden. Dritte Serie - Sterbliche mit dem Potential zur Fusion mit dem Justierer. Alle mit dem Vater fusionierten Wesen sind tierischen Ursprungs, gerade wie die Rassen Urantias. Sie umfassen die Sterblichen des ein-, zwei- und dreihirnigen Typs, die das Potential zur Fusion mit dem Justierer besitzen. Die Urantianer gehören dem mittleren oder zweihirnigen Typ an, der den einhirnigen Gruppen in mancher Beziehung menschlich überlegen, aber verglichen mit den dreihirnigen Ordnungen entschieden beschränkt ist. Die verschiedene physische Hirnbegabung dieser drei Typen hat keinen Einfluss auf die Vergabe der Justierer, auf den seraphischen Dienst oder auf irgendeine andere Phase geistiger Betreuung. Das intellektuelle und geistige Gefälle zwischen den drei Hirntypen charakterisiert Individuen, die im Übrigen in Bezug auf Verstandesbegabung und geistiges Potential ganz gleich sind. Dieses Gefälle ist am größten während des zeitlichen Lebens und hat, während die Residenzwelten eine nach der anderen durchlaufen werden, abnehmende Tendenz. Vom Systemhauptsitz an ist der Fortschritt aller drei Typen derselbe, und ihre schließliche paradiesische Bestimmung ist identisch. Die nicht nummerierte Serie. Diese Beschreibungen können unmöglich all die faszinierenden Variationen der evolutionären Welten enthalten. Wie ihr wisst, ist jede zehnte Welt ein dezimaler oder Experimentierplanet, aber ihr wisst nichts über die anderen Abweichungen, die in der Prozession der evolutionären Sphären da und dort auftreten. Es gibt sogar zwischen den offenbarten Ordnungen lebender Geschöpfe sowie zwischen Planeten derselben Gruppe zu zahlreiche Unterschiede, als dass man sie erwähnen könnte, aber diese Darstellung will die wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der aufsteigenden Laufbahn klar machen. Denn die aufsteigende Laufbahn ist der wichtigste Faktor bei jeder Betrachtung der Sterblichen von Raum und Zeit. Was die Chancen der Sterblichen für das Fortleben angeht, so lasst uns ein für alle Mal klar machen: Alle Seelen jeder denkbaren sterblichen Existenzphase werden fortleben, vorausgesetzt, sie legen einen Willen zur Zusammenarbeit mit dem ihnen innewohnenden Justierer an den Tag und zeigen den Wunsch, Gott zu finden und göttliche Vollkommenheit zu erreichen, auch wenn solche Wünsche nicht mehr sein sollten als das erste schwache Aufflackern der primitiven Erahnung jenes "wahren Lichts, das in jedem Menschen leuchtet, der auf die Welt kommt". ***** 40.6 Die Glaubenssöhne Gottes ***** Die sterblichen Rassen stellen die niedrigste Ordnung intelligenter und persönlicher Schöpfung dar. Ihr Sterblichen werdet göttlich geliebt, und jeder von euch hat die Wahl, sich für das sichere Schicksal einer ruhmreichen Erfahrung zu entscheiden, aber ihr gehört eurer Natur nach noch nicht zur göttlichen Ordnung; ihr seid ganz und gar sterblich. Ihr werdet von dem Augenblick an, da die Fusion stattfindet, den aufsteigenden Söhnen zugerechnet, aber vor diesem Ereignis der schließlichen Verschmelzung der fortlebenden sterblichen Seele mit irgendeinem Typ ewigen und unsterblichen Geistes ist der Status der Sterblichen von Zeit und Raum derjenige von Glaubenssöhnen . Es ist eine feierliche und himmlische Tatsache, dass solch niedere materielle Geschöpfe wie die menschlichen Wesen Urantias Söhne Gottes sind, Glaubenskinder des Allerhöchsten. "Siehe, welch eine Liebe hat der Vater uns geschenkt, dass wir Söhne Gottes heißen sollen." "Allen, die ihn empfingen, gab er die Macht zu erkennen, dass sie Söhne Gottes sind." Obwohl "jetzt noch nicht erkennbar ist, was ihr dereinst sein werdet, so seid ihr" jetzt schon "Söhne Gottes durch den Glauben"; "denn ihr habt nicht den Geist der Sklaverei empfangen, um euch wiederum zu fürchten, sondern ihr habt den Geist der Sohnschaft empfangen, der euch ausrufen lässt: `Unser Vater' ". So sprach der Prophet von einst im Namen des ewigen Gottes: "Sogar ihnen will ich in meinem Hause einen Platz geben und einen Namen, der noch vortrefflicher ist als der von Söhnen; ich will ihnen einen ewigen Namen geben, einen, der nie vergehen wird." "Und weil ihr Söhne seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt." Alle von Sterblichen bewohnten evolutionären Welten beherbergen diese Glaubenssöhne Gottes, Söhne der Gnade und des Erbarmens, sterbliche Wesen, die zur göttlichen Familie gehören und deshalb Söhne Gottes heißen. Die Sterblichen Urantias haben aus folgenden Gründen das Recht, sich als Söhne Gottes zu betrachten: 1. Ihr seid Söhne eines geistigen Versprechens, Glaubenssöhne; ihr habt den Status der Sohnschaft bejaht: Ihr glaubt an die Realität eurer Sohnschaft, und dadurch wird eure Sohnesbeziehung zu Gott eine ewige Realität. 2. Ein Schöpfersohn ist einer von euch geworden; er ist tatsächlich euer älterer Bruder; und wenn ihr im Geiste wahrhaftige Brüder Christi, des siegreichen Michael, werdet, müsst ihr im Geiste auch die Söhne jenes euch beiden gemeinsamen Vaters sein - eben des Universalen Vaters aller. 3. Ihr seid Söhne, weil der Geist eines Sohnes über euch ausgegossen, an alle Rassen Urantias freigebig und gewiss ausgeteilt wurde. Dieser Geist zieht euch stets zum göttlichen Sohn, aus welchem er kommt, und zum Paradies-Vater, aus welchem dieser göttliche Sohn kommt. 4. Aus seinem göttlichen freien Willen heraus hat der Universale Vater euch eure Geschöpfespersönlichkeit geschenkt. Ihr habt als Gabe eine Portion von jener göttlichen Spontaneität freier Willenshandlung erhalten, die Gott mit allen teilt, die seine Söhne werden wollen. 5. In euch wohnt ein Fragment des Universalen Vaters, und ihr steht so direkt mit dem göttlichen Vater aller Söhne Gottes in Verbindung. ***** 40.7 Vater fusionierte Sterbliche ***** Die Aussendung der Justierer, ihr Innewohnen, ist wirklich eines der unergründlichen Mysterien Gottes des Vaters. Diese Fragmente der göttlichen Natur des Universalen Vaters bergen in sich das Unsterblichkeitspotential der Geschöpfe. Justierer sind unsterbliche Geiste, und die Vereinigung mit ihnen verleiht den Seelen der fusionierten Sterblichen ewiges Leben. Eure eigenen Rassen fortlebender Sterblicher gehören dieser Gruppe der aufsteigenden Gottessöhne an. Ihr seid jetzt planetarische Söhne, evolutionäre Geschöpfe, die sich aus den Ansiedlungen des Lebens durch die Lebensbringer herleiten und durch den Zuschuss adamischen Lebens verändert worden sind, aber wohl schwerlich aufsteigende Söhne; hingegen seid ihr tatsächlich Söhne mit dem Potential zum Aufstieg - sogar bis zu den höchsten Höhen der Herrlichkeit und der Erlangung von Göttlichkeit - , und diesen geistigen Status von aufsteigenden Söhnen könnt ihr erwerben durch euren Glauben und eure freiwillige Zusammenarbeit mit den vergeistigenden Aktivitäten des euch bewohnenden Justierers. Wenn ihr und euer Justierer schließlich und für immer fusioniert, wenn aus euch zwei einer geworden ist, so wie in Christus Michael der Gottessohn und der Menschensohn eins sind, seid ihr tatsächlich aufsteigende Söhne Gottes geworden. Ins Einzelne der Justiererlaufbahn inneren Dienstes auf einem evolutionären Probeplaneten zu gehen, gehört nicht zu meiner Aufgabe; das Werden dieser großen Wahrheit umfasst euren gesamten irdischen Weg. Ich erwähne hier gewisse Justiererfunktionen nur, um eine vollständige Beschreibung der mit dem Justierer fusionierten Sterblichen zu geben. Die inwendigen Gottesfragmente wohnen bei den Wesen eurer Ordnung von den frühen Tagen der physischen Existenz an und begleiten euch während eurer ganzen aufsteigenden Laufbahn durch Nebadon und Orvonton und weiter durch Havona bis ins Paradies selber. Und hernach, im ewigen Abenteuer, ist derselbe Justierer eins mit euch, gehört zu euch. Das sind die Sterblichen, denen der Universale Vater das Gebot gegeben hat: "Seid vollkommen, wie ich vollkommen bin." Der Vater hat sich euch geschenkt, hat seinen eigenen Geist in euch gelegt; deshalb verlangt er von euch letzte Vollkommenheit. Die Beschreibung des menschlichen Aufstiegs von den sterblichen Sphären der Zeit zu den göttlichen Reichen der Ewigkeit bildet einen fesselnden Bericht, der nicht zu meinem Auftrag gehört, aber diesem himmlischen Abenteuer sollte die höchste Aufmerksamkeit des sterblichen Menschen gelten. Die Fusion mit einem Fragment des Universalen Vaters kommt einer göttlichen Bestätigung gleich, dass das Paradies schließlich erreicht werden wird, und solche mit dem Justierer fusionierte Sterbliche sind die einzige Klasse von menschlichen Wesen, die allesamt die Kreise Havonas durchlaufen und Gott im Paradies finden. Den mit dem Justierer fusionierten Sterblichen steht die Laufbahn universellen Dienstes weit offen. Welch eine würdige Bestimmung und ruhmreiche Vollbringung wartet auf jeden von euch! Ermesst ihr auch so richtig, was für euch getan worden ist? Erfasst ihr die Großartigkeit der sich vor euch ausbreitenden Höhen ewiger Vollbringung - ausgerechnet vor euch, die ihr euch jetzt in eurem so genannten "Tränental" auf den niederen Pfaden des Lebens mühsam fortschleppt? ***** 40.8 Sohn fusionierte Sterbliche ***** Während praktisch alle fortlebenden Sterblichen mit ihrem Justierer auf einer der Residenzwelten oder unmittelbar nach ihrer Ankunft auf den höheren morontiellen Sphären fusionieren, gibt es bestimmte Fälle von aufgeschobener Fusion. Die Betroffenen erleben die endgültige Sicherheit des Fortlebens nicht, bevor sie die letzten Erziehungswelten des Universumshauptsitzes erreicht haben; und einige wenige von diesen sterblichen Anwärtern auf das ewige Leben scheitern völlig bei ihrem Bemühen, zur Identitätsfusion mit ihrem treuen Justierer zu gelangen. Diese Sterblichen waren von den Gerichtsinstanzen als des Fortlebens würdig befunden worden, und selbst ihre Justierer hatten durch ihre Rückkehr von Divinington zu ihrem Aufstieg auf die Residenzwelten beigetragen. Diese Wesen durchliefen ein System, eine Konstellation und die Erziehungswelten des Salvingtonkreises; es wurden ihnen "siebzig mal sieben" Gelegenheiten zur Fusion geboten und sie waren trotzdem unfähig, das Einssein mit ihrem Justierer zu erreichen. Wenn es sich herausstellt, dass irgendein Synchronisierungsproblem die Fusion mit dem Vater verhindert, werden die Fortlebens-Schiedsrichter des Schöpfersohnes einberufen. Und wenn dieser durch einen persönlichen Vertreter der Ältesten der Tage legitimierte Untersuchungsausschuss schließlich befindet, dass der aufsteigende Sterbliche sich keiner ersichtlichen Ursache für das Misslingen der Fusion schuldig gemacht hat, gibt er es so zu den Akten des Lokaluniversums und leitet diesen Befund in aller Form an die Ältesten der Tage weiter. Hierauf kehrt der innewohnende Justierer unverzüglich zur Bestätigung durch die Personifizierten Mentoren nach Divinington zurück. Nach seinem Abschied fusioniert der morontielle Sterbliche augenblicklich mit einer individualisierten Gabe des Geistes des Schöpfersohnes. Ungefähr so wie die Aufsteiger die morontiellen Sphären Nebadons mit den mit dem Geist fusionierten Sterblichen teilen, so teilen diese mit dem Sohn fusionierten Geschöpfe die Dienste Orvontons mit ihren mit dem Justierer fusionierten Brüdern, die nach innen reisen, der weit entfernten Paradies-Insel entgegen. Sie sind wahrhaftig eure Brüder und ihr werdet euch in ihrer Gesellschaft sehr wohl fühlen, wenn ihr die Schulungswelten des Superuniversums durchlauft. Die mit dem Sohn fusionierten Sterblichen sind keine zahlreiche Gruppe, gibt es ihrer im Superuniversum von Orvonton doch nur weniger als eine Million. Sie sind ihren mit dem Justierer fusionierten Mitarbeitern in jeder Hinsicht ebenbürtig, wenn man von deren Bestimmung zu Paradies-Bewohnern absieht. Sie reisen im Auftrag des Superuniversums häufig ins Paradies, wohnen dort aber nur selten dauernd, da sie als Klasse auf ihr heimatliches Superuniversum beschränkt sind. ***** 40.9 Geist fusionierte Sterbliche ***** Mit dem Geist fusionierte aufsteigende Sterbliche sind keine Persönlichkeiten des Dritten Ursprungs; sie gehören dem Persönlichkeitskreislauf des Vaters an, aber sie haben mit Individualisierungen des vormentalen Geistes des Dritten Zentralen Ursprungs fusioniert. Eine solche Fusion mit dem Geist ereignet sich nie während der Spanne des natürlichen Lebens; sie findet erst zur Zeit des Wiederaufwachens der Sterblichen in der morontiellen Existenz auf den Residenzwelten statt. Es gibt bei der Fusionserfahrung kein Überlappen; das Willensgeschöpf hat entweder mit dem Geist oder mit dem Sohn oder mit dem Vater fusioniert. Wer mit dem Justierer oder Vater fusioniert hat, hat niemals mit dem Geist oder mit dem Sohn fusioniert. Die Tatsache, dass diese Typen sterblicher Geschöpfe nicht Anwärter auf eine Fusion mit Justierern sind, hält diese nicht davon ab, sie während ihres inkarnierten Lebens zu bewohnen. Die Justierer arbeiten wohl in der Zeitspanne des materiellen Lebens im Verstand solcher Wesen, werden aber nie auf ewig mit den Seelen ihrer Mündel eins. Während dieses zeitlich begrenzten Aufenthaltes bauen die Justierer tatsächlich dasselbe geistige Gegenstück zur sterblichen Natur - die Seele - auf wie in den Anwärtern auf die Justierer-Fusion. Bis zum Tod des Sterblichen gleicht die Arbeit der Justierer genau ihrer Funktion bei euren eigenen Rassen, aber nach der mit dem Tode eintretenden Auflösung verabschieden sich die Justierer auf ewig von diesen Anwärtern auf die Fusion mit dem Geist und begeben sich direkt nach Divinington, dem Hauptquartier aller göttlichen Mentoren, um dort auf neue Aufträge ihrer Ordnung zu warten. Wenn die schlafenden Fortlebenden auf den Residenzwelten neu personifiziert werden, wird der Platz des weggegangenen Justierers von einer Individualisierung des Geistes der Göttlichen Ministerin eingenommen, der Repräsentantin des Unendlichen Geistes im betreffenden Lokaluniversum. Diese Geisteinflößung macht aus den fortlebenden Geschöpfen mit dem Geist fusionierte Sterbliche. Solche Wesen sind euch in jeder Hinsicht ebenbürtig an Verstand und Geist; und sie sind wirklich eure Zeitgenossen, die mit eurer Ordnung von Fusionsanwärtern und mit denen, deren Bestimmung die Sohnesfusion ist, die Residenzwelten und die morontiellen Sphären teilen. Es gibt indessen eine Besonderheit, in der sich mit dem Geist fusionierte Sterbliche von ihren aufsteigenden Brüdern unterscheiden: Die sterbliche Erinnerung an die menschliche Erfahrung auf den materiellen Geburtswelten überlebt den leiblichen Tod, weil der innewohnende Justierer eine geistige Entsprechung oder Transkription jener Ereignisse des menschlichen Lebens, die eine geistige Bedeutung besaßen, erworben hat. Aber bei den mit dem Geist fusionierten Sterblichen existiert kein solcher Mechanismus, dank welchem das menschliche Gedächtnis bestehen bleiben könnte. Die Gedächtnistranskriptionen der Justierer sind vollständig und wohlerhalten, aber diese Erwerbungen sind erfahrungsmäßiger Besitz der weggegangenen Justierer und stehen den von ihnen früher bewohnten Geschöpfen nicht zur Verfügung, die deshalb in den Auferstehungshallen der morontiellen Sphären Nebadons erwachen, als wären sie neu erschaffene Wesen, Geschöpfe ohne jede Erinnerung an eine frühere Existenz. Diese Kinder des Lokaluniversums werden befähigt, viel von den in ihrem menschlichen Gedächtnis aufbewahrten früheren Erfahrungen dadurch zurückzugewinnen, dass die mit ihnen verbundenen Seraphim und Cherubim sie ihnen wiederum erzählen, und dadurch, das sie Einblick nehmen in die durch die Chronistenengel archivierten Aufzeichnungen ihres sterblichen Lebenslaufs. Das können sie mit zweifelsfreier Gewissheit tun, weil ihre fortlebende Seele, die dem erfahrungsmäßigen materiellen und sterblichen Leben entstammt, zwar keine Erinnerung an sterbliche Ereignisse hat, sehr wohl aber im Besitze eines Rests von erfahrungsmäßiger, wiedererkennender Ansprechbarkeit auf diese nichterinnerten, früher erfahrenen Geschehnisse ist. Wenn man einem mit dem Geist fusionierten Sterblichen vergangene Erlebnisse erzählt, an die er sich nicht erinnert, gibt es in der Seele (Identität) dieses Fortlebenden eine sofortige Antwort erfahrungsmäßigen Wiedererkennens, welche das erzählte Geschehnis augenblicklich mit dem emotionalen Geschmack der Realität und mit der intellektuellen Qualität von Tatsachen versieht; und diese doppelte Antwort bildet die Rekonstruktion, das Wiedererkennen und die Gültigerklärung einer nicht erinnerten Facette sterblicher Erfahrung. Auch bei den Anwärtern auf die Justierer-Fusion sind nur diejenigen menschlichen Erfahrungen, welche einen geistigen Wert besaßen, gemeinsamer Besitz des fortlebenden Sterblichen und des zurückkehrenden Justierers und erscheinen nach dem Fortleben des Sterblichen unverzüglich in seiner Erinnerung. Was Geschehnisse betrifft, die geistig bedeutungslos waren, so müssen sich auch diese mit dem Justierer Fusionierten auf die Eigenschaft der wiedererkennenden Ansprechbarkeit der fortlebenden Seele verlassen. Und da jedes Ereignis vielleicht für den einen Sterblichen, nicht aber für einen anderen eine geistige Bedeutung haben kann, wird es einer Gruppe von zeitgenössischen, demselben Planeten entstammenden Aufsteigern möglich, ihre Vorräte an Ereignissen, die in der Erinnerung ihrer Justierer leben, zusammenzulegen und so jede Erfahrung zu rekonstruieren, die sie gemeinsam gemacht haben und die im Leben irgendeines von ihnen einen geistigen Wert besessen hat. Wir verstehen solche Techniken der Gedächtnisrekonstruktion recht gut, aber die Technik des Wiedererkennens der Persönlichkeit begreifen wir nicht. Persönlichkeiten, die einst miteinander Umgang pflegten, reagieren aufeinander ganz unabhängig von der Gedächtnisfunktion, obwohl gerade das Gedächtnis und die Techniken seiner Rekonstruktion nötig sind, um solch gegenseitiges Ansprechen auf die Persönlichkeit mit der Fülle des Wiedererkennens auszustatten. Ein mit dem Geist fusionierter Fortlebender kann über sein inkarniertes Leben auch viel erfahren, indem er nach Ablauf der planetarischen Dispensation, in der er lebte, wiederum seine Geburtswelt besucht. Man ermöglicht es diesen mit dem Geist fusionierten Kindern, sich solcher Gelegenheiten zur Erforschung ihrer menschlichen Laufbahn zu erfreuen, da ihr Dienst im Allgemeinen auf das Lokaluniversum beschränkt bleibt. Sie teilen nicht eure hohe und herrliche Bestimmung im Paradies-Korps der Finalität; nur mit dem Justierer fusionierte Sterbliche oder andere besonders umfangene aufsteigende Wesen können in die Reihen derer eintreten, die auf das ewige Gottheitsabenteuer warten. Die mit dem Geist fusionierten Sterblichen sind die dauernden Bürger der Lokaluniversen; sie können die paradiesische Bestimmung wohl anstreben, ihrer aber nicht sicher sein. In Nebadon ist die achte, Salvington umringende Weltengruppe ihre Universumsheimat, ein Himmel der Bestimmung, der seiner Natur und Lage nach stark demjenigen gleicht, den sich die planetarischen Überlieferungen Urantias vorstellen. ***** 40.10 Aufsteigende Bestimmungen ***** Mit dem Geist fusionierte Sterbliche sind im Allgemeinen auf ein Lokaluniversum beschränkt; mit dem Sohn fusionierte Fortlebende bleiben in den Grenzen eines Superuniversums; den mit dem Justierer fusionierten Sterblichen ist bestimmt, in das Universum der Universen vorzudringen. Die mit den Sterblichen fusionierenden Geiste steigen immer zu ihrer Ursprungsebene auf; diese geistigen Wesenheiten kehren unfehlbar zur Sphäre ihres Ursprungs zurück. Die mit dem Geist fusionierten Sterblichen gehören zum Lokaluniversum; ihr Aufstieg führt sie gewöhnlich nicht über die Grenzen ihres Heimatreichs hinaus, nicht jenseits der Schranken des Raumbezirks des Geistes, der sie durchdringt. Desgleichen erheben sich mit dem Sohn fusio-nierte Aufsteiger bis zur Quelle ihrer Geistbegabung, denn so wie der Geist der Wahrheit eines Schöpfersohnes in der mit ihm verbundenen Göttlichen Ministerin zentriert ist, so wird sein "Geist der Fusion" von den Reflexiven Geisten der höheren Universen in Kraft gesetzt. Derartige Geistesbeziehungen zwischen den lokal- und superuniversellen Ebenen des Siebenfachen Gottes sind vielleicht schwer zu erklären, aber nicht schwer festzustellen, denn sie werden in den Kindern der Reflexiven Geiste - den sekoraphischen Stimmen der Schöpfersöhne - unverkennbar offenbart. Der Gedankenjustierer, der aus dem Vater im Paradies kommt, hält nie inne, bis der sterbliche Sohn dem ewigen Gott von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Die geheimnisvollen Unterschiede in der Technik der Vereinigung, die darüber entscheiden, ob ein sterbliches Wesen mit seinem ihm innewohnenden Gedankenjustierer fusionieren kann oder nicht, scheinen einen Mangel im Aufstiegsplan aufzudecken; oberflächlich betrachtet erscheinen Sohn- und Geistfusion wie eine Entschädigung für nicht erklärte Fehler in gewissen Einzelheiten des Plans zur Erreichung des Paradieses zu sein; aber alle derartigen Schlüsse sind irrig; man lehrt uns, dass sich all diese Geschehnisse in Befolgung der durch die Supremen Universumslenker erlassenen Gesetze abspielen. Wir haben dieses Problem analysiert und sind zum unzweifelhaften Schluss gelangt, dass es den Universen von Zeit und Raum gegenüber insofern ungerecht wäre, alle Sterblichen einer ultimen Paradies-Bestimmung zuzuführen, als dann die Gerichte der Schöpfersöhne und der Ältesten der Tage völlig auf die Dienste jener angewiesen wären, die sich nur auf der Durchreise zu höheren Reichen befinden. Und es scheint in der Tat nur recht und billig zu sein, dass den Regierungen von Lokal- und Superuniversen eine bleibende Gruppe von aufsteigenden Bürgern zur Verfügung steht; dass die Funktionen dieser Verwaltungen bereichert werden durch die Bemühungen von gewissen Gruppen verherrlichter Sterblicher mit Dauerstatus, evolutionärer Ergänzungen der Abandonter und Susatia. Nun ist es ganz offensichtlich, dass der gegenwärtige Aufstiegsplan die Verwaltungen von Zeit und Raum tatsächlich gerade mit solchen Gruppen aufsteigender Geschöpfe versorgt. Und oft haben wir uns gefragt: Ist das alles ein beabsichtigter Teil der allweisen Pläne der Architekten des Alluniversums, der dafür sorgen soll, dass den Schöpfersöhnen und den Ältesten der Tage eine bleibende aufsteigende Bevölkerung, hoch entwickelte Ordnungen von Bürgern zu Gebote stehen, die eine immer größere Kompetenz erlangen, um die Angelegenheiten dieser Reiche in den kommenden Universumszeitaltern voranzubringen? Dass es in menschlicher Bestimmung solche Unterschiede gibt, beweist keineswegs, dass die eine notwendigerweise größer oder geringer als die andere ist, sondern nur, dass sie verschieden sind. In der Tat dehnt sich vor den mit dem Justierer fusionierten Aufsteigern in der ewigen Zukunft eine großartige und herrliche Laufbahn aus, aber das heißt nicht, dass sie ihren aufsteigenden Brüdern vorgezogen werden. Es gibt im Auswahlverfahren des göttlichen Plans für das Fortleben der Sterblichen keine Vorzugsbehandlung, nichts Willkürliches. Obwohl sich die mit dem Justierer fusionierten Finalisten ganz offensichtlich der breitesten Dienstmöglichkeiten von allen erfreuen, schließt sie das Erreichen dieses Ziels automatisch von der Gelegenheit aus, an dem ganze Zeitalter währenden Ringen eines Universums oder Superuniversums teilzunehmen, von den früheren, weniger stabilisierten Epochen bis zu den späteren, gesetzten Ären, die eine relative Vollkommenheit erreicht haben. Die Finalisten gewinnen eine wunderbare und ausgedehnte Erfahrung beim vorübergehenden Dienst in allen sieben Segmenten des Großen Universums, aber sie gelangen gewöhnlich nicht zu jener innigen Vertrautheit mit einem einzelnen Universum, die schon jetzt die mit dem Geist fusionierten Veteranen des nebadonschen Korps der Vollendung charakterisiert. Diesen Wesen bietet sich die Gelegenheit, zu Zeugen der aufsteigenden Prozession der planetarischen Zeitalter zu werden, die sich eines nach dem anderen auf zehn Millionen bewohnten Welten entfalten. Und im treuen Dienst solcher Bürger des Lokaluniversums häuft sich Erfahrung auf Erfahrung, bis die Fülle der Zeit jene hohe Qualität der Weisheit reifen lässt, die aus einer konzentrierten Erfahrung hervorgeht - auf Autorität beruhende Weisheit -, und das ist in sich ein lebenswichtiger Faktor für die Stabilisierung jedes Lokaluniversums. Was für die mit dem Geist Fusionierten gilt, ist auch für jene mit dem Sohn fusionierten Sterblichen wahr, die es bis zum Status von Bewohnern Uversas gebracht haben. Einige von diesen Wesen entstammen den frühesten Epochen Orvontons, und sie bilden einen langsam anwachsenden Körper der Weisheit und sich vertiefender Erkenntnis, der mit seinem Dienst immer mehr zum Wohlergehen und zur schließlichen Stabilisierung des siebenten Superuniversums beiträgt. Wir wissen nicht, was für eine ultime Bestimmung auf diese stationären Ordnungen der Bürger von Lokal- und Superuniversen wartet, aber es ist durchaus möglich, dass zur gleichen Zeit, da die Finalisten des Paradieses an den vorrückenden Grenzen der Göttlichkeit in den Planetensystemen der ersten äußeren Raumebene Pionierleistungen vollbringen, ihre mit dem Sohn und dem Geist fusionierten ehemaligen Brüder im aufsteigenden evolutionären Kampf in angemessener Weise zur Aufrechterhaltung des durch Erfahrung gewonnenen Gleichgewichts der vervollkommneten Superuniversen beitragen und sich zugleich bereithalten werden, um die dann in Strömen aus den jetzt noch unerforschten und unbewohnten Galaxien des Äußeren Raumes eintreffenden Paradiespilger zu begrüßen, die sich wohl in jenen weit entfernten Tagen wie ein gewaltiger, nach Geist verlangender Sturzbach durch Orvonton und dessen Schwesterschöpfungen ergießen werden. Die mit dem Geist Fusionierten dienen in ihrer Mehrheit dauernd als Bürger der Lokaluniversen, aber nicht alle. Wenn irgendeine Phase ihres Universumsamtes ihre persönliche Anwesenheit im Superuniversum erfordern sollte, würden an diesen Bürgern gewisse Wesensverwandlungen vorgenommen, die sie zum Aufstieg in das höhere Universum befähigen würden; und nach Ankunft der Himmlischen Wächter mit dem Befehl, diese mit dem Geist fusionierten Sterblichen an den Gerichtshöfen der Ältesten der Tage vorzustellen, würden sie dahin aufsteigen, um nie wieder zurückzukehren. Sie werden zu Mündeln des Superuniversums und dienen den Himmlischen Wächtern als Assistenten, und dies für immer, mit Ausnahme der wenigen, die ihrerseits zum Dienst in Havona und im Paradies aufgerufen werden. Gleich ihren mit dem Geist fusionierten Brüdern durchlaufen die mit dem Sohn Fusionierten weder Havona noch erreichen sie das Paradies, es sei denn, sie sind bestimmten Verwandlungen unterworfen worden. Aus guten und hinreichenden Gründen sind an gewissen mit dem Sohn fusionierten Fortlebenden solche Veränderungen vorgenommen worden, und diesen Wesen begegnet man da und dort auf den sieben Kreisen des Zentraluniversums. So kommt es, dass eine gewisse Zahl von mit dem Sohn und mit dem Geist fusionierten Sterblichen tatsächlich zum Paradies aufsteigt und ein Ziel erreicht, das in mancher Hinsicht demjenigen vergleichbar ist, das die mit dem Vater fusionierten Sterblichen erwartet. Die mit dem Vater fusionierten Sterblichen sind potentielle Finalisten; ihre Bestimmung ist der Universale Vater, und sie erreichen ihn tatsächlich, aber aus dem Blickwinkel des gegenwärtigen Universumszeitalters haben die Finalisten als solche ihre Bestimmung noch nicht erreicht. Sie bleiben unvollendete Geschöpfe - Geiste der sechsten Stufe - und sind deshalb inaktiv in den evolutionären Bereichen, die dem Status des Lichts und Lebens vorangehen. Wenn ein sterblicher Finalist von der Trinität umfangen wird - ein Trinitisierter Sohn wie zum Beispiel ein Mächtiger Botschafter wird - dann hat dieser Finalist seine Bestimmung erreicht, wenigstens im derzeitigen Universumszeitalter. Die Mächtigen Botschafter und ihresgleichen sind vielleicht genau genommen nicht Geiste der siebenten Stufe, aber nebst anderen Dingen verleiht ihnen die Umfangung durch die Trinität alles, was ein Finalist dereinst als ein Geist der siebenten Stufe gewinnen wird. Nachdem mit dem Geist oder mit dem Sohn fusionierte Sterbliche trinitisiert worden sind, machen sie die Erfahrung des Paradieses zusammen mit den mit dem Justierer fusionierten Aufsteigern, mit denen sie dann in allen Belangen, die die superuniverselle Verwaltung betreffen, identisch sind. Diese Trinitisierten Söhne der Erwählung oder der Vollbringung sind, wenigstens einstweilen, abgeschlossene Geschöpfe im Unterschied zu den Finalisten, die gegenwärtig unvollendete Geschöpfe sind. Deshalb wäre es letztlich kaum angebracht, beim Vergleich der Bestimmungen der aufsteigenden Sohnesordnungen die Ausdrücke "größer" oder "geringer" zu gebrauchen. Jeder dieser Gottessöhne hat Anteil an der Vaterschaft Gottes, und Gott liebt jeden seiner erschaffenen Söhne mit gleicher Liebe; er kennt ebenso wenig ein Ansehen der aufsteigenden Bestimmungen wie der Geschöpfe, die etwa solche Bestimmungen erreichen. Der Vater liebt jeden seiner Söhne, und diese Zuneigung ist nicht geringer als wahr, heilig, göttlich, grenzenlos, ewig und einmalig - eine Liebe, die er diesem und jenem Sohn schenkt, individuell, persönlich und ausschließlich. Und eine derartige Liebe lässt alle anderen Tatsachen völlig in den Hintergrund treten. Die Sohnschaft ist die allerhöchste Beziehung des Geschöpfes zum Schöpfer. Als Sterbliche könnt ihr jetzt euren Platz in der Familie göttlicher Sohnschaft erkennen und die Verpflichtung zu fühlen beginnen, von den Vorteilen Gebrauch zu machen, die der Paradies-Plan zum Fortleben der Sterblichen euch so freigiebig anbietet, der Plan, welcher durch die Lebenserfahrung eines Sohnes der Selbsthingabe auf so hohe Art erleuchtet worden ist. Jede Erleichterung und alle Macht sind bereitgestellt worden, um sicherzustellen, dass ihr letztendlich das paradiesische Ziel göttlicher Vollkommenheit erreichen werdet. [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter, der vorübergehend zum Mitarbeiterstab Gabriels von Salvington gehört.] ****** Kapitel 41 Physische Aspekte des Lokaluniversums ****** DAS charakteristische Raumphänomen, durch das jede Lokalschöpfung sich von allen anderen abhebt, ist die Gegenwart des Schöpferischen Geistes. Ganz Nebadon wird in bestimmter Weise von der Raumgegenwart der Göttlichen Ministerin von Salvington durchdrungen, und diese Gegenwart endet ebenso bestimmt an den äußeren Grenzen unseres Lokaluniversums. Das, was von unserem lokaluniversellen Muttergeist durchdrungen ist, ist Nebadon; das, was sich jenseits ihrer Raumgegenwart befindet, liegt außerhalb Nebadons; es sind außernebadonsche Raumregionen des Superuniversums von Orvonton - andere Lokaluniversen. Während die administrative Organisation des Großen Universums eine klar getrennte Abgrenzung zwischen den Regierungen des Zentraluniversums und der Super- und Lokaluniversen aufweist und diese Abgrenzungen in der räumlichen Trennung Havonas und der sieben Superuniversen eine astronomische Parallele finden, werden die lokalen Schöpfungen durch keine so klaren physischen Demarkationslinien voneinander getrennt. Sogar die Großen und Kleinen Sektoren Orvontons sind (für uns) klar unterscheidbar, aber es ist nicht so leicht, die physischen Grenzen der Lokaluniversen auszumachen. Der Grund liegt darin, dass die administrative Organisation der Lokalschöpfungen gewissen schöpferischen Prinzipien gehorcht, nach denen die Segmentierung der gesamten Energieladung eines Superuniversums erfolgt, während ihre physischen Komponenten, die Sphären des Raums - Sonnen, dunkle Inseln, Planeten u.s.w. - ursprünglich aus Nebeln stammen, und deren astronomisches Erscheinen geschieht gemäß bestimmten vorschöpferischen (transzendenten) Plänen der Architekten des Alluniversums. Einer oder mehrere - sogar viele - solcher Nebel können im Gebiet eines einzigen Lokaluniversums enthalten sein, so wie Nebadon physisch aus den Sternen- und Planetenabkömmlingen Andronovers und anderer Nebel zusammengefügt wurde. Die Sphären Nebadons entstammen verschiedenen Nebelahnen, aber allen war ein bestimmtes Minimum an Raumbewegung gemeinsam, das dank den intelligenten Bemühungen der Machtlenker so eingespielt wurde, dass dabei unsere heutige Ansammlung von Raumkörpern entstand, die zusammen als eine Einheit auf den Kreisbahnen der Superuniversen dahinziehen. Das ist die Entstehung der lokalen Sternwolke von Nebadon, die heute auf einer immer stabileren Bahn um das Schützen-Zentrum des Kleinen Sektors von Orvonton kreist, welchem unsere lokale Schöpfung angehört. ***** 41.1 Die Machtzentren Nebadons ***** Die Spiral- und anderen Nebel, die Mutterräder der Sphären des Raums, werden durch die Kraftorganisatoren des Paradieses in Gang gesetzt; und nachdem sich die Ansprechbarkeit der Nebel auf die Gravitation entwickelt hat, werden die Kraftorganisatoren in ihren superuniversellen Funktionen durch die Machtzentren und physischen Überwacher abgelöst, die danach die volle Verantwortung für die Lenkung der physischen Evolution der folgenden Generationen stellarer und planetarischer Abkömmlinge übernehmen. Diese physische Überwachung des Voruniversums von Nebadon wurde nach der Ankunft unseres Schöpfersohnes sofort mit seinen Plänen für die Universumsorganisation koordiniert. Innerhalb der Domäne dieses Paradies-Sohnes Gottes arbeiteten die Supremen Machtzentren und die physischen Hauptüberwacher mit den später erschienenen Morontiellen Hauptüberwachern und anderen zusammen, um jenen gewaltigen Apparat von Verbindungslinien, Energiekreisen und Machtsträngen aufzubauen, der die mannigfaltigen Raumkörper Nebadons fest zu einer einzigen geschlossenen administrativen Einheit zusammenbindet. Dauernd sind unserem Lokaluniversum einhundert Supreme Machtzentren der vierten Ordnung zugeteilt. Diese Wesen empfangen die von den Zentren der dritten Ordnung in Uversa eintreffenden Machtlinien und geben die herabgeschalteten und abgeänderten Kreisläufe an die Machtzentren unserer Konstellationen und Systeme weiter. Diese Machtzentren arbeiten gemeinsam an der Herstellung des lebendigen Systems der Kontrolle und des Ausgleichs, das dafür zu sorgen hat, dass Gleichgewicht und Verteilung ansonsten fluktuierender und veränderlicher Energien aufrechterhalten werden. Die Machtzentren geben sich indessen nicht mit vorübergehenden und lokalen Energieumwälzungen wie Sonnenflecken und elektrischen Störungen des Systems ab; Licht und Elektrizität sind nicht fundamentale Raumenergien; es sind sekundäre und untergeordnete Erscheinungen. Die einhundert Zentren des Lokaluniversums sind auf Salvington stationiert, wo sie genau im Energiezentrum dieser Sphäre wirken. Die architektonischen Sphären wie Salvington, Edentia und Jerusem werden mittels Methoden belichtet, beheizt und mit Energie versorgt, die sie von den Sonnen des Raums völlig unabhängig machen. Diese Sphären wurden durch die Machtzentren und physischen Überwacher erbaut - nach Maß angefertigt - und dazu bestimmt, auf die Energieverteilung einen mächtigen Einfluss auszuüben. Indem die Machtzentren solche Brennpunkte der Energiekontrolle zum Sitz ihrer Aktivitäten wählen, lenken und kanalisieren sie durch ihre lebendige Gegenwart die physischen Raumenergien. Und diese Energiekreisläufe sind grundlegend für alle physisch-materiellen und morontiell-geistigen Phänomene. Zehn Supreme Machtzentren der fünften Ordnung sind jeder der primären Unterabteilungen, jeder der einhundert Konstellationen Nebadons, zugeteilt. In Norlatiadek, eurer Konstellation, bewohnen sie nicht die Hauptsitzsphäre, sondern sie sind im Zentrum des enormen Sternsystems stationiert, welches das physische Herz der Konstellation bildet. Auf Edentia gibt es zehn sie assistierende mechanische Überwacher und zehn Frandalanke, die in vollkommener, ständiger Verbindung mit den nahen Machtzentren stehen. Ein einziges Supremes Machtzentrum der sechsten Ordnung ist genau im gravitationellen Brennpunkt jedes Lokalsystems stationiert. Das dem System von Satania zugeteilte Machtzentrum hat seinen Sitz auf einer dunklen Rauminsel, die im astronomischen Zentrum des Systems liegt. Viele von diesen dunklen Inseln sind riesige Dynamos, die gewisse Raumenergien mobilisieren und richten, und diese natürlichen Gegebenheiten werden durch das Machtzentrum Satanias wirkungsvoll genutzt. Dessen lebendige Masse funktioniert als Verbindungsglied zu den höheren Zentren und leitet die Ströme stärker materialisierter Macht an die Physischen Hauptüberwacher auf den evolutionären Planeten des Raums weiter. ***** 41.2 Die Physischen Überwacher Satanias ***** Zwar dienen die Physischen Hauptüberwacher zusammen mit den Machtzentren überall im Großen Universum, aber ihre Funktionen sind in einem Lokalsystem wie Satania leichter verständlich. Satania ist eines von hundert Lokalsystemen, die zusammen die administrative Organisation der Konstellation von Norlatiadek bilden, und seine unmittelbaren Nachbarn sind die Systeme von Sandmatia, Assuntia, Porogia, Sortoria, Rantulia und Glantonia. Die Systeme Norlatiadeks unterscheiden sich in mancher Hinsicht voneinander, aber alle sind wie Satania evolutionär und fortschreitend. Satania selber baut sich aus über siebentausend astronomischen Gruppen oder physischen Systemen auf, von denen nur wenige einen ähnlichen Ursprung wie euer Sonnensystem haben. Das astronomische Zentrum von Satania ist eine dunkle Rauminsel von enormer Größe, die sich mit ihren Begleitsphären nicht weit vom Hauptsitz der Systemregierung entfernt befindet. Mit Ausnahme des Satania zugeteilten Machtzentrums ist die Leitung seines ganzen physischen Energiesystems auf Jerusem konzentriert. Ein auf dieser Hauptsitzsphäre stationierter Physischer Hauptüberwacher arbeitet in Koordination mit dem Machtzentrum des Systems und dient als Verbindungschef der auf Jerusem stationierten und im ganzen Lokalsystem wirkenden Machtinspektoren. Die Kanalisierung der Energie und die Schaltung ihrer Kreisläufe wird durch die fünfhunderttausend lebendigen, intelligenten und über ganz Satania verstreuten Energiemanipulatoren überwacht. Dank der Aktivität dieser physischen Überwacher üben die lenkenden Machtzentren eine vollständige und vollkommene Kontrolle über die Mehrheit der fundamentalen Raumenergien aus, einschließlich der Ausstrahlungen von hocherhitzten Himmelskörpern und dunklen energiegeladenen Sphären. Diese Gruppe lebendiger Wesenheiten kann nahezu sämtliche physischen Energien des organisierten Raums mobilisieren, transformieren, transmutieren, manipulieren und weiterleiten. Das Leben besitzt eine angeborene Fähigkeit zur Mobilisierung und Umwandlung der universellen Energie. Ihr seid vertraut mit der Fähigkeit des pflanzlichen Lebens, materielle Lichtenergie in die verschiedenen Erscheinungsformen des Pflanzenreichs zu verwandeln. Ihr versteht auch etwas von der Art und Weise, wie diese pflanzliche Energie in die Phänomene tierischer Aktivitäten übergehen kann, aber ihr wisst praktisch nichts über die Technik der Machtlenker und der physischen Überwacher, die mit der Fähigkeit begabt sind, die mannigfachen Raumenergien zu mobilisieren, zu verwandeln, zu richten und zu konzentrieren. Diese Wesen der Energiebereiche beschäftigen sich nicht unmittelbar mit Energie als einer Komponente lebendiger Geschöpfe und auch nicht mit dem Bereich der physiologischen Chemie. Sie haben manchmal mit den physischen Vorbereitungen des Lebens zu tun, mit der Ausarbeitung jener Energiesysteme, die den lebendigen Energien elementarer materieller Organismen als physische Vehikel dienen können. In gewissem Sinne gleicht die Beziehung der physischen Überwacher zu den vorvitalen Manifestationen der materiellen Energie derjenigen der mentalen Hilfsgeiste zu den vorgeistigen Funktionen des materiellen Verstandes. Diese intelligenten Geschöpfe der Machtkontrolle und Energielenkung müssen ihre Technik jeder Sphäre unter Berücksichtigung der physischen Beschaffenheit und Architektur des betreffenden Planeten anpassen. Unfehlbar wissen sie, was den lokalen Einfluss hocherhitzter Sonnen und anderer hoch geladener Sternarten betrifft, die Berechnungen und Schlussfolgerungen ihres jeweiligen Mitarbeiterstabs von Physikern und anderen technischen Beratern zu nutzen. Auch mit den enormen kalten und dunklen Raumriesen und den umherschwärmenden Wolken von Sternstaub muss gerechnet werden; all diese materiellen Dinge spielen bei den praktischen Problemen der Energiemanipulation eine Rolle. Die Physischen Hauptüberwacher tragen die Verantwortung für die Macht- und Energielenkung der evolutionären bewohnten Welten, aber diese Wesen sind nicht für alle energetischen Ausrutscher auf Urantia verantwortlich zu machen. Es gibt zahlreiche Gründe für solche Störungen, von denen einige außerhalb des Wirkungsfeldes und der Kontrolle der physischen Wächter liegen. Urantia steht in der Linie gewaltiger Energien, ein kleiner Planet im Kreislauf riesiger Massen, und die lokalen Überwacher setzen manchmal eine enorme Anzahl Angehöriger ihrer Ordnung in dem Bemühen ein, diese Energielinien auszugleichen. Das gelingt ihnen recht gut, was die physischen Kreisläufe Satanias betrifft, aber sie haben Schwierigkeiten mit der Abschirmung Urantias von den mächtigen Strömen Norlatiadeks. ***** 41.3 Unsere Sterngefährten ***** Mehr als zweitausend helle Sonnen strahlen in Satania Licht und Energie aus, und eure eigene Sonne ist ein mittlerer leuchtender Himmelskörper. Von den dreißig Sonnen, die euch zunächst liegen, leuchten nur drei stärker. Die Machtlenker des Universums lösen die spezialisierten Energieströme aus, die zwischen den einzelnen Sternen und ihren jeweiligen Systemen funktionieren. Diese solaren Hochöfen zusammen mit den dunklen Raumriesen dienen den Machtzentren und physischen Überwachern als Wegstationen zur wirkungsvollen Konzentrierung und Ausrichtung der Energieflüsse der materiellen Schöpfungen. Die Sonnen Nebadons sind nicht anders als diejenigen anderer Universen. Die materielle Zusammensetzung aller Sonnen, dunklen Inseln, Planeten und Satelliten wie auch der Meteore ist ganz und gar identisch. Diese Sonnen haben einen mittleren Durchmesser von etwa 1 600 000 Kilometern; derjenige eurer eigenen Sonnenkugel ist um ein Weniges geringer. Der größte Stern im Universum, die stellare Wolke Antares, hat einen vierhundertfünfzigmal größeren Durchmesser als eure Sonne, und sein Volumen beträgt das Sechzigmillionenfache des ihren. Aber es gibt Raum in Fülle, um all diese riesigen Sonnen unterzubringen. Sie haben im Vergleich fast ebenso viel Ellbogenfreiheit im Raum wie ein Dutzend Orangen, wenn diese sich durch das Innere Urantias bewegten und der Planet eine hohle Kugel wäre. Wenn zu große Sonnen aus dem Mutterrad eines Nebels hinausgeschleudert werden, bersten sie oder bilden Doppelsterne. Alle Sonnen sind ursprünglich richtig gasförmig, obwohl sie später vorübergehend in einem halbflüssigen Zustand existieren können. Als eure Sonne diesen sozusagen flüssigen Zustand mit dem Druck eines Supergases erreicht hatte, war sie nicht groß genug, um sich längs des Äquators aufzuspalten, was eine der Arten von Doppelsternbildung darstellt. Wenn sie kleiner als ein Zehntel eurer Sonne sind, ziehen sich diese Feuerbälle rasch zusammen, kondensieren und kühlen sich ab. Wenn sie mehr als dreißigmal so groß wie sie sind - oder besser: deren dreißigfachen Gesamtgehalt an effektiver Materie aufweisen - , spalten sich die Sonnen alsbald in zwei getrennte Körper auf und werden entweder zu Zentren neuer Systeme oder bleiben im gegenseitigen Gravitationsgriff und drehen sich um ein gemeinsames Zentrum als eine Art von Doppelsternen. Die jüngste der bedeutenderen kosmischen Eruptionen in Orvonton war jene außerordentliche Doppelsternexplosion, deren Licht Urantia im Jahre 1572 erreichte. Dieser Brand war von derartiger Intensität, dass die Explosion am hellen Tag klar sichtbar war. Nicht alle Sterne sind verfestigt, wohl aber viele von den älteren unter ihnen. Einige der rötlichen, schwach glimmenden Sterne haben im Zentrum ihrer enormen Massen eine Dichte erreicht, die man etwa durch die Feststellung ausdrücken könnte, dass ein Kubikzentimeter eines solchen Sterns, würde er auf Urantia gebracht, ungefähr 170 Kilogramm wiegen würde. Der gewaltige Druck, begleitet von einem Verlust an Hitze und zirkulierender Energie, hat dazu geführt, dass die Kreisbahnen der fundamentalen materiellen Einheiten immer näher zusammenrücken, bis sie endlich dem Zustand elektronischer Kondensation ganz nahe sind. Dieser Abkühlungs- und Kontraktionsprozess kann weitergehen, bis die Grenze des kritischen Explosionspunktes ultimatonischer Kondensation erreicht ist. Die meisten der Riesensonnen sind relativ jung; die meisten der Zwergsterne sind alt, aber nicht alle. Aus Kollisionen hervorgegangene Zwerge können sehr jung sein und mit einem intensiven weißen Licht glühen, ohne das anfängliche rote Stadium jugendlichen Scheinens gekannt zu haben. Sowohl sehr junge als auch sehr alte Sonnen scheinen mit rötlichem Licht. Gelbe Färbung zeigt mäßige Jugend oder nahendes Alter an, aber leuchtendes weißes Licht bedeutet robustes und langes Erwachsenendasein. Nicht alle adoleszenten Sonnen machen ein pulsierendes Stadium durch, wenigstens kein sichtbares, aber wenn ihr in den Raum hinausschaut, werdet ihr vielleicht viele von diesen jüngeren Sternen beobachten, deren gigantische Atemwogen für einen ganzen Zyklus zwischen zwei bis sieben Tagen benötigen. Eure eigene Sonne zeigt immer noch das sich verringernde Erbe der mächtigen Anschwellungen ihrer jüngeren Tage, aber die Periode hat sich von den anfänglichen dreieinhalbtägigen Pulsationen auf die gegenwärtigen Sonnenfleck-Zyklen von elfeinhalb Jahren verlängert. Variable Sterne haben zahlreiche Ursprünge. Bei einigen Doppelsternen verursachen die Fluten, hervorgerufen durch die sich rasch verändernden Distanzen zwischen den beiden auf ihren Bahnen kreisenden Himmelskörpern, ebenfalls periodische Lichtfluktuationen. Die Variationen in der Gravitation haben ein regelmäßig wiederkehrendes Aufflammen zur Folge, gerade so wie an der Sonnenoberfläche beim Einfangen von Meteoren durch den Zuwachs an energetischer Materie ein relativ plötzlicher Lichtblitz eintritt, worauf die Sonne rasch wieder zu ihrer üblichen Helligkeit zurückkehrt. Manchmal reißt eine Sonne auf einer Linie verminderten Gravitationswiderstandes einen Strom von Meteoren an sich, und gelegentliche Kollisionen verursachen ein stellares Auflodern, aber die Mehrzahl dieser Helligkeitsphänomene ist einzig internen Fluktuationen zuzuschreiben. Bei einer besonderen Gruppe variabler Sterne hängt die Periode der Lichtfluktuation direkt von ihrer Leuchtkraft ab, und die Kenntnis dieser Tatsache erlaubt es den Astronomen, solche Sonnen als Leuchttürme des Universums oder genaue Mess- und Ausgangspunkte zur weiteren Erforschung ferner Sternhaufen zu benutzen. Aufgrund dieser Technik wird es möglich, Sterndistanzen mit großer Genauigkeit bis zu mehr als einer Million Lichtjahren zu messen. Bessere Methoden der Raummessung und eine fortgeschrittenere Teleskoptechnik werden eines Tages die zehn großen Abteilungen des Superuniversums von Orvonton klarer hervortreten lassen; ihr werdet dann zumindest acht dieser riesigen Sektoren als gewaltige und recht symmetrische Sternhaufen erkennen. ***** 41.4 Die Dichte der Sonne ***** Die Masse eurer Sonne ist ein bisschen größer, als eure Physiker schätzen; wir haben für sie ungefähr eintausendachthundert Quadrillionen (1,8 x 1027) Tonnen errechnet. Sie befindet sich jetzt ungefähr auf halbem Weg zwischen den dichtesten und den diffusesten Sternen, indem sie annähernd eineinhalbmal die Dichte des Wassers besitzt. Aber eure Sonne ist weder flüssig noch fest - sie ist gasförmig - und das stimmt, obwohl es schwer fällt zu erklären, wie gasförmige Materie diese und noch viel größere Dichtigkeiten erreichen kann. Gasförmige, flüssige und feste Zustände beruhen auf atomar-molekularen Beziehungen, aber die Dichte ist eine Beziehung zwischen Raum und Masse. Die Dichte verändert sich in direktem Verhältnis mit der Quantität der Masse im Raum und im umgekehrten Verhältnis damit, wie viel Raum in der Masse vorhanden ist, sowohl Raum zwischen dem zentralen Kern der Materie und den Partikeln, die um diese Zentren herumwirbeln, als auch Raum in diesen materiellen Partikeln selber. Sich abkühlende Sterne können physisch gasförmig und zugleich unerhört dicht sein. Solare Übergase sind euch nicht geläufig, aber diese und andere ungewöhnliche Formen von Materie erklären, wie auch nichtfeste Sonnen die Dichte von Eisen - ungefähr diejenige Urantias - erreichen, aber sich trotzdem in einem hoch erhitzten gasförmigen Zustand befinden und weiterfahren können, als Sonnen zu funktionieren. Die Atome in diesen dichten Übergasen sind außerordentlich klein; sie enthalten nur wenig Elektronen. Solche Sonnen haben auch ihre freien ultimatonischen Energievorräte weitgehend verloren. Eine eurer nahe gelegenen Sonnen, die ihr Leben etwa mit derselben Masse wie die eure begonnen hatte, ist jetzt fast auf die Größe Urantias zusammengeschrumpft, wobei sie vierzigtausendmal dichter als eure Sonne geworden ist. Das Gewicht dieses heiß-kalten Gasförmig-Festen beträgt etwa 55 Kilogramm pro Kubikzentimeter. Immer noch scheint diese Sonne mit einem kraftlosen rötlichen Schein, dem altersschwachen Glühen eines sterbenden Lichtmonarchen. Die meisten Sonnen sind indessen nicht so dicht. Die Dichte einer eurer näheren Nachbarinnen entspricht genau derjenigen eurer Atmosphäre auf Meereshöhe. Befändet ihr euch im Inneren dieser Sonne, wäret ihr außerstande, irgendetwas wahrzunehmen. Und wenn die Temperatur es erlaubte, könntet ihr in die Mehrzahl der Sonnen eindringen, die am nächtlichen Himmel flimmern, und in ihnen nicht mehr Materie wahrnehmen als in der Luft eurer irdischen Wohnzimmer. Die gewaltige Sonne von Veluntia, eine der größten Orvontons, hat eine Dichte, die nur ein Tausendstel der Dichte von Urantias Atmosphäre beträgt. Wäre sie in ihrer Zusammensetzung gleich wie eure Atmosphäre und nicht überhitzt, würde sie solch ein Vakuum darstellen, dass menschliche Wesen, wären sie in oder auf ihr, sogleich ersticken würden. Ein anderer der Riesen Orvontons hat jetzt eine Oberflächentemperatur von etwas weniger als 1650 Grad. Sein Durchmesser beträgt mehr als vierhundertachtzig Millionen Kilometer - Raum genug, um eure Sonne und die gegenwärtige Umlaufbahn der Erde darin unterzubringen. Und doch ist bei seiner enormen Größe - über vierzig Millionen mal die eurer Sonne - seine Masse nur etwa Dreißigmal größer. Diese gewaltigen Sonnen berühren sich in ihren äußersten Bezirken beinahe. ***** 41.5 Solare Strahlung ***** Dass die Sonnen des Raums nicht sehr dicht sind, beweisen die ständigen Ströme austretender Lichtenergien. Eine zu große Dichte hielte das Licht durch Undurchlässigkeit solange zurück, bis der Druck der Lichtenergie den Explosionspunkt erreichen würde. Es muss im Inneren einer Sonne ein gewaltiger Licht- oder Gasdruck herrschen, um sie zu veranlassen, einen derartigen Energiestrom hinauszuschleudern, der den Raum über Millionen und Abermillionen von Kilometern durchdringt, um die entfernten Planeten zu belichten, zu wärmen und mit Energie zu versorgen. Eine fünf Meter dicke Oberfläche von der Dichte Urantias würde den Austritt aller Röntgenstrahlen und Lichtenergien aus einer Sonne wirksam unterbinden, bis der wachsende innere Druck von sich ansammelnden Energien aus atomarem Zerfall die Gravitation durch eine gewaltige Explosion nach außen überwände. Wenn Licht in Gegenwart treibender Gase bei hohen Temperaturen hinter undurchsichtigen Wänden eingeschlossen wird, ist es hochgradig explosiv. Licht ist real. So wie ihr auf eurer Welt Energie und Strom bewertet, wäre ein Kilogramm Sonnenlicht bei einem Preis von zwei Millionen Dollar wirtschaftlich. Das Innere eurer Sonne ist ein riesiger Röntgenstrahlen-Generator. Die Sonnen werden von innen her unterhalten durch die unaufhörliche Bombardierung dieser mächtigen Emanationen. Ein durch Röntgenstrahlen stimuliertes Elektron braucht mehr als eine halbe Million Jahre, um sich seinen Weg vom Mittelpunkt einer durchschnittlichen Sonne bis an die Sonnenoberfläche zu bahnen, von wo es zu seinem Raumabenteuer aufbricht, vielleicht um schließlich einen bewohnten Planeten zu erwärmen, durch einen Meteor eingefangen zu werden, sich an der Geburt eines Atoms zu beteiligen, durch eine hochgeladene dunkle Rauminsel angezogen zu werden oder seinen Raumflug durch einen abschließenden Taucher in die Oberfläche einer Sonne wie derjenigen seines Ursprungs zu beenden. Die Röntgenstrahlen des Sonneninneren laden die hocherhitzten und hocherregten Elektronen mit genügend Energie auf, um sie durch den Raum zu tragen, an einer ganzen Menge hindernder Einflüsse dazwischen tretender Materie vorbei und abweichender gravitationeller Anziehung trotzend, bis zu den weit entfernten Himmelskörpern abgelegener Systeme. Die große Geschwindigkeitsenergie, die es braucht, um sich dem gravitationellen Griff einer Sonne zu entwinden, genügt, um sicherzustellen, dass der Sonnenstrahl mit unverminderter Geschwindigkeit reist, bis er auf beträchtliche Materiemassen trifft, worauf er sich unter Befreiung noch anderer Energien rasch in Wärme verwandelt. Auf ihrem Flug durch den Raum bewegt sich die Energie, sei es als Licht oder in anderer Form, geradeaus. Die wirklichen, materiell existierenden Partikel durchqueren dabei den Raum wie eine Geschützsalve. Sie reisen in gerader, ununterbrochener Linie oder Prozession, außer wenn höhere Kräfte auf sie einwirken und außer dass sie stets der der materiellen Masse inhärenten linearen Gravitation und der Gegenwart zirkulärer Gravitation des Paradieses gehorchen. Es mag scheinen, als bewege sich die Solarenergie in Wellen vorwärts, aber das ist der Einwirkung koexistierender, verschiedener Einflüsse zuzuschreiben. Eine gegebene Form organisierter Energie bewegt sich nicht in Wellen vorwärts, sondern in gerader Linie. Die Anwesenheit einer zweiten oder dritten Form von Kraft-Energie kann bewirken, dass der beobachtete Strom in wellenmäßiger Formation zu reisen scheint, gerade so wie bei einem alles verhüllenden und von starkem Wind begleiteten heftigen Regenguss das Wasser manchmal in Wänden zu fallen oder in Wellen niederzugehen scheint. Die Regentropfen kommen in direkter Linie einer ununterbrochenen Prozession herab, aber die Wirkung des Windes vermittelt den optischen Eindruck von Wasserwänden und in Wellen niedergehenden Regentropfen. Die Wirkung bestimmter sekundärer und anderer unentdeckter Energien, die in den Raumregionen eures Lokaluniversums anwesend sind, ist derart, dass die Emanationen des Sonnenlichts gewisse Wellenphänomene auszuführen und in infinitesimale Portionen bestimmter Länge und bestimmten Gewichts zerhackt zu sein scheinen. Und von einem praktischen Standpunkt aus geschieht genau das. Ihr könnt kaum hoffen, zu einem besseren Verständnis des Verhaltens des Lichts vor der Zeit zu kommen, da ihr eine klarere Vorstellung von Wechselwirkung und gegenseitiger Beziehung der verschiedenen in den Raumregionen Nebadons wirkenden Raumkräfte und Solarenergien gewonnen habt. Eure gegenwärtige Verwirrung beruht auch auf eurem insofern unzureichenden Erfassen dieses Problems, als es mit den ineinander verflochtenen Aktivitäten der persönlichen und unpersönlichen Kontrolle des Alluniversums verbunden ist - mit den Gegenwarten, den Leistungen und der Koordination des Mit-Vollziehers und des Eigenschaftslosen Absoluten. ***** 41.6 Kalzium - der Raumwanderer ***** Beim Entziffern spektraler Phänomene sollte man daran denken, dass der Raum nicht leer ist; dass das Licht manchmal beim Durchqueren des Raums durch die verschiedenen Formen von Energie und Materie, die überall im organisierten Raum zirkulieren, leicht modifiziert wird. Einige auf unbekannte Materie deutende Linien, die in den Spektren eurer Sonne erscheinen, werden durch Modifikationen wohlbekannter Elemente verursacht, die in zertrümmerter Form durch den Raum treiben als atomare Unfallopfer der heftigen Zusammenstöße bei den Kämpfen der Sonnenelemente. Der Raum ist voll von diesen treibenden Wracks, insbesondere von Natrium und Kalzium. Kalzium ist in der Tat das Hauptelement der Durchdringung des Raums mit Materie in ganz Orvonton. Unser ganzes Superuniversum wird durchsprüht von feinst zerriebenem Stein. Stein ist buchstäblich die grundlegende Materie, aus der die Planeten und Sphären des Raums aufgebaut sind. Die kosmische Wolke, die sich über den ganzen Raum ausbreitet, besteht zum größten Teil aus modifizierten Kalziumatomen. Das Steinatom ist eines der häufigsten und beharrlichsten Elemente. Es erträgt nicht nur die solare Ionisierung - Spaltung - sondern überlebt mit verbindungsfähiger Identität sogar noch, nachdem es von den zerstörerischen Röntgenstrahlen bombardiert und durch die hohen Sonnentemperaturen zertrümmert worden ist. Das Kalzium besitzt eine Individualität und Langlebigkeit, die alle gewöhnlicheren Materieformen übertrifft. Wie eure Physiker es vermutet haben, reiten diese verstümmelten Überreste des solaren Kal-ziums über kürzere oder längere Distanzen buchstäblich auf den Sonnenstrahlen, wodurch ihre weite Streuung durch den ganzen Raum gewaltig erleichtert wird. Auch das Natriumatom ist, wenn in bestimmter Weise modifiziert, zur Licht- und Energiefortbewegung fähig. Aber die Leistung des Kalziums ist umso bemerkenswerter, als dieses Element fast die doppelte Masse des Natriums besitzt. Die lokale Raumdurchdringung mit Kalzium ist der Tatsache zu verdanken, dass es der Sonnenphotosphäre in modifizierter Form entrinnt, indem es buchstäblich auf den austretenden Sonnenstrahlen reitet. Von allen Sonnenelementen ist das Kalzium trotz seiner relativen Größe - mit seinen zwanzig kreisenden Elektronen - das erfolgreichste beim Entweichen aus dem Sonneninneren in die Reiche des Raums. Das erklärt, weshalb es auf der Sonne eine zehntausend Kilometer dicke Kalziumschicht, eine gasförmige Steinoberfläche gibt; und dies trotz der Tatsache, dass neunzehn leichtere Elemente und zahlreiche schwerere darunter liegen. Das Kalzium ist bei Sonnentemperaturen ein aktives und vielseitiges Element. Das Steinatom hat auf seinen zwei äußersten elektronischen Kreisbahnen zwei bewegliche und lose angebundene Elektronen, die sehr nahe beieinander liegen. Schon früh im atomaren Ringen verliert es sein äußerstes Elektron, worauf es auf meisterliche Art beginnt, mit dem neunzehnten Elektron zwischen der neunzehnten und zwanzigsten elektronischen Umlaufbahn hin und her zu jonglieren. Dadurch, dass ein verstümmeltes Steinatom das neunzehnte Elektron zwischen dessen eigener Bahn und derjenigen seines verlorenen Kameraden pro Sekunde über fünfundzwanzigtausendmal hin- und herschleudert, ist es in der Lage, teilweise der Gravitation zu trotzen und erfolgreich auf dem Rücken der austretenden Licht- und Energieströme, der Sonnenstrahlen, der Freiheit und dem Abenteuer entgegenzureiten. Dieses Kalziumatom bewegt sich nach außen, indem es ruckweise vorwärts stürzt, wobei es den Sonnenstrahl jede Sekunde etwa fünfundzwanzigtausendmal ergreift und wieder fah-ren lässt. Und das ist der Grund, weshalb der Stein die Hauptkomponente der Welten des Raums ist. Das Kalzium ist der gewandteste Ausbrecher aus dem Sonnengefängnis. Von der großen Beweglichkeit dieses akrobatischen Kalziumelektrons zeugt die Tatsache, dass, wenn die solaren Temperatur- und Röntgenstrahlenkräfte es auf die höhere Kreisbahn werfen, es auf dieser Bahn nur etwa eine Millionstelsekunde lang verweilt; aber bevor die elektro-gravitatio-nelle Macht des Atomkerns es wieder auf seine alte Bahn zurückzieht, vermag es eine Million Umlaufbewegungen um das Atomzentrum zu vollführen. Eure Sonne hat sich von einem gewaltigen Teil ihres Kalziums getrennt, denn sie hat zu den Zeiten der von Konvulsionen begleiteten Eruptionen bei der Entstehung des Sonnensystems ungeheure Mengen davon verloren. Ein großer Teil des solaren Kalziums befindet sich jetzt in der äußeren Sonnenkruste. Es sollte daran erinnert werden, dass Spektralanalysen nur die Zusammensetzung an der Sonnenoberfläche aufzeigen. Ein Beispiel: Sonnenspektren weisen viele Eisenlinien auf, aber Eisen ist nicht das Hauptelement der Sonne. Dieses Phänomen ist fast gänzlich auf die gegenwärtig an der Sonnenoberfläche herrschende Temperatur zurückzuführen, die etwas weniger als 3 300 Grad beträgt und die Registrierung des Eisenspektrums sehr begünstigt. ***** 41.7 Quellen der Solarenergie ***** Die Innentemperatur vieler Sonnen, auch der euren, ist viel höher, als man gemeinhin annimmt. Im Inneren einer Sonne existiert praktisch kein vollständiges Atom; sie sind alle mehr oder weniger durch das intensive Röntgenstrahlen-Bombardement zertrümmert, das mit solch hohen Temperaturen natürlicherweise einhergeht. Was für materielle Elemente auch immer in den äußeren Schichten einer Sonne erscheinen mögen, die im Inneren befindlichen werden einander unter der desintegrierenden Wirkung der zerstörerischen Röntgentrahlen sehr gleich gemacht. Die Röntgenstrahlen sind die großen Nivellierer der atomaren Existenz. Die Oberflächentemperatur eurer Sonne beträgt fast 3 300 Grad, aber sie nimmt mit dem Eindringen ins Innere rasch zu, bis sie in den zentralen Regionen die unglaubliche Höhe von etwa 19 400 000 Grad erreicht. (All diese Temperaturen sind in Celsius-Einheiten ausgedrückt.) All diese Phänomene lassen eine gewaltige Verausgabung von Energie erkennen. Die Quellen der Sonnenenergie sind in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit die folgenden: 1. Vernichtung von Atomen und schließlich von Elektronen. 2. Transmutation von Elementen, unter Einschluss der dabei befreiten radioaktiven Energiegruppen. 3. Akkumulation und Übertragung bestimmter universeller Raumenergien. 4. Raummaterie und Meteore, die unaufhörlich in die strahlenden Sonnen eintauchen. 5. Die solare Kontraktion; die Abkühlung und die sich daraus ergebende Zusammenziehung einer Sonne spenden manchmal mehr Energie und Wärme, als was Raummaterie liefert. 6. Bei hohen Temperaturen bewirkt die Gravitation die Umwandlung einer bestimmten Kreislauf-Macht in strahlende Energien. 7. Wieder eingefangenes Licht und andere Materien, die von Neuem in die Sonne hineingezogen werden, nachdem sie sie verlassen haben, und weitere von ausserhalb der Sonne stammende Energien. Es gibt eine die Sonnen umhüllende, regulierende Decke heißer Gase (deren Temperatur manchmal mehrere Millionen Grad beträgt), die den Hitzeverlust stabilisiert und im Übrigen gefährlichen Fluktuationen bei der Wärmeabgabe vorbeugt. Während des aktiven Lebens einer Sonne bleibt die innere Temperatur von 19 500 000 Grad ungefähr konstant, ganz unabhängig von der ständig fallenden äußeren Temperatur. Ihr könnt versuchen, euch 19 500 000 Grad Hitze in Verbindung mit bestimmten gravitationellen Drücken als den elektronischen Siedepunkt vorzustellen. Bei solchem Druck und solcher Temperatur sind alle Atome abgebaut und in ihre elektronischen und anderen Urkomponenten zerlegt; sogar die Elektronen und andere ultimatonische Verbindungen können aufbrechen, aber die Sonnen sind nicht fähig, die Ultimatonen anzugreifen. Diese Sonnentemperaturen treiben die Ultimatonen und Elektronen zu enormen Geschwindigkeiten an - von den Letzteren zumindest diejenigen, die ihre Existenz unter solchen Bedingungen aufrechterhalten können. Wenn ihr euch eine Vorstellung davon machen wollt, was hohe Temperatur bedeutet, die auf der Beschleunigung ultimatonischer und elektronischer Aktivitäten beruht, dann haltet einen Augenblick inne und überlegt, dass ein Tropfen gewöhnlichen Wassers mehr als tausend Trillionen Atome enthält. Das ist die zwei Jahre lang unterbruchslos ausgeübte Energie von über hundert Pferdekräften. Die gesamte Wärme, die jetzt jede Sekunde von der Sonne unseres Sonnensystems abgegeben wird, würde genügen, um alles Wasser in allen Ozeanen Urantias in einer Sekunde zum Kochen zu bringen. Nur jene Sonnen, die direkt in den Kanälen der Hauptströme der Universumsenergie liegen, können ewig scheinen. Solche solaren Hochöfen leuchten unbegrenzt, da sie ihre Materieverluste durch die Einnahme von Raum-Kraft und ähnlicher zirkulierender Energie ersetzen können. Aber das Los von Sternen, die weit von diesen Hauptkanälen der Neuaufladung entfernt sind, ist die Erschöpfung ihrer Energie - dass sie sich schrittweise abkühlen und schließlich ausbrennen. Solch tote oder sterbende Sonnen können durch Kollisionswirkung verjüngt werden, oder sie können neu aufgeladen werden durch gewisse Rauminseln aus nichtleuchtender Energie oder durch gravitationellen Raub naher kleinerer Sonnen oder Systeme. Die Mehrzahl der toten Sonnen wird durch diese oder andere evolutionäre Techniken eine Neubelebung erfahren. Das Schicksal derjenigen, die am Ende nicht in dieser Weise neu aufgeladen werden, ist Bersten durch Explosion ihrer Masse, sobald die gravitationelle Verdichtung den kritischen Punkt der unter dem Energiedruck erfolgenden ultimatonischen Kondensation erreicht. Solche verschwindende Sonnen werden zu einer Energie der seltensten Art, die sich hervorragend dazu eignet, andere, günstiger gelegene Sonnen neu zu beleben. ***** 41.8 Reaktionen der Sonnenenergie ***** In den Sonnen, die in die Raumenergiekanäle eingeschaltet sind, wird die Solarenergie durch verschiedene komplexe Ketten nuklearer Reaktion befreit, deren gewöhnlichste die Wasserstoff-Kohlenstoff-Helium-Reaktion ist. Bei dieser Metamorphose wirkt der Kohlenstoff als Energiekatalysator, da er durch diesen Prozess der Umwandlung von Wasserstoff in Helium in keiner Weise verändert wird. Unter bestimmten hohen Temperaturbedingungen dringt Wasserstoff in die Kohlenstoffkerne ein. Da der Kohlenstoff nicht mehr als vier solcher Protonen auf einmal halten kann, beginnt er, sobald er den Sättigungszustand erreicht hat, Protonen in derselben Kadenz auszusenden, als neue ankommen. Bei dieser Reaktion kommen die eintretenden Wasserstoffpartikel als Heliumatome heraus. Die Verringerung ihres Wasserstoffgehaltes verstärkt die Leuchtkraft einer Sonne. In den zum Ausbrennen bestimmten Sonnen wird die höchste Helligkeit im Augenblick der Erschöpfung des Wasserstoffs erreicht. Wenn dieser Punkt einmal überschritten ist, wird das Leuchten aufrechterhalten durch den jetzt eintretenden Prozess gravitationeller Kontraktion. Schließlich wird aus einem solchen Stern ein so genannter weißer Zwerg, eine hochverdichtete Sphäre. Wenn in großen Sonnen - kleinen runden Nebeln - der Wasserstoff erschöpft ist und darauf die gravitationelle Kontraktion erfolgt, und wenn ein solcher Körper nicht undurchlässig genug ist, um dem inneren Druck standzuhalten, der den äußeren Gasregionen als Stütze dient, tritt ein plötzlicher Kollaps ein. Die elektro-gravitationellen Wechselwirkungen lassen gewaltige Mengen winziger Partikel ohne elektrisches Potential entstehen, und diese Partikel entfliehen prompt dem Sonneninneren, wodurch sie in wenigen Tagen den Kollaps einer gigantischen Sonne herbeiführen. Es war solch eine Flucht von "Reißauspartikeln", welche den Kollaps der Riesennova des Andromedanebels vor etwa fünfzig Jahren verursachte. Dieser gewaltige Sternkörper brach innerhalb von vierzig Minuten urantianischer Zeit zusammen. In der Regel besteht die in gewaltiger Menge ausgetretene Masse im Umfeld der sich abkühlenden Restsonne weiter in Form von ausgedehnten Wolken aus Nebelgasen. All das erklärt den Ursprung mancher Typen von unregelmäßigen Nebeln wie des Krabbennebels, der vor ungefähr neunhundert Jahren entstanden ist und dessen Muttersphäre man immer noch als einsamen Stern nahe beim Zentrum seiner unregelmäßigen Nebelmasse erblickt. ***** 41.9 Sonnenstabilität ***** Die größeren Sonnen haben ihre Elektronen durch die Gravitation derart im Griff, dass das Licht nur mit Hilfe der mächtigen Röntgenstrahlen austreten kann. Diese Helferstrahlen durchdringen den ganzen Raum und haben die Aufgabe, die fundamentalen ultimatonischen Energieverbindungen aufrechtzuerhalten. Die großen Energieverluste der frühen Tage einer Sonne, nachdem sie ihre maximale Temperatur erreicht hat - über 19 500 000 Grad - sind weniger dem Lichtaustritt als ultimatonischem Ausströmen zuzuschreiben. Im jugendlichen Alter der Sonnen entwischen diese ultimatonischen Energien wie eine richtige Energieexplosion in den Raum, um sich in das Abenteuer der elektronischen Verbindung und der Materialisierung von Energie zu stürzen. Atome und Elektronen sind der Gravitation unterworfen. Die Ultimatonen sind der lokalen Gravitation, der Wechselwirkung materieller Anziehung, nicht unterworfen, aber sie gehorchen voll und ganz der absoluten oder Paradies-Gravitation, der Richtung, dem Schwung des universalen und ewigen Kreises des Universums der Universen. Die ultimatonische Energie gehorcht nicht der linearen oder direkten Gravitationsanziehung naher oder ferner Materiemassen, aber sie verfolgt ewig treu die Bahn der großen Ellipse der riesigen Schöpfung. Euer eigenes Sonnenzentrum strahlt jährlich fast hundert Milliarden Tonnen wirklicher Materie ab, während die Riesensonnen in ihren früheren Wachstumstagen, in ihrer ersten Jahrmilliarde, in unerhörtem Maßstab Materie verlieren. Das Leben einer Sonne wird stabil, nachdem sie das Maximum ihrer Innentemperatur erreicht hat und die subatomischen Energien sich zu befreien beginnen. Und eben an diesem kritischen Punkt fallen die größeren Sonnen in konvulsives Pulsieren. Die Stabilität einer Sonne hängt völlig vom Gleichgewicht im Kampf zwischen Gravitation und Hitze ab - zwischen ungeheuren Drücken, denen unvorstellbare Temperaturen die Waage halten. Die Elastizität des Gases im Sonneninneren stützt die darüberliegenden Schichten aus gemischter Materie, und wenn Gravitation und Wärme im Gleichgewicht sind, ist das Gewicht der äußeren Materie genau gleich dem Temperaturdruck der darunterliegenden inneren Gase. In vielen jüngeren Sternen erzeugt die durch Gravitation herbeigeführte stetige Verdichtung immer höhere innere Temperaturen, und mit zunehmender innerer Hitze wird der inwendige Röntgenstrahlendruck der Übergaswinde so groß, dass eine Sonne mit Unterstützung der Zentrifugalbewegung beginnt, ihre äußeren Schichten in den Raum hinauszuschleudern, wodurch sie wieder zum Gleichgewicht zwischen Gravitation und Hitze zurückfindet. Eure Sonne hat seit langem ein relatives Gleichgewicht zwischen ihren Expansions- und Kontraktionszyklen gefunden, jenen Störungen, die die gewaltigen Pulsationen vieler jüngerer Sterne hervorrufen. Eure Sonne hat jetzt die Sechs-Milliarden-Jahr-Grenze überschritten. Sie durchläuft gegenwärtig ihr Stadium größter Sparsamkeit. Sie wird mit der gegenwärtigen Leistungskraft noch über fünfundzwanzig Milliarden Jahre lang weiterscheinen. Und sie wird wahrscheinlich durch eine Niedergangsperiode verminderter Wirksamkeit von gleicher Länge gehen wie die Perioden der Jugend und stabilisierten Funktion zusammen genommen. ***** 41.10 Ursprung der bewohnten Welten ***** Einige der variablen Sterne, die sich im Zustand maximaler Pulsation oder nahe daran befinden, stehen in einem Prozess der Schaffung von Tochtersystemen, von denen viele am Ende stark eurer Sonne und den sie umkreisenden Planeten gleichen werden. Gerade in einem solchen Zustand mächtiger Pulsation war eure Sonne, als das wuchtige System von Angona in großer Nähe an ihr vorüberzog. Da begann die Oberfläche der Sonne wahre Ströme - ununterbrochen wogende Massen - von Materie auszuspeien. Das ging so mit immer größerer Heftigkeit weiter bis zum Punkt größter Annäherung, als die Grenzen des Zusammenhalts der Sonne erreicht wurden und sich aus ihr ein gewaltiger spitziger Materiestrom - der Ahne des Sonnensystems - ergoss. Unter gleichen Umständen entreißt der anziehende Körper bei seiner größten Annäherung einer Sonne manchmal ganze Planeten, sogar bis zu einem Viertel oder Drittel von ihr. Diese beträchtlichen Ausstoßungen bilden bestimmte besondere, von Wolken umgebene Weltentypen, Sphären, die Jupiter und Saturn sehr ähnlich sind. Hingegen hatte die Mehrheit der Sonnensysteme einen völlig anderen Ursprung als das eure, und das trifft sogar auch auf jene zu, die durch gravitationelle Fluttechnik hervorgebracht wurden. Aber ganz gleich, was für eine Technik des Weltenbaus schließlich angewandt wird, immer ist Gravitation die Urheberin des Schöpfungstyps der Sonnensysteme, unter welchen man eine zentrale Sonne oder eine dunkle Insel mit Planeten, Satelliten, Untersatelliten und Meteoren versteht. Das physische Aussehen der Einzelwelten wird weitgehend durch ihre Entstehungsweise, ihre astronomische Lage und ihr physisches Umfeld bestimmt. Auch Alter, Größe, Umdrehungszahl und Geschwindigkeit des Raumflugs sind bestimmende Faktoren. Sowohl die durch Gaskontraktion als auch die durch Hinzufügung fester Materie entstandenen Welten werden durch Gebirge und während ihres eher frühen Lebens, sofern sie nicht zu klein sind, durch Wasser und Luft charakterisiert. Durch flüssige Abspaltung und Zusammenstöße entstandene Welten besitzen manchmal keine großen Gebirgszüge. In ihrer Frühzeit gibt es auf all diesen neuen Welten häufige Erdbeben, und große physische Störungen sind ihr Merkmal; das gilt insbesondere für die aus Gaskontraktion hervorgegangenen Sphären, für jene Welten, die aus den gewaltigen Nebelringen hervorgehen, die von bestimmten Einzelsonnen bei ihrer frühen Verdichtung und Zusammenziehung zurückgelassen werden. Planeten doppelten Ursprungs wie Urantia machen eine weniger gewalttätige und stürmische Jugendzeit durch. Aber auch so erlebte eure Erde eine frühe Phase mächtiger Erschütterungen, die sich in Vulkanausbrüchen, Erdbeben, Fluten und schrecklichen Stürmen kundgab. Urantia befindet sich in relativ isolierter Lage am Rande von Satania. Mit einer einzigen Ausnahme ist das eure das von Jerusem am weitesten entfernte Sonnensystem, während Satania selber in der Nähe des äußersten Systems Norlatiadeks liegt und diese Konstellation jetzt das äußere Randgebiet Nebadons durchquert. Ihr gehörtet wahrhaftig zu den Geringsten der ganzen Schöpfung, bis Michaels Selbsthingabe eurem Planeten einen hohen Ehrenplatz und großes universelles Interesse eintrug. Manchmal wird der Letzte der Erste, und der Geringste wahrhaftig der Größte. [Dargeboten von einem Erzengel in Zusammenarbeit mit dem Oberhaupt der Machtzentren Nebadons.] ****** Kapitel 42 Energie - Verstand und Materie ****** DAS Fundament des Universums ist materiell in dem Sinne, dass Energie die Basis aller Existenz ist, und die reine Energie unterliegt der Kontrolle des Universalen Vaters. Kraft, Energie steht da als ewiges Denkmal, das auf die Existenz und Gegenwart des Universalen Absoluten hinweist und es beweist. Der gewaltige Energiestrom, der von den Paradiesgegenwarten ausgeht, hat nie ausgesetzt, nie gefehlt; es hat in der unendlichen Aufrechterhaltung des Universums nie eine Unterbrechung gegeben. Die Handhabung der Universumsenergie geschieht immer entsprechend dem persönlichen Willen und den allweisen Erlassen des Universalen Vaters. Diese persönliche Kontrolle der manifestierten Macht und zirkulierenden Energie erfährt Änderungen durch die koordinierten Handlungen und Entscheidungen des Ewigen Sohnes ebenso wie durch die vereinigten Absichten des Sohnes und des Vaters, die vom Mit-Vollzieher ausgeführt werden. Diese göttlichen Wesen handeln persönlich und als Einzelne; sie wirken auch durch die Personen und Mächte einer schier unbeschränkten Zahl von Untergeordneten, von denen jeder den ewigen und göttlichen Plan im Universum der Universen anders ausdrückt. Aber diese funktionellen und provisorischen Modifikationen oder Umwandlungen göttlicher Macht schwächen in keiner Weise die Wahrheit der Feststellung ab, dass alle Kraft-Energie sich unter der höchsten Kontrolle eines persönlichen Gottes befindet, der in der Mitte aller Dinge wohnt. ***** 42.1 Kräfte und Energien des Paradieses ***** Das Fundament des Universums ist materiell, aber die Essenz des Lebens ist Geist. Der Vater der Geiste ist auch der Ahnherr der Universen; der ewige Vater des Ursprünglichen Sohnes ist auch die Ewigkeitsquelle des ursprünglichen Urmusters, der Paradies-Insel. Als ein universales Phänomen ist Materie - Energie - (denn beide sind nur verschiedene Manifestationen derselben kosmischen Realität) dem Universalen Vater eingeboren. "In ihm bestehen alle Dinge." Es kann so aussehen, als ob die Materie in ihr liegende Energie manifestiere oder über eigene Kräfte verfüge, aber die Gravitationslinien, welche bei den an allen physischen Phänomenen beteiligten Energien mit im Spiel sind, stammen aus dem Paradies und hängen von ihm ab. Das Ultimaton, die erste messbare Energieform, hat seinen Mittelpunkt im Paradies. Eine auf Urantia unbekannte Energieart wohnt der Materie inne und ist im universalen Raum anwesend. Wenn diese Entdeckung schließlich gemacht wird, werden die Physiker fühlen, dass sie das Geheimnis der Materie, zumindest beinahe, gelüftet haben. Und damit werden sie sich dem Schöpfer um einen Schritt genähert haben; damit werden sie eine weitere Phase der göttlichen Technik gemeistert haben; aber in gar keinem Sinne werden sie Gott gefunden haben, und weder werden sie eine von der kosmischen Technik des Paradieses und vom motivierenden Vorhaben des Universalen Vaters unabhängige Existenz der Materie nachgewiesen haben, noch ein davon unabhängiges Wirken der Naturgesetze. Nach noch größeren Fortschritten und weiteren Entdeckungen, wenn Urantia im Vergleich zum heutigen Wissen grenzenlose Fortschritte gemacht haben wird, und obwohl ihr wahrscheinlich die energetischen Umlaufbewegungen der elektrischen Einheiten der Materie soweit beherrschen lernen werdet, dass ihr ihre physischen Manifestationen verändern könnt - auch nach all solchem Fortschritt werden die Wissenschaftler für immer außerstande sein, auch nur ein einziges Materieatom zu erschaffen oder einen einzigen Energieblitz zu erzeugen oder je der Materie das hinzuzufügen, was wir Leben nennen. Die Erschaffung der Energie und die Verleihung des Lebens sind Vorrechte des Universalen Vaters und der mit ihm verbundenen Schöpferpersönlichkeiten. Ein ununterbrochener Energie- und Lebensfluss entspringt den Gottheiten, und dieser universale und geeinte Strom paradiesischer Kraft geht in den gesamten Raum hinaus. Diese göttliche Energie durchdringt die ganze Schöpfung. Die Kraftorganisatoren lösen in der Raumkraft die Veränderungen aus, aus denen die Energie hervorgeht; die Machtlenker überführen die Energie in Materie; und so entstehen die materiellen Welten. Die Lebensbringer lösen in der toten Materie jene Prozesse aus, die wir Leben, materielles Leben nennen. Die Morontiellen Machtüberwacher handeln in gleicher Weise in den Übergangsreichen zwischen den materiellen und geistigen Welten. Die höheren Geistschöpfer lösen in göttlichen Energieformen ähnliche Prozesse aus, und es entstehen daraus die höheren Geistformen intelligenten Lebens. Die Energie entstammt dem Paradies, und sie ist nach der göttlichen Ordnung erschaffen. Energie - reine Energie - hat an der Natur der göttlichen Organisation teil; sie ist nach dem Bilde der drei Götter in einem gestaltet, wie sie am Hauptsitz des Universums der Universen wirken. Und alle Kraft kreist auf den Paradies-Bahnen, kommt von den Paradies-Gegenwarten und kehrt wieder zu ihnen zurück und ist in ihrer Essenz eine Manifestation der Ursache ohne Ursache - des Universalen Vaters; und ohne den Vater würde nichts von alledem existieren, was existiert. Die Kraft kommt aus der in sich selber existierenden Gottheit und existiert ewig in sich selber. Kraft-Energie ist unvergänglich, unzerstörbar; diese Manifestationen des Unendlichen können unbeschränkter Umbildung, endloser Verwandlung und ewiger Metamorphose unterworfen werden; aber in keiner Weise, auch nicht im geringsten denkbaren Ausmaß, könnten oder werden sie je ausgelöscht werden. Aber obwohl die Energie dem Unendlichen entspringt, manifestiert sie sich nicht unendlich; das Alluniversum in seiner derzeitigen Konzipierung besitzt äußere Grenzen. Energie ist ewig, aber nicht unendlich; sie antwortet ewig der allumfassenden Macht der Unendlichkeit. Kraft und Energie gehen ewig weiter; da sie aus dem Paradies ausgezogen sind, müssen sie wieder dahin zurückkehren, auch wenn die Vollendung des verordneten Kreises Äonen erfordern sollte. Was seinen Ursprung in der Paradies-Gottheit hat, kann seine Bestimmung nur im Paradies oder in der Gottheit finden. All das bestätigt unseren Glauben an ein kreisförmiges, irgendwie begrenztes, aber geordnetes und unermessliches Universum der Universen. Wäre das nicht wahr, würde sich früher oder später an irgendeinem Punkt ein Energieverlust bemerkbar machen. Alle Gesetze und Organisationen, Verwaltung und Zeugnisse der Universumserforscher - alles deutet auf die Existenz eines unendlichen Gottes hin, aber auch, bis jetzt, eines endlichen Universums, einer endlos existierenden, nahezu grenzenlosen Kreisförmigkeit, die aber nichtsdestoweniger im Gegensatz zur Unendlichkeit steht. ***** 42.2 Universale nichtgeistige Energiesysteme (Physische Energien) ***** Es ist in der Tat schwierig, in der englischen [oder deutschen] Sprache passende Wörter zu finden, um die verschiedenen Ebenen von Kraft und Energie - physischer, mentaler oder geistiger - zu bezeichnen oder zu beschreiben. Wir können in diesen Darstellungen eure gültigen Definitionen von Kraft, Energie und Macht nicht ganz übernehmen. Die Armut der Sprache ist derart, dass wir diese Ausdrücke in zahlreichen Bedeutungen verwenden müssen. In dieser Schrift zum Beispiel wird das Wort Energie gebraucht, um alle Phasen und Formen von Bewegung, Aktion und Potential der Phänomene zu bezeichnen, während sich Kraft auf die vorgravitationellen und Macht auf die nachgravitationellen Energiestadien bezieht. Ich will mich indessen bemühen, die vorstellungsmäßige Verwirrung zu vermindern, indem ich rate, für die kosmische Kraft, die erwachende Energie und die Universumsmacht - die physische Energie - die folgende Klassifizierung vorzunehmen: 1. Raumpotenz. Das ist die unbestrittene, freie Raumgegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten. Die Erweiterung dieses Begriffs bedeutet zugleich auch das Kraft- und Raumpotential, das der funktionellen Totalität des Eigenschaftslosen Absoluten innewohnt, während der tiefste Sinn dieses Begriffs die Totalität der kosmischen Realität meint - die Universen, die im Rhythmus der Ewigkeit aus der nie beginnenden, nie endenden, sich nie bewegenden und nie verändernden Paradies- Insel hervorgegangen sind. Die Phänomene, die zu der unteren Seite des Paradieses gehören, umfassen wahrscheinlich drei Zonen absoluter Kraftgegenwart und -leistung: die Ausgangszone des Eigenschaftslosen Absoluten, die Zone der Paradies-Insel selber und die dazwischenliegende Zone gewisser nicht identifizierter ausgleichender und kompensierender Wirkkräfte oder Funktionen. Diese drei konzentrischen Zonen sind der Mittelpunkt des Paradies-Zyklus kosmischer Realität. Die Raumpotenz ist eine Vor-Realität; sie ist die Domäne des Eigenschaftslosen Absoluten und antwortet nur auf den persönlichen Zugriff des Universalen Vaters, obwohl sie scheinbar durch die Gegenwart der Primären Haupt-Kraftorganisatoren veränderbar ist. Auf Uversa nennt man die Raumpotenz ABSOLUTA. 2. Urkraft. Bei ihr handelt es sich um die erste grundlegende Veränderung der Raumpotenz, welche wohl einer der Funktionen des Eigenschaftslosen Absoluten im unteren Paradies zuzuschreiben ist. Wir wissen, dass die Raumgegenwart, die das untere Paradies verlässt, von der eintretenden in gewisser Hinsicht verschieden ist. Aber ganz unabhängig von der Möglichkeit solcher Beziehungen ist die offensichtliche, anerkannte Verwandlung der Raumpotenz in Urkraft das erste differenzierende Wirken der Spannungs-Gegenwart der lebendigen Kraftorganisatoren des Paradieses. Die passive und potentielle Kraft wird zu aktiver Urkraft in Reaktion auf den Widerstand, den die Raumgegenwart der Primären Eventuierten Hauptkraftorganisatoren ihr entgegenstellt. Die Kraft tritt nun aus der ausschließlichen Domäne des Eigenschaftslosen Absoluten heraus in die Reiche multipler Reaktion - Reaktion auf bestimmte uranfängliche, durch den Gott der Aktion ausgelöste Bewegungen und danach auf bestimmte, vom Universalen Absoluten ausgehende kompensierende Bewegungen. Urkraft reagiert anscheinend auf transzendente Ursachen im Verhältnis von deren Absolutheit. Man nennt die Urkraft manchmal auch reine Energie; auf Uversa bezeichnen wir sie als SEGREGATA. 3. Erwachende Energien. Die passive Gegenwart der primären Kraftorganisatoren genügt zur Umwandlung von Raumpotenz in Urkraft, und in einem derartig aktivierten Raumfeld schreiten jetzt dieselben Kraftorganisatoren zu ihren ersten aktiven Operationen. Die Urkraft muss im Reich der Energiemanifestation zwei verschiedene Verwandlungsphasen durchlaufen, bevor sie als Universumsmacht erscheint. Dies sind die beiden Ebenen erwachender Energie: a. Mächtige Energie. Das ist die machtvoll gerichtete, insgesamt bewegte, mächtig gespannte und gewaltsam reagierende Energie - gigantische Energiesysteme, die durch die Aktivitäten der primären Kraftorganisatoren in Bewegung gesetzt werden. Diese primäre oder mächtige Energie spricht zuerst nicht eindeutig auf die Anziehung der Paradies-Gravitation an, obgleich sie wahrscheinlich als Gesamtaggregat oder im Sinne ihrer Ausrichtung im Raum auf die kollektiven absoluten Einflüsse reagiert, die von der unteren Seite des Paradieses ausgehen. Wenn die Energie die Schwelle anfänglicher Ansprechbarkeit auf die Anziehung der zirkulären oder absoluten Gravitation des Paradieses erreicht hat, räumen die primären Kraftorganisatoren ihren sekundären Gefährten das Feld für deren Wirken. b. Gravitationsenergie. Die jetzt erscheinende, auf Gravitation ansprechbare Energie trägt das Potential der Universumsmacht in sich und wird zum aktiven Ahnen aller Universumsmaterie. Diese sekundäre oder Gravitationsenergie ist das Produkt der Weiterentwicklung der Energie in Gegenwart des Drucks und der Spannungen, die von den Assoziierten Transzendenten Hauptkraftorganisatoren erzeugt werden. Unter der Einwirkung dieser Kraftmanipulatoren geht die Raumenergie rasch vom mächtigen ins Gravitationsstadium über und wird dadurch direkt ansprechbar für die zirkuläre Anziehung der (absoluten) Paradies-Gravitation, während sie bereits ein gewisses Potential der Reaktion auf den Griff der linearen Gravitation erkennen lässt, welche die natürliche Eigenschaft der bald erscheinenden materiellen Masse der elektronischen und nachelektronischen Stadien von Energie und Materie ist. Nach dem Auftreten der Gravitationsantwort ziehen sich die Assoziierten Hauptkraftorganisatoren aus den Energiezyklonen des Raums zurück, vorausgesetzt, die Lenker der Universumsmacht stehen für dieses Betätigungsfeld zur Verfügung. Wir sind vollkommen im Ungewissen über die genauen Ursachen der Frühstadien der Kraft-evolution, aber in beiden Manifestationsebenen der erwachenden Energie erkennen wir die intelligente Aktion des Ultimen. Insgesamt betrachtet bezeichnet man auf Uversa die mächtigen und die Gravitationsenergien als ULTIMATA. 4. Universumsmacht. Die Raum-Kraft ist zuerst in Raum-Energie und danach in der Gravitation unterliegende Energie überführt worden. Die physische Energie ist so bis zu dem Punkt gereift worden, wo sie in Kanäle der Macht gelenkt und den mannigfachen Vorhaben der Universumsschöpfer dienstbar gemacht werden kann. Dieses Werk wird fortgeführt von den vielseitigen Lenkern, Zentren und Überwachern der physischen Energie des Großen Universums - der organisierten und bewohnten Schöpfungen. Die Lenker der Universumsmacht übernehmen die mehr oder minder vollständige Kontrolle von einundzwanzig der dreißig Energiephasen, die das gegenwärtige Energiesystem der sieben Superuniversen ausmachen. Diese ganze Domäne von Macht-Energie-Materie ist das Reich der intelligenten Aktivitäten des Siebenfachen, der unter der höchsten Zeit-Raum-Kontrolle des Supremen funktioniert. Auf Uversa bezeichnen wir die Universumsmacht als GRAVITA. 5. Die Energie Havonas. Vorstellungsmäßig hat sich unsere Beschreibung paradieswärts bewegt, da wir der sich von Ebene zu Ebene wandelnden Raum-Kraft gefolgt sind bis zur Arbeitsebene der Energie-Macht der Universen von Zeit und Raum. Immer weiter paradieswärts begegnen wir als Nächstes einer vorausexistierenden Energiephase, die für das Zentraluniversum charakteristisch ist. Hier scheint der evolutionäre Zyklus zu sich selber zurückzukehren; die Energie-Macht scheint wiederum zur Kraft zurückzuschwingen, aber Kraft einer ganz anderen Natur als diejenige von Raumpotenz und Urkraft. Die Energiesysteme Havonas sind nicht zweifach; sie sind dreifach. Es ist die existentielle Energiedomäne des Mit-Vollziehers, der im Namen der Paradies-Trinität wirkt. Auf Uversa nennt man diese Energien Havonas TRIATA. 6. Transzendente Energie. Dieses Energiesystem funktioniert auf der oberen Paradies-ebene und von ihr aus und nur in Verbindung mit der absoniten Bevölkerung. Auf Uversa heißt es TRANOSTA. 7. Monota. Die Energie ist nahe verwandt mit Göttlichkeit, wenn es sich um Paradies-Energie handelt. Wir neigen zu der Annahme, Monota sei die lebendige, nichtgeistige Energie des Paradieses - ein ewiges Gegenstück zu der lebendigen geistigen Energie des Ursprünglichen Sohnes - somit das nichtgeistige Energiesystem des Universalen Vaters. Wir können in der Natur des Paradies-Geistes und der Paradies-Monota keinen Unterschied sehen; sie sind allem Anschein nach gleich. Sie tragen verschiedene Namen, aber man kann euch schwerlich sehr viel über eine Realität sagen, deren geistige und deren nichtgeistige Manifestationen sich nur dem Namen nach unterscheiden lassen. Wir wissen, dass endliche Geschöpfe dank dem Beistand des Siebenfachen Gottes und ihres Gedankenjustierers bis zur Erfahrung der Anbetung des Universalen Vaters gelangen können, aber wir bezweifeln, dass irgendeine unterabsolute Persönlichkeit, nicht einmal ein Macht-lenker, die energetische Unendlichkeit des Ersten Großen Zentralen Ursprungs begreifen kann. Eines ist sicher: Sollten die Machtlenker mit der Technik der Metamorphose der Raum-Kraft vertraut sein, so geben sie uns übrigen ihr Geheimnis nicht preis. Ich bin der Meinung, dass sie die Funktion der Kraftorganisatoren nicht ganz verstehen. Die Machtlenker selber sind Energiekatalysatoren; das heißt, dass sie die Energie durch ihre Anwesenheit veranlassen, sich unter Bildung von Einheiten zu segmentieren, zu organisieren und zusammenzuschließen. All das setzt voraus, dass schon von Natur aus etwas in der Energie vorhanden sein muss, was sie bestimmt, sich in Gegenwart dieser Machtwesenheiten so zu verhalten. Schon vor langer Zeit bezeichneten die Melchisedeks von Nebadon das Phänomen der Verwandlung der kosmischen Kraft in Universumsmacht als eine der sieben "Unendlichkeiten der Göttlichkeit". Und mehr werdet ihr während eures Aufstiegs durch das Lokaluniversum über diesen Punkt nicht erfahren. Trotz unseres Unvermögens, Ursprung, Natur und Verwandlungen der kosmischen Kraft voll zu begreifen, sind wir vollends vertraut mit allen Verhaltensphasen der erwachenden Energie vom Augenblick ihrer direkten und unmissverständlichen Antwort auf das Wirken der Paradies-Gravitation an - ungefähr wenn die Machtlenker des Superuniversums in Aktion treten. ***** 42.3 Einteilung der Materie ***** Mit Ausnahme des Zentraluniversums ist die Materie in allen Universen identisch. Die physischen Eigenschaften der Materie sind abhängig von den Umlaufgeschwindigkeiten ihrer Bausteine, von der Zahl und Größe der kreisenden Bausteine, von deren Distanz zum Kernkörper oder vom Rauminhalt der Materie, ebenso wie von der Gegenwart gewisser auf Urantia noch unentdeckter Kräfte. In den verschiedenerlei Sonnen, Planeten und Raumkörpern gibt es zehn große Materieklassen: 1. Ultimatonische Materie - die allerersten physischen Einheiten materieller Existenz, die Energiepartikel, die die Elektronen aufbauen. 2. Unterelektronische Materie - das explosive und abstoßende Stadium der solaren Übergase. 3. Elektronische Materie - das elektrische Stadium materieller Differenzierung - Elektronen, Protonen und verschiedene andere Einheiten, die sich am unterschiedlichen Aufbau der elektronischen Gruppen beteiligen. 4. Unteratomare Materie - Materie, die im Inneren der heißen Sonnen vorherrscht. 5. Zertrümmerte Atome - man findet sie in sich abkühlenden Sonnen und überall im Raum. 6. Ionisierte Materie - Einzelatome, die ihrer äußeren (chemisch aktiven) Elektronen durch elektrische, thermische oder Röntgenstrahlenaktivitäten oder durch Lösungsmittel beraubt wurden. 7. Atomare Materie - das chemische Stadium elementarer Organisation, die Einheiten, die die molekulare oder sichtbare Materie aufbauen. 8. Das Molekularstadium der Materie - Materie, wie sie auf Urantia unter gewöhnlichen Bedingungen in einem relativ stabilen Zustand der Materialisierung existiert. 9. Radioaktive Materie - die desorganisierende Tendenz und Aktivität der schwereren Elemente unter Bedingungen mäßiger Hitze und verminderten gravitationellen Druckes. 10. Kollabierte Materie - die relativ stillstehende Materie, die sich im Inneren der kalten oder toten Sonnen findet. Diese Materieform ist nicht wirklich stillstehend; es herrscht in ihr immer noch eine gewisse Aktivität von Ultimatonen und sogar von Elektronen, aber diese Einheiten befinden sich sehr nahe beieinander, und ihre Umlaufgeschwindigkeiten sind stark herabgesetzt. Diese Klassifizierung der Materie bezieht sich mehr auf ihre Organisation als auf die Gestalt, in der sie den erschaffenen Wesen erscheint. Und sie trägt den der erwachenden Energie vorangehenden Stadien ebenso wenig Rechnung wie den ewigen Materialisierungen des Paradieses und des Zentraluniversums. ***** 42.4 Energie- und Materieumwandlungen ***** Licht, Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Chemie, Energie und Materie sowie andere auf Urantia noch unentdeckte materielle Realitäten sind - ihrer Abstammung, Natur und Bestimmung nach - ein und dasselbe. Wir verstehen die fast endlosen Verwandlungen, denen die physische Energie unterzogen werden kann, nicht restlos. In einem Universum erscheint sie als Licht, in einem anderen als Licht plus Wärme und wieder in einem anderen in auf Urantia unbekannten Energieformen; nach Millionen und Abermillionen von Jahren erscheint sie vielleicht wiederum in Gestalt irgendeiner ruhelosen, heftig schwankenden elektrischen Energie oder magnetischen Macht; und noch später mag sie in einem folgenden Universum als eine Form veränderlicher Materie auftreten, die eine Reihe von Metamorphosen durchläuft, bevor sie in irgendeiner großen Katastrophe der Reiche für den Betrachter physisch verschwindet. Und hernach, nach ungezählten Zeitaltern und fast endlosen Wanderungen durch zahllose Universen, mag dieselbe Energie wiederum auftauchen und ihre Form und ihr Potential viele Male wechseln; und in dieser Weise setzen sich die Verwandlungen fort in den aufeinander folgenden Zeitaltern und in ungezählten Reichen. So stürmt die Materie dahin, und während sie die Verwandlungen der Zeit erfährt, hält sie sich doch stets treu an die Kreisbahn der Ewigkeit. Auch wenn ihr die Rückkehr an ihre Quelle lange verwehrt wird, antwortet sie ihr ewig und verfolgt ewig den Pfad, den die Unendliche Persönlichkeit, die sie ausgesandt hat, vorgezeichnet hat. Eine der Hauptaufgaben der Machtzentren und ihrer Mitarbeiter besteht darin, die Ultimatonen dahin zu bringen, die Bahnen und Drehungen der Elektronen anzunehmen. Diese einzigartigen Wesen stellen Macht her und kontrollieren sie durch gewandte Manipulation der fundamentalen Einheiten der materialisierten Energie, der Ultimatonen. Sie beherrschen die in diesem primitiven Zustand zirkulierende Energie völlig. In Verbindung mit den physischen Überwachern sind sie imstande, die Energie wirksam zu kontrollieren und zu lenken, auch noch nach ihrer Verwandlung in die elektrische Form, in das so genannte elektronische Stadium. Aber ihre Einflussnahme ist ganz gehörig beschnitten, wenn die elektronisch organisierte Energie in die Wirbel des atomaren Systems gerät. Nach solcher Materialisierung fallen diese Energien vollständig der Anziehungskraft der linearen Gravitation anheim. Die Gravitation hat eine positive Wirkung auf die Machtbahnen und Energiekanäle der Machtzentren und der physischen Überwacher, aber diese Wesen haben zu der Gravitation nur eine negative Beziehung - die Ausübung ihrer antigravitationellen Gaben. Überall im Raum wirken Kälte und andere Einflüsse schöpferisch dahin, die Ultimatonen in Elektronen umzuorganisieren. Wärme ist das Maß für die elektronische Aktivität, während Kälte nur Abwesenheit von Wärme - relative energetische Ruhe - bedeutet, jenen Zustand, in dem die universelle Kraftladung des Raums sich befindet, solange weder erwachende Energie noch organisierte Materie vorhanden sind und der Gravitation gehorchen. Gegenwart und Aktion der Gravitation sind es, die das Erreichen des theoretischen absoluten Nullpunktes verhindern, denn der Interstellarraum hat nie die Temperatur des absoluten Nullpunktes. Im ganzen organisierten Raum gibt es auf die Gravitation ansprechende Energieströme, Machtbahnen, ultimatonische Aktivitäten sowie sich organisierende elektronische Energien. Der Raum ist nicht leer, um es praktisch auszudrücken. Auch die Atmosphäre Urantias verdünnt sich immer mehr, bis sie auf etwa fünftausend Kilometer Höhe allmählich den in diesem Universumsabschnitt herrschenden mittleren Materiegehalt des Raums aufzuweisen beginnt. Die Raumzone Nebadons, welche der Leere am nächsten kommt, enthält in sechzehn Kubikzentimetern immer noch ungefähr hundert Ultimatonen - was einem Elektron entspricht. Bei derart dünn gesäter Materie kann praktisch von leerem Raum gesprochen werden. Die Temperatur - Wärme und Kälte - wird in den Reichen der Energie- und Materieentwicklung an Wichtigkeit nur von der Gravitation übertroffen. Die Ultimatonen reagieren gehorsamst auf die Temperaturextreme. Niedrige Temperaturen begünstigen bestimmte Formen elektronischer Konstruktion und atomaren Zusammenschlusses, während hohe Temperaturen alle Arten der atomaren Zerstörung und des Materiezerfalls erleichtern. Alle Materieverbindungen mit Ausnahme der primitivsten können zerstört werden, wenn sie der Hitze und dem Druck bestimmter im Sonneninneren herrschender Zustände ausgesetzt sind. So kann Wärme die auf Gravitation beruhende Stabilität großenteils besiegen. Aber keine bekannten Sonnentemperaturen oder -drücke können Ultimatonen in mächtige Energie zurückverwandeln. Die strahlenden Sonnen können Materie in zahlreiche Energieformen verwandeln, aber die dunk-len Welten und der ganze Äußere Raum können die elektronische und ultimatonische Aktivität bis an den Punkt verlangsamen, wo diese Energien sich in die Materie der Raumkörper umwandeln. Gewisse elektronische Verbindungen dichter Natur sowie viele der fundamentalen Verbindungen nuklearer Materie bilden sich unter den extrem tiefen Temperaturen des offenen Raums und erfahren später einen Zuwachs, indem sie sich mit größeren Portionen sich materialisierender Energie verbinden. Bei all dieser nimmer endenden Metamorphose von Energie und Materie müssen wir mit dem Einfluss des Gravitationsdruckes und dem antigravitationellen Verhalten der ultimatonischen Energien unter bestimmten Temperatur-, Geschwindigkeits-und Umlaufbedingungen rechnen. Auch Temperatur, Energieströmungen, Distanz und die Anwesenheit der lebendigen Kraftorganisatoren und Machtlenker beeinflussen die Umwandlungsphänomene von Energie und Materie. Die Zunahme der Masse in der Materie ist gleich der Zunahme der Energie dividiert durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. In einem dynamischen Sinne ist die Arbeit, die ruhende Materie leisten kann, gleich der Energie, die aufgewendet wurde, um ihre Teile vom Paradies her zusammenzufügen, abzüglich des Widerstandes der Kräfte, die unterwegs überwunden werden mussten, und der Anziehung, die die Materieteilchen gegenseitig aufeinander ausüben. Die Existenz vorelektronischer Materieformen wird anhand der beiden Atomgewichte des Bleis aufgezeigt. Das Blei ursprünglicher Bildung wiegt geringfügig schwerer als das beim Uraniumzerfall durch Radiumstrahlen entstandene; und dieser Unterschied im Atomgewicht stellt den tatsächlichen, durch das atomare Auseinanderfallen erlittenen Energieverlust dar. Die relative Unversehrtheit der Materie wird durch die Tatsache sichergestellt, dass Energie nur in jenen genauen Beträgen aufgenommen oder abgegeben werden kann, die urantianische Wissenschaftler als Quanten bezeichnet haben. Diese weise Vorsichtsmaßnahme dient dazu, den glatten Lauf der Dinge in den Universen aufrechtzuerhalten. Die bei jedem Lagewechsel eines Elektrons oder anderen Teilchens aufgenommene oder abgegebene Energiemenge ist immer ein "Quantum" oder ein Vielfaches davon, aber das vibratorische oder wellenmäßige Verhalten solcher Energieeinheiten wird gänzlich durch die Dimensionen der betreffenden materiellen Strukturen bestimmt. Die Ausschläge dieser sich wellenartig fortbewegenden Energie betragen das 860fache der Durchmesser der beteiligten Ultimatonen, Elektronen, Atome oder anderen Einheiten. Die nie endende Verwirrung, die mit der Beobachtung der Wellenmechanik des Quantenverhaltens einhergeht, wird durch die Überlagerung der Energiewellen verursacht: Zwei Wellenberge können zusammen einen Wellenberg doppelter Höhe bilden, während ein Wellenberg und ein Wellental sich bei ihrem Zusammenfallen gegenseitig auslöschen können. ***** 42.5 Manifestationen wellenartiger Energie ***** Im Superuniversum von Orvonton gibt es einhundert Oktaven von Wellenenergie. Von diesen hundert Gruppen der Energiemanifestation sind auf Urantia deren vierundsechzig ganz oder teilweise erkannt worden. Die Sonnenstrahlen nehmen auf der superuniversellen Skala vier Oktaven ein, wobei die sichtbaren Strahlen eine einzige Oktave umfassen, nämlich die Nummer sechsundvierzig der Serie. Als nächste kommt die ultraviolette Gruppe, während sich zehn Oktaven höher die Röntgenstrahlen befinden, gefolgt von den Gammastrahlen des Radiums. Zweiunddreißig Oktaven oberhalb des sichtbaren Sonnenlichts sind die Energiestrahlen des Äußeren Raums, die so oft mit den hohe Energie besitzenden winzigen Materieteilchen verwechselt werden, die mit ihnen verbunden sind. Gleich unterhalb des sichtbaren Sonnenlichts erscheinen die infraroten Strahlen, und dreißig Oktaven tiefer befindet sich die Gruppe der Radioübertragung. Wellenmäßige Energiemanifestationen - aus der Sichtweise wissenschaftlicher Erkenntnis des zwanzigsten Jahrhunderts auf Urantia - können in die folgenden zehn Gruppen eingeteilt werden: 1. Infraultimatonische Strahlen - die Rotationen der Ultimatonen, wenn diese die Grenze erreicht haben, wo sie beginnen, definitiv Form anzunehmen. Es ist dies das erste Stadium erwachender Energie, in dem wellenmäßige Phänomene festgestellt und gemessen werden können. 2. Ultimatonische Strahlen. Die Energieansammlung in den winzigen Sphären der Ultimatonen verursacht in deren Rauminhalt erkenn- und messbare Vibrationen. Und lange vor ihrer Entdeckung des Ultimatons werden die Physiker das Phänomen dieser auf Urantia herabregnenden Strahlen feststellen. Diese kurzen und mächtigen Strahlen stellen die anfängliche Aktivität der Ultimatonen während ihrer Verlangsamung bis zu jener Grenze dar, wo sie in die elektronische Organisation der Masse überspringen. Wenn die Ultimatonen sich zu Elektronen zusammenschließen, geschieht eine Verdichtung mit entsprechender Energiespeicherung. 3. Die kurzen Raumstrahlen. Das sind die kürzesten aller rein elektronischen Vibrationen, und sie stellen das voratomare Stadium dieser Materieform dar. Diese Strahlen benötigen zu ihrer Erzeugung außerordentlich hohe oder tiefe Temperaturen. Es gibt zwei Arten solcher Raumstrahlen: die eine begleitet die Geburt der Atome, während die andere atomare Zertrümmerung anzeigt. Sie entstammen in größten Mengen der dichtesten Ebene des Superuniversums, der Milchstraße, die auch die dichteste Ebene der äußeren Universen ist. 4. Das elektronische Stadium. Dieses Energiestadium ist die Basis aller Materialisierung in den sieben Superuniversen. Wenn die Elektronen von einer höheren auf eine tiefere Energieebene ihrer Umlaufbewegung übergehen, geben sie Quanten ab. Der Wechsel der Elektronen von einem Kreis auf einen anderen geht mit der Ausstoßung oder Aufnahme sehr bestimmter, gleichförmiger, messbarer Partikel von Lichtenergie einher, während ein einzelnes Elektron bei einem Zusammenstoß immer eine Partikel von Lichtenergie abgibt. Wellenmäßige Energieerscheinungen begleiten auch die Leistungen der positiven Kerne und der anderen Mitglieder des elektronischen Stadiums. 5. Gammastrahlen - jene Auswirkungen, die charakteristisch sind für den spontanen Zerfall atomarer Materie. Die beste Illustration dieser Form elektronischer Aktivität liefert das Phänomen, das mit dem Zerfall des Radiums einhergeht. 6. Die Röntgenstrahlengruppe. Der nächste Schritt in der Verlangsamung des Elektrons ergibt die verschiedenen Formen solarer Röntgenstrahlen sowie die künstlich erzeugten Röntgenstrahlen. Die elektronische Ladung erzeugt ein elektrisches Feld; die Bewegung lässt einen elektrischen Strom entstehen; und der Strom erzeugt ein magnetisches Feld. Wenn ein Elektron plötzlich angehalten wird, erzeugt die dabei eintretende elektromagnetische Erschütterung den Röntgenstrahl; der Röntgenstrahl ist diese Störung. Die solaren Röntgenstrahlen sind identisch mit jenen, die zur Erforschung des Inneren des menschlichen Körpers mechanisch erzeugt werden, außer dass sie um eine Spur länger sind. 7. Die ultravioletten oder chemischen Strahlen des Sonnenlichts und ihre vielerlei mechanischen Erzeugungen. 8. Das weiße Licht - das ganze sichtbare Licht der Sonnen. 9. Infrarotstrahlen - die Verlangsamung der elektronischen Aktivität noch näher an den Punkt spürbarer Wärme heran. 10. Hertzsche Wellen - die auf Urantia im Fernmeldewesen verwendeten Energien. Von all diesen zehn Phasen wellenartiger energetischer Aktivität vermag das menschliche Auge gerade nur auf eine Oktave zu reagieren, auf die Gesamtheit des gewöhnlichen Sonnenlichts. Der so genannte Äther ist nur ein Sammelname zur Bezeichnung einer Gruppe von Kraft- und Energieaktivitäten, die sich im Raum ereignen. Ultimatonen, Elektronen und andere Energieballungen sind gleichförmige Materiepartikel, die den Raum wirklich in gerader Linie durcheilen. Licht und alle anderen Formen erkennbarer Energiemanifestationen bestehen aus einer Abfolge bestimmter Energiepartikel, deren Bahn geradlinig verläuft, außer sie werden durch Gravitation und andere dazwischentretende Kräfte abgelenkt. Dass diese Prozessionen von Energiepartikeln als Wellenphänomene erscheinen, wenn man sie bestimmten Beobachtungsarten unterwirft, ist auf den Widerstand des undifferenzierten Kraftkissens des ganzen Raums, des hypothetischen Äthers, zurückzuführen, ebenso wie auf die Gravitationsspannung, die zwischen den beteiligten Materieballungen besteht. Die Raumintervalle zwischen den Materieteilchen zusammen mit der initialen Geschwindigkeit der Energiestrahlen bewirken das wellenförmige Erscheinungsbild vieler Formen der Energie-Materie. Die Erregung des Rauminhalts bewirkt eine wellenartige Reaktion auf den Durchgang sich schnell fortbewegender Materiepartikel, gerade wie die Vorüberfahrt eines Schiffes im Wasser Wellen verschiedener Höhe und verschiedenen Abstandes wirft. Das Verhalten der Urkraft lässt Phänomene entstehen, die in mancher Hinsicht mit dem von euch angenommenen Äther übereinstimmen. Der Raum ist nicht leer; die im Allraum herumwirbelnden Sphären schwimmen durch einen gewaltigen Ozean ausgeschütteter Kraft-Energie; aber auch der Rauminhalt eines Atoms ist nicht leer. Trotzdem gibt es keinen Äther, und gerade die Abwesenheit dieses hypothetischen Äthers befähigt die bewohnten Planeten, einen Sturz in die Sonne zu vermeiden, und die kreisenden Elektronen, einem Fall in den Kern zu widerstehen. ***** 42.6 Ultimatonen, Elektronen und Atome ***** Während die Raumladung der universalen Kraft homogen und undifferenziert ist, bringt die Organisierung der entwickelten Energie zu Materie eine Konzentration der Energie in getrennte Massen von bestimmter Dimension und festem Gewicht mit sich - eine genaue Gravitationsreaktion. Die lokale oder lineare Gravitation wird mit dem Auftreten der atomaren Organisation der Materie voll wirksam. Voratomare Materie beginnt schwach auf die Gravitation anzusprechen, wenn sie durch Röntgenstrahlen oder andere ähnliche Energien aktiviert wird, aber die lineare Gravitation übt auf freie, ungebundene und ungeladene elektronische Energiepartikel oder auf Ultimatonen ohne Bindung keine messbare Anziehung aus. Die Ultimatonen funktionieren durch gegenseitige Anziehung und sprechen nur auf die zirkuläre Gravitation des Paradieses an. Das hält sie ohne Reaktion auf die lineare Gravitation in der universellen Strömung des Raums. Die Ultimatonen sind fähig, ihre Drehgeschwindigkeit so sehr zu steigern, dass sie ein teilweise antigravitationelles Verhalten annehmen, aber ohne die Mitwirkung von Kraftorganisatoren und Machtlenkern schaffen sie es nicht, die kritische Geschwindigkeit des Ausreißens in die Entindividualisierung, die Rückkehr zum Zustand der mächtigen Energie, zu erreichen. In der Natur entrinnen die Ultimatonen dem Status der physischen Existenz allein dann, wenn sie an der endgültigen Sprengung einer ausgekühlten und sterbenden Sonne teilhaben. Die auf Urantia unbekannten Ultimatonen verlangsamen ihre Geschwindigkeit während des Durchlaufens vieler Phasen physischer Aktivität, bevor sie hinsichtlich ihrer Drehenergie die Vorbedingungen zur elektronischen Organisation erfüllen. Die Ultimatonen besitzen dreierlei Bewegungsarten: ihre wechselseitige Widerstandskraft gegenüber der kosmischen Kraft, ihre individuellen Rotationen mit Antigravitationspotential und die innerelektronischen Stellungen der einhundert untereinander in gegenseitiger Beziehung stehenden Ultimatonen. Gegenseitige Anziehung hält einhundert Ultimatonen in der Struktur des Elektrons zusammen; und in einem typischen Elektron gibt es nie mehr oder weniger als einhundert Ultimatonen. Der Verlust eines oder mehrerer Ultimatonen zerstört die typische elektronische Identität und ruft eine der zehn modifizierten Formen des Elektrons ins Dasein. Innerhalb der Elektronen beschreiben die Ultimatonen keine Kreisbahnen, noch wirbeln sie hintereinander her, aber sie entfernen sich voneinander oder ballen sich zusammen je nach ihren axialen Rotationsgeschwindigkeiten und bestimmen dadurch die verschiedenen Dimensionen der Elektronen. Dieselbe ultimatonische axiale Rotationsgeschwindigkeit bestimmt ebenfalls die negativen oder positiven Reaktionen der verschiedenen Typen elektronischer Einheiten. Alle Trennung und aller Zusammenschluss der elektronischen Materie sowie die elektrische Differenzierung in negative und positive Körper der Energie-Materie ergeben sich aus diesen verschiedenen Funktionen der miteinander verbundenen ultimatonischen Bausteine. Jedes Atom hat einen Durchmesser von etwas mehr als einem Viermillionstel-Millimeter, während das Gewicht eines Elektrons etwas mehr als ein Zweitausendstel des kleinsten Atoms, des Wasserstoffatoms, beträgt. Das positive Proton, das den Atomkern charakterisiert, wiegt fast zweitausendmal schwerer als ein negatives Elektron, obwohl es unter Umständen nicht größer ist als dieses. Wenn man die Masse der Materie so anwachsen lassen könnte, dass ein Elektron etwa drei Gramm wiegen würde, und man die Dimensionen entsprechend vergrösserte, würde das Volumen eines solchen Elektrons dasjenige der Erde erreichen. Wenn man das Volumen eines Protons - das achtzehnhundertmal schwerer ist als ein Elektron - bis auf Stecknadelkopfgröße anschwellen ließe, erhielte ein Stecknadelkopf im Vergleich einen Durchmesser, der demjenigen der Umlaufbahn der Erde um die Sonne entspräche. ***** 42.7 Atomare Materie ***** Die Bildung aller Materie geschieht nach Art des Sonnensystems. Im Zentrum jedes winzigen Energieuniversums befindet sich eine relativ stabile, vergleichsweise stationäre Kernportion materieller Existenz. Diese zentrale Einheit ist mit einer dreifachen Manifestationsmöglichkeit begabt. Um dieses Energiezentrum herum wirbeln in endloser Fülle, aber auf fluktuierenden Bahnen, die Energieeinheiten, die man entfernt mit den Planeten vergleichen kann, die die Sonne irgendeiner stellaren Gruppe wie derjenigen eures eigenen Sonnensystems umringen. Innerhalb des Atoms steht den Elektronen zur Umkreisung des zentralen Protons vergleichsweise ungefähr derselbe Raum zur Verfügung wie den Planeten zur Umkreisung der Sonne im Raum des Sonnensystems. Wenn man die tatsächlichen Größen vergleicht, stellt man zwischen dem Atomkern und der innersten elektronischen Kreisbahn den gleichen relativen Abstand fest wie zwischen eurer Sonne und Merkur, dem innersten Planeten. Die axialen Rotationen der Elektronen und ihre Umlaufgeschwindigkeiten um den Atomkern übersteigen beide menschliches Vorstellungsvermögen, ganz zu schweigen von den Geschwindigkeiten der sie bildenden Ultimatonen. Die positiven Radiumpartikel entfliegen mit einer Geschwindigkeit von sechzehntausend Kilometern pro Stunde in den Raum, während die negativen Teilchen nahezu Lichtgeschwindigkeit erreichen. Die Lokaluniversen haben eine dezimale Struktur. Es gibt in einem dualen Universum genau einhundert unterscheidbare atomare Materialisierungen der Raumenergie; das ist die höchstmögliche Organisation der Materie in Nebadon. Diese einhundert Materieformen bilden eine regelmäßige Serie, in der sich von einem bis zu einhundert Elektronen um einen zentralen und relativ kompakten Kern drehen. Es ist diese geordnete und verlässliche Verbindung von verschiedenen Energien, welche die Materie bildet. Nicht auf jeder Welt wird man an der Oberfläche hundert erkennbare Elemente finden, aber irgendwo sind sie anwesend, waren anwesend oder stehen in einem Evolutionsprozess. Die den Ursprung und die spätere Entwicklung eines Planeten begleitenden Bedingungen entscheiden darüber, wie viele von den hundert atomaren Typen man wird beobachten können. An der Oberfläche vieler Welten findet man die schwereren Atome nicht. Auch auf Urantia haben die schwereren bekannten Elemente die Tendenz auseinander zu brechen, wie es am Verhalten des Radiums veranschaulicht wird. Die Stabilität eines Atoms hängt von der Zahl der elektrisch inaktiven Neutronen im Zentralkörper ab. Das chemische Verhalten beruht einzig auf der Aktivität der frei kreisenden Elektronen. Es ist in Orvonton nie möglich gewesen, in einem einzigen atomaren System auf natürliche Weise mehr als einhundert kreisende Elektronen zu versammeln. Jedes Mal, wenn künstlich hundertundeines in das Orbitalfeld eingeführt wurde, war das Ergebnis die beinahe augenblickliche Sprengung des zentralen Protons unter wildem Zerstieben der Elektronen und anderer befreiter Energien. Obwohl die Atome von einem bis hundert umlaufende Elektronen enthalten können, umkreisen nur die äußersten zehn Elektronen der größeren Atome den zentralen Kern als deutlich unterschiedene, getrennte Körper und laufen unversehrt und kompakt auf eindeutigen, genau bestimmten Bahnen. Es ist schwierig, die dreißig in nächster Nähe des Zentrums kreisenden Elektronen als getrennte und organisierte Körper wahrzunehmen und zu beobachten. Derselbe Verteilungsschlüssel elektronischen Verhaltens bezüglich der Kernnähe gilt für alle Atome, wie groß auch immer die Zahl der in ihnen vorhandenen Elektronen sein mag. Je mehr man sich dem Kern nähert, umso weniger elektronische Individualität gibt es. Das wellenartige energetische Ausgreifen eines Elektrons kann sich über die Gesamtheit der engeren atomaren Umlaufbahnen erstrecken; das trifft insbesondere auf die dem Kern zunächst liegenden Elektronen zu. Die dreißig zuinnerst kreisenden Elektronen besitzen Individualität, aber ihre Energiesysteme haben die Tendenz, sich miteinander zu vermengen durch Übergreifen von Elektron auf Elektron und beinah von Orbitalbahn auf Orbitalbahn. Die nächsten dreißig Elektronen bilden die zweite Familie oder Energiezone und besitzen zunehmende Individualität. Es sind Materiekörper, die über die ihnen beigegebenen Energiesysteme eine vollständigere Kontrolle ausüben. Die nächsten dreißig Elektronen, die dritte Energiezone, sind noch individualisierter und kreisen auf deutlicheren und bestimmteren Bahnen. Die letzten zehn Elektronen, die nur in den zehn schwersten Elementen anwesend sind, sind mit der Würde der Unabhängigkeit ausgestattet und deshalb fähig, der Kontrolle des Mutterkerns mehr oder weniger frei zu entgehen. Schon bei geringsten Temperatur- und Druckschwankungen entziehen sich die Mitglieder dieser vierten, äußersten Elektronengruppe dem Griff des zentralen Kerns, wie es der spontane Zerfall des Uraniums und verwandter Elemente veranschaulicht. Die ersten siebenundzwanzig Atome, die ein bis siebenundzwanzig umlaufende Elektronen besitzen, sind leichter verständlich als die übrigen. Von achtundzwanzig an aufwärts begegnen wir immer mehr der Unvorhersehbarkeit der vermuteten Gegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten. Aber ein Teil dieser elektronischen Unberechenbarkeit ist auf die verschiedenen axialen Rotationsgeschwindigkeiten der Ultimatonen und ihrer unerklärten Neigung, sich zusammenzuklumpen, zurückzuführen. Auch andere Einflüsse - physische, elektrische, magnetische und gravitationelle - bewirken wechselndes elektronisches Verhalten. Deshalb kann man, was die Vorhersage betrifft, die Atome mit Personen vergleichen. Statistiker können Gesetze verkünden, die wohl für eine große Zahl von Atomen oder Personen Gültigkeit haben, nicht aber für ein Einzelatom oder eine Einzelperson. ***** 42.8 Atomare Kohäsion ***** Während die Gravitation einer von mehreren Faktoren ist, die ein winziges atomares Energiesystem zusammenhalten, ist in diesen grundlegenden physischen Einheiten und um sie herum auch eine mächtige, unbekannte Energie anwesend. Sie ist das Geheimnis ihrer fundamentalen Anlage und ihres ultimen Verhaltens und eine Kraft, die es auf Urantia erst noch zu entdecken gilt. Dieser universelle Einfluss durchdringt den ganzen in dieser winzigen energetischen Organisation enthaltenen Raum. Der zwischen den Elektronen eines Atoms liegende Raum ist nicht leer. Dieser ganze zwischenelektronische Raum eines Atoms wird durch wellenartige Phänomene aktiviert, die vollkommen mit der elektronischen Geschwindigkeit und den ultimatonischen Rotationen synchronisiert sind. Diese Kraft untersteht euren anerkannten Gesetzen positiver und negativer Anziehung nicht völlig; ihr Verhalten ist daher manchmal unvorhersehbar. Dieser namenlose Einfluss scheint eine Raum-Kraft-Reaktion des Eigenschaftslosen Absoluten zu sein. Die geladenen Protonen und die ungeladenen Neutronen des Atomkerns werden durch das eine Wechselwirkung ausübende Mesotron zusammengehalten, eine Materiepartikel, die 180 mal so schwer wie das Elektron ist. Ohne diese Vorkehrung würde die von den Protonen getragene elektrische Ladung den Atomkern sprengen. So wie die Atome gebaut sind, könnten weder elektrische noch gravitationelle Kräfte den Kern zusammenhalten. Die Unversehrtheit des Kerns wird durch die wechselseitig den Zusammenhalt sichernde Funktion des Mesotrons aufrechterhalten, das imstande ist, geladene und ungeladene Partikel aneinander zu binden dank seiner größeren Kraft-Masse-Macht und einer weiteren Eigenschaft, die darin besteht, Protonen und Neutronen zu einem ständigen Platzwechsel zu zwingen. Das Mesotron bewirkt, dass die elektrische Ladung der Nuklearteilchen fortfahrend zwischen Protonen und Neutronen hin- und hergeworfen wird. Während eines unendlich kleinen Sekundenbruchteils ist ein gegebenes Nuklearteilchen ein geladenens Proton und während des nächsten ein ungeladenes Neutron. Und diese Wechsel des Energiestatus sind so unglaublich rasch, dass die elektrische Ladung überhaupt keine Gelegenheit findet, eine sprengende Wirkung auszuüben. So funktioniert das Mesotron als ein "Energiebeförderungs"-Teilchen, das mächtig zur Stabilität des Atomkerns beiträgt. Gegenwart und Funktion des Mesotrons erklären auch noch ein anderes atomares Rätsel: Wenn Atome radioaktiv sind, strahlen sie viel mehr Energie ab, als man erwarten würde. Diese überschüssige Strahlung stammt aus dem Zerfall des "Energiebeförderungs"-Mesotrons, aus dem nun ein gewöhnliches Elektron wird. Die mesotronische Auflösung ist auch von einer Aussendung gewisser kleiner ungeladener Partikel begleitet. Das Mesotron erklärt gewisse kohäsive Eigenschaften des Atomkerns, aber es ist weder für die Kohäsion von Proton zu Proton noch für die Adhäsion von Neutron zu Neutron verantwortlich. Die paradoxe, mächtige Kraft, die den Zusammenhalt und die Unversehrtheit der Atome gewährleistet, ist eine auf Urantia noch unentdeckte Form von Energie. Die Mesotronen finden sich in Fülle in den Strahlen des Raums, die so unablässig auf euren Planeten niedergehen. ***** 42.9 Naturphilosophie ***** Nicht allein die Religion ist dogmatisch; auch die Naturphilosophie hat dogmatische Neigungen. Als ein bekannter religiöser Lehrer aus der Tatsache, dass der menschliche Kopf sieben Öffnungen besitzt, den Schluss zog, die Zahl sieben sei in der Natur grundlegend, hätte er sich zur Verfechtung seines Glaubens auf ein wahres Phänomen der physischen Natur berufen können, wenn er mehr über Chemie gewusst hätte. Trotz der universalen Manifestation der dezimalen Konstitution der Energie ist in allen physischen Universen von Zeit und Raum die stets gegenwärtige Erinnerung an die Realität der auf der Sieben beruhenden elektronischen Organisation der Vormaterie vorhanden. Die Zahl sieben ist fundamental im Zentraluniversum und im geistigen System der inhärenten Charakterübertragungen, aber die Zahl zehn ist der Energie, der Materie und der materiellen Schöpfung eingeboren. Und trotzdem charakterisiert sich die atomare Welt durch eine gewisse Periodizität, durch wiederkehrende Siebnergruppen - ein Muttermal dieser materiellen Welt, das ihren weit zurückliegenden geistigen Ursprung verrät. Dieses Fortdauern der auf der Sieben beruhenden schöpferischen Anlage erscheint im chemischen Bereich - als eine Wiederholung entsprechender physischer und chemischer Eigenschaften - in getrennten Siebnerperioden, wenn man die Basiselemente in der Reihenfolge ihrer Atomgewichte aufstellt. Bringt man die chemischen Elemente Urantias in eine solche Reihe, dann hat jede gegebene Eigenschaft die Tendenz, im Siebnerrhythmus wiederzukehren. Dieser periodische Wechsel in Siebnergruppen geht, sich abschwächend und mit Variationen, durch die ganze chemische Tabelle hindurch weiter, wobei er bei den anfänglichen, leichteren Atomgruppen am ausgeprägtesten in Erscheinung tritt. Wenn man von irgendeinem Element ausgeht und eine bestimmte seiner Eigenschaften festhält, wird sich diese Eigenschaft bei den sechs folgenden Elementen jeweils ändern, aber beim achten neigt sie dazu, sich wiederum bemerkbar zu machen. Das besagt, dass das achte chemisch aktive Element dem ersten gleicht, das neunte dem zweiten und so fort. Ein solches Faktum der physischen Welt deutet unmissverständlich auf die siebenfache Anlage der Ahnenenergie hin und lässt die grundlegende Realität der siebenfachen Andersartigkeit der Schöpfungen von Zeit und Raum durchblicken. Der Mensch sollte sich auch daran erinnern, dass es im natürlichen Spektrum sieben Farben gibt. Aber nicht alle Annahmen der Naturphilosophie sind gültig wie zum Beispiel der hypothetische Äther, der einen erfinderischen Versuch des Menschen darstellt, eine Einheit in seine Unkenntnis der Raumphänomene zu bringen. Die Philosophie des Universums kann nicht auf die Beobachtungen der so genannten Wissenschaft gegründet werden. Ein Wissenschaftler würde dazu neigen, die Möglichkeit zu verneinen, dass sich ein Schmetterling aus einer Raupe entwickeln kann, wenn er eine solche Metamorphose nicht beobachten könnte. Physische Stabilität verbunden mit biologischer Elastizität ist in der Natur nur deshalb vorhanden, weil die Hauptarchitekten der Schöpfung eine nahezu unendliche Weisheit besitzen. Nichts Geringeres als transzendente Weisheit könnte je Materieeinheiten entwerfen, die zugleich so stabil und von so wirksamer Flexibilität sind. ***** 42.10 Universelle nichtgeistige Energiesysteme (System des materiellen Verstandes) ***** Der endlose Bereich relativer kosmischer Realität zwischen der Absolutheit der paradiesischen Monota und der Absolutheit der Raumpotenz lässt gewisse Entwicklungen in den Beziehungen der nichtgeistigen Realitäten des Ersten Zentralen Ursprungs annehmen - jener Realitäten, die in der Raumpotenz verborgen, in der Monota offenbart sind und auf kosmischen Zwischenebenen provisorisch in Erscheinung treten. Dieser ewige Energiekreislauf, der im Vater der Universen geschlossen ist, ist absolut und kann deswegen weder in Tatsachen noch in Werten zum Ausdruck kommen; nichtsdestoweniger verwirklicht der uranfängliche Vater sich selber gerade jetzt - wie immer - auf dem sich stets erweiternden Feld der Bedeutungen in Zeit und Raum und im transzendierten Zeit-Raum, einem Feld wechselnder Beziehungen, bei denen die Energie-Materie durch das erfahrungsmäßige Streben des lebendigen persönlichen Verstandes immer mehr der Lenkung durch den lebendigen und göttlichen Geist unterworfen wird. Die universellen nichtgeistigen Energien werden in den lebendigen Systemen der Nicht-Schöpfer-Intelligenzen miteinander auf verschiedenen Ebenen neu verbunden, von denen einige folgendermaßen beschrieben werden können: 1. Vor-Hilfsgeiste-Intellekte. Diese Ebene des Verstandes liegt außerhalb der Erfahrung, und er wird auf den bewohnten Welten durch die Physischen Hauptüberwacher gespendet. Das ist der mechanische Verstand, der nicht unterweisbare Intellekt der primitivsten Formen materiellen Lebens, aber der nicht unterweisbare Verstand funktioniert noch auf vielen anderen Ebenen als auf derjenigen des primitiven planetarischen Lebens. 2. Hilfsgeiste-Intellekte. Das ist das Amt eines lokaluniversellen Muttergeistes, der durch seine sieben mentalen Hilfsgeiste auf der unterweisbaren (nichtmechanischen) materiellen Verstandesebene funktioniert. Auf dieser Stufe macht der materielle Verstand Erfahrungen: als untermenschlicher (tierischer) Intellekt in den ersten fünf Hilfsgeisten; als menschlicher (sittlicher) Intellekt in den sieben Hilfsgeisten; als übermenschlicher (Mittler-) Intellekt in den beiden letzten Hilfsgeisten. 3. Sich entwickelnde morontielle Intellekte - das sich erweiternde Bewusstsein von sich entwickelnden Persönlichkeiten, die ihre aufsteigende Laufbahn im Lokaluniversum verfolgen. Das ist die Gabe des lokaluniversellen Muttergeistes in Verbindung mit dem Schöpfersohn. Diese Verstandesstufe bedeutet die gleichzeitige Organisation eines Lebensträgers des morontiellen Typs, einer Synthese des Materiellen mit dem Geistigen, die von den Morontiellen Machtüberwachern eines Lokaluniversums bewerkstelligt wird. Der morontielle Verstand reagiert in differenzierter Weise auf die 570 Ebenen morontiellen Lebens und zeigt auf den höheren Ebenen der Vollbringung eine zunehmende Fähigkeit zur Verbindung mit dem kosmischen Verstand. Das ist der evolutionäre Werdegang sterblicher Geschöpfe, aber daneben verleihen ein Universumssohn und ein Universumsgeist den nichtmorontiellen Kindern der lokalen Schöpfungen auch einen Verstand nichtmorontieller Art. Der kosmische Verstand. Das ist der siebenfach abgewandelte Verstand von Zeit und Raum, von dem jeder der Sieben Hauptgeiste je eine Variante an eines der sieben Superuniversen austeilt. Der kosmische Verstand umfasst alle endlichen Verstandesebenen und koordiniert sich in erfahrungsmäßiger Hinsicht mit den evolutionären Gottheitsebenen des Supremen Verstandes und in transzendenter Hinsicht mit den existentiellen Ebenen des absoluten Verstandes - den direkten Kreisläufen des Mit-Vollziehers. Im Paradies ist der Verstand absolut, in Havona absonit und in Orvonton endlich. Verstand bedeutet immer aktive Gegenwart lebendigen Wirkens zuzüglich verschiedener Energiesysteme, und das gilt für alle Verstandesstufen und - arten. Aber jenseits des kosmischen Verstandes wird es immer schwieriger, die Beziehungen zwischen Verstand und nichtgeistiger Energie darzustellen. Havonischer Verstand ist unterabsolut, aber überevolutionär; er ist existentiell-erfahrungsmäßig und kommt deshalb dem Absoniten näher als jedes andere euch enthüllte Konzept. Der Verstand des Paradieses übersteigt menschliches Begreifen; er ist existentiell, nichträumlich und nichtzeitlich. Nichtsdestoweniger werden all diese Verstandesebenen durch die universale Gegenwart des Mit-Vollziehers überschattet - gehorchen der Anziehung der Verstandesgravitation des Verstandesgottes im Paradies. ***** 42.11 Universumsmechanismen ***** Bei der Bewertung und Würdigung des Verstandes sollte man sich daran erinnern, dass das Universum weder mechanisch noch magisch ist; es ist eine Schöpfung des Verstandes und ein Gesetzen gehorchender Mechanismus. Aber obwohl es so aussieht, als wirkten die Naturgesetze bei ihrer praktischen Anwendung in den doppelten Bereichen des Physischen und des Geistigen, sind sie in Wirklichkeit eins. Der Erste Zentrale Ursprung ist die uranfängliche Ursache aller Materialisierung und zugleich der erste und finale Vater aller Geistwesen. Persönlich erscheint der Paradies-Vater in den außerhavonischen Universen nur als reine Energie und als reiner Geist - in den Gedankenjustierern und anderen ähnlichen Fragmentierungen. Die gesamte Schöpfung wird nicht gänzlich von Mechanismen beherrscht; das Universum der Universen in seiner Totalität ist vom Verstand geplant und vom Verstand erschaffen worden und wird vom Verstand verwaltet. Aber der göttliche Mechanismus des Universums der Universen ist viel zu vollkommen, als dass die wissenschaftlichen Methoden des endlichen menschlichen Verstandes darin auch nur eine Spur von der Beherrschung durch den unendlichen Verstand wahrnehmen könnten. Denn dieser erschaffende, überwachende und stützende Verstand ist weder materieller Verstand noch Geschöpfesverstand; es ist Geist-Verstand, der auf Schöpferebenen göttlicher Realität und von dort aus wirkt. Das Geschick, in den Universumsmechanismen Verstand wahrzunehmen und zu entdecken, hängt völlig vom Geschick, vom Horizont und von der Fähigkeit des forschenden Verstandes ab, der solche Beobachtungen anstellt. Der Verstand von Zeit und Raum, hervorgegangen aus den Energien von Zeit und Raum, ist den Mechanismen von Zeit und Raum unterworfen. Bewegung und universelle Gravitation sind Zwillingsaspekte des unpersönlichen Zeit-Raum-Mechanismus des Universums der Universen. Die Ebenen gravitationeller Antwort für Geist, Verstand und Materie sind ganz und gar zeitunabhängig, aber nur wahre Geistebenen der Realität sind vom Raum unabhängig (nichträumlich). Die höheren Verstandesebenen des Universums - die Ebenen vergeistigten Verstandes - können auch nichträumlich sein, aber die Ebenen des materiellen Verstandes wie z. B. des menschlichen sprechen auf die Wechselwirkungen der universellen Gravitation an und verlieren diese Reaktion nur nach Maßgabe der Identifikation mit dem Geiste. Ebenen geistiger Rea-lität nimmt man an ihrem geistigen Gehalt wahr, und Geistigkeit in Zeit und Raum verhält sich umgekehrt proportional zu der Ansprechbarkeit auf die lineare Gravitation. Die Reaktion auf die lineare Gravitation ist ein quantitatives Maß für nichtgeistige Energie. Alle Masse - organisierte Energie - unterliegt dieser Anziehung außer in dem Maße, wie Bewegung und Verstand auf sie einwirken. Die lineare Gravitation ist die kohäsive Kraft kurzer Reichweite des Makrokosmos in etwa so, wie die Kräfte der inneratomaren Kohäsion die Kräfte kurzer Reichweite des Mikrokosmos sind. Die physische materialisierte Energie, organisiert als so genannte Materie, kann den Raum nicht durchqueren, ohne eine Reaktion der linearen Gravitation hervorzurufen. Obwohl diese Reaktion der Gravitation sich zur Masse direkt proportional verhält, wird sie durch den dazwischenliegenden Raum derart modifiziert, dass das Schlussresultat nur eine grobe Annäherung darstellt, wenn man es als umgekehrt proportional zum Quadrat der Distanz rechnet. Der Raum besiegt schließlich die lineare Gravitation wegen der in ihm anwesenden antigravitationellen Einflüsse zahlreicher übermaterieller Kräfte, die auf eine Neutralisierung der Gravitationswirkung und aller durch sie hervorgerufenen Reaktionen hinarbeiten. Äußerst komplexe und hochautomatisch erscheinende kosmische Mechanismen neigen stets dazu, die Anwesenheit des ihnen innewohnenden erzeugenden oder schöpferischen Verstandes vor all jenen Intelligenzen zu verbergen, die sich weit unterhalb der Universumsebenen befinden, welche die Natur und das Vermögen des Mechanismus selber besitzen. Deshalb ist es unvermeidlich, dass die höheren Universumsmechanismen den niedrigeren Geschöpfesordnungen als verstandesleer erscheinen. Die einzig mögliche Umgehung eines solchen Schlusses wäre die Annahme, dass im erstaunlichen Phänomen eines sich offensichtlich selbst aufrechterhaltenden Universums Verstand vorhanden sein muss - aber das ist schon vielmehr eine philosophische als eine Angelegenheit wirklicher Erfahrung. Da Verstand das Universum koordiniert, existiert keine Starrheit von Mechanismen. Das Phänomen fortschreitender Evolution verbunden mit kosmischer Selbstaufrechterhaltung ist universal. Die evolutionäre Kapazität des Universums ist in ihrer unendlichen Spontaneität unerschöpflich. Ein Fortschreiten zu harmonischer Einheit, eine wachsende Erfahrungssynthese, die sich einer stets zunehmenden Komplexität des Beziehungsgeflechts überlagert, kann nur durch einen absichtsvollen und beherrschenden Verstand bewerkstelligt werden. Je höher der mit irgendeinem Universumsphänomen verbundene Universumsverstand steht, umso schwerer fällt es den niedrigeren Verstandestypen, ihn zu entdecken. Und da der Verstand des Universumsmechanismus schöpferischer Geist-Verstand (ja sogar das Denken des Unendlichen) ist, kann er von den Universumsintelligenzen tieferer Ebenen niemals entdeckt oder wahrgenommen werden, und am allerwenigsten vom niedrigsten Verstand von allen, dem menschlichen. Obwohl der sich entwickelnde tierische Verstand natürlicherweise auf der Suche nach Gott ist, besitzt er allein und aus sich heraus keine angeborene Gotteskenntnis. ***** 42.12 Urmuster und Gestalt - Herrschaft des Verstandes ***** Die Abwicklung von Mechanismen setzt die verborgene Anwesenheit und Herrschaft eines schöpferischen Verstandes voraus und ist ein Hinweis auf ihn. Die Fähigkeit des sterblichen Intellekts, automatische Mechanismen auszudenken, zu zeichnen und herzustellen, ist ein Beweis für die höheren, schöpferischen und planenden Qualitäten des menschlichen Verstandes als des beherrschenden Einflusses des Planeten. Der Verstand hat stets den Drang nach: 1. Erschaffung von materiellen Mechanismen. 2. Entdeckung von verborgenen Geheimnissen. 3. Erforschung von weit entfernten Situationen. 4. Formulierung von Gedankensystemen. 5. Erreichen von Weisheitszielen. 6. Eroberung von geistigen Ebenen. 7. Erfüllen göttlicher Bestimmungen - supremer, ultimer und absoluter. Verstand ist immer schöpferisch. Die Verstandesbegabung eines individuellen Tieres, Sterblichen, Morontianers, geistigen Aufsteigers oder Finalisten ist immer fähig, für die lebendige Geschöpfes-identität einen passenden und leistungsfähigen Körper bereitzustellen. Aber das Phänomen der Gegenwart einer Persönlichkeit - oder Urmuster einer Identität - als solches ist nicht eine Manifestation von Energie, weder physischer, mentaler noch geistiger. Die Gestalt einer Persönlichkeit ist der Urmuster aspekt eines Lebewesens; sie bedeutet eine bestimmte Zusammenstellung von Energien, und diese, ergänzt durch Leben und Bewegung, ist der Mechanismus der Geschöpfesexistenz. Auch Geistwesen besitzen eine Gestalt, und diese geistigen Formen (Urmuster) sind real. Auch der höchste Typ geistiger Persönlichkeiten besitzt eine Gestalt - eine Persönlichkeitsgegenwart, die in jeder Hinsicht einem sterblichen Körper auf Urantia vergleichbar ist. Nahezu alle Wesen, denen man in den sieben Superuniversen begegnet, besitzen eine Gestalt. Aber es gibt einige wenige Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel: Die Gedankenjustierer sind offenbar ohne Gestalt, solange ihre Fusion mit den fortlebenden Seelen ihrer sterblichen Gefährten nicht stattgefunden hat. Einsame Botschafter, Inspirierte Geiste der Trinität, Persönliche Helfer des Unendlichen Geistes, Gravitationsbotschafter, Transzendente Chronisten und gewisse andere haben ebenfalls keine erkennbaren Gestalten. Aber sie sind die wenigen typischen Ausnahmefälle; die große Mehrheit hat echte Persönlichkeitsformen, Gestalten, die individuell charakterisiert, erkennbar und persönlich unterscheidbar sind. Aus der Verbindung des kosmischen Verstandes mit dem Dienst der mentalen Hilfsgeiste geht ein angemessenes physisches Gehäuse für das sich entwickelnde menschliche Wesen hervor. In gleicher Weise individualisiert der morontielle Verstand für jeden fortlebenden Sterblichen eine morontielle Gestalt. So wie der sterbliche Körper jedes menschliche Wesen persönlich charakterisiert, charakterisiert auch die morontielle Gestalt den sie beherrschenden schöpferischen Verstand auf hochpersönliche und passende Weise. Ebenso wenig wie zwei menschliche Körper sehen sich je zwei morontielle Gestalten gleich. Die Morontiellen Machtüberwacher bürgen für das undifferenzierte morontielle Material, die beteiligten Seraphim stellen es bereit, und das morontielle Leben kann damit zu arbeiten beginnen. Und die auf das morontielle Leben folgenden geistigen Formen werden sich als ebenso verschieden, persönlich und für ihre jeweiligen mit Geist-Verstand begabten Bewohner bezeichnend erweisen. Auf einer materiellen Welt denkt ihr an einen Körper als im Besitze eines Geistes, aber wir betrachten den Geist als im Besitze eines Körpers. Die materiellen Augen sind in Wahrheit die Fenster der geistgeborenen Seele. Der Geist ist der Architekt, der Verstand ist der Baumeister, und der Körper ist das materielle Gebäude. Die physischen, geistigen und mentalen Energien als solche in ihrem reinen Zustand stehen als Wirklichkeiten der phänomenalen Universen untereinander nicht in voller Wechselwirkung. Im Paradies sind die drei Energien koordiniert, in Havona werden sie koordiniert, während man auf den Universumsebenen endlicher Aktivitäten jeder Art von materieller, mentaler und geistiger Vorherrschaft begegnen wird. In nichtpersönlichen Gegebenheiten von Zeit und Raum scheint die physische Energie vorherrschend zu sein, aber es ist auch offenkundig, dass je mehr sich die Geist-Verstand-Funktion göttlichen Zielen und supremer Handlungsweise nähert, die geistige Phase umso beherrschender wird und der Geist-Verstand auf der ultimen Ebene fast gänzlich beherrschend werden kann. Auf der absoluten Ebene ist der Geist mit Sicherheit beherrschend. Und von hier aus, hinaus in die Reiche von Zeit und Raum, wo immer eine göttliche Geistrealität anwesend ist und wann immer ein realer Geist-Verstand funktioniert, besteht stets die Tendenz, dass ein materielles oder physisches Gegenstück zu dieser Geistrealität hervorgerufen wird. Der Geist ist die schöpferische Realität, während ihr physisches Gegenstück die Widerspiegelung der geistigen Realität in Zeit und Raum ist, die physische Auswirkung der schöpferischen Aktion des Geist-Verstandes. Der Verstand beherrscht die Materie universell, so wie er seinerseits der ultimen höchsten Kontrolle des Geistes gehorcht. Und bei den sterblichen Menschen kann nur ein Verstand, der sich freiwillig der Führung des Geistes unterwirft, darauf hoffen, nach der sterblichen Existenz in Zeit und Raum weiterzuleben als ein unsterbliches Kind der ewigen Geistwelt des Supremen, des Ultimen und des Absoluten: des Unendlichen. [Auf Verlangen Gabriels dargeboten von einem in Nebadon diensttuenden Mächtigen Botschafter.] ****** Kapitel 43 Die Konstellationen ****** VON Urantia spricht man gewöhnlich als von der 606 Satanias in Norlatiadek in Nebadon und meint damit die sechshundertsechste bewohnte Welt im Lokalsystem von Satania, das in der Konstellation von Norlatiadek, einer der hundert Konstellationen des Lokaluniversums von Nebadon, liegt. Die Konstellationen sind die primären Einteilungen eines Lokaluniversums, und ihre Herrscher binden die Lokalsysteme bewohnter Welten an die zentrale Verwaltung des Lokaluniversums auf Salvington und über die Reflexivität an die übergeordnete Verwaltung der Ältesten der Tage auf Uversa. Die Regierung eurer Konstellation befindet sich in einer Ansammlung von 771 architektonischen Sphären, deren zentralste und größte Edentia ist, der Verwaltungssitz der Väter der Konstellation, der Allerhöchsten von Norlatiadek. Edentia selber ist etwa hundertmal so groß wie eure Welt. Die siebzig Edentia umringenden Hauptsphären haben etwa die zehnfache Größe Urantias, während die zehn Satelliten, die jede dieser siebzig Welten umkreisen, ungefähr Urantias Größe besitzen. In ihrer Größe stimmen diese 771 architektonischen Sphären so ziemlich mit denjenigen anderer Konstellationen überein. Zeitrechnung und Distanzmessung Edentias sind diejenigen von Salvington, und gleich den Sphären der Universumskapitale sind auch die Hauptsitzwelten der Konstellationen wohlversehen mit allen Ordnungen himmlischer Intelligenzen. Im Allgemeinen sind diese Persönlichkeiten nicht sehr verschieden von den im Zusammenhang mit der Universumsadministration beschriebenen. Die Überwacher-Seraphim, die dritte Ordnung der Lokaluniversums-Engel, sind dem Dienst der Konstellationen zugeteilt. Sie haben ihr Hauptquartier auf den Hauptsitzsphären und dienen in umfassender Weise auf den diese umkreisenden morontiellen Schulungswelten. Die siebzig Hauptsphären Norlatiadeks und ihre siebenhundert kleineren Satelliten werden von den Univitatia, den Dauerbürgern der Konstellation, bewohnt. Die Verwaltung all dieser architektonischen Welten liegt ganz in der Hand der verschiedenen Gruppen einheimischen Lebens, die euch zum größeren Teil nicht offenbart sind, in deren Reihen sich aber die wirksamen Spironga und die schönen Spornagia befinden. Wie ihr vermuten könnt, ist das morontielle Leben der Konstellatio-nen, da es im Mittelpunkt der ganzen morontiellen Schulung steht, zugleich typisch und ideal. ***** 43.1 Die Hauptsitzwelten der Konstellationen ***** Auf Edentia gibt es bezaubernde Hochländer, weitgedehnte Anhöhen aus physischer Materie, die von morontiellem Leben gekrönt und von geistiger Herrlichkeit übersprüht werden, aber es finden sich hier keine zerklüfteten Gebirgsketten wie auf Urantia. Es gibt Zehntausende von funkelnden Seen und Tausende und Abertausende von Flüssen, die jene untereinander verbinden, aber weder große Ozeane noch reißende Ströme. Nur auf den Hochländern findet man keine derartigen oberflächlichen Wasserläufe. Das Wasser Edentias und vergleichbarer architektonischer Sphären unterscheidet sich nicht vom Wasser der evolutionären Planeten. Die Wassersysteme solcher Sphären sind zugleich oberflächlich und unterirdisch, und die Feuchtigkeit ist in ständiger Zirkulation. Man kann ganz Edentia auf diesen Wasserstraßen umschiffen, obwohl der hauptsächliche Transportkanal die Atmosphäre ist. Geistwesen reisen mit ihren natürlichen Mitteln über der Kugeloberfläche, während morontielle und materielle Wesen zur Durchquerung der Atmosphäre zu materiellen und halbmateriellen Fortbewegungsmitteln greifen. Edentia und seine Mitwelten besitzen eine richtige Atmosphäre, die übliche, für solche architektonische Schöpfungen charakteristische Mischung aus drei Gasen, welche aus den beiden Elementen der Atmosphäre Urantias zuzüglich des morontiellen Gases besteht, das die Atmung der morontiellen Geschöpfe erlaubt. Aber obwohl diese Atmosphäre zugleich materiell und morontiell ist, kennt sie weder Stürme noch Orkane, und es gibt weder Sommer noch Winter. Diese Abwesenheit atmosphärischer Störungen und jahreszeitlich bedingter Unterschiede ermöglicht es, das Freie dieser eigens erschaffenen Welten zu schmücken. Edentias Hochlande sind von herrlicher physischer Beschaffenheit, und ihre Schönheit wird noch erhöht durch die verschwenderische Üppigkeit des Lebens, das sich nach allen Seiten hin in Fülle ausbreitet. Mit Ausnahme einiger weniger, eher vereinzelter Gebäude weisen diese Hochlande keine Werke von Geschöpfeshand auf. Materieller und morontieller Schmuck beschränkt sich auf die Wohngebiete. Die geringeren Erhebungen tragen besondere Residenzen, die durch biologische und morontielle Kunst wundervoll zur Geltung gebracht werden. Auf dem Gipfel der siebenten Hochlandkette befinden sich die Auferstehungshallen Edentias, in denen die aufsteigenden Sterblichen der sekundären modifizierten Aufstiegsordnung aufwachen. Diese Kammern der Geschöpfes-Neuzusammenfügung unterstehen der Aufsicht der Melchisedeks. Die erste der Empfangssphären Edentias besitzt (wie der Melchisedek-Planet bei Salvington) ebenfalls besondere Auferstehungshallen, wo die Sterblichen der modifizierten Aufstiegsordnungen neu zusammengefügt werden. Die Melchisedeks führen auf Edentia auch zwei besondere Lehranstalten. Die eine, Notschule genannte, widmet sich dem Studium der Probleme, die aus der Rebellion Satanias erwachsen. Die andere, die Schule der Selbsthingabe, arbeitet an der Bewältigung der neuen Probleme, die sich aus der Tatsache ergeben, dass Michaels letzte Selbsthingabe auf einer der Welten Norlatiadeks stattfand. Diese zweite Schule wurde vor fast vierzigtausend Jahren gegründet, unverzüglich nach der Ankündigung Michaels, Urantia sei zur Welt für seine letzte Selbsthingabe auserkoren worden. Das Glasmeer, das Empfangsareal Edentias, befindet sich nahe beim Verwaltungszentrum und wird vom Amphitheater der Hauptwelt eingefasst. Rund um diese Zone herum gruppieren sich die Regierungszentren für die siebzig Abteilungen der Konstellationsangelegenheiten. Die eine Hälfte Edentias ist in siebzig dreieckige Sektionen aufgeteilt, deren Grenzen gegen die Gebäude der Regierungssitze der jeweiligen Sektoren hin konvergieren. Der Rest der Sphäre ist ein einziger riesiger natürlicher Park, die Gärten Gottes. Obwohl euch der ganze Planet zur Besichtigung offen steht, werdet ihr während eurer periodischen Besuche auf Edentia die meiste Zeit in jenem Verwaltungsdreieck zubringen, dessen Nummer derjenigen der jeweiligen Welt eures Aufenthaltes entspricht. Ihr werdet in den gesetzgebenden Versammlungen als Beobachter stets willkommen sein. Das morontielle Areal, das den auf Edentia residierenden aufsteigenden Sterblichen vorbehalten ist, liegt in der mittleren Zone des fünfunddreißigsten Dreiecks und grenzt an das im sechsunddreißigsten Dreieck gelegene Hauptquartier der Finalisten. Das allgemeine Hauptquartier der Univitatia beansprucht ein gewaltiges Gebiet in der Mittelregion des vierunddreißigsten Dreiecks und stößt unmittelbar an das Wohngebiet für die morontiellen Bürger an. Diesen Dispositionen kann entnommen werden, dass alles für die Unterbringung von mindestens siebzig Hauptabteilungen himmlischen Lebens vorgesehen ist, und ferner, dass jede der siebzig dreieckigen Zonen zu einer der siebzig Hauptsphären morontieller Schulung in Beziehung steht. Das Glasmeer Edentias ist ein einziger enormer kreisförmiger Kristall, dessen Umfang ungefähr hundertsechzig Kilometer beträgt und der etwa fünfzig Kilometer tief ist. Dieser herrliche Kristall dient allen Transport-Seraphim und anderen Wesen, die von Punkten außerhalb der Sphäre eintreffen, als Empfangsfeld; ein solches Glasmeer erleichtert die Landung der Transport-Seraphim sehr. Ein Kristallfeld dieser Art findet sich auf fast allen architektonischen Welten; nebst seinem dekorativen Wert erfüllt es noch viele andere Zwecke, da es dazu benutzt wird, versammelten Gruppen die superuniverselle Reflexivität vorzuführen, und da es ein Faktor in der Energieumwandlungstechnik zur Modifizierung der Raumströmungen und zur Adaptierung anderer eintretender Ströme physischer Energie ist. ***** 43.2 Die Konstellationsregierung ***** ie Konstellationen sind die autonomen Einheiten eines Lokaluniversums, denn jede Konstellation wird aufgrund ihrer eigenen Gesetzeserlasse verwaltet. Wenn die Gerichte Nebadons in Universumsangelegenheiten richten, wird in allen internen Belangen in Befolgung der Gesetze entschieden, die in der betreffenden Konstellation Geltung haben. Diese Gerichts-entscheide Salvingtons ebenso wie die Gesetzeserlasse der Konstellationen werden von den Verwaltern der Lokalsysteme vollzogen. Die Konstellationen funktionieren also als die legislativen oder gesetzgebenden Einheiten, während die Lokalsysteme als exekutive oder vollziehende Einheiten dienen. Die Regierung Salvingtons ist die höchste richterliche und koordinierende Autorität. Obwohl die höchste richterliche Gewalt bei der zentralen Verwaltung eines Lokaluniversums liegt, gibt es am Hauptsitz jeder Konstellation zwei größere Hilfsgerichte, den Rat der Melchisedeks und den Gerichtshof des Allerhöchsten. Alle Justizprobleme werden zuerst vom Rat der Melchisedeks eingesehen. Zwölf von dieser Ordnung, die auf den evolutionären Planeten und auf den Hauptwelten der Systeme bestimmte einschlägige Erfahrungen gesammelt haben, besitzen die Befugnis, das Beweismaterial neu durchzugehen, die Verteidigung zu überdenken und provisorische Urteile zu formulieren, die dann an den Gerichtshof des Allerhöchsten, des herrschenden Vaters der Konstellation, weitergeleitet werden. Die Abteilung für Sterbliche dieses zweiten Gerichtshofs besteht aus sieben Richtern, sämtlich aufsteigende Sterbliche. Je höher im Universum ihr aufsteigt, umso sicherer könnt ihr damit rechnen, von euren Artgenossen gerichtet zu werden. Der gesetzgebende Körper der Konstellation zerfällt in drei Gruppen. Das legislative Programm einer Konstellation entstammt dem aus Aufsteigern zusammengesetzten Unterhaus. Diese Gruppe wird von einem Finalisten präsidiert und besteht aus eintausend repräsentativen Sterblichen. Jedes System ernennt zehn Mitglieder, die in dieser beratenden Versammlung tagen. Auf Edentia ist diese Körperschaft gegenwärtig noch nicht vollzählig. Die Gesetzgeber der mittleren Kammer entstammen den Reihen der seraphischen Heerscharen und ihrer Gefährten, anderer Kinder des Muttergeistes des Lokaluniversums. Diese Gruppe zählt hundert Mitglieder und wird von den leitenden Persönlichkeiten ernannt, die den verschiedenen im Dienste der Konstellationen ausgeübten Aktivitäten ebendieser Wesen vorstehen. Der beratende oder höchste gesetzgebende Körper der Konstellation ist das Oberhaus - das Haus der göttlichen Söhne. Dieses Korps wird von den Allerhöchsten Vätern ausgewählt und zählt zehn Mitglieder. Nur Söhne mit besonderer Erfahrung können in diesem Oberhaus dienen. Dieser Untersuchungsausschuss hilft viel Zeit sparen und dient den beiden niedrigeren Abteilungen der gesetzgebenden Versammlung auf sehr wirksame Weise. Der vereinigte gesetzgeberische Rat setzt sich aus je drei Angehörigen dieser getrennten Zweige der beratenden Konstellationsversammlung zusammen und wird vom regierenden Junior-Allerhöchsten präsidiert. Diese Gruppe sanktioniert die endgültige Form aller Erlasse und gibt ihre Verbreitung über das Fernmeldewesen frei. Die Billigung durch diese höchste Kommission erhebt die legislativen Erlasse zum Gesetz des Reiches; ihre Entscheide sind endgültig. Die legislativen Dekrete Edentias bilden das fundamentale Gesetz von ganz Norlatiadek. ***** 43.3 Die Allerhöchsten von Norlatiadek ***** Die Lenker der Konstellationen gehören der Vorondadek-Ordnung der Lokaluniversumssöhne an. Wenn sie als Herrscher der Konstellationen oder in anderer Eigenschaft zum aktiven Dienst im Universum berufen werden, kennt man diese Söhne als die Allerhöchsten, da sie von allen Ordnungen lokaluniverseller Gottessöhne in sich die höchste administrative Weisheit und die weitestblickende und intelligenteste Treue vereinigen. Ihre persönliche Integrität und ihr loyales Gruppenverhalten sind nie in Zweifel gezogen worden. Nie ist in Nebadon ein Abfall eines Vorondadek-Sohnes vorgekommen. In jeder Konstellation Nebadons werden mindestens drei Vorondadek-Söhne von Gabriel mit dem Amt von Allerhöchsten betraut. Man nennt das Oberhaupt der drei Vater der Konstellation und seine beiden Mitarbeiter Senior-Allerhöchsten und Junior-Allerhöchsten. Ein Vater der Konstellation regiert während zehntausend Standardjahren (etwa 5o ooo Urantiajahren), nachdem er zuvor während gleich langer Zeitspannen als Junior- und Seniormitarbeiter gedient hat. Der Psalmist wusste, dass auf Edentia drei Konstellationsväter regieren, und deshalb sprach er von ihrem Wohnsitz in der Mehrzahl: "Es gibt einen Strom, dessen Fluten die Stadt Gottes erquicken werden, den heiligen Ort der Wohnungen der Allerhöchsten." Durch alle Zeitalter Urantias zieht sich hinsichtlich der verschiedenen Universumsherrscher eine große Verwirrung. Viele spätere Lehrer verwechselten ihre verschwommenen und unbestimmten Stammesgottheiten mit den Allerhöchsten Vätern. Noch später verschmolzen die Hebräer all diese himmlischen Herrscher in einer Mischgottheit. Einer der Lehrer begriff, dass die Allerhöchsten nicht die Höchsten Herrscher waren, denn er sagte: "Wer den geheimen Ort des Allerhöchsten bewohnt, soll im Schatten des Allmächtigen bleiben." In den Schriften Urantias fällt es manchmal sehr schwer zu wissen, auf wen sich der Ausdruck "Allerhöchster" genau bezieht. Aber Daniel begriff diese Dinge völlig. Er sagte: "Der Allerhöchste herrscht im Reich der Menschen und gibt es, wem er will." Die Konstellationsväter kümmern sich wenig um die Einzelmenschen eines bewohnten Planeten, aber sie sind eng verbunden mit all jenen gesetzgeberischen Funktionen der Konstellationen, die für jede sterbliche Rasse und nationale Gruppe von so großer Bedeutung sind. Obwohl die Konstellationsordnung sich zwischen euch und die Universumsverwaltung schiebt, hättet ihr als Einzelne in gewöhnlichen Zeiten mit der Regierung der Konstellation wenig zu tun. Euer großes Interesse würde normalerweise dem Lokalsystem, Satania, gelten; aber wegen bestimmter Bedingungen, die im System und auf dem Planeten durch die Rebellion Luzifers geschaffen wurden, steht Urantia vorübergehend in enger Beziehung zu den Konstellationsherrschern. Zur Zeit des luziferischen Abfalls übernahmen die Allerhöchsten Edentias in den rebellischen Welten bestimmte Phasen der planetarischen Autorität. Sie haben weitergefahren, diese Macht auszuüben, und die Ältesten der Tage haben diese über die widerspenstigen Welten übernommene Kontrolle seit langem gutgeheißen. Ohne Zweifel werden sie die von ihnen übernommene Oberhoheit weiterhin so lange ausüben, wie Luzifer am Leben bleibt. In einem loyalen System läge normalerweise ein guter Teil dieser Autorität beim Souverän des Systems. Aber noch durch einen anderen Umstand ist Urantia in ein besonderes Verhältnis zu den Allerhöchsten getreten. Da Luzifers Nachfolger keine volle Autorität über das Lokalsystem besaß, als Michael, der Schöpfersohn, sich auf seiner letzten Mission der Selbsthingabe befand, wurden sämtliche Angelegenheiten Urantias, die Michaels Selbsthingabe betrafen, unmittelbar von den Allerhöchsten Norlatiadeks geleitet. ***** 43.4 Der Berg der Versammlung - Der Getreue der Tage ***** Der hochheilige Berg der Versammlung ist der Wohnsitz des Getreuen der Tage, des auf Edentia wirkenden Repräsentanten der Paradies-Trinität. Dieser Getreue der Tage ist ein Sohn der Paradies-Trinität, und er ist seit der Erschaffung der Hauptsitzwelt als persönlicher Repräsentant Immanuels auf Edentia anwesend. Stets steht der Getreue der Tage zur Rechten der Konstellationsväter, um sie zu beraten, aber nie macht er eine Empfehlung, ohne darum angegangen worden zu sein. Die hohen Paradies-Söhne nehmen nie an der Leitung der Angelegenheiten eines Lokaluniversums teil, außer wenn die regierenden Herrscher dieser Reiche sie darum bitten. Aber all das, was ein Einiger der Tage einem Schöpfersohn ist, ist ein Getreuer der Tage den Allerhöchsten einer Konstellation. Die Residenz des Getreuen der Tage von Edentia ist das Konstellationszentrum des Paradies-Systems außeruniverseller Kommunikation und Nachrichtenübermittlung. Diese Söhne der Trinität mit ihrem Mitarbeiterstab von Havona- und Paradies-Persönlichkeiten, in Verbindung mit dem übergeordneten Einiger der Tage, stehen in direkter und ständiger Kommunikation mit den Angehörigen ihrer Ordnung in allen Universen und sogar in Havona und im Paradies. Der hochheilige Berg ist von erlesener Schönheit und seine Ausstattung wunderbar, aber die Residenz des Paradies-Sohnes ist bescheiden im Vergleich zum zentralen Sitz der Allerhöchsten und den siebzig darum herum gruppierten Bauwerken einschließlich der Wohneinheit der Vorondadek-Söhne. All diese Einrichtungen dienen einzig Wohnzwecken; sie sind völlig getrennt von den weitläufigen Gebäudekomplexen der Verwaltungssitze, in denen die Angelegenheiten der Konstellation behandelt werden. Die Residenz des Getreuen der Tage von Edentia liegt im Norden dieser Residenzen der Allerhöchsten und wird "Berg der Paradies-Versammlung" genannt. Auf diesem geheiligten Hochland versammeln sich die aufsteigenden Sterblichen periodisch, um dem Paradies-Sohn zuzuhören, wenn er von der langen und faszinierenden Reise der vorwärts strebenden Sterblichen durch die Milliarde vollkommener Welten Havonas und weiter hinan zu den unbeschreiblichen Freuden des Paradieses berichtet. Und gerade während dieser besonderen Zusammenkünfte auf dem Berg der Versammlung werden die morontiellen Sterblichen mit den verschiedenen dem Zentraluniversum entstammenden Persönlichkeitsgruppen näher bekannt. Als der verräterische Luzifer, einst Souverän von Satania, weiterreichende Herrschaftsansprüche geltend machte, trachtete er danach, alle höheren Sohnesordnungen des Regierungsplans des Lokaluniversums zu entlassen. Und er sprach insgeheim diese Absicht aus: "Ich werde meinen Thron über die Söhne Gottes stellen; ich werde mich auf den Berg der Versammlung im Norden setzen; ich werde sein wie der Allerhöchste." Die hundert Systemsouveräne kommen auf Edentia periodisch zu Tagungen zusammen, wo sie über das Wohlergehen der Konstellation beraten. Nach der Auflehnung Satanias pflegten die Erzrebellen von Jerusem weiter an diesen Beratungen teilzunehmen, gerade wie sie es früher getan hatten. Und man fand kein Mittel, dieser unverschämten Dreistigkeit Einhalt zu gebieten, bis Michael seine Selbsthingabe auf Urantia beendet und darauf die unbeschränkte Souveränität über ganz Nebadon übernommen hatte. Und seit jenem Tag wurde diesen Anstiftern zur Sünde nie wieder gestattet, auf Edentia an den Ratssitzungen der loyalen Systemsouveräne teilzunehmen. Dass die Lehrer alter Zeiten um diese Dinge wussten, geht aus dieser Schriftstelle hervor: "Und es geschah, dass die Söhne Gottes vor den Allerhöchsten erschienen, und Satan kam ebenfalls und trat mit ihnen vor." Und dies ist ein Tatsachenbericht, ungeachtet des Zusammenhangs, in welchem er zufälligerweise steht. Seit dem Triumph von Christus wird ganz Norlatiadek von Sünde und Rebellen reingefegt. Einige Zeit vor dem Tod des sterblichen Michael versuchte Luzifers Gefährte, Satan, an solch einer Sitzung auf Edentia teilzunehmen, aber die Verhärtung der Gefühle dem Erzrebellen gegenüber hatte den Punkt erreicht, wo praktisch alle Tore der Sympathie verschlossen waren, so dass sich für die Widersacher aus Satania kein Platz finden ließ. Wo es keine offene Türe zum Empfang der Sünde gibt, gibt es auch keine Gelegenheit zum Unterhalt der Sünde. Die Türen der Herzen ganz Edentias verschlossen sich vor Satan; er wurde von den versammelten Systemsouveränen einstimmig abgewiesen, und damals war es, als der Menschensohn "Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen sah". Seit der Rebellion Luzifers ist in der Nähe der Residenz des Getreuen der Tage ein neues Gebäude errichtet worden. Dieser provisorische Bau beherbergt das Hauptquartier der Allerhöchsten Verbindungsperson, die in naher Fühlung mit dem Paradies-Sohn steht und die Konstellationsregierung in allen Angelegenheiten berät, die Politik und Haltung der Ordnung der Tage gegenüber Sünde und Rebellion betreffen. ***** 43.5 Die Väter Edentias seit der Rebellion Luzifers ***** Die turnusmäßige Ablösung der Allerhöchsten Edentias wurde zur Zeit der Rebellion Luzifers eingestellt. Wir haben jetzt dieselben Lenker, die damals im Amt waren. Wir schließen daraus, dass bei ihnen kein Wechsel stattfinden wird, bis Luzifer und seine Gefährten endgültig abgeurteilt sind. Hingegen ist die gegenwärtige Konstellationsregierung auf zwölf Söhne der Vorondadek-Ordnung angewachsen. Es handelt sich um die folgenden: 1. Der Vater der Konstellation. Der gegenwärtige Allerhöchste Herrscher über Norlatiadek ist die Nummer 617 318 der Vorondadek-Serie von Nebadon. Er leistete in vielen Konstellationen unseres Lokaluniversums Dienst, bevor er die Verantwortung für Edentia übernahm. 2. Der Allerhöchste Senior-Mitarbeiter. 3. Der Allerhöchste Junior-Mitarbeiter. 4. Der Allerhöchste Berater, der persönliche Repräsentant Michaels, seit dieser den Status eines Meistersohnes erlangt hat. 5. Der Allerhöchste Vollzieher, der persönliche Repräsentant Gabriels, seit der Rebellion Luzifers stets auf Edentia wohnhaft. 6. Das Allerhöchste Oberhaupt der planetarischen Beobachter, der Leiter der auf den isolierten Welten Satanias stationierten Vorondadek-Beobachter. 7. Der Allerhöchste Schiedsrichter, der Vorondadek-Sohn, dem die Aufgabe zufällt, innerhalb der Konstellation alle aus der Rebellion erwachsenden Schwierigkeiten zu glätten. 8. Der Allerhöchste Not-Administrator, der Vorondadek-Sohn, dem aufgetragen ist, die Notverordnungen der Gesetzgebung Norlatiadeks jeweils den durch die Rebellion isolierten Welten Satanias anzupassen. 9. Der Allerhöchste Vermittler, der Vorondadek-Sohn, dessen Auftrag darin besteht, die besonderen, durch die Selbsthingabe auf Urantia verursachten Anpassungen mit der normalen Konstellationsverwaltung in Einklang zu bringen. Die Anwesenheit gewisser Erzengelaktivitäten und zahlreicher anderer ungewöhnlicher Dienste auf Urantia sowie die besonderen Aktivitäten der Leuchtenden Abendsterne auf Jerusem erfordern das Wirken dieses Sohnes. 10. Der Allerhöchste Richter-Anwalt, Vorsteher des Nottribunals, das sich der Regelung der besonderen Probleme Norlatiadeks im Gefolge der durch die Rebellion Satanias gestifteten Verwirrung widmet. 11. Die Allerhöchste Verbindungsperson, der Vorondadek-Sohn, der zwar zu den Regierenden Edentias zählt, aber in Verbindung mit dem Getreuen der Tage als besonderer Ratgeber der Regierung amtet und ihr bei der Behandlung von Problemen, die mit Rebellion und treulosem Verhalten der Geschöpfe zusammenhängen, die beste zu befolgende Politik empfiehlt. 12. Der Allerhöchste Leiter, der Präsident des Notstandsrates Edentias. Alle Persönlichkeiten, die in Norlatiadek wegen der Revolte Satanias Dienst leisten, bilden den Notstandsrat, und ihr leitendes Vorstandsmitglied ist ein außerordentlich erfahrener Vorondadek-Sohn. Und dabei haben wir zahlreiche Vorondadek-Söhne, Gesandte der Konstellationen Nebadons und weitere ebenfalls auf Edentia ansässige, nicht mitberücksichtigt. Seit der Rebellion Luzifers haben sich die Väter Edentias stets mit besonderer Sorgfalt Urantias und der anderen isolierten Welten angenommen. Vor langer Zeit schon erkannte der Prophet die lenkende Hand der Konstellationsväter in den Angelegenheiten der Nationen. "Als der Allerhöchste den Nationen ihr Erbe zuteilte, als er die Söhne Adams voneinander trennte, setzte er die Grenzen der Völker fest." Jede Welt, die sich in der Isolation oder in Quarantäne befindet, hat einen Vorondadek-Sohn als Beobachter. Er beteiligt sich nicht an der planetarischen Verwaltung, es sei denn, der Vater der Konstellation erteile ihm den Befehl, in die Angelegenheiten der Nationen einzugreifen. Gegenwärtig ist es dieser Allerhöchste Beobachter, der "in den Reichen der Menschen regiert". Urantia ist eine der isolierten Welten Norlatiadeks, und seit Caligastias Verrat ist auf dem Planeten stets ein Vorondadek-Beobachter stationiert. Als Machiventa Melchisedek in halbmaterieller Form auf Urantia diente, erwies er dem damals diensttuenden Allerhöchsten Beobachter respektvoll Ehre, wie geschrieben steht: "Und Melchisedek, König von Salem, war der Priester des Allerhöchsten." Und Melchisedek offenbarte Abraham, was es mit diesem Allerhöchsten Beobachter für eine Bewandtnis hatte, als er sagte: "Und gesegnet sei der Allerhöchste, der deine Feinde in deine Hand gegeben hat." ***** 43.6 Die Gärten Gottes ***** Die Systemkapitalen werden besonders durch materielle und mineralische Bauwerke verschönert, während die Universumshauptwelten eher der Widerschein geistiger Herrlichkeit sind. Die Kapitalen der Konstellationen hingegen sind der Gipfel morontieller Aktivität und lebendiger Verschönerung. Auf den Hauptsitzwelten der Konstellationen werden im Allgemeinen lebendige Verschönerungen gebraucht, und es ist diese Dominanz des Lebens - die botanischen Künste -, was diesen Welten den Namen "Gärten Gottes" eingetragen hat. Etwa die Hälfte Edentias ist den auserlesenen Gärten der Allerhöchsten gewidmet, und diese Gärten gehören zu den zauberhaftesten morontiellen Schöpfungen des Lokaluniversums. Das erklärt, weshalb außerordentlich schöne Orte auf den bewohnten Welten Norlatiadeks so oft "Garten Eden" heißen. In diesem herrlichen Garten liegt an zentraler Stelle das der Anbetung dienende Heiligtum der Allerhöchsten. Der Psalmist muss etwas von diesen Dingen gewusst haben, denn er schrieb: "Wer wird zum Hügel der Allerhöchsten hinansteigen? Wer wird an diesem heiligen Orte stehen? Derjenige, der saubere Hände und ein reines Herz hat, der seine Seele nicht an eitle Dinge gehängt und keinen Meineid geschworen hat." An diesem heiligen Ort versenkt sich an jedem zehnten Ruhetag unter der Leitung der Allerhöchsten ganz Edentia in die anbetende Betrachtung des Supremen Gottes. Die architektonischen Welten erfreuen sich ganzer zehn Lebensformen materieller Art. Auf Urantia gibt es pflanzliches und tierisches Leben, aber auf Welten wie Edentia existieren zehn materielle Lebensordnungen. Wenn ihr diese zehn Abteilungen des Lebens auf Edentia sehen könntet, würdet ihr die ersten drei sofort den pflanzlichen und die letzten drei den tierischen zurechnen, aber ihr wäret völlig außerstande, die Natur der vier dazwischenliegenden Gruppen überaus fruchtbarer und fesselnder Lebensformen zu verstehen. Sogar das ausgesprochen tierische Leben unterscheidet sich stark von demjenigen der evolutionären Welten, so stark, dass es ganz unmöglich ist, sterblichen Intelligenzen den einzigartigen Charakter und die liebevolle Natur dieser stummen Kreaturen zu schildern. Es gibt Tausende und Abertausende lebendiger Geschöpfe, die sich eure Einbildungskraft unmöglich ausmalen kann. Die gesamte tierische Schöpfung ist von einer völlig anderen Art als die rohen Tierarten der evolutionären Planeten. Aber dieses ganze tierische Leben ist höchst intelligent und ausnehmend dienstfertig, und all die verschiedenen Arten sind erstaunlich liebenswürdig und rührend kameradschaftlich. Es gibt auf solchen architektonischen Welten keine Fleisch verzehrenden Geschöpfe; es gibt in ganz Edentia nichts, was irgendein Lebewesen in Schrecken versetzen könnte. Auch das pflanzliche Leben unterscheidet sich sehr stark von demjenigen Urantias, da es sowohl aus materiellen wie morontiellen Varietäten besteht. Die materiellen Gewächse haben eine charakteristische grüne Färbung, aber ihre morontiellen Entsprechungen vegetativen Lebens spielen mit wechselnden Tönungen und Reflexen ins Violette oder die Farbe der Orchideen hinüber. Diese morontielle Vegetation ist rein energetischer Art; wenn man sie isst, bleiben davon keine Rückstände. Da diese architektonischen Welten mit zehn Abteilungen physischen Lebens ausgestattet sind, ganz zu schweigen von den morontiellen Spielarten, bieten sie für die biologische Verschönerung der Landschaft sowie der materiellen und morontiellen Bauwerke unerhörte Möglichkeiten. Die himmlischen Künstler leiten die einheimischen Spornagia bei diesem großen Werk botanischer Dekoration und biologischer Verschönerung. Da wo eure Künstler mit träger Farbe und leblosem Marmor vorlieb nehmen müssen, um ihre Vorstellungen auszudrücken, benutzen die himmlischen Künstler und die Univitatia häufiger lebendige Materialien, um ihre Ideen darzustellen und ihren Idealen Gestalt zu geben. Wenn ihr euch an den Blumen, Sträuchern und Bäumen Urantias erfreut, dann wird die botanische Schönheit und Blumenpracht der himmlischen Gärten Edentias ein Fest für eure Augen sein. Aber das Unterfangen, dem sterblichen Gemüt von den Schönheiten der himmlischen Welten eine angemessene Vorstellung zu geben, übersteigt meine darstellenden Fähigkeiten. Wahrlich, das Auge hat nie Herrlichkeiten wie jene geschaut, die euch bei eurer Ankunft auf diesen Welten des Aufstiegsabenteuers der Sterblichen erwarten. ***** 43.7 Die Univitatia ***** Die Univitatia sind die Dauerbürger Edentias und der mit ihm verbundenen Welten, und alle siebenhundertsiebzig Welten, die den Hauptsitz der Konstellation umringen, unterstehen ihrer Leitung. Diese Kinder des Schöpfersohnes und des Schöpferischen Geistes sind auf eine zwischen dem Materiellen und dem Geistigen liegende Existenzebene projiziert worden, aber sie sind keine morontiellen Geschöpfe. Die Einheimischen jeder der siebzig Hauptsphären Edentias besitzen eine verschiedene sichtbare Gestalt, und jedes Mal, wenn die morontiellen Sterblichen ihren Aufenthaltsort von einer Sphäre Edentias auf die nächste verlegen, während sie nacheinander von Welt Nummer eins zu Welt Nummer siebzig vorrücken, werden ihre morontiellen Gestalten so abgestimmt, dass sie der aufsteigenden Stufenleiter der Univitatia entsprechen. Geistig sind die Univitatia gleich; intellektuell unterscheiden sie sich voneinander wie die Sterblichen; ihre Gestalt sieht der morontiellen Seinsart sehr ähnlich, und sie wurden erschaffen, um in siebzig verschiedenen Persönlichkeitsordnungen zu wirken. Jede dieser Ordnungen von Univitatia zeigt zehn größere Varianten intellektueller Aktivität, und jeder dieser unterschiedlichen intellektuellen Typen leitet die besonderen erzieherischen und kulturellen Schulen beschäftigungsmäßiger oder praktischer Sozialisierung auf irgendeinem der zehn Satelliten, die jede der Hauptwelten Edentias umkreisen. Diese siebenhundert kleineren Welten sind technische Sphären praktischer Unterweisung in der Funktionsweise des gesamten Lokaluniversums, und sie stehen allen Klassen intelligenter Wesen offen. Diese Ausbildungsstätten zur Erlangung besonderer Fertigkeiten und technischer Kenntnisse werden nicht ausschließlich für aufsteigende Sterbliche geführt, obgleich die morontiellen Studenten bei weitem die größte Gruppe unter all denen bilden, die diese Schulungskurse besuchen. Wenn ihr auf einer der siebzig Hauptwelten sozialer Kultur empfangen werdet, erhaltet ihr auch sofortigen Zutritt zu jedem der zehn sie umringenden Satelliten. In den verschiedenen Freundlichkeitskolonien sind die aufsteigenden morontiellen Sterblichen in den Reihen der Leiter der Rückschau am stärksten vertreten, aber die Univitatia bilden zusammen mit dem nebadonschen Korps himmlischer Künstler die größte Gruppe. In ganz Orvonton kommen keine außerhavonischen Wesen mit Ausnahme der Abandonter Uversas den Univitatia an Kunstfertigkeit, sozialer Anpassungsfähigkeit und koordinierendem Scharfsinn gleich. Diese Bürger der Konstellation sind nicht eigentlich Mitglieder des Künstlerkorps, aber sie arbeiten frei mit allen Gruppen zusammen und tragen viel dazu bei, aus den Konstellationswelten die Hauptsphären zur Verwirklichung der wunderbaren künstlerischen Möglichkeiten der Übergangskultur zu machen. Ihr Wirken reicht nicht über die Grenzen der Hauptsitzwelten der Konstellationen hinaus. ***** 43.8 Die Schulungswelten Edentias ***** Edentia und die es umgebenden Sphären sind in ihrer physischen Ausstattung nahezu vollkommen; an geistiger Größe könnten sie wohl kaum mit den Sphären Salvingtons wetteifern, aber sie lassen die Herrlichkeit der Schulungswelten Jerusems weit hinter sich. All diese Sphären Edentias werden direkt durch die universellen Raumströme mit Energie versorgt, und ihre gewaltigen Macht-Systeme, die sowohl materieller wie morontieller Natur sind, werden durch die Konstellationszentren, die von einem kompetenten Korps Physischer Hauptüberwacher und Morontieller Machtüberwacher assistiert werden, mit Gewandtheit gelenkt und verteilt. Die auf den siebzig Schulungswelten morontieller Übergangskultur verbrachte Zeit, zusammen mit dem langen Aufenthalt der Sterblichen auf Edentia, ist die ruhigste Periode in der Laufbahn eines Sterblichen bis zum Status eines Finalisten; es ist wirklich das typische morontielle Leben. Obwohl ihr jedes Mal, wenn ihr von einer kulturellen Hauptwelt auf eine andere hinüberwechselt, neu eingestimmt werdet, behaltet ihr denselben morontiellen Körper, und es gibt keine Perioden persönlichen Unbewusstseins Euer Aufenthalt auf Edentia und den zugehörigen Sphären wird hauptsächlich damit ausgefüllt sein, die Meisterschaft in Gruppenethik zu erringen, dem Geheimnis angenehmer und gewinnbringender Beziehungen zwischen den verschiedenen Ordnungen intelligenter Persönlichkeiten des Universums und Superuniversums. Auf den Residenzwelten habt ihr die Einigung der sich entwickelnden sterblichen Persönlichkeit erreicht; auf der Systemkapitale habt ihr das Bürgerrecht Jerusems errungen und seid endgültig willens geworden, euer Selbst der Disziplin von Gruppenaktivitäten und koordinierten Unternehmungen zu unterwerfen; aber hier auf den Schulungswelten der Konstellation sollt ihr es zur wahren Sozialisierung eurer sich entwickelnden morontiellen Persönlichkeit bringen. Diese kosmische kulturelle Eroberung besteht darin, dass man lernt, wie man: 1. Mit zehn verschiedenen morontiellen Gefährten glücklich zusammenleben und wirksam zusammenarbeiten kann, während zehn solche Gruppen in Kompanien zu hundert vereinigt und dann in Korps von tausend zusammengeschlossen sind. 2. Fröhlich mit zehn Univitatia zusammenwohnen und herzlich kooperieren kann, die, obwohl intellektuell den morontiellen Wesen gleichend, von ihnen in jeder anderen Beziehung verschieden sind. Hinzu kommt, dass ihr mit dieser Zehnergruppe unter Berücksichtigung ihrer Koordination mit zehn anderen Familien umgehen müsst, die ihrerseits in einem Korps von eintausend Univitatia zusammengeschlossen sind. 3. Sich gleichzeitig sowohl auf seine morontiellen Gefährten als auch auf diese Gastgeber-Univitatia einstellen kann; die Fähigkeit zu freiwilliger und wirksamer Kooperation mit seiner eigenen Ordnung von Wesen in engem Zusammenwirken mit einer ziemlich anders gearteten Gruppe intelligenter Geschöpfe erwerben kann. 4. Parallel zu solchem Umgang mit verwandten und andersartigen Wesen zu intellektueller Harmonie mit beiden Mitarbeitergruppen gelangen und sich arbeitend an beide anpassen kann. 5. Während man auf der intellektuellen und Arbeitsebene eine zufrieden stellende Sozialisierung der Persönlichkeit erreicht, eine wachsende Fähigkeit entwickeln kann, im Zusammenleben mit gleichartigen und etwas andersartigen Wesen trotz engstem Kontakt immer weniger reizbar und nachtragend zu werden. Die Leiter der Rückschau tragen viel zu diesem Ergebnis durch die Veranstaltung von Gruppenspielen bei. 6. All diese verschiedenen Sozialisierungstechniken so handhaben kann, dass sie die fortschreitende Koordination der aufsteigenden Laufbahn zum Paradies fördern; zu immer tieferem Einblick ins Universum kommen kann, indem man stets fähiger wird, die auf das ewige Ziel hinweisenden Bedeutungen zu erfassen, die sich hinter diesen scheinbar belanglosen Zeit-Raum-Aktivitäten verbergen. 7. Schließlich all diese Sozialisierungsanstrengungen nach allen Richtungen hin mit der gleichzeitigen Vertiefung der geistigen Schau krönen kann, die auf dem durch geistiges Zusammenwirken in der Gruppe und durch morontielle Koordination herbeigeführten Wachstum aller persönlichen Gaben beruht. Intellektuell, sozial und geistig verdoppeln zwei sittliche Geschöpfe nicht einfach ihr persönliches Potential universeller Vollbringung durch die Technik der Partnerschaft; vielmehr vervierfachen sie annähernd ihre Möglichkeiten, Ziele zu erreichen und zu erfüllen. Wir haben die Sozialisierung auf Edentia dargestellt als eine Gemeinschaft eines morontiellen Sterblichen erstens mit einer Familiengruppe von Univitatia, die aus zehn Wesen einer andersgearteten Intelligenz besteht, und zweitens mit einer ebensolchen Gruppe von zehn morontiellen Gefährten. Aber es ist so, dass auf den ersten sieben Hauptwelten nur ein einziger aufsteigender Sterblicher mit zehn Univitatia zusammenlebt. Auf der zweiten Gruppe von sieben Hauptwelten hausen immer zwei Sterbliche mit je einer einheimischen Zehnergruppe zusammen, und das geht so weiter, bis auf der letzten Siebnergruppe von Hauptwelten zehn morontielle Wesen mit zehn Univitatia zusammenwohnen. Ihr lernt mit den Univitatia einen immer befriedigenderen gesellschaftlichen Umgang pflegen und übertragt dann diese bessere Ethik auf die Beziehungen zu euren im Fortschritt begriffenen morontiellen Gefährten. Als aufsteigende Sterbliche werdet ihr euren Aufenthalt auf den Fortschrittswelten Edentias genießen, aber ihr werdet nicht jene elektrisierende persönliche Befriedigung erleben, die euren ersten Kontakt mit den Universumsangelegenheiten auf der Systemhauptwelt oder euren Kontakt mit diesen Realitäten auf den letzten Welten der Universumskapitale kurz vor dem Abschied charakterisieren wird. ***** 43.9 Das Bürgerrecht Edentias ***** Nachdem die aufsteigenden Sterblichen auf der Welt Nummer siebzig erfolgreich abgeschlossen haben, lassen sie sich auf Edentia nieder. Zum ersten Mal besuchen die Aufsteiger jetzt die "Versammlungen des Paradieses" und lauschen dem Getreuen der Tage, der ersten je begegneten Supremen Persönlichkeit paradiesischen Ursprungs, der vor ihnen die Geschichte ihres weitgespannten Werdegangs ausbreitet. Der gesamte Aufenthalt auf den Schulungswelten der Konstellation, der im Bürgerrecht Edentias gipfelt, ist für die morontiellen Aufsteiger eine Zeit wahrer himmlischer Wonne. Während ihr auf den Welten des Systems weiltet, entwickeltet ihr euch von nahezu tierischen zu morontiellen Geschöpfen; ihr wart mehr materiell als geistig. Auf den Sphären Salvingtons werdet ihr euch aus einem morontiellen Wesen zum Status eines wahren Geistwesens weiterentwickeln; ihr werdet mehr geistig als materiell sein. Aber auf Edentia befinden sich die Aufsteiger auf halbem Wege zwischen ihren früheren und ihren zukünftigen Zuständen, in der Hälfte ihres Übergangs vom evolutionären Tier zum aufsteigenden Geistwesen. Solange ihr auf Edentia und seinen Welten verweilt, seid ihr "wie die Engel"; ihr geht unaufhörlich voran, behaltet aber die ganze Zeit über einen allgemeinen, typisch morontiellen Status bei. Der Konstellationsaufenthalt eines aufsteigenden Sterblichen ist die gleichförmigste und ausgeglichenste Epoche der gesamten Laufbahn morontiellen Fortschritts. Diese Erfahrung bildet die vorgeistige gesellschaftliche Schulung der Aufsteiger. Man kann sie vergleichen mit der geistigen Erfahrung der Vorfinalisten auf Havona und mit der vorabsoniten Schulung im Paradies. Die aufsteigenden Sterblichen Edentias sind hauptsächlich mit den ihnen auf den siebzig Univitatia-Welten des Fortschritts zugewiesenen Aufgaben beschäftigt. Sie dienen auch in mancher Eigenschaft auf Edentia selber, vor allem im Zusammenhang mit dem Konstellationsprogramm zum Wohl der Gruppen, Rassen, Nationen und Planeten. Die Allerhöchsten kümmern sich nicht sonderlich um die Förderung individuellen Fortschritts auf den bewohnten Welten; sie regieren eher in den Reichen der Menschen als im Herzen des Einzelnen. Und am Tage, da ihr bereit sein werdet, Edentia zu verlassen und eure Laufbahn auf Salvington anzutreten, werdet ihr innehalten, um auf eine der schönsten und erfrischendsten aller eurer diesseits des Paradieses verbrachten Schulungszeiten zurückzublicken. Aber all diese Herrlichkeit nimmt zu, während ihr nach innen und oben steigt und immer fähiger werdet, göttliche Bedeutungen und geistige Werte zu würdigen. [Dargeboten von Malavatia Melchisedek.] ****** Kapitel 44 Die Himmlischen Künstler ****** IN den Freundlichkeitskolonien der verschiedenen Abteilungs- und Universums-Hauptwelten kann man jene einzigartige Ordnung gemischter Persönlichkeiten antreffen, die man die himmlischen Künstler nennt. Diese Wesen sind die Meisterkünstler und -kunsthandwerker der morontiellen und niedrigeren geistigen Reiche. Es sind die Geiste und Halbgeiste, die sich mit morontieller Verschönerung und geistiger Ausschmückung befassen. Solche Künstler gibt es im ganzen Großen Universum - auf den Hauptsitzwelten der Superuniversen, Lokaluniversen, Konstellationen und Systeme sowie auf allen im Licht und Leben verankerten Sphären; aber ihre Hauptaktivität entfalten sie in den Konstellationen und insbesondere auf den siebenhundertsiebzig Welten, die jede ihrer Hauptsitzwelten umringen. Obwohl ihr Werk einem materiellen Gemüt wohl fast unbegreiflich ist, sollte man doch als selbstverständlich annehmen, dass die morontiellen und geistigen Welten nicht hoher Künste und himmlischer Kultur entbehren. Die himmlischen Künstler werden nicht als solche erschaffen; sie sind ein ausgewähltes Korps rekrutierter Wesen, das sich aus gewissen dem Zentraluniversum entstammenden Lehrerpersönlichkeiten und ihren freiwilligen Schülern zusammensetzt, welche den Reihen der aufsteigenden Sterblichen und zahlreicher anderer himmlischer Gruppen entnommen werden. Das ursprüngliche Lehrerkorps dieser Künstler wurde einst durch den Unendlichen Geist in Zusammenarbeit mit den Sieben Hauptgeisten beauftragt und bestand aus siebentausend havonischen Ausbildern, je tausend für jede der sieben Künstlerabteilungen. Aus diesem anfänglichen Kern entwickelte sich im Laufe der Zeitalter die glänzende Körperschaft dieser in geistigen und morontiellen Dingen so kundigen Arbeiter. Jede morontielle Persönlichkeit oder geistige Wesenheit kann in das Korps der himmlischen Künstler aufgenommen werden, das heißt, jedes Wesen unterhalb des Ranges angeborener göttlicher Sohnschaft. Die aufsteigenden Gottessöhne aus den evolutionären Sphären können sich nach ihrer Ankunft auf den morontiellen Welten um die Zulassung zum Künstlerkorps bewerben und bei genügender Begabung für längere oder kürzere Zeit eine solche Laufbahn einschlagen. Aber niemand kann sich bei den himmlischen Künstlern für weniger als ein Millennium, tausend Jahre superuniverseller Zeit, verpflichten. Alle himmlischen Künstler sind am Hauptsitz des Superuniversums registriert, aber ihre Vorgesetzten sind morontielle Lenker in den Kapitalen der Lokaluniversen. Von diesem zentralen Korps morontieller Lenker, die auf der Hauptsitzwelt jedes Lokaluniversums wirken, erhalten sie ihren Auftrag in den folgenden sieben Hauptabteilungen künstlerischer Tätigkeit: 1. Himmlische Musiker. 2. Himmlische Wiedergabekünstler. 3. Göttliche Bauleute. 4. Gedankenaufzeichner. 5. Energiemanipulierer. 6. Entwerfer und Verschönerer. 7. Harmoniearbeiter. Die ursprünglichen Lehrer dieser sieben Gruppen entstammten sämtlich den vollkommenen Welten Havonas, und Havona enthält die Urmuster, die Urmusterentwürfe für alle Phasen und Formen geistigen Künstlertums. Wohl ist es eine gigantische Aufgabe, die Künste Havonas auf die Welten des Raums verpflanzen zu wollen, aber die himmlischen Künstler haben ihre Technik und Ausführung von Zeitalter zu Zeitalter verbessert. Wie in allen anderen Phasen der aufsteigenden Laufbahn werden diejenigen, die auf irgendeinem Gebiet des Strebens am weitesten voraus sind, ständig aufgefordert, ihre höhere Kenntnis und Gewandtheit an ihre weniger begünstigten Gefährten weiterzugeben. Den ersten schwachen Abglanz dieser aus Havona verpflanzten Künste werdet ihr auf den Residenzwelten sehen, und ihre Schönheit und eure Würdigung ihrer Schönheit werden immerzu wachsen und sich vertiefen, bis ihr in Salvingtons Hallen des Geistes stehen und die inspirierenden Meisterwerke der himmlischen Künstler der geistigen Reiche betrachten werdet. All diese Tätigkeiten der morontiellen und geistigen Welten existieren wirklich. Für geistige Wesen ist die Welt des Geistes eine Realität. Für uns ist die materielle Welt die unwirklichere. Die Gestalten höherer Geiste gehen ungehindert durch gewöhnliche Materie hindurch. Hohe Geiste reagieren auf nichts Materielles außer auf gewisse fundamentale Energien. Für materielle Wesen ist die geistige Welt mehr oder weniger unwirklich; für geistige Wesen ist die materielle Welt fast völlig unwirklich. Sie erscheint ihnen nur wie ein Schatten der Substanz der Geistrealitäten. Wenn ich nur das geistige Sehvermögen zu Hilfe nehme, kann ich das Gebäude, in welchem dieser Bericht übersetzt und niedergeschrieben wird, nicht sehen. Ein Göttlicher Ratgeber aus Uversa, der sich gerade neben mir aufhält, nimmt noch weniger von diesen rein materiellen Schöpfungen wahr. Wir begreifen, wie euch diese materiellen Bildungen erscheinen müssen, wenn wir deren geistige Entsprechungen betrachten, die einer der uns begleitenden Energieumwandler unserem Verstand zeigt. Dieses materielle Gebäude ist für mich, ein Geistwesen, nicht wirklich real, aber für materielle Sterbliche ist es natürlich sehr real und sehr nützlich. Es gibt bestimmte Wesenstypen, die imstande sind, die Realität der Geschöpfe sowohl der geistigen als auch der materiellen Welten zu erkennen. Zu dieser Klasse gehören die so genannten vierten Geschöpfe der Serviten Havonas und die vierten Geschöpfe der Schlichter. Die Engel von Zeit und Raum sind mit der Fähigkeit ausgerüstet, sowohl geistige als auch materielle Wesen zu erkennen, desgleichen die aufsteigenden Sterblichen nach ihrer Erlösung vom Leben im Körper. Nachdem die Aufsteiger höhere geistige Ebenen erreicht haben, sind sie fähig, materielle, morontielle und geistige Realitäten wahrzunehmen. Auch ein Mächtiger Botschafter aus Uversa ist jetzt hier mit mir zusammen. Er ist ein aufsteigendes, mit dem Justierer fusioniertes, einst sterbliches Wesen, und er nimmt euch so wahr, wie ihr seid, und gleichzeitig erblickt er den Einsamen Botschafter, den Supernaphen und andere ebenfalls anwesende himmlische Wesen. Nie werdet ihr während eures langen Aufstiegs die Gabe verlieren, eure Gefährten früherer Existenzen zu erkennen. Während ihr über die Stufen des Lebens nach innen aufsteigt, werdet ihr stets die Fähigkeit behalten, eure Kameraden früherer und niedrigerer Erfahrungsebenen zu erkennen und mit ihnen brüderlich zu verkehren. Mit jeder neuen Versetzung oder Auferstehung wird sich eurem Sehbereich eine neue Gruppe von Geistwesen erschließen, ohne dass ihr im Geringsten die Fähigkeit, eure Freunde und Kameraden früherer Zustände zu erkennen, einbüßen werdet. All dies wird in der Erfahrung aufsteigender Sterblicher durch das Wirken der innewohnenden Gedankenjustierer ermöglicht. Weil sie die Duplikate der Erfahrungen eures ganzen Lebens aufbewahren, könnt ihr die Gewissheit haben, nie irgendeine einmal besessene wahre Eigenschaft zu verlieren. Und diese Justierer durchleben alles mit euch, als ein Teil von euch, in Wahrheit als ihr. Aber ich verzweifle fast ob meiner Unfähigkeit, dem materiellen Verstand das Wesen der Arbeit der himmlischen Künstler zu vermitteln. Ich sehe mich bei meinem Bemühen, vor dem sterblichen Verstand die Realität dieser morontiellen Vorgänge und nahezu geistigen Phänomene auszubreiten, ständig gezwungen, Gedanken zu entstellen und der Sprache Gewalt anzutun. Euer Verständnis ist unfähig, die Bedeutung, den Wert und die Beziehungen dieser halbgeistigen Aktivitäten zu erfassen, und eure Sprache ist nicht dazu geeignet, sie zu vermitteln. Trotzdem will ich mit meinen Bemühungen fortfahren, dem menschlichen Verstand über diese Realitäten Klarheit zu verschaffen, obwohl ich mir der reinen Unmöglichkeit, bei einem solchen Unternehmen sehr erfolgreich zu sein, voll bewusst bin. Ich kann nicht mehr als den Versuch machen, zwischen den Aktivitäten der Sterblichen und den mannigfachen Funktionen der himmlischen Künstler andeutungsweise grobe Parallelen zu ziehen. Wenn Urantias Rassen in der Kunst und in anderen kulturellen Leistungen fortgeschrittener wären, könnte ich bei meinem Versuch, den menschlichen Intellekt aus den materiellen in die morontiellen Dinge zu versetzen, viel weiter gehen. So ziemlich alles, was ich tun kann, ist die Tatsache zu unterstreichen, dass es diese Dinge in den morontiellen und geistigen Welten wirklich gibt. ***** 44.1 Die himmlischen Musiker ***** Bei dem beschränkten Umfang des menschlichen Gehörs könnt ihr euch schwerlich morontielle Melodien vorstellen. Es gibt sogar ein materielles Klangfeld wundervoller Töne, das der menschliche Gehörsinn nicht wahrnimmt, ganz zu schweigen von der unvorstellbaren Spannweite morontieller und geistiger Harmonien. Geistige Melodien sind nicht materielle Tonwellen, sondern geistige Pulsationen, die vom Geist himmlischer Persönlichkeiten empfangen werden. Die unerhörte Weite des Tonumfangs, der beseelte Ausdruck, die erhabene Ausführung dieser Musik, verbunden mit den Sphärenmelodien, liegen gänzlich jenseits menschlicher Vorstellungskraft. Ich habe Millionen hingerissener Wesen in sublimer Ekstase verharren sehen, während die Melodie des Reichs über die Geistenergie der himmlischen Kreisläufe hereinströmte. Diese wunderbaren Melodien können bis an die äußersten Enden eines Universums übertragen werden. Die himmlischen Musiker erzeugen die himmlischen Harmonien durch die Manipulation folgender geistiger Kräfte: 1. Geistiger Klang - Unterbrechungen des geistigen Stroms. 2. Geistiges Licht - Kontrolle und Intensivierung des Lichts der morontiellen und geistigen Reiche. 3. Energieüberlappungen - Erzeugung von Melodien durch die kunstfertige Handhabung der morontiellen und geistigen Energien. 4. Farbsinfonien - Melodien morontieller Farbtöne; sie zählen zu den höchsten Leistungen der himmlischen Musiker. 5. Harmonie vereinigter Geistwesen - Die bloße Zusammenstellung und Verbindung von verschiedenen Ordnungen morontieller und geistiger Wesen erzeugt majestätische Melodien. 6. Gedankenmelodien - Das Denken geistiger Gedanken kann derart vervollkommnet werden, dass es in Melodien Havonas ausbricht. 7. Die Musik des Raums - Bei richtiger Abstimmung können die Melodien anderer Sphären von den universellen Fernmeldekreisen aufgefangen werden. Es gibt über einhunderttausend verschiedene Arten der Ton-, Klang- und Energiemanipulation, Techniken, die dem menschlichen Gebrauch von Musikinstrumenten vergleichbar sind. Eure Tanz-nsembles stellen ohne Zweifel einen rohen und grotesken Versuch materieller Geschöpfe dar, sich der himmlischen Harmonie von in bestimmter Weise platzierten Wesen und angeordneten Persönlichkeiten anzunähern. Die anderen fünf Formen morontieller Melodie werden vom sensorischen Mechanismus materieller Körper nicht wahrgenommen. Harmonie, die Musik der sieben Ebenen melodischer Verbindung, ist schlechthin der universelle Kode geistiger Kommunikation. Die Musik, wie die Sterblichen Urantias sie verstehen, erreicht ihren höchsten Ausdruck an den Schulen Jerusems, des Systemhauptsitzes, wo man halbmaterielle Wesen die Harmonien der Töne lehrt. Sterbliche reagieren nicht auf die anderen Formen morontiel-ler Melodie und himmlischer Harmonie. Auf Urantia würdigt man die Musik sowohl physisch als auch geistig; und eure menschlichen Musiker haben viel getan, um den musikalischen Geschmack von der barbarischen Monotonie eurer frühen Vorfahren auf eine höhere Ebene des Klanggenusses zu heben. In ihrer Mehrheit reagieren die Sterblichen Urantias auf die Musik weitgehend bloß mit den materiellen Muskeln und nur so spärlich mit Verstand und Geist; und doch hat es in der musikalischen Würdigung während der vergangenen fünfunddreißigtausend Jahre eine stetige Verbesserung gegeben. Die melodische Synkopierung stellt eine Übergangsform zwischen der musikalischen Monotonie des primitiven Menschen und der ausdrucksvollen Harmonie und den bedeutungsvollen Melodien eurer jüngsten Musiker dar. Diese früheren Rhythmusarten stimulieren die Reaktionen des musikliebenden Sinnes, ohne die Ausübung der höheren intellektuellen Kräfte harmonischer Würdigung nach sich zu ziehen und appellieren deshalb allgemeiner an unreife und geistig träge Wesen. Die beste Musik Urantias ist nur ein flüchtiges Echo der wunderbaren Weisen, die die himmlischen Mitarbeiter eurer Musiker vernehmen. Diese haben bloß Fetzen von jenen Harmonien morontieller Kräfte erhascht und sie als musikalische Melodien klingender Töne niedergeschrieben. Aber die geistig-morontielle Musik verwendet nicht selten alle sieben Ausdrucks- und Wiedergabemittel, so dass der menschliche Verstand sich bei jedem Versuch, diese Melodien der höheren Sphären nur auf klingende Musiknoten zu reduzieren, gewaltig behindert sieht. Solch eine Anstrengung käme etwa dem Bestreben gleich, ein einzelnes Musikinstrument mit der Wiedergabe der Weisen eines großen Orchesters betrauen zu wollen. Zwar habt ihr auf Urantia ein paar schöne Melodien komponiert, aber ihr habt euch musikalisch nicht entfernt so weit entwickelt wie viele eurer Nachbarplaneten Satanias. Hätten nur Adam und Eva weitergelebt, dann hättet ihr wirkliche Musik gehabt; aber die in ihrer Natur so stark vorhandene Gabe der Harmonie ist durch die Beimischung unmusikalischer Tendenzen derart verdünnt worden, dass nur ein Sterblicher auf tausend großen Sinn für Harmonie besitzt. Aber lasst euch nicht entmutigen; eines Tages wird vielleicht ein wahrer Musiker auf Urantia erscheinen, und ganze Völker werden sich durch die wunderbaren Klänge seiner Melodien bezaubern lassen. Ein einziges derartiges menschliches Wesen könnte den Lauf einer ganzen Nation, ja sogar der ganzen zivilisierten Welt für immer verändern. Es ist buchstäblich wahr, dass "Melodie die Macht besitzt, eine ganze Welt zu verwandeln". Auf ewig wird Musik die universale Sprache von Menschen, Engeln und Geisten bleiben. Harmonie ist die Sprache Havonas. ***** 44.2 Die himmlischen Wiedergabekünstler ***** Der sterbliche Mensch kann kaum mehr erhoffen als eine dürftige und verzerrte Vorstellung von den Funktionen der himmlischen Wiedergabekünstler, die ich durch den groben und beschränkten Symbolismus eurer materiellen Sprache zu schildern versuchen muss. In der geistig-morontiellen Welt gibt es tausend und ein Ding von allerhöchstem Wert, auf Urantia unbekannte Dinge, die der Wiedergabe wert sind, Erfahrungen, die zu der Kategorie von Aktivitäten gehören, die kaum je "in den Verstand des Menschen eingedrungen sind", Realitäten, die Gott für all jene bereithält, welche nach dem leiblichen Tod fortleben. Es gibt sieben Gruppen von himmlischen Wiedergabekünstlern, und ich will versuchen, ihre Arbeit durch folgende Klassifizierung zu schildern: 1. Die Sänger - Harmoniker, welche die für die Vergangenheit bezeichnenden Harmonien wiederholen und die Melodien der Gegenwart interpretieren. Aber all das geschieht auf der morontiellen Ebene. 2. Die Farbenmeister - Künstler, die mit Licht und Schatten spielen und die man Skizzierer und Maler nennen könnte, Künstler, die flüchtige Szenen und vorübergehende Episoden zu künftiger morontieller Ergötzung festhalten. 3. Die Licht-Cineasten - sie halten die realen halbgeistigen Phänomene fest. Um sich von ihrer Tätigkeit ein sehr grobes Bild zu machen, kann man den Film heranziehen. 4. Die Inszenierer historischer Spiele - welche die entscheidenden Ereignisse der Universums-annalen und -geschichte in dramatischer Weise auferstehen lassen. 5. Die prophetischen Künstler - die den Sinn der Geschichte in die Zukunft projizieren. 6. Die Erzähler der Lebensgeschichten - die Sinn und Bedeutung der Lebenserfahrung für die Ewigkeit aufzeigen und die gegenwärtigen persönlichen Erfahrungen in zukünftige Werte des Vollbringens projizieren. 7. Die administrativen Darsteller - welche die Bedeutung der Regierungsphilosophie und der Verwaltungstechnik zum Ausdruck bringen, die himmlischen Dramatiker der Souveränität. Die himmlischen Wiedergabekünstler arbeiten sehr oft und wirksam mit den Leitern der Rückschau zusammen, wobei sie die Auffrischung der Erinnerung mit bestimmten Formen mentaler Ruhe und persönlicher Zerstreuung kombinieren. Vor den morontiellen Treffen und geistigen Versammlungen vereinigen sich die Wiedergabekünstler manchmal, um in umwerfenden dramatischen Schauspielen den Zweck dieser Zusammenkünfte zu verdeutlichen. Ich war neulich Zeuge einer atemraubenden Aufführung, bei der über eine Million Darsteller tausend Szenen in Folge aufführten. Die höheren intellektuellen Lehrer und die Übergangsförderer setzen diese verschiedenen Gruppen von Wiedergabekünstlern bei ihren morontiellen erzieherischen Tätigkeiten frei und wirkungsvoll ein. Aber nicht all ihre Bemühungen gelten vergänglicher Illustration; ein großer, sogar ein sehr großer Teil ihres Werks ist bleibender Natur und wird als Vermächtnis für alle zukünftigen Zeiten immer bestehen bleiben. So vielbegabt sind diese Künstler, dass sie, sofern sie in großer Zahl zusammenwirken, imstande sind, ein ganzes Zeitalter neu auferstehen zu lassen, und im Zusammenwirken mit den seraphischen Dienern gelingt es ihnen tatsächlich, vor den Augen der Sterblichen der Zeit die ewigen Werte der geistigen Welt auszubreiten. ***** 44.3 Die göttlichen Bauleute ***** Es gibt Städte, "deren Erbauer und Schöpfer Gott ist". Wir besitzen die geistige Entsprechung all dessen, womit ihr Sterblichen vertraut seid, aber darüber hinaus noch unendlich viel mehr. Wir besitzen Heime, geistigen Komfort und das morontielle Lebensnotwendige. Für jede materielle Befriedigung, deren die Menschen sich erfreuen können, haben wir Tausende von geistigen Realitäten, die unsere Existenz bereichern und erweitern helfen. Die göttlichen Bauleute wirken in sieben Gruppen: 1. Die Entwerfer und Erbauer der Häuser - die Architekten und Umgestalter der für Einzelne und Arbeitsgruppen vorgesehenen Behausungen. Diese morontiellen und geistigen Wohnstätten sind real. Wegen eurer begrenzten Sicht würdet ihr sie nicht sehen, aber uns erscheinen sie sehr wirklich und schön. In gewissem Grade können alle Geistwesen Hand in Hand mit den Bauleuten gewisse Einzelheiten der Planung und Errichtung ihrer morontiellen oder geistigen Wohnstätten bestimmen. Diese Heime sind entsprechend den Bedürfnissen der morontiellen oder geistigen Geschöpfe, die sie bewohnen werden, eingerichtet und geschmückt. Es herrscht unter all diesen Gebäuden große Abwechslung, und sie bieten reichlich Gelegenheit zu individueller Äußerung. 2. Die Architekten der Arbeitenden - deren Aufgabe im Entwerfen und Zusammenstellen der Anlagen für die mit den laufenden Aufgaben der geistigen und morontiellen Reiche betrauten Arbeiter besteht. Man kann diese Bauleute mit denjenigen vergleichen, die auf Urantia Werkstätten und andere industrielle Anlagen errichten. Auf den Übergangswelten gibt es eine notwendige Wirtschaft gegenseitiger Dienstleistung und spezialisierter Arbeitsteilung. Wir tun nicht alle alles; es herrscht eine große Vielfalt der Funktionen unter morontiellen Wesen und sich entwickelnden geistigen Geschöpfen, und diese Architekten der Werktätigen bauen nicht nur bessere Arbeitsstätten, sondern tragen auch zu der beruflichen Hebung des Arbeiters bei. 3. Die Erbauer von Spielanlagen. Riesige Gebäude werden während der Perioden der Ruhe oder dessen benutzt, was Sterbliche als Entspannung und in einem gewissen Sinne als Spiel bezeichnen würden. Alles ist vorgesehen für die geziemende Unterbringung der Leiter der Rückschau oder Humoristen der morontiellen Welten, jener Sphären des Übergangs, auf denen die eben erst von den evolutionären Planeten eingetroffenen aufsteigenden Wesen geschult werden. Sogar auch die höheren Geistwesen geben sich während ihrer Perioden geistiger Neuaufladung einer bestimmten Form von rückwärts gewandtem Humor hin. 4. Die Erbauer der Andachtsstätten - die erfahrenen Architekten der geistigen und morontiellen Tempel. Alle Welten des Aufstiegs der Sterblichen besitzen Tempel der Anbetung; es sind die erlesensten Kunstschöpfungen der morontiellen Welten und der Sphären des Geistes. 5. Die Bauleute des Erziehungswesens - welche die Zentren morontieller Schulung und fortgeschrittenen geistigen Lernens errichten. Immer steht den aufsteigenden Sterblichen der Weg zur Vermehrung ihres Wissens offen, zur Gewinnung zusätzlicher Information hinsichtlich ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Arbeit sowie ihres universellen kulturellen Wissens, Information, die bestimmt ist, aus ihnen intelligentere und wirksamere Bürger der morontiellen und geistigen Welten zu machen. 6. Morontielle Planer. Sie bauen für die koordinierte Zusammenführung aller Persönlichkeiten aller Reiche, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt auf einer Sphäre befinden können. Diese Planer arbeiten mit den Morontiellen Machtüberwachern zusammen, um die Koordinierung des fortschreitenden morontiellen Lebens reicher zu gestalten. 7. Die Erbauer öffentlicher Gebäude - die Künstler, welche die für nicht andachtsmäßige Versammlungszwecke bestimmten Orte planen und erbauen. Groß und herrlich sind diese gemeinsamen Versammlungsorte. Obwohl weder diese Bauten noch ihr Schmuck dem sensorischen Verständnis materieller Sterblicher ganz wirklich erscheinen würden, sind sie für uns sehr real. Könntet ihr körperlich dorthin versetzt werden, wäret ihr außerstande, diese Tempel zu sehen; all diese übermateriellen Schöpfungen befinden sich dessen ungeachtet dort, und wir können sie eindeutig wahrnehmen und uns an ihnen ebenso eindeutig erfreuen. ***** 44.4 Die Gedankenaufzeichner ***** Diese Künstler befassen sich mit der Bewahrung und Wiedergabe des höheren Gedankengutes der Reiche, und sie wirken in sieben Gruppen: 1. Gedankenbewahrer. Das sind die Künstler, die sich der Bewahrung des höheren Denkens der Reiche verschrieben haben. Auf den morontiellen Welten sammeln sie getreulich alle Gedankenjuwelen. Bevor ich zum ersten Mal nach Urantia kam, sah ich Dokumente über die Ideenwelt einiger der großen Geister eures Planeten ein und hörte mir Fernmeldungen darüber an. Die Gedankenaufzeichner bewahren solche edlen Ideen in der Sprache Uversas auf. Jedes Superuniversum besitzt seine eigene Sprache, eine Sprache, die von seinen Persönlichkeiten gesprochen wird und in allen seinen Sektoren vorherrscht. Man nennt sie in unserem Superuniversum die Sprache Uversas. Auch jedes Lokaluniversum besitzt seine eigene Sprache. Alle Angehörigen der höheren Ordnungen Nebadons sind zweisprachig, indem sie sowohl die Sprache Nebadons als auch diejenige Uversas beherrschen. Wenn sich zwei Personen aus verschiedenen Lokaluniversen treffen, verkehren sie in der Sprache Uversas miteinander; wenn indessen eine von ihnen einem anderen Superuniversum entstammt, müssen sie die Dienste eines Übersetzers in Anspruch nehmen. Im Zentraluniversum hat man Sprache kaum nötig; es herrscht dort ein vollkommenes und nahezu vollständiges Verstehen; einzig die Götter werden dort nicht restlos verstanden. Man lehrt uns, dass eine zufällige Begegnung im Paradies mehr an gegenseitigem Verständnis enthüllt, als durch eine Sprache der Sterblichen in tausend Jahren vermittelt werden könnte. Sogar schon auf Salvington "kennen wir, wie wir gekannt werden". Die Fähigkeit, auf den morontiellen und geistigen Sphären Gedanken in Sprache umzusetzen, übersteigt menschliche Fassungskraft. Die Geschwindigkeit, mit der wir Gedanken zu einem dauernden Dokument kondensieren, kann durch diese erfahrenen Registrierer derart beschleunigt werden, dass, was mehr als einer halben Million Wörtern oder Gedankensymbolen entspricht, in einer Minute urantianischer Zeit registriert werden kann. Die Universumssprachen sind viel reicher als die Sprachen der sich entwickelnden Welten. Die begrifflichen Symbole Uversas umfassen mehr als eine Milliarde Schriftzeichen, obwohl das Grundalphabet nur siebzig Symbole enthält. Die Sprache Nebadons ist nicht ganz so hoch differenziert, besitzt doch ihr Alphabet nur achtundvierzig Grundsymbole. 2. Konzept-Aufzeichner. Diese zweite Aufzeichnergruppe beschäftigt sich mit der Bewahrung von konzeptuellen Bildern, von ideellen Urmustern. Dies ist eine auf den materiellen Welten unbekannte Form von Dauerregistrierung. Dank dieser Methode könnte ich in einer Stunde eurer Zeit mehr Wissen erwerben als ihr in hundert Jahren unter Benutzung gewöhnlicher geschriebener Sprache. 3. Ideogramm-Aufzeichner. Wir besitzen die Entsprechungen eures geschriebenen und gesprochenen Wortes, aber zur Festhaltung von Gedanken benutzen wir gewöhnlich die bildhafte Ideendarstellung und ideographische Techniken. Die Bewahrer der ideographischen Aufzeichnungen übertreffen die Leistungen der Konzept-Aufzeichner noch um das Tausendfache. 4. Förderer der Redekunst. Diese Aufzeichnergruppe obliegt der Aufgabe, die Gedanken zur Wiederverwendung in der Redekunst aufzubewahren. In der Sprache Nebadons könnten wir in einer halbstündigen Rede den Inhalt des gesamten Lebens eines Sterblichen Urantias ausbreiten. Eure einzige Hoffnung, diese Vorgänge zu verstehen, besteht darin, innezuhalten und euch die Technik eures wirren und entstellenden Traumlebens zu vergegenwärtigen - wie ihr in diesen nächtlichen Fantasien ganze Jahre der Erfahrung in wenigen Sekunden durcheilen könnt. Die Redekunst der geistigen Welt ist einer der Hochgenüsse seltener Art, die euch erwarten, die ihr nur die rohen und stockenden Ansprachen Urantias kennt. In den Reden Salvingtons und Edentias leben eine musikalische Harmonie und ein Wohlklang des Ausdrucks, deren inspirierende Macht jeder Beschreibung spotten. Diese glühenden Konzepte sind wie prächtige Edelsteine in herrlichen Diademen. Aber ich schaffe es nicht! Ich bin außerstande, menschlicher Vorstellung Breite und Tiefe dieser Realitäten einer anderen Welt zu vermitteln! 5. Die Leiter des Fernmeldewesens. Das Fernmeldewesen des Paradieses, der Super- und Lokaluniversen untersteht der allgemeinen Leitung dieser Gruppe von Gedankenaufzeichnern. Sie betätigen sich sowohl als Zensoren und Redakteure als auch als Koordinierer des Fernmeldematerials, indem sie von allen aus dem Paradies eintreffenden Meldungen eine superuniverselle Adaptation machen und die Meldungen der Ältesten der Tage unter jeweiliger Anpassung in die einzelnen Sprachen der Lokaluniversen übersetzen. Die lokaluniversellen Fernmeldungen müssen ebenfalls abgeändert werden, um von den Systemen und einzelnen Planeten empfangen werden zu können. Die Übermittlung dieser Raumberichte wird sorgfältig überwacht, und es gibt stets eine Rückmeldung, um sich des ordentlichen Empfangs jedes Berichts auf jeder Welt eines gegebenen Kreises zu versichern. Die Leiter des Fernmeldewesens sind technisch erfahren in der Benutzung der Raumströme für alle Zwecke der Nachrichtenübermittlung. 6. Die Rhythmusaufzeichner. Urantianer würden diese Künstler unzweifelhaft Dichter nennen, obwohl ihr Werk sehr verschieden ist von euren poetischen Schöpfungen und diese fast um ein Unendliches überragt. Unter Rhythmuseinwirkung ermüden morontielle und geistige Wesen weniger rasch, und so werden viele ihrer Funktionen im Bemühen um eine Steigerung der Leistungsfähigkeit, aber auch zur Erhöhung des Vergnügens, in rhythmischer Form ausgeführt. Ich wünschte mir bloß, ihr könntet das Privileg genießen, einige der poetischen Übertragungen der Versammlungen Edentias zu hören und euch am Farben- und Klangreichtum der Konstellationsgenies zu ergötzen, welche Meister in dieser auserlesenen Form des Selbstausdrucks und der gesellschaftlichen Harmonisierung sind. 7. Die morontiellen Aufzeichner. Ich weiß wirklich nicht, wie ich einem materiellen Verstand das Wirken dieser wichtigen Gruppe von Gedankenaufzeichnern beschreiben soll, deren Amt es ist, die Gesamtdarstellungen der verschiedenen Gruppierungen morontieller Angelegenheiten und geistiger Vorgänge zu bewahren. Um ein krudes Bild zu verwenden, sind sie die Gruppenphotographen der Übergangswelten. Sie halten für alle Zukunft die entscheidenden Szenen und Verbindungen der weiterschreitenden Epochen fest und bewahren sie in den Archiven der morontiellen Aufzeichnungshallen. ***** 44.5 Die Energiemanipulierer ***** Diese interessanten und wirksamen Künstler beschäftigen sich mit allen Arten von Energie: mit physischer, mentaler und geistiger. 1. Manipulierer physischer Energie. Die Manipulierer physischer Energie dienen während langer Zeitabschnitte zusammen mit den Machtlenkern und sind in der Manipulation und Kontrolle vieler Phasen physischer Energie erfahren. Sie sind vertraut mit den drei fundamentalen Energieströmen der Superuniversen und ihren dreißig Unterabteilungen. Diese Wesen sind die unschätzbaren Assistenten der Morontiellen Machtüberwacher der Übergangswelten. Sie sind die beharrlichen Erforscher der kosmischen Projektionen des Paradieses. 2. Manipulierer mentaler Energie. Das sind die Fachleute für das Miteinander-in-Verbindung-Setzen von morontiellen und anderen Typen intelligenter Wesen. Diese Kommunikationsform zwischen Sterblichen existiert auf Urantia praktisch nicht. Es sind die Spezialisten, die bei den aufsteigenden morontiellen Wesen die Fähigkeit zu gegenseitiger Kommunikation entwickeln, und ihre Arbeit schließt zahlreiche einzigartige Abenteuer intellektueller Verbindung in sich, die dem menschlichen Verstand zu schildern meine Kräfte bei weitem übersteigt. Diese kunstfertigen Wesen sind begeisterte Erforscher der Verstandeskreise des Unendlichen Geistes. 3. Manipulierer geistiger Energie. Die Manipulierer geistiger Energie sind eine fesselnde Gruppe. Genau gleich wie physische Energie gehorcht auch geistige Energie bestehenden Gesetzen. Das will heißen, dass man aus dem Studium der geistigen Kraft verlässliche Schlüsse ziehen und mit ihr in ebenso genauer Weise verfahren kann wie mit der physischen Energie. In der geistigen Welt herrschen genauso sichere und verlässliche Gesetze wie in den materiellen Reichen. Während der vergangenen paar Jahrmillionen haben diese Forscher, welche die fundamentalen, die geistige Energie beherrschenden Gesetze des Ewigen Sohnes in ihrer Anwendung auf morontielle und andere Universumsordnungen himmlischer Wesen studieren, viele verbesserte Techniken zur Absorption geistiger Energie entwickelt. 4. Die Manipulierer gemischter Energien. Das ist die abenteuerliche Gruppe von sehr erfahrenen Wesen, die sich dem Zusammenwirken der drei Urphasen göttlicher Energie verschrieben haben, die sich in den Universen als physische, mentale und geistige Energie manifestieren. Es sind leidenschaftlich forschende Persönlichkeiten, die in Wahrheit die universale Präsenz des Supremen Gottes zu entdecken suchen, da in dieser Persönlichkeit der Gottheit die erfahrungsmäßige Einigung der ganzen Göttlichkeit des Großen Universums geschehen muss. Und bis zu einem gewissen Grad sind diese Künstler in neuerer Zeit ziemlich erfolgreich gewesen. 5. Die Transportberater. Dieses Korps technischer Berater der Transportseraphim ist äußerst erfahren im Festlegen von Reiserouten in Zusammenarbeit mit den Sternforschern, und auch den Transportleitern stehen sie auf den Welten des Raums helfend zur Seite. Sie sind die Überwacher des Sphärenverkehrs, und man findet sie auf allen bewohnten Planeten. Auf Urantia dient ein Korps von siebzig Tranportberatern. 6. Die Sachverständigen für Kommunikation. Ebenso dienen auf Urantia zwölf Techniker interplanetarischer und interuniverseller Kommunikation. Diese Wesen haben eine lange Erfahrung hinter sich und beherrschen die Übermittlungs- und Interferenzgesetze in deren Anwendung auf die Kommunikation zwischen den Welten. Dieses Korps beschäftigt sich mit allen Arten von Raumbotschaften mit Ausnahme jener der Gravitations- und Einsamen Botschafter. Auf Urantia muss sich ihr Wirken hauptsächlich über den Kreislauf der Erzengel abspielen. 7. Die Lehrer der Ruhe. Göttliche Ruhe geht einher mit der Technik der Aufnahme geistiger Energie. Morontielle und geistige Energie müssen ebenso sicherlich wieder aufgefüllt werden wie physische Energie, aber nicht aus denselben Gründen. In meinem Bemühen, euch aufzuklären, muss ich notgedrungen zu groben Vergleichen Zuflucht nehmen, aber es ist tatsächlich so, dass wir Bewohner der geistigen Welt von Zeit zu Zeit unsere regulären Aktivitäten unterbrechen und uns an geeignete Orte der Begegnung begeben müssen, wo wir in die göttliche Ruhe eingehen und unsere erschöpften Energien wieder zurückgewinnen. Ihr werdet eure ersten Lektionen in diesen Dingen erhalten, wenn ihr, zu morontiellen Wesen geworden, die Residenzwelten erreicht und begonnen habt, in der Technik der geistigen Angelegenheiten Erfahrung zu sammeln. Ihr wisst um den innersten Kreis Havonas und dass die Pilger des Raums nach ihrer Durchquerung der vorausgehenden Kreise in die lange und wiederbelebende Ruhe des Paradieses eingehen müssen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine technische Erfordernis des Übergangs von der Laufbahn der Zeit zum Dienst in der Ewigkeit, sondern auch um eine Notwendigkeit, eine Form des Ruhens, um die mit den letzten Schritten der aufsteigenden Erfahrung verbundenen Energieverluste wettzumachen und um geistige Machtreserven für den nächsten Abschnitt der endlosen Laufbahn zu speichern. Diese Energiemanipulierer wirken noch auf hunderterlei andere, aber zu zahlreiche Arten, um hier aufgeführt werden zu können. Eine davon betrifft die Seraphim, Cherubim und Sanobim, mit denen sie sich hinsichtlich der wirkungsvollsten Arten, Energie aufzunehmen, beraten, und wie diese das nützlichste Gleichgewicht zwischen den divergierenden Kräften der aktiven Cherubim und passiven Sanobim aufrechterhalten können. Auf noch manch andere Weise stehen diese Sachverständigen den morontiellen und geistigen Geschöpfen bei ihren Bemühungen um das Verständnis der göttlichen Ruhe bei, die so unerlässlich zur wirkungsvollen Nutzung der fundamentalen Raumenergien ist. ***** 44.6 Die Entwerfer und Verschönerer ***** Wenn ich doch nur wüsste, wie ich die erlesene Arbeit dieser einzigartigen Künstler beschreiben könnte! Jeder meiner Versuche, das Werk geistiger Verschönerung erklären zu wollen, würde eurem materiellen Verstand nur eure eigenen kläglichen, wenn auch verdienstvollen Anstrengungen, diese Dinge auf eurer mentalen und materiellen Welt zu vollbringen, in Erinnerung rufen. Dieses Korps zählt zwar über eintausend Unteraktivitäten, zerfällt aber in die folgenden sieben Hauptkategorien: 1. Die Kunsthandwerker der Farbe. Sie sind es, die ihre köstlichen Botschaften harmonischer Schönheit in den zehntausend Farbtönen geistiger Spiegelung ertönen lassen. Außer der Farbwahrnehmung existiert in menschlicher Erfahrung nichts diesen Aktivitäten Vergleichbares. 2. Die Tonzeichner. Geistige Wellen verschiedener Identität und morontieller Würdigung werden von diesen Entwerfern dessen, was ihr Töne nennen würdet, gezeichnet. Diese Impulse sind in Wahrheit die wunderbaren Widerspiegelungen der unverhüllten, herrlichen Geistseelen der himmlischen Heerscharen. 3. Die Zeichner der Gefühle. Diese Verstärker und Bewahrer der Gemütsbewegungen halten die morontiellen Gefühle und göttlichen Emotionen fest, damit die Kinder der Zeit sie studieren, sich daran erbauen können und morontielle Fortschreitende und vorrückende Geister durch sie inspirierter und schöner werden. 4. Die Geruchskünstler. Der Vergleich himmlischer Geistaktivitäten mit der physischen Wahrnehmung chemischer Gerüche ist allerdings unglücklich, aber die Sterblichen Urantias könnten diesen Dienst schwerlich mit einem anderen Namen bezeichnen. Diese Künstler komponieren ihre verschiedenen Symphonien zur Erbauung und zum Entzücken der voranschreitenden Kinder des Lichts. Ihr besitzt auf Erden nichts, womit diese Art geistiger Größe auch nur entfernt verglichen werden könnte. 5. Die Verschönerer persönlicher Gegenwart. Diese Künstler geben sich nicht mit den Kunstgriffen eigener Schmückung oder mit der Technik der Geschöpfesverschönerung ab. Sie widmen sich der Erzielung mannigfaltiger und freudiger individueller Reaktionen morontieller und geistiger Geschöpfe, indem sie in gemischten Ensembles dieser verschiedenartigen Wesen die Bedeutung ihrer Beziehungen durch die wertenden Positionen dramatisch in Szene setzen, die sie diesen verschiedenen morontiellen und geistigen Ordnungen zuweisen. Diese Künstler stellen übermaterielle Wesen in der Art zusammen, wie ihr mit lebendigen Musiknoten, Düften oder Anblicken verfahren würdet, und lassen aus der Mischung glorreiche Hymnen entstehen. 6. Die Förderer des guten Geschmacks. Aber wie könnte man euch von diesen Künstlern erzählen! Ich möchte nur leise andeuten, dass sie den morontiellen guten Geschmack verbessern und auch für die Zunahme des Schönheitssinns kämpfen, indem sie die in Entwicklung begriffenen geistigen Sinne schärfen. 7. Die morontiellen Zusammenfasser. Das sind die Meisterkünstler, die am morontiellen Ganzen die letzten krönenden Striche anbringen, nachdem alle anderen ihren Beitrag geleistet haben, und dadurch eine inspirierende Darstellung des göttlich Schönen erreichen, eine dauernde Inspiration der geistigen Wesen und ihrer morontiellen Gefährten. Aber ihr müsst die Befreiung von eurem tierischen Körper abwarten, bevor ihr beginnen könnt, euch eine Vorstellung von der künstlerischen Herrlichkeit und ästhetischen Schönheit der morontiellen und geistigen Welten zu machen. ***** 44.7 Die Harmoniearbeiter ***** Diese Künstler geben sich nicht, wie ihr vermuten könntet, mit Musik, Malerei oder Ähnlichem ab. Sie beschäftigen sich mit der Manipulierung und Organisierung spezialisierter Kräfte und Energien, die in der geistigen Welt vorhanden sind, aber von den Sterblichen nicht wahrgenommen werden. Hätte ich nur die leiseste Vergleichsmöglichkeit, so würde ich versuchen, diesen einzigartigen Bereich geistigen Vollbringens zu schildern, aber ich verzweifle daran - es besteht keine Hoffnung, menschlichem Denken diese Sphäre himmlischen Künstlertums nahe zu bringen. Trotzdem kann ich, was nicht beschrieben werden kann, durchblicken lassen: Schönheit, Rhythmus und Harmonie sind intellektuell miteinander verknüpft und geistig verwandt. Wahrheit, Tatsachen und Beziehungen sind intellektuell nicht zu trennen, und sie sind mit der philosophischen Vorstellung von Schönheit verbunden. Güte, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit stehen philosophisch in Wechselbeziehung und sind geistig eng an lebendige Wahrheit und göttliche Schönheit gebunden. Handle es sich nun um die Vorstellungen wahrer Philosophie, um die Darstellungen himmlischen Künstlertums oder um die Versuche der Sterblichen, ihrer Wahrnehmung göttlicher Schönheit Ausdruck zu verleihen, sie können niemals wahrhaft befriedigend ausfallen, solange das betreffende Geschöpf in seinem Vorwärtsstreben nicht geeint ist. All diese Ausdrucksweisen des göttlichen Antriebs, der im sich entwickelnden Geschöpf wohnt, mögen dann vielleicht intellektuell wahr, gefühlsmäßig schön und geistig gut sein; aber der wahrhaft beseelte Ausdruck bleibt abwesend, solange in der Lebenserfahrung des Künstlers, Wissenschaftlers oder Philosophen die Realitäten der Wahrheit nicht mit den Bedeutungen der Schönheit und den Werten der Güte geeint worden sind. Diese göttlichen Eigenschaften sind in Gott vollkommen und absolut geeint. Und jeder Mensch oder Engel, der Gott kennt, besitzt das Potential unbegrenzten Selbstausdrucks auf immer fortschreitenden Ebenen geeinter Selbstverwirklichung durch die Technik der nie endenden Vollbringung der Gottähnlichkeit - besitzt das Potential zu einer durch evolutionäre Erfahrung erworbenen Verschmelzung ewiger Wahrheit, universeller Schönheit und göttlicher Güte. ***** 44.8 Bestrebungen der Sterblichen und morontielle Leistungen ***** Obwohl die himmlischen Künstler nicht persönlich auf materiellen Welten wie Urantia arbeiten, kommen sie doch von Zeit zu Zeit von den Systemhauptsitzen her, um einzelnen natürlich Begabten der sterblichen Rassen Hilfe zu leisten. Wenn sie einen solchen Auftrag erfüllen, arbeiten sie vorübergehend unter der Aufsicht der planetarischen Engel des Fortschritts. Seraphische Heerscharen und himmlische Künstler versuchen gemeinsam, sterblichen Künstlern beizustehen, die angeborene Gaben besitzen und auch über Justierer mit besonderer früherer Erfahrung verfügen. Es gibt drei mögliche Quellen besonderer menschlicher Fertigkeiten: Die Grundlage bildet immer die natürliche oder angeborene Begabung. Besondere Fähigkeiten sind nie eine willkürliche Gabe der Götter; jedes außergewöhnliche Talent hat stets einen entsprechenden Ahnenhintergrund. Zusätzlich zu einer solch natürlichen Begabung, oder besser sie ergänzend, kann der führende Beitrag des Gedankenjustierers bei all jenen kommen, deren innere Justierer bereits auf anderen Welten und mit anderen sterblichen Geschöpfen tatsächliche echte Erfahrungen in dieser Richtung gemacht haben. In den Fällen, wo sowohl der menschliche Intellekt als auch der innewohnende Justierer außergewöhnlich fähig sind, können die geistigen Künstler damit beauftragt werden, in harmonisierender Weise auf beide Talente einzuwirken und solche Sterbliche auch anderswie zu begleiten und dazu zu inspirieren, unablässig nach höheren Idealen zu streben und deren gesteigerten Ausdruck zur Erbauung der Welt zu versuchen. In den Reihen der geistigen Künstler gibt es keine Kasten. Es spielt keine Rolle, von wie weit unten ihr herkommt; wenn ihr Gewandtheit und die Gabe des Ausdrucks besitzt, werdet ihr entsprechend anerkannt und gebührend gewürdigt werden, während ihr über die Stufen morontieller Erfahrung und geistigen Vollbringens aufsteigt. Es kann keine Behinderung durch menschliche Heredität noch irgendwelchen Mangel des menschlichen Umfeldes geben, die während der morontiellen Laufbahn nicht vollständig kompensiert und zum Verschwinden gebracht werden könnten. Und alle Befriedigungen künstlerischen Vollbringens und ausdrucksvoller Selbstverwirklichung werden euch während eures allmählichen Vorrückens aus euren eigenen persönlichen Anstrengungen zuteil werden. Das Verlangen des mittelmäßig begabten evolutionären Menschen kann sich jetzt endlich verwirklichen. Die Götter teilen zwar an die Kinder der Zeit nicht willkürlich Talente und Fähigkeiten aus, aber sie sorgen dafür, dass all ihre edlen Sehnsüchte Befriedigung erfahren werden und aller menschliche Hunger nach himmlischem Selbstausdruck gestillt werden wird. Indessen sollte sich jedes menschliche Wesen an dies erinnern: Mancher Drang, sich auszuzeich-nen, der viele Sterbliche während ihres Lebens peinigt, wird sich verflüchtigen, wenn dieselben Sterblichen auf ihrem morontiellen und geistigen Weg voranschreiten. Die aufsteigenden Morontianer lernen, ihr ehemaliges rein eigensüchtiges Begehren und ihre egoistischen Ambitionen zu sozialisieren. Aber wenn ihr jene Dinge, nach denen euch auf Erden so sehnlichst verlangte und die euch die Umstände so hartnäckig verweigerten, immer noch tun möchtet, nachdem ihr in eurer morontiellen Laufbahn wahre Mota-Erkenntnis gewonnen habt, wird euch höchst gewiss jede Gelegenheit geboten werden, eure langgehegten Wünsche zu befriedigen. Bevor die aufsteigenden Sterblichen das Lokaluniversum verlassen, um mit ihrer geistigen Laufbahn zu beginnen, wird jede intellektuelle, künstlerische und gesellschaftliche Sehnsucht oder wahre Ambition gestillt worden sein, die je ihre sterbliche oder morontielle Existenzebene kennzeichnete. Das bedeutet, dass hinsichtlich befriedigten Selbstausdrucks und befriedigter Selbstverwirklichung Gleichheit erreicht worden ist, nicht aber, dass ein identischer erfahrungsmäßiger Status oder eine vollständige Auslöschung charakteristischer Individualität in Begabung, Technik und Ausdruck eingetreten wäre. Um das neue geistige Gefälle im persönlichen erfahrungsmäßigen Vollbringen vollständig zu nivellieren und auszugleichen, müsst ihr warten, bis ihr den letzten Kreis der Havona-Laufbahn vollendet habt. Und dann werdet ihr euch als Bewohner des Paradieses der Notwendigkeit gegenüber sehen, euch auf das absonite Gefälle in persönlicher Erfahrung einzustellen, das einzig dadurch eingeebnet werden kann, dass man als Gruppe den ultimen Geschöpfesstatus erreicht - die Bestimmung der sterblichen Finalisten als Geistwesen der siebenten Stufe. Das ist die Geschichte der himmlischen Künstler, jenes kosmopolitischen Körpers auserlesener Arbeiter, die mit ihren künstlerischen Interpretationen der göttlichen Schönheit der Paradies-Schöpfer so sehr zur Herrlichkeit der architektonischen Sphären beitragen. [Verfasst durch einen Erzengel von Nebadon.] ****** Kapitel 45 Die Verwaltung des Lokalsystems ****** DAS Verwaltungszentrum Satanias besteht aus einer Ansammlung von siebenundfünfzig architektonischen Sphären - aus Jerusem selber, seinen sieben Hauptsatelliten und neunundvierzig Untersatelliten. Jerusem, die Systemkapitale, ist etwa hundertmal so groß wie Urantia, obwohl seine Gravitation um ein Weniges geringer ist. Die Hauptsatelliten Jerusems sind die sieben Übergangswelten. Jede von ihnen ist etwa zehnmal so groß wie Urantia, während die sieben Untersatelliten gerade etwa seine Größe haben. Die sieben Residenzwelten sind die sieben Untersatelliten der Übergangswelt Nummer eins. Das ganze System der siebenundfünfzig architektonischen Welten wird durch das koordinierte Wirken der Machtzentren und Physischen Hauptüberwacher Satanias unabhängig belichtet, beheizt, bewässert und mit Energie versorgt gemäß der bestehenden Technik physischer Organisation und Planung dieser eigens erschaffenen Sphären. Und die einheimischen Spornagia sorgen sich um ihren physischen Aspekt und unterhalten sie noch in anderer Weise. ***** 45.1 Die kulturellen Übergangswelten ***** Die sieben Jerusem umkreisenden Hauptwelten nennt man im Allgemeinen die kulturellen Übergangswelten. Ihre Lenker werden von Zeit zu Zeit durch den höchsten Regierungsrat Jerusems ernannt. Diese Sphären tragen folgende Nummern und Namen: Nummer 1. Die Welt der Finalisten. Das ist das Hauptquartier des Finalistenkorps des Lokalsystems. Es ist umgeben von den Empfangswelten, den sieben Residenzwelten, die so vollständig auf den Aufstiegsplan der Sterblichen ausgerichtet sind. Die Welt der Finalisten ist für die Bewohner aller sieben Residenzwelten zugänglich. Transportseraphim begleiten die aufsteigenden Persönlichkeiten hin und zurück auf diesen Pilgerfahrten, die den Zweck verfolgen, den Glauben der sich im Übergang befindlichen Sterblichen an ihre ultime Bestimmung zu festigen. Obwohl morontielles Sehvermögen die Finalisten und ihre Gebäude normalerweise nicht wahrnehmen kann, werdet ihr elektrisiert sein, wenn die Energieumwandler und Morontiellen Machtüberwacher euch von Zeit zu Zeit befähigen werden, einen flüchtigen Blick auf diese hohen Geistpersönlichkeiten zu werfen, die tatsächlich den Aufstieg zum Paradies bewältigt haben und auf die Welten, wo ihr jetzt eure lange Reise beginnt, zurückgekehrt sind als sichere Bürgen dafür, dass auch ihr fähig seid, dieses unerhörte Unternehmen erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Alle vorübergehenden Bewohner der Residenzwelten begeben sich mindestens einmal im Jahr auf die Finalistensphäre, um bei diesen Zusammenkünften der Finalisten ansichtig zu werden. Nummer 2. Die Morontielle Welt. Dieser Planet ist das Hauptquartier der Leiter des moron-tellen Lebens, und er ist umringt von den sieben Sphären, auf denen die morontiellen Vorgesetzten ihre Mitarbeiter und Helfer, sowohl morontielle Wesen wie aufsteigende Sterbliche, unterweisen. Auf eurem Weg durch die sieben Residenzwelten werdet ihr euch auch auf diesen kulturellen und sozialen Sphären wachsenden morontiellen Kontaktes weiterentwickeln. Wenn ihr von der ersten zur zweiten Residenzwelt vorrückt, erhaltet ihr das Besuchsrecht auf dem Übergangshauptsitz Nummer zwei, der morontiellen Welt, und so weiter. Und wenn ihr euch auf einer dieser sechs kulturellen Sphären befindet, könnt ihr euch auf Einladung auch als Besucher und Beobachter auf irgendeine der sieben sie umringenden Welten verwandter Gruppenaktivitäten begeben. Nummer 3. Die Welt der Engel. Das ist das Hauptquartier aller im System tätigen seraphischen Heerscharen, und sie wird von den sieben Schulungs- und Ausbildungswelten der Engel umringt. Das sind die gesellschaftlichen Sphären der Seraphim. Nummer 4. Die Welt der Überengel. Diese Sphäre ist die Satania-Heimat der Leuchtenden Abendsterne und einer gewaltigen Menge von koordinierten oder nahezu koordinierten Wesen. Die sieben Satelliten dieser Welt sind den sieben Hauptgruppen dieser ungenannten himmlischen Wesen vorbehalten. Nummer 5. Die Welt der Söhne. Dieser Planet ist das Hauptquartier der göttlichen Söhne aller Ordnungen einschließlich der durch Geschöpfe trinitisierten Söhne. Die sieben ihn umringenden Welten widmen sich bestimmten individuellen Gruppen dieser göttlich verwandten Söhne. Nummer 6. Die Welt des Geistes. Diese Sphäre dient den hohen Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes als System-Treffpunkt. Die sieben sie umgebenden Satelliten sind individuellen Gruppen dieser verschiedenen Ordnungen zugewiesen. Aber auf der Übergangswelt Nummer sechs gibt es keine Vertretung des Geistes, noch kann man eine solche Gegenwart auf den Systemkapitalen ausfindig machen; die Göttliche Ministerin von Salvington ist überall in Nebadon anwesend. Nummer 7. Die Welt des Vaters. Das ist die stille Sphäre des Systems. Keine Gruppe von Wesen hat hier ihren Wohnsitz. Der große Tempel des Lichts ist an zentraler Stelle gelegen, aber niemand kann darin wahrgenommen werden. Alle Wesen aus dem ganzen System sind hier zur Andacht eingeladen. Die sieben die Welt des Vaters umringenden Satelliten dienen in den verschiedenen Systemen verschiedenen Zwecken. In Satania benutzt man sie gegenwärtig als Haftsphären für die internierten Gruppen der Rebellion Luzifers. Edentia, die Konstellationskapitale, verfügt über keine derartigen Gefängniswelten; die wenigen Seraphim und Cherubim, die bei der Rebellion Satanias zu den Aufrührern übergingen, sind seit langem auf diesen Isolationswelten Jerusems inhaftiert. Während eures Aufenthaltes auf der siebenten Residenzwelt habt ihr Zutritt zu der siebenten Übergangswelt, der Sphäre des Universalen Vaters, und ebenfalls die Erlaubnis, die diesen Planeten umringenden Gefängniswelten zu besuchen, auf denen jetzt Luzifer und die Mehrzahl der Persönlichkeiten festgehalten werden, die ihm bei seiner Auflehnung gegen Michael folgten. Man hat dieses traurige Schauspiel während der jüngst vergangenen Zeitalter betrachten können, und es wird weiterhin ganz Nebadon als feierliche Warnung dienen, bis die Ältesten der Tage ihr Urteil in der Angelegenheit der Sünde Luzifers und seiner gefallenen Mitarbeiter sprechen, welche die ihnen von Michael, ihrem Universumsvater, angebotene Rettung zurückgewiesen haben. ***** 45.2 Der Souverän des Systems ***** Der Regierungschef eines Lokalsystems bewohnter Welten ist ein primärer Lanonandek-Sohn, der Souverän des Systems. In unserem Lokaluniversum sind diese Souveräne mit großen Regierungsverantwortlichkeiten, mit ungewöhnlichen persönlichen Vorrechten, ausgestattet. Selbst in ganz Orvonton besitzen nicht alle Universen eine derartige Organisation, die dem persönlichen Ermessen der Systemsouveräne bei der Lenkung der Systemangelegenheiten so außergewöhnlich weitgehende Befugnisse einräumt. Aber in der ganzen Geschichte Nebadons haben sich diese so unbehindert Regierenden nur dreimal untreu verhalten. Luzifers Rebellion im System von Satania war die letzte und ausgedehnteste von allen. Selbst nach dieser verheerenden Auflehnung wurden in Satania an der Technik der Systemverwaltung auch nicht die geringsten Änderungen vorgenommen. Der gegenwärtige Systemsouverän besitzt die ganze Macht und übt die ganze Autorität aus, über die schon sein unwürdiger Vorgänger verfügt hatte, wenn man von gewissen Angelegenheiten absieht, die jetzt der Leitung der Konstellationsväter anvertraut sind und die die Ältesten der Tage noch nicht wieder an Lanaforge, den Nachfolger Luzifers, zurückgegeben haben. Das gegenwärtige Oberhaupt Satanias ist ein gütiger, hervorragender Herrscher und ein Souverän, der anlässlich einer Rebellion auf die Probe gestellt wurde. Als im Universum von Nebadon eine frühere Erhebung ausbrach, diente Lanaforge als assistierender Systemsouverän und hielt Michael die Treue. Dieser mächtige und glänzende Herr von Satania ist ein erfahrener und geprüfter Verwalter. Als sein Systemsouverän strauchelte und in die Finsternis fiel und dadurch die zweite Rebellion eines Systems in Nebadon auslöste, ergriff Lanaforge, der erste Assistent des verirrten Herrschers, die Regierungszügel und wusste die Angelegenheiten des Systems so zu lenken, dass auf den Hauptwelten und bewohnten Planeten dieses unglücklichen Systems vergleichsweise wenig Persönlichkeiten verloren gingen. Lanaforge hat sich als einziger primärer Lanonandek-Sohn ganz Nebadons dadurch ausgezeichnet, dass er Michael angesichts der Verfehlung seines ranghöheren und mit größerer Autorität ausgestatteten Bruders auf diese Art und Weise treu diente. Lanaforge wird wahrscheinlich solange nicht von Jerusem wegversetzt werden, als nicht alle Auswirkungen der einstigen Verrücktheit überwunden und in Satania alle Folgen der Rebellion ausgeräumt sind. Obwohl noch nicht alle Angelegenheiten der isolierten Welten Satanias in seinen Zuständigkeitsbereich zurückgekehrt sind, nimmt Lanaforge an ihrem Wohl großen Anteil, und er stattet Urantia häufige Besuche ab. Wie in anderen, aber normalen Systemen leitet der Souverän den Systemrat der Weltenherrscher - der Planetarischen Fürsten und der residierenden Generalgouverneure der isolierten Welten. Dieser planetarische Rat versammelt sich von Zeit zu Zeit auf der Systemhauptwelt - "wenn die Söhne Gottes zusammenkommen". Einmal in der Woche, an jedem zehnten Tag Jerusems, kommt der Souverän zu einem Austausch mit einer Gruppe von den verschiedenen auf der Hauptwelt ansässigen Persönlichkeitsordnungen zusammen. Das sind die bezaubernd ungezwungenen Stunden Jerusems, und es sind unvergessliche Anlässe. Auf Jerusem herrscht größte Brüderlichkeit zwischen all den verschiedenen Wesensordnungen und zwischen jeder dieser Gruppen und dem Souverän des Systems. Diese einzigartigen Zusammenkünfte werden auf dem Glasmeer, dem großen Begegnungsfeld der Systemkapitale, abgehalten. Es sind rein gesellige und geistige Anlässe; weder die planetarische Verwaltung noch den aufsteigenden Plan Betreffendes wird hier je gestreift. Die aufsteigenden Sterblichen kommen bei dieser Gelegenheit einzig um der Freude willen zusammen und um ihre Jerusem-Gefährten zu treffen. Die Gruppen, die in diesen allwöchentlichen Augenblicken der Entspannung nicht Gäste des Souveräns sind, treffen sich in ihren eigenen Hauptquartieren. ***** 45.3 Die Regierung des Systems ***** Der Regierungschef eines Lokalsystems, der Systemsouverän, wird immer von zwei oder drei Lanonandek-Söhnen unterstützt, die als erste und zweite Assistenten funktionieren. Aber gegenwärtig wird das System von Satania durch einen Stab von sieben Lanonandeks verwaltet: 1. Der Systemsouverän - Lanaforge, Nummer 2 709 der primären Ordnung und Nachfolger des abtrünnigen Luzifer. 2. Der erste assistierende Souverän - Mansurotia, Nummer 17 841 der tertiären Lanonandeks. Er wurde zusammen mit Lanaforge nach Satania abbeordert. 3. Der zweite assistierende Souverän - Sadib, Nummer 271 402 der tertiären Ordnung. Auch Sadib kam zusammen mit Lanaforge nach Satania. 4. Der Wächter des Systems - Holdant, Nummer 19 des tertiären Korps, der alle internierten Geistwesen oberhalb der sterblichen Existenzordnung in Haft hält und beaufsichtigt. Auch Holdant kam mit Lanaforge nach Satania. 5. Der Archivar des Systems - Vilton, Sekretär des lanonandekschen Wirkens in Satania, Nummer 374 der dritten Ordnung. Vilton war ein Mitglied der ursprünglichen Gruppe um Lanaforge. 6. Der Selbsthingabe-Leiter - Fortant, Nummer 319 847 der Reserven der sekundären Lanonandeks und vorläufiger Leiter von allen seit Michaels Selbsthingabe auf Urantia nach Jerusem verpflanzten Aktivitäten. Fortant gehört seit neunzehnhundert Jahren urantianischer Zeit zum Stab Lanaforges. 7. Der hohe Berater - Hanavard, Nummer 67 der primären Lanonandek-Söhne und Mitglied des hohen Berater- und Koordinatorenkorps des Universums. Er amtet als Vorsitzender des exekutiven Rates Satanias. Hanavard ist der zwölfte dieser Ordnung, der seit der Rebellion Luzifers auf Jerusem in dieser Eigenschaft wirkt. Diese aus sieben Lanonandeks bestehende Exekutivgruppe stellt die erweiterte Notverwaltung dar, die sich aufdrängte, um der Rebellion Luzifers zu begegnen. Auf Jerusem gibt es nur kleinere Gerichtshöfe, da das System die Einheit der Verwaltung und nicht der Gerichtsbarkeit ist, aber die Verwaltung der Lanonandeks wird durch den exekutiven Rat Jerusems, den höchsten beratenden Körper Satanias, unterstützt. Dieser Rat besteht aus zwölf Mitgliedern: 1. Hanavard, der vorsitzende Lanonandek. 2. Lanaforge, der Systemsouverän. 3. Mansurotia, der erste assistierende Souverän. 4. Das Oberhaupt der Melchisedeks Satanias. 5. Der amtierende Leiter der Lebensbringer Satanias. 6. Das Oberhaupt der Finalisten Satanias. 7. Der ursprüngliche Adam Satanias, das leitende Oberhaupt der Materiellen Söhne. 8. Der Leiter der seraphischen Heerscharen Satanias. 9. Das Oberhaupt der physischen Überwacher Satanias. 10. Der Leiter der morontiellen Machtüberwacher des Systems. 11. Der amtierende Leiter der Mittler-Geschöpfe des Systems. 12. Das amtierende Haupt des Korps aufsteigender Sterblicher. Dieser Rat wählt periodisch drei Mitglieder, um das Lokalsystem im höchsten Rat am Universumshauptsitz zu vertreten, aber diese Vertretung ist wegen der Rebellion eingestellt. Satania hat jetzt am Hauptsitz des Lokaluniversums einen Beobachter; hingegen hat das System nach Michaels Selbsthingabe die Wahl von zehn Mitgliedern in die gesetzgebende Körperschaft Edentias wieder aufgenommen. ***** 45.4 Die Vierundzwanzig Berater ***** Im Zentrum der sieben Engelswohnkreise Jerusems befindet sich das Hauptquartier des beratenden Gremiums Urantias, der vierundzwanzig Berater. Johannes nannte sie in der Offenbarung die vierundzwanzig Ältesten: "Und rund um den Thron standen vierundzwanzig Sitze, und auf ihnen sah ich vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern sitzen." Der Thron in der Mitte dieser Gruppe ist der Richterstuhl des vorsitzenden Erzengels, der Thron des Auferstehungsappells der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit für ganz Satania. Dieser Richterstuhl befand sich immer auf Jerusem, aber die vierundzwanzig ihn umringenden Sitze wurden erst vor neunzehnhundert Jahren aufgestellt, bald nachdem Christus Michael zur vollen Souveränität über Nebadon erhoben worden war. Die vierundzwanzig Berater sind seine persönlichen Bevollmächtigten auf Jerusem, und sie sind befugt, den Meistersohn in allen Angelegenheiten, die die Namensappelle Satanias betreffen, und in vielen anderen Phasen des Aufstiegsplans der Sterblichen auf den isolierten Welten des Systems zu vertreten. Sie sind die Bevollmächtigten, die mit der Ausführung der besonderen Wünsche Gabriels und der außergewöhnlichen Verfügungen Michaels betraut sind. Die vierundzwanzig Berater wurden den acht Rassen Urantias entnommen, und die letzten Mitglieder wurden zur Zeit des Auferstehungsappells Michaels vor neunzehnhundert Jahren mit der Gruppe vereinigt. Dieses beratende Gremium Urantias setzt sich aus den folgenden Mitgliedern zusammen: 1. Onagar, der überragende Denker des dem Planetarischen Fürsten vorangegangenen Zeitalters, der seine Gefährten zur Anbetung des "Atemspenders" führte. 2. Mansant, der große Lehrer des auf den Planetarischen Fürsten folgenden Zeitalters Urantias, der seine Gefährten zur Verehrung des "Großen Lichts" anhielt. 3. Onamonalonton, ein sehr früher Führer der roten Menschen, der seine Rasse von der Vielgötterei zur Verehrung des "Großen Geistes" brachte. 4. Orlandof, ein Fürst der blauen Menschen, der sie zur Anerkennung der Göttlichkeit des "höchsten Chefs" führte. 5. Porschunta, der Prophet der erloschenen orangen Rasse und Führer dieses Volkes in der Anbetung des "Großen Lehrers". 6. Singlangton, der erste der gelben Menschen, der sein Volk in der Anbetung der "Einen Wahrheit" anstelle von vielen unterwies und führte. Vor Tausenden von Jahren wussten die gelben Menschen um den einen Gott. 7. Fantad, der Befreier der grünen Menschen von Dunkelheit und ihr Führer in der Verehrung der "Einen Quelle des Lebens". 8. Orvonon, der Erleuchter der indigoblauen Rassen und ihr Führer beim einstigen Dienst am "Gott der Götter". 9. Adam, der diskreditierte, aber rehabilitierte planetarische Vater Urantias, ein Materieller Sohn Gottes, der zum sterblichen Dasein abstieg, aber fortlebte und später auf Anweisung Michaels in diese Stellung erhoben wurde. 10. Eva, die Mutter der violetten Rasse Urantias, die mit ihrem Lebensgefährten die Strafe für die Verfehlung verbüßte, mit ihm rehabilitiert und zum Dienst in dieser Gruppe fortlebender Sterblicher bestimmt wurde. 11. Enoch, der erste Sterbliche Urantias, der noch zu Lebzeiten mit seinem Gedankenjustierer fusionierte. 12. Moses, der Befreier eines Überrests der untergegangenen violetten Rasse und die Triebfeder eines Wiederauflebens der Anbetung des Universalen Vaters unter dem Namen "Der Gott Israels". 13. Elia, eine während des auf den Materiellen Sohn folgenden Zeitalters entrückte Seele, die eine strahlende Geistigkeit erreicht hatte. 14. Machiventa Melchisedek, der einzige Sohn seiner Ordnung, der sich an die Rassen Urantias hingegeben hat. Obwohl er immer noch zu den Melchisedeks zählt, ist er "für immer ein Diener der Allerhöchsten" geworden, indem er für alle Zeiten die Aufgabe übernommen hat, als aufsteigender Sterblicher zu dienen, nachdem er in Abrahams Tagen in menschlicher Gestalt zu Salem auf Urantia geweilt hatte. Dieser Melchisedek wurde später zum stellvertretenden Planetarischen Fürsten Urantias mit Sitz in Jerusem proklamiert. Er hat die Machtbefugnis, im Namen Michaels zu handeln, welcher der tatsächliche Planetarische Fürst der Welt ist, auf der er seine letzte Selbsthingabe in Menschengestalt lebte. Dessenungeachtet wird Urantia immer noch durch einander ablösende residierende Generalgouverneure aus den Reihen der vierundzwanzig Berater geleitet. 15. Johannes der Täufer, der Vorbote der Sendung Michaels auf Urantia und ein entfernter leiblicher Vetter des Menschensohns. 16. 1-2-3 der Erste, der Führer der treugebliebenen Mittler-Geschöpfe im Dienste Gabriels zur Zeit des Verrats Caligastias. Bald nach Antritt seiner unbeschränkten Souveränität erhob Michael ihn in diese Stellung. Diese ausgewählten Persönlichkeiten sind auf Gabriels Ersuchen einstweilen von der für Aufsteiger geltenden Regelung ausgenommen, und wir haben keine Ahnung, wie lange sie noch in dieser Eigenschaft dienen werden. Die Sitze Nummer 17, 18, 19 und 20 sind nicht dauernd besetzt. Sie werden durch einstimmige Übereinkunft der sechzehn permanenten Mitglieder vorübergehend vergeben und für eine spätere Zuweisung an aufsteigende Sterbliche des gegenwärtigen, auf den Sohn der Selbsthingabe folgenden Zeitalters Urantias freigehalten. Auch die Nummern 21, 22, 23 und 24 sind nur vorübergehend besetzt und werden aufgehoben für die großen Lehrer kommender Zeitalter, die ohne Zweifel auf das jetzige folgen werden. Man muss sich auf Urantia in Gedanken auf die Ären der Richtersöhne und der Lehrersöhne und auf die Zeitalter des Lichts und Lebens einstellen, ganz abgesehen von unverhofften Besuchen göttlicher Söhne, die stattfinden können oder auch nicht. ***** 45.5 Die Materiellen Söhne ***** Die großen Abteilungen des himmlischen Lebens einschließlich der verschiedenen Ordnungen göttlicher Söhne, hoher Geiste, der Überengel, Engel und Mittler-Geschöpfe haben ihre Hauptquartiere und immensen geschlossenen Bezirke auf Jerusem. Das zentrale Gebäude dieses wundervollen Sektors ist der Haupttempel der Materiellen Söhne. Die Domäne der Adame ist für alle Neuankömmlinge auf Jerusem der Hauptanziehungspunkt. Es ist ein riesiger Bezirk, der eintausend Zentren umfasst, obwohl jede Familie Materieller Söhne und Töchter auf einem eigenen Gut bis zu der Zeit lebt, da ihre Mitglieder zum Dienst auf einer evolutionären Welt des Raums aufbrechen oder die zum Paradies hinanführende Laufbahn antreten. Die Materiellen Söhne sind der höchste Typus von sich geschlechtlich fortpflanzenden Wesen, die man auf den Schulungswelten der sich entwickelnden Universen antreffen kann. Und sie sind wirklich materiell; auch die Planetarischen Adame und Evas sind für die sterblichen Rassen der bewohnten Welten voll sichtbar. Die Materiellen Söhne sind das letzte und physische Glied in der Persönlichkeitskette, die sich von der Göttlichkeit und Vollkommenheit in der Höhe bis hinunter zur Menschheit und zur materiellen Existenz erstreckt. In diesen Söhnen erhalten die bewohnten Welten ein nach zwei Seiten hin kontaktfähiges Bindeglied zwischen dem unsichtbaren Planetarischen Fürsten und den materiellen Geschöpfen der Welten. Bei der letzten, alle tausend Jahre vorgenommenen Zählung auf Salvington wurden in Nebadon 161 432 840 Materielle Söhne und Töchter mit dem Status von Bürgern der Hauptwelten der Lokalsysteme registriert. Die Anzahl Materieller Söhne schwankt von System zu System und ihre Zahl nimmt durch natürliche Fortpflanzung dauernd zu. Bei der Ausübung ihrer Zeugungsfunktionen lassen sie sich nicht einzig von ihren persönlichen Wünschen, sondern auch von den höheren regierenden Körperschaften und Beiräten leiten. Die Materiellen Söhne und Töchter sind die ständigen Bewohner Jerusems und der mit diesem verbundenen Welten. Sie bewohnen auf Jerusem riesige Güter, und sie beteiligen sich in hohem Maße an der lokalen Verwaltung der Hauptsphäre, indem sie sich mit Unterstützung der Mittler und Aufsteiger praktisch aller laufenden Angelegenheiten annehmen. Auf Jerusem haben diese fortpflanzungsfähigen Söhne die Erlaubnis, in Anlehnung an die Melchisedeks mit den Idealen der Selbstregierung zu experimentieren, und sie haben einen sehr hoch stehenden Gesellschaftstyp entwickelt. Die höheren Sohnesordnungen behalten sich auf Jerusem die Ausübung des Vetorechts vor, aber in fast jeder Hinsicht regieren sich die Adamiten Jerusems durch allgemeines Wahlrecht und parlamentarische Regierung selber. Sie hoffen, dass ihnen eines Tages praktisch vollständige Autonomie zugestanden werden wird. Die Art des Dienstes der Materiellen Söhne wird weitgehend durch ihr Alter bestimmt. Zwar ist ihnen die Zulassung zu der Melchisedek-Universität Salvingtons verwehrt - da sie materiell sind und im Allgemeinen auf bestimmte Planeten beschränkt -, aber die Melchisedeks unterhalten auf der Hauptwelt jedes Systems bedeutende Lehrkörper zur Ausbildung der jüngeren Generationen Materieller Söhne. Die erzieherischen und geistigen Schulungssysteme, die zur Entwicklung der jüngeren Materiellen Söhne und Töchter angeboten werden, sind, was geistigen Horizont, Technik und praktische Anwendung anbelangt, der Gipfel der Vollkommenheit. ***** 45.6 Adamische Schulung der Aufsteiger ***** Die Materiellen Söhne und Töchter mit ihren Kindern sind ein gewinnender Anblick, der unfehlbar die Neugier aller aufsteigenden Sterblichen erregt und ihre Aufmerksamkeit fesselt. Sie sind euren eigenen materiellen geschlechtlichen Rassen so ähnlich, dass ihr beide viele gemeinsame Interessengebiete findet, um Gedankenaustausch zu pflegen und die Zeiten brüderlichen Kontaktes auszufüllen. Die fortlebenden Sterblichen verbringen einen großen Teil ihrer Freizeit in der Systemkapitale damit, Lebensgewohnheiten und Verhalten dieser höheren, halbphysischen und geschlechtlichen Geschöpfe zu beobachten und zu studieren, denn diese Bürger Jerusems sind die unmittelbaren Förderer und Mentoren der fortlebenden Sterblichen vom Augenblick an, da diese das Bürgerrecht auf der Hauptsitzwelt erlangen, bis zu ihrer Abreise nach Edentia. Auf den sieben Residenzwelten bietet sich den aufsteigenden Sterblichen reichlich Gelegenheit, für alle auf ihren Ursprungswelten je erlittenen erfahrungsmäßigen Entbehrungen entschädigt zu werden, seien diese der Vererbung, dem Umfeld oder einem unglücklichen vorzeitigen Abbruch der irdischen Laufbahn zuzuschreiben. Das stimmt in jeder Hinsicht außer für das Geschlechtsleben der Sterblichen und die mit diesem verbundenen Neuanpassungen. Tausende von Sterblichen kommen auf die Residenzwelten, ohne auf ihren Heimatwelten besonderen Nutzen aus der Selbstdisziplin gezogen zu haben, die leidlich durchschnittliche geschlechtliche Beziehungen mit sich bringen. Die Erfahrung der Residenzwelten gewährt ihnen kaum Gelegenheit, diese sehr persönlichen Mängel wettzumachen. Geschlechtliche Erfahrung in einem physischen Sinne ist für diese Aufsteiger vorüber, aber in enger Zusammenarbeit mit den Materiellen Söhnen und Töchtern, sowohl individuell als auch als Mitglieder ihrer Familien, werden diese Sterblichen mit mangelhafter geschlechtlicher Erfahrung in die Lage versetzt, die sozialen, intellektuellen, gefühlsmäßigen und geistigen Aspekte ihrer Unzulänglichkeit wettzumachen. Auf diese Weise wird hier in den Systemkapitalen all jenen Sterblichen, die auf den evolutionären Welten durch die Umstände oder durch ihr schlechtes Urteil um die Früchte einer vorteilhaften geschlechtlichen Beziehung gebracht worden sind, volle Gelegenheit geboten, diese wesentlichen Erfahrungen der Menschen in enger und liebevoller Verbindung mit den himmlischen adamischen Geschlechtswesen, den Dauerbürgern der Systemkapitalen, zu erwerben. Kein fortlebender Sterblicher, Mittler oder Seraph kann zum Paradies aufsteigen, den Vater erreichen und in das Finalitätskorps aufgenommen werden, es sei denn, er sei durch die sublime Erfahrung einer geglückten elterlichen Beziehung zu einem sich entwickelnden Weltenkind oder durch eine Erfahrung gegangen, die dieser ähnlich und gleichwertig ist. Die Eltern-Kind-Beziehung ist unabdinglich für die wesentliche Vorstellung vom Universalen Vater und seinen Universumskindern. Deshalb ist eine derartige Erfahrung für die erfahrungsmäßige Schulung aller Aufsteiger unerlässlich. Die aufsteigenden Mittler-Geschöpfe und die evolutionären Seraphim müssen diese elterliche Erfahrung in Verbindung mit den Materiellen Söhnen und Töchtern der Systemhauptwelten machen. Diese fortpflanzungsunfähigen Aufsteiger gewinnen die Erfahrung von Eltern, indem sie den Adamen und Evas Jerusems dabei helfen, ihre Kinder großzuziehen und zu schulen. Alle fortlebenden Sterblichen, die auf den evolutionären Welten keine Erfahrung als Eltern gehabt haben, müssen diese notwendige Schulung ebenfalls erwerben, während sie als elterliche Mitarbeiter der Materiellen Söhne Jerusems mit diesen großartigen Vätern und Müttern zusammenwohnen. Das trifft für alle Sterblichen außer jenen zu, die ihre Mängel bereits im Kinderheim des Systems wettzumachen vermochten, das sich auf der ersten kulturellen Übergangswelt Jerusems befindet. Dieses Probe-Kinderheim Satanias wird auf der Welt der Finalisten von bestimmten morontiellen Persönlichkeiten geführt. Eine Hälfte des Planeten ist diesem Werk des Großziehens der Kinder gewidmet. Hier werden gewisse Kinder fortlebender Sterblicher wie jene, die auf den evolutionären Welten starben, bevor sie als Einzelwesen einen geistigen Status erreicht hatten, empfangen und neu zusammengefügt. Der Aufstieg eines seiner natürlichen Elternteile ist die Garantie dafür, dass einem solchen sterblichen Weltenkind auf dem Finalistenplaneten des Systems die Neupersonifizierung zugestanden und ihm dort erlaubt wird, durch einen späteren freien Willensentscheid zu bekunden, ob es sich dafür entschließt, den elterlichen Weg aufsteigender Sterblicher einzuschlagen oder nicht. Von der Abwesenheit sexueller Differenzierung abgesehen, erscheinen die Kinder hier wie auf ihren Geburtswelten. Nach der Lebenserfahrung auf den bewohnten Welten gibt es keine Fortpflanzung der sterblichen Gattung mehr. Studierende der Residenzwelten, die eines oder mehrere Kinder im Probe-Kinderheim der Finalistenwelt haben und wesentlicher elterlicher Erfahrung ermangeln, können um eine Melchisedek-Bewilligung nachsuchen, die ihre vorübergehende Versetzung auf die Welt der Finalisten bewirkt, weg von den Aufgaben der Aufsteiger auf den Residenzwelten. Hier bietet sich ihnen Gelegenheit, für ihre eigenen und andere Kinder die Funktion von mitwirkenden Eltern auszuüben. Dieser Dienst elterlicher Fürsorge kann später auf Jerusem als Erfüllung der Hälfte jener Schulung angerechnet werden, deren Absolvierung in den Familien der Materiellen Söhne und Töchter von den Aufsteigern gefordert wird. Das Probe-Kinderheim selber wird von eintausend Paaren Materieller Söhne und Töchter, Freiwilligen ihrer Ordnung aus der Kolonie von Jerusem, geleitet. Ungefähr eine gleiche Zahl freiwilliger Midsoniter-Elternpaare steht ihnen unmittelbar zur Seite. Um diesen Dienst zu erweisen, schalten sie hier einen Halt ein auf ihrem Weg von der midsoniten Welt Satanias zu ihrer nicht offenbarten Bestimmung auf den besonderen, ihnen vorbehaltenen Welten unter den Finalistensphären Salvingtons. ***** 45.7 Die Melchisedek-Schulen ***** Die Melchisedeks sind die Leiter des gewaltigen Ausbilderkorps - bestehend aus teilweise vergeistigten Willensgeschöpfen und anderen - das auf Jerusem und seinen Mitwelten, insbesondere aber auf den sieben Residenzwelten, auf so zufrieden stellende Weise funktioniert. Die Residenzwelten dienen der Aufnahme jener Sterblichen, denen die Fusion mit dem ihnen innewohnenden Justierer während ihres inkarnierten Lebens misslungen ist. Hier werden sie in vorübergehender Gestalt wiederhergestellt, um weiterer Hilfe teilhaftig zu werden und sich weiterreichender Gelegenheiten zu erfreuen, mit ihrem Streben nach geistiger Erfüllung fortzufahren, mit eben jenen Anstrengungen, die durch den Tod vorzeitig unterbrochen worden waren. Wenn das von ihrer Seele Vollbrachte aus irgendeinem anderen Grunde wie erbliche Belastung, ungünstiges Umfeld oder Zusammenfallen unglücklicher Umstände unvollständig war - aus welchem Grunde auch immer - werden doch alle, die in ihrem Trachten wahrhaftig und in ihrem Geist würdig waren, sich als sie selber auf den sukzessiven Planeten wieder finden, wo sie lernen müssen, sich das Wesentliche der ewigen Laufbahn anzueignen und Charakterzüge zu erwerben, die sie während ihres irdischen Lebens nicht erworben hatten oder nicht hatten erwerben können. Die Leuchtenden Abendsterne (und ihre ungenannten Mitarbeiter) dienen oft als Lehrer in den verschiedenen erzieherischen Unternehmungen des Universums einschließlich der von den Melchisedeks betreuten. Auch die Lehrersöhne der Trinität sind Mitarbeiter, und sie geben diesen dem Fortschritt verschriebenen Ausbildungsstätten das Gepräge paradiesischer Vollkommenheit. Aber all diese Aktivitäten kommen nicht einzig dem Vorwärtskommen der aufsteigenden Sterblichen zugute; viele bezwecken die fortlaufende Schulung der in Nebadon geborenen Geistpersönlichkeiten. Die Melchisedek-Söhne leiten auf Jerusem über dreißig verschiedene Erziehungszentren. Diese Bildungsstätten beginnen mit dem Institut der Selbsteinschätzung und enden mit den Schulen der Staatsbürgerschaft von Jerusem, in denen die Materiellen Söhne und Töchter sich mit den Melchisedeks und anderen in einer letzten Anstrengung zusammenfinden, um die fortlebenden Sterblichen für die Übernahme der hohen Verantwortlichkeiten repräsentativer Regierung zu qualifizieren. Organisation und Verwaltung des ganzen Universums beruhen auf dem repräsentativen Prinzip. Die repräsentative Regierungsform ist das göttliche Ideal der Selbstregierung unter unvollkommenen Wesen. Alle hundert Jahre universeller Zeit ernennt jedes System zehn Vertreter zur Abordnung in die gesetzgebende Versammlung der Konstellation. Sie werden vom Rat der Eintausend Jerusems gewählt, einem Wahlkörper, dem die Aufgabe zufällt, die Gruppen des Systems in allen derartigen Delegierungs- und Nominationsangelegenheiten zu vertreten. Alle Repräsentanten oder anderen Delegierten werden von diesem Rat der eintausend Elektoren ausgewählt. Sie müssen an der höchsten Schule der Melchisedek-Verwaltungsakademie abgeschlossen haben, genau gleich wie alle, die diese Gruppe der Eintausend bilden. Diese Schule wird von den Melchisedeks betreut, denen neuerdings die Finalisten zur Seite stehen. Es gibt auf Jerusem viele gewählte Körper, deren Autorität von Zeit zu Zeit im Wahlverfahren durch drei Ordnungen von Bürgern erneuert wird - durch die Materiellen Söhne und Töchter, durch die Seraphim und ihre Mitarbeiter einschließlich der Mittler-Geschöpfe und durch die aufsteigenden Sterblichen. Um der Ehre teilhaftig zu werden, als Repräsentant nominiert zu werden, muss ein Bewerber in den Melchisedek-Verwaltungsschulen die erforderliche Anerkennung erworben haben. Diese drei Bürgergruppen Jerusems besitzen das allgemeine Wahlrecht, aber die Stimme wird verschieden gewichtet je nach dem anerkannten und in aller Form registrierten persönlichen Besitz der Mota - morontieller Weisheit. Bei einer Wahl auf Jerusem hat die Stimmkraft einer Persönlichkeit einen Wert, der von eins bis tausend reicht. Die Bürger Jerusems sind so gemäß der von ihnen erreichten Mota eingeteilt. Von Zeit zu Zeit treten die Bürger Jerusems vor die Melchisedek-Examinatoren, die die von ihnen erreichte morontielle Weisheit beglaubigen. Dann begeben sie sich vor den Prüfungsausschuss der Leuchtenden Abendsterne oder ihrer Vertreter, die ihren Grad geistiger Schau feststellen. Und schließlich erscheinen sie vor den vierundzwanzig Beratern und ihren Mitarbeitern, die begutachten, an welchem Punkt erfahrungsmäßiger Sozialisierung sie angelangt sind. Diese drei Faktoren gehen dann an die Archivaren der Staatsbürgerschaft der repräsentativen Regierung, die rasch den Motastatus errechnen und in Übereinstimmung damit die das Wahlrecht betreffenden Qualifikationen erteilen. Unter der Aufsicht der Melchisedeks werden die aufsteigenden Sterblichen und insbesondere jene, die mit der Einigung ihrer Persönlichkeit auf den morontiellen Ebenen nur langsam vorankommen, von den Materiellen Söhnen in die Hand genommen und erhalten von ihnen eine intensive Schulung, um solche Mängel auszuwetzen. Kein aufsteigender Sterblicher verlässt die Systemhauptwelt, um die umfassendere und abwechslungsreichere Sozialisierungslaufbahn der Konstellation anzutreten, solange die Materiellen Söhne die Vollendung seiner Mota-Persönlichkeit nicht bestätigt haben - einer Individualität, die in sich die abgeschlossene sterbliche Existenz erfahrungsmäßig mit der sich entfaltenden morontiellen Laufbahn vereinigt, wobei die beiden unter der geistigen Führung des Gedankenjustierers gebührend verschmolzen sind. [Dargeboten von einem vorübergehend Urantia zugeteilten Melchisedek.] ****** Kapitel 46 Die Hauptsitzwelt des Lokalsystems ****** JERUSEM, die Hauptsitzwelt Satanias, ist eine durchschnittliche Kapitale eines Lokalsystems, und abgesehen von zahlreichen durch die Rebellion Luzifers und die Selbsthingabe Michaels auf Urantia verursachten Unregelmäßigkeiten gleicht sie ähnlichen Sphären auf typische Weise. Euer Lokalsystem hat einige stürmische Episoden durchlebt, aber es wird jetzt höchst wirkungsvoll verwaltet, und mit dem Vorübergehen der Zeitalter werden die Auswirkungen der Disharmonie langsam, aber sicher zum Verschwinden gebracht werden. Ordnung und guter Wille ziehen wieder ein, und der allgemeine Zustand Jerusems nähert sich immer mehr dem himmlischen Status eurer Überlieferung; denn der Systemhauptsitz ist wirklich das, was sich die religiös Glaubenden des zwanzigsten Jahrhunderts mehrheitlich unter dem Himmel vorstellen. ***** 46.1 Physische Aspekte Jerusems ***** Jerusem ist in eintausend Breitensektoren und zehntausend Längenzonen eingeteilt. Die Sphäre besitzt sieben Hauptstädte und siebzig kleinere Verwaltungszentren. In den sieben regionalen Hauptstädten werden verschiedene Aktivitäten verfolgt, und der Souverän des Systems ist in jeder von ihnen mindestens einmal im Jahr anwesend. Die Standardmeile Jerusems entspricht rund sieben Meilen Urantias. Das Standardgewicht, der "Gradant", ist über das Dezimalsystem vom reifen Ultimaton abgeleitet und wiegt ungefähr 280 Gramm eures Gewichts. Der Tag Satanias dauert drei Tage urantianischer Zeit, abzüglich einer Stunde, vier Minuten und fünfzehn Sekunden, was der Zeit einer axialen Umdrehung Jerusems entspricht. Ein Systemjahr hat hundert Jerusemtage. Die Zeit des Systems wird durch die Meister-Chronoldeke ferngemeldet. Die Energie Jerusems wird auf wunderbare Weise kontrolliert. Sie umfließt die Sphäre in den Zonenkanälen, die direkt durch die Energieladungen des Raums gespiesen und von den Physischen Hauptüberwachern gewandt verteilt werden. Der dem Durchgang dieser Energien durch die physischen Leitkanäle entgegengesetzte natürliche Widerstand liefert die Wärme zur Erzeugung der gleichmäßigen Temperatur Jerusems. Bei vollem Licht wird die Temperatur auf etwa 21°C gehalten; während der Periode gedämpften Lichts fällt sie auf etwas unter 10°C. Das Beleuchtungssystem Jerusems sollte eurem Verständnis keine großen Schwierig-keiten bereiten. Es gibt weder Tage noch Nächte, weder warme noch kalte Jahreszeiten. Die Macht-Umwandler unterhalten einhunderttausend Zentren, von denen verdünnte Energien in die planetarische Atmosphäre hinausgesandt werden, wobei sie gewisse Veränderungen erfahren, bis sie die elektrische Atmosphärenschicht der Sphäre erreichen; dann werden diese Energien zurück- und hinunterreflektiert als ein sanftes, rieselndes und ausgeglichenes Licht, das etwa die Intensität des urantianischen Sonnenlichts besitzt, wenn die Sonne um zehn Uhr vormittags am Himmel steht. Unter solchen Beleuchtungsbedingungen scheinen die Strahlen nicht aus einem einzigen Punkt hervorzugehen; sie rieseln einfach vom Himmel herab, da sie gleichmäßig allen Richtungen des Raums entstammen. Dieses Licht ist dem natürlichen Sonnenlicht sehr ähnlich, außer dass es viel weniger Wärme enthält. Jetzt begreift man, dass solche Hauptsitzwelten im Raum nicht leuchten; selbst wenn Jerusem sich sehr nahe bei Urantia befände, könnte man es nicht sehen. Die Gase, die diese Lichtenergie von der oberen Jonosphäre Jerusems auf den Boden zurückwerfen, sind denjenigen der oberen Luftschichten Urantias sehr ähnlich, die an den Phänomenen eurer so genannten Nordlichter beteiligt sind, obwohl diese durch andere Ursachen hervorgerufen werden. Auf Urantia ist es gerade dieser Schild aus Gas, der die irdischen Radiowellen am Austritt hindert und sie zur Erde zurückwirft, wenn sie auf ihrem direkten Flug ins All auf diesen Gasgürtel treffen. Auf diese Weise halten sich die Fernmeldungen nahe an der Erdoberfläche, während sie rund um eure Welt durch die Luft eilen. Während fünfundsiebzig Prozent der Tagesdauer Jerusems wird eine gleichmäßige Beleuchtung der Sphäre aufrechterhalten. Darauf geht sie schrittweise zurück, bis das Licht bei Beleuchtungstiefstand etwa demjenigen einer euren klaren Vollmondnächte entspricht. Das ist die Stunde, da ganz Jerusem ruht. Einzig die Fernmeldeempfangsstationen arbeiten während dieser Zeit der Ruhe und Erholung. Jerusem empfängt von mehreren nahen Sonnen Licht - eine Art hell leuchtenden Sternlichts - aber es ist nicht auf sie angewiesen. Welten wie Jerusem sind nicht den Wechselfällen von Sonnenstörungen ausgesetzt, noch stehen sie dem Problem sich abkühlender oder sterbender Sonnen gegenüber. Auch die sieben Studienwelten des Übergangs und ihre neunundvierzig Satelliten werden in Anwendung der Technik Jerusems beheizt, beleuchtet, bewässert und mit Energie versorgt. ***** 46.2 Physische Charakteristika Jerusems ***** Auf Jerusem werdet ihr die zerklüfteten Gebirgsketten Urantias und anderer evolutionärer Welten vermissen, weil es weder Erdbeben noch Regen gibt, aber ihr werdet die schönen Hochländer und andere einzigartige Wechsel der Topographie und Landschaft genießen. Riesige Teile Jerusems werden in einem "natürlichen Zustand" belassen, und die Herrlichkeit dieser Gegenden übersteigt alle menschliche Vorstellungskraft. Es gibt Tausende und Abertausende kleiner Seen, aber keine reißenden Ströme noch ausgedehnte Ozeane. Auf keiner architektonischen Welt gibt es Dinge wie Regen, Orkane oder Schneestürme, hingegen einen täglichen Niederschlag von kondensierter Feuchtigkeit während der das Dämmerlicht begleitenden Zeiten niedrigster Temperatur. (Der Punkt, wo sich Tau bildet, liegt auf einer Drei-Gas-Welt höher als auf einem Zwei-Gas-Planeten wie Urantia.) Das physische pflanzliche Leben und die morontielle Welt lebendiger Dinge brauchen beide Feuchtigkeit, aber diese wird im Überfluss geliefert durch das die ganze Sphäre überspannende, unterirdische Zirkulationssystem, das sich sogar bis hinauf zu den höchsten Erhebungen der Hochländer erstreckt. Nicht überall verbirgt sich das Wassersystem unter der Oberfläche, denn es gibt viele Kanäle, die die funkelnden Seen Jerusems untereinander verbinden. Die Atmosphäre Jerusems besteht aus einer Mischung von drei Gasen. Die Luft ist derjenigen Urantias sehr ähnlich, nur dass noch ein Gas hinzukommt, das der Atmung der morontiellen Lebensordnung angepasst ist. In keiner Weise beeinträchtigt dieses dritte Gas die Luft für die Atmung von Tieren oder Pflanzen der materiellen Ordnungen. Das Transportsystem ist mit den zirkulierenden Strömen der Energiebewegungen verbunden, und diese Energiehauptströme findet man in Abständen von zehn Meilen. Durch Anpassung physischer Apparate können sich die materiellen Wesen des Planeten mit Geschwindigkeiten von zwei- bis fünfhundert Meilen pro Stunde fortbewegen. Die Transportvögel legen ungefähr hundert Meilen pro Stunde zurück. Die Luftmaschinen der materiellen Söhne reisen mit einer Geschwindigkeit von rund fünfhundert Meilen pro Stunde. Materielle und beginnende morontielle Wesen müssen diese mechanischen Transportmittel benutzen, aber die Fortbewegung geistiger Persönlichkeiten geschieht durch Verbindung mit den höheren Kräften und geistigen Energiequellen. Auf Jerusem und den zugehörigen Welten sind die zehn Standardabteilungen physischen Lebens vorhanden, die bezeichnend sind für die architektonischen Sphären Nebadons. Und da es auf Jerusem keine organische Evolution gibt, gibt es auch keine miteinander in Konflikt geratende Lebensformen, keinen Existenzkampf, kein Überleben der Fähigsten. Es herrscht hier vielmehr eine schöpferische Anpassung, die bereits die Schönheit, Harmonie und Vollkommenheit der ewigen Welten des göttlichen Zentraluniversums erahnen lässt. Und in dieser ganzen schöpferischen Vollkommenheit findet sich die höchst staunenswerte Vermengung des physischen mit dem morontiellen Leben, beide durch die himmlischen Künstler und ihre Gefährten in künstlerischen Kontrast gesetzt. Jerusem vermittelt tatsächlich einen Vorgeschmack von paradiesischer Herrlichkeit und Größe. Aber ihr könnt trotz aller Beschreibungsversuche nie hoffen, euch von diesen glorreichen architektonischen Welten eine richtige Vorstellung zu machen. Es gibt so wenig, was man mit irgendetwas auf eurer Welt vergleichen könnte, und auch dann noch übersteigen die Dinge Jerusems die Dinge Urantias dermaßen, dass der Vergleich fast grotesk ist. Solange ihr nicht wirklich auf Jerusem angekommen seid, könnt ihr euch schwerlich so etwas wie eine richtige Vorstellung von den himmlischen Welten machen, aber dieses Ereignis liegt nicht in allzu ferner Zukunft, wenn man eure kommende Erfahrung in der Systemkapitale mit eurem dereinstigen Eintreffen auf den weiter entfernten Schulungssphären des Universums, des Superuniversums und Havonas vergleicht. Der Fabrikations- oder Laboratoriumssektor Jerusems nimmt ein großes Gebiet in Anspruch. Urantianer würden ihn wohl kaum als solchen erkennen, da er keine rauchenden Schornsteine aufweist; nichtsdestoweniger besitzen diese Spezialwelten eine verwickelte materielle Wirtschaft, und mechanische Technik und materielle Leistungen sind von einer Vollkommenheit, die eure erfahrensten Chemiker und Erfinder in Staunen versetzen, ja sogar mit Ehrfurcht erfüllen würden. Sinnt einen Augenblick lang darüber nach, dass diese erste Welt langen Verweilens auf eurer Reise nach dem Paradies viel mehr materiell als geistig ist. Während eures ganzen Aufenthaltes auf Jerusem und seinen Übergangswelten seid ihr eurem irdischen Leben materieller Dinge viel näher als eurem späteren Leben einer zunehmend vergeistigten Existenz. Der fast viertausendsechshundert Meter hohe Berg Seraph ist die höchste Erhebung Jerusems und der Abflugsort für alle Transportseraphim. Zahlreiche mechanische Einrichtungen werden benutzt, welche die anfängliche Energie zur Überwindung der planetarischen Gravitation und des Luftwiderstandes liefern. Während der hellen Tageszeit und manchmal bis weit in die Dämmerung hinein hebt alle drei Sekunden urantianischer Zeit ein seraphischer Transport ab. Die Transportengel starten mit einer Geschwindigkeit von ungefähr fünfundzwanzig Standardmeilen pro Sekunde und erreichen ihre übliche Reisegeschwindigkeit erst in einer Entfernung von über zweitausend Meilen von Jerusem. Die Transporte treffen auf dem Kristallfeld, dem so genannten Glasmeer, ein. Rund um diese Zone befinden sich die Empfangsstationen für die verschiedenen Wesensordnungen, die zur Raumdurchquerung den seraphischen Transport benutzen. In der Nähe der am polaren Kristall gelegenen Empfangshalle für studierende Besucher könnt ihr das perlmutterartige Observatorium besteigen und die riesige Reliefkarte des gesamten Hauptsitzplaneten betrachten. ***** 46.3 Das Fernmeldewesen Jerusems ***** Die Nachrichten aus dem Superuniversum und Paradies-Havona werden auf Jerusem in Verbindung mit Salvington empfangen und dies dank einer Technik, die den polaren Kristall, das Glasmeer, einbezieht. Zu diesen Einrichtungen für den Empfang von außernebadonischen Meldungen kommen noch drei weitere besondere Gruppen von Empfangsstationen. Diese getrennten, aber in drei konzentrischen Kreisen angeordneten Stationengruppen sind auf den Empfang von Meldungen aus den lokalen Welten, den Konstellationshauptsitzen und der Kapitale des Lokaluniversums eingestellt. All diese Meldungen erscheinen automatisch, so dass sie von allen Wesenstypen verfolgt werden können, die im zentralen Fernmelde-Amphitheater anwesend sind. Von allen Beschäftigungen, denen ein aufsteigender Sterblicher auf Jerusem nachgehen kann, ist keine reizvoller und fesselnder, als dem nie abreißenden Strom universeller Raumnachrichten zuzuhören. Diese Fernmelde-Empfangsstation Jerusems wird von einem gewaltigen Amphitheater im Kreis umschlossen. Es ist aus funkelnden Materialien erbaut, die auf Urantia weitgehend unbekannt sind, und es bietet nebst der Aufnahmemöglichkeit für zahllose geistige Persönlichkeiten Sitzgelegenheiten für über fünf Milliarden materieller und morontieller Wesen. Die bevorzugte Zerstreuung aller Bürger Jerusems besteht darin, die Mußestunden auf der Fernmeldestation zuzubringen und daselbst das Neueste über Wohlergehen und Zustand des Universums zu erfahren. Dies ist die einzige planetarische Aktivität, die während der Dämmerstunden keine Verlangsamung erfährt. In diesem Amphitheater zum Empfang der Fernmeldungen treffen fortlaufend Nachrichten aus Salvington ein. Ganz in der Nähe werden mindestens einmal am Tag Nachrichten von den Allerhöchsten Konstellationsvätern Edentias empfangen. Periodisch nehmen die normalen und die besonderen Meldungen aus Uversa ihren Weg über Salvington, und zum Empfang von Botschaften aus dem Paradies ist die ganze Bevölkerung um das Glasmeer herum versammelt, wobei unsere Freunde auf Uversa die Fernmeldetechnik des Paradieses mit den Phänomenen der Reflexivität koppeln, so dass alles Gehörte auch sichtbar wird. Auf diese Weise erhalten die fortlebenden Sterblichen auf ihrer ewigen Abenteuerreise nach innen einen ständigen Vorgeschmack von zunehmender Schönheit und Größe. Die Sendestation Jerusems befindet sich auf dem gegenüberliegenden Pol der Sphäre. Alle für einzelne Welten bestimmten Meldungen werden von den Systemkapitalen aus weitergegeben mit Ausnahme der Botschaften Michaels, die manchmal unter Benutzung des Erzengelkreislaufs direkt an ihren Bestimmungsort abgehen. ***** 46.4 Wohn- und Verwaltungszonen ***** Beträchtliche Teile Jerusems sind Wohnzwecken vorbehalten, während andere Teile der Systemkapitale die notwendigen administrativen Funktionen beherbergen, die die Leitung der Angelegenheiten von 619 bewohnten Sphären, 56 kulturellen Übergangswelten und der Systemkapitale selber mit sich bringt. Auf Jerusem und in Nebadon werden diese Bezirke folgendermaßen bezeichnet: 1. Die Kreise - die Wohnzonen der Nicht-Einheimischen. 2. Die Vierecke - die Regierungs- und Verwaltungszonen des Systems 3. Die Rechtecke - der Begegnungsort des niedrigeren einheimischen Lebens. 4. Die Dreiecke - die lokalen oder Verwaltungszonen Jerusems. Diese Unterbringung der Systemaktivitäten in Kreisen, Vierecken, Rechtecken und Dreiecken ist allen Systemkapitalen Nebadons gemein. In einem anderen Universum herrscht möglicherweise eine völlig verschiedene Ordnung. Das sind Dinge, die durch die verschiedenen Pläne der Schöpfersöhne bestimmt werden. Unsere Beschreibung der Wohn- und Verwaltungsbezirke lässt die wunderschönen, riesigen Güter der Materiellen Söhne Gottes, der Dauerbürger Jerusems, beiseite; ebenso wenig führen wir zahlreiche andere faszinierende Ordnungen geistiger und nahezu geistiger Geschöpfe an. Zum Beispiel erfreut sich Jerusem der wirksamen Dienste der zur Arbeit im System erschaffenen Spironga. Diese Wesen widmen sich dem geistigen Dienst an den übermateriellen Ortsansässigen und Besuchern. Sie sind eine wunderbare Gruppe intelligenter und schöner Wesen. Sie sind die Diener der sich im Übergang befindenden höheren morontiellen Geschöpfe und der morontiellen Helfer, die für den Unterhalt und die Verschönerung aller morontiellen Schöpfungen arbeiten. Sie sind für Jerusem, was die Mittler-Geschöpfe für Urantia, Helfer, die auf halbem Wege zwischen dem Materiellen und dem Geistigen wirken. Die Systemkapitalen sind insofern einmalig, als sie die einzigen Welten sind, die alle drei Phasen universeller Existenz, die materielle, morontielle und geistige, in annähernder Vollkommenheit zeigen. Ob man eine materielle, morontielle oder geistige Persönlichkeit ist, wird man sich auf Jerusem zu Hause fühlen. Und das gilt auch für gemischte Wesen wie Mittler-Geschöpfe und Materielle Söhne. Jerusem besitzt große Gebäude des materiellen wie des morontiellen Typs, doch ist der Schmuck der rein geistigen Zonen nicht weniger reich und auserlesen. Hätte ich doch nur Worte, um euch die morontiellen Entsprechungen der wundervollen materiellen Anlagen Jerusems zu beschreiben! Und könnte ich noch weitergehen und euch die sublime Größe und auserlesene Vollkommenheit der geistigen Einrichtungen dieser Hauptsitzwelt schildern! Eure auch der höchsten Einbildungskraft entsprungenen Vorstellungen von vollkommener Schönheit und herrlicher Ausstattung können schwerlich an diese Großartigkeit heranreichen. Und doch ist Jerusem nur der erste Schritt auf dem Weg nach der himmlisch vollkommenen Schönheit des Paradieses. ***** 46.5 Die Kreise Jerusems ***** Die den Hauptgruppen des Universumslebens zugewiesenen Wohnreviere bezeichnet man als die Kreise Jerusems. Die Kreisgruppen, die in diesen Beschreibungen Erwähnung finden, sind die folgenden: 1. Die Kreise der Söhne Gottes. 2. Die Kreise der Engel und höheren Geistwesen. 3. Die Kreise der Universumshelfer, einschließlich der nicht den Lehrersöhnen der Trinität zugeteilten, durch Geschöpfe trinitisierten Söhne. 4. Die Kreise der Physischen Hauptüberwacher. 5. Die Kreise der einer Aufgabe zugeteilten aufsteigenden Sterblichen unter Einschluss der Mittler-Geschöpfe. 6. Die Kreise der Freundlichkeitskolonien. 7. Die Kreise des Finalitätskorps. Jede dieser Wohngruppen besteht aus sieben konzentrischen und immer höher liegenden Kreisen. Es liegt ihnen allen derselbe Plan zugrunde, aber sie sind von wechselnder Größe und bestehen aus unterschiedlichen Materialien. Sie werden alle von hohen ausgedehnten Wällen umschlossen, die weite Promenaden bilden, welche jede Gruppe von sieben konzentrischen Kreisen vollständig einfassen. 1. Die Kreise der Söhne Gottes. Obwohl die Söhne Gottes einen eigenen sozialen Planeten, eine der kulturellen Übergangswelten, besitzen, nehmen sie auch diese ausgedehnten Bezirke auf Jerusem in Anspruch. Auf ihrer kulturellen Übergangswelt mischen sich die aufsteigenden Sterblichen frei unter alle Ordnungen dieser Gottessöhne. Dort werdet ihr diese Söhne persönlich kennen und lieben lernen, aber ihr gesellschaftliches Leben beschränkt sich weitgehend auf diese besondere Welt und ihre Satelliten. Auf den Kreisen Jerusems hingegen können die verschiedenen Sohnesgruppen bei der Arbeit beobachtet werden. Und da die morontielle Sicht außerordentlich weit reicht, könnt ihr auf den Promenaden der Söhne umhergehen und den fesselnden Aktivitäten ihrer zahlreichen Ordnungen zuschauen. Die sieben Kreise der Söhne sind konzentrisch und liegen immer höher, so dass man von jedem der äußeren und größeren Kreise aus die inneren, kleineren überblicken kann, wobei jeder von ihnen durch einen öffentlichen Promenadenwall eingefasst wird. Diese Wälle sind aus schimmernd leuchtenden, edlen Kristallen erbaut und derart überhöht, dass man von ihnen aus die zugehörigen Wohnkreise in ihrer Ganzheit überblicken kann. Die vielen Tore - von fünfzig bis hundertfünfzigtausend - die in all diese Wälle eingelassen sind, bestehen immer aus je einem perlmutterartigen Kristall. Der erste Kreis der Sohnesdomäne wird von den Richtersöhnen und ihren persönlichen Stäben eingenommen. Hier konzentrieren sich alle Pläne und laufenden Aktivitäten, welche die Selbsthingaben und Richterdienste dieser Söhne des Gerichts betreffen. Über dieses Zentrum halten die Avonale des Systems auch den Kontakt mit dem Universum aufrecht . Der zweite Kreis wird von den Lehrersöhnen der Trinität besetzt. In diesem heiligen Bezirk widmen sich die Daynale und ihre Mitarbeiter der Ausbildung der frisch eingetroffenen primären Lehrersöhne. Bei all dieser Arbeit werden sie von einer Abteilung bestimmter Mitarbeiter der Leuchtenden Abendsterne fähig assistiert. Die durch Geschöpfe trinitisierten Söhne besetzen einen Sektor des Kreises der Daynale. Die Lehrersöhne der Trinität kommen in einem Lokal-universum dem am nächsten, was man als persönliche Repräsentanten des Universalen Vaters bezeichnen könnte; wenigstens sind sie der Trinität entstammende Wesen. Dieser zweite Kreis ist für alle Bewohnerklassen Jerusems von außerordentlichem Interesse. Der dritte Kreis ist den Melchisedeks vorbehalten. Hier residieren ihre Vorgesetzten im System und überwachen die schier endlosen Aktivitäten dieser vielseitigen Söhne. Von der ersten Residenzwelt an und während der ganzen Jerusem-Laufbahn der aufsteigenden Sterblichen wirken die Melchisedeks als ihre Ziehväter und immer gegenwärtigen Ratgeber. Man geht mit der Aussage nicht fehl, dass ihr Einfluss, wenn man von den allgegenwärtigen Aktivitäten der Materiellen Söhne und Töchter absieht, auf Jerusem beherrschend ist. Im vierten Kreis sind die Vorondadeks und alle anderen Ordnungen besuchender und beobachtender Söhne zu Hause, sofern sie nicht anderswo untergebracht sind. Die Allerhöchsten Väter der Konstellation nehmen in diesem Kreis Wohnung, wenn sie auf einer Inspektionsreise das Lokalsystem besuchen. Vervollkommner der Weisheit, Göttliche Ratgeber und Universelle Zensoren bewohnen alle diesen Kreis, wenn sie im System Dienst tun. Der fünfte Kreis ist der Sitz der Lanonandeks, der Sohnesordnung der Systemsouveräne und der Planetarischen Fürsten. Die drei Gruppen vermischen sich zu einer einzigen, wenn sie in diesem Bezirk Wohnung nehmen. Die Reserven des Systems befinden sich in diesem Kreis, während der Systemsouverän auf dem Verwaltungshügel im Zentrum einer Gruppe von Regierungsgebäuden einen Tempel hat. Der sechste Kreis ist der Aufenthaltsort der Lebensbringer des Systems. Alle Ordnungen dieser Söhne versammeln sich hier, und von hier aus begeben sie sich zu ihrem Dienst auf die Welten. Der siebente Kreis ist der Versammlungsort der aufsteigenden Söhne, nämlich jener mit einer Aufgabe betrauten Sterblichen, die zusammen mit ihren seraphischen Gefährten vorübergehend auf der Systemhauptwelt wirken. Alle ehemals Sterblichen, deren Status höher als derjenige eines Bürgers von Jerusem, aber niedriger als derjenige eines Finalisten ist, werden als Angehörige der Gruppe betrachtet, die ihr Hauptquartier auf diesem Kreis hat. Die den Söhnen vorbehaltenen, kreisförmigen Zonen bedecken ein riesiges Gebiet, in dessen Mitte es bis vor neunzehnhundert Jahren eine große öffentliche Anlage gab. Dieses zentrale Gebiet nimmt jetzt das Ehrenmal Michaels ein, das vor etwa fünfhundert Jahren vollendet worden ist. Als dieser Tempel vor vierhundertfünfundneunzig Jahren eingeweiht wurde, war Michael persönlich anwesend, und ganz Jerusem hörte die bewegende Erzählung von der Selbsthingabe des Meistersohnes auf Urantia, auf der geringsten der Welten Satanias. Michaels Selbsthingabe hat Änderungen in der Führung des Systems verursacht, und das Ehrenmal Michaels ist jetzt das Zentrum all dieser neu entstandenen Aktivitäten einschließlich der in jüngerer Zeit von Salvington hierher verlegten. Der Mitarbeiterstab des Ehrenmals zählt über eine Million Persönlichkeiten. 2. Die Kreise der Engel. Gleich dem Wohngebiet der Söhne bestehen auch die Kreise der Engel aus sieben konzentrischen und stufenweise erhöhten Kreiszonen, deren jede die inneren Gebiete überblickt. Der erste Kreis der Engel wird von den Höheren Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes bewohnt, die sich gerade auf der Hauptsitzwelt aufhalten - von Einsamen Botschaftern und ihren Mitarbeitern. Der zweite Kreis ist dem Botschafterheer, den Technischen Beratern, Gefährten, Inspektoren und Chronisten vorbehalten, wenn ihre Arbeit von Zeit zu Zeit einen Aufenthalt auf Jerusem erfordert. Der dritte Kreis beherbergt die dienenden Geiste der höheren Ordnungen und Gruppierungen. Der vierte Kreis gehört den Verwalterseraphim, und die in einem Lokalsystem wie Satania dienenden Seraphim sind "zahllose Engelheere". Der fünfte Kreis wird von den planetarischen Seraphim bewohnt, während auf dem sechsten die Übergangsförderer zu Hause sind. Der siebente Kreis ist der Aufenthaltsort bestimmter nicht offenbarter Seraphimordnungen. Die Chronisten all dieser Engelsgruppen wohnen nicht mit ihren Gefährten zusammen; ihr Heim ist der Tempel der Archive Jerusems. Alle Aufzeichnungen werden in diesen dreifachen Archivhallen in dreifacher Ausführung aufbewahrt. Auf der Hauptwelt eines Systems werden alle Aufzeichnungen in materieller, morontieller und geistiger Form aufbewahrt. Diese sieben Kreise werden vom Ausstellungspanorama Jerusems umrundet, dessen Umfang fünftausend Standardmeilen beträgt und das der Darstellung des sich stetig hebenden Status der bevölkerten Welten Satanias gewidmet ist. Es wird dauernd überarbeitet, um ein getreues Bild der letzten Entwicklungen auf den einzelnen Planeten zu geben. Ich zweifle nicht daran, dass diese Promenade, von der aus man die Engelskreise überblickt, die erste Sehenswürdigkeit Jerusems sein wird, die eure Aufmerksamkeit auf sich lenken wird, wenn euch für eure frühen Besuche lange Freizeitperioden gewährt werden. Mit diesen Exponaten sind die Einheimischen Jerusems betraut, aber ihnen gehen Aufsteiger aus den verschiedenen Welten Satanias zur Hand, die sich auf ihrem Weg nach Edentia in Jerusem aufhalten. Die Darstellung der planetarischen Bedingungen und des Fortschritts der Welten geschieht durch viele Methoden, von denen ihr einige kennt, aber zum größten Teil durch auf Urantia unbekannte Techniken. Diese Exponate beanspruchen den äußeren Rand des riesigen Walls. Der Rest der Promenade ist fast gänzlich offen und wird durch hohe, herrliche Kunst geschmückt. 3. Die Kreise der Universumshelfer umschließen das Hauptquartier der Abendsterne, das den gewaltigen zentralen Raum in Anspruch nimmt. Hier befindet sich das System-Hauptquartier Galantias, des beigeordneten Oberhauptes dieser mächtigen Gruppe von Überengeln und Erstbeauftragten aller aufsteigenden Abendsterne. Das ist unter all den Verwaltungsbezirken Jerusems einer der wunderbarsten, obwohl er zu den Bauten jüngeren Datums zählt. Dieses Zentrum besitzt einen Durchmesser von etwa fünfzig Meilen. Das Hauptquartier Galantias besteht aus einem gegossenen kristallenen Monolithen und ist völlig durchsichtig. Diese materiell-morontiellen Kristalle werden sowohl von materiellen wie von morontiellen Wesen sehr geschätzt. Die erschaffenen Abendsterne durchdringen ganz Jerusem mit ihrem Einfluss, da sie mit entsprechenden außerpersönlichen Attributen ausgestattet sind. Die ganze Welt verströmt einen geistigen Duft, seit so viele ihrer Aktivitäten von Salvington hierher verlegt worden sind. 4. Die Kreise der Physischen Hauptüberwacher. Die verschiedenen Ordnungen Physischer Hauptüberwacher ordnen sich konzentrisch um den gewaltigen Tempel der Macht, in welchem das Macht-Oberhaupt des Systems in Zusammenarbeit mit dem Oberhaupt der Morontiellen Machtüberwacher den Vorsitz führt. Dieser Tempel der Macht ist einer der beiden Sektoren Jerusems, zu denen aufsteigenden Sterblichen und Mittler-Geschöpfen der Zutritt verwehrt ist. Der andere Sektor ist der in der Zone der Materiellen Söhne gelegene Dematerialisierungsbezirk, eine Folge von Laboratorien, in denen die Transportseraphim die materiellen Wesen in einen Zustand überführen, der ganz demjenigen der morontiellen Existenzordnung gleicht. 5. Die Kreise der aufsteigenden Sterblichen. Das zentrale Feld der Kreise der aufsteigenden Sterblichen wird von einer Gruppe von 619 planetarischen Denkmälern eingenommen, die die bewohnten Welten des Systems darstellen, und diese Monumente erfahren regelmäßig bedeutende Veränderungen. Die Sterblichen jeder Welt haben das Vorrecht, von Zeit zu Zeit über gewisse an ihren planetarischen Denkmälern vorzunehmende Änderungen oder Zusätze zu befinden. Gerade jetzt erfahren die Bauten Urantias zahlreiche Veränderungen. In der Mitte dieser 619 Tempel befindet sich ein bewegtes Modell Edentias und seiner vielen Welten aufsteigender Kultur. Dieses Modell hat einen Durchmesser von vierzig Meilen und ist eine wirkliche, in jeder Einzelheit originalgetreue Wiedergabe des Planetensystems Edentias. Die Aufsteiger genießen es, auf Jerusem zu dienen, und sie freuen sich, die Techniken anderer Gruppen zu beobachten. Alles, was sich in diesen verschiedenen Kreisen tut, steht ganz Jerusem zur Beobachtung offen. Die Aktivitäten einer solchen Welt gliedern sich in drei verschiedene Bereiche: Arbeit, Fortschritt und Spiel. Anders ausgedrückt heißen sie: Dienst, Studium und Entspannung. Die gemischten Aktivitäten bestehen aus geselligem Austausch, gemeinsamer Unterhaltung und göttlicher Anbetung. Es ist von großem erzieherischem Wert, sich unter verschiedene Gruppen von Persönlichkeiten, unter Angehörige anderer Ordnungen, die so ganz anders als die eigenen Gefährten sind, zu mischen. 6. Die Kreise der Freundlichkeitskolonien. Drei gewaltige Bauten zieren die sieben Kreise der Freundlichkeitskolonien: das riesige astronomische Observatorium von Jerusem, die Kunstgalerie Satanias von gigantischen Ausmaßen und die immense Versammlungshalle der Leiter der Rückschau, das der Entspannung und Erholung dienende Theater morontieller Aktivitäten. Die himmlischen Künstler leiten die Spornagia und sorgen für all den schöpferischen Schmuck und die imposanten Denkmäler, die an jedem öffentlichen Versammlungsort in großer Zahl vorhanden sind. Die Ateliers dieser Künstler zählen zu den größten und schönsten der unvergleichlichen Bauten dieser wundervollen Welt. Die anderen Freundlichkeitskolonien unterhalten ebenfalls ausgedehnte und wunderbare Hauptquartiere. Viele dieser Gebäude bestehen in ihrer Gänze aus edlen Kristallen. Auf allen architektonischen Welten gibt es Kristalle und so genannte kostbare Metalle in Fülle. 7. Die Kreise der Finalisten beherbergen in ihrer Mitte einen einzigartigen Bau - einen leeren Tempel. Und einen solchen findet man in ganz Nebadon auf jeder Hauptwelt eines Systems. Der Tempel Jerusems ist mit den Insignien Michaels versiegelt und trägt die Inschrift: "Nicht gewidmet der siebenten Geiststufe - der ewigen Bestimmung." Gabriel brachte das Siegel auf dem geheimnisvollen Tempel an, und niemand als Michael kann oder darf das durch den Hellen Morgenstern angebrachte Siegel der Souveränität aufbrechen. Eines Tages werdet ihr diesen schweigenden Tempel betrachten, wenn ihr auch nicht in sein Geheimnis eindringen werdet. Andere Kreise Jerusems: Außer diesen Wohnkreisen gibt es auf Jerusem noch zahlreiche weitere bestimmte Wohnbezirke. ***** 46.6 Die Regierungs- und Verwaltungsvierecke ***** Die Regierungs- und Verwaltungsabteilungen des Systems befinden sich in den riesigen Ministerialvierecken, eintausend an der Zahl. Jede Verwaltungseinheit ist in hundert Unterabteilungen zu je zehn Untergruppen eingeteilt. Diese tausend Vierecke sind in zehn großen Abteilungen vereinigt und bilden so die folgenden zehn Verwaltungsbezirke: 1. Physischer Unterhalt und materielle Verbesserung, die Bereiche physischer Macht und Energie. 2. Schiedsgericht, Ethik und administrative Rechtsprechung. 3. Planetarische und lokale Angelegenheiten. 4. Konstellations- und Universumsangelegenheiten. 5. Erziehung und andere Melchisedek-Aktivitäten. 6. Physischer Fortschritt der Planeten und des Systems, die wissenschaftlichen Bereiche der Aktivitäten Satanias. 7. Morontielle Angelegenheiten. 8. Rein geistige Aktivitäten und Ethik. 9. Dienst an den Aufsteigern. 10. Philosophie des Großen Universums. Diese Bauwerke sind durchsichtig; daher können alle Systemaktivitäten auch von den studierenden Besuchern mitverfolgt werden. ***** 46.7 Die Rechtecke - Die Spornagia ***** Die eintausend Rechtecke Jerusems beherbergen das niedrigere einheimische Leben des Hauptsitzplaneten, und in ihrem Zentrum befindet sich das gewaltige kreisförmige Hauptquartier der Spornagia. Auf Jerusem werden euch die landwirtschaftlichen Leistungen der wunderbaren Spornagia in Staunen versetzen. Hier wird das Land weitgehend zu ästhetischen und ornamentalen Zwecken bebaut. Die Spornagia sind die Landschaftsgärtner der Hauptsitzwelten, und in ihrer Behandlung der offenen Räume Jerusems beweisen sie sowohl Originalität als auch Kunstsinn. Zur Bodenbestellung benutzen sie neben Tieren auch zahlreiche mechanische Erfindungen. Mit Intelligenz und Gewandtheit setzen sie zusammen mit den Energiemitteln ihrer Planeten auch zahlreiche Ordnungen ihrer tiefer stehenden Brüder der niedrigeren tierischen Schöpfungen ein, von denen ihnen auf diesen besonderen Welten viele zur Verfügung stehen. Ihre Ordnung tierischen Lebens wird jetzt weitgehend von den aufsteigenden, den evolutionären Sphären entstammenden Mittler-Geschöpfen geleitet. Die Spornagia werden nicht von Justierern bewohnt. Sie besitzen keine fortlebenden Seelen; hingegen erfreuen sie sich eines langen Lebens, das manchmal bis zu vierzig- oder sogar fünfzigtausend Standardjahren dauern kann. Sie sind Legion, und sie erbringen ihre physischen Dienste allen Ordnungen von Universumspersönlichkeiten, die materieller Hilfe bedürfen. Obwohl die Spornagia weder fortlebende Seelen besitzen, noch solche entwickeln, und keine Persönlichkeit haben, so entwickeln sie trotzdem eine Individualität, die eine Reinkarnation erfahren kann. Wenn sich mit dem Vergehen der Zeit an den physischen Körpern dieser einzigartigen Geschöpfe durch Abnutzung und Alter Zeichen des Verfalls einstellen, fabrizieren ihnen ihre Schöpfer in Zusammenarbeit mit den Lebensbringern neue Körper, in welche die alten Spornagia wieder einziehen. Die Spornagia sind die einzigen Geschöpfe im ganzen Universum von Nebadon, die diese oder irgendeine andere Art von Reinkarnation erfahren. Sie reagieren nur auf die ersten fünf der mentalen Hilfsgeiste; sie sprechen weder auf den Geist der Anbetung noch auf den Geist der Weisheit an. Aber der durch fünf Hilfsgeiste ansprechbare Verstand kommt einer totalen oder sechsten Realitätsebene gleich, und es ist dieser Faktor, der als erfahrungsmäßige Identität überdauert. Ich kann durchaus keine Vergleiche heranziehen, um diese nützlichen und ungewöhnlichen Geschöpfe zu beschreiben, da es auf den evolutionären Welten keine Tiere gibt, die mit ihnen verglichen werden könnten. Es sind keine evolutionären Wesen, da die Lebensbringer sie in ihrer gegenwärtigen Gestalt und in ihrem gegenwärtigen Status geplant haben. Sie sind zweigeschlechtlich und pflanzen sich fort, um den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung zu genügen. Vielleicht kann ich urantianischen Gemütern am besten etwas von der Natur dieser schönen und dienstfertigen Geschöpfe vermitteln, wenn ich sage, dass sie die Wesenszüge eines treuen Pferdes und eines zärtlichen Hundes in sich vereinigen und eine Intelligenz zeigen, die über diejenige des höchsten Schimpansentyps hinausgeht. Und an urantianischen Maßstäben gemessen, sind sie sehr schön. Sie sind äußerst empfänglich für Aufmerksamkeiten, die ihnen materielle oder halbmaterielle Aufenthalter auf diesen architektonischen Welten erweisen. Sie besitzen ein Sehvermögen, das ihnen erlaubt - zusätzlich zu den materiellen Wesen - auch die morontiellen Schöpfungen, die niedrigeren Engelsordnungen, Mittler-Geschöpfe und einige der niedrigeren Ordnungen von Geistpersönlichkeiten wahrzunehmen. Sie verstehen die Anbetung des Unendlichen nicht, noch erfassen sie den Sinn des Ewigen, aber sie nehmen aus Liebe zu ihren Meistern an den äußeren geistigen Andachtshandlungen ihrer Welten teil. Es gibt welche, die glauben, dass diese getreuen Spornagia in einem zukünftigen Universumszeitalter ihrer tierischen Existenzebene entrinnen und eine würdige evolutionäre Bestimmung fortschreitenden intellektuellen Wachstums und sogar geistiger Vollbringung erreichen werden. ***** 46.8 Die Dreiecke Jerusems ***** Die rein lokalen laufenden Angelegenheiten werden von den einhundert Dreiecken aus geleitet. Diese Einheiten gruppieren sich um die zehn herrlichen Bauwerke, die die lokale Verwaltung Jerusems beherbergen. Die Dreiecke werden umringt durch die panoramische Darstellung der Geschichte des Systemhauptsitzes in Bildern. Gegenwärtig gibt es in dieser kreisförmigen Geschichte eine über zwei Standardmeilen lange, gelöschte Stelle. Dieser Sektor wird wiederhergestellt werden, sobald Satania wiederum in die Konstellationsfamilie zurückkehrt. Durch Erlasse Michaels sind alle Vorkehrungen für dieses Ereignis getroffen worden, aber das Tribunal der Ältesten der Tage ist in den Angelegenheiten der Rebellion Luzifers noch nicht zu einem abschließenden Urteil gelangt. Satania kann solange nicht als Vollmitglied in die Gemeinschaft Norlatiadeks zurückkehren, als es Erzrebellen beherbergt, hohe erschaffene Wesen, die vom Licht in die Dunkelheit gefallen sind. Wenn Satania in den Schoß der Konstellation zurückkehrt, wird sich die Frage der Wiedereingliederung der isolierten Welten in die Familie der bewohnten Planeten des Systems und die ihrer Wiederzulassung zu der geistigen Verbindung der Reiche stellen. Aber selbst wenn Urantia wieder in die Kreise des Systems eingeschaltet wäre, würdet ihr immer noch durch die Tatsache behindert, dass euer ganzes System von Norlatiadek aus unter eine Quarantäne gestellt bleibt, die es von allen anderen Systemen teilweise abschneidet. Aber bald wird die Aburteilung Luzifers und seiner Gefährten die Wiedereingliederung des Systems von Satania in die Konstellation von Norlatiadek ermöglichen, und danach werden Urantia und die anderen abgeschnittenen Sphären von Neuem an die Kreisläufe Satanias angeschlossen werden, und diese Welten werden sich wiederum der Privilegien interplanetarischer Verbindung und des Austauschs von System zu System erfreuen. Das Ende von Rebellen und Rebellion wird kommen. Die Höchsten Lenker sind erbarmungsvoll und geduldig, aber gegen das vorsätzlich genährte Böse wird das Gesetz universell und unfehlbar angewandt. "Der Lohn der Sünde ist Tod" - die ewige Auslöschung. [Verfasst durch einen Erzengel von Nebadon.] ****** Kapitel 47 Die Sieben Residenzwelten ****** ALS der Schöpfersohn auf Urantia weilte, sprach er von den "vielen Wohnungen in des Vaters Universum". In einem gewissen Sinne widmet man sich auf allen sechsundfünfzig der Jerusem umkreisenden Welten der Übergangskultur den aufsteigenden Sterblichen, aber die sieben Satelliten der Welt Nummer eins werden im engeren Sinne als Residenzwelten bezeichnet. Die Übergangswelt Nummer eins selber ist fast ausschließlich aufsteigenden Aktivitäten vorbehalten, denn sie ist das Hauptquartier des Satania zugeteilten Finalistenkorps. Diese Welt dient jetzt als Hauptquartier für über hunderttausend Kompanien von Finalisten, deren jede tausend dieser verherrlichten Wesen zählt. Wenn ein System im Licht und Leben verankert ist und die Residenzwelten eine nach der anderen ihren Dienst als Ausbildungsstätten für Sterbliche einstellen, werden sie von der wachsenden Bevölkerung der Finalisten übernommen, die sich in diesen älteren und höher vervollkommneten Systemen ansammeln. Die sieben Residenzwelten unterstehen den morontiellen Lenkern und den Melchisedeks. Auf jeder Welt gibt es einen amtierenden Gouverneur, der den Herrschern Jerusems gegenüber direkt verantwortlich ist. Die Schlichter aus Uversa unterhalten auf jeder der Residenzwelten ein Hauptquartier, das an den lokalen Versammlungsort der Technischen Berater anstößt. Auch die Leiter der Rückschau und die himmlischen Künstler haben ihre Hauptquartiere auf jeder dieser Welten. Die Spironga wirken von Residenzwelt Nummer zwei an aufwärts, während alle sieben, gleichwie die anderen kulturellen Übergangsplaneten und die Hauptsitzwelt, reichlich mit Spornagia des allgemeinen Schöpfungstyps versehen sind. ***** 47.1 Die Welt der Finalisten ***** Obwohl die erste Übergangswelt nur von Finalisten, bestimmten Gruppen geretteter Kinder und von deren Fürsorgern bewohnt wird, ist auch für die Aufnahme von Geistwesen aller Klassen, von Sterblichen im Übergang und von studierenden Besuchern gesorgt. Die Spornagia, die auf all diesen Welten arbeiten, sind allen Wesen, die sie erkennen können, gastfreundliche Wirte. Sie haben ein unbestimmtes Gefühl für die Anwesenheit der Finalisten, können diese aber nicht sehen. Ihr Verhältnis zu ihnen muss dem eurigen gegenüber den Engeln in eurem gegenwärtigen physischen Zustand gleichen. Obwohl die Welt der Finalisten eine Sphäre von auserlesener physischer Schönheit ist und außergewöhnlichen morontiellen Schmuck aufweist, ist doch das große, im Zentrum der Aktivitäten gelegene geistige Haus, der Tempel der Finalisten, für das materielle oder frühe morontielle Auge ohne Beihilfe nicht sichtbar. Aber die Energieumwandler sind fähig, den aufsteigenden Sterblichen viele von diesen Realitäten sichtbar zu machen, und von Zeit zu Zeit wirken sie in dieser Weise, wie anlässlich der auf dieser kulturellen Sphäre stattfindenden Klassenversammlungen der Studenten aus den Residenzwelten. Während eurer ganzen Erfahrung auf den Residenzwelten seid ihr euch geistig irgendwie der Gegenwart eurer verherrlichten Brüder, die das Paradies erreicht haben, bewusst, aber es ist sehr erfrischend, sie ab und zu auch tatsächlich in den Wohnstätten ihres Hauptquartiers arbeiten zu sehen. Ihr werdet die Finalisten nicht eher spontan erblicken, als bis ihr die geistige Sicht erworben habt. Auf der ersten Residenzwelt müssen alle Fortlebenden vor die aus ihrem Heimatplaneten stammende elterliche Untersuchungskommission treten. Die gegenwärtige Kommission Urantias besteht aus zwölf kürzlich eingetroffenen Elternpaaren, die als Sterbliche die Erfahrung gemacht haben, drei oder mehr Kinder bis zur Geschlechtsreife aufzuziehen. Der Dienst in dieser Kommission wechselt im Turnus und dauert in der Regel nicht länger als zehn Jahre. All die, welche diese Begutachter bezüglich ihrer elterlichen Erfahrung nicht zufrieden stellen, müssen sich durch Dienst in den Heimen der Materiellen Söhne auf Jerusem oder teilweise im Probe-Kinderheim auf der Welt der Finalisten weiter qualifizieren. Aber ohne Rücksicht auf ihre elterliche Erfahrung erhalten Eltern der Residenzwelten, die heranwachsende Kinder im Probe-Kinderheim haben, jede Gelegenheit zur Zusammenarbeit mit den morontiellen Vormunden dieser Kinder bei deren Unterricht und Schulung. Diesen Eltern wird erlaubt, viermal pro Jahr zu Besuch zu kommen. Und es gehört zu den in ihrer Schönheit ergreifendsten Szenen der ganzen aufsteigenden Laufbahn, wenn man die Eltern der Residenzwelten bei ihren periodischen Pilgerfahrten auf die Welt der Finalisten ihre materiellen Kinder umarmen sieht. Obwohl unter Umständen ein oder beide Elternteile eine Residenzwelt vor ihrem Kind verlassen, ist es doch recht oft der Fall, dass sie eine Zeitlang zusammen bleiben. Kein aufsteigender Sterblicher kommt um die Erfahrung herum, Kinder aufzuziehen - ob seine eigenen oder andere - sei es auf den materiellen Welten oder danach auf der Welt der Finalisten oder auf Jerusem. Die Väter müssen diese wesentliche Erfahrung genau so wie die Mütter machen. Es ist eine unselige und verfehlte Ansicht der modernen Völker Urantias, die Kindererziehung sei weitgehend Aufgabe der Mütter. Die Kinder bedürfen der Väter ebenso sehr wie der Mütter, und die Väter bedürfen dieser elterlichen Erfahrung im selben Maße wie die Mütter. ***** 47.2 Das Probe-Kinderheim ***** Die Schulen Satanias zur Aufnahme von Kleinkindern befinden sich auf der Welt der Finalisten, der ersten von den kulturellen Übergangswelten Jerusems. Diese die Kleinen aufnehmenden Schulen sind Einrichtungen, die sich der Erziehung und Schulung der Kinder der Zeit einschließlich derer widmen, die auf den evolutionären Welten des Raums verstarben, bevor sie einen in den Universumsregistern verzeichneten individuellen Status erhalten hatten. Im Falle des Fortlebens eines oder beider Elternteile eines solchen Kindes ernennt der Schicksalshüter seinen Mit-Cherub zum Hüter der potentiellen Identität des Kindes und betraut ihn mit der Verantwortung, diese unentwickelte Seele im Probe-Kinderheim der morontiellen Welten in die Hand der Lehrer der Residenzwelten zu geben. Es sind ebendiese verlassenen Cherubim, die als Lehrer der Residenzwelten unter der Leitung der Melchisedeks solch ausgedehnte Erziehungsstätten zur Schulung der Probemündel der Finalisten unterhalten. Diese Mündel der Finalisten, diese Kleinen der aufsteigenden Sterblichen werden immer mit genau demselben physischen Status personifiziert, den sie zum Zeitpunkt ihres Todes besaßen, außer was ihr Fortpflanzungspotential anbelangt. Ihr Erwachen fällt exakt mit der Ankunft ihrer Eltern auf der ersten Residenzwelt zusammen. Und dann wird diesen Kindern, so wie sie sind, jede Gelegenheit geboten, den himmlischen Weg zu wählen, ganz so, wie sie eine solche Wahl auf den Welten getroffen hätten, wenn der Tod ihrer Laufbahn nicht ein so frühes Ende gesetzt hätte. Auf der Kinderheim-Welt werden die Probegeschöpfe danach eingeteilt, ob sie einen Justierer haben oder nicht, denn die Justierer kommen genauso wie auf den Welten der Zeit, um diesen materiellen Kindern innezuwohnen. Kinder im Vor-Justierer-Alter werden zu fünft in Familien betreut. Ihr Alter reicht von einem Jahr oder weniger bis zu ungefähr fünf Jahren oder bis zu dem Zeitpunkt, da der Justierer eintrifft. Alle Kinder der evolutionären Welten, die Gedankenjustierer besitzen, aber vor ihrem Tod bezüglich der Paradies-Laufbahn keine Wahl getroffen haben, werden auf der Welt der Finalisten des Systems ebenfalls neu personifiziert, und hier wachsen sie in den Familien der Materiellen Söhne und ihrer Mitarbeiter gleich wie jene Kleinen heran, die ohne Justierer angekommen sind, aber später, sobald sie das für sittliche Wahl erforderliche Alter erreicht haben, Unergründliche Mentoren erhalten. Auch die von Justierern bewohnten Kinder und Jugendlichen der Welt der Finalisten werden zu fünft in Familien aufgezogen, und ihr Alter liegt zwischen sechs und vierzehn Jahren. Diese Familien bestehen aus Kindern, die ungefähr sechs, acht, zehn, zwölf und vierzehn Jahre alt sind. Wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt nach sechzehn eine endgültige Wahl getroffen haben, werden sie auf die erste Residenzwelt versetzt und beginnen ihren Aufstieg zum Paradies. Einige treffen schon vor diesem Alter eine Entscheidung und gehen weiter auf die Sphären des Aufstiegs. Man findet auf den Residenzwelten indessen nur sehr wenig Kinder unter sechzehn Jahren nach urantianischer Zeitrechnung. Die seraphischen Hüter stehen diesen Kindern im Probe-Kinderheim der Finalistenwelt genauso zur Seite, wie sie die Sterblichen auf den evolutionären Planeten betreuen, während die treuen Spornagia für ihre physischen Bedürfnisse sorgen. Und so wachsen diese Kinder auf der Übergangswelt heran bis zu dem Zeitpunkt, wo sie sich endgültig entscheiden. Wenn das materielle Leben abgelaufen ist und keine Entscheidung für das aufsteigende Leben getroffen worden ist, oder wenn sich diese Kinder der Zeit endgültig gegen das Havonaabenteuer ausgesprochen haben, beendet der Tod automatisch ihre Probelaufbahn. In solchen Fällen gibt es kein Urteil; es gibt keine Auferstehung von einem solchen zweiten Tod. Es ist einfach, als hätte es sie nie gegeben. Aber wenn sie den Pfad der Vollkommenheit des Paradieses wählen, werden sie unverzüglich zum Übersetzen auf die erste Residenzwelt bereit gemacht, wo viele von ihnen rechtzeitig eintreffen, um sich für den Aufstieg nach Havona ihren Eltern anzuschließen. Nachdem sie Havona durchlaufen und die Gottheiten erreicht haben, bilden diese geretteten Seelen sterblichen Ursprungs die dauernde aufsteigende Bürgerschaft des Paradieses. Diese Kinder, denen auf ihrer Geburtswelt die wertvolle und wesentliche evolutionäre Erfahrung eines Sterblichen verwehrt blieb, werden nicht in das Finalitätskorps aufgenommen. ***** 47.3 Die erste Residenzwelt ***** Auf den Residenzwelten nehmen die auferstandenen fortlebenden Sterblichen ihr Leben gerade dort wieder auf, wo sie es, vom Tod überrascht, abgelegt hatten. Wenn ihr von Urantia auf die erste Residenzwelt geht, stellt ihr einen beträchtlichen Wechsel fest. Wäret ihr aber von einer normaleren und fortgeschritteneren Sphäre der Zeit gekommen, würdet ihr außer der Tatsache, dass ihr einen anderen Körper besitzt, kaum einen Unterschied bemerken. Das Gefäß aus Fleisch und Blut habt ihr auf eurer Heimatwelt zurückgelassen. Das wahre Zentrum aller Aktivitäten der ersten Residenzwelt ist die Auferstehungshalle, der riesige Tempel für den Zusammenbau der Persönlichkeiten. Dieses gigantische Bauwerk ist der zentrale Versammlungsort der seraphischen Schicksalshüter, der Gedankenjustierer und der Erzengel der Auferstehung. Auch die Lebensbringer arbeiten bei der Auferstehung der Toten mit diesen himmlischen Wesen zusammen. Die Transkriptionen des sterblichen Verstandes und die von den materiellen auf die geistigen Ebenen überführten, aktiven Gedächtnismuster des Geschöpfs sind individueller Besitz der losgelösten Gedankenjustierer; und diese vergeistigten Faktoren des Verstandes, des Gedächtnisses und der Geschöpfespersönlichkeit bleiben für immer ein Teil der Justierer. Die mentale Grundsubstanz des Geschöpfs und seine schlafenden Identitätspotentiale sind in der morontiellen Seele anwesend, die der Obhut der seraphischen Schicksalshüter anvertraut ist. Und es ist die Vereinigung dieser dem Seraphen anvertrauten morontiellen Seele mit dem dem Justierer anvertrauten Geist-Verstand, welche die Geschöpfespersönlichkeit wieder zusammenfügt und die Auferstehung eines schlafenden Überlebenden bildet. Sollte eine vergängliche Persönlichkeit sterblichen Ursprungs nicht wieder in dieser Weise zusammengebaut werden, dann würden die geistigen Elemente des nicht fortlebenden sterblichen Geschöpfes für immer in seinem vormaligen Justierer als ein fester Bestandteil seiner individuellen erfahrungsmäßigen Ausrüstung weiterleben. Vom Tempel des Neuen Lebens aus erstrecken sich sieben radiale Flügel, die Auferstehungshallen der sterblichen Rassen. Jedes dieser Bauwerke ist für den Zusammenbau einer der sieben Rassen der Zeit bestimmt. Es gibt einhunderttausend persönliche Auferstehungsräume in jedem dieser sieben Flügel, deren Ende die kreisförmigen Hallen zum klassenweisen Zusammenbau bilden. Diese Hallen dienen als Räume für das Erwachen von nicht weniger als einer Million Einzelwesen. Sie werden von den Räumen zum Persönlichkeitszusammenbau der gemischten Rassen der normalen nachadamischen Welten umringt. Ungeachtet der Technik, die auf den einzelnen Welten der Zeit im Zusammenhang mit besonderen oder Dispensations-Auferstehungen angewendet wird, findet der tatsächliche und bewusste Zusammenbau der wirklichen und vollständigen Persönlichkeit in den Auferstehungshallen der ersten Residenzia statt. Bis in alle Ewigkeit werdet ihr euch an die tiefen Eindrücke erinnern, die ihr an diesem ersten Auferstehungsmorgen empfangen habt. Von den Auferstehungshallen geht ihr weiter zum Melchisedek-Sektor, wo euch eine dauernde Wohnstätte zugewiesen wird. Danach beginnen für euch zehn Tage persönlicher Freiheit. Es steht euch frei, die unmittelbare Nachbarschaft eures neuen Heims zu entdecken und euch mit dem unmittelbar vor euch liegenden Programm vertraut zu machen. Ihr habt auch Zeit, euren Wunsch zu erfüllen, das Register einzusehen und eure Lieben und andere irdische Freunde zu besuchen, die vielleicht vor euch auf diese Welten gekommen sind. Am Ende eurer zehntägigen Mußezeit tut ihr den zweiten Schritt auf eurer Reise nach dem Paradies, denn die Residenzwelten sind richtige Schulungssphären und nicht nur Welten eines obligatorischen Aufenthalts. Auf der ersten Residenzwelt (oder einer anderen im Falle eines fortgeschritteneren Status) werdet ihr eure intellektuelle Schulung und geistige Entwicklung genau an dem Punkt wieder aufnehmen, an dem der Tod sie unterbrochen hatte. In der Zeit zwischen dem irdischen Hinschied oder der Entrückung und der Auferstehung auf der Residenzwelt gewinnt der Sterbliche absolut nichts dazu, außer dass er die Tatsache des Fortlebens erfährt. Ihr beginnt drüben genau dort, wo ihr hier unten Abschied genommen habt. Fast die ganze Erfahrung auf der ersten Residenzwelt betrifft die Aufmerksamkeit, die euren Unzulänglichkeiten geschenkt wird. Die Fortlebenden, die auf dieser ersten Welt obligatorischen Aufenthaltes ankommen, weisen so viele und verschiedene Mängel des Geschöpfescharakters und so viele Lücken in irdischer Erfahrung auf, dass die Hauptaktivitäten dieser Welt auf die Korrektur und Heilung von all diesen Hinterlassenschaften des auf den materiellen evolutionären Welten von Zeit und Raum zugebrachten Lebens abzielen. Dem Aufenthalt auf der ersten Residenzwelt kommt die Aufgabe zu, die sterblichen Fortlebenden mindestens auf den Stand der nachadamischen Dispensation auf normalen evolutionären Welten zu bringen. Geistig sind die Studenten der Residenzwelten selbstverständlich einem solch rein menschlichen Entwicklungsstand weit voraus. Wenn ihr nicht auf der ersten Residenzwelt zurückgehalten werden müsst, werdet ihr nach Ablauf der zehn Tage in den Transitschlaf fallen und auf die zweite Welt weitergehen, und danach werdet ihr alle zehn Tage in derselben Weise vorrücken, bis ihr auf der euch bestimmten Welt anlangt. Im Zentrum der sieben Hauptkreise der Verwaltung der ersten Residenzwelt erhebt sich der Tempel der Morontiellen Gefährten, der persönlichen Führer, die den aufsteigenden Sterblichen zugeteilt sind. Diese Gefährten sind die Kinder des Muttergeistes des Lokaluniversums, und es gibt ihrer auf den morontiellen Welten Satanias mehrere Millionen. Abgesehen von den den Gruppen zugeteilten Gefährten werdet ihr viel mit den Dolmetschern und Übersetzern, den Überwachern der Gebäude und den Ausflugsleitern zu tun haben. All diese Gefährten arbeiten höchst willig mit all jenen zusammen, die sich der Entfaltung eurer mentalen und geistigen Persönlichkeitsfaktoren im morontiellen Körper annehmen. Wenn ihr auf der ersten Residenzwelt beginnt, ist jeder Kompanie von tausend aufsteigenden Sterblichen ein Morontieller Gefährte zugeteilt, aber ihr werdet ihnen während eures Fortschreitens durch die sieben Residenzsphären in immer größerer Zahl begegnen. Diese schönen und vielseitigen Wesen sind kameradschaftliche Gefährten und bezaubernde Führer. Es steht ihnen frei, Einzelne oder ausgewählte Gruppen auf jede beliebige kulturelle Übergangswelt einschließlich der Satellitenwelten derselben zu begleiten. Sie sind die Exkursionsleiter und Freizeitgefährten aller aufsteigenden Sterblichen. Oft begleiten sie Gruppen von Fortlebenden zu periodischen Besuchen nach Jerusem, und während eures dortigen Aufenthaltes könnt ihr jederzeit den Registersektor der Systemkapitale aufsuchen, um euch mit aufsteigenden Sterblichen aus allen sieben Residenzwelten zu treffen, denn diese können zwischen ihrem Wohnplaneten und dem Hauptsitz des Systems frei hin- und herreisen. ***** 47.4 Die zweite Residenzwelt ***** Auf dieser Sphäre tretet ihr entschiedener in das Leben Residenzias ein. Die Gruppierungen des morontiellen Lebens nehmen Gestalt an; Arbeitsgruppen und soziale Organisationen beginnen zu funktionieren, Gemeinschaften legen ihre Größe fest, und die vorrückenden Sterblichen weihen neue Gesellschaftsordnungen und Regierungsformen ein. Die mit dem Geist fusionierten Fortlebenden bewohnen die Residenzwelten gemeinsam mit den mit dem Justierer fusionierten Sterblichen. Trotz der Verschiedenheit der mannigfaltigen Ordnungen himmlischen Lebens gehen sie alle freundlich und brüderlich miteinander um. Auf keiner der Aufstiegswelten werdet ihr irgendetwas finden, was sich mit menschlicher Intoleranz oder Diskriminierung durch verletzende Kastensysteme vergleichen ließe. Während ihr die Residenzwelten eine nach der anderen durchlauft, trefft ihr morontielle Aktivitäten der aufsteigenden Fortlebenden in immer größerer Fülle an. Beim Fortschreiten werdet ihr feststellen, dass die Residenzwelten immer mehr die charakteristischen Züge Jerusems annehmen. Das Glasmeer erscheint mit der zweiten Residenzia. Bei jedem Vorrücken von einer Residenzwelt zur nächsten erhaltet ihr einen neu entwickelten und wohl angepassten morontiellen Körper. Ihr fallt für den seraphischen Transport in Schlaf und wacht im neuen, aber noch unentwickelten Körper in den Auferstehungshallen wieder auf, ganz wie damals, als ihr auf der ersten Residenzwelt ankamt, nur mit dem Unterschied, dass der Gedankenjustierer euch während des Transitschlafs zwischen den Residenzwelten nicht verlässt. Eure Persönlichkeit bleibt intakt, nachdem ihr einmal von den evolutionären Welten auf die erste Residenzwelt gelangt seid. Die Erinnerung eures Justierers bleibt vollständig erhalten, während ihr im morontiellen Leben aufsteigt. Die rein tierischen und völlig materiellen Gedankenassoziationen sind ganz natürlich mit dem physischen Gehirn untergegangen, aber jeder sich lohnende Inhalt eurer Gedankenwelt mit Fortlebenswert hat im Justierer einer geistigen Entsprechung gerufen und wird als Teil der persönlichen Erinnerung während der ganzen aufsteigenden Laufbahn aufbewahrt. All eure Erfahrungen, die es verdienen, werden in eurem Bewusstsein bleiben, während ihr von einer Residenzwelt zur anderen und von einem Universumsabschnitt zum nächsten weitergeht - sogar bis zum Paradies. Obwohl ihr jetzt morontielle Körper besitzt, fahrt ihr doch auf all diesen sieben Welten mit Essen, Trinken und Ruhen fort. Eure Nahrung ist jetzt morontieller Art und gehört einem auf materiellen Welten völlig unbekannten Reich lebendiger Energie an. Sowohl Nahrung als auch Wasser werden vom morontiellen Körper restlos aufgebraucht; es gibt keine unnützen Rückstände. Haltet kurz inne, um dies zu bedenken: Die erste Residenzia ist eine sehr materielle Sphäre, lässt aber schon erste Anzeichen der morontiellen Ordnung erkennen. Ihr seid immer noch ein beinah menschliches Wesen und habt euch nur wenig von den beschränkten Betrachtungsweisen des irdischen Lebens entfernt; aber jede Welt lässt einen eindeutigen Fortschritt erkennen. Von Sphäre zu Sphäre werdet ihr weniger materiell, aber intellektueller und ein bisschen geistiger. Der geistige Fortschritt ist am ausgeprägtesten auf den letzten drei der sieben progressiven Welten. Biologische Unzulänglichkeiten wurden auf der ersten Residenzwelt weitgehend wettgemacht. Unzureichende planetarische Erfahrungen auf den Gebieten des Geschlechtslebens, des Familienverbandes und der elterlichen Funktion wurden entweder korrigiert oder sind für eine künftige Berichtigung in den Familien der Materiellen Söhne auf Jerusem vorgesehen. Die zweite Residenzia sorgt für das Verschwinden von allen Phasen intellektueller Konflikte und für die Heilung aller Arten von mentaler Disharmonie. Die auf der ersten Residenzwelt begonnene Bemühung, in die Bedeutung der morontiellen Mota einzudringen, wird hier noch ernsthafter verfolgt. Die Entwicklung auf der zweiten Residenzia kann mit dem intellektuellen Status der auf den Richtersohn folgenden Kultur einer idealen evolutionären Welt verglichen werden. ***** 47.5 Die dritte Residenzwelt ***** Die dritte Residenzia ist das Hauptquartier der Lehrer der Residenzwelten. Obwohl sie auf allen sieben Residenzsphären wirken, unterhalten sie ihr Gruppenhauptquartier im Zentrum der Schulkreise dieser dritten Welt. Auf den Residenz- und höheren morontiellen Welten gibt es Millionen von diesen Ausbildern. Diese fortgeschrittenen und verherrlichten Cherubim dienen als morontielle Lehrer auf dem ganzen Weg von den Residenzwelten bis hinauf zur letzten lokaluniversellen Schulungssphäre für Aufsteiger. Sie werden unter den Letzten sein, die euch ein liebevolles Adieu zurufen, wenn die Stunde der Trennung naht, der Augenblick, da ihr dem Universum eures Ursprungs Lebewohl sagt - wenigstens für einige Zeitalter - , wenn ihr für den Transit nach den Empfangswelten des Kleinen Sektors des Superuniversums einseraphiert werdet. Während eures Aufenthaltes auf der ersten Residenzwelt habt ihr die Erlaubnis, die erste der Übergangswelten zu besuchen, das Hauptquartier der Finalisten und das Probe-Kinderheim des Systems, wo die unentwickelten evolutionären Kinder aufgezogen werden. Wenn ihr auf die zweite Residenzia gelangt, wird euch gestattet, periodisch die zweite Übergangswelt zu besuchen, wo sich das Hauptquartier der Morontiellen Lenker für ganz Satania und die Schulen zur Ausbildung der verschiedenen morontiellen Ordnungen befinden. Wenn ihr die dritte Residenzwelt erreicht, wird euch sofort eine Bewilligung zum Besuch der dritten Übergangssphäre ausgestellt, dem Hauptquartier der Engelsordnungen und Ort ihrer verschiedenen System-Ausbildungsstätten. Von dieser Welt aus unternommene Besuche Jerusems sind für die vorrückenden Sterblichen immer gewinnbringender und von immer größerem Interesse. Die dritte Residenzia ist eine Welt großer persönlicher und sozialer Erfüllung für all diejenigen, die das, was diesen kulturellen Kreisen entspricht, nicht geleistet hatten, bevor sie auf ihrer Heimatwelt den irdischen Leib ablegten. Auf dieser Sphäre wird mit einem mehr positiven Erziehungswerk begonnen. Die Schulung auf den ersten zwei Residenzwelten ist überwiegend schwächenorientierter - negativer - Natur, indem sie sich mit der Ergänzung der irdischen Lebenserfahrung befasst. Auf dieser dritten Residenzwelt hingegen beginnen die Fortlebenden wirklich mit ihrer fortschreitenden morontiellen Kultur. Hauptziel dieser Schulung ist ein besseres Verständnis der Entsprechung zwischen morontieller Mota und irdischer Logik, die Koordinierung morontieller Mota und menschlicher Philosophie. Die fortlebenden Sterblichen gewinnen jetzt einen praktischen Einblick in wahre Metaphysik. Es handelt sich um die wirkliche Einführung in das intelligente Verständnis kosmischer Bedeutungen und universeller Wechselbeziehungen. Die Kultur der dritten Residenzwelt entspricht in ihrem Wesen dem auf den Sohn der Selbsthingabe folgenden Zeitalter eines normalen bewohnten Planeten. ***** 47.6 Die vierte Residenzwelt ***** Wenn ihr auf der vierten Residenzwelt anlangt, seid ihr in der morontiellen Laufbahn schon ein gutes Stück vorangekommen; ihr habt seit eurer anfänglichen materiellen Existenz einen langen Weg zurückgelegt. Jetzt erhaltet ihr die Erlaubnis zu Besuchen auf der vierten Übergangswelt, um euch dort mit dem Hauptquartier und den Lehranstalten der Überengel einschließlich der Leuchtenden Abendsterne vertraut zu machen. Dank den guten Diensten dieser Überengel der vierten Übergangswelt wird es den morontiellen Besuchern während ihrer periodischen Aufenthalte auf Jerusem möglich, sehr nahe an die verschiedenen Ordnungen von Gottessöhnen heranzutreten; denn schrittweise öffnen sich den vorrückenden Sterblichen bei ihren wiederholten Besuchen auf der Hauptsitzwelt immer neue Sektoren der Systemkapitale. Neue Größe entfaltet sich stufenweise vor dem sich erweiternden Intellekt der Aufsteiger. Auf der vierten Residenzia findet der einzelne Aufsteiger bei der Gruppenarbeit und in den Klassenfunktionen des morontiellen Lebens leichter den ihm zukommenden Platz. Die Aufsteiger entwickeln hier ein wachsendes Interesse am Fernmeldewesen und an anderen Phasen von Kultur und Fortschritt des Lokaluniversums. Während der Schulungszeit auf der vierten Welt werden die aufsteigenden Sterblichen zum ersten Mal so richtig in die Anforderungen und Wonnen wahren gesellschaftlichen Lebens der morontiellen Geschöpfe eingeweiht. Es ist für evolutionäre Geschöpfe allerdings eine neue Erfahrung, sich an gesellschaftlichen Aktivitäten zu beteiligen, die weder auf dem Wunsch nach mehr persönlichem Ansehen noch auf selbstsüchtigem Machtwillen beruhen. Eine neue soziale Ordnung wird eingeführt, die auf Grundlagen beruht wie diesen: auf einer von verstehender Sympathie genährten gegenseitigen Wertschätzung, auf gegenseitigem Dienen in selbstloser Liebe und auf einer alles beherrschenden Motivation, die in der Verwirklichung einer gemeinsamen und höchsten Bestimmung liegt - des paradiesischen Ziels anbetender und göttlicher Vollkommenheit. Allen Aufsteigern wird bewusst, dass sie Gott kennen, Gott offenbaren, Gott suchen und Gott finden. Die intellektuelle und gesellschaftliche Kultur der vierten Residenzwelt kann mit dem mentalen und sozialen Leben des auf die Lehrersöhne folgenden Zeitalters auf Planeten mit normaler Entwicklung verglichen werden. Der geistige Status hingegen ist demjenigen einer solchen planetarischen Dispensation weit voraus. ***** 47.7 Die fünfte Residenzwelt ***** Die Beförderung auf die fünfte Residenzwelt bedeutet im Leben eines morontiellen Vorrückenden einen gewaltigen Schritt vorwärts. Die auf dieser Welt gemachte Erfahrung gibt einen richtigen Vorgeschmack vom Leben auf Jerusem. Hier beginnt ihr euch der hohen Bestimmung der loyalen evolutionären Welten bewusst zu werden, da deren natürliche planetarische Entwicklung sie normalerweise zu diesem Stadium fortschreiten lässt. Die Kultur dieser Residenzwelt entspricht im Allgemeinen der zu Beginn der Ära des Lichts und Lebens auf Planeten mit normalem evolutionärem Fortschritt herrschenden Kultur. Und jetzt könnt ihr die Regelung verstehen, die die hochkultivierten und vorgerückten Wesenstypen, die manchmal diese fortgeschrittenen evolutionären Welten bewohnen, davon dispensiert, eine oder mehrere Residenzsphären oder gar alle zu durchlaufen. Noch vor dem Verlassen der vierten Residenzwelt habt ihr die lokaluniverselle Sprache beherrschen gelernt und könnt jetzt mehr Zeit darauf verwenden, euch in der Vervollkommnung der Sprache Uversas zu üben, damit ihr über beide Sprachen verfügt, wenn ihr mit Bewohnerstatus nach Jerusem kommt. Vom Hauptsitz des Systems an bis hinauf nach Havona sind alle aufsteigenden Sterblichen zweisprachig. Danach ist nur eine Erweiterung des superuniversellen Wortschatzes nötig, während zur Bewohnung des Paradieses noch eine weitere Bereicherung erforderlich ist. Nach der Ankunft auf der fünften Residenzia erhält der Pilger die Erlaubnis, die entsprechend nummerierte Übergangswelt, das Hauptquartier der Söhne, zu besuchen. Hier macht sich der aufsteigende Sterbliche persönlich mit den verschiedenen Gruppen göttlicher Sohnschaft vertraut. Er kennt diese prächtigen Wesen vom Hörensagen und ist ihnen auf Jerusem bereits begegnet, aber jetzt lernt er sie wirklich kennen. Auf der fünften Residenzia beginnt ihr, mehr über die Studienwelten der Konstellation zu erfahren. Hier begegnet ihr den ersten Lehrern, die euch auf den späteren Konstellationsaufenthalt vorzubereiten beginnen. Diese Vorbereitung wird auf den Welten sechs und sieben fortgesetzt, während der letzte Schliff im Sektor der aufsteigenden Sterblichen auf Jerusem erfolgt. Auf der fünften Residenzia findet eine richtige Geburt kosmischen Bewusstseins statt. Ihr beginnt, universell zu denken. Dies ist wirklich eine Zeit sich erweiternder Horizonte. In den sich weitenden Gemütern der aufsteigenden Sterblichen beginnt es zu dämmern, dass eine unerhörte und großartige, eine himmlische und göttliche Bestimmung auf all jene wartet, die den schrittweisen Aufstieg zum Paradies schaffen, der unter so großen Mühen, aber auch so freudig und erwartungsvoll angetreten worden ist. Ungefähr an diesem Punkt beginnt der durchschnittliche aufsteigende Sterbliche, einen echten, auf Erfahrung beruhenden Enthusiasmus für den Aufstieg nach Havona an den Tag zu legen. Das Studium geschieht jetzt freiwillig, selbstloser Dienst wird natürlich und die Anbetung tritt spontan ein. Ein wahrer morontieller Charakter reift heran; ein wahres morontielles Geschöpf entwickelt sich. ***** 47.8 Die sechste Residenzwelt ***** Die auf dieser Sphäre Weilenden haben die Erlaubnis, die sechste Übergangswelt zu besuchen, wo sie mehr über die hohen Geistwesen des Superuniversums erfahren, wenngleich sie unfähig sind, viele von diesen himmlischen Wesen zu sehen. Hier erhalten sie auch ihren ersten Unterricht in der sie erwartenden geistigen Laufbahn, die so unmittelbar auf den Abschluss der morontiellen Schulung im Lokaluniversum folgt. Der Assistent des Systemsouveräns stattet dieser Welt häufige Besuche ab, und auf ihr wird auch die erste Einführung in die Technik der Universumsverwaltung vermittelt. Jetzt werden die ersten Lektionen über die ein ganzes Universum einbeziehenden Angelegenheiten erteilt. Das ist für die aufsteigenden Sterblichen eine lichtvolle Zeit, in der sich üblicherweise auch die vollkommene Fusion des menschlichen Verstandes mit dem göttlichen Justierer ereignet. Diese Fusion mag potentiell früher eingetreten sein, aber eine wirkliche, funktionierende Identität kommt oft nicht vor dem Aufenthalt auf der fünften oder gar der sechsten Residenzwelt zustande. Diese Vereinigung der sich entwickelnden unsterblichen Seele mit dem ewigen, göttlichen Justierer tut sich dadurch kund, dass der Seraph den leitenden Überengel für auferstandene Fortlebende und den Erzengel kommen lässt, der das Register derer führt, die am dritten Tag gerichtet werden. Und im Beisein der morontiellen Gefährten des Fortlebenden sprechen dann diese Botschafter die Worte der Bestätigung: "Dies ist ein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Diese einfache Zeremonie markiert den Eintritt eines aufsteigenden Sterblichen in die ewige Laufbahn paradiesischen Dienstes. Unmittelbar nach der Bestätigung der Fusion mit dem Justierer wird das neue morontielle Wesen seinen Gefährten zum ersten Mal unter seinem neuen Namen vorgestellt und bekommt die vierzig Tage geistigen Rückzugs von allen laufenden Tätigkeiten zugestanden, um sich auf sich selber zu besinnen und unter den möglichen, nach Havona führenden Pfaden ebenso wie unter den verschiedenen Techniken, ins Paradies zu gelangen, zu wählen. Aber diese strahlenden Wesen sind immer noch mehr oder weniger materiell; sie sind weit davon entfernt, richtige Geistwesen zu sein; sie gleichen, geistig gesprochen, eher Übersterblichen und befinden sich ein bisschen unter den Engeln. Aber sie sind wahrhaftig auf dem Weg, wunderbare Geschöpfe zu werden. Während ihres Aufenthaltes auf der sechsten Welt erreichen die Residenzweltstudenten einen Status, der mit der hohen Entwicklung jener evolutionären Welten vergleichbar ist, die normal über das Anfangsstadium des Lichts und Lebens hinausgeschritten sind. Die Gesellschaftsorganisation dieser Residenzia ist von sehr hoher Ordnung. Während diese Welten eine nach der anderen erklommen werden, nimmt der Schatten der sterblichen Natur immer mehr ab. Ihr werdet immer liebenswerter, je mehr ihr die rohen Überreste eures planetarischen tierischen Ursprungs abstreift. "Aus großer Wirrsal aufgestiegen zu sein", lässt die verherrlichten Sterblichen sehr freundlich und verstehend, sehr mitfühlend und tolerant werden. ***** 47.9 Die siebente Residenzwelt ***** Die auf dieser Sphäre gewonnene Erfahrung ist die krönende Leistung der dem Tod unmittelbar folgenden Laufbahn. Während eures dortigen Aufenthaltes werdet ihr durch viele Lehrer ausgebildet werden, die alle gemeinsam an der Aufgabe arbeiten, euch auf eure Niederlassung auf Jerusem vorzubereiten. Alle erkennbaren Unterschiede zwischen den Sterblichen aus isolierten und rückständigen Welten und den Fortlebenden aus fortgeschritteneren und erleuchteteren Sphären werden während des Aufenthaltes auf der siebenten Residenzwelt praktisch zum Verschwinden gebracht. Hier werdet ihr von allen Überresten unglücklicher Heredität, ungesunder Umgebung und ungeistiger planetarischer Tendenzen gereinigt werden. Die letzten Spuren des "Mals des Tieres" werden hier ausgemerzt. Während des Aufenthaltes auf der siebenten Residenzia ist der Besuch der siebenten Übergangswelt, der Welt des Universalen Vaters, erlaubt. Hier beginnt ihr, den unsichtbaren Vater auf neue und geistigere Weise anzubeten, eine Gewohnheit, die ihr während eurer ganzen langen aufsteigenden Laufbahn in immer wachsendem Maße pflegen werdet. Ihr findet auf dieser Welt der Übergangskultur den Tempel des Vaters, aber ihr seht den Vater nicht. Jetzt wird mit der Zusammenstellung von Klassen im Hinblick auf die Graduierung für Jerusem begonnen. Als Einzelne seid ihr von Welt zu Welt aufgestiegen, aber jetzt bereitet ihr euch darauf vor, in Gruppen nach Jerusem abzureisen, obwohl sich ein Aufsteiger in gewissen Grenzen dafür entscheiden kann, noch länger auf der siebenten Residenzwelt zu verweilen, um einem langsamen Mitglied seiner irdischen oder Residenzia-Arbeitsgruppe zu erlauben, mit ihm Schritt zu halten. Der ganze Mitarbeiterstab der siebenten Residenzia versammelt sich auf dem Glasmeer, um Zeuge eurer Abreise nach Jerusem zu werden, wo ihr den Status von Bewohnern haben werdet. Ihr habt Jerusem schon Hunderte oder Tausende von Malen besucht, aber immer als Gast; nie zuvor habt ihr euch auf die Systemkapitale in Gesellschaft einer Gruppe von Gefährten begeben, die als aufsteigende Sterbliche ihrer ganzen Residenzia-Laufbahn auf ewig Lebewohl sagen. Bald werdet ihr auf dem Empfangsfeld der Hauptsitzwelt als Bürger von Jerusem willkommen geheißen werden. Ihr werdet euer Vorrücken durch die sieben entmaterialisierenden Welten sehr genießen; es sind wirklich entsterblichende Sphären. Auf der ersten Residenzwelt seid ihr zum größten Teil menschlich, einfach ein sterbliches Wesen abzüglich eines materiellen Körpers, ein menschlicher Verstand, der in einer morontiellen Gestalt haust - ein der morontiellen Welt angehörender materieller Körper, aber kein sterbliches Gehäuse aus Fleisch und Blut. Den wirklichen Schritt vom sterblichen Zustand zum Unsterblichkeitsstatus macht ihr zum Zeitpunkt der Fusion mit dem Justierer, und wenn ihr einmal eure Jerusem-Laufbahn abgeschlossen habt, werdet ihr ausgewachsene Morontianer sein. ***** 47.10 Das Bürgerrecht von Jerusem ***** Der bevorstehende Empfang einer neuen Klasse von Graduierten der Residenzwelten ist für ganz Jerusem das Signal, sich als Begrüßungsausschuss zu versammeln. Sogar die Spornagia freuen sich über die Ankunft dieser siegreichen Aufsteiger evolutionären Ursprungs, die den planetarischen Kampf geliefert und ihre Weiterentwicklung durch die Residenzwelten beendet haben. Einzig die physischen Überwacher und Morontiellen Machtüberwacher sind bei diesen freudigen Anlässen abwesend. Johannes der Offenbarer sah in einer Vision die Ankunft einer Klasse von Sterblichen, die von der siebenten Residenzwelt her auf ihrem ersten Himmel, dem herrlichen Jerusem, eintrafen. Er berichtete: "Und ich erblickte etwas, das aussah wie ein mit Feuer vermischtes Glasmeer; und diejenigen, die den Sieg errungen hatten über das Tier, das ursprünglich in ihnen gewesen war, und über sein Bild, das während der Residenzwelten fortgedauert hatte, und schließlich über seinen letzten Rest und seine letzte Spur - sie sah ich auf dem Glasmeer stehen, und sie hielten die Harfen Gottes und sangen das Lied von der Befreiung der Sterblichen von Furcht und Tod." (Vervollkommnete Raumverbindungen stehen auf all diesen Welten zur Verfügung; und es ist euch überall möglich, solche Meldungen zu empfangen, indem ihr die "Harfe Gottes" trägt, eine morontielle Erfindung, die die Unfähigkeit kompensiert, den unreifen morontiellen sensorischen Mechanismus direkt auf den Empfang von Raummeldungen einzustellen.) Auch Paulus hatte eine Vision des sich aus vervollkommnenden Sterblichen zusammensetzenden Korps aufsteigender Bürger Jerusems, denn er schrieb: "Aber ihr seid zum Berg Zion gekommen und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu einer zahllosen Engelschar, zu der großen Versammlung Michaels und zu den Geisten der gerechten Menschen, die vollkommen geworden sind." Wenn die Sterblichen einmal das Aufenthaltsrecht auf dem Systemhauptsitz gewonnen haben, erfahren sie keine wirklichen Auferstehungen mehr. Die euch beim Abschied von der Residenzweltlaufbahn verliehene morontielle Gestalt wird euch fortan bis ans Ende eurer lokaluniversellen Erfahrung dienen. Von Zeit zu Zeit werden daran Änderungen vorgenommen werden, aber ihr werdet dieselbe Gestalt beibehalten, bis ihr euch endlich von ihr trennt, wenn aus euch vor eurem Übertritt auf die superuniversellen Welten aufsteigender Kultur und geistiger Schulung Geistwesen der ersten Stufe geworden sind. Siebenmal erfahren die Sterblichen während ihrer ganzen Residenzialaufbahn den Schlaf der Neuanpassung und das Erwachen der Auferstehung. Aber auf der siebenten Residenzwelt haben sie die letzte Auferstehungshalle, den abschließenden Raum des Erwachens, hinter sich gelassen. Nie wieder wird eine Gestaltänderung eine Löschung des Bewusstseins oder einen Bruch in der Kontinuität der persönlichen Erinnerung erfordern. Die Persönlichkeit eines Sterblichen, die - von einem Unergründlichen Mentor bewohnt und mit dem Geist der Wahrheit ausgestattet - im Gehäuse des Körpers auf einer evolutionären Welt begonnen hat, ist nicht völlig mobilisiert, verwirklicht und geeint vor dem Tag, an dem diesem Bürger Jerusems der Weg nach Edentia freigegeben und er zu einem Vollmitglied des morontiellen Korps von Nebadon erklärt wird. Er ist jetzt ein unsterblicher, mit seinem Justierer vereinigter Fortlebender, ein Aufsteiger zum Paradies, eine Persönlichkeit mit morontiellem Status und ein wahres Kind der Allerhöchsten. Der menschliche Tod ist eine Technik, um dem materiellen leiblichen Leben zu entrinnen, und die Residenzia-Erfahrung fortschreitenden Lebens durch sieben Welten korrigierender Schulung und kultureller Bildung ist die Einführung der sterblichen Fortlebenden in die morontielle Laufbahn, ist ein Leben des Übergangs, das sich einschiebt zwischen die evolutionäre materielle Existenz und das höhere geistige Vollbringen der Aufsteiger der Zeit, die bestimmt sind, die Pforten der Ewigkeit zu durchschreiten. [Dargeboten von einem Leuchtenden Abendstern.] ****** Kapitel 48 Das Morontielle Leben ****** DIE Götter können ein Geschöpf roher tierischer Natur nicht durch irgendeinen geheimnisvollen Akt schöpferischer Magie in einen vervollkommneten Geist verwandeln - oder tun es zumindest nicht. Wenn die Schöpfer vollkommene Wesen zu erschaffen wünschen, tun sie es durch einen direkten, ursprünglichen Schöpfungsakt, aber sie überführen nie materielle Geschöpfe tierischen Ursprungs in einem einzigen Schritt in vollkommene Wesen. Das morontielle Leben, das sich über die verschiedenen Stadien der lokaluniversellen Laufbahn erstreckt, ist der einzig mögliche Weg, auf dem materielle Sterbliche an die Schwelle der geistigen Welt gelangen können. Durch welche Magie könnte denn der Tod, die natürliche Auflösung des materiellen Körpers, gebieten, dass ein so einfacher Schritt den sterblichen und materiellen Verstand augenblicklich in einen unsterblichen und vollkommenen Geist zu verwandeln vermöchte? Solche Vorstellungen sind nichts weiter als unwissender Aberglaube und hübsche Fabeln. Immer schiebt sich solch ein morontieller Übergang zwischen das sterbliche Dasein und den späteren geistigen Status der fortlebenden Menschenwesen. Dieser Zwischenzustand universellen Fortschritts unterscheidet sich von einem Lokaluniversum zum anderen beträchtlich, aber das verfolgte Ziel ist in allen genau dasselbe. Die Ausstattung der Residenz- und höheren morontiellen Welten Nebadons ist ziemlich typisch für die in diesem Teil Orvontons geltenden Formen morontiellen Übergangs. ***** 48.1 Morontielle Stoffe ***** Die morontiellen Welten sind die lokaluniversellen Bindeglieder zwischen der materiellen und der geistigen Ebene der Geschöpfesexistenz. Man weiß auf Urantia seit den frühen Tagen des Planetarischen Fürsten um das morontielle Leben. Von Zeit zu Zeit sind Sterbliche über diesen Zwischenzustand unterrichtet worden, und die Vorstellung davon ist in entstellter Form in heutige Religionen eingegangen. Die morontiellen Sphären sind die Übergangsphasen des Aufstiegs der Sterblichen durch die Welten des Fortschritts des Lokaluniversums. Nur die sieben die Finalistensphäre des Lokalsystems umringenden Welten heißen Residenzwelten, aber alle sechsundfünfzig Stätten des Übergangs des Systems sowie die höheren Planeten rings um die Konstellations- und Universumshauptsitze nennt man morontielle Welten. Diese Schöpfungen stehen den lokaluniversellen Hauptsitzsphären an physischer Schönheit und morontieller Erhabenheit in nichts nach. All diese Welten sind architektonische Sphären, die im Unterschied zu den evolutionären Planeten die doppelte Anzahl von Elementen aufweisen. Solche auf Bestellung errichtete Welten sind nicht nur sehr reich an Schwermetallen und Kristallen und besitzen einhundert physische Elemente, sondern sie weisen zusätzlich noch exakt hundert Formen einer einzigartigen Energieorganisation auf, die man den morontiellen Stoff nennt. Die Physischen Hauptüberwacher und Morontiellen Machtüberwacher sind fähig, die Umdrehungen der primären Einheiten der Materie so zu modifizieren und diese Energieaggregate gleichzeitig so umzuwandeln, dass diese neue Substanz daraus hervorgeht. Das frühe morontielle Leben der Lokalsysteme ist demjenigen eurer jetzigen materiellen Welt sehr ähnlich, während es auf den Studienwelten der Konstellation weniger physisch und ausgesprochener morontiell wird. Und wenn ihr zu den Sphären Salvingtons weitergeht, werdet ihr immer geistigere Ebenen erreichen. Die Morontiellen Machtüberwacher sind imstande, eine Vereinigung von materiellen und geistigen Energien zu bewerkstelligen und dadurch eine morontielle Form der Materialisierung zu organisieren, die einen ihr überlagerten, kontrollierenden Geist empfangen kann. Während ihr das morontielle Leben Nebadons durchlauft, versorgen euch diese geduldigen und gewandten Morontiellen Machtüberwacher nacheinander mit 570 morontiellen Körpern, von denen jeder eine Phase eurer fortschreitenden Verwandlung darstellt. Vom Zeitpunkt an, da ihr die materielle Welt verlässt, bis ihr auf Salvington ein Geist der ersten Stufe werdet, erfahrt ihr genau 570 verschiedene morontielle Veränderungen aufsteigender Art. Acht davon finden im System statt, einundsiebzig in der Konstellation und 491 während eures Aufenthaltes auf den Sphären Salvingtons. Während eures irdischen Daseins bewohnt euch der göttliche Geist fast wie etwas Getrenntes - tatsächlich handelt es sich um eine Invasion des Menschen durch den vom Universalen Vater geschenkten Geist. Aber im morontiellen Leben wird der Geist ein wirklicher Teil eurer Persönlichkeit, und während ihr eine nach der anderen die 570 progressiven Verwandlungen durchmacht, steigt ihr vom materiellen zum geistigen Zustand des Geschöpfeslebens auf. Paulus erfuhr von der Existenz der morontiellen Welten und von der Realität der morontiellen Stoffe, denn er schrieb: "Sie haben im Himmel eine bessere und dauerhaftere Substanz." Diese materiellen Stoffe gibt es wirklich, buchstäblich, wie in "der Stadt mit den Grundmauern, deren Erbauer und Schöpfer Gott ist." Und jede dieser wunderbaren Sphären ist "ein besseres Land, nämlich ein himmlisches." ***** 48.2 Die Morontiellen Machtüberwacher ***** Diese einzigartigen Wesen beschäftigen sich ausschließlich mit der Leitung jener Aktivitäten, die ein Zusammenwirken geistiger mit physischen oder halbmateriellen Energien darstellen. Sie widmen sich ausnahmslos dem Amt morontieller Förderung; zwar nicht, indem sie den Sterblichen bei ihrer Übergangserfahrung beistehen, aber indem sie für die vorwärts strebenden morontiellen Geschöpfe ein passendes Übergangsumfeld schaffen. Sie sind die Kanäle morontieller Macht, die die morontiel-len Phasen der Übergangswelten stützen und mit Energie versorgen. Die Morontiellen Machtüberwacher sind die Kinder des Muttergeistes des Lokaluniversums. Sie sind alle so ziemlich nach demselben Entwurf erschaffen, obwohl sie sich in den verschiedenen Lokaluniversen in ihrem Wesen geringfügig voneinander unterscheiden. Sie sind für ihre spezifische Funktion erschaffen worden und haben keine Ausbildung nötig, bevor sie ihre Verantwortung übernehmen. Die Erschaffung der ersten morontiellen Machtüberwacher fällt zeitlich mit der Ankunft des ersten fortlebenden Sterblichen an den Gestaden einer der ersten Residenzwelten eines Lokaluniversums zusammen. Sie werden in Tausendergruppen erschaffen, die folgendermaßen eingeteilt sind: 1. Regulierer der Kreise . . . . . . . . . . 400 2. Koordinierer der Systeme . . . . . . . 200 3. Planetarische Hüter . . . . . . . . . . . 100 4. Kombinierte Überwacher . . . . . . . .100 5. Stabilisierer der Verbindungen . . . 100 6. Selektive Gruppierer . . . . . . . . . . . 50 7. Assoziierte Archivare . . . . . . . . . . 50 Die Machtüberwacher dienen immer in ihrem Heimatuniversum. Sie werden ausschließlich von der gemeinsamen Geistaktivität des Universumssohnes und des Universumsgeistes geleitet, sind im Übrigen aber eine sich völlig selber regierende Gruppe. Sie unterhalten auf jeder ersten Residenzwelt der Lokalsysteme ein Hauptquartier, wo sie eng mit den physischen Überwachern und den Seraphim zusammenarbeiten. Aber in allem, was Energiemanifestation und Geistanwendung betrifft, wirken sie auf einer ihnen gehörenden Welt. Sie arbeiten auch manchmal auf den evolutionären Welten als Abgesandte mit befristetem Auftrag in Verbindung mit übermateriellen Phänomenen. Aber sie dienen nur selten auf den bewohnten Planeten und wirken gar nicht auf den höheren Schulungswelten des Superuniversums; denn sie stehen hauptsächlich im Dienst der Übergangsordnung morontiellen Fortschritts im Lokaluniversum. 1. Regulierer der Kreise. Das sind die einzigartigen Wesen, die physische und geistige Energie koordinieren, ihren Fluss regulieren und in die getrennten Kanäle der morontiellen Sphären leiten. Diese Kreisläufe sind ausschließlich planetarisch, auf einzelne Welten beschränkt. Die morontiellen Kreisläufe sind verschieden von den physischen und geistigen Kreisläufen der Übergangswelten, sie treten zu diesen hinzu, und es erfordert Millionen von diesen Regulierern, um auch nur ein einziges System von Residenzwelten wie dasjenige Satanias mit Energie zu versorgen. Die Regulierer der Kreise lösen in den materiellen Energien jene Veränderungen aus, die es ihren Gefährten ermöglichen, sie zu kontrollieren und zu regulieren. Sie sind sowohl Generatoren morontieller Macht als auch Regulierer der Kreisläufe. Etwa so wie ein Dynamo scheinbar aus der Atmosphäre Elektrizität erzeugt, so scheinen diese lebendigen morontiellen Dynamomaschinen die überall gegenwärtigen Raumenergien in jene Stoffe umzuwandeln, welche die morontiellen Überwacher in die Körper und Lebensaktivitäten der aufsteigenden Sterblichen einweben. 2. Koordinierer der Systeme. Da jede morontielle Welt eine separate Art morontieller Energie besitzt, ist es für die Menschen überaus schwer, sich diese Sphären vorzustellen. Aber auf jeder folgenden Übergangssphäre finden die Sterblichen das pflanzliche Leben und alle übrigen zur morontiellen Existenz gehörenden Dinge zunehmend verändert, um mit der fortschreitenden Vergeistigung der aufsteigenden Fortlebenden übereinzustimmen. Und da das Energiesystem jeder Welt in dieser Weise individualisiert ist, arbeiten diese Koordinierer daran, diese unterschiedlichen Machtsysteme der in einer bestimmten Gruppe miteinander verbundenen Sphären zu einem funktionierenden harmonischen Ganzen zu verschmelzen. Die aufsteigenden Sterblichen schreiten stufenweise vom Physischen zum Geistigen, während sie von einer morontiellen Welt zur anderen weitergehen. Das erklärt die Notwendigkeit, eine aufsteigende Skala morontieller Sphären und eine aufsteigende Skala morontieller Formen bereitzustellen. Wenn die Aufsteiger von einer Sphäre zur nächsten weitergehen, übergeben die Transportseraphim sie auf der fortgeschritteneren Welt den mit ihrem Empfang betrauten Koordinierern der Systeme. Hier in diesen einzigartigen Tempeln im Zentrum von siebzig radialen Flügeln, in denen sich die Räume des Übergangs befinden, die den Auferstehungshallen der ersten Welt zur Aufnahme der irdischen Sterblichen gleichen, nehmen die Koordinierer der Systeme an den Geschöp-fesgestalten mit Gewandtheit die notwendigen Änderungen vor. Diese frühen Verwandlungen der morontiellen Gestalt beanspruchen bis zu ihrem Abschluss etwa sieben Tage Standardzeit. 3. Planetarische Hüter. Jede morontielle Welt von den Residenzsphären bis hinauf zum Universumshauptsitz steht - was morontielle Angelegenheiten anbelangt - unter der Obhut von siebzig Wächtern. Sie bilden den lokalen planetarischen Rat höchster morontieller Autorität. Dieser Rat stellt für alle aufsteigenden Geschöpfe, die auf der Sphäre landen, Stoff für morontielle Gestalten bereit und genehmigt jene an der Geschöpfesgestalt vorzunehmenden Veränderungen, die es einem Aufsteiger ermöglichen, zur nächsten Sphäre weiterzugehen. Nach eurem Durchlaufen der Residenzwelten werdet ihr es beim Übertritt von einer Phase morontiellen Lebens zur anderen nicht mehr nötig haben, das Bewusstsein aufzugeben. Unbewusstheit begleitet nur die früheren Metamorphosen und die späteren Übergänge von einem Universum zum nächsten und von Havona ins Paradies. 4. Kombinierte Überwacher. Eines von diesen in hohem Maße mechanischen Wesen ist immer im Zentrum jeder Verwaltungseinheit einer morontiellen Welt stationiert. Ein kombinierter Überwacher spricht auf physische, geistige und morontielle Energien an und weiß mit ihnen umzugehen. Und ein solches Wesen besitzt als Mitarbeiter stets zwei Koordinierer der Systeme, vier Regulierer der Kreise, einen planetarischen Hüter, einen Stabilisierer der Verbindungen und entweder einen assoziierten Archivaren oder einen selektiven Gruppierer. 5. Stabilisierer der Verbindungen. Sie regulieren die morontielle Energie in Verbindung mit den physischen und geistigen Kräften ihrer Welt. Sie machen die Verwandlung morontieller Energie in morontiellen Stoff möglich. Die ganze Organisation der morontiellen Existenz hängt von den Stabilisierern ab. Sie verlangsamen die energetischen Umdrehungen bis zu dem Punkt, wo die Materialisierung eintreten kann. Aber ich verfüge über keine Worte zum Vergleichen oder Veranschaulichen des Amtes solcher Wesen. Es übersteigt menschliches Vorstellungsvermögen ganz und gar. 6. Selektive Gruppierer. Wenn ihr von einer Klasse oder Phase einer morontiellen Welt zur nächsten weitergeht, müsst ihr neu eingestimmt, dem Fortschritt entsprechend höher gestimmt werden, und Aufgabe der selektiven Gruppierer ist es, euch fortlaufend mit dem morontiellen Leben im Gleichschritt zu halten. Zwar bleiben sich die grundlegenden morontiellen Formen des Lebens und der Materie von der ersten Residenzwelt bis zur letzten Übergangswelt des Universums gleich, aber es gibt eine funktionelle Progression, die sich schrittweise vom Materiellen ins Geistige ausweitet. Eure Anpassung an diese grundlegend gleichförmige, aber sich allmählich vorwärtsbewegende und vergeistigende Schöpfung geschieht durch diese selektive Neueinstimmung. Eine solche Neuanpassung des Persönlichkeitsmechanismus kommt einer Neuschöpfung gleich, obwohl ihr dieselbe morontielle Gestalt beibehaltet. Ihr könnt euch wiederholt von diesen Examinatoren prüfen lassen, und sobald ihr eine angemessene geistige Entwicklung vorweisen könnt, werden sie euch mit Freuden eine Bescheinigung für einen höheren Rang ausstellen. Diese progressiven Veränderungen haben gewandelte Reaktionen auf das morontielle Umfeld wie zum Beispiel neue Nahrungsbedürfnisse und zahlreiche andere persönliche Gewohnheiten zur Folge. Die selektiven Gruppierer leisten auch wertvolle Dienste, indem sie morontielle Persönlichkeiten zu Studien- und Lehrzwecken und für andere Projekte zusammenführen. Sie bezeichnen spontan diejenigen, die sich für eine befristete Zusammenarbeit am besten eignen. 7. Assoziierte Archivare. Die morontielle Welt besitzt ihre eigenen Chronisten, die in Zusammenarbeit mit den geistigen Chronisten als Überwacher und Verwahrer der Aufzeichnungen und anderer sich auf die morontiellen Schöpfungen beziehender Daten dienen. Die morontiellen Aufzeichnungen stehen allen Persönlichkeitsordnungen zur Verfügung. Alle morontiellen Übergangswelten sind sowohl materiellen wie geistigen Wesen zugänglich. Als morontielle Vorrückende werdet ihr mit der materiellen Welt und mit materiellen Persönlichkeiten in vollem Kontakt bleiben, während ihr immer mehr geistige Wesen wahrnehmt und mit ihnen brüderlich umgeht. Und bis zur Zeit eures Abschieds vom morontiellen Dasein werdet ihr alle Ordnungen von Geistwesen mit Ausnahme einiger höherer Typen wie etwa der Einsamen Botschafter gesehen haben. ***** 48.3 Die Morontiellen Gefährten ***** Diese Gastgeber der morontiellen und Residenzwelten sind die Kinder des Muttergeistes eines Lokaluniversums. Sie werden von Zeitalter zu Zeitalter in Gruppen von hunderttausend erschaffen, und in Nebadon gibt es derzeit über siebzig Milliarden dieser einmaligen Wesen. Die Morontiellen Gefährten werden durch die Melchisedeks auf einem besonderen Planeten in der Nähe von Salvington für ihren Dienst ausgebildet; sie durchlaufen nicht die zentralen Melchisedek-Schulen. Sie tun überall Dienst, von den niedrigsten Residenzwelten der Systeme bis zu den höchsten Studiensphären Salvingtons, aber man begegnet ihnen nur selten auf den bewohnten Welten. Sie dienen unter der allgemeinen Oberaufsicht der Söhne Gottes und unter der unmittelbaren Leitung der Melchisedeks. Die Morontiellen Gefährten unterhalten in einem Lokaluniversum zehntausend Hauptquartiere - eines auf jeder ersten Residenzwelt eines Lokalsystems. Sie sind beinah eine sich selbst regierende Ordnung, und sie sind im Allgemeinen eine intelligente und loyale Gruppe von Wesen; aber dann und wann, im Zusammenhang mit gewissen unglückseligen himmlischen Auflehnungen, sind sie auf Abwege geraten. Tausende von diesen nützlichen Geschöpfen gingen zu der Zeit der luziferischen Rebellion in Satania verloren. Euer Lokalsystem besitzt jetzt seinen vollen Anteil an diesen Wesen; der durch die Rebellion Luzifers erlittene Verlust wurde erst kürzlich wettgemacht. Es gibt zwei unterschiedliche Typen Morontieller Gefährten; der eine ist dynamischer, der andere zurückhaltender Natur, aber im Übrigen haben sie denselben Status. Sie sind keine geschlechtlichen Geschöpfe, aber sie empfinden füreinander eine rührend schöne Zuneigung. Und obwohl sie kaum in einem materiellen (menschlichen) Sinne kameradschaftlich sind, sind sie doch in der Ordnung der Geschöpfesexistenz mit den menschlichen Rassen nahe verwandt. Mit euch am nächsten verwandt sind die Mittler-Geschöpfe der Welten; auf sie folgen die morontiellen Cherubim und auf diese die Morontiellen Gefährten. Diese Gefährten sind rührend herzliche und auf bezaubernde Art soziale Wesen. Sie besitzen eindeutige Persönlichkeiten, und wenn ihr sie auf den Residenzwelten antrefft, werdet ihr, nachdem ihr sie einmal als Klasse kennen gelernt habt, bald ihre Individualität entdecken. Die Sterblichen gleichen einander alle; aber zugleich besitzt jeder von euch eine verschiedene und erkennbare Persönlichkeit. Eine schwache Vorstellung von der Natur des Wirkens der Morontiellen Gefährten vermag euch vielleicht folgende Klassifizierung ihrer Aktivitäten in einem Lokaluniversum zu vermitteln: 1. Die Pilgerhüter erfüllen bei ihrer Verbindung mit den morontiellen Aufsteigern keine besonderen Aufgaben. Diese Gefährten sind für die morontielle Laufbahn in ihrer Gesamtheit verantwortlich, und sie sind deshalb die Koordinatoren des Wirkens aller anderen morontiellen und Übergangsdiener. 2. Bewillkommner der Pilger und freie Gesellschafter. Das sind die sozialen Gefährten der auf den Residenzwelten neu Eintreffenden. Einer von ihnen wird ganz bestimmt zur Stelle sein, um euch zu beglückwünschen, wenn ihr auf der anfänglichen Residenzwelt aus dem ersten Transitschlaf der Zeit aufwacht, wenn ihr die Auferstehung vom körperlichen Tod in das morontielle Leben erfahrt. Und vom Augenblick dieses feierlichen Willkomms bei eurem Erwachen bis zum Tag, an dem ihr das Lokaluniversum als ein Geist der ersten Stufe verlasst, sind die Morontiellen Gefährten immer bei euch. Die Gefährten werden den Einzelnen nicht auf Dauer zugeteilt. Ein aufsteigender Sterblicher einer Residenzwelt oder einer höheren Sphäre hat unter Umständen bei mehreren aufeinander folgenden Gelegenheiten immer wieder einen anderen Gefährten oder auch über lange Zeiträume gar keinen. Alles hängt von den Bedürfnissen und auch davon ab, ob Gefährten zur Verfügung stehen. 3. Gastgeber der himmlischen Besucher. Diese anmutigen Geschöpfe widmen sich der gastlichen Aufnahme der übermenschlichen Gruppen studierender Besucher und anderer himmlischer Wesen, die sich gerade auf den Übergangswelten aufhalten. Ihr werdet reichlich Gelegenheit haben, jede Welt zu bereisen, die ihr erfahrungsmäßig erreicht habt. Studierende Besucher haben freien Zutritt zu allen Planeten, selbst zu den isolierten. 4. Koordinatoren und Leiter der Verbindungen. Diese Gefährten setzen alles daran, um den morontiellen Umgang zu erleichtern und der Verwirrung vorzubeugen. Sie lehren sozialen Umgang und morontiellen Fortschritt, und sie betreuen die aufsteigenden Sterblichen in Klassen und bei anderen Gruppenaktivitäten. Sie unterhalten ausgedehnte Zonen, in denen sie ihre Schüler versammeln, und von Zeit zu Zeit fordern sie himmlische Künstler und Leiter der Rückschau an, um ihre Programme zu verschönern. Während eures Fortschreitens werdet ihr mit diesen Gefährten in engen Kontakt kommen und die Vertreter beider Arten außerordentlich lieb gewinnen. Es ist jeweils Zufallssache, ob ihr mit einem dynamischen oder mit einem zurückhaltenden Gefährtentyp verbunden seid. 5. Dolmetscher und Übersetzer. Zu Beginn eurer Residenzia-Laufbahn werdet ihr euch häufig an die Dolmetscher und Übersetzer wenden müssen. Sie kennen und sprechen alle Sprachen eines Lokaluniversums; sie sind die Linguisten der Welten. Ihr werdet euch neue Sprachen nicht automatisch aneignen. Drüben werdet ihr eine Sprache so ziemlich auf dieselbe Art erlernen wie hienieden, und diese brillanten Wesen werden eure Sprachlehrer sein. Auf den Residenzwelten wird euer erstes Studium der Sprache von Satania und danach derjenigen von Nebadon gelten. Und während ihr von diesen neuen Sprachen Besitz ergreift, werden die Morontiellen Gefährten eure wirksamen Dolmetscher und geduldigen Übersetzer sein. Ihr werdet auf keiner dieser Welten je einen Besucher treffen, ohne dass sich ein Morontieller Gefährte bereitfände, das Amt eines Dolmetschers zu übernehmen. 6. Ausflugs- und Rückschauleiter. Diese Gefährten werden euch auf den längeren Ausflügen nach der Hauptsitzsphäre und nach den diese umringenden kulturellen Übergangswelten begleiten. Sie planen, leiten und überwachen alle derartigen individuellen und Gruppenreisen zu den Ausbildungs- und Kulturwelten des Systems. 7. Hüter von Plätzen und Gebäuden. Sogar die materiellen und morontiellen Bauten werden immer vollkommener und erhabener, während ihr in eurer Residenzia-Laufbahn vorankommt. Als Einzelne und Gruppen habt ihr die Erlaubnis, an den Gebäuden, die euch während eures Aufenthaltes auf den verschiedenen Residenzwelten als Wohnsitz zugewiesen werden, gewisse Änderungen vorzunehmen. Viele der Aktivitäten dieser Sphären spielen sich in den offenen Umfriedungen der verschiedene Namen tragenden Kreise, Vierecke und Dreiecke ab. Die Gebäude der Residenzwelten besitzen mehrheitlich kein Dach; es sind wunderbar gestaltete und in auserlesener Weise geschmückte Umfassungen. Die auf den architektonischen Welten herrschenden klimatischen und anderen physischen Bedingungen machen Dächer völlig überflüssig. Sie alle, die über den Übergangsphasen des aufsteigenden Lebens wachen, handhaben die morontiellen Angelegenheiten in unübertroffener Weise. Sie sind für dieses Wirken erschaffen worden, und bis zur Verwirklichung des Supremen Wesens werden sie immer Morontielle Gefährten bleiben; nie widmen sie sich anderen Aufgaben. Wenn die Systeme und Universen schrittweise im Licht und Leben verankert werden, funktionieren die Residenzwelten immer weniger als Übergangssphären für morontielle Schulung. Mehr und mehr bauen die Finalisten ihr neues Schulwesen aus, das dafür bestimmt zu sein scheint, das kosmische Bewusstsein von der derzeitigen Ebene des Großen Universums auf diejenige der künftigen äußeren Universen zu verschieben. Die Morontiellen Gefährten haben die Bestimmung, zunehmend mit den Finalisten zusammenzuarbeiten und auf zahlreichen anderen Gebieten zu wirken, die gegenwärtig auf Urantia nicht offenbart sind. Ihr könnt euch darauf gefasst machen, dass diese Wesen höchstwahrscheinlich viel zu eurer Freude auf den Residenzwelten beitragen werden, ob euer dortiger Aufenthalt von langer oder kurzer Dauer sei. Und ihr werdet fortfahren, euch an ihnen zu erfreuen, solange ihr auf dem Weg nach Salvington seid. Sie sind technisch kein wesentliches Element irgendeines Teils eurer Fortlebenserfahrung. Ihr könntet auch ohne sie nach Salvington gelangen, aber ihr würdet sie sehr vermissen. Sie sind der Persönlichkeitsluxus eurer Aufsteigerlaufbahn durch das Lokaluniversum. ***** 48.4 Die Leiter der Rückschau ***** Fröhliche Heiterkeit und das dem Lächeln Entsprechende sind so universell wie Musik. Es gibt eine morontielle und geistige Entsprechung von Freudigkeit und Lachen. Das aufsteigende Leben besteht ungefähr zu gleichen Teilen aus Arbeit und Spiel - Freisein von Aufträgen. Himmlische Entspannung und übermenschlicher Humor sind ganz und gar verschieden von ihren menschlichen Gegenstücken, aber wir erfreuen uns tatsächlich einer Art von beiden, und sie bringen uns in unserem Dasein in etwa das, was idealer Humor für euch auf Urantia zu tun vermag. Die Morontiellen Gefährten sind talentierte Spielförderer, und sie werden dabei sehr gewandt von den Leitern der Rückschau unterstützt. Ihr würdet das Wirken der Leiter der Rückschau wohl am besten verstehen, wenn man sie den höheren Typen der Humoristen Urantias vergliche, obwohl das eine überaus rohe und ziemlich unglückliche Art eines Versuchs wäre, eine Vorstellung von der Funktion dieser Leiter der Abwechslung und Entspannung zu vermitteln, dieser Spender des hohen Humors der morontiellen und geistigen Reiche. Lasst mich bei der Beschreibung des geistigen Humors zuerst sagen, was er nicht ist. Geistiger Scherz legt nie die leiseste Betonung auf das Unglück der Schwachen und Verirrten. Und nie verhöhnt er die Rechtschaffenheit und Herrlichkeit des Göttlichen. Unser Humor umfasst drei allgemeine Ebenen der Wertschätzung: 1. Rückblickender Spaß. Geistreiche Einfälle, gespiesen aus der Erinnerung an unsere in vergangenen Episoden gemachten Erfahrungen von Kampf und Ringen, manchmal von Bangigkeit und oft von alberner und kindischer Angst. Wir verdanken diese Phase des Humors dem tiefsitzenden und bleibenden Vermögen, aus der Vergangenheit Gedächtnismaterial heraufzuholen, um damit den schweren Bürden der Gegenwart einen angenehmen Geschmack zu verleihen und sie auf manche Weise zu erleichtern. 2. Gängiger Humor. Die Sinnlosigkeit von vielem, was uns so oft ernsthafte Sorgen bereitet, die Freude zu entdecken, wie unwichtig vieles ist, was uns persönlich so sehr ängstigt. Wir schätzen diese Phase des Humors dann am meisten, wenn wir am besten in der Lage sind, die gegenwärtigen Ängste zugunsten der zukünftigen Gewissheiten zu beschwichtigen. 3. Prophetische Freude. Es mag Sterblichen schwer fallen, sich diese Art Humor vorzustellen, aber wir ziehen eine ganz besondere Befriedigung aus der Gewissheit, "dass alle Dinge miteinander auf das Gute hinwirken" - sowohl für geistige und morontielle Wesen wie für Sterbliche. Dieser Aspekt himmlischen Humors wächst aus unserem Vertrauen in die Fürsorge unserer Vorgesetzten und in die göttliche Stabilität unserer Höchsten Lenker. Aber die Leiter der Rückschau der Welten geben sich nicht ausschließlich mit der Darstellung des hohen Humors der verschiedenen Ordnungen intelligenter Wesen ab; sie beschäftigen sich ebenfalls mit der Organisation von Zerstreuung, geistiger Erholung und morontieller Unterhaltung. Und auf diesem Gebiet arbeiten die himmlischen Künstler begeistert mit ihnen zusammen. Die Leiter der Rückschau als solche sind keine erschaffene Gruppe; sie sind ein rekrutiertes Korps, das viele Wesen umfasst, von gebürtigen Havonern hinunter über die Botschafterheere des Raums und die dienenden Geiste der Zeit bis zu den morontiellen Aufsteigern aus den evolutionären Welten. Es sind alles Freiwillige, die sich der Aufgabe widmen, ihren Brüdern dabei zu helfen, ihre Gedanken zu wechseln und ihren Verstand auszuruhen, denn solche Praktiken sind äußerst hilfreich, wenn es gilt, erschöpfte Energien zurückzugewinnen. Wenn zielgerichtete Anstrengungen einen teilweise erschöpft haben und man darauf wartet, neue Energieladungen zu empfangen, ist es ein angenehmes Vergnügen, in Gedanken wieder die Szenen vergangener Tage und Zeitalter zu durchleben. Es ist erholsam, sich an die frühen Erfahrungen seiner Rasse oder Ordnung zurückzuerinnern. Und aus genau diesem Grunde werden diese Künstler Leiter der Rückschau genannt - sie helfen dem Gedächtnis, sich an einen früheren Entwicklungsgrad oder unerfahreneren Seinszustand zu erinnern. Alle Wesen erfreuen sich dieser Art der Rückschau mit Ausnahme derer, die von Natur aus Schöpfer, folglich automatische Selbstverjünger sind, und bestimmter hochspezialisierter Geschöpfestypen wie Machtzentren und physischer Überwacher, die immer und ewig in all ihren Reaktionen völlig sachbezogen bleiben. Diese periodische Befreiung von der durch die Aufgaben der Funktion hervorgerufenen Anspannung ist ein normaler Teil des Lebens auf allen Welten des ganzen Universums der Universen, aber nicht auf der Paradies-Insel. Die einheimischen Wesen der zentralen Wohnstätte kennen keine Erschöpfung und sind deshalb auch nicht der Energieaufladung unterworfen. Und bei den Wesen ewiger Paradies-Vollkommenheit kann es keine derartige Rückwendung zu evolutionären Erfahrungen geben. Die meisten von uns sind von niedrigeren Existenzstufen oder innerhalb unserer Ordnungen durch progressive Ebenen aufgestiegen, und es ist erfrischend und gewissermaßen belustigend, auf bestimmte Episoden unserer frühen Erfahrung zurückzublicken. Es liegt etwas Ausruhendes in der Betrachtung dessen, was in unserer Ordnung weit zurückliegt und als Erinnerungsbesitz in unserem Gemüt lebt. Die Zukunft bedeutet Kampf und Vorwärtskommen; sie verspricht Arbeit, Anstrengung und Vollbringen; aber die Vergangenheit hat einen Geschmack von schon Gemeistertem und Vollbrachtem; die Betrachtung des Vergangenen gestattet Entspannung und ein sorgloses Zurückschauen, das im Geist Heiterkeit erzeugt und eine morontielle Gemütsverfassung hervorruft, die an Belustigung grenzt. Auch menschlicher Humor kann sehr herzhaft werden, wenn er Episoden schildert, die solchen zustoßen, die sich gerade ein wenig unter unserem gegenwärtigen Entwicklungsstand befinden, oder wenn er die uns angeblich Überlegenen beschreibt, wie sie Opfer von Erfahrungen werden, die gewöhnlich mit den angeblich unter ihnen Stehenden in Verbindung gebracht werden. Ihr auf Urantia habt viel Vulgärem und Herzlosem erlaubt, mit eurem Humor verwechselt zu werden, aber im Ganzen muss man euch zu einem vergleichsweise ausgeprägten Sinn für Humor gratulieren. Einige eurer Rassen sind damit reich gesegnet, was ihnen in ihrer irdischen Laufbahn eine große Hilfe ist. Ganz offensichtlich habt ihr in dieser Hinsicht von eurer adamischen Erbschaft viel empfangen, viel mehr als auf den Gebieten von Musik und Kunst. Während der dem Spiel gewidmeten Zeiten, jener Zeiten, da seine Bewohner Erinnerungen an niedrigere Existenzstadien auf erfrischende Weise neu aufleben lassen, erbaut sich ganz Satania am wohltuenden Humor eines aus Urantia stammenden Korps von Leitern der Rückschau. Der Sinn für himmlischen Humor verlässt uns nie, auch nicht, wenn wir die allerschwierigsten Aufträge ausführen. Er hilft uns dabei, eine Überentwicklung des Bewusstseins eigener Wichtigkeit zu vermeiden. Aber wir lassen ihm nicht frei die Zügel schießen, wir "spaßen" nicht, wie ihr sagen würdet, außer wir befinden uns im Urlaub von den ernsten Einsätzen unserer jeweiligen Ordnung. Wenn wir in Versuchung geraten, unsere eigene Wichtigkeit aufzublähen, dann aber innehalten, um die Unendlichkeit der Größe und Erhabenheit unserer Erschaffer zu betrachten, erscheint unsere Selbstverherrlichung grenzenlos lächerlich, ja fast humoristisch. Eine der Funktionen des Humors ist es, uns allen zu helfen, uns weniger wichtig zu nehmen. Der Humor ist das göttliche Gegengift gegen die Übersteigerung des Egos. Das Bedürfnis nach Entspannung und Zerstreuung durch Humor ist bei jenen Ordnungen aufsteigender Wesen am größten, die bei ihrem Aufwärtsringen anhaltendem Stress unterworfen sind. Die beiden Lebensextreme haben humoristische Zerstreuungen kaum nötig. Den primitiven Menschen fehlt die Veranlagung dazu und Wesen paradiesischer Vollkommenheit haben kein Bedürfnis danach. Die Heerscharen Havonas sind eine von Natur aus freudige und jubelnde Versammlung von über alles glücklichen Persönlichkeiten. Im Paradies erübrigt sich durch die Qualität der Anbetung die Notwendigkeit von rückwärtsschauenden Aktivitäten. Aber bei denen, die mit ihrer Laufbahn weit unterhalb des Ziels paradiesischer Vollkommenheit beginnen, kommt dem Amt der Leiter der Rückschau ein großer Stellenwert zu. Je höher entwickelt die menschliche Gattung ist, umso größer ist der Stress und umso größer auch die Befähigung zum Humor sowie dessen Notwendigkeit. Für die geistige Welt gilt das Gegenteil: Je höher wir hinaufsteigen, umso geringer wird das Bedürfnis nach Zerstreuungen durch Erlebnisse der Rückschau. Aber wenn man auf der Stufenleiter des geistigen Lebens vom Paradies zu den seraphischen Heerscharen hinabsteigt, findet man ein zunehmendes Bedürfnis nach dem, was Heiterkeit und Fröhlichkeit auszurichten vermögen. Die Wesen, die die Erfrischung periodischen Rückblickens auf den intellektuellen Status früherer Erfahrungen am meisten nötig haben, sind die höheren Typen der menschlichen Gattung, die Morontianer, die Engel und die Materiellen Söhne sowie alle ähnlichen Persönlichkeitstypen. Der Humor sollte als automatisches Sicherheitsventil dienen, um dem Aufbau eines übergroßen Drucks vorzubeugen, der durch die Monotonie andauernder und ernsthafter Selbstbetrachtung in Verbindung mit dem intensiven Kampf um Fortentwicklung und edles Vollbringen entsteht. Humor hat auch die Funktion, den Schock eines unverhofften Zusammenpralls mit einer Tatsache oder einer Wahrheit abzuschwächen - mit der Starrheit und Unnachgiebigkeit der Tatsache und mit der Flexibilität der ewig lebendigen Wahrheit. Die sterbliche Persönlichkeit, die nie sicher ist, was ihr als Nächstes zustoßen wird, erfasst durch Humor rasch die unerwartete Natur einer Situation - sieht den springenden Punkt und gewinnt Erkenntnis -, handle es sich nun um eine Tatsache oder um eine Wahrheit. Obwohl der Humor auf Urantia außerordentlich roh und höchst unkünstlerisch ist, dient er doch einem wertvollen Zweck als Gesundheitsversicherung und Befreier emotionaler Stauung, indem er schädliche Nervenanspannung und allzu ernste Selbstbetrachtung verhindert. Humor und Spiel - Entspannung - sind nie Reaktionen nach vorne gerichteter Anstrengungen; sie sind immer das Echo eines nach rückwärts geworfenen Blicks, eine Erinnerung an Vergangenes. Auch auf Urantia und so, wie ihr heute seid, findet ihr es verjüngend, wenn ihr für kurze Zeit von den anstrengenden neueren und höheren intellektuellen Bemühungen ablassen und zu den einfacheren Beschäftigungen eurer Vorfahren zurückkehren könnt. Die Prinzipien der Spielaktivitäten Urantias sind philosophisch gesund und werden während eures ganzen aufsteigenden Lebens durch die Kreise Havonas bis an die ewigen Küsten des Paradieses gültig bleiben. Als aufsteigende Wesen besitzt ihr eine persönliche Erinnerung an all eure früheren, niedrigeren Existenzen, und ohne solche Erinnerungen der Identität an die Vergangenheit gäbe es keine Grundlage für den Humor der Gegenwart, ob für menschliches Lachen oder morontielle Fröhlichkeit. Es ist dieses Zurückbesinnen auf vergangene Erfahrungen, das die Basis für gegenwärtige Zerstreuung und Vergnügung abgibt. Und so werdet ihr euch während eurer ganzen langen morontiellen und dann immer geistigeren Laufbahn der himmlischen Entsprechungen eures irdischen Humors erfreuen. Und jener Teil Gottes (der Justierer), der ein ewiger Teil der Persönlichkeit eines aufsteigenden Sterblichen wird, steuert zu den fröhlichen Kundgebungen, ja sogar zum geistigen Lachen der aufsteigenden Geschöpfe von Zeit und Raum die Obertöne der Göttlichkeit bei. ***** 48.5 Die Lehrer der Residenzwelten ***** Die Lehrer der Residenzwelten sind ein Korps verlassener, aber verherrlichter Cherubim und Sanobim. Wenn ein Pilger der Zeit von einer Raumwelt der Prüfung zu den Residenzwelten und den übrigen Sphären morontieller Schulung vorstößt, wird er von seinem persönlichen oder einem Gruppenseraphen, dem Schicksalshüter, begleitet. Auf den Welten menschlicher Existenz hat der Seraph in den Cherubim und Sanobim fähige Assistenten; aber wenn sein sterblicher Schutzbefohlener, von den körperlichen Fesseln befreit, die aufsteigende Laufbahn antritt, wenn das nachmaterielle oder morontielle Leben beginnt, benötigt der begleitende Seraph die Dienste seiner früheren Assistenten, der Cherubim und Sanobim, nicht mehr. Diese verlassenen Helfer der dienenden Seraphim werden oft an den Hauptsitz des Universums beordert, wo sie die innige Umfangung durch den Muttergeist des Universums erfahren und dann als Lehrer der Residenzwelten auf die Schulungssphären der Systeme gehen. Diese Lehrer besuchen häufig die materiellen Welten, und sie wirken von den untersten Residenzwelten bis zu den höchsten mit dem Universumshauptsitz verbundenen Erziehungssphären. Aus eigenem Antrieb können sie ihre frühere Zusammenarbeit mit den dienenden Seraphim wieder aufnehmen. Es gibt in Satania Milliarden und Abermilliarden dieser Lehrer, und ihre Zahl wächst ständig, weil in den meisten Fällen, wenn ein Seraph einen mit seinem Justierer fusionierten Sterblichen nach innen weiter begleitet, sowohl ein Cherub als auch ein Sanob zurückgelassen werden. Wie die meisten anderen Erzieher erhalten auch die Lehrer der Residenzwelten ihren Auftrag von den Melchisedeks. Allgemein unterstehen sie der Leitung der Morontiellen Gefährten, aber als Einzelwesen und Lehrer unterstehen sie den amtierenden Leitern der Schule oder der Sphäre, wo sie als Erzieher tätig sind. Diese fortgeschrittenen Cherubim arbeiten gewöhnlich in Paaren wie während ihrer Verbindung mit den Seraphim. Sie kommen in ihrem Wesen dem morontiellen Existenztyp sehr nahe, und ihre angeborene einfühlsame Art macht sie für die aufsteigenden Sterblichen zu Lehrern, die das Programm der Residenzwelten und des morontiellen Erziehungssystems höchst wirksam durchführen. An den Schulen des morontiellen Lebens erteilen diese Lehrer individuellen, Gruppen-, Klassen- und Massenunterricht. Auf den Residenzwelten besteht die Organisation dieser Lehranstalten aus drei allgemeinen Abteilungen zu je hundert Untergruppen: Das sind die Schulen des Denkens, die Schulen des Fühlens und die Schulen des Handelns. Wenn ihr in die Konstellation kommt, treten die Schulen der Ethik, die Schulen der Verwaltung und die Schulen der sozialen Anpassung neu hinzu. Auf den Welten des Universumshauptsitzes werdet ihr in die Schulen der Philosophie, der Göttlichkeit und der reinen Geistigkeit eintreten. Die Dinge, die ihr auf Erden hättet lernen können, die ihr aber zu lernen versäumt habt, müssen unter Anleitung dieser treuen und geduldigen Lehrer erworben werden. Es gibt keine königlichen Straßen, Abkürzungen oder leichten Pfade zum Paradies. Ungeachtet der individuellen Wegesvarianten müsst ihr euch die Lektionen einer Sphäre aneignen, bevor ihr zur nächsten weitergeht; wenigstens trifft das zu, wenn ihr einmal eure Geburtswelt verlassen habt. Eines der Ziele der morontiellen Laufbahn besteht darin, im fortlebenden Sterblichen jene von der tierischen Natur herrührenden Wesenszüge wie Zaudern, Zweideutigkeit, Unaufrichtigkeit, Umgehen von Problemen, unfaires Verhalten und Bequemlichkeit für immer auszurotten. Das Residenzialeben lehrt die jungen morontiellen Schüler schon früh, dass durch Aufschieben keinesfalls etwas vermieden werden kann. Nach dem irdischen Leben steht die Zeit nicht mehr als Technik zur Verfügung, um sich vor Situationen zu drücken oder unangenehmen Verpflichtungen aus dem Wege zu gehen. Die Lehrer der Residenzwelten beginnen mit ihrem Dienst auf den niedrigsten Aufenthaltssphären, aber mit zunehmender Erfahrung rücken sie durch die Erziehungswelten des Systems und der Konstellation bis zu den Schulungswelten Salvingtons vor. Weder vor noch nach der Umfangung durch den Muttergeist des Universums müssen sie eine besondere Ausbildung durchmachen. Sie haben sich auf ihre Arbeit bereits eingeübt, während sie als seraphische Mitarbeiter auf den Welten dienten, aus denen ihre jetzt auf den Residenzwelten weilenden Schüler stammen. Sie haben auf den bewohnten Welten mit den vorrückenden Sterblichen echte Erfahrungen gemacht. Sie sind praktische und einfühlsame Lehrer, weise und verstehende Erzieher, fähige und wirksame Führer. Sie sind mit den aufsteigenden Plänen bestens vertraut und durch und durch erfahren in den Anfangsphasen der fortschreitenden Laufbahn. Viele der älteren dieser Lehrer, die lange auf den Welten des Salvingtonkreises gedient haben, werden von neuem vom Muttergeist des Universums umfangen. Aus dieser zweiten Umfangung gehen diese Cherubim und Sanobim mit dem Status von Seraphim hervor. ***** 48.6 Die Seraphim der morontiellen Welt - Die Übergangsförderer ***** Obwohl alle Engelsordnungen, von den planetarischen Helfern bis zu den höchsten Seraphim, auf den morontiellen Welten dienen, sind die Übergangsförderer ausschließlicher an diese Tätigkeiten gebunden. Diese Engel gehören zur sechsten Ordnung seraphischer Diener, und ihre Aufgabe besteht darin, den materiellen und sterblichen Geschöpfen den Übergang vom zeitlichen, inkarnierten Leben zu frühen Stadien morontieller Existenz auf den sieben Residenzwelten zu erleichtern. Ihr solltet verstehen, dass das morontielle Leben eines aufsteigenden Sterblichen schon auf der bewohnten Welt bei der Geburt der Seele beginnt, in dem Augenblick, wo der geistige Justierer in dem sittlichen Status besitzenden Geschöpfesverstand einzieht. Von diesem Augenblick an hat die Seele des Sterblichen potentiell die Fähigkeit, auf übersterbliche Weise zu funktionieren, ja sogar die Fähigkeit zur Erkenntnis auf den höheren Ebenen der morontiellen Sphären des Lokaluniversums. Indessen wird euch das Wirken der Übergangsseraphim nicht eher zum Bewusstsein kommen, als bis ihr die Residenzwelten erreicht habt, wo sie sich unermüdlich für den Fortschritt ihrer sterblichen Schüler einsetzen. Sie sind den folgenden sieben Dienstzweigen zugeteilt: 1. Seraphische Verkünderengel. Im Augenblick, da ihr auf den Residenzwelten das Bewusstsein wiedererlangt, werdet ihr als in Entwicklung begriffene Geistwesen in die Register des Systems eingetragen. Zugegeben, ihr seid in Wahrheit noch keine Geistwesen, aber ihr seid keine sterblichen oder materiellen Wesen mehr; ihr habt mit eurer vorgeistigen Laufbahn begonnen und seid ordnungsgemäß zum morontiellen Leben zugelassen worden. Auf den Residenzwelten werden euch die seraphischen Verkünderengel dabei helfen, unter den euch freigestellten, nach Edentia, Salvington, Uversa und Havona führenden Wegen eine weise Wahl zu treffen. Wenn es eine Anzahl gleich empfehlenswerter Routen gibt, werden sie euch vorgelegt werden, und es wird euch erlaubt sein, darunter die euch am meisten zusagende zu wählen. Daraufhin machen die Seraphim zuhanden der vierundzwanzig Berater auf Jerusem Empfehlungen hinsichtlich der für jede aufsteigende Seele vorteilhaftesten Richtung. Bei der Wahl eurer künftigen Bahn wird euch nicht unbeschränkte Freiheit zugestanden; aber ihr könnt innerhalb der Grenzen dessen wählen, was die Übergangsförderer und ihre Vorgesetzten als das Günstigste für euer späteres geistiges Vollbringen erachten. Die geistige Welt gründet auf dem Prinzip der Respektierung eurer freien Wahl, vorausgesetzt, dass die von euch in Aussicht genommene Richtung euch nicht zum Nachteil gereichen oder euren Gefährten schaden könnte. Die seraphischen Verkünderengel widmen sich der Verkündigung des Evangeliums vom ewigen Fortschritt, vom siegreichen Erringen der Vollkommenheit. Auf den Residenzwelten verkündigen sie das große Gesetz von der Erhaltung und Dominanz der Güte: Eine gute Handlung geschieht nie ganz umsonst; es kann sich ihr während langer Zeit alles entgegenstemmen, aber sie kann nie ausgetilgt werden und ist im Maße der sie motivierenden Göttlichkeit ewig mächtig. Sogar auf Urantia raten sie den menschlichen Lehrern der Wahrheit und Rechtschaffenheit, sich an die Predigt "der Güte Gottes, die zur Reue führt" zu halten und "die Liebe Gottes, die alle Furcht austreibt" zu verkünden. Und diese Wahrheiten sind auf eurer Welt auch in folgender Weise verkündet worden: Die Götter sind meine Beschützer; ich werde nicht in die Irre gehen; Sie gehen an meiner Seite und führen mich auf den schönen Pfaden und in der herrlichen Frische des ewigen Lebens. In dieser Göttlichen Gegenwart wird es mir nicht an Speise mangeln, noch wird mich nach Wasser dürsten. Ob ich in das Tal der Unsicherheit hinabsteige oder mich hinauf in die Welten des Zweifels begebe, Ob ich in der Einsamkeit wandere oder mit meinen Artgenossen, Ob ich in den Lichtchören den Sieg feiere oder an einsamen Orten der Sphären unsicher werde, So wird mich dein guter Geist umsorgen und dein glorreicher Engel mich trösten. Und sollte ich auch in die Tiefen der Finsternis und in den Tod selber hinabsteigen, So werde ich nicht an dir zweifeln noch dich fürchten, Denn ich weiß, dass du mich in der Herrlichkeit deines Namens, wenn die Zeit voll ist, Hinaufheben wirst, damit ich bei dir wohne in der zinnengekrönten Stadt in der Höhe. Das ist die Geschichte, so wie sie dem Hirtenjungen zu nächtlicher Stunde ins Ohr geflüstert wurde. Er konnte sich ihrer zwar nicht Wort für Wort entsinnen, aber so gut es sein Gedächtnis zuließ, gab er sie ziemlich so wieder, wie sie uns heute überliefert ist. Diese Seraphim verkündigen nicht nur den einzelnen Aufsteigern, sondern auch dem ganzen System das Evangelium vom Erreichen der Vollkommenheit. Schon jetzt, im jungen System von Satania, stellen sie sich in ihrem Lehren und Planen auf die Zeitalter der Zukunft ein, wenn die Residenzwelten den aufsteigenden Sterblichen nicht mehr als Sprungbrett zu den Sphären in der Höhe dienen werden. 2. Rasseninterpreten. Die Rassen sterblicher Wesen sind nicht alle gleich. Gewiss gibt es ein planetarisches Muster, das sich in den physischen, mentalen und geistigen Naturen und Tendenzen der verschiedenen Rassen einer gegebenen Welt wiederfindet; aber es gibt auch unterschiedliche Rassentypen, und ganz bestimmte soziale Tendenzen charakterisieren die Abkömmlinge dieser verschiedenen Grundtypen von Menschenwesen. Auf den Welten der Zeit fördern die seraphischen Rasseninterpreten die Bemühungen der Rassenkommissare um Harmonisierung der verschiedenen Blickwinkel der Rassen, und sie setzen ihr Wirken auf den Residenzwelten fort, wo dieselben Unterschiede eine gewisse Neigung zum Fortdauern haben. Auf einem durcheinander geratenen Planeten wie Urantia haben diese strahlenden Wesen kaum günstige Gelegenheiten zum Wirken gefunden, aber sie sind die geübten Soziologen und weisen ethnischen Berater des ersten Himmels. Ihr solltet über die Bezeichnungen "Himmel" und "Himmel der Himmel" nachdenken. Der Himmel, den die meisten eurer Propheten ins Auge fassten, war die erste der Residenzwelten des Lokaluniversums. Als der Apostel davon sprach, "in den dritten Himmel entrückt worden zu sein", bezog er sich auf ein Erlebnis, bei welchem sich sein Justierer während des Schlafs von ihm getrennt hatte und in diesem ungewöhnlichen Zustand eine Projektion auf die dritte der sieben Residenzwelten vorgenommen hatte. Einigen eurer Weisen wurde eine Vision des größeren Himmels, "des Himmels der Himmel", zuteil. Darin stellten die sieben Residenzwelten nur die erste Erfahrung dar, die zweite war Jerusem, die dritte Edentia mit seinen Satelliten, die vierte Salvington und die es umringenden Erziehungssphären, die fünfte Uversa, die sechste Havona und die siebente das Paradies. 3. Mentalitätsplaner. Diese Seraphim widmen sich der wirksamen Zusammenführung morontieller Wesen und der Organisation ihrer Gruppenarbeit auf den Residenzwelten. Sie sind die Psychologen des ersten Himmels. Die Mehrheit der dieser besonderen Abteilung angehörenden seraphischen Diener verfügt über frühere Erfahrungen als Schutzengel der Kinder der Zeit. Aber aus irgendwelchem Grunde vermochten sich ihre Mündel auf den Residenzwelten nicht neu zu personifizieren oder lebten dank der Technik der Fusion mit dem Geiste fort. Aufgabe der Mentalitätsplaner ist es, Natur, Erfahrung und Status der Justierer-Seelen zu studieren, die sich im Durchgang durch die Residenzwelten befinden, und ihre Gruppierung im Hinblick auf Aufgabenzuweisung und Beförderung zu erleichtern. Aber die Mentalitätsplaner pressen die Studenten der Residenzwelten in keine Schemen, noch manipulieren sie sie oder ziehen in irgendwelcher Weise Vorteil aus ihrer Unwissenheit oder anderen ihrer Beschränkungen. Sie sind vollkommen fair und über alles gerecht. Sie respektieren euren neugeborenen morontiellen Willen; sie betrachten euch als unabhängige Willenswesen, und sie suchen euch zu rascher Entwicklung und Beförderung zu ermuntern. Ihr steht in ihnen wahren Freunden und verständnisvollen Beratern gegenüber, Engeln, die wirklich fähig sind, euch zu helfen, "euch so zu sehen, wie andere euch sehen" und "euch so zu kennen, wie die Engel euch kennen". Auch auf Urantia lehren diese Seraphim die ewige Wahrheit: Wenn euer eigenes Denken euch nicht gut bedient, könnt ihr es gegen das Denken Jesu von Nazareth eintauschen, das euch immer gut berät. 4. Morontielle Berater. Der Name dieser Diener kommt von ihrem Amt, die aus den menschlichen Ursprungswelten stammenden fortlebenden Sterblichen, die sich im Durchgang zu den höheren Schulen der Systemhauptwelt befindlichen Seelen, zu unterweisen, zu führen und zu beraten. Sie sind die Lehrer derer, welche die erfahrungsmäßige Einheit auseinanderstrebender Lebensebenen zu erkennen suchen, derer, die die Integration der Bedeutungen und die Einigung der Werte erstreben. Das ist im Leben der Sterblichen die Funktion der Philosophie und auf den morontiellen Sphären diejenige der Mota. Die Mota ist mehr als nur eine höhere Philosophie; sie verhält sich zur Philosophie wie zwei Augen zu einem; sie hat eine stereoskopische Wirkung auf Bedeutungen und Werte. Der materielle Mensch sieht das Universum gleichsam nur mit einem Auge - flach. Die Residenzweltstudenten gelangen zu einer kosmischen Perspektive - Tiefe - indem sie den Wahrnehmungen des physischen Lebens die Wahrnehmungen des morontiellen Lebens überlagern. Und was sie befähigt, diese materiellen und morontiellen Gesichtspunkte wahrhaft in einem einzigen Brennpunkt zu vereinigen, ist das unermüdliche Bemühen ihrer seraphischen Berater, welche die Studenten der Residenzwelten und die morontiellen Vorrückenden mit so viel Geduld unterrichten. Viele der lehrenden Berater der höchsten Seraphimordnung begannen ihre Laufbahn als Berater der eben erst befreiten Seelen der Sterblichen der Zeit. 5. Techniker. Das sind die Seraphim, die den neuen Aufsteigern helfen, sich in das neue und vergleichsweise seltsame Umfeld der morontiellen Sphären einzugewöhnen. Das Leben auf den Übergangswelten bedeutet wirklichen Kontakt mit den Energien und Stoffen der physischen und morontiellen Ebene und bis zu einem gewissen Grade mit geistigen Realitäten. Die Aufsteiger müssen sich an jede neue morontielle Ebene gewöhnen, und bei alledem leisten ihnen die seraphischen Techniker große Hilfe. Diese Seraphim funktionieren als Verbindungswesen zu den Morontiellen Machtüberwachern und zu den Physischen Hauptüberwachern, und sie arbeiten vorwiegend daran, die aufsteigenden Pilger mit der Natur der Energien vertraut zu machen, die auf den Übergangssphären zur Anwendung kommen. In Notfällen dienen sie als Raumdurchquerer und führen zahlreiche andere laufende oder außergewöhnliche Aufträge aus. 6. Lehrer-Chronisten. Diese Seraphim sind die Chronisten der Vorgänge im Grenzland zwischen Geistigem und Physischem, der Beziehungen zwischen Engeln und Menschen, der morontiellen Geschehnisse der tieferstehenden Universumsreiche. Sie lehren auch die besten und leistungsfähigsten Methoden zur Aufzeichnung von Tatsachen. Es liegt etwas Künstlerisches in der intelligenten Zusammenfügung und Koordinierung von zusammenhängenden Daten, und diese Kunst wird in Zusammenarbeit mit den himmlischen Künstlern noch gesteigert, wodurch auch die aufsteigenden Sterblichen mit den Chronistenseraphim in Verbindung treten. Die Chronisten aller seraphischen Ordnungen geben einen bestimmten Teil ihrer Zeit an die Erziehung und Ausbildung der morontiellen Vorrückenden. Diese die Zeitgeschehnisse bewahrenden Engel sind die idealen Ausbilder aller Tatsachensucher. Bis ihr Jerusem verlasst, werdet ihr mit der Geschichte Satanias und seiner 619 bewohnten Welten völlig vertraut sein, und das meiste davon werden euch die seraphischen Chronisten vermittelt haben. Diese Engel gehören alle zu der Kette von Chronisten, die sich von den niedersten bis zu den höchsten Hütern der Tatsachen der Zeit und der Wahrheiten der Ewigkeit erstreckt. Eines Tages werden sie euch lehren, neben den Tatsachen ebenfalls die Wahrheit zu suchen und neben eurem Intellekt auch die Seele zu erweitern. Jetzt schon solltet ihr lernen, neben der Suche nach den trockenen Dünen des Wissens auch den Garten eures Herzens zu bewässern. Die Formen sind wertlos, wenn die Lektionen einmal gelernt worden sind. Ohne Eierschale kann es kein Kücken geben, aber die Schale ist wertlos geworden, wenn das Kücken einmal ausgeschlüpft ist. Jedoch ist der Irrtum manchmal so groß, dass seine Berichtigung durch Offenbarung unheilvoll für das langsame Erwachen der Wahrheiten wäre, die wesentlich sind, um ihn durch Erfahrung zu überwinden. Wenn die Kinder ihre Ideale haben, dann treibt sie ihnen nicht aus, sondern lasst sie wachsen. Und während ihr denken lernen solltet wie erwachsene Menschen, solltet ihr auch beten lernen wie Kinder. Das Gesetz ist das Leben selber, und nicht die Regeln seiner Führung. Das Üble ist eine Gesetzesübertretung, nicht eine Verletzung von Regeln, die die Führung des Lebens betreffen, welches selber das Gesetz ist. Bei Falschheit handelt es sich nicht einfach um eine zur Berichterstattung gewählte Technik, sondern um eine vorsätzliche Entstellung der Wahrheit. Die Schöpfung neuer Darstellungen aus alten Tatsachen, die Neuformulierung des elterlichen Lebens im Leben der Kinder - das sind die künstlerischen Triumphe der Wahrheit. Auch nur der Schatten eines Haares, das in unlauterer Absicht gekrümmt wurde, das leiseste Verdrehen oder Abirren von dem, was ein Prinzip darstellt - all das bedeutet Falschheit. Aber der Fetisch einer in Tatsachen übergeführten Wahrheit, einer versteinerten Wahrheit, die eiserne Jacke der so genannten unverrückbaren Wahrheit hält einen blind in einem geschlossenen Kreis kalter Tatsachen gefangen. Man kann sich den Tatsachen gegenüber technisch im Recht, der Wahrheit gegenüber jedoch ewig im Unrecht befinden. 7. Diener-Reserven. Ein großes Korps aller Ordnungen von Übergangsseraphim wird auf der ersten Residenzwelt unterhalten. Nach den Schicksalshütern kommen diese Übergangsförderer von allen seraphischen Ordnungen den Menschen am nächsten, und viele eurer Mußestunden werdet ihr mit ihnen verbringen. Dienen ist den Engeln eine Wonne, und wenn sie ohne Auftrag sind, wirken sie oft als Freiwillige. Die persönliche Freundschaft mit den freiwilligen Dienern der seraphischen Reserven hat in der Seele manch eines aufsteigenden Sterblichen zum ersten Mal das göttliche Feuer der Dienstwilligkeit entfacht. Von ihnen werdet ihr lernen, wie sich unter Druck Stabilität und Gewissheit entwickeln lassen; wie man gewissenhaft und ernst, dabei aber doch fröhlich sein kann; wie man Herausforderungen ohne Klage annehmen und Schwierigkeiten und Unsicherheiten furchtlos begegnen kann. Sie werden euch fragen: Wenn ihr scheitert, werdet ihr euch trotzdem unbezähmbar erheben und einen neuen Anlauf nehmen? Und wenn ihr erfolgreich seid, werdet ihr trotzdem ein gut ausgewogenes Gleichgewicht - eine gefestigte und vergeistigte Haltung - bewahren bei all euren Anstrengungen in dem langen Kampf, die Ketten materieller Trägheit zu sprengen und die Freiheit einer Existenz im Geiste zu gewinnen? Ganz wie die Sterblichen haben sich auch diese Engel viele Enttäuschungen bereitet, und sie werden eure Aufmerksamkeit darauf lenken, dass eure enttäuschendsten Enttäuschungen manchmal eure größten Segnungen geworden sind. Manchmal macht das Pflanzen eines Samens seinen Tod nötig, den Tod eurer am zärtlichsten gehegten Hoffnungen, bevor er wiedergeboren werden kann, um die Früchte neuen Lebens und neuer Gelegenheiten tragen zu können. Und von diesen Engeln werdet ihr lernen, weniger unter Schmerz und Enttäuschung zu leiden, indem ihr erstens weniger persönliche Pläne macht, die andere Persönlichkeiten betreffen, und zweitens euer Los akzeptiert, wenn ihr einmal euren Dienst treu erfüllt habt. Ihr werdet lernen, dass ihr euch größere Lasten aufbürdet und eure Erfolgschancen verringert, wenn ihr euch zu ernst nehmt. Nichts kann vor der Arbeit auf der Sphäre eures gegenwärtigen Status Vorrang haben - auf dieser Welt oder auf der nächsten. Die Vorbereitungsarbeit auf die nächst höhere Sphäre ist sehr wichtig, aber nichts kommt an Wichtigkeit der Arbeit auf der Welt gleich, auf der ihr jetzt lebt. Aber obwohl die Arbeit wichtig ist, ist das Selbst es nicht. Wenn ihr ein Gefühl von eurer Wichtigkeit habt, verliert ihr Energie, die zugunsten der Würde des Ichs verschlissen wird, so dass wenig Energie übrig bleibt, um die Arbeit zu tun. Die dem Ego - und nicht die der Arbeit - beigemessene Wichtigkeit ist es, was unreife Geschöpfe leer pumpt. Der Faktor des Selbst ist es, was erschöpft, nicht der zum Vollbringen geleistete Einsatz. Ihr könnt bedeutende Werke vollbringen, wenn ihr euch dabei keine Wichtigkeit beimesst; ihr könnt mehrere Aufgaben so leicht wie eine einzige ausführen, wenn ihr euch dabei ausklammert. Abwechslung ist ausruhend; Monotonie hingegen nutzt ab und erschöpft. Ein Tag gleicht dem anderen - entweder wir wählen das Leben oder die Alternative, den Tod. ***** 48.7 Die morontielle Mota ***** Die niedrigeren Ebenen der morontiellen Mota berühren sich mit den höheren Ebenen menschlicher Philosophie. Auf der ersten Residenzwelt ist es üblich, die weniger fortgeschrittenen Schüler mittels der Paralleltechnik zu unterrichten, was heißt, dass in einer Kolonne die einfacheren Konzepte der Mota-Bedeutungen dargeboten werden, während in der gegenüberliegenden Kolonne entsprechende, menschlicher Philosophie entnommene Gedanken zitiert werden. Es ist nicht lange her, da hatte ich Gelegenheit, diese Lehrmethode zu studieren, während ich auf der ersten Residenzwelt Satanias einen Auftrag ausführte; und obwohl ich keine Präsentierung des Mota-Inhaltes der Lektion unternehmen darf, ist es mir erlaubt, die achtundzwanzig Zitate menschlicher Philosophie wiederzugeben, die jener morontielle Lehrer als anschauliches Material heranzog, um den neuen Aufenthaltern auf den Residenzwelten bei ihren ersten Anstrengungen zur Erfassung von Sinn und Bedeutung der Mota zu helfen. Und dies waren die menschlicher Philosophie entstammenden Beispiele: 1. Wenn jemand auf besonderen Gebieten Fähigkeiten zeigt, bedeutet das noch nicht, dass er auch geistiges Vermögen besitzt. Klugheit ist kein Ersatz für wahren Charakter. 2. Nur wenige Personen leben auf der Höhe des Glaubens, den sie wirklich haben. Unbegründete Furcht ist ein ganz großer intellektueller Betrug gegenüber der sich in Entwicklung begriffenen Seele des Sterblichen. 3. Man kann nicht über das angeborene Fassungsvermögen hinausgehen; in einem Halbliterkrug kann nie ein ganzer Liter Platz finden. Man kann eine geistige Vorstellung nicht mechanisch in einen materiellen Gedächtnismodel hineinzwängen. 4. Nur wenige Sterbliche wagen es je, Anspruch auf so etwas wie die Summe des Guthabens ihrer Persönlichkeit zu erheben, das Natur und Gnade in vereinigtem Walten angehäuft haben. Die verarmten Seelen sind in ihrer Mehrzahl tatsächlich reich, aber sie weigern sich, es zu glauben. 5. Schwierigkeiten sind unter Umständen ein Aufruf zu Mittelmäßigkeit und können den Furchtsamen überwältigen, aber für die Kinder der Allerhöchsten sind sie nur eine zusätzliche Stimulierung. 6. Vorrechte zu genießen, ohne sie zu missbrauchen, Freiheit zu besitzen, ohne zügellos zu werden, über Macht zu verfügen und es standhaft abzulehnen, sie zur Selbsterhöhung zu gebrauchen - das sind die Kennzeichen hoher Zivilisation. 7. Im Kosmos ereignen sich keine blinden und unvorhergesehenen Zufälle. Ebenso wenig eilen die himmlischen Wesen den niedrigeren Wesen zu Hilfe, die sich weigern, ihrem Licht der Wahrheit gemäß zu handeln. 8. Anstrengung erzeugt nicht immer Freude, aber es gibt kein Glücksgefühl ohne intelligente Anstrengung. 9. Handeln macht stark; auf dem Boden der Mäßigung gedeiht Charme. 10. Rechtschaffenheit bringt die harmonischen Saiten der Wahrheit zum Schwingen, und die Melodie durchzittert den ganzen Kosmos, bis sie sogar das Unendliche schaut. 11. Die Schwachen geben sich mit guten Vorsätzen zufrieden, aber die Starken handeln. Das Leben ist nur ein Tagewerk - tut es gut. Unser ist das Handeln, Gottes sind die Folgen. 12. Die größte Betrübnis des Kosmos ist, nie betrübt gewesen zu sein. Nur indem sie durch Drangsal hindurchgehen, gelangen die Sterblichen zur Weisheit 13. Man erblickt die Sterne am besten aus der Verlassenheit und Einsamkeit erfahrungsmäßiger Abgründe, und nicht von strahlenden und jubelnden Berggipfeln aus. 14. Regt den Appetit eurer Gefährten nach Wahrheit an; gebt nur dann einen Rat, wenn man euch darum bittet. 15. Affektiertheit ist das lächerliche Bemühen des Unwissenden, weise zu erscheinen, der Versuch einer öden Seele, reich zu erscheinen. 16. Ihr könnt geistige Wahrheit nicht erkennen, solange ihr sie nicht fühlend erfahren habt, und viele Wahrheiten fühlt man erst richtig in der Not. 17. Ehrgeiz ist solange gefährlich, als er nicht völlig sozialisiert ist. Keine Tugend habt ihr wahrhaft erworben, bevor ihr ihrer durch euer Handeln wert geworden seid. 18. Ungeduld ist ein geistiges Gift; Zorn ist wie ein Stein, den man in ein Hornissennest wirft. 19. Die Angst muss aufgegeben werden. Die am schwersten zu ertragenden Enttäuschungen sind jene, die nie eintreffen. 20. Nur ein Poet kann in der platten Prosa der alltäglichen Existenz Poesie entdecken. 21. Die hohe Sendung jeder Kunst ist es, durch ihre Illusionen einen Vorgeschmack von einer höheren Universumsrealität zu geben, die Gefühle der Zeit in Gedanken der Ewigkeit zu verdichten. 22. Die sich entwickelnde Seele vergöttlicht sich nicht durch das, was sie tut, sondern durch ihr Bemühen darum. 23. Der Tod hat dem intellektuellen Besitz oder der geistigen Ausstattung nichts hinzugefügt, hingegen aber dem erfahrungsmäßigen Status das Bewusstsein des Fortlebens. 24. Die ewige Bestimmung wird von Augenblick zu Augenblick durch das Tag um Tag Gelebte und Vollbrachte entschieden. Die Handlungen von heute sind das Schicksal von morgen. 25. Größe liegt nicht so sehr im Besitz von Kraft als im weisen und göttlichen Gebrauch, den man von dieser Kraft macht. 26. Wissen besitzt man nur, wenn man es teilt; man sichert es sich durch Weisheit und sozialisiert es durch Liebe. 27. Fortschritt verlangt Entwicklung der Persönlichkeit; Mittelmäßigkeit trachtet nach Verewigung durch Standardisierung. 28. Die zur Verteidigung irgendeines Lehrsatzes nötige Argumentation steht im umgekehrten Verhältnis zu der in ihm enthaltenen Wahrheit. Solcherart ist die Arbeit der Anfänger auf der ersten Residenzwelt, während die fortgeschritteneren Schüler auf den folgenden Welten die höheren Ebenen kosmischer Erkenntnis und morontieller Mota meistern. ***** 48.8 Die morontiellen Fortschreitenden ***** Von der Zeit des Abschlusses auf den Residenzwelten bis zur Erlangung des geistigen Status der superuniversellen Laufbahn nennt man die aufsteigenden Sterblichen morontielle Fortschreitende. Euer Gang durch das Leben in diesem wunderbaren Grenzland wird eine für euch unvergessliche Erfahrung, eine bezaubernde Erinnerung bleiben. Er ist die evolutionäre Pforte zum geistigen Leben und zur schließlichen Erlangung der Geschöpfesvollkommenheit, durch welche die Aufsteiger das Ziel der Zeit erreichen - Gott im Paradies finden. Es liegt eine bestimmte göttliche Absicht in diesem ganzen morontiellen und späteren geistigen Plan sterblichen Fortschritts, in dieser wohldurchdachten universellen Schulung und Einübung der aufsteigenden Geschöpfe. Das Vorhaben der Schöpfer ist es, den Geschöpfen der Zeit schrittweise Gelegenheit zu bieten, die Einzelheiten der Wirkungsweise und Verwaltung des Großen Universums zu beherrschen; und dieser langwährende Ausbildungsgang wird am besten so vorangebracht, dass man die sterblichen Fortlebenden allmählich höhersteigen und wirklich an jedem Schritt des Aufstiegs teilhaben lässt. Der Plan für das Fortleben der Sterblichen hat eine praktische und zweckdienliche Zielsetzung; ihr empfangt all diese göttlichen Bemühungen und sorgfältige Schulung nicht nur um eures Fortlebens willen, einzig um endlose Seligkeit und ewiges Behagen zu genießen. Hinter dem Horizont des gegenwärtigen Universumszeitalters verbirgt sich ein Ziel transzendenten Dienstes. Wenn es die Absicht der Götter wäre, euch nur auf eine lange, ewige Vergnügungsreise mitzunehmen, würden sie bestimmt nicht das ganze Universum so weitgehend in eine einzige gewaltige und komplizierte Ausbildungsstätte verwandeln, einen wesentlichen Teil der himmlischen Geschöpfe als Lehrer und Ausbilder aufbieten und dann Zeitalter um Zeitalter darauf verwenden, jeden einzelnen von euch durch diese gigantische Universumsschule erfahrungsmäßiger Ausbildung zu begleiten. Das Voranbringen des Plans für den Fortschritt der Sterblichen scheint eine der Hauptbeschäftigungen des gegenwärtigen organisierten Universums zu sein, und die Mehrheit ungezählter Ordnungen von erschaffenen Intelligenzen bemüht sich direkt oder indirekt um die Förderung irgendeiner Phase des fortschreitenden Vollkommenheitsplans. Während ihr über die Stufen der lebendigen Existenz vom sterblichen Menschen bis zur Umfangung durch die Gottheit emporsteigt, lebt ihr tatsächlich - in den Grenzen des gegenwärtigen Universumszeitalters - das Leben jeder möglichen Phase und jedes möglichen Stadiums vervollkommneter Geschöpfesexistenz. Die Entwicklung vom sterblichen Menschen bis zum Finalisten des Paradieses umfasst alles, was es jetzt geben kann - beinhaltet alles, was den lebendigen Ordnungen intelligenter, vervollkommneter, endlicher erschaffener Geschöpfe gegenwärtig möglich ist. Wenn die zukünftige Bestimmung der Paradies-Finalisten wirklich der Dienst in den jetzt in Entstehung begriffenen Universen ist, dann steht mit Sicherheit fest, dass es in dieser neuen Schöpfung der Zukunft keine erschaffenen Ordnungen erfahrungsmäßiger Wesen geben wird, deren Leben völlig verschieden von demjenigen wäre, das die sterblichen Finalisten schon auf der einen oder anderen Welt als einen Teil ihrer aufsteigenden Schulung gelebt haben, als einen der Abschnitte ihres ganze Zeitalter währenden Fortschritts vom Tier zum Engel und vom Engel zum Geist und vom Geist zu Gott. [Dargeboten von einem Erzengel von Nebadon.] ****** Kapitel 49 Die Bewohnten Welten ****** ALLE von Sterblichen bewohnten Welten sind ihrem Ursprung und Wesen nach evolutionär. Diese Sphären sind die Brutstätte, die evolutionäre Wiege der sterblichen Rassen von Zeit und Raum. Jede Einzeletappe im aufsteigenden Leben ist eine richtige Schule der Einübung in das dann gerade bevorstehende Existenzstadium, und das gilt für jedes Stadium des fortschreitenden Aufstiegs des Menschen bis zum Paradies; es gilt ebenso sehr für des Sterblichen anfängliche Erfahrung auf einem evolutionären Planeten wie für die abschließende Melchisedek-Schule des Universumshauptsitzes, eine Schule, die von den aufsteigenden Sterblichen erst besucht wird, kurz bevor sie zur superuniversellen Ordnung hinüberwechseln und die geistige Existenz der ersten Stufe erreichen. Grundsätzlich werden für die himmlische Verwaltung alle bewohnten Welten in Lokalsystemen zusammengefasst, und jedes dieser Lokalsysteme ist auf ungefähr eintausend evolutionäre Welten beschränkt. Diese Beschränkung gehorcht einer Verfügung der Ältesten der Tage, und sie nimmt nur Bezug auf wirkliche evolutionäre Planeten, auf denen Sterbliche mit Fortlebensstatus leben. Weder schließlich im Licht und Leben verankerte Welten noch Planeten im vormenschlichen Stadium der Lebensentwicklung werden zu dieser Gruppe gerechnet. Satania selber ist ein unfertiges System, das nur 619 bewohnte Welten aufweist. Diese Planeten werden gemäß ihrer Registrierung als bewohnte Welten, als von Willensgeschöpfen bewohnte Welten, laufend nummeriert. So erhielt Urantia die Nummer 606 von Satania, was die sechshundertsechste Welt dieses Lokalsystems bedeutet, auf der der lange evolutionäre Lebensprozess im Auftreten menschlicher Wesen gipfelte. Es gibt sechsunddreißig unbewohnte Planeten, die sich dem Stadium der Lebensverleihung nähern, und mehrere werden jetzt für die Lebensbringer vorbereitet. Es gibt nahezu zweihundert Sphären, deren Entwicklung so verläuft, dass sie in den nächsten paar Millionen Jahren zur Ansiedlung des Lebens bereit sein werden. Nicht alle Planeten eignen sich zur Beherbergung sterblichen Lebens. Kleine mit hoher axialer Rotationsgeschwindigkeit sind als Wohnungen für das Leben völlig ungeeignet. In mehreren der physischen Systeme Satanias sind die um die zentrale Sonne kreisenden Planeten zu groß, um bewohnt zu werden, da ihre große Masse eine drückende Schwerkraft ausübt. Viele von diesen enormen Sphären haben Satelliten, manchmal ein halbes Dutzend oder mehr, und diese Monde kommen an Größe derjenigen Urantias sehr nahe, so dass sie nahezu ideale Wohnbedingungen bieten. Die älteste bewohnte Welt Satanias, Welt Nummer eins, ist Anova, einer von vierundvierzig Satelliten, die um einen enormen dunklen Planeten kreisen, aber dem unterschiedlichen Licht von drei Nachbarsonnen ausgesetzt sind. Anova befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium progressiver Zivilisation. ***** 49.1 Das Planetarische Leben ***** Die Universen von Zeit und Raum machen eine allmähliche Entwicklung durch; die Fortentwicklung des Lebens - des irdischen oder himmlischen - ist weder willkürlich noch magisch. Die kosmische Evolution ist nicht immer verständlich (vorhersagbar), aber sie ist in strengem Sinne nichtzufälliger Art. Die biologische Einheit allen materiellen Lebens ist die protoplasmatische Zelle, der gemeinsame Verband chemischer, elektrischer und anderer grundlegender Ener-gien. Die chemischen Formeln sind in jedem System anders, und die Technik der Vermehrung der lebenden Zellen ist von einem Lokaluniversum zum anderen leicht verschieden, aber die Lebensbringer sind stets die lebendigen Katalysatoren, die die uranfänglichen Reaktionen des materiellen Lebens einleiten; sie sind die Auslöser der Energiekreisläufe der lebendigen Materie. Alle Welten eines Lokalsystems zeigen eine unverkennbare physische Verwandtschaft; trotzdem hat jeder Planet seine eigene Lebensskala, denn keine zwei Welten stimmen in ihrer Pflanzen- und Tierwelt genau überein. Diese planetarischen Variationen in den Lebenstypen eines Systems gehen auf die Entscheidungen der Lebensbringer zurück. Aber diese Wesen sind weder kapriziös noch schrullenhaft; die Universen werden in Übereinstimmung mit Gesetz und Ordnung geführt. Die Gesetze Nebadons sind die göttlichen Erlasse Salvingtons, und die evolutionäre Lebensordnung Satanias steht im Einklang mit den evolutionären Urmustern Nebadons. Die menschliche Entwicklung beruht grundsätzlich auf Evolution, aber der evolutionäre Prozess verläuft auf den verschiedenen Welten sehr unterschiedlich. Das Leben wird manchmal an einem einzigen Ort eingeführt oder manchmal an dreien, wie es auf Urantia geschah. Auf den atmosphärischen Welten nimmt es seinen Ursprung gewöhnlich im Meer, aber nicht immer; viel hängt vom physischen Status eines Planeten ab. Die Lebensbringer haben bei der Einführung des Lebens große Ermessensfreiheit. In der Entwicklung des planetarischen Lebens geht die pflanzliche Form der tierischen stets voraus und ist bereits zu voller Entfaltung gelangt, bevor sich die tierischen Urmuster differenzieren. Alle tierischen Typen entwickeln sich aus den grundlegenden Urmustern des ihnen vorausgehenden Reichs pflanzlichen Lebens; sie werden nicht getrennt davon organisiert. Die frühen Evolutionsstadien des Lebens verliefen nicht ganz so, wie eure heutigen Ansichten es vertreten. Der sterbliche Mensch ist nicht ein evolutionärer Zufall. Es gibt ein genaues System, ein universales Gesetz, das die Entfaltung des planetarischen Lebensplanes auf den Sphären des Raums bestimmt. Die Zeit und die Erzeugung von Artvertretern in gewaltiger Zahl sind nicht die kontrollierenden Einflüsse. Mäuse vermehren sich viel rascher als Elefanten, aber die Evolution der Elefanten ist rascher als die der Mäuse. Der Prozess der planetarischen Evolution geschieht geordnet und unter Kontrolle. Die Entwicklung höherer Organismen aus tieferstehenden Gruppen des Lebens ist nicht zufällig. Manchmal wird der evolutionäre Prozess vorübergehend verzögert durch die Zerstörung bestimmter viel versprechender Linien von Lebensplasma in einer ausgewählten Spezies. Es erfordert oft Zeitalter über Zeitalter, um den Schaden wieder gut zu machen, der durch den Verlust einer einzigen höher entwickelten Linie menschlicher Erbmasse angerichtet worden ist. Diese selektionierten und höheren Linien lebendigen Protoplasmas sollten eifersüchtig und intelligent behütet werden, wenn sie einmal aufgetreten sind. Auf den meisten bewohnten Welten wird diesen überlegenen Lebens-potentialen ein weit höherer Wert beigemessen als auf Urantia. ***** 49.2 Physische Planetentypen ***** Für jedes System gibt es ein einheitliches, grundlegendes Urmuster pflanzlichen und tierischen Lebens. Aber die Lebensbringer stehen manchmal vor der Notwendigkeit, diese grundlegenden Urmuster abzuändern, um den verschiedenen physischen Bedingungen gerecht zu werden, die sie auf den zahlreichen Welten des Raumes antreffen. Sie entwickeln einen im System allgemein geltenden Typ sterblicher Geschöpfe, aber es gibt sieben verschiedene physische Typen nebst Tausenden und Abertausenden von geringfügigeren Varianten dieser sieben Hauptdifferenzierungen: 1. Atmosphärische Typen. 2. Element-Typen. 3. Gravitationstypen. 4. Temperaturtypen. 5. Elektrische Typen. 6. Energie aufnehmende Typen. 7. Unerwähnte Typen. Das System von Satania enthält all diese Typen und zahlreiche Zwischengruppen, wenn auch einige davon nur sehr spärlich vertreten sind. 1. Die atmosphärischen Typen. Die physischen Unterschiede der von Sterblichen bewohnten Welten werden hauptsächlich durch die Beschaffenheit der Atmosphäre bedingt; die übrigen Einflüsse, die zur planetarischen Differenzierung des Lebens beitragen, sind von verhältnismäßig geringerer Bedeutung. Die gegenwärtigen atmosphärischen Verhältnisse Urantias sind für den Unterhalt des atmenden Menschentyps beinahe ideal, aber der Menschentyp kann so modifiziert werden, dass er sowohl auf überatmosphärischen als auch auf unteratmosphärischen Planeten leben kann. Solche Modifikationen erstrecken sich auch auf das tierische Leben, das auf den verschiedenen bewohnten Sphären große Unterschiede aufweist. Auf den unter- und überatmosphärischen Welten sind die tierischen Ordnungen sehr stark abgeändert. In Satania sind von den atmosphärischen Typen etwa zweieinhalb Prozent Unteratmer, etwa fünf Prozent Überatmer, und über einundneunzig Prozent sind mittlere Atmer. Alle zusammen machen sie achtundneunzigeinhalb Prozent der Welten Satanias aus. Wesen wie diejenigen der Rassen Urantias werden zu den mittleren Atmern gerechnet; ihr seid Vertreter der durchschnittlichen oder typischen Atemordnung der sterblichen Existenz. Wenn es intelligente Wesen auf einem Planeten mit einer eurer nahen Nachbarin Venus vergleichbaren Atmosphäre gäbe, würden sie der Gruppe der Überatmer angehören, während man die Bewohner eines Planeten mit einer so dünnen Atmosphäre wie derjenigen eures äußeren Nachbarn Mars Unteratmer nennen würde. Sollten Sterbliche einen der Luft baren Planeten wie euren Mond bewohnen, würden sie zu der getrennten Gruppe der Nichtatmer gehören. Dieser Typ stellt eine radikale, extreme Anpassung an das planetarische Umfeld dar und wird gesondert betrachtet werden. Die Nichtatmer bevölkern die restlichen eineinhalb Prozent der Welten Satanias. 2. Die Element-Typen. Diese Differenzierungen betreffen das Verhältnis der Sterblichen zum Wasser, zur Luft und zum Land, und entsprechend der Beziehung zu diesen Wohnräumen gibt es vier verschiedene Arten intelligenten Lebens. Die Rassen Urantias gehören zu der Landordnung. Ihr könnt euch ganz unmöglich ein Bild von der Umwelt machen, wie es sich in den frühen Zeiten einiger Welten bietet. Deren ungewöhnliche Bedingungen zwingen das sich entwickelnde tierische Leben, länger in seiner frühkindlichen Meeresbehausung auszuharren, als es auf Planeten der Fall ist, die auf dem Festland und in der Atmosphäre schon sehr früh eine wirtliche Umwelt anzubieten haben. Umgekehrt erscheint es auf einigen Welten der Überatmer oft ratsam - wenn der Planet nicht zu groß ist -, einen sterblichen Typ zur Verfügung zu stellen, der sehr bald die Durchquerung der Atmosphäre schaffen kann. Diese Luftdurchquerer fügen sich zeitlich manchmal zwischen die Wasser- und Landgruppen ein; sie leben immer bis zu einem gewissen Grad auf dem Land und entwickeln sich schließlich zu Landbewohnern. Aber auf einigen Welten fliegen sie während ganzer Zeitalter weiter, auch noch nachdem sie Wesen des Landtyps geworden sind. Es ist erstaunlich und belustigend zugleich zu beobachten, wie die frühe Zivilisation einer primitiven Rasse von Menschenwesen Gestalt annimmt - einmal in der Luft und in Baumkronen, ein andermal inmitten der seichten Wasser geschützter tropischer Becken, oder wiederum am Grund, an den Seitenhängen oder an den Küsten dieser Marinen Gärten der heraufdämmernden Rassen auf solch außerordentlichen Planeten. Auch auf Urantia gab es ein langes Zeitalter, währenddessen der primitive Mensch sich dadurch schützte und seine primitive Zivilisation vorantrieb, dass er die meiste Zeit wie seine die Bäume bewohnenden Ahnen in den Baumwipfeln zubrachte. Und auf Urantia besitzt ihr in einer Gruppe kleiner Säugetiere (der Familie der Fledermäuse) immer noch Luftdurchquerer, und eure Robben und Wale, beides Meeresbewohner, gehören ebenfalls zur Ordnung der Säugetiere. In Satania sind von den Element-Typen sieben Prozent Wassertypen, zehn Prozent Luft-, siebzig Prozent Land- und dreizehn Prozent kombinierte Land-und-Lufttypen. Aber diese in abgeänderter Gestalt erscheinenden frühen intelligenten Geschöpfe sind weder menschliche Fische noch menschliche Vögel. Es sind menschliche und vormenschliche Typen, weder Überfische noch glorreiche Vögel, sondern eindeutig menschliche Wesen. 3. Die Gravitationstypen. Durch Abänderung des schöpferischen Entwurfs werden intelligente Wesen so konstruiert, dass sie sich auf Sphären, die kleiner oder größer als Urantia sind, frei bewegen können, dass sie also der Gravitation solcher Planeten, deren Größe und Dichte nicht ideal sind, nach Maß angepasst sind. Die verschiedenen planetarischen Typen von Sterblichen sind von wechselnder Größe, wobei diese in Nebadon durchschnittlich etwas weniger als zwei Meter zehn beträgt. Einige der größeren Welten sind mit Wesen bevölkert, die nur ungefähr fünfundsiebzig Zentimeter hoch sind. Der menschliche Körperbau reicht von dieser Höhe über die mittleren Größen auf den mittelgroßen Planeten bis zu ungefähr drei Metern auf den kleineren bewohnten Sphären. In Satania gibt es nur eine einzige Rasse, die weniger als ein Meter zwanzig misst. Zwanzig Prozent der bewohnten Welten Satanias sind von Sterblichen der modifizierten Gravitationstypen bevölkert, die auf den größeren und kleineren Planeten leben. 4. Die Temperaturtypen. Es ist möglich, Lebewesen zu erschaffen, die Temperaturen aushalten können, welche weit über und unter dem Lebensbereich der Rassen Urantias liegen. Es gibt fünf verschiedene Ordnungen von Wesen, wenn man diese nach ihren Mechanismen der Wärmeregulierung einteilt. Auf dieser Skala befinden sich die Rassen Urantias in der dritten Klasse. Dreißig Prozent der Welten Satanias werden von Rassen der modifizierten Temperaturtypen bevölkert. Zwölf Prozent davon gehören den höheren Temperaturbereichen und achtzehn den tieferen an, wenn man sie mit den Urantianern vergleicht, die in der mittleren Temperaturgruppe funktionieren. 5. Die elektrischen Typen. Das elektrische, magnetische und elektronische Verhalten der Welten zeigt große Unterschiede. Es gibt zehn verschieden gestaltete Entwürfe menschlichen Lebens, damit es den unterschiedlichen Energien der Sphären gewachsen ist. Diese zehn Varianten reagieren auch etwas unterschiedlich auf die chemischen Strahlen des gewöhnlichen Sonnenlichts. Aber diese geringfügigen Abweichungen beeinträchtigen in keiner Weise das intellektuelle oder geistige Leben. Von den elektrischen Gruppierungen des menschlichen Lebens gehören fast dreiundzwanzig Prozent der vierten Klasse, dem Existenztyp Urantias, an. Diese Typen weisen folgende Verteilung auf: Nummer 1: ein Prozent; Nummer 2: zwei Prozent; Nummer 3: fünf Prozent; Nummer 4: dreiundzwanzig Prozent; Nummer 5: siebenundzwanzig Prozent; Nummer 6: vierundzwanzig Prozent; Nummer 7: acht Prozent; Nummer 8: fünf Prozent; Nummer 9: drei Prozent; Nummer 10: zwei Prozent - in ganzen Pro-zentzahlen ausgedrückt. 6. Energie aufnehmende Typen. Nicht alle Welten nehmen die Energie in derselben Weise auf. Nicht alle bewohnten Welten besitzen einen atmosphärischen Ozean, der sich zum Austausch von Gasen durch die Atmung eignet, wie es ihn auf Urantia gibt. Während der früheren oder späteren Stadien vieler Planeten könnten Wesen eurer jetzigen Ordnung nicht existieren; und wenn die respiratorischen Faktoren eines Planeten extrem hoch oder tief liegen, während alle anderen Voraussetzungen für intelligentes Leben erfüllt sind, siedeln die Lebensbringer auf solchen Welten oft eine abgeänderte Form sterblicher Existenz an, nämlich Wesen, welche die Fähigkeit besitzen, die für den Lebensprozess nötigen Austauschvorgänge direkt durch Lichtenergie und aus erster Hand durch die Machtumwandlungen der Physischen Hauptüberwacher zu vollziehen. Es gibt sechs verschiedene Ernährungstypen von Tieren und Sterblichen: Die Unteratmer benutzen den ersten Ernährungstyp, die Meeresbewohner den zweiten, die mittleren Atmer - wie die Urantianer - den dritten. Die Überatmer benutzen den vierten Typ der Energieaufnahme, während die Nichtatmer sich Nahrung und Energie auf die fünfte Art besorgen. Die sechste Technik der Energiebeschaffung beschränkt sich auf die Mittler-Geschöpfe. 7. Die unerwähnten Typen. Es gibt zahlreiche weitere physische Varianten des planetarischen Lebens, aber all diese Unterschiede betreffen einzig anatomische Modifikationen, physiologische Differenzierungen und elektochemische Anpassungen. Derartige Abweichungen haben mit dem intellektuellen oder geistigen Leben nichts zu tun. ***** 49.3 Die Welten der Nichtatmer ***** Der Großteil der bewohnten Planeten wird von intelligenten Wesen des atmenden Typs bewohnt. Aber es gibt auch Ordnungen von Sterblichen, die auf Welten mit wenig oder gar keiner Luft zu leben imstande sind. Von den bewohnten Welten Orvontons gehören weniger als sieben Prozent zu diesem Typ. In Nebadon liegt ihr Anteil unter drei Prozent. In ganz Satania gibt es nur neun derartige Welten. Es gibt in Satania nur so wenig bewohnte Welten des Nichtatmertyps, weil es in diesem eher in jüngerer Zeit organisierten Abschnitt Norlatiadeks immer noch von meteoritischen Raumkörpern wimmelt; und Welten ohne Atmosphäre und ohne deren Reibungsschutz sind einer dauernden Bombardierung durch diese Wanderer ausgesetzt. Sogar einige der Kometen bestehen aus Meteorschwärmen, aber in der Regel handelt es sich um zertrümmerte kleinere Materiekörper. Millionen und Abermillionen von Meteoriten dringen täglich in die Atmosphäre Urantias ein, wobei ihre Eintrittsgeschwindigkeit gegen dreihundertzwanzig Kilometer pro Sekunde beträgt. Auf den Nichtatmerwelten müssen sich die fortgeschrittenen Rassen vor meteorischem Unheil durch die Erstellung elektrischer Anlagen schützen, die die Meteore zerstören oder ablenken. Sie begeben sich in große Gefahr, wenn sie sich aus diesen geschützten Zonen hinauswagen. Diese Welten sind auch verheerenden elektrischen Stürmen einer auf Urantia unbekannten Art ausgesetzt. Solange diese ungeheuren Energieschwankungen andauern, müssen die Bewohner in besonderen Unterkünften schützender Isolation Zuflucht suchen. Das Leben auf den Welten der Nichtatmer ist von demjenigen auf Urantia radikal verschieden. Weder nehmen die Nichtatmer wie die Rassen Urantias Nahrung zu sich, noch trinken sie Wasser wie diese. Die Reaktionen des Nervensystems, die Mechanismen der Wärmeregulation und der Stoffwechsel dieser besonders gearteten Völker unterscheiden sich von Grund auf von denselben Funktionen bei den Sterblichen Urantias. Sozusagen alle Handlungen des Lebens, die Zeugung ausgenommen, sind anders, und selbst die Methoden der Fortpflanzung sind einigermaßen verschieden. Die Tierarten der Nichtatmerwelten sind radikal anders als diejenigen, die man auf den atmosphärischen Planeten antrifft. Der ganze Lebensentwurf der Nichtatmer unterscheidet sich von der Technik der Existenz auf einer atmosphärischen Welt, sogar ihr Fortleben nach dem Tode ist anderer Art, da sie Anwärter auf die Fusion mit dem Geiste sind. Indessen gehen diese Wesen, während sie ihr Leben kosten und den Tätigkeiten auf ihrer Welt nachgehen, durch dieselben relativen Prüfungen und Freuden, welche die auf einer atmosphärischen Welt lebenden Sterblichen erfahren. Was Verstand und Charakter anbelangt, gibt es zwischen den Nichtatmern und den anderen Typen Sterblicher keinen Unterschied. Das planetarische Verhalten dieses Typs Sterblicher sollte euer größtes Interesse erwecken, denn eine Rasse solcher Wesen bewohnt eine in nächster Nähe Urantias gelegene Sphäre. ***** 49.4 Evolutionäre Willensgeschöpfe ***** Es bestehen große Unterschiede zwischen den Sterblichen der verschiedenen Welten, sogar zwischen denen, die denselben intellektuellen und physischen Typen angehören, aber alle mit der Würde des Willens ausgestatteten Sterblichen sind auf zwei Füßen aufrecht gehende Tiere. Es gibt sechs evolutionäre Grundrassen: drei primäre - die rote, gelbe und blaue, und drei sekundäre: die orange, grüne und indigoblaue. Die meisten bewohnten Welten weisen all diese Rassen auf, aber viele der Dreihirn-Planeten beherbergen nur die drei primären Typen. Auch einige Lokalsysteme besitzen einzig diese drei Rassen. Im Durchschnitt sind die menschlichen Wesen mit zwölf physischen Sondersinnen ausgerüstet, obwohl die Sondersinne der dreihirnigen Sterblichen etwas weiter reichen als diejenigen der ein- und zweihirnigen Typen; sie sehen und hören beträchtlich mehr als die Rassen Urantias. Die Kinder kommen in der Regel einzeln zur Welt - mehrfache Geburten bilden die Ausnahme - und das Familienleben ist auf den Planeten aller Typen weitgehend dasselbe. Auf allen fortgeschrittenen Welten herrscht Geschlechtergleichheit; Verstandesgaben und geistiger Status beider Geschlechter sind dieselben. Für uns gilt ein Planet als der Barbarei nicht entronnen, solange ein Geschlecht das andere zu tyrannisieren sucht. Dieser Aspekt der Geschöpfeserfahrung bessert sich jeweils beträchtlich nach der Ankunft eines Materiellen Sohnes und einer Materiel-len Tochter. Jahreszeitliche und Temperaturunterschiede gibt es auf allen von Sonnen belichteten und erwärmten Planeten. Auf jeder atmosphärischen Welt findet man Landwirtschaft; die Bodenbestellung ist eine Beschäftigung, die den vorrückenden Rassen all solcher Planeten gemeinsam ist. Alle Sterblichen haben in ihren frühen Tagen denselben allgemeinen Kampf gegen mikroskopische Feinde zu fechten, wie ihr ihn jetzt auf Urantia erlebt, wenn auch vielleicht nicht in solchem Ausmaß. Auf den verschiedenen Planeten reicht die Lebensdauer von fünfundzwanzig Jahren auf den primitiven Welten bis zu fast fünfhundert Jahren auf den vorgerückteren und älteren Sphären. Die menschlichen Wesen gehorchen alle dem Herdentrieb - sowohl dem Stammes-als auch dem Rassentrieb. Dieses Zerfallen in Gruppen hat seine natürliche Wurzel in ihrem Ursprung und in ihrer Konstitution. Nur vorrückende Zivilisierung und schrittweise Vergeistigung können solche Neigungen umgestalten. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Probleme der bewohnten Welten ändern sich mit dem Alter der Planeten und entsprechend dem Grad des Einflusses, den die aufeinander folgenden Aufenthalte der göttlichen Söhne auf sie ausüben. Der Verstand ist das Geschenk des Unendlichen Geistes, und er funktioniert in verschiedenster Umgebung genau gleich. Ungeachtet gewisser struktureller und chemischer Unterschiede, die die physische Natur der die Lokalsysteme bewohnenden Willensgeschöpfe kennzeichnen, haben die Sterblichen einen sehr ähnlichen Verstand. Ungeachtet aller persönlichen oder physischen planetarischen Unterschiede gleicht sich das mentale Leben all dieser verschiedenen Ordnungen von Sterblichen sehr stark, und ihre unmittelbar auf den Tod folgenden Laufbahnen sind einander sehr ähnlich. Aber der sterbliche Verstand kann ohne den unsterblichen Geist nicht fortleben. Der Verstand des Menschen ist sterblich; nur der ihm verliehene Geist ist unsterblich. Das Fortleben hängt von der Vergeistigung unter der Einwirkung des Justierers ab - von der Geburt und Entwicklung der unsterblichen Seele; zumindest darf sich kein Widerstand gegen die Mission des Justierers entwickelt haben, der die geistige Verwandlung des materiellen Verstandes herbeiführen möchte. ***** 49.5 Die planetarischen Serien der Sterblichen ***** Es wird einigermaßen schwierig sein, von den planetarischen Serien der Sterblichen eine zutreffende Beschreibung zu geben, weil ihr so wenig über sie wisst und es sie in so vielen Variationen gibt. Man kann die sterblichen Geschöpfe indessen von zahlreichen Gesichtspunkten aus studieren, unter welchen sich folgende befinden: 1. Anpassung an das planetarische Umfeld. 2. Hirntypen-Reihe. 3. Geistempfänglichkeits-Reihe. 4. Planetarische Epochen der Sterblichen. 5. Serien verwandter Geschöpfe. 6. Serie mit Justiererfusion. 7. Techniken der Erdenflucht. Die bewohnten Sphären der sieben Superuniversen sind von Sterblichen bevölkert, die sich gleichzeitig in eine oder mehrere Kategorien jeder dieser sieben allgemeinen Klassen evolutionären Geschöpfeslebens einordnen lassen. Aber sogar diese allgemeinen Klassifikationen erlauben nicht, Wesen wie die Midsoniter oder bestimmte andere Formen intelligenten Lebens unterzubringen. So wie die bewohnten Welten in diesen Beschreibungen dargestellt werden, sind sie von evolutionären sterblichen Wesen bevölkert, aber es gibt noch andere Formen des Lebens. 1. Anpassung an das planetarische Umfeld. Vom Standpunkt der Anpassung des Geschöpfeslebens an die planetarische Umwelt gibt es drei allgemeine Gruppen bewohnter Welten: die Gruppe normaler Anpassung, die Gruppe radikaler Anpassung und die experimentelle Gruppe. Normale Anpassungen an planetarische Bedingungen folgen den vorgängig betrachteten allgemeinen physischen Urmustern. Die Welten der Nichtatmer sind typische Vertreter radikaler oder extremer Anpassung, aber diese Gruppe umfasst auch noch andere Typen. Experimentelle Welten bieten im Allgemeinen ideale Voraussetzungen für die typischen Lebensformen, und auf diesen Dezimalplaneten versuchen die Lebensbringer, segensreiche Variationen der gängigen Lebensentwürfe hervorzubringen. Da eure Welt ein Experimentierplanet ist, unterscheidet sie sich ganz ausgesprochen von ihren Schwestersphären in Satania; auf Urantia sind viele Lebensformen erschienen, die man anderswo nicht findet; andererseits sind viele gewöhnliche Arten von eurem Planeten abwesend. Im Universum von Nebadon werden alle Welten mit modifiziertem Leben in einer Serie zusammengefasst und bilden einen Spezialbereich der Universumsangelegenheiten, dem eigens bestellte Administratoren ihre Aufmerksamkeit schenken; und all diese Experimentierwelten werden periodisch durch ein Korps von universellen Leitern inspiziert, deren Oberhaupt der in Satania als Tabamantia bekannte Finalistenveteran ist. 2. Hirntypen-Reihe. Die hervorstechende physische Gleichförmigkeit der Sterblichen ist das Hirn-Nerven-System; trotzdem gibt es drei grundlegende Beschaffenheiten des Hirnmechanismus: den Ein-, den Zwei- und den Dreihirntypus. Die Urantianer gehören zum Zweihirntyp, der um ein Geringes einfallsreicher, abenteuerlustiger und philosophischer als die einhirnigen Sterblichen ist, aber etwas weniger geistig, ethisch und andachtsvoll als die dreihirnigen Ordnungen. Diese Hirnunterschiede charakterisieren sogar schon die vormenschlichen tierischen Existenzen. Ausgehend vom Zwei-Hemisphären-Typus der urantianischen Großhirnrinde könnt ihr durch Analogie etwas vom einhirnigen Typus erfassen. Das dritte Hirn der dreihirnigen Ordnungen stellt man sich am besten als eine Weiterentwicklung eures niedrigeren oder rudimentären Kleinhirns vor, das nun so weit ausgebildet ist, dass es hauptsächlich die Kontrolle der physischen Aktivitäten übernehmen kann, womit es die beiden überlagerten Hirne für höhere Beschäftigungen frei lässt: das eine für intellektuelle Funktionen und das andere für die den Gedankenjustierer widerspiegelnden geistigen Aktivitäten. Während die irdischen Leistungen der einhirnigen Rassen im Vergleich zu den zweihirnigen Ordnungen leicht begrenzt sind, können die älteren Planeten der dreihirnigen Gruppe Zivilisationen vorweisen, die die Urantianer in Staunen versetzen würden; und der Vergleich mit ihnen müsste für sie etwas beschämend ausfallen. Was mechanische Entwicklung und materielle Zivilisation und sogar auch intellektuellen Fortschritt anbelangt, sind die Welten zweihirniger Sterblicher fähig, mit den Dreihirn-Sphären gleichzuziehen. Aber an höherer Verstandesbeherrschung und Entwicklung intellektueller und geistiger Entsprechungen seid ihr ihnen etwas unterlegen. All solche vergleichenden Einstufungen, die sich auf den intellektuellen Fortschritt oder die geistigen Leistungen einer Welt oder Weltengruppe beziehen, sollten billigerweise das planetarische Alter mitberücksichtigen; denn vieles, sehr vieles hängt vom Alter, von der Hilfe der biologischen Veredler und von den späteren Missionen der verschiedenen Ordnungen göttlicher Söhne ab. Obwohl die dreihirnigen Völker einer etwas höheren planetarischen Entwicklung als die ein- oder zweihirnigen Ordnungen fähig sind, besitzen alle denselben Typ von Lebensplasma und gehen ihren planetarischen Aktivitäten in sehr ähnlicher Weise nach, weitgehend so wie die menschlichen Wesen Urantias. Diese drei Typen von Sterblichen sind über die Welten der Lokalsysteme verstreut. In der Mehrzahl der Fälle hatten die planetarischen Bedingungen sehr wenig mit den Entscheidungen der Lebensbringer zu tun, als sie diese abweichenden Ordnungen Sterblicher auf den verschiedenen Welten in Aussicht nahmen; es ist ein Vorrecht der Lebensbringer, in dieser Weise zu planen und zu realisieren. Die drei Ordnungen sind einander in der aufsteigenden Laufbahn gleichgestellt. Jede muss über dieselben intellektuellen Stufen der Entwicklung gehen und jede muss im Vorrücken dieselben geistigen Prüfungen bestehen. System-Verwaltung und Konstellations-Oberaufsicht dieser verschiedenen Welten sind durchweg frei von Benachteiligung; sogar die unter den Planetarischen Fürsten geltenden Ordnungen sind identisch. 3. Geistempfänglichkeits-Reihe. Was den Kontakt mit geistigen Dingen betrifft, gibt es drei Gruppen von Verstandesmodellen. Diese Einteilung bezieht sich nicht auf die ein-, zwei- und dreihirnigen Ordnungen Sterblicher; sie bezieht sich hauptsächlich auf die Chemie der Drüsen, im Spezielleren auf die Organisation bestimmter Drüsen, die mit der Hypophyse verglichen werden können. Auf einigen Welten haben die Rassen eine Drüse, auf anderen zwei - wie die Urantianer - während die Rassen auf wieder anderen Sphären drei von diesen einzigartigen Körperchen besitzen. Angeborene Vorstellungskraft und geistige Empfänglichkeit werden durch diese unterschiedliche chemische Ausstattung eindeutig beeinflusst. Von den Geistempfänglichkeitstypen gehören fünfundsechzig Prozent zu der zweiten Gruppe wie die Rassen Urantias. Zwölf Prozent gehören dem ersten, von Natur aus weniger empfänglichen Typ an, wohingegen dreiundzwanzig Prozent während des irdischen Lebens größere geistige Neigungen zeigen. Aber solche Unterschiede überleben den natürlichen Tod nicht; all diese rassischen Verschiedenheiten betreffen nur das inkarnierte Leben. 4. Planetarische Epochen der Sterblichen. Diese Klassifizierung berücksichtigt die Abfolge der zeitlichen Dispensationen in ihrer Auswirkung auf den irdischen Status des Menschen und seine Empfänglichkeit für himmlische Zuwendung. Das Leben wird auf den Planeten durch die Lebensbringer ausgelöst, die seine Entwicklung bis einige Zeit nach dem evolutionären Erscheinen des sterblichen Menschen überwachen. Bevor die Lebensbringer einen Planeten verlassen, setzen sie als Herrscher der Welt in aller Form einen Planetarischen Fürsten ein. Mit diesem Gebieter trifft auch ein vollzähliger Stab untergeordneter Hilfskräfte und dienender Helfer ein, und das erste Gericht über die Lebenden und die Toten fällt zeitlich mit dieser Ankunft zusammen. Mit der allmählichen Bildung menschlicher Gruppierungen gelingt es dem Planetarischen Fürsten, die menschliche Zivilisation einzuweihen und die menschliche Gesellschaft zu fokussieren. Eure durcheinander geratene Welt gibt kein Kriterium für die frühen Tage der Herrschaft eines Planetarischen Fürsten ab, denn es geschah kurz nach dem Beginn einer solchen Verwaltung auf Urantia, dass euer Planetarischer Fürst Caligastia sich auf die Seite des rebellischen Systemsouveräns Luzifer schlug. Seit damals befindet sich euer Planet stets auf stürmischem Kurs. Auf einer normalen evolutionären Welt erreicht der rassische Fortschritt während der Herrschaft des Planetarischen Fürsten seinen natürlichen biologischen Höhepunkt, und kurz danach entsendet der Systemsouverän einen Materiellen Sohn und eine Materielle Tochter auf den Planeten. Diese importierten Wesen dienen als biologische Veredler; ihre Verfehlung auf Urantia hat eure planetarische Geschichte noch mehr kompliziert. Wenn intellektueller und ethischer Fortschritt einer menschlichen Rasse die Grenze evolutio-närer Entwicklung erreicht haben, trifft ein Avonal-Sohn aus dem Paradies auf Richtermission ein; und noch später, wenn der geistige Status einer solchen Welt sich seiner Grenze natürlicher Leistung nähert, wird der Planet von einem Paradies-Sohn der Selbsthingabe besucht. Die Hauptmission eines Sohnes der Selbsthingabe ist es, den planetarischen Status festzulegen, den Geist der Wahrheit zur Erfüllung seiner planetarischen Funktion freizulassen und so das allgemeine Kommen der Gedankenjustierer zu veranlassen. Und hierin macht Urantia wiederum eine Ausnahme: Auf eurer Welt hat es nie eine Richtermission gegeben, noch gehörte euer Sohn der Selbsthingabe der Ordnung der Avonale an; eurem Planeten widerfuhr die außerordentliche Ehre, zur menschlichen Heimatwelt des Souveränen Sohnes Michael von Nebadon zu werden. Der Dienst all der aufeinander folgenden Ordnungen göttlicher Söhne hat zur Folge, dass die bewohnten Welten und ihre vorrückenden Rassen sich dem Höhepunkt der planetarischen Evolution zu nähern beginnen. Solche Welten werden reif für die krönende Mission, für die Ankunft der Lehrersöhne der Trinität. Diese Epoche der Lehrersöhne ist die Vorhalle zum endgültigen planetarischen Zeitalter - dem evolutionären Idealstaat - zum Zeitalter des Lichts und Lebens. Dieser Klassifizierung der menschlichen Wesen werden wir in einer der nächsten Schriften besondere Aufmerksamkeit schenken. 5. Serien verwandter Geschöpfe. Die Planeten sind nicht nur vertikal in Systemen, Konstellationen usw. organisiert, sondern die Universumsverwaltung sorgt auch für horizontale Gruppierungen nach Typen, Serien und anderen Beziehungen. Diese laterale Verwaltung des Universums betrifft im Spezielleren die Koordination von Aktivitäten verwandter Natur, die unabhängig voneinander auf verschiedenen Sphären vorangetrieben werden. Diese verwandten Klassen von Universumsgeschöpfen werden periodisch durch ein gemischtes Korps von hohen Persönlichkeiten inspiziert, die von Finalisten mit langer Erfahrung geleitet werden. Diese Verwandtschaftsfaktoren bekunden sich auf allen Ebenen, denn Verwandtschaftsserien bestehen sowohl unter nichtmenschlichen Persönlichkeiten als auch unter sterblichen Geschöpfen - und sogar zwischen menschlichen und übermenschlichen Ordnungen. Die intelligenten Wesen sind vertikal in zwölf großen Gruppen mit jeweils sieben Hauptabteilungen miteinander verbunden. Die Koordination dieser auf einzigartige Weise miteinander verknüpften Gruppen von Lebewesen wird wahrscheinlich durch eine nicht völlig verstandene Technik des Supremen Wesens bewerkstelligt. 6. Serie mit Justiererfusion. Die geistige Klassifizierung oder Einordnung aller Sterblichen während ihrer der Fusion vorangehenden Erfahrung wird gänzlich von der Beziehung des Persönlichkeitsstatus zum innewohnenden Unergründlichen Mentor bestimmt. Fast neunzig Prozent der bewohnten Welten Nebadons sind von Sterblichen mit Justiererfusion bevölkert im Gegensatz zu einem nahe gelegenen Universum, wo kaum mehr als die Hälfte der Welten Wesen beherbergen, die von Justierern bewohnte Anwärter auf die ewige Fusion sind. 7. Techniken der Erdenflucht. Grundsätzlich gibt es nur einen Weg, auf dem individuelles menschliches Leben auf den bewohnten Welten seinen Anfang nehmen kann, nämlich durch Geschöpfeszeugung und natürliche Geburt; hingegen gibt es zahlreiche Techniken, durch welche der Mensch seinem irdischen Status entrinnen und Anschluss an den sich nach innen bewegenden Strom der Aufsteiger zum Paradies finden kann. ***** 49.6 Erdenflucht ***** All die verschiedenartigen physischen Typen und planetarischen Serien Sterblicher erfreuen sich gleicherweise der Zuwendung der Gedankenjustierer, der Schutzengel und der verschiedenen Ordnungen der Botschafterheere des Unendlichen Geistes. Alle werden gleicherweise durch den erlösenden Tod aus dem Körpergefängnis befreit, und alle gehen danach gleicherweise weiter auf die morontiellen Welten geistiger Entwicklung und intellektuellen Fortschritts. Auf Veranlassung der planetarischen Behörden oder der Systemlenker werden von Zeit zu Zeit besondere Auferstehungen schlafender Fortlebender durchgeführt. Solche Auferstehungen finden wenigstens alle tausend Jahre planetarischer Zeit statt, wenn nicht alle, aber "viele von denen, die im Staub schlafen, aufwachen." Diese besonderen Auferstehungen sind die Gelegenheit zur Mobilisierung spezieller Aufsteigergruppen zu spezifischem Dienst im lokaluniversellen Aufstiegsplan der Sterblichen. Bei diesen besonderen Auferstehungen verbinden sich praktische Beweggründe mit gefühlsmäßigen Motiven. Während der früheren Zeitalter einer bewohnten Welt werden anlässlich der besonderen und der Jahrtausend-Auferstehungen viele Sterbliche auf die Residenzsphären gerufen, aber die meisten Fortlebenden werden anlässlich der Einweihung einer neuen Dispensation, die mit dem Erscheinen eines göttlichen Sohnes mit planetarischem Auftrag einhergeht, neu personifiziert. 1. Fortlebende Sterbliche der dispensationellen oder kollektiven Art. Mit der Ankunft des ersten Justierers auf einer bewohnten Welt erscheinen auch die seraphischen Hüter; sie sind zur Erdenflucht unentbehrlich. Während der Periode unterbrochenen Lebens der schlafenden Fortlebenden werden die geistigen Werte und ewigen Realitäten dieser neu entwickelten und unsterblichen Seelen von den persönlichen oder kollektiven seraphischen Hütern als ein ihnen anvertrautes heiliges Gut verwahrt. Die den schlafenden Fortlebenden zugeteilten kollektiven Hüter arbeiten beim Kommen der Söhne des Weltgerichts immer mit diesen zusammen. "Er wird seine Engel senden, und sie werden seine Auserwählten aus allen vier Windrichtungen versammeln." Mit jedem der Neupersonifizierung eines schlafenden Sterblichen zugeteilten Seraphen wirkt auch der zurückgekehrte Justierer zusammen, dasselbe unsterbliche Vaterfragment, das jenen während seiner Erdentage bewohnt hat. Und so wird die Identität wiederhergestellt und die Persönlichkeit auferweckt. Während ihre Schutzbefohlenen schlafen, dienen die wartenden Justierer auf Divinington; in dieser Zwischenzeit bewohnen sie nie einen anderen sterblichen Verstand. Während die älteren Welten sterblicher Existenz hoch entwickelte und ausgesucht geistige menschliche Wesenstypen beherbergen, die praktisch des morontiellen Lebens entbunden sind, werden die früheren Zeitalter der Rassen tierischen Ursprungs durch primitive Sterbliche charakterisiert, die so unreif sind, dass eine Fusion mit ihrem Justierer unmöglich ist. Die Auferweckung dieser Sterblichen wird vom seraphischen Hüter in Verbindung mit einem individualisierten Teil des unsterblichen Geistes des Dritten Zentralen Ursprungs vollzogen. Auf diese Weise werden die schlafenden Fortlebenden eines planetarischen Zeitalters anlässlich der dispensationellen Namensappelle von neuem personifiziert. Aber was die nicht zu rettenden Persönlichkeiten einer Welt betrifft, ist kein unsterblicher Geist anwesend, um mit den kollektiven Schicksalshütern zusammenzuwirken, und das bedeutet das Ende der Geschöpfes-existenz. Einige eurer Überlieferungen stellen diese Ereignisse so dar, als spielten sie sich auf den Todesplaneten der Sterblichen ab, aber sie finden tatsächlich auf den Residenzwelten statt. 2. Sterbliche der individuellen Aufstiegsarten. Der individuelle Fortschritt menschlicher Wesen misst sich an ihrer sukzessiven Erreichung und Durchquerung (Meisterung) der sieben kosmischen Kreise. Diese Kreise sterblichen Fortschritts sind Ebenen miteinander verknüpfter Werte intellektueller, sozialer, geistiger und kosmisch-erkenntnismäßiger Natur. Beim siebenten Kreis beginnend, streben die Sterblichen dem ersten zu, und allen, die den dritten erreicht haben, wird sogleich ein persönlicher Schicksalshüter zugeteilt. Diese Sterblichen können unabhängig von dispensationellen oder anderen Gerichten im morontiellen Leben neu personifiziert werden. In den früheren Zeitaltern einer evolutionären Welt treten nur wenige am dritten Tag vor das Gericht. Aber mit dem Vergehen der Zeitalter werden den vorrückenden Sterblichen mehr und mehr persönliche Schicksalshüter beigegeben, und so werden sich entwickelnde Geschöpfe in immer größerer Zahl am dritten Tag nach dem natürlichen Tod auf der ersten Residenzwelt neu personifiziert. Bei dieser Gelegenheit zeigt die Rückkehr des Justierers das Erwachen der menschlichen Seele an, und dies bedeutet eine ebenso wirkliche Neupersonifizierung von den Toten, wie wenn am Ende einer Dispensation auf einer evolutionären Welt der massenweise Namensappell ergeht. Es gibt drei Gruppen von individuellen Aufsteigern: Die am wenigsten Fortgeschrittenen landen auf der anfänglichen oder ersten Residenzwelt. Die fortgeschrittenere Gruppe kann die morontielle Laufbahn auf irgendeiner der dazwischenliegenden Residenzwelten entsprechend dem vorangegangenen planetarischen Fortschritt aufnehmen. Die am weitesten fortgeschrittene Art beginnt wirklich mit ihrer morontiellen Erfahrung auf der siebenten Residenzwelt. 3. Sterbliche der von einer Probezeit abhängigen Aufstiegsarten. In den Augen des Universums bedeutet die Ankunft eines Justierers Identität, und all die in dieser Weise bewohnten Wesen befinden sich auf den Namenslisten des Gerichts. Aber das zeitliche Leben auf den evolutionären Welten ist unsicher, und viele sterben jung, noch bevor sie die Paradies-Laufbahn gewählt haben. Solche von Justierern bewohnte Kinder und Jugendliche folgen jenem Elternteil nach, der einen vorgerückteren geistigen Status besitzt. Sie gehen auf die Finalistenwelt des Systems (das Probe-Kinderheim), sei es am dritten Tag oder bei einer besonderen Auferstehung oder anlässlich der regelmäßigen Jahrtausend- und Dispensations-Namensappelle. Kinder, die zu jung sterben, um Gedankenjustierer zu haben, werden auf den Finalistenwelten der Lokalsysteme gleichzeitig mit der Ankunft eines Elternteils auf den Residenzwelten neu personifiziert. Ein Kind erlangt bei seiner irdischen Geburt eine physische Wesenheit, aber in Dingen des Fortlebens gelten alle justiererlosen Kinder als immer noch an ihre Eltern gebunden. Wenn die Zeit gekommen ist, beziehen die Justierer in diesen Kleinen Wohnung. Die seraphische Betreuung beider Gruppen der von einer Probezeit abhängigen Fortlebensart ist im Allgemeinen gleich wie diejenige des vorgerückteren Elternteils oder entspricht, wenn nicht beide fortleben, derjenigen des übrig bleibenden Elternteils. Denjenigen, welche den dritten Kreis erreichen, werden ungeachtet des Status ihrer Eltern persönliche Hüter gewährt. Vergleichbare Probe-Kinderheime werden auf den Finalistensphären der Konstellation und des Universumshauptsitzes für die justiererlosen Kinder der primären und sekundären modifizierten Aufsteigerarten unterhalten. 4. Sterbliche der sekundären modifizierten Aufstiegsarten. Das sind die fortgeschrittenen menschlichen Wesen der evolutionären Welten der Zwischenstufe. In der Regel sind sie gegen den Tod nicht gefeit, aber sie brauchen die sieben Residenzwelten nicht zu durchlaufen. Die Angehörigen der weniger vervollkommneten Gruppe erwachen auf der Hauptwelt ihres Lokalsystems, indem sie nur die Residenzwelten auslassen. Diejenigen der Zwischengruppe gehen auf die Schulungswelten der Konstellationen; sie überspringen die ganze morontielle Ordnung des Lokalsystems. Noch später in den planetarischen Zeitaltern geistigen Strebens wachen viele Fortlebende auf dem Konstellationshauptsitz auf und beginnen dort mit ihrem Aufstieg zum Paradies. Aber bevor die Vertreter irgendeiner dieser Gruppen vorwärts gehen können, müssen sie als Instruktoren auf die Welten, die sie als Studenten übersprungen haben, zurückkehren und auf ihnen als Lehrer viele Erfahrungen sammeln. Danach aber streben sie alle auf den vorgeschriebenen Routen sterblicher Höherentwicklung dem Paradies zu. 5. Sterbliche der primären modifizierten Aufstiegsart. Diese Sterblichen gehören dem mit dem Justierer fusionierten Typ evolutionären Lebens an, aber sie kennzeichnen meist die abschließenden Phasen menschlicher Entwicklung auf einer evolutionären Welt. Diesen verherrlichten Wesen ist es erlassen, durch die Todespforte zu schreiten; sie werden vom Sohn erfasst; sie werden aus den Reihen der Lebenden entrückt und erscheinen augenblicklich in der Gegenwart des Souveränen Sohnes am Hauptsitz des Lokaluniversums. Es sind die Sterblichen, die mit ihrem Justierer schon während ihres irdischen Lebens fusionieren, und solche mit dem Justierer fusionierte Persönlichkeiten durchqueren den Raum frei, bevor sie in morontielle Formen gekleidet werden. Diese fusionierten Seelen begeben sich durch direkten Justierertransit zu den Auferstehungshallen der höheren morontiellen Sphären, wo sie genau gleich wie alle anderen von den evolutionären Welten eintreffenden Sterblichen die morontielle Anfangsinvestitur empfangen. Diese primäre modifizierte Aufstiegsart der Sterblichen kann Angehörige jeder beliebigen planetarischen Serie von den niedrigsten bis zu den höchsten Stadien der Welten mit Justiererfusion betreffen, aber sie funktioniert häufiger auf den älteren dieser Sphären, nachdem sie die Wohltaten zahlreicher Aufenthalte der göttlichen Söhne empfangen haben. Wenn die planetarische Ära des Lichts und Lebens anbricht, gelangen viele durch die primäre modifizierte Art der Entrückung auf die morontiellen Welten des Universums. Noch später, in den vorgerückten Stadien der stabilisierten Existenz, wenn die Mehrheit der eine Welt verlassenden Sterblichen zu dieser Klasse zählt, betrachtet man den Planeten als zu dieser Serie gehörend. Der natürliche Tod tritt auf diesen seit langem im Licht und Leben verankerten Sphären immer weniger häufig ein. [Dargeboten von einem Melchisedek von der Schule planetarischer Administration auf Jerusem.] ****** Kapitel 50 Die Planetarischen Fürsten ****** OBWOHL die Planetarischen Fürsten zur Ordnung der Lanonandek-Söhne gehören, ist ihr Dienst von so spezialisierter Art, dass man sie gewöhnlich als eine Gruppe für sich betrachtet. Nach ihrer Beglaubigung als sekundäre Lanonandeks durch die Melchisedeks werden diese Söhne des Lokaluniversums den Reserven ihrer Ordnung auf den Konstellationshauptsitzen zugeteilt. Von hier aus machen sie sich auf Weisung der Systemsouveräne an mannigfaltige Aufgaben, bevor sie endlich einen Auftrag als Planetarische Fürsten erhalten und ausgesandt werden, um die sich entwickelnden bewohnten Welten zu regieren. Das Signal für einen Systemsouverän, zur Bezeichnung eines Herrschers für einen gegebenen Planeten zu schreiten, ist der Empfang eines Ersuchens der Lebensbringer, dem Planeten, auf dem sie das Leben angesiedelt und intelligente evolutionäre Wesen entwickelt haben, ein Oberhaupt zur Übernahme der Verwaltung zu schicken. Allen von evolutionären sterblichen Geschöpfen bewohnten Planeten wird ein dieser Sohnesordnung angehörender planetarischer Herrscher zugeteilt. ***** 50.1 Die Sendung der Fürsten ***** Abgesehen von der Inkarnation geschieht im Planetarischen Fürsten und in den ihn unterstützenden Brüdern die größtmögliche verpersönlichte Annäherung des Ewigen Sohnes des Paradieses an die niederen Geschöpfe von Zeit und Raum. Allerdings berührt der Schöpfersohn die Geschöpfe der Welten durch seinen Geist, aber der Planetarische Fürst gehört der letzten Ordnung persönlicher Söhne an, die vom Paradies bis zu den Menschenkindern hinunterreichen. Der Unendliche Geist tritt in den Personen der Schicksalshüter und anderer Engelswesen sehr nahe an euch heran; der Universale Vater bewohnt euch in der vorpersönlichen Gegenwart der Unergründlichen Mentoren; aber der Planetarische Fürst bedeutet die letzte Anstrengung des Ewigen Sohnes und seiner Söhne, sich euch zu nähern. Auf einer frisch bewohnten Welt ist der Planetarische Fürst der einzige Repräsentant vollständiger Göttlichkeit; denn er ist ein Spross des Schöpfersohnes, der seinerseits dem Universalen Vater und dem Ewigen Sohn entsprungen ist, und der Göttlichen Ministerin, der Universumstochter des Unendlichen Geistes. Der Fürst einer jungen bewohnten Welt ist von einem ergebenen Mitarbeiterstab von Helfern und Assistenten und von einer Unzahl dienender Geiste umgeben. Aber die Mitglieder des leitenden Korps solch neuer Welten müssen den niedrigeren Ordnungen der Verwalter eines Systems entstammen, damit sie die planetarischen Probleme und Schwierigkeiten aufgrund ihrer Natur nachfühlen und verstehen können. Und all dieses Bemühen, den evolutionären Welten eine einfühlsame Regierung zu geben, bringt auch das erhöhte Risiko mit sich, dass diese beinah menschlichen Persönlichkeiten auf Abwege geraten, indem sie die eigenen Anschauungen über den Willen der Supremen Lenker stellen. Da diese Söhne auf den einzelnen Planeten als Repräsentanten der Göttlichkeit völlig allein sind, werden sie auf eine harte Bewährungsprobe gestellt, und Nebadon hat unglücklicherweise unter mehreren Rebellionen gelitten. Bei der Erschaffung der Systemsouveräne und Planetarischen Fürsten wird eine Vorstellung personifiziert, die sich immer weiter vom Universalen Vater und vom Ewigen Sohn entfernt hat. Es besteht immer mehr die Gefahr, hinsichtlich der eigenen Wichtigkeit den Sinn für Proportionen zu verlieren, und desgleichen nimmt die Möglichkeit zu, eine angemessene Beurteilung der Werte und Beziehungen der zahlreichen Ordnungen göttlicher Wesen und ihrer Autoritätsstufen einzubüßen. Der Umstand, dass der Vater im Lokaluniversum nicht persönlich anwesend ist, stellt den Glauben und die Loyalität all dieser Söhne auf eine gewisse Probe. Aber die Fürsten der Welten scheitern bei ihrer Sendung der Organisation und Verwaltung einer bewohnten Sphäre nicht oft, und ihr Erfolg erleichtert die spätere Sendung der Materiellen Söhne sehr, die kommen, um den primitiven Menschen der Welten die höheren Formen des Geschöpfeslebens aufzupfropfen. Ihre Herrschaft trägt auch viel dazu bei, die Planeten auf die noch später eintreffenden Paradies- Söhne Gottes vorzubereiten, die die Welt richten und die aufeinander folgenden Dispensationen eröffnen. ***** 50.2 Planetarische Verwaltung ***** Alle Planetarischen Fürsten unterstehen der universellen administrativen Oberhoheit Gabriels, des Regierungschefs Michaels, aber ihre unmittelbaren Vorgesetzten sind die Systemsouveräne, deren Regierungserlasse für sie bindend sind. Die Planetarischen Fürsten können jederzeit den Rat der Melchisedeks, ihrer einstigen Lehrer und Betreuer, einholen, aber man verlangt von ihnen nicht willkürlich, um solche Hilfe nachzusuchen, und wenn diese nicht ausdrücklich erbeten wird, mischen sich die Melchisedeks nie in die planetarische Verwaltung ein. Die Weltenherrscher können auch die Versammlung der aus den Selbsthingabe-Welten des Systems stammenden vierundzwanzig Ratgeber um Rat angehen. Gegenwärtig sind all diese Ratgeber Satanias aus Urantia gebürtig. Und am Konstellationshauptsitz gibt es einen entsprechenden Rat der Siebzig, dessen Mitglieder ebenfalls den Reihen der evolutionären Wesen des Raums entnommen worden sind. Die Regierung der evolutionären Planeten ist in ihren unstabilen Frühphasen weitgehend autokratisch. Die Planetarischen Fürsten entnehmen ihrem Korps planetarischer Helfer die Mitglieder für ihre spezialisierten Mitarbeitergruppen. In der Regel umgeben sie sich mit einem höchsten Zwölferrat, aber auf den verschiedenen Welten wird dessen Wahl verschieden gehandhabt und setzt sich anders zusammen. Ein Planetarischer Fürst kann auch eines oder mehrere Mitglieder der dritten Ordnung seiner eigenen Sohnesgruppe zu Assistenten haben und auf gewissen Welten manchmal einen sekundären Lanonandek seiner eigenen Ordnung. Der gesamte Mitarbeiterstab eines Weltenherrschers besteht aus Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes und bestimmten Typen höher entwickelter Wesen und aufsteigender Sterblicher aus anderen Welten. Solch ein Stab zählt im Durchschnitt etwa tausend Mitglieder, aber im Laufe der Entwicklung des Planeten kann dieses Korps auf hunderttausend oder mehr anwachsen. Immer wenn ein Bedarf nach mehr Helfern spürbar wird, haben die Planetarischen Fürsten sich nur an ihre Brüder, die Systemsouveräne, zu wenden, und dem Gesuch wird umgehend entsprochen. Wesen, Organisation und Verwaltung der Planeten sind sehr unterschiedlich, aber alle verfügen über Gerichtshöfe. Das Gerichtswesen des Lokaluniversums beginnt bei den Tribunalen eines Planetarischen Fürsten, denen ein Mitglied seines persönlichen Stabs vorsteht; die Urteile solcher Gerichte widerspiegeln eine höchst väterliche Haltung freien Ermessens. Alle Probleme, bei denen es um mehr als die Regelung von Fällen planetarischer Bewohner geht, können an die höheren Tribunale weiter gezogen werden, aber der Fürst behandelt die Angelegenheiten der Welt seiner Zuständigkeit weitgehend nach persönlichem Gutdünken. Die wandernden Schlichterkommissionen dienen den planetarischen Gerichtshöfen und ergänzen sie, und sowohl geistige als auch physische Leiter müssen sich den Entscheiden der Schlichter fügen. Aber nie wird irgendetwas ohne die Zustimmung des Vaters der Konstellation willkürlich vollzogen, denn die "Allerhöchsten regieren in den Menschenreichen". Die einem Planeten zugewiesenen Überwacher und Umwandler sind auch fähig, mit Engeln und anderen himmlischen Wesensordnungen in einer Weise zusammenzuarbeiten, die diese Persönlichkeiten für sterbliche Geschöpfe sichtbar werden lassen. Bei besonderen Gelegenheiten können sich die seraphischen Helfer und sogar die Melchisedeks für die Bewohner der evolutionären Welten sichtbar machen und tun es auch. Der Hauptgrund, weshalb man sterbliche Aufsteiger aus den Systemkapitalen kommen lässt und sie dem Stab des Planetarischen Fürsten einverleibt, liegt in der Erleichterung der Verständigung mit den Bewohnern der Welt. ***** 50.3 Der körperliche Stab des Fürsten ***** Wenn ein Planetarischer Fürst sich auf eine junge Welt begibt, nimmt er üblicherweise eine Gruppe von freiwilligen aufsteigenden Wesen aus der Hauptwelt des Systems mit. Diese Aufsteiger stehen dem Fürsten als Berater und Helfer bei der Aufgabe der frühen Rassenverbesserung zur Seite. Dieses materielle Helferkorps bildet das Bindeglied zwischen dem Fürsten und den Rassen der Welt. Caligastia, der Fürst Urantias, besaß ein Korps von hundert solchen Helfern. Diese freiwilligen Mitarbeiter sind Bürger einer Systemkapitale; aber keiner von ihnen hat mit dem ihm innewohnenden Justierer fusioniert. Während diese morontiellen Aufsteiger als freiwillige Diener vorübergehend in einen früheren materiellen Zustand zurückkehren, behalten ihre Justierer weiterhin den Status von Wesen mit Wohnrecht auf der Systemhauptwelt. Die Lebensbringer, die Architekten der Gestalt, versehen diese Freiwilligen für die Dauer ihres planetarischen Aufenthaltes mit neuen physischen Körpern. Diese persönlichen Gestalten sind gegen die üblichen Krankheiten der Welten gefeit, aber wie die frühen morontiellen Körper gewissen Unfällen mechanischer Natur ausgesetzt. Der körperliche Stab des Fürsten wird gewöhnlich im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Weltgericht zur Zeit der Ankunft des zweiten Sohnes vom Planeten abgezogen. Vor ihrem Weggehen treten die Helfer gewöhnlich ihre vielfältigen Aufgaben an ihre gemeinsamen Nachkommen und an gewisse höher stehende einheimische Freiwillige ab. Auf Welten, auf denen es den Helfern des Fürsten gestattet wurde, sich mit den höher stehenden Gruppen der einheimischen Rassen zu paaren, werden meistens diese Sprösslinge ihre Nachfolger. Nur selten paaren sich die Helfer der Planetarischen Fürsten mit den Rassen der Welt, hingegen immer untereinander. Aus diesen Verbindungen gehen zwei Klassen von Wesen hervor: erstens der primäre Typus von Mittler-Geschöpfen und zweitens gewisse hohe Typen materieller Wesen, die fortfahren, dem Mitarbeiterstab des Fürsten anzugehören, nachdem ihre Eltern zur Zeit der Ankunft eines Adams und einer Eva vom Planeten abgezogen wurden. Diese Kinder paaren sich nicht mit den Angehörigen der sterblichen Rassen außer in gewissen Notsituationen, und auch dann nur auf Weisung des Planetarischen Fürsten. In einem solchen Fall besitzen ihre Kinder - die Enkelkinder der Angehörigen des körperlichen Stabs - denselben Status wie die Angehörigen der höheren Rassen ihrer Zeit und Generation. Alle Nachkommen dieser halbmateriellen Helfer des Planetarischen Fürsten werden von Justierern bewohnt. Wenn am Ende der Dispensation des Fürsten für seinen "Stab der Rückkehrer" die Stunde der Heimkehr auf die Systemhauptwelt zur Wiederaufnahme der Paradies-Laufbahn schlägt, melden sich diese Aufsteiger bei den Lebensbringern, um ihrer materiellen Körper ledig zu werden. Sie gehen in den Übergangsschlummer ein und, von ihrer sterblichen Hülle befreit und in eine morontielle Gestalt gekleidet, wachen sie wieder auf. Sie sind nun bereit, durch seraphischen Transport auf die Systemkapitale zurückgebracht zu werden, wo ihre von ihnen getrennten Justierer auf sie warten. Sie liegen jetzt um eine ganze Dispensation hinter ihrer Klasse auf Jerusem zurück, sind aber um eine einzigartige und außergewöhnliche Erfahrung, um ein seltenes Kapitel im Werdegang eines aufsteigenden Sterblichen, reicher geworden. ***** 50.4 Der planetarische Hauptsitz und seine Schulen ***** Schon früh organisiert der körperliche Stab des Fürsten die planetarischen Schulen der Fortbildung und Kultur, an denen die Elite der evolutionären Rassen ausgebildet und dann ausgesandt wird, um ihre jeweiligen Völker in einer besseren Lebensweise zu unterweisen. Diese Schulen des Fürsten befinden sich am materiellen Hauptsitz des Planeten. Ein großer Teil der physischen Arbeit zur Errichtung dieser Hauptstadt wird vom körperlichen Stab verrichtet. Solche Hauptstädte oder -niederlassungen der Frühzeit eines Planetarischen Fürsten sind weit entfernt von dem, was sich ein Sterblicher Urantias darunter vorstellen könnte. Im Vergleich zu späteren Zeitaltern sind sie einfach. Ihre Merkmale sind mineralischer Schmuck und eine relativ fortgeschrittene materielle Bauweise. All das steht im Gegensatz zum adamischen Regime, dessen Zentrum und Hauptsitz in einem Garten liegt, von wo aus die Adame ihr Werk zugunsten der Rassen während der zweiten Dispensation der Universumssöhne verfolgen. In der Hauptniederlassung eurer Welt war jede menschliche Behausung von reichlich Land umgeben. Während die fernen Volksstämme weiterhin auf die Jagd und auf Nahrungssuche gingen, waren an den Schulen des Fürsten alle Studenten und Lehrer Landwirte und Gärtner. Die Zeit wurde etwa zu gleichen Teilen auf die folgenden Tätigkeiten verwendet: 1. Physische Arbeit. Bebauung des Bodens, verbunden mit Errichtung und Verschönerung des Heims. 2. Soziale Aktivitäten. Spielerische Darbietungen und kulturelle gesellige Gruppierungen. 3. Angewandte Erziehung. Individueller Unterricht, verbunden mit einer den Familienverband betreffenden Unterweisung und ergänzt durch eine spezialisierte Schulung in Klassen. 4. Berufliche Ausbildung. Schulen für Heirat und Führung des Heims, die Schulen zur Ausbildung in Kunst und Kunsthandwerk und die Klassen zur Ausbildung weltlicher, kultureller und religiöser Lehrer. 5. Geistige Kultur. Die brüderliche Gemeinschaft der Lehrer, die geistige Erhellung der Kindheit und der Jugendgruppen und die Ausbildung adoptierter einheimischer Kinder zu Missionaren bei ihren Völkern. Ein Planetarischer Fürst ist für die sterblichen Wesen unsichtbar; deren Glaube wird auf die Probe gestellt, sollen sie die Schilderungen der halbmateriellen Wesen des Stabs für wahr halten. Aber diese Schulen der Kultur und Ausbildung sind den Bedürfnissen jedes Planeten gut angepasst, und unter den Menschenrassen entwickelt sich alsbald ein lebhafter und löblicher Wettstreit im Bemühen, in diese verschiedenen Lehranstalten Einlass zu finden. Von einem derartigen Weltzentrum der Kultur und Verwirklichung strahlt allmählich zu allen Völkern ein hebender und zivilisierender Einfluss aus, der die evolutionären Rassen langsam, aber sicher verwandelt. Inzwischen sind die erzogenen und geistiger gewordenen Kinder der umgebenden Völker, die adoptiert und in den Schulen des Fürsten ausgebildet wurden, zu ihren Volksgruppen zurückgekehrt und richten dort nach bestem Vermögen neue und einflussreiche Zentren des Lernens und der Kultur ein, die sie nach dem Vorbild der fürstlichen Schulen betreiben. Auf Urantia waren die Pläne für planetarischen Fortschritt und kulturelle Förderung schon gut vorangekommen und zeitigten sehr befriedigende Ergebnisse, aber die ganze Unternehmung nahm ein eher plötzliches und höchst unrühmliches Ende, als Caligastia sich der Rebellion Luzifers anschloss. Eine der für mich zutiefst schockierenden Episoden dieser Rebellion war, als ich vom kaltblütigen Verrat Caligastias, eines Angehörigen meiner eigenen Sohnesordnung, erfuhr, der vorsätzlich und in böser Absicht den in allen damals funktionierenden planetarischen Schulen Urantias erteilten Unterricht methodisch verdrehte und das Gelehrte vergiftete. Diese Schulen gingen rasch und vollständig zugrunde. Viele der Kinder der zum materialisierten Stab des Fürsten gehörenden Aufsteiger blieben treu und verließen die Reihen Caligastias. Diese Loyalisten wurden durch die auf Urantia als Treuhänder weilenden Melchisedeks ermutigt, und in späterer Zeit unternahmen ihre Nachfahren viel, um die planetarischen Vorstellungen von Wahrheit und Rechtschaffenheit hochzuhalten. Das Wirken dieser treuen Verkündiger der Botschaft half, die vollkommene Auslöschung der geistigen Wahrheit auf Urantia zu verhindern. Diese mutigen Seelen und ihre Nachkommen hielten das Wissen um die Herrschaft des Vaters am Leben und bewahrten für die Rassen der Welt die Vorstellung von den aufeinander folgenden Dispensationen der verschiedenen Ordnungen göttlicher Söhne. ***** 50.5 Fortschreitende Zivilisation ***** Die loyalen Fürsten der bewohnten Welten bleiben dauernd an die ihnen ursprünglich zugewiesenen Planeten gebunden. Die Paradies-Söhne mit ihren Dispensationen kommen und gehen, aber ein erfolgreicher Planetarischer Fürst fährt fort, seine Welt zu lenken. Sein Werk ist völlig unabhängig von den Missionen der höheren Söhne, da es die Entwicklung der planetarischen Zivilisation zur Aufgabe hat. Es gibt kaum zwei Planeten, auf denen der Fortschritt der Zivilisation gleich verläuft. Die Einzelheiten der sich entfaltenden Evolution der Sterblichen sind auf den zahlreichen ungleichen Welten sehr verschieden. Trotz der vielen Unterschiede auf physischem, intellektuellem und sozialem Gebiet entwickeln sich alle evolutionären Sphären in ganz bestimmte, genau definierte Richtungen. Unter der gütigen Regierung eines Planetarischen Fürsten, die durch den Beitrag der Materiellen Söhne bereichert und periodisch von den Sendungen der Paradies-Söhne markiert wird, durchlaufen die sterblichen Rassen auf einer durchschnittlichen Welt von Zeit und Raum nach-einander die folgenden sieben Entwicklungsepochen: 1. Die Ernährungsepoche. Die vormenschlichen Geschöpfe und die ganz frühen primitiven Menschenrassen sind hauptsächlich mit Nahrungsproblemen beschäftigt. Diese in Entwicklung begriffenen Wesen verbringen ihre wache Zeit auf Nahrungssuche oder im Kampf, als Angreifer oder Verteidiger. Die Nahrungsbeschaffung ist in den Gemütern dieser frühen Ahnen der späteren Zivilisation allbeherrschend. 2. Das Sicherheitszeitalter. Sobald sich der primitive Jäger bei der Nahrungssuche etwas Zeit erübrigen kann, verwendet er diese Muße zur Erhöhung seiner Sicherheit. Der Kriegstechnik wird immer größere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Behausungen werden befestigt, und die Sippen werden solider aus gegenseitiger Furcht und eingepflanztem Hass gegen fremde Gruppen. Selbst-Schutz ist ein Bedürfnis, das immer auf Selbst-Erhaltung folgt. 3. Die Ära materiellen Komforts. Nachdem die Nahrungsprobleme teilweise gelöst und ein gewisses Maß an Sicherheit erreicht ist, wird die neugewonnene Freizeit zur Hebung des persönlichen Komforts benutzt. Der Luxus wetteifert mit den dringendsten Lebensbedürfnissen, um auf der Bühne der menschlichen Aktivitäten die erste Rolle zu spielen. Ein solches Zeitalter trägt nur allzu oft die Züge der Tyrannei, Intoleranz, Schlemmerei und Trunksucht. Die schwächeren Elemente der Rassen neigen zu Exzessen und Brutalität. Schrittweise werden diese vergnügungssüchtigen Schwächlinge durch die stärkeren und wahrheitsliebenden Elemente der vorrückenden Zivilisation gebändigt. 4. Die Suche nach Wissen und Weisheit. Nahrung, Sicherheit, Vergnügen und Freizeit liefern die Grundlage, auf der die Kultur sich entwickeln und das Wissen sich ausbreiten kann. Die Anstrengung, das Wissen praktisch anzuwenden, hat Weisheit zur Folge, und wenn eine Kultur gelernt hat, aus der Erfahrung Nutzen zu ziehen und durch sie besser zu werden, ist die Zivilisation wirklich erschienen. Immer noch beherrschen Nahrung, Sicherheit und materieller Komfort die Gesellschaft, aber viele vorausblickende Einzelne hungern nach Wissen und dürsten nach Weisheit. Jedes Kind erhält Gelegenheit zum Lernen durch Tun; Erziehung ist das Losungswort dieser Zeitalter. 5. Die Epoche der Philosophie und Brüderlichkeit. Wenn die Sterblichen zu denken lernen und anfangen, aus ihren Erfahrungen Nutzen zu ziehen, werden sie philosophisch - sie beginnen, mit sich selber vernünftig zu reden und sich in einem differenziert wertenden Urteil zu üben. Die Gesellschaft dieses Zeitalters wird ethisch, und die Sterblichen einer solchen Ära werden im wahren Sinne sittliche Wesen. Auf einer sich so entwickelnden Welt werden weise sittliche Wesen fähig, die menschliche Brüderlichkeit zu verwirklichen. Ethische und sittliche Wesen können lernen, gemäß der goldenen Regel zu leben. 6. Das Zeitalter geistigen Strebens. Wenn die sich entwickelnden Sterblichen durch die physische, intellektuelle und soziale Entwicklungsphase gegangen sind, erreichen sie früher oder später jene Ebenen persönlicher Erkenntnis, wo sie sich gedrängt fühlen, nach geistiger Befriedigung und kosmischem Verstehen zu suchen. Die Religion vervollständigt den Aufstieg aus den gefühlsmäßigen Bereichen von Furcht und Aberglauben zu den hohen Ebenen kosmischer Weisheit und persönlicher geistiger Erfahrung. Erziehung zielt darauf ab, Bedeutungen zu erfassen, und Kultur strebt nach kosmischen Zusammenhängen und wahren Werten. Sich in dieser Richtung bewegende Sterbliche besitzen echte Kultur, sind wahrhaft erzogen und kennen Gott auf sublime Weise. 7. Die Ära des Lichts und Lebens. Dies ist das Blühen der aufeinander folgenden Zeitalter physischer Sicherheit, intellektuellen Wachstums, gesellschaftlicher Kultur und geistigen Vollbringens. All diese menschlichen Leistungen werden jetzt in kosmischer Einheit und selbstlosem Dienen vermischt, verbunden und koordiniert. Innerhalb der Schranken der endlichen Natur und der materiellen Begabungen eröffnen sich den vorrückenden Generationen, die sich auf diesen himmlischen und stabilisierten Welten von Zeit und Raum ablösen, unbegrenzte Möglichkeiten evolutionären Vollbringens. Nachdem die Planetarischen Fürsten ihren Sphären während der aufeinander folgenden Dispensationen der Weltgeschichte und durch all die fortschreitenden Epochen planetarischen Werdens hindurch gedient haben, werden sie nach der Einweihung der Ära des Lichts und Lebens in die Position von Planetarischen Souveränen erhoben. ***** 50.6 Planetarische Kultur ***** Die Isolierung Urantias macht es unmöglich, an eine Darstellung von vielen Einzelheiten des Lebens und der Umwelt eurer Nachbarn in Satania zu denken. Bei diesen Darstellungen auferlegen uns planetarische Quarantäne und Isolierung des Systems gewisse Beschränkungen. Wir müssen uns bei unseren Bemühungen um Erleuchtung der Sterblichen Urantias an diese Restriktionen halten, aber im Rahmen des Erlaubten seid ihr über den Fortschritt auf einer durchschnittlichen evolutionären Welt ins Bild gesetzt worden und dadurch in der Lage, den Werdegang einer solchen Welt mit dem gegenwärtigen Zustand Urantias zu vergleichen. Die Entwicklung der Zivilisation auf Urantia hat sich nicht so sehr von derjenigen anderer Welten unterschieden, denen ebenfalls das Unglück geistiger Isolierung widerfahren ist. Aber verglichen mit den loyalen Welten des Universums erscheint euer Planet höchst wirr und in allen Phasen intellektuellen Fortschritts und geistigen Vollbringens in hohem Maße zurückgeblieben. Infolge eurer planetarischen Missgeschicke seid ihr Urantianer daran gehindert, sehr viel von der Kultur normaler Welten zu verstehen. Aber ihr solltet euch die evolutionären Welten, sogar die idealsten, nicht als Sphären vorstellen, auf denen das Leben ein behagliches Rosenbett ist. Das Leben der sterblichen Rassen ist zu Beginn stets von Kampf begleitet. Anstrengung und Entscheidung haben einen wesentlichen Anteil am Erwerb der zum Fortleben erforderlichen Werte. Kultur setzt Qualität des Denkens voraus; Kultur kann in Abwesenheit hoher Denkart nicht gehoben werden. Ein höherstehender Intellekt wird nach einer edlen Kultur suchen und irgendeinen Weg finden, auf dem dieses Ziel zu erreichen ist. Tieferstehende Gemüter werden die höchste Kultur selbst dann verachten, wenn sie ihnen in fertiger Gestalt vorgesetzt wird. Viel hängt auch von den aufeinander folgenden Sendungen der göttlichen Söhne ab und vom Ausmaß, in welchem die Zeitalter, die ihren Dispensationen entsprechen, die Erleuchtung empfangen. Ihr solltet nicht vergessen, dass infolge der Rebellion Luzifers seit zweihunderttausend Jahren über alle Welten Satanias der geistige Bann Norlatiadeks verhängt ist. Und es wird Zeitalter über Zeitalter erfordern, um die aus Sünde und Abfall hervorgegangenen Behinderungen wettzumachen. Infolge der doppelten Tragödie eines rebellischen Planetarischen Fürsten und eines fehlbaren Materiellen Sohnes folgt eure Welt immer noch einer ungewöhnlichen und bewegten Bahn. Nicht einmal die Selbsthingabe von Christus Michael auf Urantia beseitigte unverzüglich die zeitlichen Auswirkungen der bei der einstigen Verwaltung der Welt begangenen schweren Fehler. ***** 50.7 Die Belohnungen der Isolierung ***** Auf den ersten Blick möchte es scheinen, als bedeute es für Urantia und die mit ihr isolierten Welten ein großes Unglück, der wohltätigen Gegenwart und des Einflusses solch übermenschlicher Persönlichkeiten wie eines Planetarischen Fürsten oder eines Materiellen Sohnes und einer Materiellen Tochter beraubt zu sein. Aber die Isolierung dieser Sphären bietet ihren Rassen eine einzigartige Gelegenheit, ihren Glauben zu üben und eine ganz besondere Art des Vertrauens in die kosmische Verlässlichkeit zu entwickeln, ohne sich auf Sichtbares oder irgendetwas anderes Materielles berufen zu können. Vielleicht wird sich am Ende herausstellen, dass menschliche Geschöpfe aus Welten, die wegen Rebellion unter Quarantäne gerieten, vom Glück sehr begünstigt wurden. Wir haben die Entdeckung gemacht, dass solchen Aufsteigern schon sehr früh bei kosmischen Unternehmungen zahlreiche besondere Aufgaben anvertraut werden, bei denen unbedingter Glaube und sublimes Vertrauen wesentliche Voraussetzung für das Gelingen sind. Auf Jerusem bewohnen die Aufsteiger aus den isolierten Welten einen ihnen vorbehaltenen Sektor und werden Agondonter genannt. Das bedeutet soviel wie evolutionäre Willensgeschöpfe, die imstande sind zu glauben, ohne zu sehen, durchzuhalten, wenn sie abgeschnitten sind, und über unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten zu triumphieren, auch wenn sie allein sind. Der funktionelle Zusammenschluss der Agondonter dauert während ihres ganzen Aufstiegs durch das Lokaluniversum und während des ganzen Durchlaufens des Superuniversums; er verschwindet während des Aufenthaltes in Havona, tritt aber nach Erreichen des Paradieses sogleich wieder in Kraft und wird im Finalitätskorps der Sterblichen definitiv. Tabamantia ist ein Agondonter mit dem Status eines Finalisten, ein Fortlebender aus einer unter Quarantäne stehenden Sphäre, die in die erste jemals in den Universen von Zeit und Raum ausgebrochene Rebellion verwickelt war. Auf dem ganzen Weg zum Paradies folgt auf Anstrengung die Belohnung wie auf Ursache die Wirkung. Solche Belohnungen heben den Einzelnen vom Mittelmaß ab, verschaffen abweichende Geschöpfeserfahrungen und tragen im kollektiven Körper der Finalisten zur Vielseitigkeit der ultimen Leistungen bei. [Verfasst von einem Sekundären Lanonandek-Sohn des Reservekorps.] ****** Kapitel 51 Die Planetarischen Adame ****** IM Verlauf der Dispensation eines Planetarischen Fürsten erreicht der primitive Mensch die Grenze seiner natürlichen evolutionären Entwicklung, und dieses Erreichen der biologischen Schwelle ist für den Systemsouverän das Zeichen, auf eine solche Welt die Vertreter der nächsten Sohnesordnung, die biologischen Aufrichter, zu entsenden. Diese Söhne, denn es sind ihrer zwei - der Materielle Sohn und die Materielle Tochter - nennt man auf einem Planeten gewöhnlich Adam und Eva. Der ursprüngliche Materielle Sohn Satanias heißt Adam, und diejenigen, die als biologische Aufrichter auf die Welten des Systems gehen, tragen immer den Namen dieses ersten, ursprünglichen Sohnes ihrer einzigartigen Ordnung. Diese Söhne sind das materielle Geschenk des Schöpfersohnes an die bewohnten Welten. Zusammen mit dem Planetarischen Fürsten bleiben sie auf dem ihnen zugewiesenen Planeten, solange dessen Evolution dauert. Solch ein Abenteuer auf einer Welt, die einen Planetarischen Fürsten besitzt, ist mit keinen großen Risiken verbunden, aber auf einem abtrünnigen Planeten, auf einer Welt ohne geistigen Lenker und welche der interplanetarischen Verbindungen beraubt ist, ist eine solche Mission mit großen Gefahren verbunden. Obwohl ihr nicht hoffen könnt, alles über das Wirken dieser Söhne auf allen Welten Satanias und anderer Systeme zu erfahren, beschreiben andere Schriften ausführlicher das Leben und die Erfahrungen des interessanten Paares, Adams und Evas, das zum Korps biologischer Aufrichter Jerusems gehörte und zur Hebung der Rassen nach Urantia kam. Auch wenn die Ausführung der idealen Pläne zur Veredelung eurer eingeborenen Rassen fehlschlug, war doch Adams Sendung nicht umsonst; Urantia hat unermesslich großen Nutzen aus der Gabe Adams und Evas gezogen, und unter ihresgleichen und in den Räten in der Höhe wird ihr Werk nicht als völliger Misserfolg eingestuft. ***** 51.1 Ursprung und Natur der Materiellen Gottessöhne ***** Die materiellen oder geschlechtlichen Söhne und Töchter sind die Kinder des Schöpfersohnes; der Muttergeist des Universums ist nicht beteiligt an der Erschaffung dieser Wesen, die dazu bestimmt sind, auf den evolutionären Welten als physische Aufrichter zu wirken. Die materielle Sohnesordnung ist im ganzen Lokaluniversum nicht einheitlich. Der Schöpfersohn erschafft in jedem Lokalsystem nur ein einziges Paar dieser Wesen; diese ursprünglichen Paare sind verschiedener Natur, da sie auf die Urmuster des Lebens ihres jeweiligen Systems eingestimmt sind. Das ist eine notwendige Vorsorge, weil sich ansonsten das Fortpflanzungspotential der Adame mit demjenigen der sich entwickelnden sterblichen Wesen der Welten irgendeines gegebenen Systems funktionell nicht vereinbaren ließe. Der Adam und die Eva, die nach Urantia kamen, entstammten dem Ursprungspaar Materieller Söhne Satanias. Die Größen der Materiellen Söhne schwanken zwischen zwei Meter vierzig und drei Meter, und von ihren hellschimmernden Körpern geht ein strahlendes Licht violetter Tönung aus. Derweil in ihren materiellen Körpern materielles Blut fließt, sind sie auch hochgeladen mit göttlicher Energie und gesättigt mit himmlischem Licht. Diese Materiellen Söhne (die Adame) und Materiellen Töchter (die Evas) sind einander ebenbürtig und unterscheiden sich nur hinsichtlich des Fortpflanzungsmechanismus und gewisser chemischer Eigenheiten. Sie sind einander ebenbürtig, aber in männlich und weiblich differenziert - ergänzen sich also - und dazu bestimmt, bei fast sämtlichen Aufträgen in Paaren zu dienen. Die Ernährung der Materiellen Söhne geschieht auf doppelte Art; ihr Körperbau und ihr ganzes Wesen sind wirklich doppelter Natur, indem sie ganz wie die physischen Wesen der Welt an den materialisierten Energien teilhaben, während ihre unsterbliche Existenz völlig durch die direkte und automatische Aufnahme gewisser stützender kosmischer Energien aufrechterhalten wird. Wenn sich die Angehörigen dieser Sohnesordnung bei der Erfüllung einer Aufgabe verfehlen oder gar bewusst und vorsätzlich auflehnen, werden sie isoliert, von der Verbindung mit der universellen Quelle des Lichts und Lebens abgeschnitten. Das macht aus ihnen praktisch materielle Wesen, bestimmt, dem Lauf des materiellen Lebens auf der ihnen zugeteilten Welt zu folgen, und gezwungen, auf den Entscheid der Universumsrichter zu warten. Der materielle Tod wird endlich die planetarische Laufbahn solch unglücklicher und unweiser Materieller Söhne und Töchter beschließen. Die ursprünglichen oder direkt erschaffenen Adame und Evas sind wie alle anderen Sohnesordnungen des Lokaluniversums unsterblich dank natürlicher Veranlagung, aber bei ihren Söhnen und Töchtern zeigt sich eine Verringerung des Unsterblichkeitspotentials. Ein ursprüngliches Paar kann an die von ihm gezeugten Söhne und Töchter nicht bedingungslose Unsterblichkeit weitergeben. Seine Nachkommen hängen zur Aufrechterhaltung des Lebens von einer ununterbrochenen intellektuellen Einstimmung auf die Verstandesgravitationskreise des Geistes ab. Seit Bestehen des Systems von Satania sind durch Auflehnung oder Verfehlung dreizehn Planetarische Adame und 681 204 weitere Vertreter der Ordnung in untergeordneten Vertrauensstellungen verloren gegangen. Die meisten dieser Abfälle ereigneten sich zur Zeit der Rebellion Luzifers. Die Materiellen Söhne besitzen keine Gedankenjustierer, während sie als Dauerbürger auf den Systemkapitalen leben, und nicht einmal dann, wenn sie in niedersteigender Sendung auf den evolutionären Planeten wirken, aber gerade durch diese Dienste erwerben sie die durch Erfahrung gewonnene Voraussetzung zur Aufnahme von Justierern und zur aufsteigenden Paradies-Laufbahn. Diese einzigartigen und wunderbar nützlichen Wesen sind die Bindeglieder zwischen den geistigen und den physischen Welten. Sie sind auf den Systemhauptsitzen konzentriert, wo sie sich fortpflanzen und als materielle Bürger ihrer Welt leben und von wo aus sie auf die evolutionären Welten gesandt werden. Im Unterschied zu den anderen erschaffenen Söhnen planetarischen Dienstes ist die materielle Sohnesordnung naturgemäß nicht unsichtbar für materielle Geschöpfe wie die Bewohner Urantias. Diese Gottessöhne können gesehen und verstanden werden, und sie können sich ihrerseits wirklich unter die Geschöpfe der Zeit mischen, ja sie könnten mit ihnen sogar Nachkommen zeugen, obwohl diese Aufgabe biologischer Aufrichtung gewöhnlich den Nachkommen der Planetarischen Adame zufällt. Auf Jerusem sind die loyalen Kinder aller Adame und Evas unsterblich, aber die von einem Materiellen Sohn und einer Materiellen Tochter nach ihrer Ankunft auf einem evolutionären Planeten gezeugten Nachkommen sind nicht in gleicher Weise gegen den natürlichen Tod gefeit. In den Übertragungsmechanismen des Lebens tritt eine Veränderung ein, wenn diese Söhne auf einer materiellen Welt für ihre Aufgabe der Fortpflanzung neu materialisiert werden. Die Lebensbringer entziehen den Planetarischen Adamen und Evas vorsätzlich das Vermögen, unsterbliche Söhne und Töchter zu zeugen. Wenn sich ein Adam und eine Eva in planetarischer Mission nicht verfehlen, können sie unbeschränkt weiterleben, aber innerhalb gewisser Grenzen nimmt die Langlebigkeit ihrer Kinder mit jeder folgenden Generation ab. ***** 51.2 Transit der Planetarischen Adame ***** Wenn der Systemsouverän die Nachricht erhält, dass eine neue bewohnte Welt den Höhepunkt physischer Entwicklung erreicht hat, beruft er das Korps der Materiellen Söhne und Töchter der Systemkapitale ein; und nach Besprechung der Bedürfnisse dieser evolutionären Welt wird aus der Freiwilligengruppe ein Paar ausgewählt - ein Adam und eine Eva des Seniorenkorps der Materiellen Söhne - das zum Abenteuer bereit ist, sich dem tiefen Schlaf zu überantworten, welcher der Einseraphierung und dem Transport von seiner Heimat gemeinsamen Dienstes auf die neue Welt neuer Gelegenheiten und neuer Gefahren vorausgeht. Adame und Evas sind halbmaterielle Geschöpfe und können als solche von Seraphim nicht transportiert werden. Sie müssen sich auf der Systemkapitale einer Dematerialisierung unterziehen, bevor sie für den Transport auf die Welt ihrer Bestimmung einseraphiert werden können. Die Transportseraphim sind imstande, an den Materiellen Söhnen und anderen halbmateriellen Wesen jene Veränderungen vorzunehmen, die sie zur Einseraphierung und zum Raumtransport von einem Planeten oder System zu einem anderen befähigen. Etwa drei Tage Standardzeit vergehen mit diesen Transportvorbereitungen, und bei der Ankunft am Reiseziel des seraphischen Transportes bedarf es der Mithilfe eines Lebensbringers, um solch ein entmaterialisiertes Geschöpf wieder in die normale Existenz zurückzubringen. Wohl gibt es diese Entmaterialisierungstechnik zur Vorbereitung der Adame auf ihre Überführung von Jerusem auf die evolutionären Welten, aber es existiert keine entsprechende Methode, um sie von solchen Welten wieder wegzubringen, es sei denn, der ganze Planet müsste geräumt werden. Bei einem solchen Ereignis kommt eine notfallmäßige Entmaterialisierungstechnik für die ganze zu rettende Bevölkerung zur Anwendung. Sollte irgendwelche physische Katastrophe die planetarische Heimat einer sich entwickelnden Rasse zum Untergang verurteilen, würden Melchisedeks und Lebensbringer die Entmaterialisierungstechnik für alle Fortlebenden bereitstellen, worauf diese Wesen durch seraphischen Transport auf die zur Fortführung ihrer Existenz vorbereitete neue Welt gebracht würden. Wenn die Evolution einer menschlichen Rasse auf einer Welt des Raums einmal ausgelöst worden ist, muss sie ihren Fortgang ganz unabhängig vom physischen Überleben dieses Planeten nehmen, aber während der evolutionären Zeitalter ist es nicht vorgesehen, dass ein Planetarischer Adam oder eine Planetarische Eva die von ihnen gewählte Welt verlassen. Nach der Ankunft auf dem Planeten ihrer Bestimmung werden der Materielle Sohn und die Materielle Tochter unter Leitung der Lebensbringer neu materialisiert. Dieser ganze Vorgang nimmt zehn bis achtundzwanzig Tage urantianischer Zeit in Anspruch. Die Bewusstlosigkeit des seraphischen Schlummers dauert während dieser ganzen Rekonstruktionsphase an. Wenn die Neuzusammenfügung ihres physischen Organismus abgeschlossen ist, finden sich diese Materiellen Söhne und Töchter in ihren neuen Heimen und auf ihren neuen Welten in jeder Hinsicht wieder so, wie sie vor dem Eintritt in den Entmaterialisierungsprozess auf Jerusem waren. ***** 51.3 Die adamischen Sendungen ***** Auf den bewohnten Welten bauen die Materiellen Söhne und Töchter ihre eigenen, von Gärten umgebenen Wohnstätten, wobei ihnen sehr bald ihre eigenen Kinder an die Hand gehen. Gewöhnlich wird der Ort des Gartens im voraus vom Planetarischen Fürsten bestimmt, und sein materieller Stab leistet mit Hilfe von höheren Vertretern der einheimischer Rassen einen bedeutenden Teil der Vorarbeiten. Diese Gärten tragen ihren Namen Eden zu Ehren Edentias, der Konstellationskapitale, und weil sie der botanischen Herrlichkeit der Hauptwelten der Allerhöchsten Väter nachempfunden sind. Solche Gartenwohnsitze liegen gewöhnlich in einer abgeschiedenen Landschaft und subtropischen Gegend. Auf einer durchschnittlichen Welt sind es wundervolle Schöpfungen. Ihr könnt euch anhand des fragmentarischen Berichts von der missglückten Entwicklung eines derartigen Unternehmens auf Urantia von diesen wunderbaren Zentren der Kultur keinen Begriff machen. Die Planetarischen Adame und Evas stellen potentiell die volle Verleihung physischer Anmut an die sterblichen Rassen dar. Die Hauptaufgabe des importierten Paars besteht in der Vermehrung und Veredlung der Kinder der Zeit. Aber es findet keine sofortige Kreuzung zwischen den Bewohnern des Gartens und den Bewohnern der Welt statt; über viele Generationen bleiben ein Adam und eine Eva biologisch von den evolutionären Sterblichen abgesondert, während sie eine starke Rasse ihrer Ordnung aufbauen. Das ist der Ursprung der violetten Rasse auf den bewohnten Welten. Die Pläne zur Hebung der Rassen werden vom Planetarischen Fürsten und seinem Stab ausgearbeitet und von Adam und Eva ausgeführt. Und dies war gerade der Punkt, worin euer Materieller Sohn und seine Gefährtin bei ihrer Ankunft auf Urantia außerordentlich benachteiligt waren. Caligastia stellte der adamischen Sendung listenreichen und wirkungsvollen Widerstand entgegen; und obwohl die Melchisedek-Treuhänder Urantias sowohl Adam als auch Eva in aller Form vor den planetarischen Gefahren gewarnt hatten, die in der Anwesenheit des rebellischen Planetarischen Fürsten lagen, überlistete dieser Erzrebell das edenische Paar durch eine raffinierte Strategie und verleitete es zu einer Verletzung seines Gelübdes der Treuhandschaft als sichtbare Regenten eurer Welt. Es gelang dem verräterischen Planetarischen Fürsten zwar, euren Adam und eure Eva zu kompromittieren, aber seine Versuche, sie in die Rebellion Luzifers hineinzuziehen, blieben erfolglos. Die Engel der fünften Ordnung, die planetarischen Helfer, sind mit der Adamischen Sendung verbunden und begleiten die Planetarischen Adame immer auf ihren Weltenabenteuern. Das den Adamen ursprünglich beigegebene Korps zählt ungefähr einhunderttausend Engel. Als der Adam und die Eva Urantias ihr Werk vor der Zeit in Gang setzten und dabei vom vorgeschriebenen Plan abwichen, war es eine der seraphischen Stimmen des Gartens, die sie wegen ihres sträflichen Verhaltens tadelte. Und eure Beschreibung dieser Begebenheit ist ein gutes Beispiel für die Neigung eurer planetarischen Überlieferungen, stets alles Übernatürliche Gott, dem Herrn, zuzuschreiben. Aus diesem Grunde wurden die Urantianer aus der Natur des Universalen Vaters oft nicht klug, weil die Worte und Taten aller seiner Mitarbeiter und Untergebenen so ganz allgemein ihm zugeschrieben wurden. Im Falle Adams und Evas war der Engel des Gartens niemand anders als der Chef der damals dienenden planetarischen Helfer. Dieser Seraph, Solonia, verkündete das Scheitern des göttlichen Plans und verlangte die Rückkehr der Melchisedek-Treuhänder nach Urantia. Die sekundären Mittler-Geschöpfe liegen im Wesen der Adamischen Sendungen. Gleich den Nachkommen des materiellen Stabs des Planetarischen Fürsten sind auch diejenigen der Materiellen Söhne und Töchter doppelter Art: ihre physischen Kinder und die sekundäre Ordnung der Mittler-Geschöpfe. Diese materiellen, aber gewöhnlich unsichtbaren planetarischen Diener tragen viel zum Fortschritt der Zivilisation und sogar zur Unterwerfung unbotmäßiger Minderheiten bei, welche die soziale Entwicklung und den geistigen Fortschritt zu untergraben suchen. Man sollte die sekundären Mittler nicht mit der primären Ordnung verwechseln, die aus der Zeit der Ankunft des Planetarischen Fürsten stammt. Auf Urantia hat sich die Mehrheit dieser früheren Mittler-Geschöpfe der Rebellion Caligastias angeschlossen; sie sind seit Pfingsten interniert. Auch viele Angehörige der Adamischen Gruppe, die der planetarischen Verwaltung die Treue aufsagten, wurden interniert. Am Pfingsttag haben sich die loyal gebliebenen primären und sekundären Mittler freiwillig zusammengeschlossen, und sie haben seither in allen Weltangelegenheiten stets als eine Einheit funktioniert. Sie dienen unter der Führung von loyalen Mittlern, die abwechselnd beiden Gruppen entnommen werden. Eure Welt ist von vier Sohnesordnungen besucht worden: von Caligastia, dem Planetarischen Fürsten, von Adam und Eva, Materiellen Söhnen Gottes, von Machiventa Melchisedek, dem "Weisen von Salem" in den Tagen Abrahams, und von Christus Michael, der als ein sich selbst hingebender Paradies-Sohn gekommen ist. Um wie viel wirksamer und schöner wäre es doch gewesen, wenn Michael, der höchste Herrscher über das Universum von Nebadon, auf eurer Welt von einem treuen und tüchtigen Planetarischen Fürsten und einem hingebungsvollen und erfolgreichen Materiellen Sohn willkommen geheißen worden wäre, von denen jeder so sehr hätte dazu beitragen können, dem Lebenswerk und der Sendung des Sohnes der Selbsthingabe ein größeres Leuchten zu verleihen! Aber nicht alle Welten sind so unglücklich wie Urantia gewesen, und nicht immer ist die Sendung der Planetarischen Adame so schwierig und riskant gewesen. Wenn sie erfolgreich sind, tragen sie zur Entwicklung eines großen Volkes bei und wirken als sichtbare Lenker der planetarischen Angelegenheiten bis weit in die Zeit hinein, da ihre Welt im Licht und Leben verankert ist. ***** 51.4 Die sechs evolutionären Rassen ***** Die während der frühen Zeitalter der bewohnten Welten dominierende Rasse ist der rote Mensch, der gewöhnlich als erster menschliche Entwicklungsebenen erreicht. Aber obwohl der rote Mensch die älteste Rasse der Planeten ist, treten die folgenden farbigen Völker im Zeitalter des menschlichen Erwachens schon sehr früh in Erscheinung. Die früheren Rassen sind den späteren etwas überlegen; der rote Mensch steht weit über der indigoblauen - der schwarzen - Rasse. Die Lebensbringer lassen der anfänglichen oder roten Rasse die ganze Fülle lebendiger Energien zukommen, und jede nachfolgende evolutionäre Manifestation unterschiedlicher Gruppen von Sterblichen stellt eine Abwandlung auf Kosten der ursprünglichen Begabung dar. Sogar die menschliche Körpergröße neigt dazu, vom roten Menschen bis hinunter zur indigoblauen Rasse abzunehmen, obwohl auf Urantia unter den grünen und orangen Völkern ganz unerwartet durch Riesenwuchs ausgezeichnete Linien auftraten. Auf Welten, die alle sechs evolutionären Rassen besitzen, sind die höheren Völker die erste, die dritte und die fünfte Rasse - die rote, die gelbe und die blaue. So zeigen die evolutionären Rassen abwechslungsweise größere oder geringere Befähigung zu intellektuellem Wachstum und geistiger Entwicklung, wobei die zweite, die vierte und die sechste etwas weniger begabt sind. Diese sekundären Rassen sind die auf gewissen Welten fehlenden Völker und diejenigen, die auf vielen anderen ausgerottet wurden. Es ist ein großes Unglück für Urantia, dass ihr eure höher stehenden blauen Menschen bis auf das, was von ihnen in eurer vermischten "weißen Rasse" weiterlebt, so weitgehend verloren habt. Der Verlust eurer grünen und orangen Stämme hingegen wiegt weniger schwer. Obwohl die Evolution von sechs - oder drei - farbigen Rassen die ursprünglichen Gaben des roten Menschen zu verdünnen scheint, so liefert sie doch sehr wünschenswerte Varianten sterblicher Typen und sorgt für einen ansonsten unerreichbaren Ausdruck verschiedener menschlicher Potentiale. Diese Modifikationen sind dem Fortschritt der Menschheit in ihrer Ganzheit zuträglich, vorausgesetzt, dass sie später durch die importierte adamische oder violette Rasse eine Hebung erfahren. Auf Urantia wurde dieser übliche Plan der Vermischung nicht umfassend ausgeführt, und diese gescheiterte Ausführung des Plans der Rassenevolution verunmöglicht es euch, gestützt auf das Studium der Überreste der frühen Rassen eurer Welt sehr viel vom Status der Völker auf einem durchschnittlichen bewohnten Planeten zu verstehen. In der Frühzeit der Rassenentwicklung zeigen die roten, gelben und blauen Menschen eine leichte Neigung zu gegenseitiger Vermischung; eine ebensolche Neigung besteht auch zwischen den orangen, grünen und indigoblauen Rassen. Die rückständigeren menschlichen Wesen werden von den fortgeschritteneren Rassen gewöhnlich als Arbeiter gebraucht. Das erklärt den Ursprung der Sklaverei auf den Planeten während der frühen Zeitalter. Meist werden die orangen Menschen von den roten unterworfen und in eine dienende Stellung verwiesen - oder manchmal auch ausgerottet. Oft unterhalten die gelben und roten Menschen zueinander brüderliche Beziehungen, aber nicht immer. Im Allgemeinen versklavt die gelbe Rasse die grüne, während der blaue Mensch sich den indigoblauen unterwirft. Wenn diese primitiven Menschenrassen die Dienste ihrer zur Zwangsarbeit verurteilten, rückständigen Gefährten in Anspruch nehmen, machen sie sich dabei nicht mehr Gedanken als Urantianer beim Kauf und Verkauf von Pferden und Rindern. Auf den meisten normalen Welten dauert die unfreiwillige Fron nicht länger als die Dispensation des Planetarischen Fürsten, obwohl Schwachsinnige und soziale Übeltäter oft noch weiterhin zu unfreiwilliger Arbeit gezwungen werden. Aber auf allen normalen Sphären wird diese Art primitiver Sklaverei bald nach der Ankunft der importierten violetten oder adamischen Rasse abgeschafft. Die sechs evolutionären Rassen sind dazu bestimmt, durch Verschmelzen mit dem Nachwuchs der adamischen Veredler gehoben zu werden. Aber bevor die Vermischung dieser Völker stattfindet, sind die Minderwertigen und Untauglichen weitgehend ausgeschieden worden. Der Planetarische Fürst und der Materielle Sohn befinden zusammen mit anderen geeigneten planetarischen Autoritäten über die Tauglichkeit der sich fortpflanzenden Linien. Die Schwierigkeit der Anwendung eines solch radikalen Programms auf Urantia liegt darin, dass keine kompetenten Begutachter vorhanden sind, um über die biologische Tauglichkeit oder Untauglichkeit der Einzelwesen eurer Weltrassen ein Urteil zu fällen. Trotz dieses Hindernisses scheint es, als solltet ihr damit einverstanden sein können, eure ausgesprochen untauglichen, geschädigten, degenerierten und antisozialen Linien aus der biologischen Gemeinschaft auszuschließen. ***** 51.5 Rassenverschmelzung - Das Geschenk des adamischen Blutes ***** Wenn ein Planetarischer Adam und eine Planetarische Eva auf einer bewohnten Welt eintreffen, sind sie durch ihre Vorgesetzten bereits ausführlich über die besten Wege zur Hebung der existierenden Rassen intelligenter Wesen unterrichtet worden. Es gibt keinen einheitlichen Plan des Vorgehens; vieles bleibt dem Urteil des dienenden Paares überlassen, und nicht selten kommen Fehler vor, insbesondere auf abtrünnigen Welten mit gestörter Ordnung wie Urantia. Gewöhnlich beginnen sich die violetten Menschen erst dann mit den Bewohnern des Planeten zu vermischen, wenn ihre eigene Gruppe auf über eine Million angewachsen ist. Aber inzwischen hat der Stab des Planetarischen Fürsten verkünden lassen, dass die Kinder der Götter gleichsam herabgestiegen sind, um sich mit den Menschenrassen zu vereinigen; und die Menschen harren ungeduldig dem Tag entgegen, an dem bekannt gegeben wird, dass sich all diejenigen, die die Qualifikation der Zugehörigkeit zu den höheren rassischen Linien besitzen, in den Garten Eden begeben mögen, um dort von den Söhnen und Töchtern Adams als evolutionäre Väter und Mütter der neuen, gemischten Menschheitsordnung ausgewählt zu werden. Auf normalen Welten paaren sich die Planetarischen Adame und Evas nie mit den evolutionären Rassen. Dieses Werk biologischer Veredelung ist die Aufgabe der Adamischen Nachkommen. Aber diese Adamiten begeben sich nicht hinaus unter die Rassen; die Stabsmitglieder des Fürsten bringen die höher entwickelten Männer und Frauen in den Garten Eden zur freiwilligen Paarung mit den Sprösslingen Adams. Und auf den meisten Welten gilt es als höchste Ehre, als Kandidat zur Paarung mit den Söhnen und Töchtern des Gartens ausgewählt zu werden. Zum ersten Mal gehen die Kriege zwischen den Rassen und andere Stammeskämpfe zurück, und immer mehr streben die Rassen der Welt danach, sich für Anerkennung und Zulassung zum Garten zu qualifizieren. Ihr könnt euch höchstens eine sehr blasse Vorstellung davon machen, wie sehr dieser kämpferische Wetteifer auf einem normalen Planeten allmählich in den Mittelpunkt aller Aktivitäten rückt. Dieser ganze Plan zur Hebung der Rassen erlitt auf Urantia schon früh Schiffbruch. Die violette Rasse ist ein monogames Volk, und jeder evolutionäre Mann, jede evolutionäre Frau, die sich mit einem adamischen Sohn oder einer adamischen Tochter vereinigt, verpflichtet sich, auf andere Gefährten zu verzichten und seine, ihre Kinder die Monogamie zu lehren. Die jeder dieser Verbindungen entspringenden Kinder werden in den Schulen des Planetarischen Fürsten erzogen und ausgebildet, worauf ihnen gestattet wird, auszuziehen zur Rasse ihres evolutionären Elternteils und sich dort innerhalb ausgewählter Gruppen höherstehender Sterblicher zu verheiraten. Wenn den sich entwickelnden Rassen der Welt das Erbe der Materiellen Söhne einmal beigemischt ist, eröffnet sich eine neue und größere Ära evolutionären Fortschritts. Nach dieser auf dem Fortpflanzungsweg erfolgten Austeilung importierter Fähigkeiten und überevolutionärer Wesenszüge beginnen Zivilisation und Rassenentwicklung in Riesenschritten voranzugehen; in einhunderttausend Jahren geschehen größere Fortschritte als zuvor während einer Jahrmillion des Ringens. Sogar angesichts des Scheiterns des vorgeschriebenen Plans sind auf eurer Welt große Fortschritte erzielt worden, seit euren Völkern Adams Lebensplasma geschenkt wurde. Aber während die in reiner Linie abstammenden Kinder eines planetarischen Gartens Eden sich den höheren Angehörigen der evolutionären Rassen schenken können und dadurch die biologische Ebene der Menschheit heben, würde den höheren Linien urantianischer Sterblicher eine Vermischung mit den niedrigeren Rassen nicht zum Vorteil gereichen; solch ein törichtes Vorgehen würde die ganze Zivilisation eurer Welt in Frage stellen. Nach dem Misslingen der Harmonisierung der Rassen durch die adamische Technik müsst ihr jetzt euer planetarisches Problem der Rassenveredlung durch andere, weitgehend menschliche Methoden der Anpassung und Kontrolle lösen. ***** 51.6 Die edenische Herrschaft ***** Auf den meisten bewohnten Welten bleiben die Gärten Eden als großartige kulturelle Zentren bestehen und erfüllen Zeitalter um Zeitalter ihre Funktion als soziale Vorbilder für planetarische Verhaltensweisen und Gepflogenheiten. Schon in frühen Zeiten, wenn die violetten Menschen noch relativ abgesondert leben, werden geeignete Anwärter aus den Weltrassen in ihre Schulen aufgenommen, während die industriellen Entwicklungen des Gartens dem Handelsaustausch neue Kanäle eröffnen. Auf diese Weise tragen die Adame und Evas und ihre Abkömmlinge zum plötzlichen Aufblühen der Kultur und zur raschen Hebung der evolutionären Rassen ihrer Welten bei. All diese Beziehungen werden verstärkt und besiegelt durch die Verschmelzung der evolutionären Rassen mit den Adamssöhnen, und diese Vermischung bewirkt die augenblickliche Anhebung des biologischen Status, die Belebung des intellektuellen Potentials und die Erhöhung der geistigen Empfänglichkeit. Auf normalen Welten wird der Gartenwohnsitz der violetten Rasse zum zweiten Kulturzentrum der Welt, das zusammen mit der Hauptstadt des Planetarischen Fürsten das Tempo für die Entwicklung der Zivilisation angibt. Während Jahrhunderten bestehen die Hauptstadtschulen des Planetarischen Fürsten und die Gartenschulen Adams und Evas nebeneinander. Sie sind gewöhnlich nicht weit voneinander entfernt und arbeiten harmonisch zusammen. Überlegt euch, was es für eure Welt bedeuten würde, wenn es irgendwo in der Levante ein Weltzentrum der Zivilisation, eine große planetarische Universität der Kultur gäbe, die seit 37 000 Jahren ununterbrochen funktionierte! Und sinnt nun weiter darüber nach, wie sehr die moralische Autorität sogar eines so alten Zentrums verstärkt würde, läge nicht weit von ihm entfernt noch eine weitere und ältere Stätte himmlischer Unterweisung, in deren Traditionen die angehäufte Kraft von 500 000 Jahren integrierten evolutionären Einflusses läge! Es sind die Gewohnheiten, welche schließlich für die Ausbreitung der Ideale Edens auf der ganzen Welt sorgen. Die Schulen des Planetarischen Fürsten beschäftigen sich hauptsächlich mit Philosophie, Religion, Ethik und mit den höheren intellektuellen und künstlerischen Tätigkeiten. Die Gartenschulen von Adam und Eva widmen sich gewöhnlich praktischen Künsten, intellektueller Grundschulung, gesellschaftlicher Kultur, wirtschaftlicher Entwicklung, Handelsbeziehungen, körperlicher Ertüchtigung und Zivilregierung. Schließlich verschmelzen diese Weltzentren zu einem einzigen, aber diese Zusammenlegung findet manchmal erst zur Zeit des ersten Richtersohnes statt. Die dauernde Existenz des Planetarischen Adam und der Planetarischen Eva im Verein mit dem reinblütigen Kern der violetten Rasse verleiht der Edenischen Kultur jene Stabilität des Wachstums, dank welcher sie schließlich auf die Zivilisation einer Welt mit der zwingenden Kraft der Tradition einwirkt. In diesen unsterblichen Materiellen Söhnen und Töchtern begegnen wir dem letzten und unerlässlichen Bindeglied zwischen Gott und dem Menschen, das den fast unendlichen Abgrund zwischen dem ewigen Schöpfer und der niedersten endlichen Persönlichkeit der Zeit überbrückt. Wir haben ein Geschöpf hohen Ursprungs vor uns, das physisch, materiell und sogar ein geschlechtliches Wesen wie die Sterblichen Urantias ist, und das den unsichtbaren Planetarischen Fürsten sehen und verstehen und ihn den sterblichen Geschöpfen der Welt verständlich machen kann; denn die Materiellen Söhne und Töchter sind fähig, alle den niedrigeren Ordnungen angehörenden Geistwesen zu sehen; sie sehen den Planetarischen Fürsten und seinen ganzen sichtbaren und unsichtbaren Stab. Mit dem Vergehen der Jahrhunderte werden dieselben Materiellen Söhne und Töchter durch Aufgehen ihrer Nachkommen in den Menschenrassen als die gemeinsamen Ahnen der Menschheit anerkannt, als die gemeinsamen Eltern der neuen gemischten Abkömmlinge der evolutionären Rassen. Schließlich sollten Sterbliche, die eine bewohnte Welt verlassen, über die Erfahrung verfügen, sieben Väter anzuerkennen: 1. Den biologischen Vater - den leiblichen Vater. 2. Den Vater der Welt - den Planetarischen Adam. 3. Den Vater der Planeten - den Systemsouverän. 4. Den Allerhöchsten Vater - den Vater der Konstellation. 5. Den Universumsvater - den Schöpfersohn und Supremen Herrscher über die lokalen Schöpfungen. 6. Die Überväter - die Ältesten der Tage, die das Superuniversum regieren. 7. Den geistigen Vater oder Vater Havonas - den Universalen Vater, der im Paradies wohnt und seinen Geist austeilt, auf dass er im Verstand der niederen, das Universum der Universen bewohnenden Geschöpfe lebe und wirke. ***** 51.7 Zusammenlegung der Verwaltung ***** Von Zeit zu Zeit kommen die Avonal-Söhne des Paradieses zu richterlichen Handlungen auf die bewohnten Welten, aber der erste in Richtermission eintreffende Avonal leitet auf einer evolutionären Welt von Zeit und Raum die vierte Dispensation ein. Auf einigen Planeten, wo dieser Richtersohn allgemein anerkannt wird, bleibt er während eines ganzen Zeitalters; und so blüht der Planet unter der gemeinsamen Führung von drei Söhnen: des Planetarischen Fürsten, des Materiellen Sohnes und des Richtersohnes, von denen die beiden letztgenannten für alle Bewohner der Welt sichtbar sind. Noch bevor der erste Richtersohn seine Sendung auf einer normalen evolutionären Welt abschließt, ist die Zusammenlegung des Erziehungs- und Verwaltungswerks des Planetarischen Fürsten und des Materiellen Sohnes vollzogen worden. Diese Verschmelzung der zweifachen Leitung eines Planeten lässt eine neue und wirksame Ordnung globaler Verwaltung entstehen. Nach dem Abtreten des Richtersohnes übernimmt der Planetarische Adam die Leitung der Sphäre nach außen hin. So wirken Materieller Sohn und Materielle Tochter gemeinsam als planetarische Verwalter bis zum Eintritt der Welt in die Ära des Lichts und Lebens, worauf der Planetarische Fürst in die Stellung eines Planetarischen Souveräns erhoben wird. Während dieses Zeitalters vorgerückter Evolution werden Adam und Eva zu dem, was man als gemeinsam amtierende Ministerpräsidenten der verherrlichten Welt bezeichnen könnte. Sobald die neue und konsolidierte Kapitale der sich entwickelnden Welt gut eingerichtet ist, und fast im Gleichschritt mit der erforderlichen Ausbildung zuständiger untergeordneter Verwalter werden in entfernten Gegenden und unter verschiedenen Völkern Unterkapitalen gegründet. Bis zur Ankunft eines weiteren Dispensationssohnes werden zwischen fünfzig und hundert dieser sekundären Zentren organisiert. Immer noch fördern der Planetarische Fürst und sein Stab die geistigen und philosophischen Aktivitätsbereiche. Adam und Eva richten ihr besonderes Augenmerk auf die physische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Verfassung der Welt. Und beide Gruppen widmen ihre Energien gleicherweise der Förderung der Künste, der sozialen Beziehungen und intellektuellen Leistungen. Bis zum Zeitpunkt der Eröffnung der fünften Dispensation der Weltangelegenheiten ist eine wunderbar arbeitende Verwaltung der planetarischen Aktivitäten verwirklicht worden. Die Existenz der Sterblichen auf einer so ausgezeichnet geführten Sphäre ist wahrhaftig stimulierend und lohnend. Könnten die Urantianer nur das Leben auf solch einem Planeten beobachten, sie würden allsogleich den Wert von Dingen erkennen, die ihre Welt verloren hat, weil sie sich dem Übel verschrieben und an der Rebellion teilgenommen hat. [Dargeboten von einem Sekundären Lanonandek-Sohn des Reservekorps.] ****** Kapitel 52 Planetarische Epochen der Menschheit ****** VOM Beginn des Lebens auf einem evolutionären Planeten bis zu der Zeit seiner schließlichen Blüte in der Ära des Lichts und Lebens erscheinen auf der Bühne des Weltgeschehens mindestens sieben Epochen menschlichen Lebens. Diese aufeinander folgenden Zeitalter werden durch die planetarischen Sendungen der göttlichen Söhne bestimmt, und auf einer durchschnittlichen bewohnten Welt erscheinen die Epochen in dieser Reihenfolge: 1. Der Mensch vor dem Planetarischen Fürsten. 2. Der Mensch nach dem Planetarischen Fürsten. 3. Der Mensch nach Adam. 4. Der Mensch nach dem Richtersohn. 5. Der Mensch nach dem Sohn der Selbsthingabe. 6. Der Mensch nach den Lehrersöhnen. 7. Die Ära des Lichts und Lebens. Sobald die Welten des Raums physisch zur Beherbergung des Lebens bereit geworden sind, werden sie bei den Lebensbringern registriert, und wenn die Zeit gekommen ist, werden diese Söhne nach den betreffenden Planeten entsandt, um das Leben zu initiieren. Die ganze Zeitspanne von der Auslösung des Lebens bis zum Erscheinen des Menschen wird als vormenschliche Ära bezeichnet und geht den in diesem Bericht behandelten aufeinander folgenden menschlichen Epochen voraus. ***** 52.1 Der primitive Mensch ***** Von der Zeit an, da der Mensch der tierischen Ebene entsteigt - sobald er wählen kann, den Schöpfer zu verehren - bis zur Ankunft des Planetarischen Fürsten nennt man die sterblichen Willensgeschöpfe primitive Menschen. Es gibt sechs Grundtypen oder -rassen primitiver Menschen, und diese frühen Völker erscheinen nacheinander in der Reihenfolge der Farben des Spektrums, angefangen mit rot. Die zu dieser frühen Lebensentwicklung benötigte Zeitspanne ist auf den verschiedenen Welten sehr unterschiedlich; sie dauert von hundertfünfzigtausend bis über eine Million Jahre urantianischer Zeitrechnung. Die evolutionären farbigen Rassen - die roten, orangen, gelben, grünen, blauen und indigoblauen - beginnen um die Zeit zu erscheinen, wenn der primitive Mensch eine einfache Sprache entwickelt und damit anfängt, seine schöpferische Vorstellungskraft zu betätigen. Bis dahin hat er sich schon gut an die aufrechte Haltung gewöhnt. Die primitiven Menschen sind große Jäger und erbitterte Kämpfer. Das Gesetz dieses Zeitalters ist das physische Überleben der am besten Ausgerüsteten; die Regierung dieser Zeiten ist gänzlich auf den Stammesverband beschränkt. Während der frühen Rassenkämpfe werden auf vielen Welten einige der evolutionären Rassen ausgerottet, wie es auf Urantia geschehen ist. Die Überlebenden vermischen sich in der Folge gewöhnlich mit der später importierten violetten Rasse, mit den adamischen Menschen. Im Lichte der späteren Zivilisation ist diese Ära des primitiven Menschen ein langes, dunkles und blutiges Kapitel. Das Gesetz des Dschungels und die Sitten der Urwälder stehen nicht im Einklang mit den Normen späterer Dispensationen offenbarter Religion und geistiger Höherentwicklung. Auf normalen und Nicht-Experimentierwelten unterscheidet sich diese Epoche sehr stark von den lang anhaltenden und außerordentlich brutalen Kämpfen, welche dieses Alter auf Urantia kennzeichneten. Einmal aus eurer ersten Welterfahrung aufgetaucht, werdet ihr zu begreifen beginnen, weshalb dieser lange und schmerzensreiche Kampf auf den evolutionären Welten stattfindet, und während ihr auf dem Pfad zum Paradies vorrückt, werdet ihr die Weisheit dieser so seltsam erscheinenden Vorgänge immer klarer erkennen. Aber allen Wechselfällen der frühen Zeiten menschlichen Erwachens zum Trotz stellen die Leistungen des primitiven Menschen in den Annalen einer evolutionären Welt von Zeit und Raum ein bewunderungswürdiges, ja heldenhaftes Kapitel dar. Der frühe evolutionäre Mensch ist ein recht farbloses Geschöpf. Im Allgemeinen hausen die primitiven Sterblichen in Grotten oder Felshöhlen, oder sie erbauen sich rohe Hütten in großen Bäumen. Bevor sie hohe Intelligenz erlangen, wimmelt es auf ihren Planeten oft von größeren Tierarten. Aber schon früh in dieser Ära lernen die Sterblichen, wie man Feuer entfacht und unterhält, und mit zunehmendem Erfindergeist und dank verbesserten Werkzeugen überwindet der in Entwicklung begriffene Mensch bald die größeren und schwerfälligeren Tiere. In starkem Ausmaß machen sich die frühen Rassen auch die größeren fliegenden Tiere zunutze. Diese Riesenvögel sind imstande, einen oder zwei mittelgroße Menschen in ununterbrochenem Flug über Entfernungen von mehr als achthundert Kilometern zu transportieren. Auf einigen Planeten leisten diese Vögel große Dienste, da sie eine hohe Intelligenz besitzen und oft fähig sind, viele Worte der Sprachen der Welt zu sprechen. Diese Vögel sind äußerst intelligent, sehr gehorsam und unglaublich liebevoll. Seit langem sind diese Passagiervögel auf Urantia ausgestorben, aber eure frühen Vorfahren erfreuten sich ihrer Dienste. Die Erwerbung ethischen Urteils, sittlichen Willens durch die Menschen fällt im Allgemeinen mit den Anfängen der frühen Sprache zusammen. Wenn solche Wesen, nachdem der Wille in ihnen erwacht ist, die menschliche Ebene erreichen, werden sie für die zeitweilige Beherbergung eines göttlichen Justierers empfänglich, und nach ihrem Tod werden viele von ihnen zum Fortleben bestimmt und für die spätere Auferstehung und Fusion mit dem Geiste von den Erzengeln versiegelt. Immer werden die Planetarischen Fürsten von den Erzengeln begleitet, und ein Dispensationsgericht über die Welt fällt mit der Ankunft des Fürsten zusammen. Alle von Gedankenjustierern bewohnten Sterblichen haben das Potential zur Anbetung; sie sind "vom wahren Licht erleuchtet" worden und besitzen die Fähigkeit, wechselseitigen Kontakt mit der Göttlichkeit zu suchen. Trotzdem ist die frühe oder biologische Religion weitgehend ein Fortbestehen der tierischen Furcht, die mit unwissender heiliger Scheu und Stammesaberglauben einhergeht. Das Überleben des Aberglaubens in den Rassen Urantias verträgt sich nur schlecht mit eurer evolutionären Entwicklung und ist unvereinbar mit euren im Übrigen großartigen Leistungen im Bereich des materiellen Fortschritts. Aber diese frühe Religion der Furcht dient einem sehr nützlichen Zweck, indem sie sich die heftigen Gemüter dieser primitiven Geschöpfe unterwirft. Sie ist der Vorläufer der Zivilisation, und sie ist die Erde, in die der Planetarische Fürst und seine Beauftragten die Samen offenbarter Religion säen können. Etwa hunderttausend Jahre nach der Zeit, wenn der Mensch die aufrechte Haltung erwirbt, trifft gewöhnlich der Planetarische Fürst ein. Der Systemsouverän hat ihn auf den Bericht der Lebensbringer hin, dass der Wille funktioniert, entsandt, selbst wenn sich erst vergleichsweise wenige so entwickelt haben. Gewöhnlich heißen die primitiven Menschen den Planetarischen Fürsten und seinen sichtbaren Mitarbeiterstab willkommen; tatsächlich begegnen sie ihnen oft mit heiliger Scheu und Ehrfurcht, fast in anbetender Haltung, wenn man sie nicht daran hindert. ***** 52.2 Der Mensch nach dem Planetarischen Fürsten ***** Mit der Ankunft des Planetarischen Fürsten beginnt eine neue Dispensation. Auf der Erde erscheint eine Regierung, und die fortgeschrittene Stammesepoche ist erreicht. Auf sozialem Gebiet werden unter dieser neuen Ordnung in ein paar tausend Jahren große Fortschritte erzielt. Unter normalen Bedingungen erreichen die Sterblichen während dieses Zeitalters einen hohen Zivilisationsgrad. Sie verharren nicht so lange in Kampf und Barbarei wie die Rassen Urantias. Aber eine Rebellion verändert das Leben auf einer bewohnten Welt derart, dass ihr euch die auf einem normalen Planeten herrschende Ordnung kaum oder gar nicht vorstellen könnt. Diese Dispensation dauert im Mittel rund fünfhunderttausend Jahre, manchmal länger, manchmal weniger lang. Während dieser Ära wird der Planet in die Kreisläufe des Systems aufgenommen, und seine Verwaltung bekommt ihren vollen Anteil an seraphischen und anderen himmlischen Helfern. Die Gedankenjustierer kommen in wachsender Zahl an, und die seraphischen Hüter dehnen ihren Dienst menschlicher Überwachung aus. Wenn der Planetarische Fürst auf einer primitiven Welt eintrifft, herrscht die Evolutions-Religion der Furcht und Unwissenheit. Der Fürst und sein Stab machen die ersten Offenbarungen von höherer Wahrheit und Universumsorganisation. Diese anfänglichen Darstellungen von offenbarter Religion sind sehr einfach und betreffen gewöhnlich die Angelegenheiten des Lokalsystems. Vor der Ankunft des Planetarischen Fürsten ist Religion ein gänzlich evolutionärer Prozess. Danach beruht der Fortschritt der Religion sowohl auf schrittweiser Offenbarung als auch auf evolutionärem Wachstum. Jede Dispensation, jede menschliche Epoche erhält eine erweiterte Darstellung geistiger Wahrheit und religiöser Sittlichkeit. Das Wachstum der religiösen Aufnahmebereitschaft der Bewohner einer Welt bestimmt weitgehend die Geschwindigkeit ihres geistigen Fortschritts und das Ausmaß religiöser Offenbarung. Diese Dispensation wird Zeuge einer geistigen Morgendämmerung, und die verschiedenen Rassen mit all ihren Stämmen neigen zur Ausbildung besonderer religiöser und philosophischer Gedankensysteme. Unterschiedslos ziehen durch all diese Rassenreligionen wie zwei Leitmotive die frühen Ängste der primitiven Menschen und die späteren Offenbarungen des Planetarischen Fürsten. In verschiedener Hinsicht scheinen die Urantianer diesem Stadium planetarischer Evolution noch nicht ganz entwachsen zu sein. Während ihr diese Schriften weiterstudiert, werdet ihr immer klarer erkennen, wie sehr eure Welt vom durchschnittlichen Lauf des evolutionären Fortschritts und Wachstums abweicht. Aber der Planetarische Fürst ist nicht der "Friedefürst". Rassenkämpfe und Stammeskriege gehen in dieser Dispensation weiter, wenn auch mit abnehmender Häufigkeit und Erbitterung. Es ist ein großes Zeitalter der Rassenzerstreuung, das in einer Periode intensiven Nationalismus' gipfelt. Die Farbe bildet die Grundlage der nationalen und Stammesgruppierungen, und die verschiedenen Rassen entwickeln oft gesonderte Sprachen. Jede wachsende Menschengruppe hat die Tendenz, sich abzusondern. Und diese Abschottung wird durch die Existenz vieler Sprachen begünstigt. Bevor die verschiedenen Rassen sich vereinigen, hat ihre unablässige Kriegführung manchmal das Verschwinden ganzer Völker zur Folge; insbesondere die orangen und grünen Menschen werden leicht Opfer solcher Ausrottung. Während der zweiten Hälfte der Herrschaft des Fürsten beginnt auf durchschnittlichen Welten das nationale Leben an die Stelle der Stammesorganisation zu treten oder sich vielmehr über die existierenden Stammesgruppierungen zu legen. Aber die große soziale Errungenschaft der Epoche des Fürsten ist das Erwachen des Familienlebens. Bislang beruhten die menschlichen Beziehungen hauptsächlich auf Stammeszugehörigkeit; jetzt beginnt das Heim, Gestalt anzunehmen. Dies ist die Dispensation, in der die Gleichheit der Geschlechter verwirklicht wird. Auf einigen Planeten verfügt das männliche Geschlecht über das weibliche; auf anderen ist es umgekehrt. Während dieses Zeitalters stellen normale Planeten die völlige Geschlechtergleichheit her, was die Voraussetzung zu einer volleren Verwirklichung eines idealen Familienlebens ist. Dies ist die Morgenröte des goldenen Zeitalters des Heims. Die Idee der Stammesherrschaft weicht schrittweise der doppelten Vorstellung von nationalem und Familienleben. Während dieses Zeitalters erscheint der Ackerbau. Das Wachstum der Familienidee verträgt sich nicht mit der umherschweifenden, ungebundenen Lebensweise des Jägers. Allmählich bürgern sich die Gewohnheit fester Wohnplätze und die Bodenbestellung ein. Rasch werden nun die Tiere domestiziert, und die häuslichen Fertigkeiten entwickeln sich. Während die biologische Entwicklung auf ihrem Höhepunkt anlangt, wird eine hohe Zivilisationsstufe erreicht, aber auf mechanischem Gebiet hat nur eine bescheidene Entwicklung stattgefunden; der Erfindergeist charakterisiert erst das nachfolgende Zeitalter. Noch bevor diese Ära zu Ende geht, sind die Rassen gereinigt und auf einen hohen Stand physischer Vollkommenheit und intellektueller Leistungsfähigkeit gebracht worden. Die frühe Entwicklung einer normalen Welt wird in hohem Maße durch den Plan begünstigt, der die Vermehrung der höheren sterblichen Typen und eine entsprechende Beschränkung der niedrigeren vorsieht. Der Umstand, dass eure frühen Völker es versäumten, diese beiden Typen unterschiedlich zu behandeln, erklärt die Anwesenheit so vieler geschädigter und degenerierter Individuen in den urantianischen Rassen der Gegenwart. Eine der großen Leistungen des Zeitalters des Fürsten ist die Einschränkung der Fortpflanzung schwachsinniger und sozial untauglicher Wesen. Lange vor der Zeit der Ankunft der zweiten Söhne, der Adame, machen sich die meisten Welten ernsthaft an die Aufgabe der Rassenreinigung, etwas was die Völker Urantias noch nicht einmal heute ernsthaft in Angriff genommen haben. Dieses Problem der Rassenveredelung ist nicht ein so gewaltiges Unternehmen, wenn es zu dieser frühen Stunde in der menschlichen Evolution angegangen wird. Die vorausgegangene Periode der Stammeskämpfe und des erbitterten Ringens um das Überleben der Rasse hat die meisten abnormen und geschädigten Linien ausgemerzt. Ein Idiot hat in einem primitiven und kriegführenden Stammesverband keine großen Überlebenschancen. Es ist die falsche Gefühlsbetontheit eurer teilweise vervollkommneten Zivilisationen, welche die hoffnungslos schadhaften Linien des evolutionären menschlichen Erbes hegt, beschützt und fortbestehen lässt. Es ist weder Zartgefühl noch Altruismus, degenerierten menschlichen Wesen, unrettbar abnormen und inferioren Sterblichen sinnlose Sympathie zu schenken. Sogar auf den normalsten der evolu-tionären Welten gibt es genug Unterschiede zwischen Einzelnen und zwischen zahlreichen sozialen Gruppen, um den edlen Zügen altruistischen Gefühls und selbstloser menschlicher Hingabe volle Entfaltung zu erlauben, ohne dass man die sozial unfähigen und moralisch degenerierten Linien der sich entwickelnden Menschheit fortbestehen lassen muss. Es gibt reichlich Gelegenheit, sich in Toleranz und Altruismus gegenüber unglücklichen und bedürftigen Wesen zu üben, die ihr sittliches Erbe nicht unwiderruflich vertan und ihr geistiges Geburtsrecht nicht für immer vernichtet haben. ***** 52.3 Der Mensch nach Adam ***** Wenn das evolutionäre Leben nach dem ursprünglichen Anstoß seinen biologischen Lauf genommen hat und der Mensch auf dem Gipfelpunkt seiner tierischen Entwicklung angelangt ist, trifft die zweite Sohnesordnung ein, und es hebt die zweite Dispensation der Gnade und des Dienens an. Das gilt für alle evolutionären Welten. Wenn die höchstmögliche Ebene evolutionären Lebens erreicht ist, wenn der primitive Mensch auf der biologischen Leiter so hoch wie möglich hinaufgeklettert ist, erscheinen auf dem Planeten, ausgesandt vom Systemsouverän, stets ein Materieller Sohn und eine Materielle Tochter. Immer mehr Gedankenjustierer werden an die nachadamischen Menschen ausgeteilt, und in stets wachsender Zahl erwerben diese Sterblichen die Fähigkeit zur späteren Fusion mit dem Justierer. In ihrer Funktion als niedersteigende Söhne besitzen die Adame keine Justierer, aber ihre planetarischen - direkten und gemischten - Nachkommen werden legitime Anwärter auf den Empfang - zu gegebener Zeit - von Unergründlichen Mentoren. Wenn das nachadamische Zeitalter zu Ende geht, ist der Planet im Besitz einer vollen Quote himmlischer Diener; einzig die Fusions-Justierer sind noch nicht universell ausgeteilt worden. Oberstes Ziel der Adamischen Herrschaft ist es, den sich entwickelnden Menschen dahingehend zu beeinflussen, endgültig den Übergang vom Jäger- und Hirtenstadium der Zivilisation zu demjenigen eines Acker- und Gartenbauers zu vollziehen, das dann seinerseits später durch das Erscheinen der städtischen und industriellen Beiträge der Zivilisation ergänzt wird. Zehntausend Jahre dieser Dispensation der biologischen Veredler genügen, um eine wunderbare Verwandlung herbeizuführen. Fünfundzwanzigtausend Jahre dieser auf der gemeinsamen Weisheit des Planetarischen Fürsten und des Materiellen Paares beruhenden Verwaltung lassen die Sphäre normalerweise für das Kommen eines Richtersohnes reif werden. Dieses Zeitalter wird gewöhnlich Zeuge der vollständigen Ausmerzung der Untauglichen und einer noch weitergehenden Reinigung der rassischen Linien; auf normalen Welten sind die verderbten, bestialischen Neigungen aus dem Erbgut der Welt nahezu ausgemerzt worden. Die Adamischen Nachkommen vermischen sich nie mit den niedrigeren Linien der evolutionären Rassen. Ebenso wenig sieht der göttliche Plan vor, dass sich die Planetarischen Adame oder Evas persönlich mit Vertretern evolutionärer Rassen paaren. Dieses Projekt der Rassenveredlung ist Aufgabe ihrer Nachkommen. Aber die Sprosse des Materiellen Paares sind generationenlang mobilisiert, bevor das Programm der Rassenvermischung in Angriff genommen wird. Das Geschenk des Adamischen Lebensplasmas an die sterblichen Rassen hat eine unverzügliche Hebung der intellektuellen Fähigkeiten und eine Beschleunigung des geistigen Fortschritts zur Folge. Gewöhnlich findet auch eine gewisse physische Verbesserung statt. Auf einer durchschnittlichen Welt ist die nach-adamische Dispensation das Zeitalter der großen Erfindungen, der Kontrolle über die Energie und der mechanischen Entwicklung. In dieser Ära erscheinen vielgestaltige Industrien und werden die Naturkräfte gebändigt; es ist das goldene Zeitalter der Erforschung und schließlichen Beherrschung des Planeten. Ein großer Teil des materiellen Fortschritts einer Welt findet während dieser Zeit statt, welche die Entwicklung der physischen Wissenschaften einweiht. Und gerade eine derartige Epoche durchläuft Urantia in diesem Augenblick. Eure Welt hat auf den durchschnittlichen planetarischen Fahrplan einen Rückstand von einer ganzen Dispensation und mehr. Gegen Ende der Adamischen Dispensation sind auf einem normalen Planeten die Rassen praktisch vermischt, so dass wahrhaftig verkündet werden kann, dass "Gott aus allen Nationen ein Blut gemacht hat" und dass sein Sohn "alle Völker eine einzige Farbe hat annehmen lassen". Die Farbe einer solchen Mischrasse hat einen ins Olivgrün spielenden Violettton - das rassische "Weiß" der Sphären. Die primitiven Menschen sind meistens Fleischesser; die Materiellen Söhne und Töchter essen kein Fleisch, aber ihre Abkömmlinge gehen gewöhnlich innerhalb weniger Generationen zur Ebene der Allesesser über, obwohl manchmal ganze Gruppen ihrer Nachkommen sich des Fleischgenusses enthalten. Der doppelte Ursprung der nachadamischen Rassen erklärt, weshalb man in diesen vermischten Menschenfamilien anatomische Überbleibsel findet, die sowohl den pflanzen- wie den fleischfressenden Tiergruppen angehören. Das Resultat von zehntausend Jahren rassischer Durchmischung sind Nachkommen, die verschiedene Grade anatomischer Verschmelzung zeigen, indem einige Linien deutlicher durch ihre nicht fleischessenden Ahnen geprägt sind, während andere die bezeichnenden Züge und physischen Merkmale ihrer karnivoren evolutionären Vorfahren zeigen. Diese Weltrassen werden in ihrer Mehrzahl bald zu Allesessern, indem sie sich von einer großen Auswahl sowohl tierischer als auch pflanzlicher Lebensmittel ernähren. Die nachadamische Epoche ist die Dispensation des Internationalismus. Nachdem die Aufgabe der Rassendurchmischung fast abgeschlossen ist, verblasst der Nationalismus, und die Bruderschaft der Menschen nimmt tatsächlich Gestalt an. Die repräsentative Regierung beginnt die monarchische oder paternalistische Herrschaftsform zu ersetzen. Das Erziehungssystem breitet sich über die ganze Welt aus, und schrittweise weichen die Sprachen der Rassen derjenigen des violetten Volkes. Selten herrschen ganz allgemein Friede und Zusammenarbeit, bevor die Rassen schon recht gut vermischt sind und bevor sie eine gemeinsame Sprache sprechen. In den das nachadamische Zeitalter beschließenden Jahrhunderten entwickelt sich ein neues Interesse für Kunst, Musik und Literatur, und dieses weltweite Erwachen ist das Signal für das Erscheinen eines Richtersohnes. Die krönende Entwicklung dieser Ära ist das universelle Interesse an intellektuellen Realitäten, an wahrer Philosophie. Die Religion wird weniger nationalistisch, sie wird immer mehr zu einer planetarischen Angelegenheit. Neue Wahrheitsoffenbarungen charakterisieren diese Zeiten, und die Allerhöchsten der Konstellatio-nen beginnen, in den Angelegenheiten der Menschen zu regieren. Die Wahrheitsoffenbarung erstreckt sich jetzt bis zur Ebene der Konstellationsverwaltung. Große ethische Fortschritte kennzeichnen diese Ära; das Ziel ihrer Gesellschaft ist die Brüderlichkeit unter den Menschen. Weltweiter Friede - das Aufhören von Rassenkonflikten und nationalen Feindseligkeiten - ist das sichere Zeichen dafür, dass der Planet für das Kommen der dritten Sohnesordnung, für den Richtersohn, reif geworden ist. ***** 52.4 Der Mensch nach dem Richtersohn ***** Wenn dieses Zeitalter auf normalen und loyalen Planeten anhebt, sind die sterblichen Rassen vermischt und biologisch gesund. Es gibt keine Rassen- oder Farbenprobleme mehr; alle Nationen und Rassen sind buchstäblich ein Blut. Brüderlichkeit blüht unter den Menschen, und die Nationen lernen, in Frieden und Ruhe auf der Erde zu leben. Solch eine Welt steht kurz vor einer großen und kulminierenden Entwicklung. Wenn eine evolutionäre Welt in dieser Weise für das Richterzeitalter reif geworden ist, erscheint ein Vertreter der hohen Ordnung der Avonal-Söhne in Richtermission. Der Planetarische Fürst und das Materielle Paar haben ihren Ursprung im Lokaluniversum, aber der Richtersohn entstammt dem Paradies. Wenn die Paradies-Avonale zur Vornahme richterlicher Handlungen - einzig als dispensationelle Richter - auf die Sphären der Menschen kommen, inkarnieren sie sich nie. Aber wenn sie in Richtermission kommen, sind sie - wenigstens während der ersten - immer inkarniert, wobei sie weder durch die Geburt noch durch den Tod der Welt gehen. Auf bestimmten Planeten, wo sie als Herrscher bleiben, können sie während Generationen leben. Wenn ihre Sendung abgeschlossen ist, geben sie ihr planetarisches Leben auf und kehren zu ihrem vormaligen Status göttlicher Söhne zurück. Mit jeder neuen Dispensation dehnt sich der Horizont der offenbarten Religion, und die Richtersöhne weiten die Wahrheitsoffenbarung aus, indem sie die Angelegenheiten des Lokaluniversums und alles dessen, was von ihm abhängt, darstellen. Nach dem ersten Besuch eines Richtersohnes schaffen die Rassen bald ihre wirtschaftliche Befreiung. Das dann zur Sicherung der eigenen Unabhängigkeit erforderliche Tagewerk würde ungefähr zweieinhalb eurer Stunden entsprechen. Es ist vollkommen gefahrlos, solch ethische und intelligente Sterbliche zu befreien. Die derart verfeinerten Völker wissen ihre Freizeit sehr wohl zur eigenen Entfaltung und zum planetarischen Fortschritt zu benutzen. Dieses Zeitalter wohnt einer fortgesetzten Reinigung des rassischen Erbes bei, indem die Fortpflanzung der untauglicheren und schwach begabten Wesen eingeschränkt wird. Politische Regierung und soziale Verwaltung der Rassen verbessern sich stetig, und am Ende dieses Zeitalters hat sich die Selbstregierung recht gut eingebürgert. Unter Selbstregierung verstehen wir die höchste Form repräsentativer Regierung. Solche Welten befördern und ehren nur solche Führer und Lenker, die die größte Eignung zum Tragen von gesellschaftlicher und politischer Verantwortung besitzen. Während dieser Zeit werden die meisten Sterblichen der Welt von Justierern bewohnt. Aber die Vergabe von göttlichen Mentoren ist auch jetzt noch nicht universell. Die Justierer mit Fusionsbestimmung werden noch nicht an alle Sterblichen ausgeteilt; immer noch müssen sich die Willensgeschöpfe für den Empfang eines Unergründlichen Mentors entschließen. Während der diese Dispensation beschließenden Zeitalter beginnt die Gesellschaft, zu einfacheren Lebensformen zurückzufinden. Die komplexe Natur einer fortschreitenden Zivilisation nimmt ihren Lauf, und die Sterblichen lernen, natürlicher und wirksamer zu leben. Und diese Tendenz verstärkt sich mit jeder neuen Epoche. Dies ist das Zeitalter, in dem Kunst, Musik und höheres Studium blühen. Die physischen Wissenschaften sind bereits auf dem Gipfel ihrer Entwicklung angelangt. Auf einer idealen Welt geschieht am Ende dieses Zeitalters ein großes religiöses Erwachen in seiner ganzen Fülle, eine die ganze Welt erfassende geistige Erleuchtung. Und dieses allgemeine Erwachen der geistigen Naturen der Rassen gibt das Signal für die Ankunft des Sohnes der Selbsthingabe und für die Eröffnung der fünften menschlichen Epoche. Auf vielen Welten stellt es sich heraus, dass der Planet nach einer einzigen Richtermission für den Empfang eines Sohnes der Selbsthingabe noch nicht bereit ist; in diesem Fall wird es einen zweiten oder sogar eine ganze Abfolge von Richtersöhnen geben, und jeder von ihnen wird die Rassen von einer Dispensation zur nächsten vorwärtsbringen, bis der Planet für die Gabe eines Sohnes der Selbsthingabe reif ist. In der zweiten und den folgenden Sendungen inkarnieren sich die Richtersöhne, oder auch nicht. Aber gleichviel, wie mancher Richtersohn erscheint - sie können als solche auch nach dem Sohn der Selbsthingabe kommen - das Kommen eines jeden von ihnen bedeutet das Ende einer Dispensation und den Beginn einer neuen. Die Dauer der Dispensationen der Richtersöhne beträgt zwischen fünfundzwanzig-und fünfzigtausend Jahren urantianischer Zeit. Manchmal ist eine solche Epoche viel kürzer oder in seltenen Fällen sogar länger. Aber wenn die Zeit reif ist, wird einer dieser selben Richtersöhne als Paradies-Sohn der Selbsthingabe geboren. ***** 52.5 Der Mensch nach der Selbsthingabe ***** Wenn auf einer bewohnten Welt eine gewisse Stufe intellektueller und geistiger Entwicklung erreicht worden ist, trifft immer ein Paradies-Sohn der Selbsthingabe ein. Auf normalen Welten inkarniert er sich nicht, bevor die Rassen zu den höchsten Stufen intellektueller Entwicklung und ethischer Verwirklichung aufgestiegen sind, aber auf Urantia ist der Sohn der Selbsthingabe, sogar euer eigener Schöpfersohn, am Ende der Adamischen Dispensation erschienen; das ist indessen nicht die übliche Reihenfolge, in der sich die Ereignisse auf einer Welt des Raums abspielen. Wenn die Welten für die Vergeistigung reif geworden sind, trifft der Sohn der Selbsthingabe ein. Diese Söhne gehören immer der Richter- oder Avonalsordnung an außer in dem in jedem Lokaluniversum nur einmal eintretenden Falle, dass sich der Schöpfersohn zu seiner letzten Selbsthingabe auf einer evolutionären Welt anschickt, wie es geschah, als Michael von Nebadon auf Urantia erschien, um sich an eure sterblichen Rassen hinzugeben. Nur eine von nahezu zehn Millionen Welten kann sich einer solchen Gabe erfreuen; alle anderen Welten werden geistig durch die Selbsthingaben der der Ordnung der Avonale angehörenden Paradies-Söhne gefördert. Der Sohn der Selbsthingabe kommt auf einer Welt mit hoher Erziehungskultur an und trifft auf eine geistig geschulte Rasse, die darauf vorbereitet ist, sich fortgeschrittene Lehren zu Eigen zu machen und die Sendung der Selbsthingabe zu würdigen. Besonderes Merkmal dieses Zeitalters ist die weltweite Pflege sittlicher Kultur und Beschäftigung mit geistiger Wahrheit. Die Sterblichen dieser Dispensation widmen sich mit Leidenschaft dem Eindringen in die kosmische Realität und der Verbindung mit der geistigen Realität. Die erweiterten Wahrheitsoffenbarungen beziehen jetzt auch das Superuniversum mit ein. Es entstehen völlig neue Erziehungs- und Regierungssysteme, die an die Stelle der rohen Einrichtungen früherer Zeiten treten. Die Lebensfreude wird um neue Farben reicher, und die Lebensreaktionen erreichen himmlische Höhen des Klangs und Timbres. Der Sohn der Selbsthingabe lebt und stirbt zur geistigen Erhebung der sterblichen Rassen einer Welt. Er eröffnet den "neuen und lebendigen Weg"; sein Leben ist die Fleischwerdung der Wahrheit des Paradieses in Menschengestalt, nämlich jener Wahrheit - eben jenes Geistes der Wahrheit - dessen Kenntnis den Menschen befreien soll. Auf Urantia war die Eröffnung dieses "neuen und lebendigen Weges" ebenso sehr ein Tatsachen- wie ein Wahrheitsereignis. Die Isolierung Urantias durch die Rebellion Luzifers hatte für die Sterblichen die Möglichkeit, nach dem Tod direkt zu den Gestaden der Residenzwelten hinüberzugehen, unterbrochen. Vor den Tagen von Christus Michael schliefen alle verstorbenen Seelen weiter bis zu den Dispensationsauferstehungen oder bis zu den besonderen Millenniumsauferstehungen. Nicht einmal Moses wurde gestattet hinüberzugehen, bis sich die Gelegenheit einer Spezialauferstehung bot, da sich der gefallene Fürst, Caligastia, einer solchen Befreiung widersetzte. Aber seit dem Pfingsttag können die Sterblichen Urantias wieder direkt auf die morontiellen Sphären weitergehen. Nach seiner Auferstehung - am dritten Tag nach Ablegen seines irdischen Lebens - steigt der Sohn der Selbsthingabe zur Rechten des Universalen Vaters auf, erhält die Bestätigung, dass seine Mission der Selbsthingabe angenommen wurde, und kehrt zum Schöpfersohn auf den Hauptsitz des Lokal-universums zurück. Daraufhin senden der Avonal der Selbsthingabe und der Schöpfer-Michael ihren gemeinsamen Geist in die Welt der Selbsthingabe, den Geist der Wahrheit. Das ist das Ereignis, wenn der "Geist des siegreichen Sohnes über Leib und Seelen ausgegossen wird". Auch der Muttergeist des Universums nimmt an dieser Verleihung des Geistes teil, und gleichzeitig ergeht der Erlass der Austeilung der Gedankenjustierer. Von jetzt an werden auf dieser Welt alle Willensgeschöpfe mit normalem Verstand Justierer empfangen, sobald sie das Alter sittlicher Verantwortung, geistiger Wahl, erreicht haben. Sollte ein solcher Avonal nach seiner Sendung der Selbsthingabe auf die Welt zurückkehren, würde er sich nicht inkarnieren, sondern käme "in Herrlichkeit mit den seraphischen Heerscharen". Das auf den Sohn der Selbsthingabe folgende Zeitalter kann zehn- bis hunderttausend Jahre lang dauern. Keiner von diesen Dispensationsepochen ist eine willkürliche Zeit zugemessen. Das ist eine Epoche großen ethischen und geistigen Fortschritts. Unter dem geistigen Einfluss dieser Zeitalter macht der menschliche Charakter ungeheure Verwandlungen durch und erfährt eine staunenswerte Entwicklung. Es wird möglich, die goldene Regel praktisch wirksam werden zu lassen. Jesu Lehren können auf einer Welt von Sterblichen wirklich angewandt werden, die bereits in den Genuss der vorbereitenden Schulung durch die der Selbsthingabe vorausgehenden Söhne und deren Dispensationen der Charakterveredlung und des Kulturwachstums gekommen ist. In dieser Ära sind die Probleme von Krankheit und Delinquenz praktisch gelöst. Degeneration ist dank selektiver Fortpflanzung schon weitgehend ausgeschaltet worden. Krankheit ist praktisch überwunden worden dank den hochwiderstandsfähigen Eigenschaften der Adamischen Linien und aufgrund der intelligenten und weltweiten Anwendung der in früheren Epochen gemachten Entdeckungen der physischen Wissenschaften. Die mittlere Lebensdauer steigt während dieser Periode auf weit über dreihundert Jahre urantianischer Zeit an. Im Laufe dieser Epoche bildet sich die Regierungsüberwachung schrittweise zurück. Wahre Selbstregierung beginnt zu funktionieren; immer weniger einschränkende Gesetze sind nötig. Die militärischen Zweige des nationalen Widerstandswesens verschwinden, und die Ära internationaler Harmonie bricht wirklich an. Es gibt, meist bedingt durch die geographische Lage, viele Nationen, aber nur eine Rasse, eine Sprache und eine Religion. Die menschlichen Angelegenheiten befinden sich fast, wenn auch nicht ganz, in einem Idealzustand. Es ist wirklich ein großartiges und glorreiches Zeitalter! ***** 52.6 Das auf die Selbsthingabe folgende Zeitalter Urantias ***** Der Sohn der Selbsthingabe ist der Friedefürst. Er bringt die Botschaft: "Friede auf Erden und guter Wille unter den Menschen". Auf normalen Welten ist dies eine Dispensation weltweiten Friedens; die Nationen erlernen das Kriegshandwerk nicht mehr. Aber das Kommen eures Sohnes der Selbsthingabe Christus Michael war nicht von solch heilsamen Einflüssen begleitet. Urantia folgt nicht der normalen Ordnung. Eure Welt ist in der planetarischen Prozession aus dem Schritt gefallen. Als euer Meister auf Erden weilte, wies er seine Jünger darauf hin, dass sein Kommen Urantia nicht die übliche Friedensherrschaft bescheren würde. Er sagte ihnen ausdrücklich, dass es "Kriege und Kriegsgerüchte" geben und sich eine Nation gegen die andere erheben werde. Ein andermal sagte er: "Denkt nicht, ich sei gekommen, um auf Erden Frieden zu bringen". Sogar auf normalen evolutionären Welten ist die Verwirklichung der weltweiten Bruderschaft kein leichtes Ding. Auf einem durcheinander geratenen und gestörten Planeten wie Urantia braucht ein solches Unterfangen viel mehr Zeit und verlangt viel größere Anstrengungen. Auf einer geistig isolierten Sphäre kann die gesellschaftliche Evolution ohne Hilfe schwerlich zu solch glücklichen Ergebnissen führen. Religiöse Offenbarung ist zur Verwirklichung der Brüderlichkeit auf Urantia unerlässlich. Wohl hat Jesus den Weg zur sofortigen Verwirklichung der geistigen Bruderschaft gewiesen, aber die Herbeiführung der sozialen Bruderschaft auf eurer Welt hängt stark von der Erzielung folgender persönlicher Verwandlungen und planetarischer Einstimmungen ab: 1. Soziale Verbrüderung. Vervielfachung sozialer Kontakte und brüderlicher Zusammenschlüsse zwischen Nationen und Rassen durch Reisen, Handel und Wettspiele. Entwicklung einer gemeinsamen Sprache und starke Zunahme vielsprachiger Personen. Austausch von Studenten, Lehrern, Industriellen und Religionsphilosophen zwischen den Rassen und Nationen. 2. Gegenseitige intellektuelle Befruchtung. Brüderlichkeit ist unmöglich auf einer Welt, deren Bewohner so primitiv sind, dass sie die Torheit ungezügelter Selbstsucht nicht einsehen. Es muss einen Austausch von nationaler und rassischer Literatur geben. Jede Rasse muss mit dem Gedankengut jeder anderen Rasse vertraut werden; jede Nation muss wissen, wie alle anderen Nationen fühlen. Unwissenheit fördert Argwohn, und Argwohn ist unvereinbar mit einer Grundhaltung aus Sympathie und Liebe. 3. Ethisches Erwachen. Nur ein ethisches Bewusstsein kann die sittliche Verwerflichkeit menschlicher Intoleranz und die Sünde brudermörderischen Kampfes entlarven. Nur ein sittliches Bewusstsein vermag die Übel nationalen Neides und rassischer Eifersucht zu verurteilen. Nur sittliche Wesen werden je nach jener geistigen inneren Schau streben, ohne welche die goldene Regel nicht gelebt werden kann. 4. Politische Weisheit. Emotionale Reife ist unabdingbar zur Selbstbeherrschung. Einzig emotionale Reife wird erlauben, internationale Techniken zivilisierter Urteilsfindung an die Stelle barbarischer Kriegswillkür zu setzen. Weise Staatsmänner werden dereinst auch am Wohl der Menschheit arbeiten, während sie die Interessen ihrer nationalen oder rassischen Gruppen fördern. Egoistischer politischer Scharfsinn ist letztlich selbstmörderisch - wirkt sich zerstörerisch auf all jene dauerhaften Eigenschaften aus, die das Überleben der planetarischen Gruppen sicherstellen. 5. Geistige Erkenntnis. Letztenendes beruht die Bruderschaft der Menschen auf der Anerkennung der Vaterschaft Gottes. Der schnellste Weg zur Verwirklichung der Brüderlichkeit unter den Menschen Urantias führt über die geistige Verwandlung der gegenwärtigen Menschheit. Die einzige Technik zur Beschleunigung der natürlichen Tendenz gesellschaftlicher Entwicklung besteht in der Ausübung geistigen Drucks von oben, wodurch die sittliche Erkenntnis zunimmt und die seelische Fähigkeit jedes Sterblichen, jeden anderen Sterblichen zu verstehen und zu lieben, wächst. Gegenseitiges Verstehen und brüderliche Liebe sind transzendente Zivilisatoren und mächtige Faktoren bei der weltweiten Verwirklichung menschlicher Brüderlichkeit. Wenn ihr von eurer rückständigen und wirren Welt auf einen normalen Planeten des auf den Sohn der Selbsthingabe folgenden Zeitalters verpflanzt werden könntet, würdet ihr euch in den Himmel eurer Überlieferung versetzt wähnen. Ihr könntet kaum glauben, das normale evolutionäre Funktionieren einer von Menschen bewohnten Sphäre zu beobachten. Diese Welten sind in die geistigen Kreisläufe ihrer Reiche eingeschaltet und erfreuen sich aller Vorteile des universellen Meldewesens und der Reflexivitätsdienste des Superuniversums. ***** 52.7 Der Mensch nach den Lehrersöhnen ***** Die Söhne, die als nächste auf einer durchschnittlichen evolutionären Welt eintreffen, gehören der Ordnung der Lehrersöhne der Trinität an - es sind die göttlichen Söhne der Paradies-Trinität. Wiederum stellen wir fest, dass Urantia unter seinen Schwestersphären insofern eine Ausnahme bildet, als euer Jesus seine Rückkehr versprochen hat. Er wird sich mit Sicherheit an dieses Versprechen halten, aber niemand weiß, ob sein zweites Kommen auf Urantia vor oder nach dem Erscheinen der Richter- und Lehrersöhne stattfinden wird. Die Lehrersöhne kommen in Gruppen auf die sich vergeistigenden Welten. Ein planetarischer Lehrersohn wird assistiert und unterstützt von siebzig primären Söhnen, zwölf sekundären Söhnen und drei der höchsten und erfahrensten Mitglieder der obersten Ordnung der Daynale. Dieses Korps bleibt einige Zeit auf der Welt, lange genug, um den Übergang von den evolutionären Zeitaltern zur Ära des Lichts und Lebens herbeizuführen - nicht weniger als tausend Jahre planetarischer Zeit und oftmals beträchtlich länger. Diese Mission ist ein Beitrag der Trinität zu den vorausgegangenen Bemühungen aller göttlichen Persönlichkeiten, die auf einer bewohnten Welt gedient haben. Die Offenbarung der Wahrheit wird jetzt auf das Zentraluniversum und das Paradies ausgedehnt. Die Rassen werden hochgeistig. Ein großes Volk hat sich entwickelt, und ein großes Zeitalter naht. Die Erziehungs-, Wirtschafts- und Verwaltungssysteme des Planeten werden radikal umgewandelt. Neue Werte und Beziehungen bekommen Geltung. Das Himmelreich erscheint auf Erden, und Gottes Herrlichkeit verbreitet sich über die ganze Welt. Das ist die Dispensation, in der viele Menschen direkt aus den Reihen der Lebenden entrückt werden. Im Verlauf der Ära der Lehrersöhne der Trinität wird die Bindung der Sterblichen der Zeit an den Geist immer allgemeiner. Der natürliche Tod tritt weniger häufig ein, da die Justierer in wachsender Zahl schon während des irdischen Lebens mit ihren Schutzbefohlenen fusionieren. Der Planet wird schließlich der Klasse der primären modifizierten Aufstiegsart der Sterblichen zugerechnet. Das Leben in dieser Ära ist angenehm und bereichernd. Degeneration und die gesellschaftsfeindlichen Endprodukte des langen evolutionären Kampfes sind praktisch verschwunden. Die Lebensdauer nähert sich fünfhundert Jahren Urantias, und das Wachstum der Rasse wird durch intelligente Kontrolle des Fortpflanzungsrhythmus gesteuert. Eine völlig neue Gesellschaftsordnung hat Einzug gehalten. Unter den Sterblichen gibt es immer noch große Unterschiede, aber der Zustand der Gesellschaft kommt den Idealen sozialer Brüderlichkeit und geistiger Gleichheit näher. Die repräsentative Regierung bildet sich zurück, und die Welt geht zur Herrschaftsform individueller Selbstkontrolle über. Das Regieren verlagert sich hauptsächlich auf kollektive Aufgaben sozialer Verwaltung und wirtschaftlicher Koordination. Zusehends naht das goldene Zeitalter; das zeitliche Ziel des langen und intensiven planetarischen Evolutionskampfes kommt in Sicht. Bald wird die Belohnung der Zeitalter eintreten; die Weisheit der Götter ist im Begriff, offenbar zu werden In einer Welt dieses Zeitalters beansprucht die physische Versorgung jedes erwachsene Wesen täglich etwa eine Stunde - eine Stunde Urantias. Der Planet steht in enger Berührung mit den Universumsangelegenheiten, und seine Bewohner verfolgen die letzten Fernmeldungen mit einem ebenso wachen Interesse, wie ihr es jetzt gegenüber den letzten Ausgaben eurer Tageszeitungen bekundet. Diese Rassen sind mit tausend auf Urantia unbekannten Dingen beschäftigt. Immer stärker wächst wahre planetarische Ergebenheit dem Supremen Wesen gegenüber. Mit jeder neuen Generation verstärken sich in der Rasse die Reihen derer, die Gerechtigkeit üben und Barmherzigkeit leben. Langsam aber sicher wird die Welt für den fröhlichen Dienst an den Söhnen Gottes gewonnen. Die physischen Schwierigkeiten und materiellen Probleme sind weitgehend gelöst worden; der Planet reift einem fortgeschrittenen Leben und einer gefestigteren Existenz entgegen. Während der Dauer ihrer Dispensation kommen von Zeit zu Zeit immer wieder Lehrersöhne auf diese friedlichen Welten. Sie verlassen eine Welt nicht, bevor sie feststellen, dass der evolutionäre Plan, soweit er diesen Planeten betrifft, reibungslos arbeitet. Ein Richtersohn in Gerichtsfunktion begleitet die Lehrersöhne üblicherweise auf ihren aufeinander folgenden Missionen, während ein anderer Richtersohn zum Zeitpunkt ihres Weggangs amtet, und diese Gerichtshandlungen setzen sich von Zeitalter zu Zeitalter fort, solange die sterbliche Ordnung von Zeit und Raum dauert. Mit jeder neuen Mission der Lehrersöhne der Trinität wird solch eine himmlische Welt schrittweise auf immer größere Höhen von Weisheit, Geistigkeit und kosmischer Erleuchtung gehoben. Aber die edlen Einheimischen einer solchen Sphäre sind immer noch endlich und sterblich. Noch ist nichts vollkommen; nichtsdestoweniger entwickelt sich eine Qualität von Beinah-Vollkommenheit in der Funktionsweise einer unvollkommenen Welt und im Leben ihrer menschlichen Bewohner. Die Lehrersöhne der Trinität kehren unter Umständen viele Male auf dieselbe Welt zurück. Aber in Verbindung mit dem Ende einer ihrer Sendungen wird der Planetarische Fürst früher oder später in die Stellung eines Planetarischen Souveräns erhoben und erscheint der Systemsouverän, um den Eintritt der Welt in die Ära des Lichts und Lebens zu verkünden. Es handelte sich um den Abschluss der letzten Sendung der Lehrersöhne (wenigstens wäre dies die zeitliche Folge auf einer normalen Welt), als Johannes schrieb: "Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde und ich sah das neue Jerusalem von Gott her aus dem Himmel herabkommen, und es glich einer Prinzessin, die sich für den Prinzen geschmückt hat." Das ist dieselbe erneuerte Erde, jenes vorgerückte planetarische Stadium, das der Seher von einst in einer Vision erblickte und so beschrieb: "`Denn ebenso sicher, wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich machen werde, vor mir Bestand haben werden, sollt ihr und eure Kinder fortleben; und es wird geschehen, dass mich alles Fleisch von einem Neumond zum anderen und von einem Sabbat zum anderen anbeten wird', spricht der Herr." Es sind die Sterblichen eines solchen Zeitalters, welche beschrieben werden als "eine auserwählte Generation, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein verherrlichtes Volk; und ihr sollt das Lob Dessen verkündigen, der euch aus der Dunkelheit in dieses wunderbare Licht gerufen hat." Welcher Art die besondere Entwicklungsgeschichte eines einzelnen Planeten auch sein mag, und ganz gleich, ob eine Welt völlig loyal oder der Schlechtigkeit ausgesetzt gewesen ist oder gar den Fluch der Sünde ertragen hat - die Vorgeschichte spielt keine Rolle - so werden die Gnade Gottes und das Wirken der Engel früher oder später den Tag herbeiführen, da die Lehrersöhne der Trinität erscheinen werden; und ihr Weggang nach Erfüllung ihrer letzten Sendung wird die großartige Ära des Lichts und Lebens eröffnen. Alle Welten Satanias können die Hoffnung dessen teilen, der geschrieben hat: "Trotzdem erwarten wir gemäß Seinem Versprechen einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnen wird. Weil ihr das erwartet, liebe Brüder, sollt ihr euch darum bemühen, von Ihm in Frieden, ohne Makel und ohne Tadel gefunden zu werden." Die Abreise des Korps der Lehrersöhne am Ende ihrer ersten oder einer folgenden Regierungszeit lässt die Ära des Lichts und Lebens heraufdämmern - die Schwelle des Übergangs von der Zeit in die Vorhalle der Ewigkeit. Die planetarische Verwirklichung dieser Ära des Lichts und Lebens übertrifft bei weitem die kühnsten Erwartungen jener Sterblichen Urantias, die in ihrer Vorstellung nicht über das hinausgegangen sind, was religiöse Anschauungen enthalten, welche den Himmel als unmittelbare Bestimmung und endgültige Wohnstätte der fortlebenden Sterblichen beschreiben. [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter, der vorübergehend dem Mitarbeiterstab Gabriels angehört.] ****** Kapitel 53 Die Rebellion Luzifers ****** LUZIFER war ein strahlender primärer Lanonandek-Sohn von Nebadon. Er hatte in vielen Systemen gedient und Erfahrungen gesammelt, war seiner Gruppe ein hoher Ratgeber gewesen und hatte sich durch Weisheit, Scharfsinn und Effizienz ausgezeichnet. Luzifer war die Nummer 37 seiner Ordnung, und als die Melchisedeks ihm einen Auftrag erteilten, wurde er unter mehr als siebenhunderttausend seiner Art als eine der hundert fähigsten und glänzendsten Persönlichkeiten bezeichnet. Nach einem so großartigen Anfang fiel er in Irrtum und übles Tun und verschrieb sich schließlich der Sünde. Er gehört jetzt zu den drei Systemsouveränen Nebadons, die der Selbstsucht erlagen und sich dem Trugschluss falschverstandener persönlicher Freiheit hingaben - Ablehnung der Treue gegenüber dem Universum und Missachtung brüderlicher Pflichten, Blindheit für kosmische Beziehungen. Im Universum von Nebadon, dem Reich von Christus Michael, gibt es zehntausend Systeme bewohnter Welten. In der ganzen Geschichte der Lanonandek-Söhne, in all ihrem Wirken in diesen Tausenden von Systemen und am Hauptsitz des Universums haben sich im Ganzen nur drei Systemsouveräne gefunden, die die Herrschaft des Schöpfersohnes missachtet haben. ***** 53.1 Die Anführer der Rebellion ***** Luzifer war kein aufsteigendes Wesen; er war ein erschaffener Sohn des Lokaluniversums, und man sagte von ihm: "Du warst vollkommen in all deinem Tun vom Tage deiner Erschaffung an, bis in dir Unredlichkeit gefunden wurde." Viele Male hatte er sich mit den Allerhöchsten Edentias beraten. Luzifer regierte "auf dem heiligen Berg Gottes", dem Verwaltungsberg Jerusems, denn er war der Regierungschef eines großen Systems von 607 bewohnten Welten. Luzifer war ein wunderbares Wesen, eine blendende Persönlichkeit; an Universumsautorität kam er direkt nach den Allerhöchsten Vätern der Konstellation. Trotz Luzifers Vergehen verbaten es sich untergeordnete Intelligenzen vor Michaels Selbsthingabe auf Urantia, ihm mit mangelndem Respekt oder Verachtung zu begegnen. Nicht einmal der Erzengel Michaels erhob bei Mose Auferstehung "gegen ihn verurteilende Anklage, sondern sagte nur: `Der Richter tadelt dich.' " In solchen Angelegenheiten steht die Urteilsfällung den Ältesten der Tage, den Herrschern des Superuniversums, zu. Luzifer ist jetzt der gefallene und abgesetzte Souverän von Satania. Selbstbespiegelung ist verheerend, sogar für glorreiche Persönlichkeiten der himmlischen Welt. Von Luzifer wurde gesagt: "Dein Herz schlug höher wegen deiner Schönheit; du hast deinem Glanz erlaubt, deine Weisheit zu verderben." Euer einstiger Prophet erkannte seinen traurigen Zustand, als er schrieb: "Wie bist du doch vom Himmel herabgestürzt, oh Luzifer, Sohn des Morgens! Wie niedergeschmettert bist du, der du es wagtest, die Welten in Verwirrung zu stürzen!" Man hat auf Urantia kaum etwas von Luzifer gehört, weil er seinen ersten Leutnant, Satan, damit betraute, seine Sache auf eurem Planeten zu vertreten. Satan gehörte derselben primären Gruppe der Lanonandeks an, aber er hatte nie das Amt eines Systemsouveräns ausgeübt. Er stellte sich rückhaltlos hinter den luziferischen Aufstand. Der "Teufel" ist niemand anders als Caligastia, der abgesetzte Planetarische Fürst Urantias, ein zu der sekundären Ordnung der Lanonandeks gehörender Sohn. Als Michael in Menschengestalt auf Urantia weilte, trachteten Luzifer, Satan und Caligastia im Bunde danach, seine Sendung der Selbsthingabe zum Scheitern zu bringen. Aber sie unterlagen schmählich. Abaddon war das Oberhaupt von Caligastias Stab. Er folgte seinem Meister in die Rebellion und hat seither stets als regierendes Oberhaupt der Rebellen Urantias gewirkt. Belzebub war der Führer der abgefallenen Mittler-Geschöpfe, die sich mit den Kräften des verräterischen Caligastia verbündeten. Der Drache wurde schließlich zum bildlichen Symbol all dieser üblen Geschöpfe. Nach Michaels Triumph "stieg Gabriel von Salvington herunter und band den Drachen (alle Rebellenführer) für ein Zeitalter". Von den seraphischen Rebellen Jerusems steht geschrieben: "Und die Engel, die ihren Rang missachtet und ihren Wohnsitz verlassen haben, hat er in der Finsternis an sichere Ketten gelegt, wo sie dem großen Tag des Gerichts entgegensehen." ***** 53.2 Die Ursachen der Rebellion ***** Luzifer und seine rechte Hand, Satan, hatten in Jerusem seit über fünfhunderttausend Jahren regiert, als sie in ihren Herzen gegen den Universalen Vater und seinen damals noch stellvertretenden Sohn Michael aufzubegehren begannen. Im System von Satania herrschten keine besonderen Umstände, die eine Rebellion hätten nahelegen oder begünstigen können. Wir sind der festen Meinung, dass die Idee dem Gemüt Luzifers entsprang und darin Gestalt annahm und dass er eine solche Rebellion auch an jedem anderen Aufenthaltsort hätte anzetteln können. Zuerst weihte Luzifer Satan in seine Pläne ein, aber er brauchte mehrere Monate, um das Gemüt seines fähigen und blendenden Mitarbeiters zu verderben. Aber nachdem dieser einmal zu den Rebellentheorien bekehrt war, wurde er ein kühner und überzeugter Verfechter der "Selbstherrlichkeit und Freiheit". Nie hat irgendjemand Luzifer den Gedanken an Rebellion eingeflüstert. Die Idee der Selbstherrlichkeit im Widerspruch zum Willen Michaels und zu den Plänen des Universalen Vaters, wie sie von Michael vertreten werden, ist in seinem eigenen Herzen entstanden. Seine Beziehungen zum Schöpfersohn waren immer innig und herzlich gewesen. Zu keinem Zeitpunkt vor der Verherrlichung seiner eigenen Denkweise hatte er offen an der Universumsverwaltung Kritik geübt. Aber trotz Luzifers Verschwiegenheit hatte der Einiger der Tage Salvingtons Uversa während über hundert Jahren Standardzeit auf reflexivem Wege wissen lassen, dass in Luzifers Gemüt nicht alles im Frieden sei. Diese Information ging auch an den Schöpfersohn und an die Konstellationsväter von Norlatiadek. Während dieser ganzen Zeit wurde Luzifers Einstellung zum gesamten Plan der Universumsverwaltung immer kritischer, aber er hielt immer treu zu den Höchsten Herrschern. Sein erster offener Treuebruch ereignete sich anlässlich eines Besuchs von Gabriel auf Jerusem nur wenige Tage vor der öffentlichen Proklamation der Freiheitserklärung Luzifers. Die Gewissheit einer kurz bevorstehenden Auflehnung beeindruckte Gabriel so sehr, dass er sich direkt nach Edentia begab, um sich mit den Konstellationsvätern über die im Falle einer offenen Rebellion zu ergreifenden Maßnahmen zu beraten. Es ist sehr schwierig, genau Grund oder Gründe einer Entwicklung auszumachen, die schließlich in der Rebellion Luzifers gipfelte. Wir sind uns nur dieser einen Sache sicher: Welcher Art auch immer diese Anfänge waren, sie entsprangen Luzifers Gemüt. Es muss in ihm ein Eigendünkel gelebt haben, der sich selbst unterhielt bis zu dem Punkt, wo Luzifer der Selbsttäuschung erlag, so dass er sich eine Zeitlang wirklich einredete, sein Projekt eines Aufstandes gereiche dem System, wenn nicht dem ganzen Universum, tatsächlich zum Besten. Zu der Zeit, als seine Pläne zur Ernüchterung geführt hatten, war er ohne Zweifel in seinem ursprünglichen, Unheil stiftenden Hochmut bereits zu weit gegangen, um noch anhalten zu können. An einem bestimmten Punkt seiner Erfahrung wurde er unaufrichtig, und das Übel ging in entschiedene und vorsätzliche Sünde über. Den Beweis dafür liefert das spätere Verhalten dieses brillanten Verwalters. Lange wurde ihm Gelegenheit zur Reue gegeben, aber nur einige seiner Untergebenen nahmen die angebotene Barmherzigkeit an. Auf Ersuchen der Konstellationsväter stellte der Getreue der Tage Edentias persönlich Michaels Plan zur Errettung der schamlosen Aufrührer vor, aber immer wieder wurde das Erbarmen des Schöpfersohnes zurückgewiesen, und zwar jedes Mal mit größerer Geringschätzung und Verachtung. ***** 53.3 Luzifers Manifest ***** Welcher Art die allerersten Anfänge der Probleme in Luzifers und Satans Herzen auch sein mochten, so nahmen sie in der Freiheitserklärung Luzifers endgültige Gestalt an. Die Sache der Rebellen wurde unter drei Hauptpunkten vorgestellt: 1. Die Realität des Universalen Vaters. Luzifer erhob die Beschuldigung, der Universale Vater existiere nicht wirklich, physische Gravitation und Raum-Energie lägen im Wesen des Universums und der Vater sei ein von den Paradies-Söhnen erfundener Mythos, um sie instand zu setzen, in des Vaters Namen über die Universen zu herrschen. Er stellte in Abrede, dass die Persönlichkeit eine Gabe des Universalen Vaters ist. Er ließ sogar durchblicken, die Finalisten steckten mit den Paradies- Söhnen unter einer Decke, um die ganze Schöpfung an der Nase herumzuführen, da sie nie mit einer sehr klaren Vorstellung von der wirklichen Persönlichkeit des Vaters, wie sie im Paradies wahrgenommen wird, von dort zurückgekehrt seien. Er behandelte Ehrfurcht als Unwissenheit. Die Anklage war radikal, entsetzlich und gotteslästerlich. Es war ohne Zweifel dieser verhüllte Angriff auf die Finalisten, der die damaligen aufsteigenden Bürger Jerusems bewog, festzubleiben und allen Angeboten der Rebellen standhaft zu widerstehen. 2. Die Universumsregierung des Schöpfersohnes - Michaels. Luzifer trat dafür ein, dass die Lokalsysteme autonom sein sollten. Er erhob Einspruch gegen das Recht Michaels, des Schöpfersohnes, im Namen eines hypothetischen Paradies-Vaters die Souveränität über Nebadon auszuüben und von allen Persönlichkeiten zu verlangen, diesem unsichtbaren Vater ihre Treue zu erklären. Er behauptete, der ganze Plan der Anbetung sei eine schlaue Vorkehrung zur Erhöhung der Paradies-Söhne. Er war zwar willens, Michael als seinen Schöpfer-Vater anzuerkennen, nicht aber als seinen Gott und rechtmäßigen Herrscher. Mit äußerster Schärfe griff er das Recht der Ältesten der Tage - fremder Potentaten - an, sich in die Angelegenheiten der Lokalsysteme und Lokaluniversen einzumischen. Er brandmarkte diese Herrscher als Tyrannen und Usurpatoren. Er forderte seine Gefolgsleute auf zu glauben, dass keiner dieser Herrscher sich im Mindesten dem Funktionieren einer völlig eigenständigen Herrschaft widersetzen könnte, wenn Menschen und Engel bloß den Mut aufbrächten, ihren Willen geltend zu machen und kühn auf ihre Rechte zu pochen. Er behauptete, dass die Vollstrecker der Ältesten der Tage an ihrem Wirken in den Lokalsystemen gehindert werden könnten, wenn die Einheimischen nur auf ihrer Unabhängigkeit bestehen würden. Er verfocht die Meinung, dass die Persönlichkeiten des Lokalsystems von Natur aus unsterblich seien, dass die Auferstehung natürlich und automatisch geschehe und alle Wesen ewig weiterleben würden, wäre da nicht das willkürliche und ungerechte Handeln der Vollstrecker der Ältesten der Tage. 3. Der Angriff auf den universellen Ausbildungsplan für die sterblichen Aufsteiger. Luzifer beharrte darauf, dass viel zu viel Zeit und Energie an den Plan verschwendet werde, die aufsteigenden Sterblichen so gründlich in den Prinzipien universeller Verwaltung auszubilden, Prinzipien, die ihm zufolge angeblich unethisch und ungesund waren. Er protestierte gegen das äonenlange Programm, das die Sterblichen des Raums auf irgendeine unbekannte Bestimmung vorbereite, und zog die Anwesenheit des Finalistenkorps auf Jerusem zum Beweis dafür heran, dass diese Sterblichen ganze Zeitalter damit vertan hätten, sich auf eine rein fiktive Bestimmung vorzubereiten. Höhnisch wies er darauf hin, den Finalisten sei kein glorreicheres Schicksal widerfahren, als auf ebenso geringe Sphären wie diejenigen ihres Ursprungs zurückgeschickt zu werden. Er gab zu verstehen, sie seien durch allzu viel Disziplin und fortgesetzte Schulung verdorben worden und in Wahrheit an ihren sterblichen Genossen zu Verrätern geworden, da sie jetzt an dem Plan mitarbeiteten, die ganze Schöpfung zu versklaven, indem sie eine den aufsteigenden Sterblichen vorbehaltene, mythische ewige Bestimmung vorspiegelten. Er trat dafür ein, dass die Aufsteiger die Freiheit genießen sollten, frei über sich selbst zu verfügen. Den gesamten von den Paradies-Söhnen Gottes geförderten und vom Unendlichen Geist getragenen Plan für den Aufstieg der Sterblichen focht er an und verurteilte er. Mit einer so gearteten Freiheitserklärung löste Luzifer seine Orgie der Finsternis und des Todes aus. ***** 53.4 Ausbruch der Rebellion ***** Das Manifest Luzifers wurde an der Jahreszusammenkunft Satanias auf dem Glasmeer am letzten Tag des Jahres etwa vor zweihunderttausend Jahren urantianischer Zeit in Gegenwart der versammelten Scharen Jerusems proklamiert. Satan verkündete, dass die universellen Kräfte - physische, intellektuelle und geistige - wohl verehrt werden dürften, dass aber Treue einzig dem wirklichen und gegenwärtigen Herrscher, Luzifer, dem "Freund der Menschen und Engel" und "Gott der Freiheit", geschuldet sei. Selbstherrlichkeit war der Schlachtruf der Rebellion Luzifers. Eines seiner Hauptargumente lautete, dass wenn Selbstverwaltung für die Melchisedeks und andere Gruppen gut und recht war, sie auch für alle anderen Intelligenzordnungen gut sei. Kühn machte er sich unablässig zum Anwalt der "Gleichheit des Verstandes" und der "Bruderschaft der Intelligenz". Er pochte darauf, dass alle Regierung sich auf die lokalen Planeten und deren freiwilligen Zusammenschluss zu Lokalsystemen zu beschränken habe. Jede andere Aufsicht schloss er aus. Er versprach den Planetarischen Fürsten, dass sie als allerhöchste Gebieter über ihre Welten herrschen würden. Er prangerte das Vorhandensein gesetzgeberischer Aktivitäten am Hauptsitz der Konstellation und die Behandlung von Gerichtsfällen in der Universumskapitale an. Er erhob die Forderung, dass all diese Regierungsfunktionen auf den Systemkapitalen zu konzentrieren seien, und ging daran, seine eigene gesetzgebende Versammlung zu bilden und seine eigenen Gerichtshöfe unter Satans Oberhoheit zu organisieren. Und er wies die Fürsten der abtrünnigen Welten an, in gleicher Weise vorzugehen. All seine Kabinettsmitglieder gingen geschlossen zu Luzifer über und wurden öffentlich vereidigt als Verwaltungsbeamte des neuen Chefs der "befreiten Welten und Systeme". Es hatte in Nebadon schon zwei frühere Aufstände gegeben, aber sie hatten sich in weit entfernten Konstellationen abgespielt. Luzifer vertrat die Meinung, dass diese Erhebungen nur deshalb nicht erfolgreich gewesen wären, weil die Mehrheit der Intelligenzen ihren Führern die Gefolgschaft versagt hatte. Laut verkündete er, dass "die Mehrheiten regieren" und "der Verstand unfehlbar ist". Die Freiheit, die die Universumsherrscher ihm gewährten, schien manchen seiner ruchlosen Behauptungen Recht zu geben. Er forderte all seine Vorgesetzten heraus; sie aber nahmen scheinbar von seinem Tun keine Notiz. Man ließ ihm freie Hand, seinen verführerischen Plan völlig ungehindert weiterzuverfolgen. Alle Gnadenfristen der Gerechtigkeit legte Luzifer als Beweise der Unfähigkeit der Paradies-Söhne aus, der Rebellion Einhalt zu gebieten. Er trotzte Michael, Immanuel und den Ältesten der Tage in aller Offenheit, er forderte sie mit Arroganz heraus und deutete danach die Tatsache, dass sie nichts unternahmen, als eindeutigen Beweis der Ohnmacht der Universums- und Superuniversumsregierung. Gabriel war während all dieser verräterischen Kundgebungen persönlich anwesend, ließ aber nur verlauten, dass er zu gegebener Zeit im Namen Michaels sprechen würde und dass alle Wesen sich frei und ungehindert würden entscheiden können; dass die "im Namen des Vaters regierenden Söhne nur eine Form von Treue und Ergebenheit wünschten, die freiwillig sei, aus ganzem Herzen komme und gegen Sophisterei gefeit sei". Man ließ Luzifer frei, seine Rebellenregierung voll zu konstituieren und durchzuorganisieren, bevor Gabriel irgendeine Anstrengung unternahm, das Recht auf Sezession anzufechten oder der aufrührerischen Propaganda entgegenzutreten. Aber die Väter der Konstellation begrenzten das Handeln dieser abtrünnigen Persönlichkeiten unverzüglich auf das System von Satania. Nichtsdestoweniger war diese Periode des Abwartens für die loyalen Wesen ganz Satanias eine Zeit großer Prüfung und Erprobung. Einige Jahre lang war alles chaotisch, und auf den Residenzwelten herrschte große Verwirrung. ***** 53.5 Das Wesen des Konflikts ***** Nach dem Ausbruch der Rebellion in Satania holte Michael den Rat seines Paradies-Bruders, Immanuels, ein. Nach dieser denkwürdigen Unterredung kündigte Michael an, er werde dieselbe Politik befolgen, die schon seine Auseinandersetzungen mit ähnlichen Aufständen in der Vergangenheit geprägt hatte, nämlich eine Haltung der Nichtintervention. Zur Zeit dieser Rebellion und der beiden ihr vorausgegangenen gab es im Universum von Nebadon keine absolute persönliche souveräne Autorität. Michael regierte gestützt auf göttliches Recht, als Stellvertreter des Universalen Vaters, aber noch nicht gestützt auf sein eigenes persönliches Recht. Er war noch nicht durch sämtliche Selbsthingaben gegangen; er war noch nicht mit "aller Macht im Himmel und auf Erden" ausgestattet worden. Vom Ausbruch der Rebellion bis zum Tag seiner Inthronisation als souveräner Herrscher von Nebadon ging Michael nie gegen die rebellischen Kräfte Luzifers vor; während fast zweihunderttausend Jahren urantianischer Zeit ließ man sie frei gewähren. Christus Michael hat jetzt große Macht und Autorität, um mit solch plötzlichen Absetzbewegungen prompt, ja sogar summarisch fertig zu werden, aber wir bezweifeln, dass seine souveräne Autorität ihn zu einem anderen Vorgehen bewegen würde, sollte es wieder zu einem solchen Aufstand kommen. Da Michael es vorzog, sich aus dem eigentlichen Kampfgeschehen der Rebellion Luzifers herauszuhalten, versammelte Gabriel seinen persönlichen Mitarbeiterstab auf Edentia und übernahm im Einvernehmen mit den Allerhöchsten das Kommando über die treu gebliebenen Heerscharen Satanias. Michael blieb in Salvington, während sich Gabriel nach Jerusem begab und sich auf der Sphäre einrichtete, die dem Vater geweiht ist - gerade jenem Universalen Vater, dessen Persönlichkeit Luzifer und Satan in Frage stellten. Und hier entrollte er in Gegenwart der versammelten Heerscharen ergebener Persönlichkeiten das Banner Michaels, das materielle Symbol der Herrschaft der Trinität über die ganze Schöpfung, die drei blauen konzentrischen Kreise auf weißem Hintergrund. Das Emblem Luzifers war ein weißes Banner mit einem einzigen roten Kreis, in dessen Mittelpunkt eine schwarze Scheibe erschien. "Es herrschte Krieg im Himmel; Michaels Oberbefehlshaber und seine Engel kämpften gegen den Drachen (Luzifer, Satan und die abtrünnigen Fürsten); und der Drache und seine rebellischen Engel kämpften, konnten sich aber nicht behaupten." Dieser "Krieg im Himmel" war kein physischer Kampf, wie man sich ihn auf Urantia vorstellen könnte. In den frühen Tagen der Auseinandersetzung sprach Luzifer unablässig im planetarischen Amphitheater, während Gabriel von seinem Hauptquartier aus, das er ganz in der Nähe bezogen hatte, unaufhörlich eine Demaskierung der Sophistereien der Rebellen betrieb. Die auf der Sphäre anwesenden Persönlichkeiten, die in ihrer Haltung unsicher waren, wechselten zwischen diesen Diskussionen hin und her, bis sie zu einer endgültigen Entscheidung gelangten. Aber dieser Krieg im Himmel war sehr schrecklich und sehr wirklich. Obwohl man dabei keine der Grausamkeiten beobachten konnte, die für die physische Kriegsführung auf unreifen Welten so bezeichnend sind, war dieser Konflikt bei weitem tödlicher; in einem materiellen Kampf steht nur das materielle Leben auf dem Spiel, aber bei dem im Himmel tobenden Krieg ging es um das ewige Leben. ***** 53.6 Ein treuer seraphischer Befehlshaber ***** Zahlreiche Persönlichkeiten gaben in der Zeit zwischen dem Ausbruch der Feindseligkeiten und der Ankunft des neuen Systemlenkers und seines Stabs viele edelmütige und inspirierende Beweise der Ergebenheit und Treue. Aber die hinreissendste all dieser unerschrockenen Treuebezeugungen war das mutige Verhalten von Manotia, des zweiten Kommandanten des seraphischen Hauptquartiers Satanias. Bei Ausbruch der Rebellion auf Jerusem machte das Oberhaupt der seraphischen Heerscharen mit Luzifer gemeinsame Sache. Das erklärt zweifelsfrei, weshalb sich eine so große Zahl von Angehörigen der vierten Ordnung, der Verwalterseraphim des Systems, verirrte. Den seraphischen Führer machte die strahlende Persönlichkeit Luzifers geistig blind; dessen bezaubernde Art faszinierte die niedrigeren Ordnungen himmlischer Wesen. Sie konnten ganz einfach nicht fassen, dass es einer derart blendenden Persönlichkeit möglich sein konnte, auf Abwege zu geraten. Es ist nicht lange her, da sagte Manotia, als er die mit dem Ausbruch der Rebellion Luzifers verknüpften Erlebnisse beschrieb: "Aber der beglückendste Augenblick meines Daseins war das elektrisierende Abenteuer im Zusammenhang mit der luziferischen Rebellion, als ich mich als zweiter seraphischer Befehlshaber weigerte, mich an der geplanten Schmähung Michaels zu beteiligen; und die mächtigen Rebellen versuchten, mich mittels der von ihnen hergestellten Verbindungskräfte zu vernichten. Auf Jerusem herrschte ein furchterregender Aufstand, aber keinem einzigen treuen Seraphen geschah ein Leid. Nach der Pflichtverletzung meines unmittelbaren Vorgesetzten fiel es mir zu, den Befehl über die Engelscharen Jerusems als nomineller Leiter der durcheinander geratenen seraphischen Angelegenheiten des Systems zu übernehmen. Ich wurde von den Melchisedeks moralisch unterstützt, erfuhr den tatkräftigen Beistand der Mehrheit der Materiellen Söhne, wurde von einer ungeheuer großen Gruppe meiner eigenen Ordnung verlassen, aber durch die aufsteigenden Sterblichen Jerusems in wunderbarer Weise getragen. "Nachdem wir durch den Abfall Luzifers automatisch aus den Konstellationskreisläufen ausgeschaltet worden waren, waren wir gänzlich abhängig von der Loyalität unseres Nachrichtenkorps, das unsere Hilferufe vom nahe gelegenen System Rantulia aus nach Edentia weiterleitete; und wir erlebten, dass es im Wesen der herrschenden Ordnung, der intelligenten Treue und des Geistes der Wahrheit liegt, über Auflehnung, Selbstherrlichkeit und die so genannte persönliche Freiheit zu siegen; wir waren fähig, bis zu der Ankunft des neuen Systemsouveräns, des würdigen Nachfolgers Luzifers, durchzuhalten. Und unmittelbar danach wurde ich dem Korps der Urantia als Treuhänder verwaltenden Melchisedeks zugeteilt und übernahm auf der Welt des verräterischen Caligastia die Führung über die loyalen seraphischen Ordnungen. Caligastia hatte seine Sphäre zu einem Mitglied des neu geplanten Systems `befreiter Welten und emanzipierter Persönlichkeiten' ausgerufen, wie es in der niederträchtigen Freiheitserklärung von Luzifer vorgeschlagen wurde, in seinem Aufruf, der sich an alle `freiheitsliebenden, freidenkenden und vorausschauenden Intelligenzen der schlecht regierten und schlecht verwalteten Welten Satanias' richtete." Dieser Engel leistet auf Urantia immer noch Dienst. Seine Funktion ist die eines beigeordneten Chefs der Seraphim. ***** 53.7 Geschichte der Rebellion ***** Luzifers Rebellion erfasste das ganze System. Siebenunddreißig abtrünnige Planetarische Fürsten zogen die Verwaltungen ihrer Welten weitgehend auf die Seite des Erzrebellen. Einzig auf Panoptia misslang es dem Planetarischen Fürsten, sein Volk mitzureißen. Unter Führung der Melchisedeks schloss sich das Volk dieser Welt zusammen, um Michael zu unterstützen. Ellanora, eine junge Frau dieses Reichs von Sterblichen, ergriff die Führung der Menschenrassen, und nicht eine einzige Seele dieser von Kämpfen zerrissenen Welt meldete sich zum Dienst unter Luzifers Banner. Und seit damals dienen diese treuen Panoptianer auf der siebten Übergangswelt Jerusems als Verwalter und Bauleute der Vatersphäre und der sie umringenden sieben Haftwelten. Die Panoptianer wirken nicht nur buchstäblich als Bewacher dieser Welten, sondern sie führen auch die persönlichen Befehle Michaels aus, die sich auf die Verschönerung dieser Sphären im Hinblick auf einen unbekannten zukünftigen Zweck beziehen. Sie verweilen hier in Ausübung dieser Tätigkeit, bevor sie ihren Weg nach Edentia fortsetzen. Während dieser ganzen Zeit warb Caligastia auf Urantia für die Sache Luzifers. Die Melchisedeks widersetzten sich dem abgefallenen Planetarischen Fürsten mit Geschick, aber die Trugschlüsse von ungezügelter Freiheit und die Täuschungen der Selbstverherrlichung hatten alle Aussicht, bei den primitiven Völkern einer jungen und unentwickelten Welt zu verfangen. Die ganze sezessionistische Propaganda musste durch persönlichen Einsatz erfolgen, da der Fernmeldedienst und alle anderen Kanäle interplanetarischer Verbindung von den Überwachern der Kreise unterbrochen worden waren. Nach dem eigentlichen Ausbruch des Aufstands war das ganze System Satanias sowohl von den Konstellations- wie von den Universumskreisläufen abgeschnitten. Während dieser Zeit wurden alle eintreffenden und abgehenden Botschaften durch seraphische Kuriere und Einsame Botschafter übermittelt. Auch die Kreisläufe zu den gefallenen Welten waren unterbrochen, so dass Luzifer diesen Weg zur Förderung seines ruchlosen Plans nicht benutzen konnte. Und diese Kreisläufe werden solange nicht wiederhergestellt, als der Erzrebell in Satanias Grenzen lebt. Diese Rebellion ging von Lanonandek-Söhnen aus. Die höheren Sohnesordnungen des Lokaluniversums schlossen sich der Sezession Luzifers nicht an, obwohl einige wenige Lebensbringer, die auf den aufrührerischen Planeten stationiert waren, sich durch die Rebellion der verräterischen Fürsten einigermaßen beeinflussen ließen. Kein einziger Trinitisierter Sohn geriet auf Abwege. Alle Melchisedeks, Erzengel und Leuchtenden Abendsterne hielten treu zu Michael und kämpften gemeinsam mit Gabriel tapfer für den Willen des Vaters und die Herrschaft des Sohnes. Keine Wesen aus dem Paradies machten sich der Treulosigkeit schuldig. Zusammen mit den Einsamen Botschaftern richteten sie ihr Hauptquartier auf der Welt des Geistes ein und blieben unter der Führung des Getreuen der Tage Edentias. Keiner der Schlichter fiel ab, noch verirrte sich ein Einziger der Himmlischen Chronisten. Aber die Morontiellen Gefährten und die Lehrer der Residenzwelten mussten einen hohen Tribut entrichten. Von der höchsten Ordnung der Seraphim ging kein einziger Engel verloren, aber eine ansehnliche Gruppe der nächsten Ordnung der höheren Seraphim ließ sich täuschen und umgarnen. Vergleichsweise nur wenige Verführte gab es in der dritten Ordnung der leitenden Engel. Aber der furchtbare Einbruch geschah in der vierten Ordnung der Verwalterengel, jener Seraphim, die gewöhnlich den Aufgaben der Systemkapitalen zugeteilt sind. Manotia rettete fast zwei Drittel von ihnen, aber etwas über ein Drittel ging mit ihrem Chef zu den Rebellen über. Die den Verwalterengeln zugeteilten Cherubim Jerusems verirrten sich zu einem Drittel zusammen mit ihren ungetreuen Seraphim. Von den den Materiellen Söhnen zugeteilten Engelshelfern ließ sich etwa ein Drittel betrügen, und etwa zehn Prozent der Übergangsförderer ließen sich bestricken. Johannes erblickte dies symbolisch, als er über den großen roten Drachen schrieb und Folgendes sagte: "Und mit seinem Schwanz fegte er ein Drittel der Sterne vom Himmel und stürzte sie in die Finsternis hinab." Die Reihen der Engel wiesen zwar die größten Verluste auf, aber die meisten niedrigeren Intelligenzordnungen beteiligten sich am Verrat. Von den 681 217 verirrten Materiellen Söhnen Satanias waren fünfundneunzig Prozent Opfer der Rebellion Luzifers. Eine große Zahl von Mittler-Geschöpfen ging auf jenen Einzelplaneten in die Irre, deren Planetarische Fürsten die Sache Luzifers zu der ihren machten. In vieler Hinsicht war diese Rebellion das ausgedehnteste und verheerendste all solcher Vorkommnisse in Nebadon. An der Erhebung beteiligten sich mehr Persönlichkeiten als an den beiden früheren insgesamt. Und es wird Luzifer und Satan ewig zur Schande gereichen, dass ihre Sendlinge nicht einmal vor den Ausbildungsstätten für Kinder auf dem Kulturplaneten der Finalisten Halt machten, sondern vielmehr versuchten, diese in Entwicklung begriffenen Gemüter zu verderben, welche Barmherzigkeit von den evolutionären Welten herübergerettet hatte. Die aufsteigenden Sterblichen waren zwar anfällig, aber sie widerstanden den Sophistereien der Rebellion besser als die niedrigeren Geiste. Während auf den Residenzwelten ihrer viele, die noch nicht zur abschließenden Fusion mit dem Justierer gelangt waren, strauchelten, ist zum Ruhm des Aufstiegsplanes zu sagen, dass nicht ein einziges Mitglied der damals auf Jerusem wohnhaften aufsteigenden Bürgerschaft sich an der Rebellion Luzifers beteiligte. Stunde um Stunde und Tag für Tag waren die Fernmeldestationen ganz Nebadons mit besorgten Zuschauern aller nur denkbaren Klassen himmlischer Intelligenz überfüllt, die gespannt die Nachrichten über die Rebellion in Satania verfolgten und sich freuten, wenn die Berichte immer wieder die unerschütterliche Ergebenheit der aufsteigenden Sterblichen vermeldeten, die unter Führung ihrer Melchisedeks erfolgreich den vereinten und anhaltenden Anstrengungen all der subtilen Kräfte des Bösen widerstanden, die sich so geschwind um die Banner der Sezession und Sünde scharten. Es dauerte vom Zeitpunkt des Ausbruchs des "Kriegs im Himmel" an mehr als zwei Jahre Systemzeit bis zur Amtseinsetzung von Luzifers Nachfolger. Aber endlich kam der neue Souverän und landete mit seinem Mitarbeiterstab auf dem Glasmeer. Ich befand mich unter den Reserven, die Gabriel auf Edentia mobilisiert hatte, und erinnere mich sehr gut an die erste Botschaft, die Lanaforge an den Vater der Konstellation von Norlatiadek richtete. Sie lautete: "Nicht ein einziger Bürger Jerusems ist vom Wege abgeirrt. Alle aufsteigenden Sterblichen haben die Feuerprobe überlebt und sind aus der entscheidenden Prüfung triumphierend und ganz und gar siegreich hervorgegangen." Und hinauf nach Salvington, Uversa und zum Paradies lief diese Botschaft, die mit Bestimmtheit sagte, dass die Fortlebenserfahrung der aufsteigenden Sterblichen die größte Sicherheit gegen Rebellion bietet und den sichersten Schutz gegen Sünde darstellt. Die edle Truppe von getreuen Sterblichen zählte genau 187 432 811 Wesen. Bei Lanaforges Ankunft wurden die Erzrebellen abgesetzt und aller Regierungsmacht entkleidet, obwohl ihnen gestattet wurde, sich auf Jerusem, auf den morontiellen Sphären und sogar auf den einzelnen bewohnten Welten frei zu bewegen. Sie setzten ihre betrügerischen und verführerischen Bemühungen fort, um die Gemüter der Menschen und Engel zu verwirren und auf Abwege zu bringen. Was aber ihr Wirken auf dem Verwaltungsberg Jerusems betrifft, so "sah man sie dort nicht mehr". Zwar wurde Luzifer aller administrativen Autorität über Satania enthoben, aber es existierten damals im Lokaluniversum weder eine Machtinstanz noch ein Gerichtshof, die die Inhaftierung oder Vernichtung des gottlosen Rebellen hätten verfügen können; zu diesem Zeitpunkt war Michael kein souveräner Herrscher. Die Ältesten der Tage liehen den Vätern der Konstellation ihre Unterstützung, als diese im System die Regierung übernahmen, aber auf die vielen immer noch pendenten Anrufungen des Gerichts bezüglich des gegenwärtigen Status und künftigen Schicksals Luzifers, Satans und ihrer Gefährten haben sie nie mit einem Entscheid geantwortet. Also waren diese Erzrebellen frei, im ganzen System umherzuziehen, um ein weiteres Eindringen ihrer Lehren der Unzufriedenheit und Selbstverherrlichung zu versuchen. Aber in fast zweihunderttausend Jahren Urantias waren sie unfähig, eine zusätzliche Welt zu täuschen. Keine andere Welt Satanias ist seit dem Fall der siebenunddreißig in die Irre gegangen, nicht einmal jene jüngeren, erst seit dem Tag der Rebellion bevölkerten Welten. ***** 53.8 Der Menschensohn auf Urantia ***** Luzifer und Satan durchstreiften das System von Satania in Freiheit bis zum Abschluss der Sendung der Selbsthingabe Michaels auf Urantia. Auf eurer Welt waren sie zum letzten Mal miteinander zugegen, als sie mit vereinten Kräften den Menschensohn angriffen. Wenn sich die Planetarischen Fürsten, die "Söhne Gottes", früher periodisch versammelten, "erschien Satan ebenfalls" und machte geltend, dass er alle isolierten Welten der gefallenen Planetarischen Fürsten vertrete. Aber diese Freiheit ist ihm auf Jerusem seit Michaels abschließender Selbsthingabe nicht mehr zugestanden worden. Nach dem Versuch Luzifers und Satans, Michael während seiner Selbsthingabe in Menschengestalt zu verführen, ist in ganz Satania alle Sympathie für sie erloschen - das heißt außerhalb der isolierten Welten der Sünde. Von den Planeten der abgefallenen Planetarischen Fürsten abgesehen, setzte Michaels Selbsthingabe der Rebellion Luzifers in ganz Satania ein Ende. Und das war die Bedeutung von Jesu persönlicher Erfahrung kurz vor seinem irdischen Tod, als er eines Tages, zu seinen Jüngern gewandt, ausrief: "Und ich sah Satan wie einen Blitz vom Himmel herabstürzen." Satan war mit Luzifer zum letzten entscheidenden Kampf nach Urantia gekommen. Der Menschensohn hatte Vertrauen in seinen Erfolg, und er wusste, dass sein auf eurer Welt errungener Triumph die Stellung derer endgültig regeln würde, die während Zeitaltern seine Feinde gewesen waren - nicht nur in Satania, sondern auch in den beiden anderen Systemen, in denen die Sünde Einzug gehalten hatte. Es gab für die Sterblichen ein Fortleben und für die Engel Sicherheit, als euer Meister in Erwiderung auf die Angebote Luzifers ruhig und mit göttlichem Selbstvertrauen antwortete: "Hebe dich weg von mir, Satan". Das war im Prinzip das tatsächliche Ende der Rebellion Luzifers. Es stimmt, dass die Tribunale Uversas auf Gabriels Appell, der die Vernichtung der Rebellen beantragt, noch nicht mit einem Vollstreckungsentscheid geantwortet haben, aber ein solches Dekret wird zweifelsohne zu gegebener Zeit erlassen werden, da der erste Schritt zur Anhörung dieses Falls bereits unternommen worden ist. Caligastia wurde vom Menschensohn bis kurz vor seinem Tod technisch als Fürst Urantias anerkannt. Jesus sagte: "Jetzt findet das Gericht über diese Welt statt; jetzt soll der Fürst dieser Welt gestürzt werden." Und als er der Erfüllung seines Lebenswerks noch näher gekommen war, kündigte er an: "Der Fürst dieser Welt ist gerichtet." Und es ist ebenderselbe entthronte und diskreditierte Fürst, der einst "Gott Urantias" genannt wurde. Michaels letzte Handlung vor dem Verlassen Urantias bestand darin, Caligastia und Daligastia Barmherzigkeit anzubieten, aber sie wiesen das zarte Angebot mit Verachtung von sich. Caligastia, euer abgefallener Planetarischer Fürst, ist immer noch frei, auf Urantia seine ruchlosen Pläne zu verfolgen, aber er hat absolut keine Macht, in die Gedanken der Menschen einzudringen, noch kann er sich ihren Seelen nähern, um sie zu versuchen oder zu korrumpieren, es sei denn, sie wünschten wirklich, mit seiner verruchten Gegenwart gestraft zu werden. Vor Michaels Selbsthingabe versuchten diese Herrscher der Finsternis, ihre Autorität über Urantia aufrechtzuerhalten, und hartnäckig widersetzten sie sich den geringeren und untergeordneten himmlischen Persönlichkeiten. Aber seit dem Pfingsttag zeigen der verräterische Caligastia und sein ebenso nichtswürdiger Gefährte Daligastia ein unterwürfiges Verhalten gegenüber der göttlichen Majestät der Gedankenjustierer des Paradieses und dem schützenden Geist der Wahrheit, dem Geist Michaels, der über alles Fleisch ausgegossen wurde. Aber dennoch besaß kein gefallener Geist je die Macht, in den Verstand der Kinder Gottes einzudringen oder ihre Seelen zu belästigen. Weder Satan noch Caligastia konnten je die Glaubenssöhne Gottes berühren oder sich ihnen nähern; der Glaube ist ein wirkungsvoller Panzer gegen Sünde und Frevelei. Es ist wahr: "Wer von Gott geboren ist, bewahrt sich selber, und der Böse wird ihn nicht antasten." Wenn man von schwachen und haltlosen Sterblichen sagt, sie stünden unter dem Einfluss von Teufeln und Dämonen, so werden sie im Allgemeinen nur von ihren eigenen angeborenen und verdorbenen Neigungen beherrscht und von ihren eigenen natürlichen Tendenzen auf Abwege geführt. Man hat dem Teufel viel Böses zugeschrieben, woran er keinen Anteil hatte. Seit dem Kreuz Christi ist Caligastia relativ machtlos. ***** 53.9 Gegenwärtiger Stand der Rebellion ***** Schon in der ersten Zeit der Rebellion Luzifers bot Michael allen Rebellen Rettung an. Allen, die aufrichtige Reue bewiesen, versprach er Vergebung und Wiedereingliederung in irgendeine Art universellen Dienstes, nachdem er die vollständige Souveränität über sein Universum erlangt haben würde. Keiner der Führer nahm dieses barmherzige Angebot an. Aber Tausende von Engeln und himmlischen Wesen der niedrigeren Ordnungen einschließlich Hunderter von Materiellen Söhnen und Töchtern nahmen die durch die Panoptianer verkündete Gnade an und wurden zum Zeitpunkt von Jesu Auferstehung vor neunzehnhundert Jahren rehabilitiert. Diese Wesen sind seither auf Jerusems Welt des Vaters verlegt worden, wo sie aus technischen Gründen festgehalten werden müssen, bis die Gerichtshöfe Uversas im Fall Gabriel contra Luzifer eine Entscheidung verkünden. Aber niemand zweifelt daran, dass diese reuigen und geretteten Persönlichkeiten, wenn das Vernichtungsurteil einmal gefällt wird, vom Dekret der Auslöschung nicht betroffen sein werden. Diese sich in Bewährung befindlichen Seelen arbeiten jetzt mit den Panoptianern zusammen am Werk der Pflege der Welt des Vaters. Der Erzbetrüger ist nie auf Urantia zurückgekehrt seit den Tagen, als er Michael von seinem Vorhaben abzubringen versuchte, die Selbsthingabe zu Ende zu führen und endgültig und in Sicherheit seine uneingeschränkte Herrschaft über Nebadon anzutreten. Nachdem Michael zum unumstößlichen Lenker des Universums von Nebadon geworden war, wurde Luzifer durch die ausführenden Organe der Ältesten der Tage Uversas in Gewahrsam genommen und ist seither Gefangener auf dem Satelliten Nummer eins der Jerusem umkreisenden Übergangsweltengruppe des Vaters. Und hier können die Lenker anderer Welten und Systeme das Ende des treulosen Souveräns von Satania betrachten. Paulus wusste um den Status dieser rebellischen Führer nach Michaels Selbsthingabe, denn er beschrieb Caligastias Hauptleute als "eine gottlose geistige Armee an himmlischen Orten". Nachdem Michael in Nebadon die höchste Souveränität übernommen hatte, ersuchte er die Ältesten der Tage um die Befugnis, alle in die Rebellion Luzifers verstrickten Persönlichkeiten internieren zu können, bis die superuniversellen Gerichtshöfe im Fall Gabriels contra Luzifer entschieden hätten, welcher dem höchsten Gericht Uversas vor fast zweihunderttausend Jahren eurer Zeitrechnung unterbreitet worden war. Was die Gruppe der Systemkapitale betrifft, entsprachen die Ältesten der Tage dem Ersuchen Michaels, indessen mit einer einzigen Ausnahme: Satan wurde erlaubt, den abtrünnigen Fürsten auf den gefallenen Welten periodische Besuche abzustatten, bis diese Welten einen anderen Gottessohn annehmen würden oder bis die Gerichte Uversas mit den Verhandlungen im Fall Gabriel contra Luzifer beginnen würden. Satan konnte nach Urantia kommen, weil ihr keinen hier wohnenden hochrangigen Sohn hattet - weder einen Planetarischen Fürsten noch einen Materiellen Sohn. Seither ist Machiventa Melchisedek zum stellvertretenden Planetarischen Fürsten Urantias proklamiert worden, und die Eröffnung des Prozesses Gabriel contra Luzifer gab auf allen isolierten Welten das Signal zur Einsetzung vorläufiger planetarischer Regierungen. Es stimmt, dass Satan periodisch Caligastia und andere gefallene Fürsten besuchte, und dies noch bis zur Zeit der Abfassung dieser Offenbarungen, als die erste Anhörung im Zusammenhang mit dem Gesuch Gabriels um Vernichtung der Erzrebellen stattfand. Satan wird jetzt bedingungslos auf den Gefängniswelten Jerusems festgehalten. Seit Michaels abschließender Selbsthingabe hat in ganz Satania niemand mehr gewünscht, sich auf die Gefängniswelten zu begeben, um den internierten Rebellen beizustehen. Und keine weiteren Wesen sind für die Sache des Betrügers gewonnen worden. Während neunzehnhundert Jahren ist es dabei geblieben. Wir rechnen mit keiner Aufhebung der gegenwärtigen Satania betreffenden Einschränkungen, bevor die Ältesten der Tage endgültig über die Erzrebellen verfügt haben werden. Die Kreisläufe des Systems werden, solange Luzifer lebt, nicht wiederhergestellt werden. Mittlerweile ist dieser völlig untätig geworden. Auf Jerusem ist die Rebellion zu Ende. Und sie endet auf den gefallenen Welten mit der Ankunft göttlicher Söhne. Wir glauben, dass alle Rebellen, die je das barmherzige Angebot annehmen wollen, es bereits getan haben. Wir warten auf die blitzartige Fernmeldung, die diese Verräter der persönlichen Existenz berauben wird. Wir sehen voraus, dass die Ankündigung des Verdikts Uversas durch die vollstreckende Fernmeldung erfolgen wird, welche die internierten Rebellen auslöschen wird. Dann werdet ihr euch nach ihnen umsehen, sie aber nicht finden. "Und die Welten, die dich kennen, werden über dich in äußerste Verwunderung geraten; du warst ein Schrecknis, aber es wird dich nie mehr geben." Und so sollen all diese nichtswürdigen Verräter "werden, als hätte es sie nie gegeben". Alle warten auf das Verdikt Uversas. Aber während Zeitaltern waren Satanias sieben Gefängniswelten geistiger Finsternis ganz Nebadon eine feierliche Warnung, die beredt und wirkungsvoll die große Wahrheit verkündete, "dass der Weg des Missetäters hart ist"; "dass sich in jeder Sünde der Keim der eigenen Vernichtung verbirgt"; dass "der Sünde Lohn der Tod ist". [Dargeboten von Manovandet Melchisedek, der ehemals zu den Treuhändern Urantias gehörte.] ****** Kapitel 54 Probleme der Rebellion Luzifers ****** DER evolutionäre Mensch hat Mühe, die Bedeutung von Ausdrücken wie: Übel, Irrtum, Sünde und Frevel ganz zu verstehen und ihren Sinn zuerfassen. Der Mensch braucht lange, bis er erkennt, dass der Kontrast zwischen Vollkommenheit und Unvollkommenheit die Möglichkeit des Üblen entstehen lässt; dass ein Konflikt zwischen Wahrheit und Falschheit verwirrenden Irrtum schafft; dass die göttliche Gabe des freien Willens die auseinanderklaffenden Reiche der Sünde und der Rechtschaffenheit ins Dasein ruft; dass dauerndes Streben nach Göttlichkeit in das Reich Gottes führt, im Gegensatz zu ihrer ständigen Ablehnung, die in die Gefilde der Frevelei führt. Weder erschaffen die Götter das Üble, noch erlauben sie Sünde und Rebellion. Die Möglichkeit des Üblen existiert in der Zeit und in einem Universum, in dem es unterschiedliche Bedeutungs- und Wertebenen der Vollkommenheit gibt. Sünde ist in allen Reichen möglich, in denen unvollkommene Wesen mit der Fähigkeit ausgestattet sind, zwischen Gut und Böse zu wählen. Die konfliktreiche Gegenwart von Wahrheit neben Unwahrheit, von Tatsache neben Lüge enthält den potentiellen Irrtum. Die bewusste Wahl des Üblen bedeutet Sünde; die willentliche Zurückweisung der Wahrheit ist Irrtum; die unablässige Verfolgung von Sünde und Irrtum ist Frevel. ***** 54.1 Wahre und falsche Freiheit ***** Von all den verwirrenden Problemen, die aus der Rebellion Luzifers erwuchsen, hat keines größere Schwierigkeiten verursacht, als das Unvermögen unreifer evolutionärer Sterblicher, zwischen wahrer und falscher Freiheit zu unterscheiden. Wahre Freiheit ist das Streben der Zeitalter und die Belohnung des evolutionären Fortschritts. Falsche Freiheit ist der subtile Betrug des Irrtums der Zeit und des Üblen des Raums. Dauernde Freiheit beruht auf der Realität der Gerechtigkeit - auf Intelligenz, Reife, Brüderlichkeit und Billigkeit. Freiheit ist eine selbstzerstörerische Technik kosmischer Existenz, wenn ihre Beweggründe unintelligent, hemmungslos und unkontrolliert sind. Wahre Freiheit steht in einer progressiven Beziehung zur Realität und achtet stets auf soziale Gerechtigkeit, kosmische Fairness, universelle Brüderlichkeit und göttliche Verpflichtungen. Freiheit ist selbstmörderisch, wenn sie getrennt wird von materieller Gerechtigkeit, intellektueller Fairness, sozialer Nachsicht, sittlicher Pflicht und geistigen Werten. Es existiert keine Freiheit außerhalb der kosmischen Realität, und die ganze Realität einer Persönlichkeit steht im Verhältnis zu ihren Beziehungen mit der Göttlichkeit. Ungezügelter Eigenwille und unkontrollierter Selbstausdruck sind dasselbe wie reine Selbstsucht, sind der Gipfel der Gottlosigkeit. Freiheit ohne eine damit einhergehende und immer zunehmende Selbstbemeisterung ist ein egoistisches sterbliches Fantasieprodukt. Auf selbstischen Beweggründen fußende Freiheit ist eine vorstellungsmäßige Illusion, ein grausamer Betrug. Zügellosigkeit, die sich als Freiheit verkleidet, geht elender Versklavung voraus. Wahre Freiheit ist die Gefährtin echter Selbstachtung; falsche Freiheit ist die Gemahlin der Selbstbewunderung. Wahre Freiheit ist die Frucht von Selbstbeherrschung; falsche Freiheit ist anmaßende Selbstbehauptung. Selbstbeherrschung führt zu altruistischem Dienen; Selbstbewunderung neigt zur Ausnutzung anderer, und sie tut dies zur Selbsterhöhung eines solchen im Irrtum befangenen Wesens, das willens ist, auf rechtschaffenes Vollbringen zu verzichten, um ungerechte Macht über seine Mitmenschen zu erringen. Sogar Weisheit ist nur dann göttlich und sicher, wenn sie einen kosmischen Horizont hat und wenn ihre Beweggründe geistiger Natur sind. Es gibt keinen größeren Irrtum als jenen Selbstbetrug, welcher intelligente Wesen dahin bringt, nichts so sehr zu wünschen, als über andere Wesen Macht in der Absicht auszuüben, diese Personen ihrer natürlichen Freiheiten zu berauben. Die goldene Regel menschlicher Fairness protestiert laut gegen all solche Arglist, Selbstsucht und Negation von Fairness und Rechtschaffenheit. Nur wahre, echte Freiheit ist vereinbar mit der Herrschaft der Liebe und mit dem Wirken der Barmherzigkeit. Wie können eigenwillige Geschöpfe es wagen, die Rechte ihrer Mitmenschen im Namen persönlicher Freiheit zu verletzen, wenn sogar die Höchsten Herrscher des Universums in gütigem Respekt vor diesen Vorrechten des Willens und vor dem Potential der Persönlichkeit zurücktreten! Kein Wesen hat in Ausübung seiner angeblichen persönlichen Freiheit das Recht, irgendein anderes Wesen dieser Privilegien der Existenz zu berauben, die von den Schöpfern verliehen worden sind und von all ihren treuen Mitarbeitern, Untergeordneten und Untergebenen in gebührender Weise hochgehalten werden. Wohl haben die evolutionären Menschen auf einer Welt der Sünde und des Frevels oder während der frühen Zeiten einer primitiven, in Entwicklung begriffenen Welt gegen Tyrannen und Unterdrücker um ihre materiellen Freiheiten zu kämpfen, aber dem ist nicht so auf den morontiellen Welten oder auf den Sphären des Geistes. Der Krieg ist das Erbe des frühen evolutionären Menschen, aber auf Welten mit einer normal fortschreitenden Zivilisation ist physischer Kampf als Technik zur Begleichung rassischer Differenzen längst in Misskredit geraten. ***** 54.2 Der Diebstahl der Freiheit ***** Mit dem Sohn und in dem Geist entwarf Gott das ewige Havona, und seither gilt das ewige Urmuster koordinierter Teilhabe an der Schöpfung - das Teilen. Dieses Urmuster des Teilens zu verwirklichen ist Hauptziel jedes Sohnes und jeder Tochter Gottes, die in den Raum hinausziehen, um in der Zeit das Zentraluniversum ewiger Vollkommenheit nachzuschöpfen. Jedes Geschöpf jedes sich entwickelnden Universums, das danach trachtet, des Vaters Willen zu tun, ist bestimmt, bei diesem wunderbaren Abenteuer erfahrungsmäßigen Erreichens der Vollkommenheit zum Partner der Schöpfer von Zeit und Raum zu werden. Wenn das nicht wahr wäre, hätte der Vater solche Geschöpfe kaum mit schöpferischem, freiem Willen begabt, noch würde er ihnen innewohnen, das heißt durch seinen Geist tatsächlich mit ihnen in Partnerschaft treten. Luzifers Verrücktheit war, das Unmögliche versuchen zu wollen, in einem erfahrungsmäßigen Universum die Zeit zu umgehen. Luzifers Verbrechen war der Versuch, jede Persönlichkeit Satanias ihrer schöpferischen Möglichkeiten zu berauben, war die versteckte Beschneidung der persönlichen Teilnahme - der freiwilligen Teilnahme - der Geschöpfe am langen evolutionären Kampf, um sowohl individuell als auch kollektiv zum Status des Lichts und Lebens zu gelangen. Damit setzte dieser einstige Souverän eures Systems das zeitliche Vorhaben seines eigenen Willens direkt dem ewigen Vorhaben des Willens Gottes entgegen, wie dieser sich im Geschenk des freien Willens an alle persönlichen Geschöpfe offenbart. Die Rebellion Luzifers bedrohte also die Entscheidungsfreiheit der Aufsteiger und Diener Satanias mit der größtmöglichen Beschränkung - sie drohte, jedes dieser Wesen auf ewig der begeisternden Erfahrung zu berauben, mit etwas Persönlichem und Einmaligem zu dem sich langsam aufrichtenden Monument erfahrungsmäßiger Weisheit beizutragen, das dereinst als das vervollkommnete System von Satania existieren wird. So steht das Manifest Luzifers, das sich die Kleider der Freiheit umgeworfen hatte, hinfort im hellen Lichte der Vernunft als eine ungeheure Bedrohung da, die auf den Diebstahl der persönlichen Freiheit abzielt und dies in einem Maßstab, dem man sich in der ganzen Geschichte Nebadons nur zweimal genähert hatte. Kurz gesagt hätte Luzifer den Menschen und den Engeln das, was Gott ihnen gegeben hatte, weggenommen, nämlich das göttliche Vorrecht, an der Schöpfung ihres eigenen Schicksals und des Schicksals dieses Lokalsystems bewohnter Welten teilzunehmen. Kein Wesen im ganzen Universum hat die rechtmäßige Freiheit, irgendein anderes Wesen seiner wahren Freiheit zu berauben, seines Rechts zu lieben und geliebt zu werden, seines Privilegs, Gott anzubeten und seinen Gefährten zu dienen. ***** 54.3 Der zeitliche Aufschub der Gerechtigkeit ***** Immer wieder beschäftigt die sittlichen Willensgeschöpfe der evolutionären Welten die unüberlegte Frage, weshalb die allweisen Schöpfer Übel und Sünde zulassen. Sie können nicht verstehen, dass beide unvermeidlich sind, wenn das Geschöpf wahrhaft frei sein soll. Der freie Wille eines sich entwickelnden Menschen oder eines herrlichen Engels ist nicht nur eine philosophische Vorstellung, ein symbolisches Ideal. Die Fähigkeit des Menschen, zwischen Gut und Böse zu wählen, ist eine Universumsrealität. Diese Freiheit, auf sich selbst gestellt zu wählen, ist eine Gabe der Supremen Lenker, und sie werden keinem Wesen und keiner Gruppe von Wesen je erlauben, auch nur eine einzige Persönlichkeit im weiten Universum seiner göttlich geschenkten Freiheit zu berauben - auch nicht, um missgeleiteten und unwissenden Wesen die Befriedigung zu verschaffen, sich dieser falsch genannten persönlichen Freiheit zu erfreuen. Obwohl bewusste und rückhaltlose Identifikation mit dem Übel (Sünde) gleichbedeutend mit Nichtexistenz (Auslöschung) ist, muss sich zwischen den Zeitpunkt einer solchen persönlichen Identifikation mit der Sünde und den Vollzug der Strafe - automatische Folge einer derartigen willentlichen Annahme der Sünde - stets eine genügend lange Zeitspanne schieben, um hinsichtlich des Universumsstatus eines solchen Individuums ein Urteil zu erlauben, das sich als für alle beteiligten Universumspersönlichkeiten völlig befriedigend erweisen wird, und das so fair und gerecht ist, dass es selbst die Zustimmung des Sünders erhalten kann. Aber wenn ein solcher Rebell gegen die Realität von Wahrheit und Güte dem Verdikt seine Zustimmung verweigert, und wenn der Schuldige in seinem Herzen um die Gerechtigkeit seiner Verurteilung weiß, sich aber weigert, es einzugestehen, dann muss die Vollstreckung des Schuldspruchs gemäß dem freien Ermessen der Ältesten der Tage einen Aufschub erfahren. Denn die Ältesten der Tage lehnen es ab, irgendein Wesen auszulöschen, bevor in ihm alle sittlichen Werte und alle geistigen Realitäten erloschen sind, sowohl in diesem Übeltäter selber als auch in allen seinen Gefolgsleuten und möglichen Sympathisanten. ***** 54.4 Der von der Barmherzigkeit gewährte zeitliche Aufschub ***** Ein anderes recht schwer erklärbares Problem der Konstellation Norlatiadeks sind die Gründe, weshalb es Luzifer, Satan und den gefallenen Fürsten erlaubt wurde, so lange Unheil zu stiften, bevor sie gefasst, interniert und gerichtet wurden. Eltern, die Kinder in die Welt gestellt und aufgezogen haben, sind besser in der Lage zu verstehen, weshalb Michael, ein Schöpfer-Vater, sich so viel Zeit lässt, bevor er seine eigenen Söhne verurteilt und vernichtet. Jesu Geschichte vom verlorenen Sohn zeigt schön, dass ein liebender Vater lange auf die Reue eines verirrten Kindes warten kann. Gerade der Umstand, dass ein Missetäter wählen kann, Übles zu tun - Sünde zu begehen - beweist die Tatsache der Entscheidungsfreiheit und rechtfertigt vollauf beliebig lange Fristen bei der Anwendung der Gerechtigkeit, vorausgesetzt, die zusätzlich gewährte Barmherzigkeit führt zu Reue und Rehabilitierung. Die meisten der Freiheiten, nach denen Luzifer trachtete, besaß er bereits; weitere sollte er in der Zukunft erhalten. All diese kostbaren Gaben verlor er dadurch, dass er der Ungeduld nachgab und sich dem Wunsch überließ, das, wonach man sich sehnt, gleich zu besitzen und dies in Missachtung der Pflicht, die Rechte und Freiheiten aller anderen Wesen zu achten, welche das Universum der Universen bilden. Die ethischen Pflichten sind angeboren, göttlich und universal. Wir kennen viele Gründe, weshalb die Supremen Lenker die Anführer der Rebellion Luzifers nicht unverzüglich vernichteten oder internierten. Es gibt dafür ohne Zweifel noch andere und möglicherweise bessere Gründe, die uns nicht bekannt sind. Michael von Nebadon persönlich hat bei der Vollzugsfrist der Gerechtigkeit den Aspekt der Barmherzigkeit stärker gewichtet. Ohne die Liebe dieses Schöpfer-Vaters für seine verirrten Söhne hätte die höchste Justiz des Superuniversums gehandelt. Wenn in Nebadon eine der Rebellion Luzifers vergleichbare Episode eingetreten wäre, während Michael in Menschengestalt auf Urantia weilte, wären die Urheber solchen Übels augenblicklich und absolut vernichtet worden. Höchste Justiz kann augenblicklich handeln, wenn die göttliche Barmherzigkeit ihr nicht Einhalt gebietet. Aber das Walten der Barmherzigkeit für die Kinder von Zeit und Raum gewährt immer diesen zeitlichen Aufschub, dieses rettende Intervall zwischen Aussaat und Ernte. Wenn der gesäte Samen gut ist, bietet dieses Intervall Gelegenheit, den Charakter zu prüfen und aufzubauen; wenn der gesäte Samen schlecht ist, gewährt diese barmherzige Frist Zeit zu Reue und Berichtigung. Dieser zeitliche Aufschub der Verurteilung und Hinrichtung von Übeltätern ist dem Walten der Barmherzigkeit in den sieben Superuniversen inhärent. Die Bremsung der Gerechtigkeit durch die Barmherzigkeit beweist, dass Gott Liebe ist und dass solch ein Gott der Liebe über die Universen herrscht und Schicksal und Gericht all seiner Geschöpfe erbarmungsvoll überwacht. Die Fristen der Barmherzigkeit werden durch Erlasse der aus freiem Willen handelnden Schöpfer gewährt. Aus dieser geduldigen Technik im Umgang mit sündigen Rebellen kann dem Universum Gutes erwachsen. Während es nur allzu wahr ist, dass für denjenigen, der auf Sünde sinnt und Übles unternimmt, aus dem Üblen nichts Gutes hervorgehen kann, ist es ebenfalls wahr, dass alle Dinge (einschließlich des potentiellen oder manifestiertenÜbels) zum Besten aller Wesen arbeiten, welche Gott kennen, aus Liebe seinen Willen ausführen und gemäß seinem ewigen Plan und göttlichen Vorhaben zum Paradies aufsteigen. Aber diese barmherzigen Aufschübe sind nicht endlos. Trotz der (für urantianische Zeitbegriffe) langen Hinauszögerung der Urteilsfällung im Falle der Rebellion Luzifers können wir vermelden, dass während der Arbeit an dieser Offenbarung auf Uversa die erste Anhörung im hängigen Fall Gabriel contra Luzifer stattgefunden hat. Bald darauf erging ein Erlass der Ältesten der Tage, der Satans dauernde Einkerkerung mit Luzifer auf der Haftwelt verfügte. Das hat der Möglichkeit Satans, die gefallenen Welten Satanias weiterhin zu besuchen, ein Ende gesetzt. Die Justiz in einem von der Barmherzigkeit beherrschten Universum ist vielleicht langsam, aber sie ist sicher. ***** 54.5 Die Weisheit des Aufschubs ***** Von den vielen mir bekannten Gründen, weshalb Luzifer und seine Komplizen nicht früher interniert oder verurteilt wurden, ist mir erlaubt, die folgenden anzuführen: 1. Barmherzigkeit verlangt, dass jeder Missetäter genügend Zeit habe, um hinsichtlich seiner üblen Gedanken und sündigen Handlungen zu einer entschiedenen und reiflich überlegten Haltung zu finden. 2. Die höchste Gerechtigkeit wird von der Liebe des Vaters beherrscht; deshalb wird Gerechtigkeit niemals zerstören, was Barmherzigkeit retten kann. Jedem Übeltäter wird Zeit zugestanden, um die Rettung anzunehmen. 3. Kein liebevoller Vater zeigt je Eile, ein Mitglied seiner Familie wegen eines Vergehens zu bestrafen. Die Geduld kann nicht unabhängig von der Zeit funktionieren. 4. Übles Tun gereicht einer Familie immer zum Nachteil, aber Weisheit und Liebe halten die rechtschaffenen Kinder dazu an, einem verirrten Bruder Geduld entgegenzubringen, solange die vom liebenden Vater zugestandene Zeit währt, in der der Sünder seinen Irrtum einsehen und sich der Rettung zuwenden kann. 5. Unabhängig von Michaels Einstellung gegenüber Luzifer, und obwohl er dessen Schöpfer-Vater war, stand es dem Schöpfersohn nicht zu, den abtrünnigen Souverän des Systems summarisch abzuurteilen, da er damals seine Laufbahn der Selbsthingaben, die ihm die unbeschränkte Souveränität über Nebadon erst eintragen sollten, noch nicht abgeschlossen hatte. 6. Die Ältesten der Tage hätten die Rebellen unverzüglich vernichten können, aber sie richten Missetäter nur selten hin, ohne sich ihren Fall ausgiebig angehört zu haben. In dieser Angelegenheit lehnten sie es ab, sich über Michaels Entscheidungen hinwegzusetzen. 7. Es ist offensichtlich, dass Immanuel Michael riet, gegenüber den Rebellen auf Distanz zu gehen und der Rebellion zu erlauben, den natürlichen Lauf der Selbst-Auslöschung zu nehmen. Und die Weisheit des Einigers der Tage ist die Widerspiegelung in der Zeit der vereinten Weisheit der Paradies-Trinität. 8. Der Getreue der Tage Edentias riet den Konstellationsvätern, den Rebellen freien Lauf zu lassen, damit in den Herzen aller damaligen und zukünftigen Bürger Norlatiadeks - jedes sterblichen, morontiellen und geistigen Geschöpfs - nur umso früher alle Sympathie für die Missetäter ausgerottet würde. 9. Auf Jerusem riet der persönliche Repräsentant des Supremen Vollziehers Orvontons Gabriel, jedem lebendigen Geschöpf ausgiebig Gelegenheit zu geben, in den mit der Freiheitserklärung Luzifers zusammenhängenden Fragen eine ausgereifte, entschiedene Wahl zu treffen. Nachdem die Frage des möglichen Ausgangs der Rebellion aufgeworfen worden war, erklärte Gabriels Notberater aus dem Paradies, dass, sollte nicht allen Geschöpfen Norlatiadeks eine derartige vollständige und freie Gelegenheit geboten werden, dann als Selbstschutzmaßnahme die Paradies-Quarantäne gegen all solche potentiell halbherzigen und von Zweifeln geplagten Geschöpfe auf die ganze Konstellation ausgedehnt werden müsste. Um die Tore des Paradieses für die aufsteigenden Wesen Norlatiadeks offen zu halten, war es nötig, die Rebellion sich voll entwickeln zu lassen und sicherzustellen, dass jedes irgendwie davon betroffene Wesen zu einer vollkommen entschiedenen Haltung gelangen konnte. 10. Die Göttliche Ministerin von Salvington erließ als ihre dritte unabhängige Verlautbarung eine Weisung des Inhalts, dass nichts unternommen werden dürfe, um das abscheuliche Gesicht der Rebellen und der Rebellion halbwegs zu heilen, feige zu überdecken oder anderswie zu verbergen. Die Engelscharen wurden angewiesen, darauf hinzuarbeiten, dass die Sünde ins helle Tageslicht trete und unbeschränkt Gelegenheit erhalte, sich auszudrücken, weil dies die schnellste Technik zu einer vollständigen und endgültigen Heilung von der Geißel der Schlechtigkeit und Sünde sei. 11. Auf Jerusem wurde ein Notrat aus ehemaligen Sterblichen gebildet, der sich aus Mächtigen Botschaftern - verherrlichten Sterblichen, die in ähnlichen Situationen persönliche Erfahrungen gesammelt hatten - und ihren Kollegen zusammensetzte. Sie gaben Gabriel zu bedenken, dass mindestens dreimal so viel Wesen abirren würden, wenn willkürliche oder summarische Unterdrückungsmethoden versucht würden. Das gesamte Beraterkorps aus Uversa riet Gabriel einhellig dazu, der Rebellion ihren freien und natürlichen Lauf zu lassen, sollte es auch eine Million Jahre erfordern, um ihre Folgen zu liquidieren. 12. Auch in einem Universum der Zeit ist die Zeit etwas Relatives: Wenn ein urantianischer Sterblicher von mittlerer Lebensdauer ein Verbrechen beginge, das ein weltweites Pandämonium auslöste, und wenn er zwei, drei Tage nach begangener Untat gefasst, abgeurteilt und hingerichtet würde, käme euch das lang vor? Und doch wäre das, gemessen an Luzifers Lebensdauer, ein recht guter Vergleich, selbst wenn seine jetzt begonnene Aburteilung nicht vor hunderttausend Jahren Urantias abgeschlossen sein sollte. Aus der Sicht Uversas, wo der Streitfall hängig ist, könnte man, um die relative Zeitspanne anzugeben, etwa sagen, Luzifers Verbrechen sei zweieinhalb Sekunden nach seiner Begehung vor Gericht gebracht worden. Vom Paradies aus gesehen fällt die Aburteilung mit der Tat zusammen. Es gibt eine ebenso große Anzahl weiterer Gründe gegen ein willkürliches Aufhalten der Rebellion Luzifers, die ihr teilweise verstehen könntet, die ich aber nicht anführen darf. Indessen kann ich euch mitteilen, dass wir auf Uversa achtundvierzig Gründe lehren, weshalb dem Übel erlaubt wird, frei seinem sittlichen Bankrott und seiner geistigen Auslöschung entgegenzulaufen. Ich zweifle nicht daran, dass es gerade noch einmal so viele zusätzliche, mir unbekannte Gründe gibt. ***** 54.6 Der Triumph der Liebe ***** Welchen Schwierigkeiten evolutionäre Sterbliche bei ihren Bemühungen, die Rebellion Luzifers zu verstehen, auch begegnen mögen, so sollte doch allen, die darüber nachsinnen, klar sein, dass die Technik des Umgangs mit den Rebellen eine Rechtfertigung der göttlichen Liebe ist. Die den Rebellen erwiesene liebende Barmherzigkeit scheint tatsächlich über viele unschuldige Wesen Prüfungen und Not gebracht zu haben, aber all diese vom Wege abgeirrten Persönlichkeiten können sich in Sicherheit darauf verlassen, dass die allweisen Richter bezüglich ihres Schicksals einen ebenso erbarmungsvollen wie gerechten Entscheid fällen werden. In ihrem ganzen Umgang mit intelligenten Wesen werden sowohl der Schöpfersohn als auch sein Paradies-Vater von Liebe beherrscht. Es ist unmöglich, viele Aspekte der Haltung der Universumsherrscher gegenüber Rebellen und Rebellion - Sünde und Sündern - zu verstehen, wenn man sich nicht daran erinnert, dass im Umgang der Göttlichkeit mit der Menschheit Gott als ein Vater den Vorrang vor allen anderen Phasen der Gottheitsmanifestation hat. Man sollte sich auch ins Gedächtnis rufen, dass sich alle Schöpfersöhne des Paradieses von Erbarmen leiten lassen. Wenn der liebevolle Vater einer großen Familie beschließt, einem seiner Kinder, das sich einer schweren Verfehlung schuldig gemacht hat, Barmherzigkeit zu erzeigen, kann es wohl sein, dass die dem fehlbaren Kind gewährte Barmherzigkeit zeitweise allen anderen sich wohl verhaltenden Kindern Härten auferlegt. Solche Möglichkeiten sind unvermeidlich; ein solches Risiko ist untrennbar mit der Realität verbunden, einen liebenden Vater zu besitzen und Mitglied eines Familienverbandes zu sein. Jedes Familienmitglied profitiert vom rechtschaffenen Verhalten jedes anderen Mitgliedes; in gleicher Weise muss jedes Mitglied unverzüglich unter den zeitlichen Folgen des schlechten Betragens jedes anderen Mitglieds leiden. Familien, Gruppen, Nationen, Rassen, Welten, Systeme, Konstellationen und Universen sind Beziehungsgeflechte, die eine Individualität besitzen; und deshalb erntet jedes Mitglied jeder solchen großen oder kleinen Gruppe die Wohltaten der guten Handlungen und leidet unter den Folgen der schlechten Handlungen aller anderen Mitglieder der betreffenden Gruppe. Aber eines sollte klar gemacht werden: Wenn ihr unter den üblen Folgen der Sünde eines eurer Familienmitglieder, eines Mitbürgers oder sterblichen Gefährten oder sogar einer Rebellion im System oder anderswo leidet - was immer ihr auch erdulden müsst infolge der Verfehlungen eurer Mitarbeiter, Gefährten oder Vorgesetzten - ihr könnt euch sicher in der ewigen Gewissheit aufgehoben fühlen, dass solches Leidwesen vorübergehender Natur ist. Keine der zwischenmenschlichen Folgen schlechten Betragens in der Gruppe kann eure ewigen Aussichten in Frage stellen oder euch im Mindesten eures göttlichen Rechts berauben, zum Paradies aufzusteigen und Gott zu erreichen. Und es gibt Entschädigungen für all diese Prüfungen, Aufschübe und Enttäuschungen, die stets die Sünde der Auflehnung begleiten. Von den vielen wertvollen Rückwirkungen der Rebellion Luzifers, die man erwähnen könnte, möchte ich nur auf die gesteigerte Laufbahn jener sterblichen Aufsteiger und Bürger Jerusems hinweisen, die aufgrund ihres den Sophistereien der Sünde entgegengesetzten Widerstandes gute Aussichten haben, dereinst Mächtige Botschafter, Angehörige meiner eigenen Ordnung, zu werden. Jedes Wesen, das den Test jener schändlichen Episode bestand, beförderte dadurch unverzüglich seinen administrativen Status und erhöhte seinen geistigen Wert. Zuerst schien der luziferische Aufstand für das System und das Universum eine vollendete Katastrophe zu sein. Aber allmählich mehrten sich die Gewinne. Nach fünfundzwanzigtausend Jahren der Zeitrechnung des Systems (zwanzigtausend Urantia-Jahren) begannen die Melchisedeks zu lehren, dass das aus Luzifers Verrücktheit resultierende Gute jetzt dem erlittenen Leid gleichkomme. Die Summe des Übels war zu diesem Zeitpunkt stationär geworden. Einzig auf gewissen isolierten Welten nahm es noch zu, während die segensreichen Auswirkungen fortfuhren, sich zu vervielfachen und sich über das Universum und das Superuniversum sogar bis nach Havona hin auszubreiten. Die Melchisedeks lehren jetzt, dass das aus der Rebellion Satanias hervorgegangene Gute mehr als die tausendfache Summe alles Bösen beträgt. Aber solch eine außerordentliche und segensreiche Ernte der Missetat konnte sich nur einstellen dank der weisen, göttlichen und barmherzigen Haltung aller Vorgesetzten Luzifers, von den Vätern der Konstellation Edentias bis zum Universalen Vater im Paradies. Mit dem Vergehen der Zeit verstärkte sich das Gute, das sich aus Luzifers Verrücktheit ableiten ließ; und da das zu bestrafende Übel sich in einer vergleichsweise kurzen Zeit voll entwickelt hatte, ist es einleuchtend, dass die allweisen und weit blickenden Universumsherrscher sicher die Zeit verlängern würden, um immer segensreichere Resultate heranreifen zu lassen. Ungeachtet der vielen zusätzlichen Gründe, die den Aufschub der Verhaftung und Aburteilung der Rebellen Satanias nahe legten, würde allein dieser Gewinn hinreichend erklären, weshalb die Sünder nicht früher interniert und weshalb sie nicht gerichtet und vernichtet worden sind. Die kurzsichtigen und der Zeit unterworfenen sterblichen Gemüter sollten die von den weit blickenden und allweisen Verwaltern der Universumsangelegenheiten angeordneten zeitlichen Aufschübe nicht leichtfertig kritisieren. Ein Irrtum menschlichen Denkens hinsichtlich dieses Problems liegt in der Vorstellung, dass alle evolutionären Sterblichen eines sich entwickelnden Planeten sich für die Paradies-Laufbahn entscheiden würden, wenn Sünde ihre Welt nicht verflucht hätte. Die Fähigkeit, das Fortleben abzulehnen, geht nicht erst auf die Zeit der Rebellion Luzifers zurück. Der sterbliche Mensch hat von jeher die Gabe besessen, sich aus freiem Willen für die Paradies-Laufbahn zu entscheiden. Während ihr in der Erfahrung des Fortlebens aufsteigt, werden sich eure Vorstellungen vom Universum erweitern und wird sich euer Horizont hinsichtlich von Bedeutungen und Werten ausdehnen; und ihr werdet besser verstehen, weshalb es Wesen wie Luzifer und Satan erlaubt wird, mit der Rebellion fortzufahren. Ihr werdet auch besser begreifen, wie letztenendes (wenn nicht sofort) Gutes aus dem zeitbegrenzten Bösen erwachsen kann. Nachdem ihr das Paradies erreicht habt, werdet ihr wirklich erleuchtet und bestärkt werden, wenn ihr die superaphischen Philosophen diese tiefen Fragen universaler Einstimmung behandeln und erklären hört. Aber selbst dann bezweifle ich, dass ihr in eurem Gemüt voll befriedigt sein werdet. Wenigstens war ich es nicht, auch nachdem ich so den Gipfel universeller Philosophie erreicht hatte. Ich gelangte nicht eher zu einem vollen Verständnis dieser Komplexitäten, als bis ich mit administrativen Aufgaben im Superuniversum betraut worden war, wo ich dank wirklicher Erfahrung die konzeptuelle Fähigkeit zum Verständnis dieser vielschichtigen Probleme kosmischer Gerechtigkeit und geistiger Philosophie erworben habe. Während ihr zum Paradies aufsteigt, lernt ihr immer mehr, dass man viele problematische Aspekte der Universumsverwaltung erst dann verstehen kann, wenn man bedeutendere erfahrungsmäßige Fähigkeiten erworben hat und zu einer höheren geistigen Schau gelangt ist. Kosmische Weisheit ist wesentliche Voraussetzung zum Verständnis kosmischer Situationen. [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter, der die erste in den Universen der Zeit in einem System ausgebrochene Rebellion durchmachte, fortlebte, und jetzt der Superuniversumsregierung von Orvonton zugeteilt ist und diese Materie auf Ersuchen Gabriels von Salvington behandelt.] ****** Kapitel 55 Die Sphären des Lichts und Lebens ****** DAS Zeitalter des Lichts und Lebens ist das von der Evolution angesteuerte und erreichte Ziel einer Welt von Zeit und Raum. Seit den frühen Zeiten des primitiven Menschen hat solch eine bewohnte Welt die aufeinander folgenden planetarischen Zeitalter durchlaufen - die vor und nach dem Planetarischen Fürsten liegenden Zeitalter, das nach-adamische Zeitalter, das Zeitalter nach dem Richtersohn und das Zeitalter nach dem Sohn der Selbsthingabe. Hierauf wird die Welt durch die aufeinander folgenden Sendungen der Lehrersöhne der Trinität mit ihren immer weiterreichenden Offenbarungen göttlicher Wahrheit und kosmischer Weisheit auf den Gipfel evolutionären Vollbringens vorbereitet, auf den fest verankerten Status des Lichts und Lebens. Die Lehrersöhne erfreuen sich bei ihren Bemühungen um Herbeiführung des planetarischen Endzeitalters immer der Unterstützung der Leuchtenden Abendsterne und manchmal auch der Melchisedeks. Die Ära des Lichts und Lebens, welche die Lehrersöhne am Ende ihrer letzten planetarischen Mission eröffnen, dauert auf den bewohnten Welten endlos weiter. Auch wenn jede fortschreitende Phase des verankerten Status durch die Gerichtshandlungen der Richtersöhne in eine Folge von Dispensationen unterteilt wird, sind all diese Gerichtshandlungen rein technischer Natur und verändern den Lauf der planetarischen Ereignisse in keiner Weise. Einzig jene Planeten, die ihre Existenz in den Hauptkreisläufen der Superuniversen beginnen, sind eines ständigen Fortlebens sicher, aber soviel wir wissen, sind die im Licht und Leben verankerten Welten bestimmt, durch die ewigen Zeitalter der ganzen zukünftigen Zeit hindurch weiterzudauern. Es gibt in der Entfaltung der Ära des Lichts und Lebens auf einer evolutionären Welt sieben Stadien, und in diesem Zusammenhang sollte bemerkt werden, dass die Welten der mit dem Geist fusionierten Sterblichen sich nach denselben Richtlinien entwickeln wie diejenigen der Serie mit Justiererfusion. Und dies sind die sieben Stadien des Lichts und Lebens: 1. Das erste oder planetarische Stadium. 2. Das zweite oder Stadium des Systems. 3. Das dritte oder Stadium der Konstellation. 4. Das vierte oder Stadium des Lokaluniversums. 5. Das fünfte oder Stadium des Kleinen Sektors. 6. Das sechste oder Stadium des Großen Sektors. 7. Das siebente oder Stadium des Superuniversums. Am Ende dieser Schrift werden dieselben Stadien fortgeschrittener Entwicklung in ihrer Beziehung zur Universumsorganisation beschrieben; aber die planetarischen Werte jedes Stadiums können von jeder Welt erreicht werden, ganz unabhängig von der Entwicklung anderer Welten oder überplanetarischer Ebenen der Universumsverwaltung. ***** 55.1 Der morontielle Tempel ***** Die Gegenwart eines morontiellen Tempels in der Hauptstadt einer bewohnten Welt ist die Bescheinigung des Eintritts dieser Sphäre in die stabilen Zeitalter des Lichts und Lebens. Bevor die Lehrersöhne eine Welt am Ende ihrer abschließenden Mission verlassen, weihen sie diese Schlussepoche evolutionären Vollbringens ein; sie führen den Vorsitz an dem Tag, da der "heilige Tempel auf die Erde herabkommt". Dieses Ereignis, das die Morgenröte der Ära des Lichts und Lebens bedeutet, wird immer durch die persönliche Anwesenheit des Paradies-Sohnes der Selbsthingabe des Planeten geehrt, der kommt, um Zeuge des großen Tages zu werden. Hier in diesem Tempel von unvergleichlicher Schönheit proklamiert der Paradies-Sohn der Selbsthingabe den seit langem amtierenden Planetarischen Fürsten zum neuen Planetarischen Souverän und stattet diesen treuen Lanonandek-Sohn mit neuer Machtfülle und zusätzlicher Autorität in planetarischen Angelegenheiten aus. Der Souverän des Systems ist ebenfalls anwesend und ergreift das Wort, um diese Erklärungen zu bestätigen. Ein morontieller Tempel hat drei Teile: Ganz in der Mitte befindet sich das Heiligtum des Paradies-Sohnes der Selbsthingabe. Zur Rechten befindet sich der Sitz des vormaligen Planetarischen Fürsten und jetzigen Planetarischen Souveräns; wenn dieser Lanonandek-Sohn im Tempel anwesend ist, ist er für die vergeistigteren Wesen der Welt sichtbar. Zur Linken befindet sich der Sitz des amtierenden Oberhauptes der dem Planeten zugeteilten Finalisten. Obwohl von den planetarischen Tempeln gesagt worden ist, sie "kämen vom Himmel herab", wird in Wirklichkeit kein Material vom Systemhauptsitz hertransportiert. Die Architektur jedes Tempels wird auf der Systemkapitale im Kleinen ausgeführt, und danach bringen die Morontiel-len Machtüberwacher die genehmigten Pläne auf den Planeten. Und hier machen sie sich nach genauen Vorschriften gemeinsam mit den Physischen Hauptüberwachern an den Bau des morontiellen Tempels. Ein durchschnittlicher morontieller Tempel bietet Sitzgelegenheit für rund dreihunderttausend Zuschauer. Diese Gebäude dienen weder Anbetungs- oder Spielzwecken noch dem Empfang von Fernmeldungen; sie sind für die besonderen Zeremonien des Planeten bestimmt wie: Verbindungen mit dem Souverän des Systems oder mit den Allerhöchsten, besondere Zeremonien der Sichtbarmachung, die die persönliche Gegenwart von Geistwesen offenbaren, oder schweigende kosmische Kontemplation. Hier führen die Schulen für kosmische Philosophie ihre Graduierungsübungen durch, und ebenfalls hier wird den Sterblichen der Welt die planetarische Anerkennung für ihre hohen Leistungen auf sozialem Gebiet oder für andere hervorragende Werke zuteil. Der morontielle Tempel dient auch als Versammlungsort, um der Entrückung lebender Sterblicher in die morontielle Existenz beizuwohnen. Weil der Tempel der Entrückung aus morontiellem Material besteht, wird er durch die strahlende Herrlichkeit des verzehrenden Feuers nicht zerstört, das den physischen Körper der Sterblichen, die ihre endgültige Fusion mit dem göttlichen Justierer erleben, so vollkommen vernichtet. Auf einer großen Welt ist dieses Abschieds-Aufleuchten beinah ununterbrochen, und mit der Zunahme der Entrückungen werden in verschiedenen Planetengegenden zusätzliche morontielle Heiligtümer des Lebens errichtet. Vor nicht langer Zeit weilte ich auf einer Welt weit im Norden, auf der fünfundzwanzig morontielle Heiligtümer funktionierten. Auf noch nicht im Licht und Leben verankerten Planeten ohne morontielle Tempel finden diese Fusionsblitze manchmal in der planetarischen Atmosphäre statt, in die hinauf der materielle Körper des zu Entrückenden durch die Mittler-Geschöpfe und die physischen Überwacher gehoben wird. ***** 55.2 Tod und Entrückung ***** Der natürliche physische Tod ist für die Menschen nichts Unvermeidliches. Die fortgeschrittenen evolutionären Wesen, Bürger der Endära des Lichts und Lebens, sterben in ihrer Mehrzahl nicht; sie werden direkt aus dem irdischen Leben in die morontielle Existenz entrückt. Diese Erfahrung der Entrückung aus dem materiellen Leben in den morontiellen Zustand - die Fusion der unsterblichen Seele mit dem innewohnenden Justierer - nimmt an Häufigkeit im Maße des evolutionären Fortschritts des Planeten zu. Zuerst erreichen in jedem Zeitalter nur einige wenige Sterbliche die zur Entrückung erforderlichen Ebenen geistigen Fortschritts, aber mit dem Beginn der aufeinander folgenden Zeitalter der Lehrersöhne ereignen sich immer mehr Fusionen mit dem Justierer, bevor das immer länger dauernde Leben dieser fortgeschrittenen Sterblichen zu Ende geht; und bis zur Zeit der Endmission der Lehrersöhne ist etwa ein Viertel dieser prächtigen Sterblichen vom Tod befreit. In der späteren Ära des Lichts und Lebens spüren die Mittler-Geschöpfe oder ihre Mitarbeiter, wenn sich ihr Schützling dem Zustand einer wahrscheinlichen Vereinigung der Seele mit dem Justierer nähert, und lassen es die Schicksalshüter wissen, die ihrerseits die Finalistengruppe, welcher der Sterbliche unterstellt ist, darüber unterrichten; darauf ergeht an diesen ein Aufruf des Planetarischen Souveräns, all seine planetarischen Bindungen zu lösen, sich von seiner Heimatwelt zu verabschieden und zum inneren Tempel des Planetarischen Souveräns zu begeben, um dort auf den morontiellen Transit, den Entrückungsblitz, zu warten, der ihn aus dem materiellen Evolutionsreich auf die morontielle Ebene vorgeistigen Fortschritts versetzen wird. Nachdem sich die Familie, die Freunde und Arbeitskameraden eines solchen Fusionskandidaten im morontiellen Tempel eingefunden haben, verteilen sie sich rund um die zentrale Estrade, auf der die auf die Fusion Wartenden ruhen und sich nun mit ihren versammelten Freunden frei unterhalten. Zwischen beiden Gruppen bildet sich alsdann ein Kreis aus himmlischen Persönlichkeiten, um die materiellen Sterblichen vor der Wirkung der Energien zu schützen, die im Augenblick des "Lebensblitzes" auftreten, der solch einen Aufstiegskandidaten von den Fesseln des materiellen Fleisches befreit und dabei für diesen evolutionären Sterblichen genau dasselbe tut, was der Tod für jene tut, die er vom Fleisch befreit. In dem weiträumigen Tempel können sich gleichzeitig viele Anwärter auf die Fusion versammeln. Welch ein wunderschöner Anlass, wenn sich die Sterblichen in dieser Weise zusammenfinden, um dem Aufstieg ihrer Lieben in geistigen Flammen beizuwohnen, und welch ein Kontrast zu jenen früheren Zeitaltern, als die Sterblichen ihre Toten den irdischen Elementen überantworten mussten! An die Stelle der für die früheren Epochen menschlicher Entwicklung so typischen Szenen des Weinens und Wehklagens sind jetzt ekstatische Freude und sublimer Enthusiasmus getreten, wenn diese Gott kennenden Sterblichen sich vorübergehend von ihren Liebsten verabschieden und durch das geistige Feuer verzehrender Größe und aufsteigender Herrlichkeit aus ihrem Menschenkreis weggehoben werden. Auf im Licht und Leben verankerten Welten sind "Trauerfeiern" Gelegenheiten höchster Freude, tiefer Befriedigung und unaussprechlicher Hoffnung. Die Seelen dieser fortschreitenden Sterblichen sind immer stärker von Glauben, Hoffnung und Gewissheit erfüllt. Der Geist, der die um den Entrückungsschrein Versammelten durchdringt, gleicht etwa demjenigen von fröhlichen Freunden und Verwandten, die an der Diplomfeier eines ihrer Kameraden teilnehmen oder zusammenkommen, um der großen Ehrung eines der ihren beizuwohnen. Und es wäre entschieden eine große Hilfe, wenn die weniger fortgeschrittenen Sterblichen lernen könnten, den natürlichen Tod ähnlich heiteren und leichten Gemütes zu betrachten. Nach dem Fusionsblitz können die sterblichen Zuschauer nichts mehr von ihren entrückten Gefährten sehen. Die entrückten Seelen begeben sich durch Justierertransit direkt nach der Auferstehungshalle der ihnen zukommenden morontiellen Schulungswelt. Die ganze Abwicklung der Entrückung lebendiger menschlicher Wesen auf die morontiellen Welten untersteht einem Erzengel, der dem Planeten an dem Tag, da dieser in das Licht und Leben eintrat, zugeteilt wurde. Wenn eine Welt das vierte Stadium des Lichts und Lebens erreicht hat, verlassen mehr als die Hälfte der Sterblichen den Planeten durch Entrückung aus der Mitte der Sterblichen. Die Häufigkeit des Todes geht kontinuierlich zurück, aber ich kenne kein System, dessen bewohnte Welten, auch wenn seit langem im Leben verankert, vom Tod als Mittel, den Banden des Fleisches zu entrinnen, völlig frei sind. Also müssen, bis ein so hoher Grad planetarischer Entwicklung allgemein erreicht ist, die morontiellen Schulungswelten des Lokaluniversums als Sphären der Erziehung und Kultur für die sich entwickelnden morontiellen Aufsteiger weiterhin im Dienst bleiben. Die Ausmerzung des Todes ist theoretisch möglich, aber nach meinen Beobachtungen ist sie noch nie eingetreten. Vielleicht kann ein solcher Zustand in den in ferner Zukunft liegenden Zeiten der aufeinander folgenden Epochen des siebenten planetarischen Stadiums des Lichts und Lebens erreicht werden. Die entrückten Seelen der blühenden Zeitalter von verankerten Sphären brauchen die Residenzwelten nicht zu durchlaufen. Ebenso wenig halten sie sich als Studenten auf den morontiellen Welten des Systems oder der Konstellation auf. Sie durchlaufen keine einzige der früheren Etappen des morontiellen Lebens. Sie sind die alleinigen aufsteigenden Sterblichen, die den morontiellen Übergang von der materiellen Existenz zum halbgeistigen Zustand praktisch umgehen. Solche vom Sohn erfassten Sterblichen machen ihre ersten Erfahrungen der aufsteigenden Laufbahn in den Diensten der den Universumshauptsitz umgebenden Welten des Fortschritts. Und von diesen Studienwelten Salvingtons aus gehen sie als Lehrer zurück auf die Welten, die sie übersprungen haben. Danach streben sie auf dem vorgezeichneten Pfad menschlichen Aufstiegs nach innen dem Paradies entgegen. Könntet ihr doch nur einen Planeten besuchen, der sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befindet! Ihr würdet dann rasch verstehen, weshalb die aufsteigenden Sterblichen in unterschiedlicher Weise auf den Residenz- und höheren morontiellen Welten aufgenommen werden müssen. Ihr würdet augenblicklich begreifen, dass von so hoch entwickelten Sphären herkommende Wesen bereit sind, ihren Aufstieg zum Paradies viel weiter oben fortzusetzen als durchschnittliche Sterbliche, die aus gestörten und rückständigen Welten wie Urantia eintreffen. Was für eine Entwicklungsstufe menschliche Wesen vor dem Aufstieg auf die morontiellen Welten auf ihrem Planeten auch immer erreicht haben, die sieben Residenzwelten bieten ihnen reiche Gelegenheit, um als Lehrer-Studenten Erfahrung in allem zu sammeln, was sie wegen des Entwicklungsstadiums ihrer Heimatplaneten nicht hatten erleben können. Das Universum ist unfehlbar in der Anwendung dieser ausgleichenden Techniken, die sicherstellen sollen, dass kein Aufsteiger irgendetwas für seine Aufstiegserfahrung Wesentliches entbehren muss. ***** 55.3 Die goldenen Zeitalter ***** Während dieses Zeitalters des Lichts und Lebens blüht die Welt unter der väterlichen Herrschaft des Planetarischen Souveräns immer mehr auf. Die Welten schreiten jetzt unter dem Antrieb einer einzigen Sprache, einer einzigen Religion und - auf normalen Sphären - einer einzigen Rasse voran. Aber dieses Zeitalter ist nicht vollkommen. Solche Welten besitzen immer noch gut ausgerüstete Spitäler, Heime zur Krankenbetreuung. Die Probleme der Behandlung von Unfallverletzungen und unvermeidlichen Gebrechen, die den Zerfall des hohen Alters und die Störungen der Senilität begleiten, bestehen weiter. Weder ist die Krankheit gänzlich besiegt, noch sind die Tiere der Erde völlig gezähmt worden; aber solche Welten sind wie das Paradies im Vergleich zu den frühen Zeiten des primitiven Menschen vor dem Zeitalter des Planetarischen Fürsten. Wenn ihr plötzlich auf einen Planeten dieser Entwicklungsstufe versetzt werden könntet, würdet ihr eine solche Welt instinktiv als Himmel auf Erden beschreiben. Die menschliche Führung der materiellen Angelegenheiten funktioniert während dieses Zeitalters relativen Fortschritts und relativer Vollkommenheit weiter. Die öffentlichen Aktivitäten einer Welt im ersten Stadium des Lichts und Lebens, die ich kürzlich besuchte, wurden durch die Technik des Zehnten finanziert. Jeder erwachsene Arbeiter - und alle körperlich leistungsfähigen Bürger verrichteten irgendeine Arbeit - zahlte zehn Prozent seines Einkommens oder Gewinns an den Fiskus, der sie wie folgt verwendete: 1. Drei Prozent wurden für die Förderung der Wahrheit ausgegeben - für Wissenschaft, Erziehung und Philosophie. 2. Drei Prozent wurden für die Schönheit bereitgestellt - für Spiel, gesellschaftliche Freizeitaktivitäten und Kunst. 3. Drei Prozent wurden der Güte gewidmet - sozialem Dienst, Altruismus und Religion. 4. Ein Prozent ging an die Reserven der Versicherungen gegen das Risiko von Arbeitsunfähigkeit wegen Unfalls, Krankheit, hohen Alters oder unvermeidbarer Katastrophen. Die Bodenschätze dieses Planeten wurden als sozialer Besitz verwaltet, als Eigentum der Gemeinschaft. Auf dieser Welt war die Verleihung des Ordens des "höchsten Dienstes" die größte Ehre, die einem Bürger widerfahren konnte, und der einzige im morontiellen Tempel überreichte Anerkennungsgrad. Mit dieser Anerkennung wurden solche bedacht, die sich lange auf irgendeinem Gebiet übermaterieller Entdeckung oder planetarischen sozialen Dienstes hervorgetan hatten. Die Mehrzahl der sozialen und administrativen Posten wurde gemeinsam von einem Mann und einer Frau versehen. Auch der meiste Unterricht wurde gemeinsam erteilt; ebenso waren alle Vertrauensposten des Gerichtswesens mit solchen zusammenarbeitenden Paaren besetzt. Auf diesen herrlichen Welten ist die Zeit des Kindergebärens kurz bemessen. Es ist nicht glücklich, wenn zwischen den Kindern einer Familie zu große Altersabstände bestehen. Wenn ihre Geburten nahe beieinander liegen, können die Kinder viel mehr zu ihrer gegenseitigen Erziehung beitragen. Und auf diesen Welten werden sie in wunderbarer Weise geschult durch die auf Wetteifer aufbauenden Systeme begeisterten Strebens in den fortgeschrittenen Bereichen und Abteilungen verschiedenster Tätigkeiten, die auf die Meisterschaft in Wahrheit, Schönheit und Güte hinzielen. Aber keine Angst! auch diese verherrlichten Welten bergen Übles in Fülle - wirkliches und potentielles - das bei der Wahl zwischen Wahrheit und Irrtum, Gut und Böse, Sünde und Rechtschaffenheit stimulierend wirkt. Immerhin ist mit der sterblichen Existenz auf einem solch fortgeschrittenen evolutionären Planeten ein sicherer, unvermeidlicher Tribut verbunden. Wenn eine Welt sich über das dritte Stadium des Lichts und Lebens hinausentwickelt, ist allen Aufsteigern bestimmt, vor Erreichen des Kleinen Sektors auf einem Planeten, der ein früheres Evolutionsstadium durchläuft, eine zeitlich begrenzte Aufgabe zu übernehmen. Jedes der aufeinderfolgenden Zeitalter kann auf allen Gebieten planetarischen Strebens immer höhere Leistungen vorweisen. Im Eingangszeitalter des Lichts wurde die Wahrheitsoffenbarung so weit ausgedehnt, dass sie die Funktionsweise des Universums der Universen umfasste, während das Gottheitsstudium des zweiten Zeitalters versucht, sich die vielgestaltige Vorstellung von Wesen, Sendung, Wirken, Zusammenschlüssen, Ursprung und Bestimmung der Schöpfersöhne, der ersten Ebene des Siebenfachen Gottes, anzueignen. Ein recht gut im Licht und Leben verankerter Planet von der Größe Urantias besäße rund hundert untergeordnete Verwaltungszentren. Diesen stünde eine der folgenden Gruppen von qualifizierten Verwaltern vor: 1. Junge Materielle Söhne und Töchter, die vom Systemhauptsitz hergesandt wurden, um als Helfer der regierenden Adam und Eva zu wirken. 2. Die Nachkommen des halbsterblichen Mitarbeiterstabs des Planetarischen Fürsten, die auf bestimmten Welten im Hinblick auf solche und ähnliche Verantwortlichkeiten gezeugt wurden. 3. Die direkten planetarischen Nachkommen Adams und Evas. 4. Materialisierte und vermenschlichte Mittler-Geschöpfe. 5. Sterbliche Anwärter auf die Fusion mit dem Justierer, die auf ihren eigenen Wunsch hin - auf Befehl des Personifizierten Justierers und Oberhauptes seiner Ordnung im Universum - von der Entrückung ausgenommen werden, um auf dem Planeten weiterhin bestimmte wichtige administrative Stellungen bekleiden zu können. 6. Besonders ausgebildete Sterbliche aus den planetarischen Verwaltungsschulen, denen im morontiellen Tempel auch der Orden des höchsten Dienstes verliehen wurde. 7. Bestimmte durch Wahl erkorene Kommissionen von drei hochqualifizierten Bürgern, die manchmal auf Anweisung des Planetarischen Souveräns aufgrund ihrer besonderen Fähigkeit von der Bürgerschaft gewählt werden, um in diesem planetarischen Sektor eine bestimmte nützliche Aufgabe zu übernehmen. Das große Hindernis, dem sich Urantia auf dem Weg zur hohen planetarischen Bestimmung des Lichts und Lebens gegenübersieht, bilden die Probleme der Krankheit, der Degeneration, des Kriegs, der vielfarbigen Rassen und der Vielsprachigkeit. Keine evolutionäre Welt kann hoffen, sich über das erste Stadium der Verankerung im Licht und Leben hinauszuentwickeln, solange sie nicht zu einer einzigen Sprache, einer einzigen Religion und einer einzigen Philosophie gefunden hat. Die Zugehörigkeit zu einer einzigen Rasse erleichtert eine solche Leistung außerordentlich, aber die vielen Völker Urantias schließen das Erreichen höherer Stadien nicht aus. ***** 55.4 Administrative Neuanpassungen ***** In den aufeinander folgenden Stadien festgegründeter Existenz machen die bewohnten Welten wunderbare Fortschritte unter der weisen und einfühlsamen Verwaltung des Freiwilligenkorps der Finalität, jener Aufsteiger, die das Paradies erreicht haben und zurückgekommen sind, um ihren irdischen Brüdern beizustehen. Diese Finalisten arbeiten aktiv mit den Lehrersöhnen der Trinität zusammen, aber sie beginnen sich nicht eher wirklich an den Angelegenheiten einer Welt zu beteiligen, als bis der morontielle Tempel auf Erden erscheint. Nach der förmlichen Aufnahme des planetarischen Wirkens des Finalitätskorps ziehen sich die himmlischen Heerscharen mehrheitlich zurück. Aber die seraphischen Schicksalshüter versehen weiterhin ihren persönlichen Dienst bei den im Licht vorrückenden Sterblichen; tatsächlich kommen diese Engel während der ganzen Zeitalter des Lichts und Lebens in stets wachsender Zahl an, da immer größere Gruppen menschlicher Wesen während ihres planetarischen Lebens den dritten kosmischen Kreis koordinierten menschlichen Vollbringens erreichen. Das ist nur die erste der sukzessiven administrativen Anpassungen, die die Entfaltung der aufeinander folgenden Zeitalter immer strahlenderen Vollbringens begleiten, während die bewohnten Welten vom ersten zum siebenten Stadium gefestigter Existenz vorrücken. 1. Das erste Stadium des Lichts und Lebens. Eine Welt in diesem anfänglichen gefestigten Stadium wird von drei Herrschern verwaltet: a. Vom Planetarischen Souverän, dem in diesem Stadium ein Lehrersohn der Trinität als Berater zur Seite steht, höchstwahrscheinlich das Oberhaupt des letzten Korps dieser Söhne, das auf dem Planeten gewirkt hatte. b. Vom Oberhaupt des planetarischen Finalistenkorps. c. Von Adam und Eva, die zusammen als Einiger der doppelten Führerschaft des Souveränen Fürsten und des Finalisten-Oberhauptes wirken. Die erhöhten und befreiten Mittler-Geschöpfe dienen den seraphischen Hütern und den Finalisten als Interpreten. Eine der letzten Handlungen, die die Lehrersöhne der Trinität auf ihrer Endmission vornehmen, besteht darin, die Mittler der Welt zu befreien und sie zum fortgeschrittenen planetarischen Status zu befördern (oder in diesem zu bestätigen), indem sie ihnen verantwortungsvolle Stellungen in der neuen Verwaltung der gefestigten Sphäre übertragen. Im menschlichen Sehvermögen sind inzwischen derartige Veränderungen eingetreten, dass die Sterblichen jetzt ihre vormals unsichtbaren Vettern der frühen Adamischen Herrschaft erkennen können. Dies wird möglich durch die letzten Entdeckungen der Physikwissenschaft verbunden mit den erweiterten Funktionen der Physischen Hauptüberwacher. Der Systemsouverän ist befugt, die Mittler-Geschöpfe jederzeit nach dem ersten gefestigten Stadium zu entlassen, so dass sie mit Hilfe der Lebensbringer und physischen Überwacher auf der morontiellen Ebene vermenschlicht werden können und nach Empfang eines Justierers ihren Aufstieg zum Paradies in Angriff nehmen können. Im dritten und in den folgenden Zeitaltern sind einige Mittler immer noch tätig, hauptsächlich als Kontaktpersönlichkeiten für die Finalisten, aber mit jedem neuen Stadium des Lichts und Lebens ersetzen neue Ordnungen von Verbindungswesen die Mittler weitgehend; nur sehr wenige von ihnen bleiben über das vierte Lichtstadium hinaus. Das siebente Stadium erblickt das Kommen der ersten absoniten dienenden Wesen aus dem Paradies, die den Dienst gewisser Universumsgeschöpfe übernehmen. 2. Das zweite Stadium des Lichts und Lebens. Diese Epoche der Welten ist durch die Ankunft eines Lebensbringers gekennzeichnet, der zum freiwilligen Berater der planetarischen Herrscher in allen Fragen wird, welche die weiteren Anstrengungen zur Reinigung und Stabilisierung der sterblichen Rasse betreffen. Auf diese Weise nehmen die Lebensbringer aktiven Anteil an der ferneren Evolution der menschlichen Rasse - auf physischem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet. Und dann gehen sie in ihrer steuernden Tätigkeit dazu über, die menschliche Rasse noch mehr zu reinigen durch drastische Eliminierung von zurückgebliebenen fortlebenden Überresten, die über ein minderwertiges Potential intellektueller, philosophischer, kosmischer und geistiger Natur verfügen. Sie, die das Leben planen und auf einer bewohnten Welt einpflanzen, haben volle Kompetenz, die Materiellen Söhne und Töchter zu beraten, die ihrerseits über die volle und unbestrittene Autorität verfügen, die sich entwickelnde Rasse von allen schädlichen Einflüssen zu reinigen. Vom zweiten Lichtstadium eines Planeten an und während seiner ganzen folgenden Laufbahn dienen die Lehrersöhne den Finalisten als Berater. Auf solchen Missionen dienen sie als Freiwillige und nicht als Beauftragte; und sie dienen ausschließlich dem Finalistenkorps, außer die Planetarischen Adam und Eva dürften sie mit Einwilligung des Systemsouveräns als Berater in Anspruch nehmen. 3. Das dritte Stadium des Lichts und Lebens. Während dieser Epoche gelangen die bewohnten Welten zu einer neuen Würdigung der Ältesten der Tage, der zweiten Phase des Siebenfachen Gottes, und die Repräsentanten dieser Superuniversumslenker treten in eine neue Beziehung zur planetarischen Verwaltung. Mit jedem folgenden Zeitalter verankerter Existenz weitet sich das Wirkungsfeld der Finalisten aus. Es herrscht eine enge Arbeitsgemeinschaft zwischen den Finalisten, den Abendsternen (den Überengeln) und den Lehrersöhnen der Trinität. In diesem oder im nächsten Zeitalter tritt ein von einem Quartett dienender Geiste unterstützter Lehrersohn der Trinität an die Seite des aus Wahlen hervorgegangenen sterblichen Regierungschefs, der jetzt Partner des Planetarischen Souveräns bei der gemeinsamen Verwaltung der Weltangelegenheiten wird. Diese sterblichen Regierungschefs dienen während fünfundzwanzig Jahren planetarischer Zeit, und ebendiese neue Entwicklung macht es den Planetarischen Adam und Eva leicht, während der folgenden Zeitalter den Abschied von der Welt zu erlangen, der sie so lange gedient haben. Das Quartett dienender Geiste besteht aus dem seraphischen Oberhaupt der Sphäre, dem sekoraphischen Ratgeber des Superuniversums, dem Erzengel der Entrückungen und dem Omniaphen, der als persönlicher Vertreter der auf dem Systemhauptsitz stationierten Zugeteilten Wache amtet. Aber diese Berater bieten ihre Hilfe nie an, wenn man sie nicht darum angeht. 4. Das vierte Stadium des Lichts und Lebens. Die Lehrersöhne der Trinität erscheinen auf den Welten in neuen Rollen. Begleitet von ihren Helfern, den seit langem mit ihrer Ordnung verbundenen durch Geschöpfe trinitisierten Söhnen, kommen sie jetzt als freiwillige Ratgeber des Planetarischen Souveräns und seiner Mitarbeiter auf die Welten. Solche Paare - trinitisierte Paradies-Havona-Söhne und durch Aufsteiger trinitisierte Söhne - stellen unterschiedliche universelle Sichtweisen und verschiedene persönliche Erfahrungen dar, die den planetarischen Gebietern äußerst hilfreich sind. Nach diesem Zeitalter können die Planetarischen Adam und Eva den Souveränen Schöpfersohn jederzeit um Entbindung von ihren planetarischen Pflichten bitten, um mit ihrem Aufstieg zum Paradies zu beginnen; oder aber sie können weiterhin auf dem Planeten verbleiben als Leiter der neu in Erscheinung tretenden Ordnung einer immer vergeistigteren Gesellschaft fortgeschrittener Sterblicher, die sich um das Verständnis der philosophischen Lehren der Finalisten bemühen, wie die Leuchtenden Abendsterne sie ihnen auslegen. Diese sind nun den Welten zugeteilt, um paarweise mit den Sekonaphim vom Hauptsitz des Superuniversums zusammenzuarbeiten. Die Finalisten sind hauptsächlich damit beschäftigt, die neuen, übermateriellen Aktivitäten der Gesellschaft einzuweihen - soziale, kulturelle, philosophische, kosmische und geistige. Soviel wir wahrnehmen können, werden sie dieses Amt bis weit in die siebente Epoche evolutionärer Stabilität hinein ausüben, bis sie dann möglicherweise ausziehen, um im Äußeren Raum zu dienen. Wir vermuten, dass hernach absonite Wesen aus dem Paradies ihren Platz einnehmen werden. 5. Das fünfte Stadium des Lichts und Lebens. Die Neuanpassungen dieses Stadiums verankerter Existenz betreffen fast ausschließlich die physischen Bereiche und beschäftigen in erster Linie die Physischen Hauptüberwacher. 6. Das sechste Stadium des Lichts und Lebens erblickt die Entwicklung neuer Funktionen der Verstandeskreise der Welt. Kosmische Weisheit scheint zum festen Bestandteil der universalen Verstandesvergabe zu werden. 7. Das siebente Stadium des Lichts und Lebens. Schon früh in der siebenten Epoche gesellt sich zum Lehrersohn der Trinität, der den Planetarischen Souverän berät, ein von den Ältesten der Tage entsandter freiwilliger Ratgeber, und später erhalten beide noch Verstärkung durch einen dritten Ratgeber, der vom Supremen Vollzieher des Superuniversums herkommt. Während dieser Epoche, wenn nicht schon früher, werden Adam und Eva immer aus ihren planetarischen Pflichten entlassen. Wenn im Finalistenkorps ein Materieller Sohn vorhanden ist, wird er unter Umständen zum Mitarbeiter des sterblichen Regierungschefs, und manchmal ist es auch ein Melchisedek, der sich bereit erklärt, in dieser Eigenschaft zu wirken. Wenn sich unter den Finalisten ein Mittler befindet, werden alle auf dem Planeten verbliebenen Mitglieder dieser Ordnung augenblicklich befreit. Nachdem die Planetarischen Adam und Eva die Befreiung von ihrem ganze Zeitalter währenden Amt erwirkt haben, können sie folgende Laufbahnen einschlagen: 1. Sie können die Entlassung aus dem planetarischen Dienst erlangen und vom Universumshauptsitz aus unverzüglich zu ihrer Paradies-Laufbahn aufbrechen, nachdem sie am Ende ihrer morontiellen Erfahrung Gedankenjustierer erhalten haben. 2. Sehr oft empfangen die Planetarischen Adam und Eva bereits Gedankenjustierer, während sie noch auf einer im Licht verankerten Welt dienen, und gleichzeitig mit ihnen empfangen einige ihrer importierten, reinblütigen Kinder, die sich für eine Zeitlang freiwillig zum planetarischen Dienst gemeldet haben, ebenfalls Justierer. In der Folge können sie alle zusammen zum Universumssitz gehen und dort ihre Paradies-Laufbahn beginnen. 3. Die Planetarischen Adam und Eva können sich - wie dies Materielle Söhne und Töchter aus der Systemkapitale tun - dafür entscheiden, sich für einen kurzen Aufenthalt auf die midsonite Welt zu begeben, um dort ihre Justierer zu empfangen. 4. Sie können sich dafür entschließen, auf den Hauptsitz des Systems zurückzukehren, um dort eine Zeitlang am höchsten Gerichtshof ein Amt auszuüben. Nach diesem Dienst erhalten sie Justierer und beginnen mit dem Aufstieg zum Paradies. 5. Sie können wählen, von ihren administrativen Pflichten weg auf ihre Heimatwelt zurückzukehren, um dort eine Weile als Lehrer zu dienen und nachher zur Zeit ihrer Verlegung auf den Universumssitz Justierer zu erhalten. Während all dieser Epochen üben die importierten, helfenden Materiellen Söhne und Töchter auf die fortschreitende gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung einen gewaltigen Einfluss aus. Sie sind potentiell unsterblich, wenigstens bis zu dem Zeitpunkt, da sie sich entschließen, sich zu vermenschlichen, Justierer zu erhalten und zum Paradies aufzusteigen. Auf den evolutionären Welten muss sich ein Wesen vermenschlichen, um einen Gedankenjustierer zu erhalten. Alle aufsteigenden Mitglieder des Finalistenkorps der Sterblichen sind von Justierern bewohnt worden, mit welchen sie fusioniert haben, mit Ausnahme der Seraphim, und in diesen nimmt der Vater zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das Korps durch eine andere Art von Geist Wohnung. ***** 55.5 Der Höhepunkt materieller Entwicklung ***** Sterbliche Geschöpfe, die auf einer von Sünde heimgesuchten, von Schlechtigkeit beherrschten, selbstsüchtigen, isolierten Welt wie Urantia leben, können sich kaum die physische Vollkommenheit, die intellektuellen Leistungen und die geistige Entwicklung vorstellen, die für die fortgeschrittenen Epochen der Evolution auf einer von Sünde freien Sphäre kennzeichnend sind. Die fortgeschrittenen Stadien einer im Licht und Leben verankerten Welt stellen den Gipfel evolutionärer materieller Entwicklung dar. Auf diesen kultivierten Welten ist es mit dem Müßiggang und den Reibungen der früheren primitiven Zeitalter vorbei. Armut und soziale Ungleichheit haben sozusagen aufgehört, die Degeneration ist verschwunden, und selten wird Delinquenz beobachtet. Es gibt praktisch keine Geisteskrankheit mehr, und Schwachsinn ist eine Seltenheit. Wirtschaftlich, gesellschaftlich und verwaltungstechnisch befinden sich diese Welten auf einer hohen Stufe der Vervollkommnung. Wissenschaft, Kunst und Industrie blühen, und die Gesellschaft ist ein störungslos arbeitender Mechanismus, der hohe materielle, intellektuelle und kulturelle Realisierungen erlaubt. Die Industrie ist weitgehend umgestellt worden, um den höheren Zielen einer so großartigen Zivilisation gerecht werden zu können. Das wirtschaftliche Leben einer solchen Welt ist ethisch geworden. Der Krieg gehört der Geschichte an, und es gibt keine Armeen oder Polizeikräfte mehr. Die Regierung verschwindet schrittweise. Selbstbeherrschung bewirkt, dass von Menschen erlassene Gesetze hinfällig werden. Das Ausmaß ziviler Regierung und gesetzlicher Regelung steht in einem Zwischenstadium fortschreitender Zivilisation in umgekehrtem Verhältnis zur Sittlichkeit und Geistigkeit der Bürgerschaft. Die Schulen werden sehr viel besser und widmen sich der Ausbildung des Verstandes und dem Wachstum der Seele. Die Kunstzentren sind von erlesener Art und die musikalischen Organisatio-nen wunderbar. Die Tempel der Anbetung mit den ihnen angegliederten Schulen der Philosophie und erfahrungsmäßigen Religion sind Schöpfungen der Größe und Erhabenheit. Ebenso sublim in der Einfachheit ihrer künstlerischen Ausstattung sind die Freilichtstadien für Anbetungsversammlungen. Für Wettspiele, Humor und andere Phasen persönlichen oder kollektiven Vollbringens sind vielfältige und passende Einrichtungen vorhanden. Besonderes Merkmal der vom Geist des Wetteifers beherrschten Aktivitäten einer so hochkultivierten Welt sind die Anstrengungen von Einzelnen und Gruppen, in den Wissenschaften und Philosophien der Kosmologie Hervorragendes zu leisten. Literatur und Redekunst blühen, und die Sprache vermag es besser, Vorstellungen symbolisch zu erfassen und Ideen Ausdruck zu verleihen. Das Leben ist von erfrischender Einfachheit; der Mensch ist endlich dazu gelangt, einen hohen Stand mechanischer Entwicklung mit einer inspirierenden intellektuellen Leistung zu koordinieren, und er hat sie beide in den Schatten erworbener feinster Geistigkeit gestellt. Die Verfolgung des Glücks ist eine freudige und befriedigende Erfahrung. ***** 55.6 Der einzelne Sterbliche ***** Je weiter die Welten im verankerten Zustand des Lichts und Lebens fortschreiten, umso friedfertiger wird die Gesellschaft. Der Einzelne, obwohl nicht weniger unabhängig und um seine Familie bemüht, ist altruistischer und brüderlicher geworden. Auf Urantia und in eurem Zustand könnt ihr den vorgerückten Stand und die fortschrittliche Natur der erleuchteten Rassen dieser vervollkommneten Welten kaum gebührend würdigen. Diese Menschen sind die Blüte der evolutionären Rassen. Aber solche Wesen sind immer noch Sterbliche; sie fahren fort zu atmen, zu essen, zu schlafen und zu trinken. Diese große Entwicklung ist noch nicht der Himmel, aber sie gibt einen erhabenen Vorgeschmack von den göttlichen Welten auf dem Weg zum Paradies. Auf einer normalen Welt ist die biologische Tauglichkeit der sterblichen Rasse während der nachadamischen Epochen längst auf eine hohe Stufe gebracht worden; und nun geht die physische Evolution des Menschen von Zeitalter zu Zeitalter durch alle Ären des Lichts hindurch weiter. Seh- und Hörsinn erweitern sich. Die Bevölkerungszahl ist stationär geworden. Die Fortpflanzung wird entsprechend den planetarischen Erfordernissen und den angeborenen Erbanlagen gesteuert: Während dieses Zeitalters sind die Sterblichen eines Planeten in fünf bis zehn Gruppen eingeteilt, und den niedrigeren Gruppen ist erlaubt, nur halb so viele Kinder wie die höheren zu zeugen. Die fortlaufende Anhebung einer solch prachtvollen Rasse während der ganzen Ära des Lichts und Lebens ist weitgehend eine Sache selektiver Fortpflanzung jener Rasselinien, die überlegene Eigenschaften sozialer, philosophischer, kosmischer und geistiger Natur zeigen. Wie in den früheren evolutionären Epochen kommen die Justierer weiterhin zu den Sterblichen, und mit dem Vergehen der Zeitalter gelingt es diesen immer besser, mit dem ihnen innewohnenden Vaterfragment in Verbindung zu treten. Während der embryonalen, vorgeistigen Entwicklungsstadien wirken die mentalen Hilfsgeiste immer noch. Der Heilige Geist und das Amt der Engel werden mit dem Durchlaufen der sukzessiven Epochen des Lebens im Licht sogar immer wirksamer. Im vierten Stadium des Lichts und Lebens scheinen die fortgeschrittenen Sterblichen einen beträchtlichen bewussten Kontakt mit der geistigen Gegenwart des Hauptgeistes zu erfahren, dem ihr Superuniversum unterstellt ist, während die Philosophie einer solchen Welt sich auf den Versuch konzentriert, die neuen Offenbarungen über den Supremen Gott zu verstehen. Über die Hälfte der menschlichen Bewohner von Planeten dieses fortgeschrittenen Zustands werden durch Entrückung von den Lebenden weg in das morontielle Dasein versetzt. Es ist wirklich so: "Das Alte vergeht; und siehe da, alle Dinge werden neu." Wir denken, dass die physische Evolution bis zum Ende der fünften Epoche des Lichts und Lebens ihre volle Entwicklung erreicht hat. Wir stellen fest, dass die oberen Grenzen der mit dem wachsenden menschlichen Verstand verknüpften geistigen Entwicklung durch jene Stufe von mitein-ander verbundenen morontiellen Werten und kosmischen Bedeutungen bestimmt sind, auf der die Fusion mit dem Justierer eintritt. Was aber die Weisheit betrifft, so vermuten wir, obwohl wir es nicht wirklich wissen, dass intellektuelle Entwicklung und Aneignung von Weisheit nie eine Grenze haben können. Auf einer Welt des siebenten Stadiums kann Weisheit die materiellen Potentiale erschöpfen, in die morontielle Erkenntnis eintreten und schließlich sogar von absoniter Größe kosten. Wir beobachten, dass die Menschenwesen auf diesen hoch entwickelten und sich seit langem im siebenten Stadium befindenden Welten die Sprache des Lokaluniversums vollständig erlernen, bevor sie entrückt werden; und ich habe einige sehr alte Planeten besucht, auf denen Abandonter die älteren Sterblichen in der Sprache des Superuniversums unterwiesen. Und auf diesen Welten habe ich die Technik beobachtet, durch welche die absoniten Persönlichkeiten die Gegenwart der Finalisten im morontiellen Tempel offenbaren. Das ist die Geschichte des wundervollen Ziels menschlichen Strebens auf den evolutionären Welten, und all das findet statt, noch bevor die Menschenwesen ihre morontielle Laufbahn antreten. Diese ganze großartige Entwicklung ist materiellen Sterblichen schon auf den bewohnten Welten möglich, dem allerersten Stadium jener endlosen und unbegreiflichen Laufbahn des Aufstiegs zum Paradies und des Erreichens der Göttlichkeit. Aber könnt ihr euch überhaupt vorstellen, welcher Art die evolutionären Sterblichen sind, die von Welten heraufkommen, die seit langem in der siebenten Epoche des Lichts und Lebens verankert sind? Es sind solche, die direkt auf die morontiellen Welten der Lokaluniversums-Kapitale gehen, um dort mit ihrer aufsteigenden Laufbahn zu beginnen. Könnten die Sterblichen des zerrissenen Urantia doch nur diese fortgeschritteneren, seit langem im Licht und Leben verankerten Welten sehen, sie würden die Weisheit des evolutionären Schöpfungsplanes nie mehr in Zweifel ziehen. Gäbe es keine Zukunft ewigen Geschöpfesfortschritts, so würden dennoch die großartigen evolutionären Leistungen der sterblichen Rassen auf solch stabilen Welten vervollkommneten Vollbringens vollauf die Erschaffung des Menschen auf den Planeten von Zeit und Raum rechtfertigen. Wir fragen uns oft: Sollte das Große Universum die Stabilisierung im Licht und Leben erleben, wäre dann die Bestimmung seiner aufsteigenden bezaubernden Sterblichen wohl immer noch das Finalitätskorps? Aber wir wissen es nicht. ***** 55.7 Das erste oder planetarische Stadium ***** Diese Epoche dauert vom Erscheinen des morontiellen Tempels am neuen planetarischen Hauptsitz bis zu der Zeit der Verankerung des ganzen Systems im Licht und Leben. Dieses Zeitalter wird von den Lehrersöhnen der Trinität am Ende ihrer aufeinanderfolgenden Weltmissionen eröffnet, wenn der Planetarische Fürst auf Weisung und im persönlichen Beisein des Paradies-Sohnes der Selbsthingabe jener Sphäre zur Würde eines Planetarischen Souveräns erhoben wird. Gleichzeitig beginnen die Finalisten, aktiv an den planetarischen Angelegenheiten teilzunehmen. Von außen betrachtet, scheinen die wirklichen Herrscher oder Leiter einer solchen im Licht und Leben verankerten Welt der Materielle Sohn und die Materielle Tochter, die Planetarischen Adam und Eva, zu sein. Die Finalisten bleiben unsichtbar, ebenso der Fürst-Souverän, außer er befinde sich im morontiellen Tempel. Die wirklichen, eigentlichen Oberhäupter des planetarischen Regimes sind deshalb der Materielle Sohn und die Materielle Tochter. Es ist das Wissen um diese Ordnung, das der Idee von Königen und Königinnen auf allen Welten des Universums solches Ansehen verliehen hat. Und Könige und Königinnen sind unter diesen idealen Umständen ein großer Erfolg, wenn eine Welt so hohe Persönlichkeiten damit beauftragen kann, im Namen noch höherer, aber unsichtbarer Gebieter zu handeln. Wenn eure Welt dereinst diese Ära erreicht, wird ohne Zweifel Machiventa Melchisedek, jetzt stellvertretender Planetarischer Fürst von Urantia, den Sitz des Planetarischen Souveräns einnehmen; und seit langem vermutet man auf Jerusem, dass er dann von einem Sohn und einer Tochter Adams und Evas von Urantia begleitet sein wird, die jetzt auf Edentia als Mündel der Allerhöchsten Norlatiadeks zurückbehalten werden. Diese Kinder Adams könnten auf Urantia gemeinsam mit dem Melchisedek-Souverän in dieser Weise dienen, denn sie büßten vor fast 37 000 Jahren auf Urantia ihre Zeugungskraft ein, als sie ihre materiellen Körper aufgeben mussten, um nach Edentia überführt zu werden. Dieses stabile Zeitalter dauert endlos weiter, bis jeder bewohnte Planet des Systems die Ära der Stabilität erreicht hat; und dann, wenn auch die jüngste der Welten - die letzte, die zum Licht und Leben vorstößt - darin während eines Jahrtausends der Systemzeit verankert gewesen ist, tritt das ganze System in den stabilisierten Zustand ein, und die einzelnen Welten werden in die Licht- und Lebensepoche des Systems geleitet. ***** 55.8 Das zweite oder Systemstadium ***** Wenn ein ganzes System im Licht stabilisiert ist, wird eine neue Regierungsordnung eingeführt. Die Planetarischen Souveräne werden Mitglieder der Systemversammlung, und dieser neue Verwaltungskörper, der dem Vetorecht der Konstellationsväter unterworfen ist, besitzt höchste Autorität. Ein solches System bewohnter Welten regiert sich jetzt praktisch selbst. Auf der Hauptwelt wird die gesetzgebende Versammlung des Systems gegründet, in die jeder Planet zehn Vertreter entsendet. In den Systemkapitalen werden jetzt Gerichtshöfe geschaffen, und einzig Berufungen werden an den Universumssitz weiter gezogen. Mit dem Eintritt des Systems in den stabilen Zustand wird die Zugeteilte Wache, Repräsentant des Supremen Vollziehers des Superuniversums, zum freiwilligen Ratgeber des höchsten Gerichtshofes des Systems und zum eigentlichen Vorsitzenden der neuen gesetzgebenden Versammlung. Nach der Verankerung eines ganzen Systems im Licht und Leben hört das Kommen und Gehen der Systemsouveräne auf. Ein solcher Souverän bleibt jetzt für immer an der Spitze seines Systems. Hingegen wechseln die Assistenten des Souveräns wie in den früheren Zeitaltern. Während dieser Epoche der Stabilisierung kommen zum ersten Mal Midsoniter von ihren Welten beim Universumssitz, um den gesetzgebenden Versammlungen und den Schiedsgerichten als Berater zu dienen. Diese Midsoniter unternehmen auch bestimmte Anstrengungen, um in den erzieherischen Unternehmungen, die sie zusammen mit den Finalisten betreuen, neue Mota-Bedeutungen supremen Wertes einzuführen. Was die Materiellen Söhne für die sterblichen Rassen biologisch taten, das tun jetzt die midsoniten Geschöpfe für diese geeinten und verherrlichten Menschenkinder auf den ewig fortschreitenden Gebieten der Philosophie und des vergeistigten Denkens. Auf den bewohnten Welten werden die Lehrersöhne freiwillige Mitarbeiter der Finalisten, und dieselben Lehrersöhne begleiten die Finalisten auch auf die Residenzwelten, wenn diese Sphären nicht länger als abgestufte Empfangswelten benutzt werden, nachdem ein ganzes System im Licht und Leben zur Ruhe gekommen ist; wenigstens trifft das für die Zeit zu, wenn sich die ganze Konstellation so weit entwickelt hat. Aber es gibt in Nebadon keine so weit gediehenen Gruppen. Wir haben keine Erlaubnis, die Art des Wirkens der Finalisten preiszugeben, welche die einer neuen Bestimmung zugeführten Residenzwelten leiten werden. Aber wir haben euch bereits mitgeteilt, dass es in den ganzen Universen mannigfaltige Typen intelligenter Geschöpfe gibt, die in diesen Schriften nicht beschrieben worden sind. Und jetzt, da die Systeme dank den Fortschritten der sie bildenden Welten eines nach dem anderen die Lichtära betreten, kommt die Zeit, da auch das letzte System einer gegebenen Konstellation zur Stabilisierung gelangt und die Universumsverwalter - der Meistersohn, der Einiger der Tage und der Helle Morgenstern - auf der Kapitale der Konstellation eintreffen, um die Allerhöchsten zu unbeschränkten Herrschern über diese eben vervollkommnete Familie von einhundert gefestigten Systemen bewohnter Welten auszurufen. ***** 55.9 Das dritte oder Stadium der Konstellation ***** Die Einigung einer ganzen Konstellation stabilisierter Systeme geht mit einer Neuverteilung der Regierungsautorität und mit Neuanpassungen in der Universumsverwaltung einher. Diese Epoche wird Zeuge von hoch entwickelten Leistungen auf jeder bewohnten Welt, aber ihr besonderes Kennzeichen sind Neuausrichtungen am Konstellationshauptsitz, indem sich sowohl die Beziehungen mit den Systemlenkern wie mit der Regierung des Lokaluniversums bedeutend verändern. Während dieses Zeitalters werden viele Konstellations- und Universumsaktivitäten auf die Systemkapitalen verlegt, und die Repräsentanten des Superuniversums treten in neue und innigere Beziehungen zu den Lenkern der Planeten, Systeme und Universen. Gleichzeitig mit dem Entstehen dieser neuen Verbindungen lassen sich gewisse Superuniversumsverwalter als freiwillige Berater der Allerhöchsten Väter in der Konstellationskapitale nieder. Wenn eine Konstellation in dieser Weise im Licht verankert ist, hört die legislative Funktion auf, und an ihre Stelle tritt die von den Allerhöchsten geleitete Versammlung der Systemsouveräne. Zum ersten Mal verkehren diese Gruppen jetzt direkt mit der Regierung des Superuniversums in Angelegenheiten, die Havona und das Paradies betreffen. Im Übrigen bleibt die Konstellation wie zuvor mit dem Lokaluniversum verbunden. Von einem Stadium des Lebens im Licht zum anderen fahren die Univitatia fort, die morontiellen Welten der Konstellation zu verwalten. Mit dem Vergehen der Zeitalter übernehmen die Konstellationsväter immer mehr einzelne administrative oder Regierungsfunktionen, die zuvor in der Universumskapitale konzentriert gewesen waren. Wenn solche geeinten Konstellationen das sechste Stadium der Stabilisierung erreichen, sind sie in eine Position beinah vollkommener Autonomie gelangt. Der Eintritt in das siebente Lichtstadium wird ohne Zweifel die Erhebung dieser Herrscher zur wahren Würde erleben, die ihr Name "die Allerhöchsten" bedeutet. Die Konstellation wird dann praktisch direkt mit den Lenkern des Superuniversums verkehren, während sich die Regierung des Lokaluniversums erweitern wird, um die Verantwortung für neue Verpflichtungen im Großen Universum zu übernehmen. ***** 55.10 Das vierte oder Stadium des Lokaluniversums ***** Wenn ein ganzes Universum ins Licht und Leben eingeht, wird es bald einmal in die bestehenden superuniversellen Kreisläufe eingeschaltet, und die Ältesten der Tage verkünden die Bildung des supremen Rates unbeschränkter Autorität. Dieser neue regierende Körper besteht aus den hundert Getreuen der Tage, denen der Einiger der Tage vorsteht, und die erste Handlung dieses supremen Rates ist die Anerkennung der fortgesetzten Souveränität des Meister- und Schöpfersohnes. An der Universumsverwaltung durch Gabriel und den Melchisedek-Vater ändert sich nichts. Der Rat unbeschränkter Autorität beschäftigt sich vor allem mit den neuen Problemen und neuen Bedingungen, die sich aus dem vorgerückten Status des Lichts und Lebens ergeben. Der Assoziierte Inspektor mobilisiert jetzt alle Zugeteilten Wachen, um das Stabilisierungskorps des Lokaluniversums zu bilden und ersucht den Melchisedek-Vater, mit ihm zusammen dessen Leitung zu übernehmen. Und nun wird dem Dienst des Einigers der Tage zum ersten Mal ein Korps von Inspirierten Geisten der Trinität zugeteilt. Mit der Konsolidierung eines ganzen Lokaluniversums im Licht und Leben beginnt eine tief greifende Neuordnung des gesamten Verwaltungsplans von den einzelnen bewohnten Welten bis zum Universumssitz. Zu den Systemen und Konstellationen hinunter werden neue Beziehungen hergestellt. Der Muttergeist des Lokaluniversums erfährt, wie sich ihre Beziehung zum Hauptgeist des Superuniversums um neue Verbindungen bereichert, und Gabriel stellt einen direkten Kontakt zu den Ältesten der Tage her, um bei Abwesenheit des Meistersohnes von der Hauptsitzwelt voll handlungsfähig zu bleiben. Während dieses und der folgenden Zeitalter üben die Richtersöhne weiterhin ihre Funktion als Dispensationsrichter aus, während hundert dieser Avonal-Söhne des Paradieses in der Universumskapitale den hohen Rat des Hellen Morgensterns bilden. Später und auf Ersuchen der Systemsouveräne wird je einer dieser Richtersöhne höchster Ratgeber mit Sitz auf der Hauptwelt jedes Lokalsystems, bis das siebente Stadium der Einheit erreicht ist. Während dieser Epoche dienen die Lehrersöhne der Trinität nicht nur den Planetarischen Souveränen als Ratgeber, sondern in Dreiergruppen ebenfalls den Konstellationsvätern. Und endlich finden diese Söhne auch ihren Platz im Lokaluniversum, denn zu dieser Zeit werden sie aus dem Zuständigkeitsbereich der Lokalschöpfung entlassen und dem Dienst des supremen Rates unbeschränkter Autorität zugeteilt. Zum ersten Mal anerkennt jetzt das Finalistenkorps die Zuständigkeit einer ausserparadiesischen Autorität, nämlich diejenige des supremen Rates. Bis dahin hatten die Finalisten diesseits des Paradieses keine Aufsicht anerkannt. Die Schöpfersöhne solcher im Licht beheimateter Universen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit im Paradies und auf dessen Beiwelten und indem sie den zahlreichen Finalistengruppen, die überall in der Lokalschöpfung dienen, mit Rat zur Seite stehen. Dadurch findet die Menschennatur eines Michaels reichere Gelegenheit zu brüderlichem Zusammengehen mit den verherrlichten Finalisten-Sterblichen. Vermutungen über die Funktion der Schöpfersöhne im Zusammenhang mit den äußeren Universen sind ganz und gar müßig. Aber wir alle ergehen uns von Zeit zu Zeit in solchen Spekulationen. Mit Erreichen dieses vierten Entwicklungsstadiums wird der Schöpfersohn in administrativer Hinsicht frei; die Göttliche Ministerin vermischt ihr Wirken immer mehr mit demjenigen des superuniversellen Hauptgeistes und des Unendlichen Geistes. Es scheint sich eine neue und sublime Beziehung zwischen dem Schöpfersohn, dem Schöpferischen Geist, den Abendsternen, den Lehrersöhnen und dem stets wachsenden Finalistenkorps zu entwickeln. Wenn Michael je einmal Nebadon verlassen sollte, würde Gabriel ohne Zweifel zum obersten Verwalter mit dem Melchisedek-Vater als seinem Mitarbeiter. Zur selben Zeit würde allen Ordnungen von Dauerbürgern wie Materiellen Söhnen, Univitatia, Midsonitern, Susatia und mit dem Geist fusionierten Sterblichen ein neuer Status verliehen. Aber solange die Evolution weitergeht, werden die Seraphim und die Erzengel in der Universumsadministration gebraucht werden. Hingegen sind wir von der Richtigkeit zweier unserer Mutmaßungen überzeugt: Wenn die Schöpfersöhne wirklich für die äußeren Universen bestimmt sind, werden die Göttlichen Ministerinnen sie zweifelsohne dahin begleiten. Ebenso sicher sind wir, dass die Melchisedeks in ihren Heimatuniversen bleiben werden. Wir halten dafür, dass die Melchisedeks bestimmt sind, in Regierung und Verwaltung der Lokaluniversen immer verantwortungsschwerere Rollen zu übernehmen. ***** 55.11 Die Stadien des Kleinen und Grossen Sektors ***** Die Kleinen und Großen Sektoren des Superuniversums sind im Plan der Verankerung im Licht und Leben nicht direkt enthalten. Eine solche evolutionäre Entfaltung bezieht sich in erster Linie auf das Lokaluniversum als Einheit und betrifft nur die Komponenten dieses Lokaluniversums. Ein Superuniversum ist im Licht und Leben verankert, wenn alle Lokaluniversen, aus denen es sich zusammensetzt, zu dieser Vollkommenheit gelangt sind. Aber nicht eines der sieben Superuniversen hat auch nur annähernd eine solche Entwicklungsstufe erreicht. Das Zeitalter des Kleinen Sektors. Soweit die Beobachtungen reichen, hat das fünfte Stabilisierungsstadium, dasjenige des Kleinen Sektors, allein mit dem physischen Status zu tun und mit der koordinierten Verankerung der hundert miteinander verbundenen Lokaluniversen in den bestehenden Kreisläufen des Superuniversums. Es scheint, dass außer den Machtzentren und ihren Mitarbeitern niemand von dieser Neuausrichtung der materiellen Schöpfung betroffen ist. Das Zeitalter des Großen Sektors. Was das sechste Stadium oder dasjenige der Stabilisierung des Großen Sektors anbelangt, sind wir nur auf Vermutungen angewiesen, denn keiner von uns hat je ein solches Ereignis erlebt. Trotzdem können wir hinsichtlich administrativer und anderer Neuanpassungen vieles postulieren, was wahrscheinlich einen derart fortgeschrittenen Status bewohnter Welten und ihrer Universumsgruppierungen begleiten würde. Aus der Tatsache, dass der Status des Kleinen Sektors mit koordiniertem physischem Gleichgewicht zu tun hat, schließen wir, dass die Einigung des Großen Sektors sich auf bestimmte neue intellektuelle Ebenen des Vollbringens beziehen wird, möglicherweise auf weit fortgeschrittene Leistungen in der supremen Verwirklichung kosmischer Weisheit. Wir gelangen zu solchen Schlüssen bezüglich der Neuanpassungen, die wohl die Verwirklichung von bislang unerreichten Ebenen evolutionären Fortschritts begleiten würden, indem wir die Ergebnisse ebensolcher Vollbringungen auf individuellen Welten und in der Erfahrung von individuellen Sterblichen beobachten, die auf solchen älteren und hoch entwickelten Sphären wohnen. Lasst uns klar machen, dass die Verwaltungsmechanismen und Regierungstechniken eines Universums oder Superuniversums die evolutionäre Entwicklung oder den geistigen Fortschritt eines einzelnen bewohnten Planeten oder irgendeines einzelnen, eine solche Sphäre bewohnenden Sterblichen in keiner Weise beschränken oder aufhalten können. In einigen der älteren Universen finden wir Welten, die im fünften und sechsten Stadium des Lichts und Lebens ruhen - die in der siebenten Epoche sogar schon weit vorgerückt sind - deren Lokalsysteme aber noch nicht im Licht stabilisiert sind. Jüngere Planeten mögen die Einigung des Systems hinauszögern, aber das hindert den Fortschritt einer älteren und fortgeschrittenen Welt nicht im Geringsten. Ebenso wenig können umweltbedingte Begrenzungen - auch auf einer isolierten Welt nicht - das persönliche Vollbringen irgendeines individuellen Sterblichen aufhalten; Jesus von Nazareth hat vor über neunzehnhundert Jahren auf Urantia als ein Mensch unter Menschen den Status des Lichts und Lebens erreicht. Durch die Beobachtung dessen, was auf Welten geschieht, die seit langem im Licht Leben verankert sind, gelangen wir zu recht zuverlässigen Schlüssen hinsichtlich dessen, was eintreten wird, wenn ein ganzes Superuniversum im Licht ruhen wird, selbst wenn wir das Ereignis der Stabilisierung der sieben Superuniversen nicht mit Sicherheit als gegeben annehmen können. ***** 55.12 Das siebente oder Stadium des Superuniversums ***** Wir können nicht bestimmt voraussagen, was geschehen würde, wenn ein Superuniversum im Licht verankert würde, weil ein solches Ereignis noch nie eingetreten ist. Den Lehren der Melchisedeks, denen nie widersprochen worden ist, entnehmen wir, dass in der gesamten Organisation und Verwaltung jeder Schöpfungseinheit von Zeit und Raum, von den bewohnten Welten bis hinauf zum Hauptsitz des Superuniversums, radikale Änderungen vorgenommen würden. Es wird allgemein angenommen, dass es den sonst wie ungebundenen, durch Geschöpfe trinitisierten Söhnen in großer Zahl bestimmt ist, am Hauptsitz und in den Unterkapitalen des Superuniversums versammelt zu werden, vielleicht in Vorwegnahme der dereinstigen Ankunft von Wesen aus dem Äußeren Raum auf ihrem Weg nach Havona und dem Paradies; aber wir wissen es wirklich nicht. Sollte ein Superuniversum im Licht und Leben verankert werden, würden unserer Meinung nach die jetzt als Berater wirkenden Uneingeschränkten Überwacher des Supremen zum hohen administrativen Körper am Hauptsitz des Superuniversums werden. Das sind jene Persönlichkeiten, die fähig sind, direkt mit den absoniten Verwaltern in Verbindung zu treten, die von diesem Zeitpunkt an im stabilisierten Superuniversum aktiv würden. Obwohl die Uneingeschränkten Überwacher seit langem in den fortgeschrittenen evolutionären Einheiten der Schöpfung als Berater wirken, übernehmen sie keine administrative Verantwortung, bevor die Autorität des Supremen Wesens souverän geworden ist. Die Uneingeschränkten Überwacher des Supremen, die während dieser Epoche verstärkt wirken, sind weder endlich, noch absonit, ultim oder unendlich; sie sind Suprematie und verkörpern nur den Supremen Gott. Sie sind die Personifizierung der Suprematie von Zeit und Raum und wirken deshalb nicht in Havona. Sie wirken nur als supreme Einiger. Sie sind vielleicht an der Technik der universellen Reflexivität beteiligt, aber wir sind dessen nicht sicher. Keiner von uns hat eine befriedigende Vorstellung von dem, was geschehen wird, wenn das Große Universum (die sieben von Havona abhängigen Superuniversen) vollständig im Licht und Leben ruhen wird. Dieses Ereignis wird zweifelsfrei in den Annalen der Ewigkeit seit Erscheinen des Zentraluniversums das tiefstschürfende Geschehen sein. Es gibt welche, die die Ansicht vertreten, dass das Supreme Wesen selber aus dem seine Geistperson umhüllenden Mysterium Havonas heraustreten und sich auf der Hauptwelt des siebenten Superuniversums als allmächtiger und erfahrungsmäßiger Souverän der vervollkommneten Schöpfungen von Zeit und Raum niederlassen wird. Aber wir wissen es wirklich nicht. [Dargeboten von einem Mächtigen Botschafter, der vorübergehend dem Rat der Erzengel Urantias zugeteilt ist.] ****** Kapitel 56 Universale Einheit ****** GOTT ist Einheit. Die Gottheit ist auf universale Weise koordiniert. Das Universum der Universen ist ein einziger gewaltiger, integrierter Mechanismus, der durch einen einzigen unendlichen Verstand absolut kontrolliert wird. Die physischen, intellektuellen und geistigen Bereiche der universalen Schöpfung sind auf göttliche Weise miteinander verbunden. Das Vollkommene und das Unvollkommene stehen in der Tat in wechselseitiger Beziehung, und deshalb kann das endliche evolutionäre Geschöpf zum Paradies aufsteigen in Befolgung des Gebots des Universalen Vaters: "Seid vollkommen, so wie ich vollkommen bin." Die verschiedenen Schöpfungsebenen sind in den Plänen und in der Verwaltung der Architekten des Alluniversums alle geeint. Für den begrenzten Verstand der Sterblichen von Zeit und Raum mag das Universum viele Probleme und Situationen bieten, die von Disharmonie zu zeugen und auf eine Abwesenheit wirksamer Koordination hinzudeuten scheinen; aber diejenigen von uns, die fähig sind, universelle Phänomene über weitere Strecken hin zu verfolgen, und in der Kunst erfahren sind, die der schöpferischen Vielfalt zugrunde liegende Einheit aufzuspüren und die eine Göttlichkeit zu entdecken, die all dieses Wirken der Vielheit überwölbt, erkennen besser das göttliche, einzige Vorhaben, das sich in all diesen mannigfachen Äußerungen der universalen schöpferischen Energie kundgibt. ***** 56.1 Physische Koordination ***** Die physische oder materielle Schöpfung ist nicht unendlich, aber sie ist vollkommen koordiniert. Es gibt wohl Kraft, Energie und Macht, aber sie haben alle einen einzigen Ursprung. Die sieben Superuniversen sind anscheinend zweifacher Natur; das Zentraluniversum ist dreieiniger Natur; aber das Paradies ist von einheitlicher Beschaffenheit. Und das Paradies ist der tatsächliche Ursprung aller materiellen Universen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Aber diese kosmische Abstammung ist ein Ewigkeits ereignis; zu keinem Zeitpunkt - ob vergangenem, gegenwärtigem oder zukünftigem - tritt der Raum oder der materielle Kosmos aus der Kerninsel des Lichts aus. Als kosmische Quelle funktioniert das Paradies vor dem Raum und vor der Zeit; deshalb würden seine Abkömmlinge in Zeit und Raum als Waisen erscheinen, verdankten sie ihr Erwachen nicht dem Eigenschaftslosen Absoluten, diesem ihrem ultimen Verwahrer im Raum und ihrem Offenbarer und Regulator in der Zeit. Das Eigenschaftslose Absolute hält das physische Universum aufrecht, während das Gottheit-Absolute den Anstoß zu der wunderbaren höchsten Kontrolle über alle materielle Realität gibt; und beide Absoluten werden funktionell durch das Universale Absolute geeint. Alle - ob materiellen, morontiellen, absoniten oder geistigen - Persönlichkeiten verstehen diese das materielle Universum zusammenhaltende Wechselbeziehung am besten, wenn sie beobachten, wie jede eindeutige materielle Realität auf die im unteren Paradies zentrierte Gravitation anspricht. Die Einigung durch die Gravitation ist universal und unveränderlich; desgleichen ist die Antwort der reinen Energie universal und unvermeidlich. Reine Energie (Urkraft) und reiner Geist befinden sich gänzlich in einem Zustand der Vor-Ansprechbarkeit auf die Gravitation. Diese uranfänglichen Kräfte, die den Absoluten innewohnen, werden durch den Universalen Vater persönlich kontrolliert; deshalb hat alle Gravitation ihren Mittelpunkt in der persönlichen Gegenwart des Paradies-Vaters reiner Energie und reinen Geistes und in seiner übermateriellen Wohnstätte. Reine Energie ist der Urahn aller relativen, nichtgeistigen funktionellen Realitäten, während reiner Geist das Potential der göttlichen, steuernden höchsten Kontrolle über alle fundamentalen Energiesysteme ist. Und beide Realitäten, die sich so vielgestaltig zeigen, wenn man sie überall im Raum und in der fließenden Zeit beobachtet, konzentrieren sich in der Person des Paradies-Vaters. In ihm sind sie eins - müssen sie geeint sein - weil Gott eins ist. Die Persönlichkeit des Vaters ist absolut geeint. In der unendlichen Natur Gottes des Vaters kann unmöglich eine zweifache Realität - wie eine physische und geistige - bestehen; aber sobald wir von den unendlichen Ebenen und von der absoluten Realität der persönlichen Werte des Paradies-Vaters wegblicken, stellen wir die Existenz dieser zwei Realitäten fest und erkennen, dass sie voll auf seine persönliche Gegenwart ansprechen; alle Dinge bestehen in ihm. In dem Augenblick, wo ihr euch vom eigenschaftslosen Konzept der unendlichen Persönlichkeit des Paradies-Vaters entfernt, müsst ihr den VERSTAND postulieren als unumgängliche Technik zur Einigung der beiden immer weiter auseinanderklaffenden universellen Kundgebungen der ursprünglichen einfachen Schöpferpersönlichkeit, des Ersten Zentralen Ursprungs - des ICH BIN. ***** 56.2 Intellektuelle Einheit ***** Der Gedanke-Vater findet seinen geistigen Ausdruck im Wort-Sohn und gelangt durch das Paradies zu einer Ausweitung der Realität in den ungeheuren materiellen Universen. Die geistigen Ausdrucksformen des Ewigen Sohnes werden mit den materiellen Schöpfungsebenen durch die Funktionen des Unendlichen Geistes verknüpft, der durch seine dem Geist gehorchende Verstandesausteilung und in seinen alles Materielle lenkenden Verstandeshandlungen die geistigen Realitäten der Gottheit wechselseitig mit den materiellen Auswirkungen der Gottheit verbindet. Der Verstand ist die funktionelle Begabung des Unendlichen Geistes; sein Potential ist deshalb unendlich, und er kann universell ausgeteilt werden. Der uranfängliche Gedanke des Universalen Vaters findet seinen doppelten ewigen Ausdruck in der Paradies-Insel und dem ihm an Gottheit Ebenbürtigen, dem geistigen und Ewigen Sohn. Eine solche Dualität der ewigen Rea-lität macht den Verstandes-Gott, den Unendlichen Geist, unvermeidlich. Der Verstand ist der unerlässliche Verbindungskanal zwischen geistigen und materiellen Realitäten. Das materielle evolutionäre Geschöpf kann sich den ihm innewohnenden Geist nur dank der Vermittlung des Verstandes vorstellen und ihn verstehen. Der unendliche und universale Verstand wird an die Universen von Zeit und Raum als kosmischer Verstand verschenkt; und obwohl sich dieser kosmische Verstand vom primitiven Amt der Hilfsgeiste bis hinauf zum wunderbaren Verstand des Regierungschefs eines Universums spannt, ist auch er in der Lenkung durch die Sieben Hauptgeiste adäquat geeint, die ihrerseits mit dem Supremen Verstand von Zeit und Raum koordiniert sind und mit dem alles umfassenden Verstand des Unendlichen Geistes in vollkommener Wechselbeziehung stehen. ***** 56.3 Geistige Einigung ***** So wie die universale Verstandesgravitation ihren Mittelpunkt im Paradies in der persönlichen Gegenwart des Unendlichen Geistes hat, so hat die universale Geistgravitation den ihren im Paradies in der persönlichen Gegenwart des Ewigen Sohnes. Der Universale Vater ist eins, aber in Zeit und Raum offenbart er sich in den doppelten Erscheinungsformen reiner Energie und reinen Geistes. Ebenso sind die geistigen Realitäten des Paradieses eins, aber in allen Situationen und Beziehungen von Zeit und Raum offenbart sich dieser einzige Geist in den beiden Phänomenen der Geistpersönlichkeiten und -emanationen des Ewigen Sohnes und der Geistpersönlichkeiten und -einflüsse des Unendlichen Geistes und mit ihm verbundener Schöpfungen; und es gibt noch ein drittes Geistphänomen - die Fragmente reinen Geistes - die vom Vater geschenkten Gedankenjustierer und anderen geistigen Wesenheiten, die allesamt vorpersönlich sind. Auf welcher Ebene universeller Aktivitäten ihr auch immer geistigen Phänomenen begegnet oder mit Geistwesen in Berührung kommt, so könnt ihr wissen, dass sie über das Wirken des Geist-Sohnes und des Unendlichen Verstand-Geistes alle von Gott stammen, der Geist ist. So wie dieser weit verbreitete Geist in seinem Wirken auf den evolutionären Welten der Zeit in Erscheinung tritt, wird er von den Hauptwelten der Lokaluniversen aus gesteuert. Von diesen Kapitalen der Schöpfersöhne kommen der Heilige Geist und der Geist der Wahrheit im Verein mit dem Wirken der mentalen Hilfsgeiste auf die niedrigeren Ebenen der sich entwickelnden materiellen Intellekte herab. Während der Verstand auf der Ebene der mit dem Supremen Wesen verbundenen Hauptgeiste und als kosmischer Verstand, der dem Absoluten Verstand untergeordnet ist, stärker geeint ist, erfährt der auf den sich entwickelnden Welten wirkende Geist eine unmittelbarere Einigung in den auf den Hauptwelten der Lokaluniversen wohnenden Persönlichkeiten und in den Personen der lenkenden Göttlichen Ministerinnen, die ihrerseits in beinah vollkommener Wechselwirkung mit dem Paradies-Gravitationskreis des Ewigen Sohnes stehen, wodurch sich die endgültige Einigung aller Geistmanifestationen in Zeit und Raum vollzieht. Vervollkommnete Geschöpfesexistenz kann erreicht, unterhalten und verewigt werden durch die Fusion des selbstbewussten Verstandes mit einem Fragment der vortrinitären Geistbegabung einer der Personen der Paradies-Trinität. Der sterbliche Verstand ist die Schöpfung der Söhne und Töchter des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes und hat, sobald er mit dem vom Vater gesandten Justierer fusioniert hat, an der dreifachen Geistbegabung der evolutionären Welten teil. Aber diese drei Ausdrucksweisen des Geistes werden erst in den Finalisten vollkommen geeint, so wie sie in der Ewigkeit im Universalen ICH BIN geeint waren, noch bevor dieses zum Universalen Vater des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes wurde. Letztlich muss der Geist immer dreifach werden, um sich auszudrücken, und muss er wieder in der Trinität geeint werden, um zu abschließender Verwirklichung zu gelangen. Der Geist entspringt einer einheitlichen Quelle, tut sich aber dreifach kund; und letzten Endes muss er seine volle Verwirklichung in jener göttlichen Einigung erreichen - und erreicht sie - welche erlebt wird, wenn man Gott in der Ewigkeit findet - wenn man mit der Göttlichkeit eins wird - und dies durch das Wirken des kosmischen Verstandes des unendlichen Ausdrucks des ewigen Wortes des universalen Gedankens des Vaters. ***** 56.4 Einigung der Persönlichkeit ***** Der Universale Vater ist eine göttlich geeinte Persönlichkeit; deshalb werden all seine aufsteigenden Kinder ebenso geeinte Persönlichkeiten sein, noch ehe sie Havona erreichen, sie, welche der Rückkehrerimpuls der Gedankenjustierer, die dem Gebot des Vaters gehorchend aus dem Paradies kamen, um materielle Sterbliche zu bewohnen, dem Paradies entgegenträgt. Es liegt im Wesen der Persönlichkeit, danach zu streben, alle Realitäten, aus denen sie besteht, zu einen. Die unendliche Persönlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs, der Universale Vater, eint in sich alle sieben die Unendlichkeit bildenden Absoluten, aus denen er besteht; und die Persönlichkeit des sterblichen Menschen, ein ausschließliches, direktes Geschenk des Universalen Vaters, besitzt in gleicher Weise das Potential zur Einigung der das sterbliche Geschöpf aufbauenden Faktoren. Diese einigende Kreativität jeder Geschöpfespersönlichkeit ist das Geburtsmal ihres hohen und ausschließlichen Ursprungs und im Übrigen ein Beweis für ihren ununterbrochenen Kontakt mit demselben Ursprung durch den Persönlichkeitskreis, über den die Geschöpfespersönlichkeit mit dem Vater aller Persönlichkeiten im Paradies einen direkten und tragenden Kontakt aufrechterhält. Obwohl Gott von den Reichen des Siebenfachen an über Suprematie und Ultimität bis hinauf zum Absoluten Gott überall in Erscheinung tritt, sorgt der Persönlichkeitskreis, der sein Zentrum im Paradies und in der Person Gottes des Vaters hat, für die vollständige und vollkommene Einigung all dieser verschiedenen Ausdrucksarten göttlicher Persönlichkeit in allen Geschöpfespersönlichkeiten auf allen Ebenen intelligenter Existenz und auf allen Welten der vollkommenen, vervollkommneten und sich vervollkommnenden Universen. Obwohl Gott für die Universen und in ihnen all das ist, was wir beschrieben haben, ist er trotzdem für euch und alle anderen Gott kennenden Geschöpfe ein einziger, euer und ihr Vater. Für die Persönlichkeit kann Gott keine Mehrzahl sein. Gott ist der Vater jedes seiner Geschöpfe, und es ist einem Kind rein unmöglich, mehr als einen Vater zu haben. Philosophisch, kosmisch und in Bezug auf unterschiedliche Manifestationsebenen und -orte könnt und müsst ihr euch notwendigerweise das Wirken mehrerer Gottheiten vorstellen und die Existenz mehrerer Trinitäten postulieren; aber in der anbetenden Erfahrung persönlichen Kontaktes jeder anbetenden Persönlichkeit im ganzen Alluniversum ist Gott einer; und diese geeinte und persönliche Gottheit ist unser Paradiesischer Erzeuger, Gott der Vater, der Spender, Bewahrer und Vater aller Persönlichkeiten, vom sterblichen Menschen auf den bewohnten Welten bis zum Ewigen Sohn auf der zentralen Insel des Lichts. ***** 56.5 Einheit der Gottheit ***** Die Einheit, die Unteilbarkeit der Paradies-Gottheit ist existentiell und absolut. Es gibt drei ewige Personifizierungen der Gottheit - den Universalen Vater, den Ewigen Sohn und den Unendlichen Geist - aber in der Paradies-Trinität sind sie tatsächlich eine einzige, ungeteilte und unteilbare Gottheit. Aus der ursprünglichen Paradies-Havona-Ebene existentieller Realität sind zwei verschiedene unterabsolute Ebenen hervorgegangen, und auf ihnen sind der Vater, der Sohn und der Geist zur Erschaffung von zahlreichen persönlichen Mitarbeitern und Untergebenen geschritten. Zwar ist es in diesem Zusammenhang unangebracht, über absonite Gottheitseinigung auf transzendenten Ebenen der Ultimität nachdenken zu wollen, aber es ist möglich, einige Aspekte der einigenden Funktion der verschiedenen Gottheitspersonifizierungen zu betrachten, in denen die Göttlichkeit sich den verschiedenen Schöpfungssektoren und den verschiedenen Ordnungen intelligenter Wesen wirkend kundtut. Das gegenwärtige Funktionieren der Göttlichkeit in den Superuniversen wird aktiv offenkundig im Wirken der Supremen Schöpfer - der Schöpfersöhne und der Schöpferischen Geiste der Lokaluniversen, der Ältesten der Tage der Superuniversen und der Sieben Hauptgeiste des Paradieses. Diese Wesen bilden die ersten drei Stufen des Siebenfachen Gottes, die nach innen zum Universalen Vater führen, und der ganze Bereich des Siebenfachen Gottes koordiniert sich auf der ersten Ebene der erfahrungsmäßigen Gottheit im sich entwickelnden Supremen Wesen. Im Paradies und im Zentraluniversum ist die Einheit der Gottheit eine existentielle Tatsache. Aber in allen sich entwickelnden Universen von Zeit und Raum ist die Einheit der Gottheit eine Vollbringung. ***** 56.6 Einigung der evolutionären Gottheit ***** Wenn die drei ewigen Personen der Gottheit als ungeteilte Gottheit in der Paradies-Trinität funktionieren, erreichen sie vollkommene Einheit; und wenn sie gemeinsam oder einzeln erschaffen, zeigen ihre paradiesischen Sprosse ebenso die charakteristische Einheit der Göttlichkeit. Und diese Göttlichkeit des Ziels, die sich in den Supremen Schöpfern und Lenkern der Reiche von Zeit und Raum manifestiert, lässt das einigende Machtpotential der Souveränität erfahrungsmäßiger Suprematie entstehen, das angesichts der unpersönlichen energetischen Einheit des Universums in der Realität eine Spannung erzeugt, welche ihre Lösung nur in einer angemessenen Einigung mit den erfahrungsmäßigen Persönlichkeitsrealitäten der erfahrungsmäßigen Gottheit finden kann. Die Persönlichkeitsrealitäten des Supremen Wesens entstammen den Paradies-Gottheiten und einigen sich auf der Pilotwelt des äußersten Kreises Havonas mit den Machtprärogativen des Allmächtigen Supremen, die der Göttlichkeit der Schöpfer des Großen Universums entsteigen. Der Supreme Gott als eine Person existierte in Havona schon vor der Erschaffung der sieben Superuniversen, aber er funktionierte nur auf geistigen Ebenen. Die Entwicklung der Allmächtigen Macht der Suprematie durch verschiedene Göttlichkeitssynthesen in den sich entwickelnden Universen hatte eine neue Machtpräsenz der Gottheit zur Folge, die sich mit der geistigen Person des Supremen in Havona durch den supremen Verstand koordinierte; dieser verwandelte sich dabei aus dem Potential, das im unendlichen Verstand des Unendlichen Geistes geruht hatte, in den aktiv funktionierenden Verstand des Supremen Wesens. Die mit einem materiellen Verstand begabten Geschöpfe der evolutionären Welten der sieben Superuniversen können die Einheit der Gottheit nur so verstehen, wie sie sich ihnen in der Entwicklung dieser Synthese von Macht und Persönlichkeit des Supremen Wesens darbietet. Auf keiner Existenzebene kann Gott über das Vorstellungsvermögen der Wesen hinausgehen, die auf dieser Ebene leben. Durch die Anerkennung der Wahrheit, die Wertschätzung der Schönheit und die Verehrung der Güte muss der sterbliche Mensch schrittweise zur Erkenntnis eines Gottes der Liebe gelangen und dann über aufsteigende Gottheitsebenen zum Verständnis des Supremen fortschreiten. Wenn die Gottheit dergestalt in Macht geeint erfasst worden ist, kann sie im Geiste personifiziert werden, damit die Geschöpfe sie verstehen und erreichen können. Während die aufsteigenden Sterblichen auf den Kapitalen der Superuniversen zum Machtverständnis des Allmächtigen und auf den äußeren Kreisen Havonas zum Persönlichkeitsverständnis des Supremen gelangen, finden sie das Supreme Wesen hingegen nicht, wie ihnen bestimmt ist, die Paradies-Gottheiten zu finden. Nicht einmal die Finalisten, Geiste des sechsten Stadiums, haben das Supreme Wesen gefunden, noch ist es wahrscheinlich, dass sie es vor Erreichen des Status des siebenten Geiststadiums finden werden und bevor der Supreme tatsächlich an den Aktivitäten der zukünftigen äußeren Universen teilnimmt. Aber wenn die Aufsteiger den Universalen Vater auf der siebenten Stufe des Siebenfachen Gottes finden, haben sie die Persönlichkeit der Ersten Person aller Gottheitsebenen persönlicher Beziehungen mit Universumsgeschöpfen erreicht. ***** 56.7 Universale evolutionäre Rückwirkungen ***** er ständige Fortschritt der Evolution in den Universen von Zeit und Raum geht mit stetig erweiterten Offenbarungen der Gottheit an alle intelligenten Geschöpfe einher. Das Erreichen des Höhepunktes evolutionärer Entwicklung auf einer Welt, in einem System, einer Konstellation, einem Universum, einem Superuniversum oder im Großen Universum gibt das Signal für entsprechende Erweiterungen der Gottheitsfunktion für diese fortgeschrittenen Schöpfungseinheiten und in ihnen. Und jeder derartige lokale Wachstumsschritt in göttlicher Verwirklichung wirkt sich in bestimmter wohldefinierter Weise auf alle anderen Sektoren der Schöpfung im Sinne einer verstärkten Gottheitsmanifestation aus. Vom Paradies nach außen stellt jede neue Domäne verwirklichter und vollbrachter Evolution eine neue und erweiterte Offenbarung der erfahrungsmäßigen Gottheit an das Universum der Universen dar. Je mehr Komponenten eines Lokaluniversums sich im Licht und Leben verankern, umso stärker tritt der Siebenfache Gott in Erscheinung. Die Evolution in Zeit und Raum beginnt auf einem Planeten mit der Kontrolle durch den ersten Ausdruck des Siebenfachen Gottes - die Partnerschaft Schöpfersohn-Schöpferischer Geist. Wenn ein System im Licht verankert wird, erreicht diese Sohn-Geist-Verbindung die Fülle ihrer Funktion; aber wenn eine ganze Konstellation in dieser Weise stabilisiert ist, wird in diesem ganzen Reich die zweite Phase des Siebenfachen Gottes aktiver. Die abgeschlossene administrative Evolution eines Lokal-universums geht einher mit neuer und direkterer Einflussnahme durch die Hauptgeiste der Superuniversen; und an diesem Punkt setzt auch jene sich immer erweiternde Offenbarung und Verwirklichung des Supremen Gottes ein, die im Erfassen des Supremen Wesens durch den Aufsteiger gipfelt, während er die Welten des sechsten Kreises Havonas durchläuft. Der Universale Vater, der Ewige Sohn und der Unendliche Geist sind für die intelligenten Geschöpfe existentielle Gottheitsmanifestationen und treten deshalb nicht in so ausgedehnte Persönlichkeitsbeziehungen mit den Verstandes-und Geistgeschöpfen der Gesamtschöpfung. Es sollte bemerkt werden, dass die aufsteigenden Sterblichen die unpersönliche Gegenwart aufeinander folgender Gottheitsebenen erfahren können, lange bevor sie genügend vergeistigt und angemessen geschult sind, um zu erfahrungsmäßiger, persönlicher Erkenntnis dieser Gottheiten als persönlicher Wesen zu gelangen und mit ihnen als solchen Kontakt zu haben. Jede neue evolutionäre Vollbringung in einem gegebenen Sektor der Schöpfung ebenso wie jede neue Invasion des Raums durch Göttlichkeitsmanifestationen geht einher mit gleichzeitigen Erweiterungen funktioneller Gottheitsoffenbarungen in den zu diesem Zeitpunkt existierenden und zuvor organisierten Einheiten der ganzen Schöpfung. Diese neue Invasion der administrativen Arbeit der Universen und der sie aufbauenden Einheiten mag manchmal scheinbar nicht genau gemäß der hier beschriebenen Technik vor sich gehen, weil es üblich ist, Verwaltergruppen vorauszuschicken, die den Weg für die späteren, sukzessiven Ären neuer administrativer Lenkung vorbereiten. Sogar der Ultime Gott wirft während der späteren Stadien eines im Licht und Leben ruhenden Lokaluniversums den Schatten seiner transzendenten höchsten Kontrolle der Universen voraus. Es ist eine Tatsache, dass man mit fortschreitender Stabilisierung des evolutionären Status der Zeit-Raum-Schöpfungen eine neue und umfassendere Funktionsweise des Supremen Gottes beobachtet, die mit einem entsprechenden Rückzug der drei ersten Erscheinungsformen des Siebenfachen Gottes einhergeht. Sollte das Große Universum eines Tages im Licht und Leben verankert werden, welcher Art mag dann wohl die zukünftige Funktion der Schöpfersöhne und Schöpferischen Töchter sein, dieser Manifestationen des Siebenfachen Gottes, wenn der Supreme Gott die direkte Kontrolle über diese Schöpfungen von Zeit und Raum übernimmt? Ist es die Bestimmung dieser Organisatoren und Pio-niere der Universen von Zeit und Raum, für ähnliche Aktivitäten im Äußeren Raum befreit zu werden? Wir wissen es nicht, aber wir stellen viele Mutmaßungen über diese und verwandte Fragen an. Im Zusammenhang mit der dereinstigen Erweiterung der Grenzen der erfahrungsmäßigen Gottheit in die Gebiete des Eigenschaftslosen Absoluten hinaus suchen wir uns die Aktivität des Siebenfachen Gottes während der früheren evolutionären Epochen dieser Schöpfungen der Zukunft vorzustellen. Wir sind nicht alle gleicher Meinung, was den zukünftigen Status der Ältesten der Tage und der Hauptgeiste des Superuniversums anbelangt. Ebenso wenig wissen wir, ob das Supreme Wesen in diesen äußeren Universen gleich funktionieren wird wie in den sieben Superuniversen. Aber wir nehmen alle an, dass die Michaele, die Schöpfersöhne, in ihnen zu wirken bestimmt sind. Einige halten dafür, dass die zukünftigen Zeitalter Zeugen einer engeren Art von Verbindung zwischen den zusammengehörigen Schöpfersöhnen und Göttlichen Ministerinnen sein werden; es ist sogar möglich, dass solch eine schöpferische Verbindung in irgendeinen neuen Ausdruck gemeinsamer Schöpferidentität ultimer Natur münden könnte. Aber tatsächlich wissen wir nichts über diese Möglichkeiten einer nicht offenbarten Zukunft. Hingegen wissen wir, dass der Siebenfache Gott in den Universen von Zeit und Raum für eine schrittweise Annäherung an den Universalen Vater sorgt und dass diese evolutionäre Annäherung erfahrungsmäßig im Supremen Gott geeint wird. Wir neigen zu der Annahme, dass dieser Plan auch in den äußeren Universen vorherrschen wird; andererseits wird es den Wesen der neuen Ordnungen, die diese Universen dereinst bewohnen mögen, vielleicht möglich sein, sich der Gottheit auf ultimen Ebenen und durch absonite Techniken zu nähern. Kurz gesagt haben wir nicht die leiseste Ahnung davon, was für eine Technik der Annäherung an Gott in den zukünftigen Universen des Äußeren Raums eingesetzt werden mag. Dennoch halten wir dafür, dass die vervollkommneten Superuniversen in irgendeiner Weise einen Teil der zum Paradies aufsteigenden Laufbahn der Wesen bilden werden, die wohl eines Tages die äußeren Schöpfungen bewohnen werden. Es ist durchaus möglich, dass wir in jenem zukünftigen Zeitalter aus dem Äußeren Raum Kommende erblicken werden, die sich Havona durch die sieben Superuniversen nähern, welche vom Supremen Gott unter Mitwirkung der Sieben Hauptgeiste oder auch ohne sie verwaltet werden. ***** 56.8 Der Supreme Einiger ***** Das Supreme Wesen erfüllt in der Erfahrung des sterblichen Menschen eine dreifache Funktion: Erstens ist es der Einiger der Gottheit von Zeit und Raum, des Siebenfachen Gottes; zweitens ist es das Maximum an Gottheit, was endliche Geschöpfe wirklich verstehen können; und drittens ist es der einzige Weg, auf dem sich der sterbliche Mensch der transzendenten Erfahrung nähern kann, mit dem absoniten Verstand, mit dem ewigen Geist und mit der Paradiesischen Persönlichkeit vertraut zu werden. Aufsteigende Finalisten, die in den Lokaluniversen geboren, in den Superuniversen aufgezogen und im Zentraluniversum geschult worden sind, besitzen in ihrer persönlichen Erfahrung das volle Potential zum Verständnis der Zeit-Raum-Göttlichkeit des sich im Supremen einigenden Siebenfachen Gottes. Die Finalisten dienen sukzessive in anderen als ihren heimatlichen Superuniversen, und häufen so Erfahrung auf Erfahrung, bis sie die Fülle der siebenfachen Andersartigkeit möglicher Geschöpfeserfahrung in sich schließen. Das Wirken des inwendigen Justierers befähigt die Finalisten dazu, den Universalen Vater zu finden, aber erst durch diese Techniken der Erfahrung gelangen sie dazu, das Supreme Wesen wirklich zu kennen, und ihre Bestimmung ist es, dieser Supremen Gottheit zu dienen und sie in den künftigen Universen des Äußeren Raumes und an diese zu offenbaren. Denkt immer daran, dass alles, was Gott der Vater und seine Paradies-Söhne für uns tun, wir unsererseits die Gelegenheit haben, im Geiste für das erwachende Supreme Wesen und in ihm zu tun. Die Erfahrung der Liebe, der Freude und des Dienstes im Universum ist eine gegenseitige. Gott der Vater hat nicht nötig, dass seine Söhne ihm alles, was er ihnen schenkt, wieder zurückgeben, aber sie verschenken es ihrerseits (wenn sie wollen) an ihre Mitmenschen und an das sich entwickelnde Supreme Wesen. Alle schöpferischen Phänomene widerspiegeln ihnen vorausgehende schöpferisch-geistige Aktivitäten. Jesus sagte - und es ist buchstäblich so- :"Der Sohn tut nur Dinge, die er den Vater tun sieht." Zu gegebener Zeit werdet ihr Sterblichen damit beginnen, euren Gefährten den Supremen zu offenbaren, und während eures Aufstiegs zum Paradies werdet ihr diese Offenbarung wohl immer mehr erweitern. Und wahrscheinlich wird euch in der Ewigkeit erlaubt werden, als Finalisten des siebenten Stadiums immer wachsende Offenbarungen dieses Gottes der evolutionären Geschöpfe auf supremen - und sogar ultimen - Ebenen zu machen. ***** 56.9 Universale Absolute Einheit ***** Das Eigenschaftslose Absolute und das Gottheit-Absolute werden im Universalen Absoluten geeint. Die Absoluten sind im Ultimen koordiniert, im Supremen bedingt und im Siebenfachen Gott durch Zeit und Raum modifiziert. Auf unterunendlichen Ebenen gibt es drei Absolute, aber in der Unendlichkeit erscheinen sie als ein einziges. Im Paradies gibt es drei Personifizierungen der Gottheit, aber in der Trinität sind sie eine einzige. Die philosophische Hauptfrage des Alluniversums ist diese: Existierte das Absolute (die drei Absoluten als eines in der Unendlichkeit) vor der Trinität? Und nimmt das Absolute gegenüber der Trinität eine Ahnenstellung ein? Oder bestand die Trinität vor dem Absoluten? Ist das Eigenschaftslose Absolute eine Kraftgegenwart, die von der Trinität unabhängig ist? Bedeutet die Gegenwart des Gottheit-Absoluten zugleich die unbegrenzte Funktion der Trinität? Und ist das Universale Absolute die letztendliche Funktion der Trinität, sogar eine Trinität von Trinitäten? Auf den ersten Blick scheint eine Vorstellung vom Absoluten als dem Ahnen aller Dinge - sogar der Trinität - vorübergehend Befriedigung zu verschaffen, weil sie der Logik und dem Anspruch philosophischer Vereinheitlichung genügt, aber jede derartige Schlussfolgerung wird durch die Tatsache der Ewigkeit der Paradies-Trinität umgestoßen. Man lehrt uns und wir glauben, dass der Universale Vater und seine Partner in der Trinität in ihrem Wesen und in ihrer Existenz ewig sind. Aber dann gibt es nur einen einzigen folgerichtigen Schluss, nämlich diesen: Das Absolute ist für alle Universumsintelligenzen die unpersönliche und koordinierte Reaktion der Trinität (der Trinitäten) auf alle grundlegenden und ursprünglichen Raumsituationen innerhalb und außerhalb der Universen. Für alle Persönlichkeitsintelligenzen des Großen Universums bleibt die Paradies-Trinität für immer letztes Ziel, Ewigkeit, Suprematie und Ultimität, und für alle praktischen Zwecke persönlichen Verständnisses und der Geschöpfesverwirklichung ist sie absolut. Wenn der Geschöpfesverstand sich dieses Problems annimmt, wird er zum letztendlichen Postulat des Universalen ICH BIN geführt als der uranfänglichen Ursache und eigenschaftslosen Quelle sowohl der Trinität als auch des Absoluten. Deshalb kehren wir in unserer Sehnsucht nach einer persönlichen Vorstellung vom Absoluten wieder zu unseren Ideen und Idealen vom Paradies-Vater zurück. Wenn wir wünschen, das Verständnis zu erleichtern oder das Bewusstsein dieses im Übrigen unpersönlichen Absoluten zu verstärken, kehren wir zu der Tatsache zurück, dass der Universale Vater der existentielle Vater absoluter Persönlichkeit ist und dass der Ewige Sohn die Absolute Person ist, wenn auch nicht die Personifizierung des Absoluten im erfahrungsmäßigen Sinne. Und dann stellen wir uns weiter vor, dass die erfahrungsmäßigen Trinitäten dereinst ihren Gipfelpunkt in der erfahrungsmäßigen Personifizierung des Gottheit-Absoluten erreichen werden, während wir das Universale Absolute so begreifen: Es stellt die universellen und außeruniversellen Phänomene der manifestierten Präsenz der unpersönlichen Aktivitäten der geeinten und koordinierten Gottheitsverbindungen von Suprematie, Ultimität und Unendlichkeit dar - der Trinität der Trinitäten. Gott der Vater kann auf allen Ebenen vom Endlichen bis zum Unendlichen erkannt werden, und obwohl seine Geschöpfe vom Paradies bis zu den evolutionären Welten ihn in verschiedener Weise wahrgenommen haben, kennen nur der Ewige Sohn und der Unendliche Geist ihn als eine Unendlichkeit. Geistige Persönlichkeit ist nur im Paradies absolut, und die Vorstellung vom Absoluten ist nur in der Unendlichkeit eigenschaftslos. Die Gottheitsgegenwart ist nur im Paradies absolut, und die Offenbarung Gottes muss immer partiell, relativ und progressiv bleiben, bis seine Macht auf dem Erfahrungsweg in der Raumpotenz des Eigenschaftslosen Absoluten unendlich wird, während seine Persönlichkeitsmanifestation in der manifestierten Gegenwart des Gottheit-Absoluten auf dem Erfahrungsweg unendlich wird und diese beiden Unendlichkeitspotentiale im Universalen Absoluten eine geeinte Realität werden. Aber jenseits unterunendlicher Ebenen sind die drei Absoluten eins, und deshalb ist die Unendlichkeit in der Gottheit Wirklichkeit, unabhängig davon, ob irgendeine andere Existenzordnung in sich je das Unendlichkeitsbewusstsein verwirklichen wird. Existentieller Status in der Ewigkeit schließt existentielles Selbstbewusstsein der Unendlichkeit in sich, auch wenn es noch einer weiteren Ewigkeit bedürfen sollte, um zu einer erfahrungsmäßigen Selbstverwirklichung der erfahrungsmäßigen Möglichkeiten zu gelangen, die einer unendlichen Ewigkeit - einer ewigen Unendlichkeit - inhärent sind. Gott der Vater ist für alle intelligenten Geschöpfe und Geistwesen des ganzen Universums der Universen die persönliche Quelle aller Kundgebungen von Gottheit und Realität. Ganz gleich, ob ihr als Persönlichkeiten es jetzt oder in den aufeinander folgenden Universumserfahrungen der ewigen Zukunft schafft, den Siebenfachen Gott zu erreichen, den Supremen Gott zu verstehen, den Ultimen Gott zu finden oder euch an die Erarbeitung einer Vorstellung vom Absoluten Gott zu wagen, ihr werdet zu eurer ewigen Zufriedenheit entdecken, dass ihr in der Erfüllung jedes Abenteuers den ewigen Gott auf immer neuen Ebenen wiederentdeckt habt - den Paradies-Vater aller Universumspersönlichkeiten. Der Universale Vater ist die Erklärung für die universale Einheit, wie sie auf supreme und sogar ultime Weise in der nachultimen Einheit absoluter Werte und Bedeutungen - in der uneingeschränkten Realität - verwirklicht werden muss. Die Haupt-Kraftorganisatoren gehen in den Raum hinaus und mobilisieren seine Energien, damit diese auf die Paradies-Anziehung des Universalen Vaters ansprechbar werden; und in der Folge kommen die Schöpfersöhne, welche diese auf die Gravitation ansprechenden Kräfte in bewohnte Universen umorganisieren, und in ihnen entwickeln sich intelligente Geschöpfe, die in sich den Geist des Paradies- Vaters empfangen und dann zum Vater aufsteigen, um ihm in allen nur möglichen Attributen der Göttlichkeit zu gleichen. Der unaufhörliche, expandierende Vormarsch der schöpferischen Kräfte des Paradieses durch den Raum lässt offenbar einen sich stets ausdehnenden Bereich des gravitationellen Zugriffs des Universalen Vaters erwarten sowie eine nie endende Zunahme von mannigfaltigen Typen intelligenter Geschöpfe, die fähig sind, Gott zu lieben und von ihm geliebt zu werden und, indem sie ihn also kennen lernen, wählen können, wie er zu werden, das Paradies zu erreichen und Gott zu finden. Das Universum der Universen ist gänzlich geeint. Gott ist eins in Macht und Persönlichkeit. Alle Energieebenen und alle Persönlichkeitsphasen sind koordiniert. Philosophisch und erfahrungsmäßig, in der Vorstellung und in der Realität, haben alle Dinge und Wesen ihr Zentrum im Paradies-Vater. Gott ist alles und in allem, und keine Dinge oder Wesen existieren ohne ihn. ***** 56.10 Wahrheit, Schönheit und Güte ***** Während die im Licht und Leben verankerten Welten vom Anfangsstadium zur siebenten Epoche fortschreiten, ringen sie schrittweise um die Bewusstwerdung der Realität des Siebenfachen Gottes, indem sie von der innigen Liebe zum Schöpfersohn bis zur Anbetung des Paradies-Vaters weitergehen. Während des ganzen fortdauernden siebenten Stadiums der Geschichte einer solchen Welt wachsen die in ständigem Fortschritt begriffenen Sterblichen in der Kenntnis des Supremen Gottes, während sie unbestimmt die Realität des darüber waltenden Ultimen Gottes wahrnehmen. Während dieses glorreichen Zeitalters ist das von den ständig vorrückenden Sterblichen verfolgte Hauptziel das Streben nach einem besseren Begreifen und einer vollkommeneren Verwirklichung der verständlichen Elemente der Gottheit - von Wahrheit, Schönheit und Güte. Das ist gleichbedeutend mit der Anstrengung des Menschen, Gott im Verstand, in der Materie und im Geist wahrzunehmen. Und während der Sterbliche in seinem Suchen fortfährt, taucht er immer tiefer in das erfahrungsmäßige Studium der Philosophie, Kosmologie und Göttlichkeit ein. Ihr erfasst die Philosophie einigermaßen, und ihr versteht die Göttlichkeit in der Anbetung, im sozialen Dienst und in der persönlichen geistigen Erfahrung, aber die Bemühungen um Schönheit - die Kosmologie - beschränkt ihr nur allzu oft auf das Studium der rohen künstlerischen Anstrengungen der Menschen. Schönheit, Kunst ist weitgehend eine Angelegenheit der Einigung von Kontrasten. Die Verschiedenheit ist ein wesentliches Element der Vorstellung von Schönheit. Die höchste Schönheit, der Gipfel endlicher Kunst ist das Drama der Einigung der ungeheuer weit auseinander liegenden kosmischen Extreme von Schöpfer und Geschöpf. Der Mensch, der Gott findet, und Gott, der den Menschen findet - das Geschöpf, das vollkommen wird, wie der Schöpfer vollkommen ist - das ist die himmlische Erfüllung supremer Schönheit - das Erreichen höchster kosmischer Kunst. Deshalb ist Materialismus, Atheismus das Äußerste an Hässlichkeit, Höhepunkt der endlichen Antithese zum Schönen. Höchste Schönheit besteht in der panoramaartigen Einigung der verschiedenen Spielarten, die der vorausexistierenden harmonischen Realität entsprungen sind. Das Erreichen kosmologischer Gedankenebenen schließt Folgendes in sich: 1. Neugier. Hunger nach Harmonie und Durst nach Schönheit. Unablässige Versuche, neue Ebenen harmonischer kosmischer Beziehungen zu entdecken. 2. Ästhetische Würdigung. Liebe zum Schönen und immer wachsende Würdigung der künstlerischen Note aller schöpferischen Kundgebungen auf allen Realitätsebenen. 3. Ethisches Feingefühl. Aufgrund der Erkenntnis des Wahren entwickelt die Würdigung des Schönen das Gefühl für die ewige Richtigkeit von Dingen, die bewirken, dass wir die göttliche Güte in den Beziehungen der Gottheit mit allen Wesen wahrnehmen; und so führt auch die Kosmologie zu der Suche nach göttlichen Realitätswerten - zum Gottesbewusstsein. Die im Licht und Leben ruhenden Welten beschäftigen sich deshalb so intensiv mit dem Verständnis von Wahrheit, Schönheit und Güte, weil diese qualitativen Werte die Offenbarung der Gottheit an die Welten von Zeit und Raum beinhalten. Die Bedeutungen ewiger Wahrheit machen einen doppelten Appell an die intellektuelle und geistige Natur des sterblichen Menschen. Universale Schönheit enthält die harmonischen Beziehungen und Rhythmen der kosmischen Schöpfung; dies ist ein in ausgesprochenerer Weise intellektueller Appell und führt zu einem geeinten und synchronen Verständnis des materiellen Universums. Göttliche Güte stellt die Offenbarung unendlicher Werte an den endlichen Verstand dar, damit dieser sie wahrnehme und bis zur äußersten Grenze der geistigen Ebene menschlichen Verständnisses emporhebe. Wahrheit ist die Basis von Wissenschaft und Philosophie, welche ihrerseits die intellektuelle Grundlage der Religion bilden. Schönheit fördert Kunst und Musik und die bedeutungsvollen Rhythmen aller menschlichen Erfahrung. Güte umfasst den Sinn für Ethik, Sittlichkeit und Religion - den erfahrungsmäßigen Hunger nach Vollkommenheit. Die Existenz von Schönheit lässt ebenso sicher auf die Anwesenheit eines für sie empfänglichen Geschöpfesverstandes schließen, wie die Tatsache fortschreitender Evolution die Dominanz des Supremen Verstandes bezeugt. Schönheit ist die intellektuelle Erkenntnis der harmonischen Zeit-Raum-Synthese der unendlich weit ausgebreiteten Diversifizierung der phänomenalen Realität, die in ihrer Gesamtheit der vorausexistierenden, ewigen Einheit entstammt. Güte ist die mentale Erkenntnis der relativen Werte der verschiedenen Ebenen göttlicher Vollkommenheit. Die Erkenntnis der Güte setzt einen sittlichen Verstand voraus, einen persönlichen Verstand mit der Fähigkeit, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Aber erst der Besitz von Güte - Größe - ist das Maß wirklichen Erreichens der Göttlichkeit. Das Erkennen von wahren Beziehungen setzt einen Verstand voraus, der zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden weiß. Der Geist der Wahrheit, der auf Urantia seit der Selbsthingabe den menschlichen Verstand umgibt, spricht unfehlbar auf die Wahrheit an - die lebendige Geistbeziehung zwischen allen Dingen und Wesen in ihrer Koordination beim ewigen Aufstieg zu Gott. Jeder Impuls jedes Elektrons, Gedankens oder Geistes ist eine im ganzen Universum wirkende Einheit. Nur Sünde ist isoliert, und das Üble widersetzt sich der Gravitation auf den mentalen und geistigen Ebenen. Das Universum ist ein Ganzes; kein Ding oder Wesen lebt in der Isolation. Selbstverwirklichung ist potentiell schlecht, wenn sie asozial ist. Es ist die reine Wahrheit: "Kein Mensch genügt sich selber." Kosmische Sozialisierung bedeutet die höchste Form von persönlicher Einigung. Jesus sagte. "Wer unter euch der Größte sein möchte, werde zum Diener aller." Selbst Wahrheit, Schönheit und Güte - die menschliche intellektuelle Annäherung an das Universum aus Verstand, Materie und Geist - müssen zusammen in eine einzige geeinte Vorstellung von einem göttlichen und supremen Ideal verflochten werden. Wie die sterbliche Persönlichkeit die menschliche Erfahrung mit der Materie, dem Verstand und dem Geist einigt, so eint sich dieses göttliche und supreme Ideal tatsächlich in der Macht der Suprematie und verpersönlicht sich dann als ein Gott väterlicher Liebe. Jede Einsicht in die Beziehungen der Teile zu irgendeinem gegebenen Ganzen verlangt ein vernünftiges Erfassen der Beziehungen von allen Teilen zu diesem Ganzen; und im Universum bedeutet das die Beziehung der erschaffenen Teile zum Schöpferischen Ganzen. Die Gottheit wird so zum transzendenten, sogar unendlichen Ziel universellen und ewigen Vollbringens. Universale Schönheit ist das Wahrnehmen des Widerscheins der Paradies-Insel in der materiellen Schöpfung, während ewige Wahrheit das besondere Amt der Paradies-Söhne ist, die sich nicht nur selber an die sterblichen Rassen hingeben, sondern auch ihren Geist der Wahrheit über alle Völker ausgießen. Göttliche Güte offenbart sich ausgesprochener im liebenden Wirken der mannigfaltigen Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. Aber Liebe, die totale Summe dieser drei Eigenschaften, ist des Menschen Wahrnehmung Gottes als seines geistigen Vaters. Physische Materie ist der Zeit-Raum-Schatten der strahlenden Paradies-Energie der absoluten Gottheiten. Wahrheitsbedeutungen sind die Rückwirkungen des ewigen Wortes der Gottheit im Intellekt der Sterblichen - das Zeit-Raum-Verständnis supremer Konzepte. Die göttlichen Werte der Güte sind das vielgestaltige barmherzige Wirken der Geistpersönlichkeiten des Universalen, des Ewigen und des Unendlichen für die endlichen Zeit-Raum-Geschöpfe der evolutionären Sphären. Diese bedeutungsvollen Realitätswerte der Göttlichkeit vermischen sich mit der Beziehung, die der Vater als göttliche Liebe zu jedem persönlichen Geschöpf unterhält. Sie sind im Sohn und in dessen Söhnen als göttliche Barmherzigkeit koordiniert. Sie offenbaren ihre Eigenschaften durch den Geist und durch dessen Geistkinder in göttlicher Fürsorge, diesem Ausdruck liebenden Erbarmens mit den Kindern der Zeit. Grundlegend werden die drei Göttlichkeiten durch das Supreme Wesen manifestiert als Macht-Persönlichkeit-Synthese. Auf verschiedene Weise werden sie durch den Siebenfachen Gott in sieben unterschiedlichen Verbindungen göttlicher Bedeutungen und Werte auf sieben aufsteigenden Ebenen zum Ausdruck gebracht. Für den endlichen Menschen umfassen Wahrheit, Schönheit und Güte die volle Offenbarung der göttlichen Realität. Wenn dieses Liebesverständnis der Gottheit im Leben von Sterblichen, die Gott kennen, seinen geistigen Ausdruck findet, reifen die Früchte der Göttlichkeit heran: intellektueller Friede, sozialer Fortschritt, sittliche Befriedigung, geistige Freude und kosmische Weisheit. Die fortgeschrittenen Sterblichen einer Welt im siebenten Stadium des Lichts und Lebens haben gelernt, dass Liebe das Größte im Universum ist - und sie wissen, dass Gott Liebe ist. Liebe ist der Wunsch, anderen Gutes zu tun. [Dargeboten von einem auf Urantia weilenden Mächtigen Botschafter auf Ersuchen des Offenbarungskorps Nebadons und in Zusammenarbeit mit einem bestimmten Melchisedek, dem stellvertretenden Planetarischen Fürsten von Urantia.] * * * * * Diese Schrift über Universale Einheit ist die fünfundzwanzigste einer Serie von Darstellungen verschiedener Autoren, die als Gruppe die Unterstützung einer Kommission genossen, welche aus zwölf der Leitung von Mantutia Melchisedek unterstellten Persönlichkeiten Nebadons bestand. Wir haben diese Schilderungen im Jahr 1934 urantianischer Zeitrechnung abgefasst und sie durch eine von unseren Vorgesetzten gebilligte Technik in die englische Sprache übertragen. ****** Part 3 Die Geschichte Urantias ****** ****** Kapitel 57 Der Ursprung Urantias ****** WENN wir für die Darstellung von Ursprung und Frühgeschichte Urantias Auszüge aus den Archiven Jerusems vorlegen, sind wir angewiesen, die Zeit in der allgemein gültigen Weise zu rechnen-nach dem Schaltjahrkalender von 365^(1)/ 4 Tagen pro Jahr. In der Regel werden wir nicht versuchen, exakte Jahreszahlen anzugeben, obwohl diese bekannt sind. Wir wählen die bessere Methode, für die historischen Fakten die nächsten runden Zahlen zu benutzen. Wenn wir uns auf ein Ereignis beziehen, das ein oder zwei Millionen Jahre zurückliegt, datieren wir das Geschehen ausgehend von den ersten Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts der christlichen Ära um diese Anzahl von Jahren zurück. Wir werden den Zeitpunkt dieser in ferner Vergangenheit liegenden Ereignisse jeweils auf Jahrtausende, Jahrmillionen und Jahrmilliarden auf- oder abrunden. ***** 57.1 Der Andronover-Nebel ***** Urantia entstand aus eurer Sonne, und eure Sonne ist einer der mannigfaltigen Abkömmlinge des Andronover-Nebels, der einst als Bestandteil der physischen Macht und materiellen Substanz des Lokaluniversums von Nebadon organisiert wurde. Und dieser große Nebel selber hatte seinen Ursprung vor sehr, sehr langer Zeit in der universalen Kraftladung des Raums des Superuniversums von Orvonton. Zu dem Zeitpunkt, da unsere Erzählung beginnt, besaßen die Primären Haupt-Kraftorganisatoren des Paradieses seit langem die völlige Kontrolle über die Raumenergien, die später als Andronover-Nebel organisiert wurden. Vor 987 000 000 000 Jahren meldete der assoziierte Kraftorganisator und damals amtierende Inspektor Nummer 811 307 der Serie von Orvonton, der sich außerhalb Uversas auf Reisen befand, den Ältesten der Tage, dass die Raumbedingungen in einem bestimmten Sektor des damals östlichen Segments von Orvonton für die Auslösung der Materialisierungsphänomene günstig seien. Die Archive Uversas bezeugen, dass vor 900 000 000 000 Jahren eine vom Rat des Gleichgewichts auf Uversa ausgestellte Bewilligung registriert wurde, welche die Entsendung eines Kraftorganisators samt Mitarbeiterstab in die zuvor durch den Inspektor Nummer 811 307 bezeichnete Region autorisierte. Die Behörde Orvontons beauftragte den ursprünglichen Entdecker dieses potentiellen Universums mit der Ausführung eines Erlasses der Ältesten der Tage, der die Organisation einer neuen materiellen Schöpfung verlangte. Die Registrierung dieser Bewilligung bedeutet, dass der Kraftorganisator und sein Stab sich von Uversa aus schon auf die lange Reise zu jenem östlichen Raumsektor begeben hatten, wo sie in der Folge mit den langwierigen Aktivitäten zu beginnen hatten, die schließlich zum Erscheinen einer neuen physischen Schöpfung in Orvonton führten. Vor 875 000 000 000 Jahren wurde der gewaltige Andronover-Nebel Nummer 876 926 ordnungsgemäß in Gang gesetzt. Einzig die Gegenwart des Kraftorganisators und seiner Verbindungsleute war vonnöten, um den Energiewirbel auszulösen, der sich schließlich zu diesem gewaltigen Raumzyklon entwickelte. Nach der Auslösung von solchen Nebelrotationen ziehen sich die lebendigen Kraftorganisatoren einfach in rechten Winkeln zu der Ebene der sich drehenden Scheibe zurück, und von da an garantieren die natürlichen Eigenschaften der Energie die allmähliche geordnete Evolution des neuen physischen Systems. Etwa zu diesem Zeitpunkt geht der Bericht über zum Wirken der Persönlichkeiten des Superuniversums. In Wahrheit beginnt die Geschichte an diesem Punkt-gerade um die Zeit, da die Kraftorganisatoren des Paradieses sich zum Rückzug anschicken, nachdem sie die Raum-Energie-Bedingungen für das Wirken der Machtlenker und physischen Überwacher des Superuniversums von Orvonton geschaffen haben. ***** 57.2 Das primäre Nebelstadium ***** Alle evolutionären materiellen Schöpfungen gehen aus kreisförmigen und gasförmigen Nebeln hervor, und all diese Primärnebel sind während des ersten Teils ihrer gasförmigen Existenz kreisförmig. Mit dem Alter werden sie gewöhnlich spiralförmig, und wenn ihre Tätigkeit der Sonnenbildung zum Abschluss gekommen ist, enden sie oft als Sternhaufen oder gewaltige Sonnen, die von Planeten, Satelliten und kleineren Materiegruppen in verschiedener Zahl umgeben sind und in mancher Hinsicht eurem eigenen winzigen Sonnensystem gleichen. Vor 800 000 000 000 Jahren war die Andronover-Schöpfung fest begründet als einer der wunderbaren Primärnebel Orvontons. Wenn die Astronomen naher Universen auf dieses Raumphänomen schauten, erblickten sie sehr wenig, was ihre Aufmerksamkeit hätte erregen können. In benachbarten Schöpfungen vorgenommene Gravitationsschätzungen ergaben, dass im Raum der Andronovergebiete Materialisierungen stattfinden mussten, aber das war alles. Vor 700 000 000 000 Jahren nahm das Andronover-System gigantische Ausmaße an, und zusätzliche physische Überwacher wurden nach neun es umringenden materiellen Schöpfungen entsandt, um die Machtzentren dieses neuen, sich so rasch entwickelnden materiellen Systems zu unterstützen und ihnen ihre Mitarbeit zu gewähren. Zu diesem fernen Zeitpunkt befand sich das gesamte für die späteren Schöpfungen bestimmte Material innerhalb der Grenzen dieses riesenhaften Raumrades, das sich ständig weiterdrehte und sich, nachdem es seinen größten Durchmesser erreicht hatte, immer schneller und schneller drehte und dabei ständig kondensierte und kontrahierte. Vor 600 000 000 000 Jahren war der Höhepunkt der Energiemobilisierungs-Periode Andronovers erreicht; der Nebel hatte seine maximale Masse erreicht. Zu dieser Zeit war er eine riesige kreisförmige Gaswolke, deren Gestalt in etwa einem abgeflachten Sphäroid glich. Das war die frühe Periode differenzierter Massebildung und unterschiedlicher Rotationsgeschwindigkeit. Die Gravitation und andere Einflüsse konnten mit ihrem Werk der Überführung der Raumgase in organisierte Materie beginnen. ***** 57.3 Das sekundäre Nebelstadium ***** Der gewaltige Nebel begann nun, allmählich Spiralform anzunehmen und wurde für die Astronomen weit entfernter Universen klar sichtbar. Dies ist die natürliche Geschichte der meisten Nebel; bevor sie anfangen, Sonnen hinauszuschleudern und sich an den Aufbau eines Universums zu machen, präsentieren sich diese sekundären Raumnebel gewöhnlich als Spiralphänomene. Als die Astronomen jener weit zurückliegenden Ära aus der Nachbarschaft diese Metamorphose des Andronover-Nebels beobachteten, sahen sie genau das, was Astronomen des zwanzigsten Jahrhunderts sehen, wenn sie ihre Teleskope raumwärts richten und im angrenzenden Äußeren Raum die Spiralnebel des gegenwärtigen Zeitalters erblicken. Um die Zeit, als das Maximum an Masse erreicht war, wurde die Gravitationskontrolle über den gasförmigen Inhalt immer schwächer, und es folgte das Stadium des Gasaustritts, wobei das Gas in zwei riesigen, getrennten Armen ausströmte, die ihren Ursprung auf entgegengesetzten Seiten der Muttermasse hatten. Die raschen Umdrehungen des gewaltigen zentralen Kerns verliehen den beiden hinausgeschleuderten Gasströmen bald ein spiralförmiges Aussehen. Abkühlung und spätere Kondensierung von Teilen dieser herausragenden Arme bewirkten schließlich ihr knotiges Erscheinungsbild. Diese dichteren Teile waren gewaltige Systeme und Untersysteme physischer Materie, die, umhüllt von der Gaswolke des Nebels, den Raum durchwirbelten, während die Gravitation des Mutterrades sie in ihrem sicheren Griff hielt. Aber der Nebel hatte begonnen, sich zusammenzuziehen, und die Erhöhung der Umdrehungszahl schwächte die Gravitationskontrolle noch mehr ab; und bald begannen die äußeren Gasregionen tatsächlich, der unmittelbaren Anziehung des Nebelkerns zu entrinnen, auf unregelmäßig verlaufenden Bahnen in den Raum hinauszuwandern und ihre Bahnen wieder mit der Rückkehr zu den Kernregionen zu beschließen, und so fort. Aber das war nur ein vorübergehendes Stadium der Nebelentwicklung. Die sich ständig erhöhende Umdrehungsgeschwindigkeit sollte bald riesige Sonnen auf unabhängige Bahnen in den Raum hinausschleudern. Und gerade das geschah in Andronover vor vielen, vielen Zeitaltern. Das Energierad wuchs und wuchs, bis es seine maximale Ausdehnung erreicht hatte, und als die Kontraktion einsetzte, drehte es sich schneller und schneller, bis schließlich das kritische zentrifugale Stadium eintrat und das große Auseinanderbersten begann. Vor 500 000 000 000 Jahren wurde in Andronover die erste Sonne geboren. Dieser flammende Blitz brach aus dem mütterlichen Gravitationsgriff aus und sauste in den Raum hinaus, einem unabhängigen Abenteuer im erschaffenen Kosmos entgegen. Seine Kreisbahn wurde durch seinen Austrittspfad bestimmt. Solch junge Sonnen nehmen rasch Kugelform an und beginnen die lange und bewegte Laufbahn als Sterne des Raums. Mit Ausnahme von Nebelkernen in der Endphase sind die Sonnen Orvontons in ihrer erdrückenden Mehrheit auf diese Weise entstanden. Diese entweichenden Sonnen durchlaufen verschiedene Perioden der Evolution und des darauf folgenden universellen Dienstes. Vor 400 000 000 000 Jahren begann die Rückeroberungsphase des Andronover-Nebels. Viele der nahen, kleinen Sonnen wurden infolge der laufenden Vergrößerung und weiteren Kondensierung des Mutterkerns diesem wiederum einverleibt. Sehr bald hob die Endphase der Nebelkondensation an, jene Periode, die immer der endgültigen Aufspaltung dieser immensen Energie- und Materieansammlungen des Raums vorausgeht. Kaum eine Million Jahre nach dieser Epoche wählte Michael von Nebadon, ein Schöpfersohn des Paradieses, diesen sich desintegrierenden Nebel zum Ort seines Abenteuers, ein Universum aufzubauen. Fast unverzüglich wurde die Errichtung der architektonischen Welten Salvingtons und der einhundert Planetengruppen der Konstellationshauptsitze in Angriff genommen. Zur Vollendung dieser Ansammlungen von eigens erschaffenen Welten wurde fast eine Million Jahre benötigt. Die Konstruktion der Hauptsitzplaneten der Lokalsysteme erstreckte sich über eine Periode, die von jener Zeit bis vor etwa fünf Milliarden Jahren dauerte. Vor 300 000 000 000 Jahren hatten sich die Sonnenbahnen Andronovers stabilisiert, und das Nebelsystem durchlief eine vorübergehende Periode relativer physischer Stabilität. Ungefähr um diese Zeit traf der Mitarbeiterstab Michaels auf Salvington ein, und die Regierung Orvontons auf Uversa erkannte die physische Existenz des Lokaluniversums von Nebadon an. Vor 200 000 000 000 Jahren erfolgte eine zunehmende Kontraktion und Kondensation mit gewaltiger Hitzeerzeugung in der zentralen Ansammlung oder Kernmasse Andronovers. Relativer Raum erschien sogar in den nahe dem zentralen Muttersonnenrad gelegenen Regionen. Die äußeren Regionen wurden stabiler und besser organisiert; einige Planeten, die die neugeborenen Sonnen umkreisten, hatten sich genügend abgekühlt, um die Ansiedlung von Leben zu gestatten. Die ältesten bewohnten Planeten Nebadons stammen aus diesen Zeiten. Jetzt beginnt der vervollständigte Universumsmechanismus Nebadons zum ersten Mal zu funktionieren, und die Schöpfung Michaels wird auf Uversa als ein bewohntes Universum mit fortschreitendem menschlichem Aufstieg registriert. Vor 100 000 000 000 Jahren war der Höhepunkt der Kondensationsspannung im Nebel, der Punkt höchster Hitzespannung, erreicht. Dieses kritische Stadium im Kampf zwischen Gravitation und Hitze kann ganze Zeitalter lang andauern, aber früher oder später erringt die Hitze den Sieg über die Gravitation, und die spektakuläre Periode der Sonnenzerstreuung beginnt. Und das bedeutet das Ende der sekundären Laufbahn eines Raumnebels. ***** 57.4 Tertiäres und quartäres Stadium ***** Das primäre Stadium eines Nebels ist kreisförmig, das sekundäre spiralförmig und das tertiäre ist dasjenige der ersten Sonnenzerstreuung, während das vierte den zweiten und letzten Zyklus der Sonnenzerstreuung umfasst, wobei der Mutterkern entweder als ein kugeliger Sternhaufen oder als einsame Sonne endet, die als Zentrum eines Sonnensystems in der Endphase funktioniert. Vor 75 000 000 000 Jahren hatte der Nebel den Höhepunkt seines Sonnenfamilienstadiums erreicht. Dies war der Gipfel der ersten Periode des Verlusts von Sonnen. Die Mehrzahl der so entstandenen Sonnen haben sich seither ausgedehnte Systeme von Planeten, Satelliten, dunklen Inseln, Kometen, Meteoriten und Wolken kosmischen Staubes zugelegt. Vor 50 000 000 000 Jahren war diese erste Periode der Sonnenzerstreuung abgeschlossen; der Nebel näherte sich rasch dem Ende des tertiären Zyklus seiner Existenz, in dessen Verlauf er 876 926 Sonnensysteme hatte entstehen lassen. Vor 25 000 000 000 Jahren war der tertiäre Zyklus des Nebellebens zu Ende, und die dem elterlichen Nebel entstammenden, weit ausgedehnten Sternsysteme organisierten sich und fanden zu relativer Stabilität. Aber der Prozess physischer Kontraktion und zunehmender Wärmeproduktion in der zentralen Masse des Nebelrests dauerte an. Vor 10 000 000 000 Jahren begann der quartäre Zyklus Andronovers. Das Temperaturmaximum in der Kernmasse war erreicht; der kritische Kondensationspunkt nahte. Der ursprüngliche Mutterkern erlitt Konvulsionen unter dem doppelten Druck seiner eigenen Spannung zwischen innerer Hitze und Kondensation und der gravitationellen Anziehung des umringenden Schwarms befreiter Sonnensysteme, die zunehmende Flutwellen verursachten. Die Kerneruptionen, die den zweiten Sonnenzyklus des Nebels einleiten sollten, standen kurz bevor. Der vierte Zyklus der Nebelexistenz sollte bald beginnen. Vor 8000 000 000 Jahren begann die ungeheuerliche Enderuption. Nur die äußeren Systeme befinden sich zum Zeitpunkt einer derartigen kosmischen Umwälzung in Sicherheit. Und das war der Anfang vom Ende des Nebels. Diese letzte Sonnenausstoßung erstreckte sich über eine Zeitspanne von fast zwei Milliarden Jahren. Vor 7000 000 000 Jahren erreichte Andronover den Höhepunkt seines Endausbruchs. Das war die Geburtsperiode der größeren letzten Sonnen und der Gipfel der lokalen physischen Störungen. Vor 6000 000 000 Jahren kam das Ende des abschließenden Auseinanderberstens, und eure Sonne wurde als sechsundfünfzigstletzte der zweiten Sonnenfamilie Andronovers geboren. Diese Enderuption des Nebelkerns gebar 136 702 Sonnen, von denen die meisten einsame Sterne sind. Die Summe aller Sonnen und Sonnensysteme, die dem Andronover-Nebel entstammen, beträgt 1 013 628. Die Sonne unseres Sonnensystems hat die Nummer 1 013 572. Jetzt gibt es den großen Andronover-Nebel nicht mehr, aber er lebt in den vielen Sonnen und ihren Planetenfamilien weiter, die ihren Ursprung in dieser Mutterwolke des Raums haben. Der schließliche Kernüberrest dieses herrlichen Nebels brennt immer noch mit rötlichem Schein weiter und fährt fort, mäßig Licht und Wärme an seine ihm verbliebene Planetenfamilie von hundertfünfundsechzig Welten abzugeben, die jetzt diese ehrwürdige Mutter zweier mächtiger Generationen von Lichtmonarchen umkreisen. ***** 57.5 Der Ursprung von Monmatia - Das Sonnensystem Urantias ***** Vor 5 000 000 000 Jahren war eure Sonne ein vergleichsweise isolierter strahlender Himmelskörper, der die meiste der in der Nähe zirkulierenden Raummaterie an sich gezogen hatte, Überreste des kürzlichen Ausbruchs, der seine eigene Geburt begleitet hatte. Heute hat eure Sonne relative Stabilität erlangt, aber die elfeinhalb Jahre dauernden Zyklen der Sonnenflecken verraten, dass sie in ihrer Jugend ein variabler Stern gewesen war. In den frühen Tagen eurer Sonne verursachten die ständige Kontraktion und die sich daraus ergebende Temperaturerhöhung an ihrer Oberfläche ungeheure Konvulsionen. Diese titanischen Wogen brauchten dreieinhalb Tage, um einen vollständigen Zyklus von wechselnder Helligkeit zu durchlaufen. Dieser variable Zustand, dieses periodische Pulsieren machte eure Sonne höchst anfällig für gewisse äußere Einflüsse, die nicht lange auf sich warten ließen. So war alles bereit für die einzigartige Entstehung von Monmatia, wie die Planetenfamilie eurer Sonne heißt, des Sonnensystems, dem eure Welt angehört. Weniger als ein Prozent der Planetensysteme Orvontons haben einen ähnlichen Ursprung. Vor 4500 000 000 Jahren begann sich das enorme Angona-System dieser einsamen Sonne zu nähern. Das Zentrum dieses großen Systems bestand aus einem festen und hochgeladenen dunklen Raumriesen, der eine gewaltige Anziehungskraft besaß. Als Angona der Sonne näher kam, wurden in Augenblicken größter Expansion während der Sonnenpulsationen ganze Ströme gasförmigen Materials als gigantische Sonnenzungen in den Raum hinausgeschleudert. Zu Beginn fielen diese flammenden Gaszungen regelmäßig in die Sonne zurück, aber als Angona immer näher heranrückte, wurde der Gravitationssog des gigantischen Besuchers derart mächtig, dass die Gaszungen an bestimmten Punkten auseinanderbrachen und ihre Wurzeln in die Sonne zurückfielen, während die äußeren Abschnitte abgetrennt wurden und nun unabhängige Materiekörper, solare Meteoriten, bildeten, die die Sonne sofort auf eigenen elliptischen Bahnen zu umkreisen begannen. Mit dem Näherrücken des Angona-Systems wurden die ausgestoßenen Sonnenteile größer und größer; immer mehr Materie wurde der Sonne entzogen und zirkulierte als unabhängige Körper im umgebenden Raum. Diese Situation entwickelte sich im Laufe von etwa fünfhunderttausend Jahren bis zu der größten Annäherung Angonas an die Sonne, als die Sonne in Verbindung mit einer ihrer periodischen inneren Konvulsionen teilweise zerbarst und auf gegenüberliegenden Seiten gleichzeitig enorme Massevolumen austraten. Auf der Angona zugekehrten Seite wurde eine riesige Säule von Solargasen herausgezogen. Sie war an beiden Enden eher zugespitzt, wies in ihrer Mitte eine ausgeprägte Ausbuchtung auf und entzog sich für immer der unmittelbaren Gravitationskontrolle der Sonne. Aus dieser gewaltigen, nun von der Sonne getrennten Säule von Solargasen entwickelten sich in der Folge die zwölf Planeten des Sonnensystems. Der durch Rückwirkung erfolgende Gasaustritt auf der gegenüberliegenden Seite der Sonne in Gezeitenharmonie mit der Ausstoßung des gigantischen Ahnen des Sonnensystems hat sich seither zu den Meteoriten und zum Raumstaub des Sonnensystems kondensiert, wenn auch viel, sehr viel von dieser Materie später, als das Angona-System sich in den Fernen des Raums verlor, von der Sonnengravitation wieder eingefangen wurde. Obwohl es Angona gelang, der Sonne das Urmaterial für die Planeten des Sonnensystems und das gewaltige Materievolumen zu entreißen, das jetzt als Asteroide und Meteoriten die Sonne umkreist, eignete es sich dabei nichts von all dieser Sonnenmaterie an. Das besuchende System kam nicht ganz so nahe, dass es der Sonne irgendwelche Substanz hätte rauben können, aber es zog nahe genug an ihr vorüber, um alles Material, welches das heutige Sonnensystem bildet, in den dazwischenliegenden Raum hinauszuziehen. Bald bildeten sich die fünf inneren und die fünf äußeren Planeten in Kleinstformat ausgehend von den sich abkühlenden und kondensierenden Kernen in den weniger massiven, spitz zulaufenden Enden der gewaltigen Gravitationsausbuchtung, die Angona der Sonne mit Erfolg entrissen hatte, während Saturn und Jupiter aus den massigeren und bauchigen mittleren Abschnitten hervorgingen. Die mächtige Anziehungskraft von Jupiter und Saturn riss das meiste Angona geraubte Material an sich, wovon die rückläufige Bewegung einiger ihrer Satelliten zeugt. Jupiter und Saturn, die aus dem Herzstück der gewaltigen Säule überhitzter Solargase entstanden, enthielten so viel hocherhitztes Sonnenmaterial, dass sie mit strahlendem Licht leuchteten und enorme Wärmemengen abgaben; nach ihrer Entstehung als getrennte Raumkörper waren sie für kurze Zeit in Wirklichkeit Nebensonnen. Diese beiden größten Planeten des Sonnensystems sind bis auf den heutigen Tag weitgehend gasförmig geblieben, sie haben sich noch nicht einmal bis zum Punkt vollständiger Kondensation oder Verfestigung abgekühlt. Die Kerne aus kontrahiertem Gas der anderen zehn Planeten erreichten bald einmal das Stadium der Verfestigung und begannen, immer größere Mengen meteoritischer Materie, die im nahen Raum zirkulierte, an sich zu ziehen. Die Welten des Sonnensystems besitzen demnach einen doppelten Ursprung: Es sind Kerne aus kondensiertem Gas, die sich später durch Einfangen enormer Mengen von Meteoriten vergrößerten. Tatsächlich fahren sie immer noch fort, Meteorite einzufangen, aber in weit geringerer Zahl. Die Planeten umkreisen ihre Sonnenmutter nicht in deren Äquatorialebene, was sie täten, wenn sie durch Sonnenumdrehung hinausgeschleudert worden wären. Vielmehr reisen sie in der Ebene der durch Angona bewirkten Ausstoßung, die mit der Äquatorialebene der Sonne einen beträchtlichen Winkel bildete. Während Angona unfähig war, sich irgendetwas von der Sonnenmasse anzueignen, fügte eure Sonne ihrer in Umwandlung begriffenen planetarischen Familie etwas von dem zirkulierenden Raummaterial des besuchenden Systems hinzu. Wegen des intensiven Gravitationsfeldes Angonas beschrieb die von ihm abhängige Planetenfamilie ihre Bahnen in beträchtlicher Entfernung von dem dunklen Riesen; und kurz nach der Ausstoßung der Masse, aus der das Sonnensystem hervorgehen sollte, und als sich Angona noch in der Nachbarschaft der Sonne befand, kamen drei der größeren Planeten des Angona-Systems dem massiven Vorfahr des Sonnensystems derart nahe, dass dessen Anziehungskraft, verstärkt um diejenige der Sonne, genügte, um die Gravitation Angonas zu überwinden und die drei Tributpflichtigen des himmlischen Wanderers für immer von diesem abzukoppeln. Alles aus der Sonne stammende Material des Sonnensystems kreiste ursprünglich auf Bahnen mit einheitlicher Richtung, und wären diese drei fremden Raumkörper nicht eingedrungen, hätte alle Materie des Sonnensystems stets dieselbe Richtung der Kreisbewegung beibehalten. Aber in diesem Fall wurden in das gerade entstehende Sonnensystem unter der Wucht der drei Angona-Planeten neue, fremde Richtungskräfte mit dem Ergebnis eingebracht, dass rückläufige Bewegung auftrat. Rückläufige Bewegung in irgendwelchen astronomischen Systemen ist immer zufällig und erscheint immer als Folge von mit großer Wucht aufprallenden fremden Raumkörpern. Solche Kollisionen müssen nicht jedes Mal eine rückläufige Bewegung erzeugen, aber eine solche erscheint nirgendwo anders als in einem System, das Massen verschiedenen Ursprungs enthält. ***** 57.6 Das Stadium des Sonnensystems ***** Auf die Geburt des Sonnensystems folgte eine Periode abnehmender solarer Ausstoßung. Die Sonne gab während weiteren fünfhunderttausend Jahren immer kleinere Massevolumen an den umgebenden Raum ab. Aber wenn sich in diesen frühen Zeiten unsteter Kreisbahnen die umlaufenden Körper in größter Sonnennähe befanden, war die elterliche Sonne in der Lage, einen bedeutenden Teil dieses meteoritischen Materials wieder einzufangen. Die sonnennächsten Planeten waren die ersten, deren Umdrehungen sich durch die von den Gezeiten verursachten Reibungen verlangsamten. Solche Gravitationseinflüsse tragen auch zur Stabilisierung der planetarischen Umlaufbahn bei, indem sie auf die Geschwindigkeit der Drehung um die Planetenachse eine bremsende Wirkung ausüben und verursachen, dass der Planet sich immer langsamer dreht, bis die axiale Drehung aufhört und der Planet der Sonne oder dem größeren Himmelskörper stets dieselbe Hemisphäre zuwendet, wie veranschaulicht wird durch die Beispiele des Planeten Merkur und des Mondes, welcher Urantia immer dieselbe Seite zukehrt. Wenn die Gezeitenreibungen des Mondes und der Erde einmal ausgeglichen sind, wird die Erde dem Mond stets dieselbe Hemisphäre zuwenden und der Tag und der Monat werden identisch sein-etwa siebenundvierzig Tage betragen. Wenn einmal eine solche Stabilisierung der Umlaufbahnen erreicht ist, werden die Gezeitenreibungen in entgegengesetzter Richtung wirksam werden, indem sie den Mond nicht mehr von der Erde wegstoßen, sondern den Satelliten schrittweise zum Planeten heranziehen werden. Und wenn sich dann der Mond in dieser weit entfernten Zukunft der Erde bis auf ungefähr achtzehntausend Kilometer angenähert hat, wird er unter ihrer Gravitationswirkung zerspringen, und diese durch Gezeiten und Gravitation verursachte Explosion wird ihn zu kleinen Partikeln zertrümmern, die sich möglicherweise als saturnähnliche Materieringe um die Erde legen oder allmählich als Meteorite auf sie herabgezogen werden. Wenn Raumkörper gleiche Größe und Dichte haben, kann es zu Kollisionen kommen. Aber wenn zwei Raumkörper gleich dicht, jedoch von relativ verschiedener Größe sind, wird bei der allmählichen Annäherung des kleineren an den größeren das Zerbersten des kleineren Körpers dann eintreten, wenn der Radius seiner Umlaufbahn kleiner wird als das Zweieinhalbfache des Radius des größeren Körpers. Kollisionen zwischen den Riesen des Raums sind in der Tat selten, aber diese durch Gezeiten und Gravitation herbeigeführten Explosionen sind eine ganz gewöhnliche Erscheinung. Sternschnuppen treten in Schwärmen auf, weil sie Fragmente größerer Materiekörper sind, die wegen der durch nahe und noch größere Raumkörper ausgeübten Gezeiten-Gravitation explodiert sind. Die Saturnringe sind die Fragmente eines zertrümmerten Satelliten. Einer der Jupitermonde kommt jetzt dem kritischen Bereich der Explosion durch Gezeiten-Gravitation gefährlich nahe und wird in ein paar Millionen Jahren entweder vom Planeten zurückverlangt oder durch Gezeiten-Gravitation zertrümmert werden. Der fünfte Planet des Sonnensystems einer fernen Vergangenheit folgte einer unregelmäßigen Umlaufbahn. Periodisch geriet er in immer größere Nähe zu Jupiter, bis er den kritischen Bereich des Zerberstens durch Gezeiten-Gravitation betrat. Er wurde rasch fragmentiert und lieferte die heutige Asteroidansammlung. Vor 4 000 000 000 Jahren organisierten sich die Systeme Jupiters und Saturns weitgehend so, wie man sie heutzutage beobachten kann, wenn man von ihren Monden absieht, die während mehrerer Jahrmilliarden an Größe zunahmen. In der Tat geht das Wachstum sämtlicher Planeten und Satelliten des Sonnensystems infolge kontinuierlicher Einverleibung von Meteoriten stets weiter. Vor 3 500 000 000 Jahren waren die Kondensationskerne der anderen zehn Planeten bereits gut ausgebildet und das Herzstück der meisten Monde war vorhanden, obwohl einige der kleineren Satelliten sich später vereinigten, um die heutigen größeren Monde entstehen zu lassen. Man kann dieses Zeitalter als die Ära des planetarischen Zusammenbaus bezeichnen. Vor 3 000 000 000 Jahren funktionierte das Sonnensystem schon weitgehend so wie heute. Seine Mitglieder nahmen weiter an Größe zu, da Meteoriten des Raums in ungeheurer Zahl auf die Planeten und ihre Satelliten niedergingen. Ungefähr um diese Zeit wurde euer Sonnensystem in das physische Register von Nebadon eingeschrieben und erhielt den Namen Monmatia. Vor 2 500 000 000 Jahren waren die Planeten gewaltig angewachsen. Urantia war eine gut entwickelte Sphäre, die etwa einen Zehntel ihrer heutigen Masse besaß und durch Aufnahme von Meteoriten rasch weiterwuchs. All diese unglaubliche Aktivität ist normaler Bestandteil der Erschaffung einer evolutionären Welt von der Art Urantias und bildet das astronomische Vorspiel zur Erstellung des Rahmens für die beginnende physische Evolution einer solchen Raumwelt, die sich auf die Lebensabenteuer der Zeit vorbereitet. ***** 57.7 Die meteoritische Ära - Das Vulkanische Zeitalter (Die Primitive Planetarische Atmosphäre) ***** In diesen frühen Zeiten wimmelte es in den Raumregionen des Sonnensystems von kleinen Körpern, die von Zertrümmerung und Kondensation herrührten, und diese Raumkörper trafen in Abwesenheit einer schützenden Atmosphäre, in der sie verglüht wären, direkt auf die Oberfläche Urantias auf. Diese unaufhörlichen Einschläge hielten die Oberfläche des Planeten in mehr oder weniger heißem Zustand, und dieser Umstand zusammen mit der Gravitationswirkung, die mit dem Größerwerden der Sphäre zunahm, begann jene Einflüsse wirksam werden zu lassen, die allmählich die schwereren Elemente wie das Eisen veranlassten, sich immer mehr gegen das Planetenzentrum hin zu verlagern. Vor 2 000 000 000 Jahren begann die Erde, den Mond deutlich zu überrunden. Der Planet war immer größer als sein Satellit gewesen, aber es hatte zwischen ihnen kein so bedeutender Größenunterschied bestanden bis ungefähr zu der Zeit, als die Erde sich gewaltige Raumkörper einverleibte. Urantia besaß damals etwa ein Fünftel seiner gegenwärtigen Größe und war groß genug geworden, um die primitive Atmosphäre festzuhalten, die infolge des Elementenkampfes im Spannungsfeld zwischen heißem Erdinnern und sich abkühlender Kruste zu erscheinen begann. Ausgesprochene Vulkantätigkeit geht auf diese Zeit zurück. Die Hitze im Erdinneren erhöhte sich ständig durch das immer tiefere Absinken der radioaktiven oder schwereren Elemente, die von den Meteoriten aus dem Raum hereingebracht wurden. Das Studium dieser radioaktiven Elemente wird enthüllen, dass Urantia an seiner Oberfläche über eine Milliarde Jahre alt ist. Die Radiumuhr ist euer verlässlichster Chronometer zur wissenschaftlichen Schätzung des Planetenalters, aber alle derartigen Schätzungen liegen zu kurz, weil sämtliches eurer Beobachtung zugängliche radioaktive Material von der Erdoberfläche stammt und folglich Urantias relativ kürzliche Erwerbung dieser Elemente darstellt. Vor 1 500 000 000 Jahren war die Erde auf zwei Drittel ihrer heutigen Größe angewachsen, während sich der Mond seiner jetzigen Masse näherte. Der rasch wachsende Größenunterschied zwischen Erde und Mond befähigte jene, ihrem Satelliten langsam die wenige Atmosphäre zu rauben, die er ursprünglich besaß Die vulkanische Tätigkeit erreicht jetzt ihren Höhepunkt. Die ganze Erde ist ein richtiges Feuer-inferno, und ihre Oberfläche gleicht dem früheren geschmolzenen Zustand, bevor die schwereren Metalle unter dem Einfluss der Schwerkraft dem Zentrum zuwanderten. Dies ist das vulkanische Zeitalter. Trotzdem bildet sich schrittweise eine Kruste, die hauptsächlich aus dem vergleichsweise leichteren Granit besteht. Der Rahmen für einen Planeten wird geschaffen, der eines Tages das Leben beherbergen kann. Langsam entwickelt sich die primitive planetarische Atmosphäre, die nun etwas Wasserdampf, Kohlenmonoxyd, Kohlendioxyd und Chlorwasserstoff enthält, aber es gibt nur wenig oder gar keinen freien Stickstoff oder freien Sauerstoff. Die Atmosphäre einer Welt im vulkanischen Alter bietet ein wunderliches Schauspiel. Zusätzlich zu den aufgezählten Gasen ist sie stark mit zahlreichen vulkanischen Gasen beladen und, infolge des heranreifenden Luftmantels, mit den Verbrennungsprodukten des schweren Meteoritenhagels, der ununterbrochen auf die Planeten-oberfläche niederprasselt. Diese meteorische Verbrennung braucht den atmosphärischen Sauerstoff praktisch auf, und die Kadenz der meteorischen Bombardierung bleibt furchterregend. Alsbald wurde die Atmosphäre ruhiger und kühlte sich genügend ab, um an der heißen, felsigen Oberfläche des Planeten Niederschlag von Regen auszulösen. Jahrtausendelang war Urantia in eine einzige gewaltige lückenlose Dampfdecke eingehüllt. Und während dieser Zeitalter schien die Sonne nie auf die Erdoberfläche. Ein großer Teil des Kohlenstoffs der Atmosphäre wurde dieser entzogen, um die Karbonate der verschiedenen Metalle zu bilden, die in den oberflächlichen Planetenschichten im Überfluss vorhanden waren. Später wurden viel größere Mengen dieser Kohlenstoffgase vom frühen, üppigen Pflanzenleben verbraucht. Auch in den späteren Zeitabschnitten verbrauchten die ständigen Lavaströme und die eintretenden Meteoriten den Sauerstoff der Luft fast ganz. Selbst die frühen Ablagerungen des bald erscheinenden primitiven Ozeans enthalten weder farbiges Gestein noch Schiefer. Und noch lange nach Auftreten dieses Ozeans gab es in der Atmosphäre praktisch keinen freien Sauerstoff; und er trat in nennenswerter Quantität erst auf, als er später von den Meeresalgen und anderen Formen pflanzlichen Lebens erzeugt wurde. Die primitive planetarische Atmosphäre des vulkanischen Zeitalters bietet nur geringen Schutz gegen die mit Wucht aufprallenden Meteoritenschwärme. Millionen und Abermillionen von Meteoriten durchdringen einen derartigen Luftmantel mit Erfolg, um dann als feste Körper an der Planetenkruste zu zerschellen. Aber mit der Zeit erweisen sich immer weniger Meteorite als groß genug, um dem ständig stärker werdenden Reibungsschild der immer sauerstoffreicher werdenden Atmosphäre späterer Zeitalter standzuhalten. ***** 57.8 Stabilisierung der Erdkruste - Das Zeitalter der Erdbeben (Der Weltozean und der Erste Kontinent) ***** Vor 1 000 000 000 Jahren ist der eigentliche Beginn der Geschichte Urantias anzusetzen. Der Planet hatte annähernd seine jetzige Größe erreicht. Und etwa um diese Zeit wurde er in das physische Register Nebadons eingetragen und auf den Namen Urantia getauft. Die Atmosphäre sowie unablässige feuchte Niederschläge begünstigten die Abkühlung der Erdkruste. Die Vulkantätigkeit sorgte schon früh für ein Gleichgewicht zwischen dem inneren Wärmedruck und der sich zusammenziehenden Erdkruste; und als die Vulkane rasch zurückgingen, traten mit fortschreitender Epoche der Abkühlung und Anpassung der Erdkruste die Erdbeben auf. Die eigentliche geologische Geschichte Urantias beginnt zu der Zeit, da sich die Erdkruste genügend abgekühlt hat, um die Entstehung des ersten Ozeans zu bewirken. Einmal begonnen, setzte sich die Kondensation des Wasserdampfs an der sich abkühlenden Erdoberfläche fort, bis sie praktisch vollständig war. Am Ende dieser Periode umfasste der Ozean die ganze Erde; er bedeckte den ganzen Planeten, und seine Tiefe betrug im Mittel etwa zwei Kilometer. Die Gezeiten funktionierten damals fast wie heute, aber dieser primitive Ozean war nicht salzig; er bedeckte faktisch die ganze Welt mit Süßwasser. In jenen Tagen war das meiste Chlor mit verschiedenen Metallen verbunden, aber es gab genug davon, um dieses Wasser in Verbindung mit dem Wasserstoff leicht sauer zu machen. Zu Beginn dieser in weiter Ferne liegenden Epoche muss man sich Urantia als einen ganz von Wasser umflossenen Planeten vorstellen. Später traten am Grund des heutigen Pazifischen Ozeans Fluten tieferer und infolgedessen dichterer Lava aus, wodurch dieser Teil der wasserbedeckten Oberfläche beträchtlich einsank. In kompensierender Bewegung tauchte zur Wiederherstellung des Gleichgewichts der sich allmählich verdickenden Erdkruste die erste kontinentale Landmasse aus dem Weltozean auf. Vor 950 000 000 Jahren bot Urantia das Bild eines einzigen großen Kontinentes und einer einzigen riesigen Wassermasse, des Pazifischen Ozeans. Immer noch finden sich überall Vulkane, und Erdbeben sind ebenso häufig wie heftig. Die Meteoriten hageln immer noch auf die Erde herab, aber ihre Häufigkeit und Größe nehmen ab. Die Atmosphäre klärt sich, aber der Gehalt an Kohlendioxyd ist immer noch hoch. Die Erdkruste stabilisiert sich allmählich. Etwa um diese Zeit wurde Urantia zu planetarischer Verwaltung dem System von Satania zugeteilt und in das Lebensregister Norlatiadeks aufgenommen. Damals begann die administrative Anerkennung der kleinen und unbedeutenden Sphäre, der es bestimmt war, zum Planeten zu werden, auf dem Michael dereinst zu der erstaunlichen Unternehmung seiner Selbsthingabe in Menschengestalt antreten und jene Erfahrungen machen würde, die der Grund sind, weshalb man Urantia lokal seither "Welt des Kreuzes" nennt. Vor 900 000 000 Jahren erlebte Urantia die Ankunft des ersten Kundschaftertrupps Satanias, der von Jerusem hergesandt worden war, um den Planeten zu untersuchen und einen Bericht über seine Eignung als Standort für Lebensexperimente zu liefern. Die Kommission bestand aus vierundzwanzig Mitgliedern und umfasste Lebensbringer, Lanonandek-Söhne, Melchisedeks, Seraphim und Angehörige anderer Ordnungen himmlischen Lebens, die sich mit der frühen planetarischen Organisation und Administration befassen. Nach einer eingehenden Inspektion des Planeten kehrte die Kommission nach Jerusem zurück. Sie gab dem Systemsouverän einen günstigen Bescheid und empfahl, Urantia in das Register für Lebensexperimente aufzunehmen. Demzufolge wurde eure Welt auf Jerusem als Dezimalplanet eingetragen, und die Lebensbringer wurden davon in Kenntnis gesetzt, dass ihnen später zur Zeit ihrer Ankunft als Bevollmächtigte für die Verpflanzung und Ansiedlung des Lebens die Erlaubnis erteilt würde, neue Modelle mechanischer, chemischer und elektrischer Mobilisierung einzuführen. Zu gegebener Zeit wurden auf Jerusem durch eine gemischte Zwölferkommission Pläne für die Inbesitznahme des Planeten ausgearbeitet, die von der planetarischen Kommission der Siebzig auf Edentia gutgeheißen wurden. Und schließlich wurden diese vom beratenden Gremium der Lebensbringer vorgeschlagenen Pläne auf Salvington gebilligt. Bald darauf lief über den Fernmeldedienst Nebadons die Nachricht, dass die Lebensbringer Urantia zum Schauplatz für die Durchführung ihres sechzigsten Satania-Experimentes gewählt hatten, mit dem Ziel, den Satania-Typus des nebadonschen Lebensurmusters zu verstärken und zu verbessern. Kurz nachdem Urantia über das Fernmeldewesen des Universums zum ersten Mal vor ganz Nebadon anerkannt worden war, wurde ihm der volle Universumsstatus zugestanden. Bald danach wurde es in die Register der Hauptsitzplaneten des Kleinen und Großen Sektors des Superuniversums eingetragen; und ehe dieses Zeitalter um war, hatte Urantia in das Register des planetarischen Lebens von Uversa Eingang gefunden. Für dieses ganze Zeitalter waren häufige und heftige Stürme bezeichnend. Die frühe Erdkruste befand sich ständig im Fluss. Oberflächliche Abkühlung wechselte sich mit gewaltigen Lavaergüssen ab. Nirgendwo kann man heute an der Erdoberfläche etwas von dieser ursprünglichen Planetenkruste finden. Sie ist insgesamt zu oft mit austretender Lava tiefen Ursprungs durcheinander gemischt und mit den späteren Ablagerungen des frühen weltumspannenden Ozeans vermengt worden. Auf der ganzen Erdoberfläche kann man nirgends mehr von den modifizierten Überresten dieses uralten vorozeanischen Gesteins finden als im nordöstlichen Kanada rund um die Hudson Bay. Diese ausgedehnte granitene Erhebung ist aus Felsen gebildet, der den vorozeanischen Zeitaltern angehört. Diese Gesteinsschichten sind erhitzt, gebogen, verdreht und zusammengepresst worden und haben immer von neuem solche verformenden Metamorphosen durchgemacht. Während der ozeanischen Zeitalter setzten sich auf dem Grund dieses alten Ozeans gewaltige Lagen von fossilfreiem geschichtetem Gestein ab. (Kalkstein kann sich durch chemische Ausfällung bilden; nicht der gesamte ältere Kalkstein ist aus Ablagerungen des Marinen Lebens entstanden). In keiner dieser alten Gesteinsbildungen wird man Hinweise auf Leben finden; sie enthalten keine Fossile, es sei denn, spätere Ablagerungen der Wasserzeitalter seien durch irgendwelche Umstände mit diesen älteren, dem Leben vorausgehenden Schichten durchmischt worden. Die frühe Erdkruste war höchst unstabil, aber es gab keine in Entstehung begriffenen Berge. Der Planet zog sich während seiner Bildung unter dem Druck der Gravitation zusammen. Berge entstehen nicht, weil die sich abkühlende Kruste einer sich zusammenziehenden Sphäre einbricht; sie erscheinen erst später infolge der Einwirkung von Regen, Gravitation und Erosion. Die kontinentale Masse dieser Ära nahm zu, bis sie fast zehn Prozent der Erdoberfläche ausmachte. Heftige Erdbeben begannen erst, als die kontinentale Masse sich deutlich über den Wasserspiegel erhoben hatte. Als sie einmal begonnen hatten, nahmen sie im Laufe der Zeitalter an Häufigkeit und Heftigkeit zu. Danach haben die Erdbeben während Millionen und Abermillionen von Jahren abgenommen, aber Urantia hat im Mittel täglich immer noch deren fünfzehn. Vor 850 000 000 Jahren begann die erste wirkliche Stabilisierungsepoche der Erdkruste. Die meisten schwereren Metalle waren ins Zentrum der Erdkugel abgesunken; die sich abkühlende Kruste hatte aufgehört, in so großem Ausmaß einzusinken wie in früheren Zeitaltern. Es trat ein besseres Gleichgewicht zwischen der Landerhebung und dem schwereren Ozeanbett ein. Das Fließen der Lavaschicht unter der Erdkruste wurde ein beinah weltweites Phänomen, und es kompensierte und stabilisierte die Fluktuationen, die durch Abkühlung, Kontraktion und oberflächliche Verwerfungen hervorgerufen wurden. Häufigkeit und Heftigkeit der Vulkanausbrüche und Erdbeben nahmen immer mehr ab. Die Atmosphäre reinigte sich von vulkanischen Gasen und Wasserdampf, aber der Anteil an Kohlendioxyd war immer noch hoch. Auch die elektrischen Störungen in der Luft und in der Erde gingen zurück. Die Lavaströme hatten ein Elementengemisch an die Oberfläche getragen, das die Kruste abwechslungsreich gestaltete und den Planeten gegenüber bestimmten Raumenergien besser abschirmte. Und all das trug viel dazu bei, die Kontrolle der irdischen Energie zu erleichtern und ihren Fluss zu regulieren, wie sich das am Funktionieren der magnetischen Pole zeigt. Vor 800 000 000 Jahren brach die erste große Landepoche an, das Zeitalter zunehmenden kontinentalen Auftauchens. Seit der Kondensation der Hydrosphäre der Erde, zuerst im Weltozean und später im Pazifischen Ozean, muss man sich letzteren als eine Wassermasse vorstellen, die damals neun Zehntel der Erdoberfläche bedeckte. Die in das Meer fallenden Meteorite sammelten sich auf dem Grund des Ozeans an, und Meteorite bestehen im Allgemeinen aus schwerem Material. Diejenigen, die über dem Land niedergingen, wurden weitgehend oxydiert, später durch Erosion abgetragen und in das Ozeanbecken fortgeschwemmt. Auf diese Weise wurde der Grund des Ozeans immer schwerer, und dazu trat das Gewicht einer Wassermasse, die stellenweise bis sechzehn Kilometer tief war. Der immer schwerer lastende Druck des Pazifischen Ozeans fuhr fort, die kontinentale Landmasse nach oben zu drücken. Europa und Afrika begannen, zusammen mit den jetzt Australien, Nord- und Südamerika genannten Massen und dem antarktischen Kontinent aus den pazifischen Tiefen aufzutauchen, während sich der Boden des Pazifischen Ozeans zum Ausgleich weiter senkte. Am Ende dieser Periode bestand fast ein Drittel der Erdoberfläche aus Festland, einem einzigen kontinentalen Block. Als das Festland immer höher stieg, machten sich auf dem Planeten die ersten klimatischen Differenzen bemerkbar. Landerhebung, kosmische Wolken und ozeanische Einflüsse sind die Hauptfaktoren von Klimaschwankungen. Das Rückgrat der asiatischen Landmasse erreichte zur Zeit der größten Landerhebung eine Höhe von nahezu fünfzehntausend Metern. Hätte in der Luft über diesen außerordentlich hohen Gegenden viel Feuchtigkeit geschwebt, hätten sich gewaltige Eisdecken gebildet, und die Eiszeit wäre schon viel früher eingetreten. Es dauerte mehrere hundert Millionen Jahre, ehe sich wieder soviel Land über das Wasser erhob. Vor 750 000 000 Jahren erschienen in der Kontinentalmasse die ersten Risse, die zu einem großen, von Norden nach Süden verlaufenden Bruch wurden, der später das Ozeanwasser aufnahm und zum Wegbereiter der Westverschiebung der Kontinente von Nord- und Südamerika einschließlich Grönlands wurde. Eine lange, von Osten nach Westen verlaufende Spalte trennte Afrika von Europa und schnitt die Landmassen Australiens, der Pazifischen Inseln und der Antarktis vom asiatischen Kontinent ab. Vor 700 000 000 Jahren reiften auf Urantia immer mehr die zur Aufrechterhaltung des Lebens erforderlichen Bedingungen heran. Die Kontinentalverschiebung setzte sich fort; zunehmend drang der Ozean mit langen dünnen Armen ins Festland ein und sorgte so für die Entstehung jener seichten Wasser und geschützten Buchten, die sich besonders gut zur Beherbergung des Marinen Lebens eignen. Vor 650 000 000 Jahren traten die Landmassen immer weiter auseinander, und demzufolge dehnten sich die zwischenkontinentalen Meere immer mehr aus. Und ihre Wasser erreichten rasch jenen Salzgehalt, der für das Leben auf Urantia wesentliche Voraussetzung war. Diese Meere und ihre Nachfolger waren es, die die Lebensgeschichte Urantias so festhielten, wie man sie später auf gut erhaltenen steinernen Seiten entdeckte, ein Volumen über dem anderen, so wie Ära auf Ära gefolgt und Zeitalter nach Zeitalter verstrichen war. Diese urzeitlichen Binnenmeere waren wirklich die Wiege der Evolution. [Dargeboten von einem Lebensbringer, Mitglied des ursprünglichen Korps Urantias und jetzt residierender Beobachter.] ****** Kapitel 58 Die Ansiedlung des Lebens auf Urantia ****** IN ganz Satania gibt es nur einundsechzig Welten wie Urantia - Planeten mit modifiziertem Leben. Die Mehrheit der bewohnten Welten werden in Anwendung bestehender Techniken bevölkert; auf diesen Planeten verfügen die Lebensbringer bei ihren Plänen für die Ansiedlung des Lebens nur über geringen Spielraum. Aber ungefähr jede zehnte Welt wird als Dezimalplanet ausersehen und in das Spezialregister der Lebensbringer eingetragen; und auf solchen Planeten ist es uns gestattet, im Bemühen um eine Modifizierung oder eine mögliche Verbesserung des Normaltyps der Lebewesen des Universums gewisse Lebensexperimente durchzuführen. ***** 58.1 Voraussetzungen für das physische Leben ***** Vor 600 000 000 Jahren langte eine von Jerusem entsandte Kommission von Lebensbringern auf Urantia an und begann mit dem Studium der physischen Konditionen zur Vorbereitung der Auslösung des Lebens auf der Welt Nummer 606 des Systems von Satania. Das sollte unsere sechshundertundsechste Erfahrung mit der Einführung des nebadonschen Modells in Satania werden sowie die sechzigste Gelegenheit, an den fundamentalen und einheitlichen Lebensplänen des Lokaluniversums Veränderungen vorzunehmen, sie abzuwandeln. Es sollte klargemacht werden, dass die Lebensbringer das Leben nicht initiieren können, bevor die Sphäre für die Eröffnung des evolutionären Zyklus reif geworden ist. Ebenso wenig können wir für eine raschere Entwicklung des Lebens sorgen, als der physische Fortschritt des Planeten es verträgt und zulässt. Die Lebensbringer Satanias hatten ein auf Natriumchlorid beruhendes Lebensmodell projektiert; deshalb konnten keine Schritte für dessen Ansiedlung unternommen werden, solange das Ozeanwasser nicht salzig genug geworden war. Der Protoplasmatyp Urantias kann nur in einer angemessen salzhaltigen Lösung funktionieren. Das Habitat, in dem sich das gesamte - pflanzliche und tierische - Urleben entwickelte, war eine salzige Lösung. Und auch die höher organisierten Landtiere könnten nicht weiterleben, wenn nicht ebendiese wesentliche Salzlösung ihren Körper als Blutstrom durchflösse, der jede winzige lebende Zelle frei in dieser "salzigen Flut" schwimmen lässt, sie förmlich in sie eintaucht. Eure primitiven Urahnen zirkulierten frei im salzigen Ozean; heute zirkuliert dieselbe ozean-gleiche salzige Lösung frei in eurem Körper und taucht jede einzelne Zelle in eine chemische Flüssigkeit, die in allem Wesentlichen dem Salzwasser gleicht, welches die ersten protoplasmatischen Reaktionen der ersten auf dem Planeten funktionierenden lebenden Zellen stimulierte. Aber zu Beginn dieser Ära entwickelt sich Urantia auf einen Zustand hin, der für den Unterhalt der Anfangsformen marinen Lebens in jeder Hinsicht günstig ist. Langsam aber sicher schaffen physische Entwicklungen auf der Erde und in den umliegenden Raumregionen die Voraussetzungen für die späteren Versuche der Begründung jener Lebensformen, die, wie wir entschieden hatten, dem sich entfaltenden physischen irdischen und räumlichen Umfeld am besten angepasst sein würden. Darauf kehrte die Kommission der Lebensbringer Satanias wieder nach Jerusem zurück, weil sie es vorzogen, ein stärkeres Auseinanderbrechen der Festlandmassen abzuwarten, das noch mehr Binnenmeere und geschützte Buchten entstehen lassen würde, bevor sie tatsächlich mit der Ansiedlung des Lebens begännen. Auf einem Planeten, wo das Leben seinen Ursprung im Meer hat, liefert eine große Zahl von Binnenmeeren die idealen Bedingungen für die Ansiedlung des Lebens dank ausgedehnter Küstenstreifen, die sich um untiefe Wasser und geschützte Buchten ziehen; und eine Wasserverteilung gerade dieser Art entwickelte sich jetzt rasch auf der Erde. Diese alten Binnenmeere waren selten mehr als hundertfünfzig bis zweihundert Meter tief, und das Sonnenlicht vermag das Ozean-wasser bis auf mehr als zweihundert Meter zu durchdringen. Und ausgehend von solchen Meeresufern fand in einem späteren Zeitalter mit mildem und ausgeglichenem Klima das primitive pflanzliche Leben seinen Weg auf das Land. Hier lieferte der hohe Kohlenstoffgehalt der Atmosphäre der neuen Land-Vielfalt des Lebens jede Gelegenheit für rasches und üppiges Wachstum. Obwohl die damalige Atmosphäre für den Pflanzenwuchs ideal war, besaß sie einen so hohen Kohlendioxydanteil, dass kein Tier, geschweige denn der Mensch, auf der Erdoberfläche hätte leben können. ***** 58.2 Die Atmosphäre Urantias ***** Durch den Filter der planetarischen Atmosphäre dringt ungefähr ein Zweimilliardstel des gesamten aus der Sonne austretenden Lichts auf die Erde. Wenn man für das auf Nordamerika fallende Licht zwei Cents pro Kilowattstunde zu bezahlen hätte, würde sich die jährliche Lichtrechnung auf über 800 Billiarden Dollar belaufen. Die Sonnenscheinrechnung Chicagos betrüge beträchtlich mehr als 100 Millionen Dollar pro Tag. Und man sollte daran denken, dass ihr von der Sonne noch andere Energieformen empfangt - das Licht ist nicht der einzige Beitrag der Sonne, der eure Atmosphäre erreicht. Gewaltige Sonnenenergien ergießen sich über Urantia, deren Wellenlängen sowohl oberhalb als auch unterhalb des Wahrnehmungsbereichs des menschlichen Auges liegen. Die Erdatmosphäre ist für einen großen Teil der Sonnenstrahlung am äußersten ultravioletten Ende des Spektrums fast undurchlässig. Die meisten dieser kurzen Wellenlängen werden durch eine Ozonschicht absorbiert, die in einer Höhe von etwa sechzehn Kilometern über der Erd-oberfläche beginnt und sich über weitere sechzehn Kilometer raumwärts erstreckt. Das in dieser Region anwesende Ozon würde unter den an der Erdoberfläche herrschenden Bedingungen nur eine zweieinhalb Millimeter dicke Schicht bilden; trotzdem schützt diese relativ kleine und scheinbar unbedeutende Ozonmenge die Bewohner Urantias vor einem Übermaß an diesen im Sonnenlicht enthaltenen gefährlichen und zerstörerischen ultravioletten Strahlungen. Aber wenn diese Ozonschicht nur um ein Geringes dicker wäre, würdet ihr der hochwichtigen und Gesundheit bringenden Ultraviolettstrahlen beraubt, die jetzt die Erdoberfläche erreichen und die Entstehung eines eurer wesentlichsten Vitamine ermöglichen. Und trotzdem bestehen einige eurer phantasieärmeren sterblichen Mechanisten auf ihrer Sicht von der materiellen Schöpfung und der menschlichen Evolution als einem Zufall. Die Mittler Urantias haben über fünfzigtausend Tatsachen aus Physik und Chemie zusammengetragen, die sie mit den Gesetzen des Zufalls für unvereinbar halten und die ihrer Überzeugung nach unverkennbar die Anwesenheit einer intelligenten Absicht in der materiellen Schöpfung beweisen. Und all das trägt ihrem Katalog von über einhunderttausend Befunden aus Gebieten außerhalb von Physik und Chemie nicht Rechnung, die ihnen zufolge im Planen, in der Erschaffung und Aufrechterhaltung des materiellen Kosmos die Anwesenheit des Verstandes beweist. Eure Sonne entsendet eine wahre Flut todbringender Strahlen, und euer angenehmes Leben auf Erden ist dem "zufälligen" Einfluss von über vierzig scheinbar akzidentellen Schutzmechanismen zu verdanken, die dem Wirken dieser einzigartigen Ozonschicht gleichen. Gäbe es in der Nacht nicht den "Daunendeckeneffekt" der Atmosphäre, würde die Wärme durch Abstrahlung so rasch verloren gehen, dass das Leben, außer durch künstliche Vorkehrungen, unmöglich aufrechterhalten werden könnte. Die ersten acht bis zehn Kilometer der Erdatmosphäre bilden die Troposphäre; das ist die Zone der Winde und Luftströmungen, die die Wetterphänomene verursachen. Über dieser Zone befindet sich die innere Ionosphäre, und die nächst höhere ist die Stratosphäre. Wenn man von der Erdoberfläche aufsteigt, nimmt die Temperatur während zehn bis dreizehn Kilometern ständig ab; auf dieser Höhe beträgt sie um die minus 56 Grad Celsius. Diese Temperaturbreite von minus 54 bis 57 Grad Celsius bleibt während des weiteren Anstiegs über fünfundsechzig Kilometer unverändert; dieser Bereich konstanter Temperatur ist die Stratosphäre. Auf einer Höhe von zweiundsiebzig bis achtzig Kilometern beginnt die Temperatur anzusteigen, und dieser Anstieg geht weiter, bis auf der Höhe der Nordlichtphänomene eine Temperatur von 650 Grad Celsius erreicht wird, und diese intensive Hitze ist es, die den Sauerstoff ionisiert. Aber die Temperatur in einer derart verdünnten Atmosphäre lässt sich schwerlich mit der Wärmeberechnung an der Erdoberfläche vergleichen. Vergegenwärtigt euch, dass die Hälfte eurer gesamten Atmosphäre sich innerhalb der ersten fünf Kilometer befindet. Die Höhe der Erdatmosphäre wird durch die höchsten Streifen der Nordlichter angezeigt - etwa sechshundertfünfzig Kilometer. Die Nordlichtphänomene stehen in direkter Beziehung zu den Sonnenflecken, zu jenen solaren Zyklonen, die über und unter dem Sonnenäquator in entgegengesetzten Richtungen wirbeln, ganz wie die terrestrischen tropischen Hurrikane. Diese atmosphärischen Störungen drehen sich in entgegengesetzten Richtungen, wenn sie sich über oder unter dem Äquator abspielen. Die Kraft der Sonnenflecken, Lichtfrequenzen zu ändern, zeigt, dass die Zentren dieser Solarstürme wie gewaltige Magneten wirken. Solche Magnetfelder sind imstande, geladene Partikel aus den Kratern der Sonnenflecken in den Raum bis in die äußere Erdatmosphäre hinauszuwirbeln, wo ihr ionisierender Einfluss das Schauspiel der Nordlichter bewirkt. Deshalb habt ihr die größten Nordlichtphänomene, wenn sich die Sonnenflecken auf ihrem Höhepunkt befinden - oder bald danach - wenn die Flecken im Allgemeinen mehr äquatorwärts liegen. Sogar die Kompassnadel reagiert sensibel auf diesen solaren Einfluss, da sie sich bei Sonnenaufgang ganz leicht nach Osten dreht, und leicht nach Westen, wenn der Sonnenuntergang naht. Das geschieht jeden Tag, aber auf der Höhe der Sonnenfleckenzyklen ist die Abweichung der Kompassnadel doppelt so groß. Diese täglichen Wanderungen der Nadel sind die Antwort auf die verstärkte Ionisation der oberen Atmosphäre, die durch das Sonnenlicht hervorgerufen wird. Es ist die Gegenwart von zwei verschieden Ebenen elektrisch geladener und leitender Regionen der Superstratosphäre, welche für die Übermittlung eurer Lang- und Kurzwellen-Radiosendungen über weite Distanzen verantwortlich ist. Eure Sendungen werden manchmal durch die furchterregenden Stürme gestört, die gelegentlich in diesen Reichen der äußeren Ionosphären toben. ***** 58.3 Das räumliche Umfeld ***** Während der früheren Zeiten der Universumsmaterialisierung sind die Raumregionen mit Wasserstoffwolken durchsetzt, mit genau solchen astronomischen Staubansammlungen, wie sie jetzt viele Regionen des fernen Raums charakterisieren. Ein beträchtliches Maß an organisierter Materie, die von den strahlenden Sonnen zertrümmert und als Strahlenenergie ausgesandt wird, sammelte sich ursprünglich in diesen früh erscheinenden Wasserstoffwolken des Raums an. Unter bestimmten ungewöhnlichen Bedingungen findet Atomzertrümmerung auch im Kern der größeren Wasserstoffmassen statt. Und all diese Phänomene des Aufbaus und der Auflösung von Atomen, wie in den hocherhitzten Nebeln, werden begleitet von der Entstehung strahlenenergetischer Flutwellen aus Raumstrahlen kurzer Wellenlänge. Diese verschiedenen Strahlungen werden von einer auf Urantia unbekannten Form von Raumenergie begleitet. Diese Energieladung aus kurzen Strahlen des Universumsraumes ist vierhundertmal größer als alle anderen Formen von Strahlenenergie, die in den Bereichen des organisierten Raums existieren. Der Ausstoß kurzer Raumstrahlen, ob sie nun von strahlenden Nebeln, von elektrischen Feldern mit hoher Spannung, aus dem Äußeren Raum oder von den gewaltigen Staubwolken aus Wasserstoff stammen, erleidet qualitative und quantitative Veränderungen durch Fluktuationen und plötzliche Spannungswechsel in Temperatur, Gravitation und elektronischen Drücken. Diese Entstehungsmöglichkeiten der Raumstrahlen werden durch viele kosmische Gegebenheiten bestimmt ebenso wie durch die Umlaufbahnen der zirkulierenden Materie, die von modifizierten Kreisen bis zu extremen Ellipsen reichen. Die physischen Konditionen können sich auch sehr stark verändern, weil der Drall der Elektronen manchmal die entgegengesetzte Richtung zu dem von schwererer Materie besitzt, sogar in derselben physischen Zone. Die ungeheuren Wasserstoffwolken sind wahre kosmische chemische Laboratorien, die alle Phasen sich entwickelnder Energie und sich umwandelnder Materie enthalten. Große energetische Aktivitäten gehen auch in den Randgasen der großen Doppelsterne vor sich, die so oft ineinander greifen und sich deshalb weitgehend vermischen. Aber keine dieser gewaltigen und weitreichenden Energieaktivitäten des Raums hat den geringsten Einfluss auf die Phänomene des organisierten Lebens - auf das Keimplasma lebendiger Dinge und Wesen. Diese energetischen Bedingungen des Raums hängen mit dem lebenswichtigen Umfeld für die Einführung des Lebens zusammen, aber sie haben keine Wirkung auf die spätere Veränderung der Erbfaktoren des Keimplasmas, wie das für einige Strahlen größerer Wellenlänge von Strahlenenergie zutrifft. Das von den Lebensbringern angesiedelte Leben ist vollkommen widerstandsfähig gegen diese ganze unglaubliche Flut von kurzen Raumstrahlen der Universumsenergie. All diese wesentlichen kosmischen Bedingungen mussten sich bis zu einem günstigen Punkt entwickeln, bevor die Lebensbringer tatsächlich mit der Einführung des Lebens auf Urantia beginnen konnten. ***** 58.4 Die Ära des Beginns des Lebens ***** Dass wir Lebensbringer heißen, sollte euch nicht verwirren. Wir können das Leben auf die Planeten bringen und tun es auch, aber wir haben kein Leben nach Urantia gebracht. Das Leben Urantias ist einmalig, es hatte seinen Ursprung auf diesem Planeten. Diese Sphäre ist eine Welt modifizierten Lebens; alles auf ihr erscheinende Leben wurde von uns hier auf dem Planeten gestaltet; und es gibt in ganz Satania und auch in ganz Nebadon keinen anderen Planeten, auf dem das Leben in derselben Form wie auf Urantia existiert. Vor 550 000 000 Jahren kehrte das Lebensbringerkorps nach Urantia zurück. In Zusammenarbeit mit geistigen Mächten und überphysischen Kräften organisierten wir die ursprünglichen Lebensmodelle dieser Welt, setzten sie in Gang und siedelten sie in den wirtlichen Gewässern der Welt an. Das ganze planetarische Leben (abgesehen von den extraplanetarischen Persönlichkeiten) bis zu den Tagen Caligastias, des Planetarischen Fürsten, ging aus unseren drei ursprünglichen, identischen und gleichzeitigen marinen Pflanzungen des Lebens hervor. Diese drei Ansiedlungen des Lebens wurden bezeichnet als: die zentrale oder eurasisch-afrikanische, die östliche oder australasiatische und die westliche, Grönland und die beiden Amerika umfassende. Vor 500 000 000 Jahren hatte sich das primitive marine pflanzliche Leben auf Urantia fest eingerichtet. Zusammen mit Nord- und Südamerika begannen Grönland und die arktischen Landmassen ihre lange und langsame Drift nach Westen. Afrika bewegte sich etwas nach Süden und schuf dadurch zwischen sich und der Muttermasse eine von Osten nach Westen verlaufende Mulde, das Mittelmeerbecken. Im Süden und im Osten spalteten sich die Antarktis, Australien und die Landmasse, an welche die Inseln des Pazifischen Ozeans erinnern, ab und haben sich seit jenen Tagen weit wegbewegt. Wir hatten die primitive Form marinen Lebens in den geschützten tropischen Buchten der zentralen Meere angesiedelt, die in der Ost-West-Spalte der auseinander brechenden Kontinentalmasse entstanden waren. Als wir das marine Leben an drei Orten ansiedelten, leitete uns der Gedanke sicherzustellen, dass jede große Landmasse das Leben in ihren warmen Meereswassern mit sich forttrage, wenn die Landmasse in der Folge auseinander brechen würde. Wir sahen voraus, dass in der späteren Ära des entstehenden Landlebens große Ozeane diese auseinandertreibenden Kontinentalmassen trennen würden. ***** 58.5 Die Verschiebung der Kontinente ***** Die Kontinentaldrift ging weiter. Das Erdzentrum war so dicht und hart wie Stahl geworden, da es einem Druck von fast 3 500 Tonnen pro Quadratzentimeter ausgesetzt war, und infolge des enormen Gravitationsdrucks war sein tiefes Inneres sehr heiß und ist es immer noch. Die Temperatur nimmt von der Oberfläche nach innen immer mehr zu, bis sie im Zentrum etwas höher ist als die Oberflächentemperatur der Sonne. Die äußeren tausendsechshundert Kilometer der Erdmasse bestehen hauptsächlich aus verschiedenen Gesteinsarten. Weiter unten befinden sich die dichteren und schwereren metallischen Elemente. Während der frühen, voratmosphärischen Zeitalter war die Welt in ihrem geschmolzenen und hocherhitzten Zustand so nahezu fließend, dass die schwereren Metalle tief ins Innere absanken. Diejenigen, die man heutzutage nahe an der Oberfläche findet, stellen ausgeworfenes Material alter Vulkane, spätere ausgedehnte Lavaströme und meteoritische Ablagerungen jüngeren Datums dar. Die äußere Kruste war rund fünfundsechzig Kilometer dick. Diese äußere Schale ruhte direkt auf einem sie tragenden geschmolzenen Basaltmeer variabler Dicke, einer beweglichen Schicht aus geschmolzener Lava, die unter hohem Druck gehalten wurde und immer dazu neigte, hierhin und dorthin zu fließen, um die wechselnden planetarischen Drücke auszugleichen und dadurch die Erdkruste zu stabilisieren. Auch heute noch schwimmen die Kontinente immerzu auf diesem nicht kristallisierten kissenartigen Meer aus geschmolzenem Basalt. Gäbe es diesen schützenden Umstand nicht, würden die heftigeren Erdbeben die Welt buchstäblich "in Stücke rütteln". Erdbeben werden durch Gleitbewegungen und Verschiebungen der festen äußeren Kruste und nicht durch Vulkantätigkeit verursacht. Einmal abgekühlt, bilden die Lavaschichten der Erdkruste Granit. Die mittlere Dichte Urantias beträgt ein bisschen mehr als das Fünfeinhalbfache des Wassers, die Dichte des Granits weniger als das Dreifache des Wassers. Das Herz der Erde ist zwölfmal so dicht wie Wasser. Die Meeresböden sind dichter als die Landmassen, und gerade dieser Umstand hält die Kontinente über Wasser. Wenn die Meeresgründe über den Meeresspiegel hinausgehoben werden, findet man, dass sie hauptsächlich aus Basalt, einer Lavaform bestehen, die beträchtlich schwerer wiegt als der Granit der Landmassen. Wären übrigens die Kontinente nicht leichter als die Ozeanbetten, so würde die Gravitation die Ränder der Ozeane über das Festland ziehen, aber es lassen sich keine derartigen Phänomene beobachten. Das Gewicht der Ozeane ist auch ein Grund für die Druckzunahme am Meeresgrund. Das Gewicht der tiefer liegenden, aber im Vergleich schwereren Ozeanbetten zusätzlich zu dem Gewicht des darüberliegenden Wassers kommt dem der höheren, aber viel leichteren Kontinente recht nahe. Aber trotzdem haben alle Kontinente die Neigung, in die Ozeane abzugleiten. Der kontinentale Druck auf der Ebene der Ozeanbetten liegt bei etwa 1 300 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Das entspräche dem Druck einer Kontinentalmasse, die sich 5 000 Meter über den Meeresboden erhöbe. Der Wasserdruck am Ozeanboden beträgt nur etwa 350 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Diese unterschiedlichen Drücke wirken eher dahin, die Kontinente zu einem Abgleiten zu den Ozeangründen hin zu veranlassen. Die Senkung des Ozeangrundes während der Zeitalter vor dem Leben hatte eine einsame Kontinentalmasse derart hoch hinaufgestoßen, dass ihr seitlicher Druck die östliche, die westliche und die südliche Randzone veranlasste, über die darunterliegenden halb zähflüssigen Lavaschichten hinweg in die Wasser des umliegenden Pazifischen Ozeans abzugleiten. Das kompensierte den kontinentalen Druck derart, dass an der östlichen Küste dieses alten asiatischen Kontinentes kein großer Einbruch geschah, aber seit damals hat die östliche Küstenlinie stets über dem Abgrund der angrenzenden ozea-nischen Tiefen geschwebt und gedroht, in ein Wassergrab abzurutschen. ***** 58.6 Die Übergangsperiode ***** Vor 450 000 000 Jahren fand der Übergang vom pflanzlichen zum tierischen Leben statt. Diese Metamorphose ereignete sich in den seichten Wassern der geschützten tropischen Buchten und Lagunen, die die weitläufigen Küstenlinien der sich voneinander trennenden Kontinente bildeten. Diese Entwicklung, die in den ursprünglichen Lebensmodellen schon vollständig enthalten war, ging allmählich vor sich. Es gab viele Übergangsstadien zwischen den frühen primitiven pflanzlichen Lebensformen und den späteren klar ausgeprägten tierischen Organismen. Ihre Abdrücke im Schlamm haben sogar bis heute überdauert, und man kann sie kaum bei den Pflanzen oder bei den Tieren einreihen. Obwohl man die Entwicklung vom pflanzlichen zum tierischen Leben nachzeichnen kann, und obwohl man abgestufte Serien von Pflanzen und Tieren gefunden hat, die stetig von den einfachsten zu den komplexesten und fortgeschrittensten Organismen führen, werdet ihr nicht in der Lage sein, derartige Bindeglieder zwischen den großen Abteilungen des Tierreichs oder zwischen den höchsten vormenschlichen Tiertypen und den allerfrühesten Vertretern der menschlichen Rassen zu finden. Diese so genannten "fehlenden Glieder" werden für immer unauffindbar bleiben, weil sie ganz einfach nie existiert haben. Von Zeitalter zu Zeitalter bringt das Tierleben völlig neue Arten hervor. Diese sind nicht das Resultat allmählichen Hinzufügens von kleinen Veränderungen; sie erscheinen als fertige, neue Ordnungen des Lebens, und sie erscheinen plötzlich. Das plötzliche Auftreten von neuen Arten und verschiedenartigen Ordnungen lebender Organismen ist ganz und gar biologisch und völlig natürlich. Es gibt im Zusammenhang mit diesen genetischen Mutationen nichts Übernatürliches. Als die Ozeane den richtigen Salzgehalt erreicht hatten, konnte sich das tierische Leben entwickeln, und es war relativ einfach, das Salzwasser in den tierischen Organismen des marinen Lebens zirkulieren zu lassen. Aber als die Ozeane schrumpften und sehr viel salziger wurden, entwickelten dieselben Tiere die Fähigkeit, den Salzgehalt ihrer Körperflüssigkeiten herabzusetzen. Ebenso erwarben die Organismen, die im Süßwasser zu leben lernten, die Fähigkeit, in ihrer Körperflüssigkeit durch erfinderische Techniken der Salzerhaltung den passenden Grad an Natriumchlorid aufrechtzuerhalten. Das Studium der im Gestein eingeschlossenen Fossilien des marinen Lebens offenbart die frühen Anpassungskämpfe dieser primitiven Organismen. Pflanzen und Tiere hören nie auf zu versuchen, sich in dieser Weise neu anzupassen. Die Umwelt verändert sich ständig, und die lebenden Organismen kämpfen fortlaufend darum, diesen unablässigen Fluktuationen gerecht zu werden. Die physiologische Ausrüstung und der anatomische Bau aller neuen Lebensordnungen sind eine Antwort auf die Wirkungsweise des physischen Gesetzes, aber die spätere Verstandesbegabung ist ein Geschenk der mentalen Hilfsgeiste entsprechend der angeborenen Hirnkapazität. Obwohl der Verstand nicht der physischen Evolution entstammt, hängt er völlig von der Hirnkapazität ab, die aus rein physischen und evolutionären Entwicklungen hervorgeht. Während schier endloser Zyklen von Gewinnen und Verlusten, Anpassungen und Wiederanpassungen pendeln alle lebendigen Organismen hin und zurück von Zeitalter zu Zeitalter. Diejenigen, welche zu kosmischer Einheit gelangen, überdauern, während jene, die dieses Ziel verfehlen, zu existieren aufhören. ***** 58.7 Das geologische Geschichtsbuch ***** Das gewaltige Felsgefüge, das während der Ära des frühesten Lebens, des Proterozoikums, die äußere Kruste der Welt bildete, kommt heute nicht an vielen Stellen der Erdoberfläche zum Vorschein. Aber wenn es unter all den Aufschüttungen späterer Zeitalter zu Tage tritt, findet man in ihm nur die fossilen Überreste des pflanzlichen und des frühen primitiven Tierlebens. Ein Teil dieses vom Wasser abgelagerten Gesteins ist mit späteren Schichten durchmischt, und manchmal birgt es fossile Reste von einigen früheren Formen pflanzlichen Lebens, während man in den allerobersten Schichten gelegentlich auf einige der primitiveren Formen der frühen Meeres-tierorganismen stößt. An vielen Orten kann man diese ältesten geschichteten Felslagen, die Versteinerungen des frühen tierischen und pflanzlichen marinen Lebens enthalten, direkt über dem älteren, undifferenzierten Felsen finden. Die Fossilien dieser Ära zeigen Algen, korallenähnliche Pflanzen, primitive Protozoen und schwammartige Übergangsorganismen. Aber die Abwesenheit von solchen Fossilien in den frühen Gesteinslagen beweist nicht notwendigerweise, dass zur Zeit ihrer Ablagerung nicht woanders Leben existierte. Leben war in diesen frühen Zeiten spärlich und breitete sich auf der Erdoberfläche nur langsam aus. Auf etwa einem Achtel der gegenwärtigen Landmasse befinden sich die Felsen dieses frühen Zeitalters an der Erdoberfläche oder sehr nahe von ihr. Die mittlere Dicke dieses Übergangsgesteins, der ältesten geschichteten Felslagen, beträgt etwa 2 500 Meter. An einigen Stellen erreichen diese alten Felsgefüge eine Dicke von 6 500 Metern, aber viele Schichten, die dieser Ära zugeschrieben worden sind, gehören späteren Perioden an. In Nordamerika tritt diese alte, urtümliche, fossilienhaltige Gesteinsschicht in den östlichen, zentralen und nördlichen Gegenden Kanadas an die Oberfläche. Es gibt auch einen stellenweise unterbrochenen Ost-West-Grat aus dieser Felsart, der sich von Pennsilvanien und den alten Adirondack-Bergen westwärts durch Michigan, Wisconsin und Minnesota erstreckt. Andere Bergketten verlaufen von Neufundland nach Alabama und von Alaska nach Mexiko. Da und dort auf der ganzen Welt liegen die Felsen dieser Ära bloß, aber nirgends fällt ihre Erkennung leichter als am Lake Superior und im Grand Canyon am Colorado-Fluss, wo dieses fossilhaltige und mehrschichtige Urgestein Zeugnis ablegt von den Aufwölbungen und Oberflächenfluktuationen dieser weit zurückliegenden Zeiten. Diese Gesteinsschicht, die älteste Fossilien enthaltende Ablagerung der Erdkruste, ist durch die von Erdbeben und frühen Vulkanen verursachten Aufwölbungen zusammengedrückt, gefaltet und grotesk verzogen worden. Die Lavaergüsse dieses Zeitalters brachten viel Eisen, Kupfer und Blei bis dicht an die Erdoberfläche. Es gibt nur wenig Orte auf der Erde, wo solche Vorgänge anschaulicher zum Ausdruck kommen als im Tal von St. Croix in Wisconsin. Auf das Festland dieser Gegend ergossen sich in Abständen hundertsiebenundzwanzig Lavaströme, die jedes Mal von Wasser überflutet wurden und auf die sich dann Fels ablagerte. Obwohl heute viel vom Sedimentgestein und der dazwischenliegenden Lava fehlt, und obwohl der Boden des Systems tief in der Erde vergraben liegt, bieten sich dem Auge jetzt immerhin noch zwischen fünfundsechzig und siebzig dieser geschichteten Aufzeichnungen aus vergangenen Zeitaltern. In diesen frühen Zeitaltern, als sich viel Festland fast auf der Ebene des Meeresspiegels befand, kam es viele Male zu seinem Auf- und Untertauchen. Die Erdkruste trat gerade in ihre spätere Phase relativer Stabilisierung ein. Die durch das Auseinanderdriften der Kontinente verursachten Wellenbewegungen, Hebungen und Senkungen trugen das ihre zu der periodischen Überflutung der großen Landmassen bei. In diesen Zeiten des ursprünglichen marinen Lebens sanken ausgedehnte kontinentale Küstengebiete von einigen wenigen bis zu achthundert Metern unter den Meeresspiegel ab. Ein großer Teil der älteren Sandsteine und Konglomerate stellt die angehäuften Ablagerungen dieser alten Küstenstriche dar. Das zu dieser frühen Schichtung gehörende Sedimentgestein ruht direkt auf jenen Lagen, die in eine lang vor dem Ursprung des Lebens liegende Zeit zurückreichen, in die Zeit, als der weltumspannende Ozean entstand. Von den oberen Schichten dieser felsigen Ablagerungen der Übergangszeit enthalten einige geringe Anteile an dunkelgefärbten Ton- oder Schieferarten, die ein Hinweis auf die Anwesenheit organischen Kohlenstoffs sind, und sie zeugen von der Existenz der Vorläufer jener Pflanzenformen, die die Welt in der darauf folgenden Steinkohlenzeit, im Karbon eroberten. Ein großer Teil des in diesen Gesteinsschichten enthaltenen Kupfers wurde durch das Wasser abgelagert. Man findet es auch etwa in den Rissen der älteren Felsen, wo es das Konzentrat des träge fließenden Sumpfwassers einer vormaligen geschützten Küstenlinie darstellt. Die Eisenminen Nordamerikas und Europas befinden sich in Ablagerungen und Ausscheidungen, die teils in den älteren, nicht geschichteten Felsen und teils in diesen späteren, geschichteten Felsen aus den Übergangszeiten der Lebensbildung liegen. Diese Ära erlebt die Ausbreitung des Lebens in allen Wassern der Welt; das marine Leben hat sich auf Urantia jetzt fest eingebürgert. Der Grund der seichten, ausgedehnten Binnenmeere überzieht sich allmählich mit einem Pflanzenwuchs von verschwenderischer Üppigkeit, während es in den Küstengewässern von einfachen Formen tierischen Lebens wimmelt. Diese ganze Geschichte wird anschaulich erzählt auf den Versteinerungsseiten des gewaltigen "Gesteinsbuchs" des Weltarchivs. Und die Seiten dieser gigantischen biogeologischen Chronik sagen unfehlbar die Wahrheit, wenn ihr nur das nötige Geschick zu ihrer Deutung erwerbt. Viele dieser einstigen Meeresböden erheben sich jetzt hoch über das Land, und das, was Zeitalter um Zeitalter abgelagert haben, erzählt die Geschichte der Lebenskämpfe jener frühen Tage. Was euer Dichter gesagt hat, ist buchstäblich wahr: "Der Staub, auf den wir treten, war einst lebendig." [Dargeboten von einem Mitglied des jetzt auf dem Planeten wohnenden Lebensbringerkorps Urantias.] ****** Kapitel 59 Die Ära des Marinen Lebens auf Urantia ****** UNSERER Meinung nach beginnt die Geschichte Urantias etwa vor einer Milliarde Jahren und erstreckt sich über fünf größere Zeitabschnitte: 1. Die dem Leben vorausgehende Ära erstreckt sich über die ersten vierhundertfünfzig Millionen Jahre, ungefähr von dem Zeitpunkt an, da der Planet seine heutige Größe erreicht hatte, bis zu dem Zeitpunkt der Einführung des Lebens. Eure Gelehrten haben diesen Zeitraum als Archäozoikum bezeichnet. 2. Die Ära des erwachenden Lebens dehnt sich über die nächsten hundertfünfzig Millionen Jahre aus. Diese Epoche schaltet sich zwischen das davorliegende, dem Leben vorausgehende oder Kataklysmen-Zeitalter und die darauf folgende Periode höher entwickelten marinen Lebens. Eure Forscher kennen diese Ära als Proterozoikum. 3. Die Ära des marinen Lebens nimmt die nächsten zweihundertfünfzig Millionen Jahre ein und ist euch wohlbekannt als das Paläozoikum. 4. Die Ära des frühen Landlebens erstreckt sich über die nächsten hundert Millionen Jahre und wird Mesozoikum genannt. 5. Die Ära der Säugetiere umfasst die letzten fünfzig Millionen Jahre. Diese Ära der jungen Vergangenheit nennt man Känozoikum. Die Ära des marinen Lebens macht also etwa ein Viertel eurer planetarischen Geschichte aus. Man kann sie in sechs lange Perioden unterteilen, von denen jede durch bestimmte wohldefinierte Entwicklungen sowohl im geologischen als auch im biologischen Bereich charakterisiert wird. Zu Beginn dieser Ära sind die Meeresböden, die ausgedehnten Festlandsockel und die zahlreichen seichten, küstennahen Becken von üppiger Vegetation bedeckt. Die einfacheren und primitiveren Formen tierischen Lebens haben sich bereits aus den ihnen vorangegangenen pflanzlichen Organismen entwickelt, und die frühen tierischen Organismen sind allmählich entlang den sich weit hinziehenden Küstenlinien der verschiedenen Landmassen vorgedrungen, bis es in den vielen Binnenmeeren von ursprünglichem marinem Leben nur so wimmelt. Da nur so wenige dieser frühen Organismen Schalen besaßen, sind nicht viele davon als Versteinerungen erhalten geblieben. Trotzdem sind die Voraussetzungen für die Niederschrift der Eingangskapitel jenes großen "steinernen Buches" geschaffen, in welchem die Chronik des Lebens aufbewahrt wird, die während der aufeinander folgenden Zeitalter so methodisch aufgezeichnet wurde. Der nordamerikanische Kontinent ist wunderbar reich an fossilhaltigen Ablagerungen aus der gesamten Ära marinen Lebens. Die allerersten, ältesten Schichten sind von den letzten Lagen der vorangehenden Periode durch umfangreiche Erosionsablagerungen getrennt, die diese beiden Stadien planetarischer Entwicklung klar voneinander trennen. ***** 59.1 Das frühe marine Leben in den untiefen Meeren - Das Zeitalter der Trilobiten ***** Zu Beginn dieser Periode relativer Ruhe an der Erdoberfläche bleibt das Leben auf die verschiedenen Binnenmeere und die ozeanische Küstenlinie beschränkt; bis jetzt hat sich keine Art von Landorganismus entwickelt. Die primitiven Meerestiere sind überall reichlich vorhanden und für die nächste evolutionäre Entwicklung bereit. Die Amöben, die gegen Ende der vorangegangenen Übergangsperiode aufgetreten sind, sind typische Überlebende dieses Anfangsstadiums des tierischen Lebens. Vor 400 000 000 Jahren ist sowohl das pflanzliche als auch das tierische marine Leben recht gut über die ganze Welt verteilt. Das Klima der Welt wird leicht wärmer und ausgeglichener. Ganz allgemein sind die Meeresküsten der verschiedenen Kontinente, insbesondere Nord- und Südamerikas, überschwemmt. Neue Ozeane erscheinen, und die älteren Wassermassen vergrößern sich wesentlich. Zum ersten Mal kriecht die Vegetation auf das Festland und macht bald beträchtliche Fortschritte bei der Anpassung an die nichtmarine Umwelt. Plötzlich, ohne stufenweise Ahnenreihe, treten die ersten vielzelligen Tiere auf. Die Evolution hat die Trilobiten hervorgebracht, und während ganzer Zeitalter werden sie die Meere beherrschen. Aus dem Blickwinkel des marinen Lebens handelt es sich um das Zeitalter der Trilobiten. Im späteren Verlauf dieses Zeitsegmentes tauchte ein Großteil Amerikas und Europas aus dem Meer auf. Die Erdkruste stabilisierte sich vorübergehend; Berge, oder eher Hochländer, erhoben sich längs der atlantischen und pazifischen Küsten, in Westindien und Südeuropa. Die ganze karibische Region ragte sehr hoch auf. Vor 390 000 000 Jahren war das Festland immer noch stark erhöht. Man kann die während dieser Zeit abgelagerten Gesteinsschichten über Teile von Ost- und Westamerika und Westeuropa verstreut finden. Es sind die ältesten Felsen, die Versteinerungen von Trilobiten enthalten. Es gab damals viele fingerförmige Buchten, die in die Landmassen eindrangen und in denen dieses fossilhaltige Gestein abgelagert wurde. Im Zeitraum von ein paar Millionen Jahren begann der Pazifische Ozean, in die amerikanischen Kontinente einzudringen. Das Absinken des Festlandes wurde vor allem durch Anpassungen der Erdkruste verursacht, obgleich die laterale Landwanderung oder Kontinentalverschiebung dabei auch mitspielte. Vor 380 000 000 Jahren sank Asien ab, während alle anderen Kontinente eine kurzfristige Hebung erfuhren. Aber mit dem Fortschritt dieser Epoche fraß sich der neu auftretende Atlantische Ozean all seinen Küsten entlang tief in das Landesinnere ein. Die nordatlantischen oder arktischen Meere vereinigten sich damals mit den südlichen Golfwassern. Als sich dieses südliche Meer in die appalachische Senke ergoss, brachen sich seine Wellen im Osten an Bergen, die so hoch waren wie die Alpen, aber im Allgemeinen bestanden die Kontinente aus uninteressantem Tiefland, das jeglichen landschaftlichen Reiz vermissen ließ. Es gibt viererlei aus diesen Zeitaltern herrührendes Sedimentgestein: 1. Konglomerate - in Küstennähe abgelagertes Material. 2. Sandsteine - Ablagerungen in untiefen Wassern, deren Wellenbewegungen indessen ausreichten, um das Absetzen von Schlamm zu verhindern. 3. Schiefertone - Ablagerungen in tieferen und ruhigeren Wassern. 4. Kalkstein - er enthält Ablagerungen von Trilobitenschalen in tiefem Wasser. Die fossilen Trilobiten dieser Zeiten zeigen gewisse grundlegende Übereinstimmungen neben gewissen augenfälligen Abweichungen. Die frühen Tierorganismen trugen den Stempel der drei ursprünglichen Ansiedlungen des Lebens, aus denen sie sich entwickelt hatten. Diejenigen der westlichen Hemisphäre waren leicht verschieden von denen der eurasischen Gruppe und vom austral-asiatischen oder austral-arktischen Typus. Vor 370 000 000 Jahren geschah die große und fast vollständige Überflutung von Nord- und Südamerika, gefolgt vom Absinken Afrikas und Australiens. Nur gewisse Teile Nordamerikas ragten aus diesen nicht so tiefen Meeren des Kambriums heraus. Fünf Millionen Jahre später wichen die Meere vor dem sich wieder hebenden Land zurück. Und diese ganzen Phänomene sinkenden und steigenden Lands spielten sich ganz undramatisch und langsam über Jahrmillionen hinweg ab. Die versteinerte Trilobiten enthaltenden Schichten dieser Epoche liegen auf allen Kontinenten mit Ausnahme Zentralasiens da und dort offen zu Tage. In vielen Regionen liegen diese Felsen horizontal, aber im Gebirge sind sie durch Druck und Faltung geneigt und verformt. Und solcher Druck veränderte vielerorts den ursprünglichen Charakter dieser Ablagerungen. Aus Sandstein wurde Quarz, aus Ton Schiefer und aus Kalkstein Marmor. Vor 360 000 000 Jahren hob sich das Land immer noch. Nord- und Südamerika lagen eindeutig über Wasser. Westeuropa und die Britischen Inseln tauchten auf mit Ausnahme von Teilen von Wales, die tief unter Wasser lagen. Es gab in diesen Zeitaltern keine großen Eisdecken. Die vermeintlichen Gletscherablagerungen, die zusammen mit diesen Schichten in Europa, Afrika, China und Australien auftreten, sind auf isolierte Gebirgsgletscher und auf die Verschiebung von Gletschertrümmern späteren Ursprungs zurückzuführen. Das Weltklima war ozeanisch, nicht kontinental. Die südlichen Meere waren damals wärmer als heute, und sie erstreckten sich nach Norden über Nordamerika hinaus bis in die Polarregionen. Der Golfstrom, der über den zentralen Abschnitt Nordamerikas verlief, wurde nach Osten abgelenkt, um die Küsten Grönlands zu bespülen und zu wärmen und machte aus diesem heute in einen Eismantel gehüllten Kontinent ein richtiges tropisches Paradies. Das marine Leben war auf der ganzen Welt so ziemlich dasselbe und bestand aus Algen, einzelligen Organismen, einfachen Schwämmen, Trilobiten und anderen Krustentieren - Krevetten, Krabben und Hummern. Dreitausend Arten von Brachiopoden erschienen am Ende dieser Periode, von denen nur zweihundert überlebt haben. Diese Tiere stellen eine Spielart des frühen Lebens dar, die sich praktisch unverändert bis in die Gegenwart erhalten hat. Aber die Trilobiten waren die dominierenden lebendigen Geschöpfe. Es waren geschlechtliche Tiere, die in vieler Gestalt existierten. Sie waren schlechte Schwimmer und ließen sich träge im Wasser treiben oder krochen am Meeresboden umher. Wenn sie durch ihre später auftretenden Feinde angegriffen wurden, rollten sie sich zum Selbstschutz zusammen. Ihre Länge betrug zwischen fünf und dreißig Zentimetern, und sie entwickelten sich in vier verschiedenen Gruppen: als Karnivoren, Herbivoren, Omnivoren und "Schlammfresser". Die Fähigkeit dieser letzten Gruppe, weitgehend von anorganischer Materie zu leben - sie waren die letzten vielzelligen Tiere, die das vermochten - erklärt ihre große Vermehrung und ihr langes Überleben. Das war das biogeologische Bild, das Urantia am Ende jener langen, fünfzig Millionen Jahre umfassenden Periode der Weltgeschichte bot, die eure Geologen als das Kambrium bezeichnet haben. ***** 59.2 Das erste Stadium kontinentaler Überflutung - Das Zeitalter der Wirbellosen Tiere ***** Die für diese Zeiten bezeichnenden Phänomene periodischer Hebung und Senkung des Landes geschahen stets allmählich und auf unspektakuläre Weise und waren nur von geringer oder gar keiner vulkanischen Aktivität begleitet. Während all dieser aufeinander folgenden Landhebungen und -senkungen teilte der asiatische Mutterkontinent nicht in allem die Geschichte der anderen Landmassen. Er erlitt viele Überschwemmungen, indem er insbesondere in seiner früheren Geschichte zuerst nach einer Richtung und dann nach einer anderen hin einsank, aber er zeigt nicht die gleichförmigen Gesteinsablagerungen, die man auf den anderen Kontinenten entdecken kann. In den neueren Zeitaltern ist Asien von allen Landmassen die stabilste gewesen. Vor 350 000 000 Jahren begann die große Periode der Überflutung aller Kontinente mit Ausnahme Zentralasiens. Die Landmassen wurden wiederholt unter Wasser gesetzt; nur die küstennahen Hochländer ragten aus diesen unbeständigen, flachen aber ausgedehnten Binnenmeeren heraus. Drei größere Überflutungen charakterisierten diese Periode, aber bevor sie zu Ende ging, traten die Kontinente wieder hervor, und das aufgetauchte Land lag insgesamt um fünfzehn Prozent über dem heutigen Stand. Die karibische Region ragte hoch heraus. Diese Periode lässt sich in Europa nicht gut abgrenzen, weil die Landfluktuationen geringer waren, während die Vulkantätigkeit in bedeutenderem Maße fortdauerte. Vor 340 000 000 Jahren kam es mit Ausnahme Asiens und Australiens wieder zu einem bedeutenden Absinken des Landes. Allgemein vermischten sich die Wasser der Weltozeane miteinander. Das war ein großes Kalksteinzeitalter, wobei ein großer Teil des in ihm abgelagerten Gesteins von Kalk ausscheidenden Algen stammt. Ein paar Millionen Jahre später begannen große Abschnitte der amerikanischen Kontinente und Europas aus dem Wasser aufzutauchen. In der westlichen Hemisphäre blieb nur ein Arm des Pazifischen Ozeans über Mexiko und über der Gegend der gegenwärtigen Rocky Mountains bestehen, aber gegen Ende dieser Epoche begannen die atlantische und die pazifische Küste wieder zu sinken. Vor 330 000 000 Jahren beginnt auf der ganzen Welt ein Zeitabschnitt vergleichsweiser Ruhe. Wieder befindet sich viel Land über dem Wasser. Die einzige Ausnahme in dieser auf der Erde herrschenden Ruhe war der Ausbruch des großen nordamerikanischen Vulkans im östlichen Kentucky. Es war eine der größten einzelnen Vulkanaktivitäten, die die Welt je erlebt hat. Die Asche dieses Vulkans bedeckte die Erde über tausenddreihundert Quadratkilometer hinweg mit einer fünf bis sechs Meter tiefen Schicht. Vor 320 000 000 Jahren ereignete sich die dritte große Überflutung dieser Periode. Ihre Wassermassen bedeckten alles während der vorangegangenen Sintflut überschwemmte Land und erstreckten sich in vielen Richtungen noch weiter über die beiden Amerikas und über Europa. Der Osten Nord-amerikas und Westeuropa lagen drei- bis viertausendfünfhundert Meter tief unter Wasser. Vor 310 000 000 Jahren lagen die Landmassen der Welt mit Ausnahme der südlichen Teile Nordamerikas wieder ordentlich über dem Meeresspiegel. Mexiko tauchte auf und schuf dadurch den gleichnamigen Golf, der seither stets so geblieben ist. Das Leben entwickelt sich in dieser Periode weiter. Die Welt ist wieder einmal ruhig und relativ friedlich; das Klima bleibt mild und ausgeglichen; die Landpflanzen wandern immer weiter von den Küstenstrichen weg. Die Lebensmuster sind gut entwickelt, obwohl man nur wenig Versteinerungen von Pflanzen aus dieser Zeit finden kann. Das war das große Zeitalter der Evolution individueller Tierorganismen, obwohl viele der grundlegenden Veränderungen, wie der Übergang von der Pflanze zum Tier, schon früher stattgefunden hatten. Die marine Fauna entwickelte sich so weit, dass jeder Lebenstyp unterhalb der Wirbeltiere in den Fossilien des damals abgelagerten Gesteins vertreten ist. Aber all diese Tiere waren Meeresorganismen. Es waren noch keine Landtiere erschienen außer einigen Typen von Würmern, die sich am Meeresufer entlang eingruben. Ebenso wenig hatten sich die Landpflanzen über die Kontinente ausgebreitet. Es gab noch zu viel Kohlendioxyd in der Luft, um die Existenz von Luftatmern zu gestatten. Grundsätzlich hängen alle Tiere mit Ausnahme einiger der primitiveren mit ihrer Existenz direkt oder indirekt vom Pflanzenleben ab. Die Trilobiten waren immer noch vorherrschend. Diese kleinen Tiere existierten in zehntausenden von Erscheinungsformen. Sie sind die Vorläufer der heutigen Krustentiere. Einige Trilobiten besaßen fünfundzwanzig bis viertausend winzige Äuglein; andere hatten verkümmerte Augen. Am Ende dieser Periode teilten die Trilobiten die Herrschaft über die Meere mit mehreren anderen Formen wirbellosen Lebens. Aber zu Beginn der nächsten Periode gingen sie vollständig unter. Kalk ausscheidende Algen waren weit verbreitet. Die frühen Vorfahren der Korallen existierten in Tausenden von Arten. Es gab Meereswürmer in großer Zahl und viele Quallenarten, die seither ausgestorben sind. Korallen und die späteren Schwammarten entwickelten sich. Die Cephalopoden waren gut entwickelt, und sie haben im heutigen perlmutterfarbigen Nautilus und in verschiedenen Tintenfischarten überlebt. Es gab viele Arten von Schalentieren, aber sie gebrauchten ihre Schalen damals nicht so sehr für defensive Zwecke wie in späteren Zeitaltern. Auch die Gastropoden waren in den Wassern der alten Meere vorhanden, und sie umfassten einschalige Bohrtiere, Uferschnecken und Schnecken. Die Bivalven sind über all die Millionen von Jahren praktisch unverändert zu uns gekommen, und sie umfassen die Muscheln, Venusmuscheln, Austern und Kammmuscheln. Die mit Klappen beschalten Organismen entwickelten sich ebenfalls, und diese Brachiopoden lebten in den einstigen Gewässern praktisch in ihrer heutigen Form; sie besaßen an ihren Klappen sogar Scharniere und Nuten und andere Schutzvorrichtungen. So endet die Evolutionsgeschichte der zweiten großen Periode marinen Lebens, die eure Geologen als das Ordovizium kennen. ***** 59.3 Das zweite grosse Überflutungsstadium (Die Korallenperiode) - Das zeitalter der Brachiopoden ***** Vor 300 000 000 Jahren begann eine neue große Periode der Landüberflutung. Die nach Süden und Norden vordringenden einstigen silurischen Meere waren im Begriff, den größten Teil Europas und Nordamerikas zu verschlingen. Das Land lag nicht hoch über der See, so dass den Küstenlinien entlang nicht viel abgelagert wurde. Die Meere wimmelten von mit Kalkschalen versehenem Leben, und das Absinken dieser Schalen auf den Meeresgrund ließ allmählich sehr dicke Kalkschichten entstehen. Das ist die erste ausgedehnte Kalkablagerung, und sie bedeckt praktisch ganz Europa und Nordamerika, tritt aber nur an wenigen Orten an die Erdoberfläche. Die Dicke dieser alten Felsschicht beträgt im Mittel etwa dreihundert Meter, aber viele dieser Ablagerungen sind seither durch Neigungen, Hebungen und Verwerfungen stark verformt und viele von ihnen in Quartz, Schiefer und Marmor umgewandelt worden. Man findet in den Gesteinsschichten dieser Periode kein Eruptivgestein, keine Lava, mit Ausnahme jener der großen Vulkane Südeuropas, des östlichen Maine und der Lavafluten Quebecs. Die Vulkantätigkeit war jetzt weitgehend vorüber. Es war der Höhepunkt der großen Wasserablagerung, es fand wenig oder gar keine Gebirgsbildung statt. Vor 290 000 000 Jahren hatte sich das Meer im Großen und Ganzen von den Kontinenten zurückgezogen, und die Meeresböden der umgebenden Ozeane senkten sich. Die Landmassen erfuhren kaum Veränderungen, bis sie von neuem überschwemmt wurden. Auf allen Kontinenten begannen die ersten Gebirgsbildungen, und die größten Erhebungen der Erdkruste waren das Himalajagebirge in Asien und das Kaledonische Gebirge, das sich von Irland über Schottland bis nach Spitzbergen erstreckte. In den Ablagerungen dieses Zeitalters befindet sich das meiste Gas, Erdöl, Zink und Blei. Gas und Öl entstammen den gewaltigen Ansammlungen pflanzlicher und tierischer Materie, die sich zur Zeit der vorausgegangenen Landüberflutung abgesetzt hatten, während die mineralischen Vorkommen die Sedimentierung seichter Gewässer darstellen. Viele Salzlager im Gestein gehören dieser Periode an. Die Trilobiten gingen rasch zurück, und die größeren Mollusken oder Cephalopoden rückten in den Mittelpunkt des Geschehens. Diese Tiere maßen bis fünf Meter in der Länge und dreißig Zentimeter im Durchmesser und wurden die Herren der Meere. Diese Tierart erschien plötzlich und übernahm die beherrschende Stellung im Meeresleben. Die große Vulkantätigkeit dieses Zeitalters spielte sich im europäischen Sektor ab. Jahrmillionenlang hatten keine derart heftigen und weitreichenden Vulkanausbrüche wie diejenigen stattgefunden, die sich jetzt rund um die Mittelmeersenke und besonders in der Nachbarschaft der Britischen Inseln ereigneten. Der Lavaerguss über der britischen Inselregion erscheint heute als eine achttausend Meter dicke Schicht aus abwechselnden Lagen von Lava und Fels. Dieses Gestein wurde durch die Lavaflüsse aufgebaut, die in Abständen den Grund des flachen Meeres überzogen und sich so zwischen die Felsablagerungen einfügten, und das Ganze wurde in der Folge hoch über den Meeresspiegel hinausgehoben. Heftige Erdbeben ereigneten sich in Nordeuropa, insbesondere in Schottland. Das ozeanische Klima blieb mild und gleichmäßig, und die warmen Meere bespülten die Küsten der Polarländer. In den dortigen Ablagerungen kann man bis hinauf zum Nordpol Versteinerungen von Brachiopoden und anderen Vertretern des marinen Lebens finden. Gastropoden, Brachiopoden, Schwämme und Riffbildende Korallen nahmen immer mehr zu. Das Ende dieser Epoche erlebt ein zweites Vorrücken der Silurischen Meere und eine neuerliche Durchmischung der Wasser der südlichen und nördlichen Ozeane. Die Cephalopoden beherrschen das marine Leben, während sich schrittweise verwandte Lebensformen entwickeln und differenzieren. Vor 280 000 000 Jahren waren die Kontinente weitgehend wieder aus der zweiten silurischen Überflutung aufgetaucht. Die Felsablagerungen dieser Überschwemmung kennt man in Nordamerika als Niagarakalk, weil es die Felsschicht ist, über die jetzt die Niagarafälle fließen. Diese Schicht erstreckt sich von den östlichen Bergen bis in die Region des Mississippitals, aber abgesehen vom Süden nicht weiter nach Westen. Mehrere Schichten überziehen Kanada, Teile von Südamerika, Australien und den größten Teil Europas. Die Dicke dieser Niagaraschicht beträgt im Mittel zweihundert Meter. In vielen Regionen kann man unmittelbar über der Niagaralage eine Ansammlung von Konglomeraten, Ton und Steinsalz finden. Es handelt sich dabei um eine Anhäufung sekundärer Ablagerungen. Dieses Salz sammelte sich in großen Lagunen an, die sich abwechselnd zum Meer hin öffneten und wieder von ihm abgeschnitten wurden, so dass das Salz bei der Verdunstung zusammen mit anderer sich in Lösung befindlicher Materie abgelagert wurde. In einigen Gegenden sind diese Steinsalzlagen über zwanzig Meter dick. Das Klima ist ausgeglichen und mild, und in den arktischen Regionen lagern sich marine Fossilien ab. Aber am Ende dieser Epoche sind die Meere so außerordentlich salzig geworden, dass in ihnen nur wenig Leben überlebt. Gegen Ende der letzten silurischen Überflutung vermehren sich die Echinodermen - die Steinlilien - äußerst stark, wie es die Ablagerungen der Crinoidenkalke beweisen. Die Trilobiten sind sozusagen verschwunden, und die Meere werden weiterhin von den Mollusken beherrscht; die Bildung von Korallenriffen macht große Fortschritte. Während dieses Zeitalters entwickeln sich an begünstigteren Plätzen zum ersten Mal die primitiven Wasserskorpione. Bald darauf, und plötzlich, erscheinen die richtigen Skorpione - wirkliche Luftatmer. Diese Entwicklungen stehen am Ende der dritten Periode marinen Lebens, die sich über fünfundzwanzig Millionen Jahre hinzieht und euren Forschern als Silur vertraut ist. ***** 59.4 Das große Stadium der Landhebung (Die Periode des Pflanzlichen Landlebens) - Das Zeitalter der Fische ***** Im zeitalterlangen Kampf zwischen Land und Wasser war das Meer über lange Perioden vergleichsweise siegreich, aber nun steht die Zeit des Landsiegs unmittelbar bevor. Da die Kontinentaldrift noch nicht weit fortgeschritten ist, hängt gelegentlich praktisch das ganze Festland der Welt durch schmale Isthmen und enge Landbrücken zusammen. Jetzt, da das Land aus der letzten silurischen Überflutung auftaucht, kommt eine wichtige Periode der Entwicklung der Welt und der Evolution des Lebens zum Abschluss. Über der Erde dämmert ein neues Zeitalter herauf. Die nackte und reizlose Landschaft früherer Zeiten kleidet sich in üppiges Grün, und bald werden die ersten herrlichen Wälder erscheinen. Das marine Leben dieses Zeitalters war sehr vielgestaltig aufgrund der frühen Artentrennung, aber später trat eine freie Durchmischung und ein Zusammenwirken all dieser verschiedenen Typen ein. Die Brachiopoden erklommen rasch ihren Gipfel, wurden dann von den Arthropoden abgelöst, und die Entenmuscheln erschienen. Aber das weitaus größte Ereignis war das plötzliche Auftreten der Fischfamilie. Dieses Zeitalter wurde zu demjenigen der Fische, zu der durch den Wirbeltier typus gekennzeichneten Periode der Weltgeschichte. Vor 270 000 Jahren befanden sich alle Kontinente über Wasser. Nicht in Millionen und Abermillionen von Jahren hatte sich zur selben Zeit soviel Land über dem Wasser befunden; es war eine der größten Landhebungsperioden in der ganzen Weltgeschichte. Fünf Millionen Jahre später wurde das Festland Nord- und Südamerikas, Europas, Afrikas, Nordasiens und Australiens kurz überflutet, wobei das Untertauchen Nordamerikas zu verschiedenen Zeitpunkten fast vollständig war; und die Dicke der davon herrührenden Kalksteinlagen liegt zwischen hundertfünfzig und tausendfünfhundert Metern. Diese verschiedenen Devonmeere dehnten sich zuerst nach einer Richtung und dann nach einer anderen hin aus, so dass das gewaltige arktische nordamerikanische Binnenmeer durch das nördliche Kalifornien einen Ausfluss fand. Vor 260 000 000 Jahren, gegen Ende dieser Tieflandepoche, war Nordamerika teilweise von Meeren bedeckt, die gleichzeitig mit den Wassern des Pazifiks, des Atlantiks, der Arktis und des Golfs von Mexiko in Verbindung standen. Die Ablagerungen dieser späteren Stadien der devonischen Überflutung sind im Durchschnitt etwa dreihundert Meter dick. Die für diese Zeiten charakteristischen Korallenriffe sind ein Hinweis darauf, dass die Inlandmeere klar und flach waren. Solche Korallenlager liegen an den Ufern des Ohioflusses nahe von Louisville in Kentucky offen zu Tage, sind etwa dreißig Meter dick und enthalten mehr als zweihundert verschiedene Arten. Diese Korallenformationen erstrecken sich über Kanada und Nordeuropa bis in die arktischen Regionen hinauf. Nach diesen Überflutungen wurden viele Uferstriche beträchtlich angehoben, so dass die früheren Ablagerungen mit Schlamm oder Ton zugedeckt wurden. Es gibt auch eine rote Sandsteinschicht, die eine der devonischen Formationen charakterisiert, und diese rote Schicht überzieht einen großen Teil der Erdoberfläche; denn man findet sie in Nord- und Südamerika, Europa, Russland, China, Afrika und Australien. Solch rote Ablagerungen sind ein Hinweis auf aride oder semiaride Bedingungen, aber das Klima dieser Epoche war immer noch mild und ausgeglichen. Während dieser ganzen Periode blieb das im Südosten der Insel Cincinnati gelegene Land eindeutig ein gutes Stück über Wasser. Aber große Teile Westeuropas, die Britischen Inseln eingeschlossen, waren überflutet. In Wales, Deutschland und anderswo in Europa sind die devonischen Gesteine sechstausend Meter dick. Vor 250 000 000 Jahren trat die Familie der Fische, traten die Wirbeltiere auf den Plan. Das war einer der wichtigsten Schritte in der ganzen vormenschlichen Evolution. Die Arthropoden oder Krustentiere waren die Ahnen der ersten Wirbeltiere. Die Vorläufer der Fischfamilie waren zwei modifizierte Arthropodenahnen; der eine besaß einen langen Körper, der den Kopf mit dem Schwanz verband, während der andere ein rückgratloser und kieferloser Vorfisch war. Aber diese einleitenden Typen wurden rasch vernichtet, als die Fische, die ersten Wirbeltiere der Tierwelt, plötzlich von Norden her erschienen. Viele der größten echten Fische gehören diesem Zeitalter an. Einige der mit Zähnen ausgerüsteten Arten wurden acht bis zehn Meter lang; die heutigen Haie sind die Überlebenden dieser alten Fischarten. Die Lungen- und Panzerfische erreichten ihren evolutionären Höhepunkt, und noch vor dem Ende dieser Epoche hatten sich die Fischarten sowohl dem Süß- wie dem Salzwasser angepasst. Wahre Knochenbetten von Fischzähnen und Skeletten kann man in den Ablagerungen aus dem Ende dieser Periode finden, und entlang der Küste Kaliforniens gibt es reiche Fossilienlager, da sich viele geschützte Buchten des Pazifischen Ozeans in das Landesinnere dieser Region erstreckten. Die Erde wurde nun rasch von den neuen Ordnungen der Landvegetation erobert. Zuvor waren außer in unmittelbarer Wassernähe auf dem Land nur wenige Pflanzen gewachsen. Jetzt erschien, und zwar plötzlich, die üppig wuchernde Familie der Farne und breitete sich in allen Teilen der Welt auf dem sich rasch hebenden Land aus. Bald entwickelten sich auch sechzig Zentimeter dicke und zwölf Meter hohe Bäume; später bildeten sich die Blätter heraus, aber diese frühen Arten besaßen nur ein rudimentäres Laubwerk. Es gab auch viele kleinere Pflanzen, aber man kann ihre Versteinerungen nicht finden, da sie gewöhnlich von den schon früher erschienenen Bakterien zerstört wurden. Als sich das Land hob, wurde Nordamerika mit Europa durch Landbrücken verbunden, die bis nach Grönland reichten. Und heute birgt Grönland unter seinem Eismantel die Überreste dieser frühen Landpflanzen. Vor 240 000 000 Jahren begann das Land in Europa, Nord- und Südamerika stellenweise abzusinken. Diese Senkung leitete die letzte und am wenigsten ausgedehnte der devonischen Überflutungen ein. Die arktischen Meere rückten über große Teile Nordamerikas nach Süden vor, der Atlantik überschwemmte weite Gebiete Europas und Westasiens, während der Südpazifik fast ganz Indien bedeckte. Diese Überflutung breitete sich nur sehr langsam aus und ging ebenso langsam wieder zurück. Die Catskillberge entlang des Westufers des Hudsonflusses sind eines der größten geologischen Monumente dieser Epoche, die man an der Oberfläche Nordamerikas finden kann. Vor 230 000 000 Jahren setzten die Meere ihren Rückzug fort. Ein Großteil Nordamerikas befand sich über Wasser, und die St. Lorenzregion wurde von starker vulkanischer Aktivität erschüttert. Der Mount Royal in Montreal ist der verwitterte Rumpf eines dieser Vulkane. Die Ablagerungen dieser gesamten Epoche zeigen sich sehr schön in den Appalachen Nordamerikas, wo sich der Susquehannafluss ein Tal grub und dadurch die aufeinander folgenden Schichten freilegte, die eine Dicke von über 4 000 Metern erreichten. Die Kontinente hoben sich weiter, und die Atmosphäre wurde sauerstoffreicher. Die Erde war von gewaltigen Wäldern aus dreißig Meter hohen Farnen und den eigentümlichen Bäumen jener Tage bedeckt - aber es waren schweigende Wälder. Man hörte nicht einen Ton, nicht einmal das Rascheln eines Blattes, denn jene Bäume hatten kein Laub. Und so neigte sich eine der längsten Evolutionsperioden des marinen Lebens, das Zeitalter der Fische, ihrem Ende zu. Dieser Abschnitt der Weltgeschichte dauerte fast fünfzig Millionen Jahre, und eure Forscher kennen ihn als das Devon. ***** 59.5 Das Stadium der sich verschiebenden Erdkruste (Das Karbon - Die Zeit der Farnwalder) - Das Zeitalter der Frösche ***** Das Erscheinen der Fische in der vorangegangenen Periode stellt den Höhepunkt der marinen Lebensentwicklung dar. Von da an wird die Lebensentwicklung auf dem Festland immer wichtiger. Zu Beginn dieser Periode bietet sich ein beinah ideales Umfeld für das Erscheinen der ersten Landtiere. Vor 220 000 000 Jahren befanden sich viele Gegenden der Kontinente einschließlich des größten Teils Nordamerikas über Wasser. Das Land war von üppiger Vegetation bedeckt; es war wirklich das Zeitalter der Farne. Die Atmosphäre enthielt immer noch Kohlendioxid, aber in abnehmendem Maße. Kurz darauf wurde der mittlere Abschnitt Nordamerikas unter Wasser gesetzt, wobei zwei große Binnenmeere entstanden. Sowohl das atlantische als auch das pazifische küstennahe Hochland lagen gerade außerhalb der heutigen Küstenlinie. Als sich die beiden Meere bald vereinigten, durchmischten sich ihre verschiedenen Lebensformen, und der Zusammenschluss dieser marinen Fauna markierte den Beginn des raschen weltweiten Niedergangs des marinen Lebens und die Eröffnung der folgenden Periode des Landlebens. Vor 210 000 000 Jahren bedeckten die warmen arktischen Meere den größten Teil Nordamerikas und Europas. Die südlichen Polarwasser überschwemmten Südamerika und Australien, während Afrika und Asien hoch aufragten. Als die Meere die größte Ausdehnung erreicht hatten, trat plötzlich eine neue evolutionäre Entwicklung ein. Ganz unvermittelt erschienen die ersten Landtiere. Es gab ihrer viele Arten, die fähig waren, auf dem Land und im Wasser zu leben. Diese Luft atmenden Amphibien waren aus Arthropoden hervorgegangen, deren Schwimmblasen sich zu Lungen weiterentwickelt hatten. Schnecken, Skorpione und Frösche krochen aus den salzigen Wassern der Meere an Land. Noch heute legen die Frösche ihre Eier im Wasser, und ihre Jungen existieren zuerst als kleine Fische, als Kaulquappen. Diese Periode könnte sehr wohl als das Zeitalter der Frösche bezeichnet werden. Nur wenig später erschienen die ersten Insekten, und sie verbreiteten sich zusammen mit den Spinnen, Skorpionen, Schaben, Grillen und Heuschrecken alsbald über alle Kontinente der Welt. Es gab Libellen mit einer Flügelweite von fünfundsiebzig Zentimetern. Tausend Schabenarten entwickelten sich, von denen einige zehn Zentimeter lang wurden. Zwei Gruppen von Echinodermen entwickelten sich besonders gut, und sie wurden tatsächlich die Leitfossilien jener Epoche. Die großen, von Muscheln lebenden Haie waren ebenfalls hoch entwickelt, und über fünf Millionen Jahre lang beherrschten sie die Ozeane. Das Klima war immer noch mild und ausgeglichen; das marine Leben veränderte sich wenig. Die Süßwasserfische entwickelten sich, und die Trilobiten waren am Aussterben. Die Korallen waren selten, und die Seelilien lieferten die Hauptmenge an Kalk. Der beste Baukalkstein wurde in dieser Epoche abgelagert. Das Wasser vieler Binnenmeere war derart mit Kalk und anderen Mineralien übersättigt, dass davon Fortschritt und Entwicklung vieler mariner Arten stark beeinträchtigt wurden. Aber schließlich, nachdem sich Gestein in großem Ausmaß abgelagert hatte, das an einigen Orten Zink und Blei enthält, klärten sich die Meere. Die Ablagerungen dieser frühen Steinkohlenzeit sind 150 bis 600 Meter dick und bestehen aus Sandstein, Schieferton und Kalkstein. Die ältesten Schichten enthalten Versteinerungen von Land- und Meerpflanzen und -tieren nebst viel Geröll und Sedimenten. Aber es findet sich in ihnen nur wenig abbauwürdige Kohle. Die Ablagerungen in Europa gleichen denjenigen in Nordamerika sehr. Als sich diese Epoche zu Ende neigte, begann sich Nordamerika zu heben. Dabei gab es eine kurze Unterbrechung, und das zurückkehrende Meer überflutete etwa die Hälfte des zuvor bedeckten Gebietes. Es handelte sich nur um eine kurze Überschwemmung, und bald befand sich das meiste Land ganz über Wasser. Südamerika war über Afrika immer noch mit Europa verbunden. In diese Zeit fällt der Beginn der Vogesen, des Schwarzwaldes und des Uralgebirges. Andere, ältere Bergstümpfe finden sich überall in Großbritannien und Europa. Vor 200 000 000 Jahren begann das wirklich aktive Stadium der Steinkohlen zeit. Vor dieser Zeit wurden während zwanzig Millionen Jahren die älteren Kohlenvorkommen abgelagert, aber jetzt kamen die umfangreicheren kohlebildenden Aktivitäten in Gang. Die Länge der eigentlichen Kohleablagerungsepoche beträgt etwas mehr als fünfundzwanzig Millionen Jahre. Das Land stieg und senkte sich periodisch, weil die sich am Meeresgrund abspielenden Vorgänge stetige Schwankungen des Meeresspiegels verursachten. Diese Rastlosigkeit der Erdkruste - das Heben und Senken des Landes - zusammen mit der üppigen Vegetation der küstennahen Sümpfe trug zur Entstehung ausgedehnter Kohlelager bei, weshalb man diese Periode das Karbon genannt hat. Auf der ganzen Welt herrschte immer noch ein mildes Klima. Die Kohleschichten wechseln mit Ton, Stein und Konglomeraten ab. Diese über das Zentrum und den Osten der Vereinigten Staaten verstreuten Kohlelager sind zwischen zwölf und fünfzehn Meter dick. Aber viele dieser Ablagerungen sind während späterer Landhebungen weggewaschen worden. In einigen Teilen Nordamerikas und Europas sind die kohlehaltigen Schichten 5 500 Meter dick. Die Anwesenheit von Baumwurzeln, die im Lehm unmittelbar unter den gegenwärtigen Kohleschichten gewachsen waren, beweist, dass die Kohle genau dort gebildet wurde, wo man sie heute findet. Kohle ist der durch Wasser konservierte und durch Druck modifizierte Überrest der üppigen Vegetation, die in den Mooren und in den sumpfigen Küstenstrichen jenes fernen Zeitalters gedieh. Oft enthalten die Kohleschichten Gas und Öl. Torfschichten, die Überreste früheren Pflanzenwuchses, wurden unter den erforderlichen Druck- und Wärmebedingungen in eine Art Kohle übergeführt. Anthrazit war größerem Druck und größerer Hitze ausgesetzt als andere Kohle. Die Anzahl der in den verschiedenen Kohlevorkommen Nordamerikas vorhandenen Schichten gibt an, wie oft sich das Land senkte und hob. Diese Zahl reicht von zehn in Illinois, zwanzig in Pennsilvanien, fünfunddreißig in Alabama bis zu fünfundsiebzig in Kanada. Man findet in diesen Kohlelagern sowohl Süß- als auch Salzwasserfossilien. Während dieser ganzen Epoche waren die Berge Nord- und Südamerikas aktiv, wobei sich die Anden und die südlichen alten Rocky Mountains hoben. Die großen hochgelegenen Küstenregio-nen entlang des Atlantischen und Pazifischen Ozeans begannen sich zu senken, so dass sich die Küstenlinien beider Ozeane durch Erosion und Überflutung ungefähr bis auf ihre heutige Position zurückzogen. Die Ablagerungen dieser Überschwemmung sind im Mittel etwa dreihundert Meter dick. Vor 190 000 000 Jahren drang das nordamerikanische Karbonmeer westwärts über die Gegend der heutigen Rocky Mountains vor und schuf sich durch Nordkalifornien einen Ausgang in den Pazifischen Ozean. In beiden Amerikas und in Europa ging in diesen Zeitaltern der Meeres-uferschwankungen die Kohleablagerung weiter, Schicht für Schicht, im Rhythmus der Hebungen und Senkungen der Küstenregionen. Vor 180 000 000 Jahren kam das Ende der Steinkohlenzeit, während welcher sich überall auf der Welt Kohle gebildet hatte - in Europa, Indien, China, Nordafrika und in den beiden Amerikas. Am Ende der Periode der Kohlebildung tauchte Nordamerika im Osten des Mississippitales wieder auf, und das meiste Land dieses Abschnitts ist seither immer über dem Meeresspiegel geblieben. Diese Periode des Landanstiegs markiert den Beginn der heutigen Gebirge Nordamerikas in der Appalachenregion sowie im Westen. Aktive Vulkane gab es in Alaska und Kalifornien und in den gebirgsbildenden Gegenden Europas und Asiens. Ostamerika und Westeuropa waren durch den Grönlandkontinent miteinander verbunden. Das steigende Land begann, das marine Klima der vorausgegangenen Zeitalter zu verändern und es durch die Anfänge des weniger milden und veränderlicheren kontinentalen Klimas zu ersetzen. Die Pflanzen jener Zeiten trugen Sporen, die der Wind in große Fernen zu tragen vermochte. Die Baumstämme des Karbons hatten gewöhnlich einen Durchmesser von zwei Metern und oft eine Höhe von siebenunddreißig Metern. Die heutigen Farne sind die wahren Zeugen dieser Vergangenheit. Im Allgemeinen waren dies Epochen der Entwicklung von Süßwasserorganismen; am Zustand des marinen Lebens änderte sich nur wenig. Aber die wichtige Besonderheit dieser Periode war das plötzliche Erscheinen der Frösche und ihrer vielen Verwandten. Farne und Frösche waren kennzeichnend für das Leben des Steinkohlenzeitalters. ***** 59.6 Das klimatische Übergangsstadium (Die Periode der Samenpflanzen) - Das Zeitalter Biologischer Bedrängnis ***** che geht die Zeit zu Ende, in der das marine Leben für die evolutionäre Entwicklung ausschlaggebend war, und eröffnet sich die zu den späteren Zeitaltern der Landtiere überleitende Übergangsperiode. Es war ein Zeitalter großer Verarmung des Lebens. Tausende von Meeresarten starben aus, während sich das Leben auf dem Land noch kaum angesiedelt hatte. Es war eine Zeit großer biologischer Bedrängnis, ein Zeitalter, in dem das Leben beinahe von der Oberfläche der Erde und aus den Tiefen der Ozeane verschwand. Gegen Ende der langen Ära marinen Lebens gab es auf der Erde über einhunderttausend Arten von Lebewesen. Am Ende dieser Übergangsperiode hatten ihrer weniger als fünfhundert überlebt. Die Besonderheiten dieser neuen Periode waren weniger eine Folge der Abkühlung der Erdrinde oder der langen Abwesenheit vulkanischer Tätigkeit als die außergewöhnliche Kombination gewöhnlicher, bereits vorhandener Einflüsse - Schrumpfen der Meere und zunehmende Hebung gewaltiger Landmassen. Das milde Meeresklima früherer Zeiten war am Verschwinden und rasch entwickelte sich ein rauherer, kontinentaler Wettertyp. Vor 170 000 000 Jahren geschahen auf der ganzen Erdoberfläche gewaltige evolutionäre Veränderungen und Neuanpassungen. Auf der ganzen Welt hob sich das Land, weil die Ozeanböden absanken. Vereinzelt bildeten sich Bergketten. Der östliche Teil Nordamerikas lag hoch über dem Meer, während der Westen langsam anstieg. Die Kontinente waren übersät mit großen und kleinen Salzwasserseen und zahlreichen Binnenmeeren, die über enge Wasserstraßen mit den Ozeanen verbunden waren. Die Gesteinsschichten dieser Übergangsperiode sind 300 bis 2 000 Meter dick. Die Erdrinde wurde während dieser Landhebungen stark gefaltet. Es war eine Zeit auftauchender Kontinente, wenn man vom Verschwinden gewisser Landbrücken einschließlich jener Kontinente absieht, die Südamerika so lange mit Afrika und Nordamerika mit Europa verbunden hatten. Allmählich trockneten die Binnenseen und -meere auf der ganzen Welt aus. Es bildeten sich - vor allem auf der südlichen Halbkugel - vereinzelte Berge und regionale Gletscher, und in vielen Gegenden kann man die Gletscherablagerungen dieser regionalen Eisbildungen sogar inmitten einiger der höheren und späteren Kohleablagerungen finden. Zwei neue Klimafaktoren traten in Erscheinung: Vereisung und Dürre. Viele höher gelegene Erdgegenden waren öde und unfruchtbar geworden. In diesen Zeiten des Klimawechsels traten auch bei den Landpflanzen große Veränderungen ein. Zum ersten Mal erschienen die Samenpflanzen, die für das später immer bedeutender werdende Landtierleben eine bessere Nahrung lieferten. Die Insekten machten eine radikale Veränderung durch. Ihre Ruheperioden entwickelten sich so, dass sie der Forderung genügen konnten, die Aktivität während der Winter- und Trockenzeit einzustellen. Unter den Landtieren hatten die Frösche ihren Höhepunkt im vorausgegangenen Zeitalter erreicht und waren in raschem Abstieg begriffen, aber sie überlebten, weil sie auch in den vertrocknenden Teichen und Tümpeln dieser fernen und äußerst harten Zeiten lange zu leben vermochten. Während dieses Zeitalters des Niedergangs der Frösche geschah in Afrika der erste Schritt der Evolution vom Frosch zum Reptil. Und da die Landmassen immer noch miteinander verbunden waren, breitete sich dieser Vorgänger des Reptils, ein Luftatmer, über die ganze Welt aus. Unterdessen hatte sich die Atmosphäre so weit verändert, dass sie der Tieratmung hervorragend gerecht werden konnte. Bald nach dem Auftreten dieser Vor-Reptil-Frösche wurde Nordamerika vorübergehend isoliert, von Europa, Asien und Südamerika abgetrennt. Die sich allmählich abkühlenden Meereswasser trugen viel zu der Zerstörung des ozeanischen Lebens bei. Die Meerestiere jener Zeitalter suchten vorübergehend Schutz an drei günstigen Zufluchtsorten: in der Gegend des heutigen Golfs von Mexiko, in der indischen Bucht des Ganges und in der sizilianischen Bucht des Mittelmeerbeckens. Und von diesen drei Gegenden aus unternahmen es die aus der Not geborenen neuen Meerestierarten später, die Meere von neuem zu bevölkern. Vor 160 000 000 Jahren war das Land weitgehend von einer Vegetation bedeckt, die dem Lebensunterhalt der Landtiere angepasst war, und die Atmosphäre war für die Tieratmung ideal geworden. Und damit endet die Periode der Zurückdrängung des marinen Lebens, enden jene harten Zeiten eines biologischen Notstandes, der alle Formen von Leben außer jenen ausgeschaltet hatte, die Überlebenswert besaßen und sich deshalb dafür qualifizierten, die Ahnen des sich rasch entwickelnden und hochdifferenzierten Lebens der späteren Zeitalter planetarischer Evolution zu werden. Das Ende dieser Periode biologischer Bedrängnis, die eure Gelehrten als das Perm kennen, markiert auch das Ende der langen Ära des Paläozoikums, das einen Viertel der planetarischen Geschichte - zweihundertfünfzig Millionen Jahre - umfasst. Die gewaltige ozeanische Brutstätte des Lebens auf Urantia ist ihrer Aufgabe gerecht geworden. Während der langen Zeitalter, als das Land zur Beherbergung des Lebens noch ungeeignet war und bevor die Atmosphäre genügend Sauerstoff enthielt, gebar das Meer das frühe Leben der Welt und zog es auf. Von jetzt an geht die biologische Wichtigkeit des Meers allmählich zurück, während sich der zweite Evolutionsabschnitt auf dem Land zu entfalten beginnt. [Dargeboten von einem Lebensbringer von Nebadon, einem der Mitglieder des ursprünglichen, Urantia zugeteilten Korps.] ****** Kapitel 60 Urantia während der Frühen Ära des Landlebens ****** DIE Ära des ausschließlich marinen Lebens ist zu Ende. Die Hebung des Landes, die sich abkühlende Erdkruste und die kälter werdenden Ozeane, die Schrumpfung der Meere verbunden mit ihrer Vertiefung und ein bedeutender Landzuwachs in den nördlichen Breitengraden - all das trug in hohem Maße dazu bei, das Klima der Erde in allen von der Äquatorialzone weit entfernten Gebieten stark zu verändern. Die die vorangehende Ära beschließenden Epochen waren allerdings das Zeitalter der Frösche, aber diese Ahnen der Landwirbeltiere dominierten nicht mehr, denn sie hatten nur in stark reduzierter Zahl überlebt. Sehr wenige Typen überstanden die rigorosen Prüfungen der vorangehenden Periode biologischer Drangsal. Sogar die sporentragenden Pflanzen waren beinahe erloschen. ***** 60.1 Das frühe Zeitalter der Reptilien ***** Die Erosionsablagerungen dieser Periode waren meist Konglomerate, Schieferton und Sandstein. Die in diesen Sedimenten sowohl in Amerika als auch in Europa enthaltenen roten Schichten und Gips sind ein Hinweis darauf, dass das Klima jener Kontinente arid war. Diese wüstenartigen Gegenden waren wegen der heftigen periodischen Wolkenbrüche über den umliegenden Hochländern starker Erosion ausgesetzt. Man findet in diesen Schichten nur wenige Fossilien, hingegen kann man im Sandstein zahlreiche Fußabdrücke von Landreptilien beobachten. In vielen Gegenden enthalten die dreihundert Meter dicken Ablagerungen roten Sandsteins dieser Periode keine Fossilien. Nur in bestimmten Teilen Afrikas erfuhr das Leben der Landtiere keine Unterbrechung. Die Dicke der Ablagerungen beträgt zwischen 900 und 3 000 Metern und erreicht an der Küste des Pazifiks sogar 5 500 Meter. Später drang Lava mit Gewalt in viele dieser Schichten ein. Die Steilufer des Hudson River entstanden durch den Austritt von Basaltlava zwischen diese Triasschichten. In verschiedenen Teilen der Erde herrschte starke Vulkanaktivität. Man findet in Europa, besonders in Deutschland und Russland, Ablagerungen aus dieser Periode. In England gehört der New Red Sandstone dieser Epoche an. In den südlichen Alpen wurde nach einem Meereseinbruch Kalkstein abgelagert, der jetzt als die eigenartigen Kalkwände, -gipfel und -säulen der Dolomiten betrachtet werden kann. Man findet diese Schicht in ganz Afrika und Australien. Der Carrara-Marmor ist solch ein umgewandelter Kalkstein. Dagegen wird man in den südlichen Gebieten von Südamerika nichts aus dieser Periode finden, weil sich dieser Teil des Kontinents unter Wasser befand und deshalb nur eine Wasser- oder Meeresablagerung aufweist, die ein Kontinuum mit den vorausgegangenen und nachfolgenden Epochen bildet. Vor 150 00 000 Jahren fingen in der Erdgeschichte die frühen Perioden des Landlebens an. Dem Leben erging es im Allgemeinen nicht gut, aber doch besser als während des anstrengenden und feindlichen Endes der Ära marinen Lebens. Zu Beginn dieser Ära befinden sich die östlichen und zentralen Teile Nordamerikas, die nördliche Hälfte Südamerikas, der größte Teil Europas und ganz Asien über Wasser. Zum ersten Mal ist Nordamerika geographisch isoliert, aber nicht für lange; denn die Landbrücke der Beringstrasse taucht schon bald wieder auf und verbindet den Kontinent mit Asien. In Nordamerika entwickelten sich parallel zur atlantischen und pazifischen Küste große Mulden. Im Osten erschien die große Connecticut-Verwerfung, deren eine Seite schließlich um drei Kilometer absank. Viele dieser nordamerikanischen Senken wurden später mit Erosionsablagerungen aufgefüllt, was auch für viele Becken von Süß- und Salzwasserseen der Bergregionen zutrifft. Später wurden diese aufgefüllten Landsenken durch unterirdische Lavaströme hoch emporgehoben. Die versteinerten Wälder vieler Gegenden gehören dieser Epoche an. Die pazifische Küste, die sich während der kontinentalen Überflutungen gewöhnlich über Wasser befunden hatte, tauchte unter, mit Ausnahme des südlichen Kaliforniens und einer großen Insel, die damals im heutigen Pazifischen Ozean existierte. Dieses alte kalifornische Meer war reich an marinem Leben und dehnte sich nach Osten hin aus, wo es mit dem alten Meeresbecken der Gegend des Mittleren Westens Verbindung aufnahm. Nachdem die beiden Ahnenformen der Reptilien, die sich während der vorausgegangenen Epoche in Afrika entwickelt hatten, bloß eine Andeutung von Reptilien gewesen waren, erschienen diese vor 140 000 000 Jahren plötzlich und in fertiger Gestalt. Sie entwickelten sich schnell und differenzierten sich bald in Krokodile, Schuppenreptilien und schließlich auch in Seeschlangen und fliegende Reptilien. Ihre Übergangsahnen verschwanden rasch. Diese sich rasch entwickelnden Dinosaurier wurden sehr bald die Könige des Zeitalters. Sie legten Eier und unterschieden sich von allen anderen Tieren durch ihr kleines Gehirn. Ihre Gehirne wogen weniger als ein Pfund und mussten Körper kontrollieren, die später bis zu vierzig Tonnen schwer wurden. Aber frühere Reptilien waren kleiner, waren Fleischfresser und gingen wie die Kängurus auf den Hinterbeinen. Sie hatten hohle Knochen wie die Vögel und entwickelten später nur drei Zehen an ihren Hinterfüßen; und viele ihrer versteinerten Fußabdrücke wurden fälschlicherweise für solche von Riesenvögeln gehalten. Später entwickelten sich die Pflanzen fressenden Dinosaurier. Sie gingen auf allen Vieren, und ein Zweig dieser Gruppe entwickelte einen Schutzpanzer. Mehrere Millionen Jahre danach erschienen die ersten Säugetiere. Sie besaßen keine Plazenta und erwiesen sich bald als Misserfolg; keine überlebten. Dies war eine experimentelle Anstrengung zur Verbesserung der Säugetiertypen, aber es war ihr auf Urantia kein Erfolg beschieden. Das marine Leben dieser Periode war dürftig, aber es verbesserte sich rasch mit dem neuerlichen Eindringen des Meeres, welches wieder ausgedehnte Küstenstriche mit seichten Gewässern schuf. Da es um Europa und Asien herum mehr untiefes Wasser gab, findet man die reichsten Fossillager auf diesen Kontinenten. Wenn ihr heute das Leben dieses Zeitalters studieren möchtet, dann untersucht die Regionen des Himalaja, Sibiriens und des Mittelmeers sowie Indien und die Inseln des südlichen Pazifikbeckens. Ein Hauptmerkmal des marinen Lebens waren die in Legionen vorhandenen, schönen Ammoniten, deren versteinerte Überreste man überall auf der Welt findet. Vor 130 000 000 Jahren hatten sich die Meere kaum verändert. Sibirien war mit Nordamerika über die Landbrücke der Beringstrasse verbunden. Ein reiches und einzigartiges marines Leben erschien an der kalifornischen Pazifikküste, wo sich ausgehend von den höheren Typen von Cephalopoden über eintausend Ammonitenarten entwickelten. Die in dieser Periode stattfindenden Veränderungen des Lebens waren wirklich revolutionär, obwohl sie vorübergehender Natur waren und allmählich geschahen. Diese Periode erstreckte sich über fünfundzwanzig Millionen Jahre und wird Trias genannt. ***** 60.2 Das spätere Zeitalter der Reptilien ***** Vor 120 000 000 Jahren begann ein neuer Abschnitt im Zeitalter der Reptilien. Das große Ereignis dieser Periode war die Evolution und der Niedergang der Dinosaurier. Die Landtiere erfuhren, was ihre Größe betrifft, ihre stärkste Entwicklung, waren aber am Ende dieses Zeitalters praktisch von der Erdoberfläche verschwunden. Die Dinosaurier entwickelten sich in allen Größen, von einer weniger als sechzig Zentimeter messenden Art bis hinauf zu den gewaltigen, nicht Fleisch fressenden und dreiundzwanzig Meter langen Dinosauriern, an deren Größe seither kein lebendes Geschöpf herangekommen ist. Die größten Dinosaurier hatten ihren Ursprung im Westen Nordamerikas. Diese monströsen Reptilien liegen in allen Regionen der Rocky Mountains begraben, auch entlang der ganzen Atlantikküste Nordamerikas und in Westeuropa, Südafrika und Indien, nicht aber in Australien. Während diese massigen Geschöpfe größer und größer wurden, wurden sie immer träger und schwächer; aber sie brauchten solch enorme Nahrungsmengen, und das Land war von ihnen derart übervölkert, dass sie buchstäblich hungers starben und erloschen - die Intelligenz, der Situation zu begegnen, fehlte ihnen. Bis zu dieser Zeit war der größte Teil des Ostens von Nordamerika, der lange Zeit erhöht gewesen war, abgetragen und in den Atlantischen Ozean weggespült worden, so dass die Küste mehrere Hundert Kilometer weiter außen verlief als jetzt. Der westliche Teil des Kontinents lag immer noch über Wasser, aber auch diese Gebiete wurden später vom nördlichen Meer und vom Pazifik überflutet, welcher sich in östlicher Richtung bis in die Gegend der Black Hills Dakotas erstreckte. Das war eine Süßwasserzeit, deren Merkmal viele Binnenseen waren, wovon die reichlich vorhandenen Süßwasserversteinerungen der Morrison-Schichten genannten Ablagerungen in Colorado, Montana und Wyoming Zeugnis ablegen. Die Dicke dieser gemischten Salz- und Süßwasserablagerungen variiert zwischen 600 und 1 500 Metern; aber in diesen Schichten findet sich nur sehr wenig Kalk. Dasselbe Polarmeer, das sich über Nordamerika so weithin ausdehnte, bedeckte auch ganz Südamerika mit Ausnahme der bald erscheinenden Berge der Anden. Der größte Teil Chinas und Russlands war überschwemmt, aber in Europa war die Überflutung am größten. Gerade während dieses Untertauchens wurde das wunderschöne lithographische Gestein Süddeutschlands abgelagert, in dessen Schichten sich Versteinerungen wie z. B. die überaus zarten Flügel von einstigen Insekten erhalten haben, als wären sie von gestern. Die Flora dieses Zeitalters war so ziemlich dieselbe wie diejenige des vorangegangenen. Die Farne hielten sich, während die Nadelbäume den heutigen Arten immer ähnlicher wurden. An den nördlichen Mittelmeerufern bildete sich immer noch etwas Kohle. Die Rückkehr der Meere verbesserte das Wetter. Korallen breiteten sich in den europäischen Gewässern aus, was bezeugt, dass das Klima noch mild und gleichmäßig war, aber sie erschienen in den sich langsam abkühlenden Polarmeeren nie wieder. Das marine Leben dieser Zeiten verbesserte sich und entwickelte sich stark, hauptsächlich in den europäischen Gewässern. Sowohl Korallen als auch Seelilien traten zeitweise in größerer Zahl auf als zuvor, aber die Ammoniten beherrschten das wirbellose Leben der Ozeane. Ihre mittlere Größe lag zwischen sieben und zehn Zentimetern, obwohl eine besondere Art einen Durchmesser von zweieinhalb Metern erreichte. Überall gab es Schwämme, und Tintenfische und Austern entwickelten sich weiter. Vor 110 000 000 Jahren entfaltete sich das Potential marinen Lebens immer mehr. Der Seeigel war eine der auffallendsten Mutationen jener Epoche. Krabben, Langusten und die heutigen Typen von Krustentieren reiften heran. In der Familie der Fische gingen bemerkenswerte Veränderungen vor, indem zum ersten Mal eine Art von Stör auftrat, aber die von den Landreptilien abstammenden, gewalttätigen Seeschlangen machten alle Meere unsicher und bedrohten die gesamte Fischfamilie mit Vernichtung. Dies blieb weiterhin vornehmlich das Zeitalter der Dinosaurier. Sie übervölkerten das Land dermaßen, dass sich während der vorangehenden Periode der eindringenden Meere zwei ihrer Arten zur Nahrungsbeschaffung ins Wasser flüchteten. Diese Seeschlangen stellen in der Evolution einen Schritt rückwärts dar. Während einige neue Arten Fortschritte machen, treten gewisse Linien auf der Stelle, während andere zurückfallen und zu einem früheren Stadium zurückkehren. Und genau das geschah, als diese beiden Reptilienarten das Land verließen. Mit der Zeit wuchsen die Seeschlangen zu solcher Größe heran, dass sie sehr schwerfällig wurden und schließlich untergingen, weil ihr Hirn nicht groß genug war, um ihrem gewaltigen Körper Schutz zu gewähren. Ihr Hirn wog keine sechzig Gramm trotz der Tatsache, dass diese gewaltigen Ichthyosaurier manchmal bis fünfzehn Meter lang wurden. Auch die Meereskrokodile waren eine Rückentwicklung eines Landtyps der Reptilien, aber im Unterschied zu den Seeschlangen kehrten diese Tiere zum Eierlegen auf das Festland zurück. Bald nachdem diese beiden Dinosaurierarten in einem vergeblichen Bemühen um Selbsterhaltung ins Wasser abgewandert waren, wurden zwei andere durch den unerbittlichen Wettkampf zu Lande in die Luft abgedrängt. Aber diese fliegenden Pterosaurier waren nicht die Ahnen der richtigen Vögel späterer Zeitalter. Sie entwickelten sich aus den hohlknochigen, hüpfenden Dinosauriern und ihre Flügel waren von fledermausähnlicher Bildung mit einer Spannweite von sechs bis acht Metern. Diese einstigen fliegenden Reptilien wurden bis zu drei Meter lang und hatten trennbare Kiefer, die denen der heutigen Schlangen sehr ähnlich sahen. Eine Zeitlang schienen sie ein Erfolg zu sein, aber es gelang ihnen nicht, sich in eine Richtung weiterzuentwickeln, die sie zum Überleben als Luftdurchquerer befähigt hätte. Sie stellen die ausgestorbenen Linien der Vorläufer der Vögel dar. Die Schildkröten vermehrten sich während dieser Periode und erschienen zum ersten Mal in Nordamerika. Ihre Ahnen waren über die nördliche Landbrücke von Asien gekommen. Vor hundert Millionen Jahren neigte sich das Zeitalter der Reptilien seinem Ende zu. Bei all ihrer gewaltigen Masse waren die Dinosaurier beinah hirnlose Tiere, die nicht die Intelligenz besaßen, um sich für solch riesige Körper genug Nahrung zu verschaffen. Und so verendeten diese trägen Landreptilien in immer größerer Zahl. Fortan wird die Evolution dem Wachstum der Intelligenz und nicht physischer Größe folgen, und die Entwicklung der Intelligenz wird jede folgende Epoche tierischer Evolution und planetarischen Fortschritts charakterisieren. Diese Periode, die den Höhepunkt und beginnenden Abstieg der Reptilien umfasst, erstreckte sich über fast fünfundzwanzig Millionen Jahre und ist als Jura bekannt. ***** 60.3 Die kretazische Epoche (Die Periode der Blütenpflanzen) - Das Zeitalter der Vögel ***** Die kretazische Periode verdankt ihren Namen der Vorherrschaft der überaus fruchtbaren, Kreide produzierenden Foraminiferen in den Meeren. Mit dieser Periode gelangt Urantia fast an das Ende der langen Vormachtstellung der Reptilien und erlebt das Kommen der Blütenpflanzen und des Vogellebens auf dem Festland. Das sind auch die Zeiten, in denen die west- und südwärts gerichtete Verschiebung der Kontinente zum Stillstand kommt, einhergehend mit gewaltigen Verformungen der Erdrinde und damit verbundenen ausgedehnten Lavaergüssen und großer Vulkantätigkeit. Gegen Ende der vorausgegangenen geologischen Periode befand sich ein Großteil des kontinentalen Landes über Wasser, obwohl es noch keine Berggipfel gab. Aber als sich die Kontinentaldrifte fortsetzten, stieß sie in der Tiefe des Pazifischen Ozeans auf ihr erstes großes Hindernis. Diese widerstreitenden geologischen Kräfte gaben den Anstoß zur Bildung der ganzen riesigen, von Norden nach Süden verlaufenden Bergkette, die sich von Alaska über Mexiko bis zum Kap Horn hinunterzieht. So wird diese Periode in der geologischen Geschichte zur Epoche der Bildung der heutigen Berge. Vor dieser Zeit gab es nur wenige Berggipfel, lediglich sehr breite Geländekämme. Nun begann sich das pazifische Ufergebiet zu heben, aber es befand sich tausendeinhundert Kilometer westlich von der jetzigen Küstenlinie. Die Sierras waren im Entstehen begriffen - ihre goldhaltigen Quartzschichten gehen auf Lavaergüsse dieser Epoche zurück. Im östlichen Teil Nordamerikas bewirkte der Druck des Atlantischen Ozeans ebenfalls eine Hebung des Landes. Vor 100 000 000 Jahren befanden sich der nordamerikanische Kontinent und ein Teil Europas ganz über Wasser. Die Verformung der amerikanischen Kontinente ging weiter und hatte die Verwandlung der südamerikanischen Anden und die allmähliche Hebung der westlichen Ebenen Nordamerikas zur Folge. Der größte Teil Mexikos versank im Meer, und der südliche Atlantik drang in die Ostküste Südamerikas ein, bis schließlich der heutige Küstenverlauf erreicht war. Atlantischer und Indischer Ozean waren damals etwa so wie jetzt. Vor 95 000 000 Jahren fingen die amerikanischen und europäischen Landmassen an, erneut zu sinken. Die südlichen Meere begannen nach Nordamerika einzudringen und breiteten sich allmählich gegen Norden bis zur Verbindung mit dem Arktischen Ozean aus, wobei es sich um die zweitgrößte Überflutung des Kontinents handelte. Als das Meer endlich wieder abfloss, ließ es den Kontinent etwa in seiner heutigen Gestalt zurück. Noch vor Beginn dieser großen Überflutung waren die östlichen Appalachen-Hochländer fast ganz bis auf Meereshöhe abgetragen worden. Die vielen farbigen Schichten reinen Lehms, die jetzt zur Herstellung von Töpferware gebraucht werden, wurden über den atlantischen Küstenregionen während dieses Zeitalters abgelagert; sie sind im Durchschnitt etwa 600 Meter dick. Südlich der Alpen und entlang der jetzigen küstennahen Bergkette Kaliforniens herrschte heftige Vulkantätigkeit. Die stärksten Verformungen der Erdrinde in Abermillionen von Jahren fanden in Mexiko statt. Große Veränderungen traten ebenfalls in Europa, Russland, Japan und Südamerika ein. Das Klima wurde immer unterschiedlicher. Vor 90 000 000 Jahren gingen aus diesen frühen kretazischen Meeren die Angiospermen hervor und eroberten bald alle Kontinente. Diese Landpflanzen erschienen plötzlich zusammen mit Feigenbäumen, Magnolien und Tulpenbäumen. Bald nach dieser Zeit bedeckten Feigenbäume, Brotfruchtbäume und Palmen Europa und die westlichen Ebenen Nordamerikas. Es erschienen keine neuen Landtiere. Vor 85 000 000 Jahren schloss sich die Beringstrasse und schnitt die kühlenden Wasser der Nordmeere ab. Bis jetzt hatte sich das marine Leben des Atlantiks und des Golfs von Mexiko sehr stark von dem des Pazifischen Ozeans unterschieden, weil diese beiden Wassermassen verschiedene Temperaturen besaßen, die jetzt einheitlich wurden. Die Ablagerungen von Kreide und Grünsandmergel geben dieser Periode ihren Namen. Die Sedimentationen dieser Zeit sind buntscheckig, sie bestehen aus Kreide, Schieferton, Sandstein, wenig Kalk und aus minderwertiger Kohle oder Lignit, und in manchen Gegenden enthalten sie Erdöl. Die Dicke dieser Schichten reicht von 60 Metern an einigen Stellen bis zu 3 000 Metern im Westen von Nordamerika und an zahlreichen Orten in Europa. Man kann diese Ablagerungen im verformten Vorgebirge am Ostrand der Rocky Mountains beobachten. Diese Schichten sind überall auf der Welt mit Kreidekalk durchsetzt, und da wo sie an die Erdoberfläche treten, nimmt ihr poröses Halbfelsgestein das Wasser auf und leitet es in die Tiefe, um die Wasservorräte vieler der heutigen ariden Erdgegenden aufzufüllen. Vor 80 000 000 Jahren ereigneten sich in der Erdkruste große Störungen. Die westwärts gerichtete Kontinentaldrift kam langsam zum Stillstand, und die gewaltige Energie der trägen Stoßkraft der dahinter liegenden kontinentalen Masse drückte die pazifische Küstenlinie Nord- und Südamerikas hoch und löste an den pazifischen Küsten Asiens rückwirkend tiefe Veränderungen aus. Diese Landerhöhung rund um den Pazifik, die ihren Höhepunkt in den heutigen Bergketten fand, hat eine Länge von über 40 000 Kilometern. Und die ihre Geburt begleitenden Umwälzungen waren die größten Oberflächenverformungen, die auf Urantia seit Erscheinen des Lebens je stattgefunden hatten. Unter und über dem Erdboden gab es mächtige, ausgedehnte Lavaströme. Vor 75 000 000 Jahren war die Kontinentaldrift zu Ende. Am Pazifik entlang, von Alaska bis zum Kap Horn, waren die Bergketten fertig gebildet, aber es gab erst wenige Gipfel. Der Rückschub der aufgehaltenen Kontinentalverschiebung bewirkte eine weitere Erhöhung der westlichen Ebenen Nordamerikas, während im Osten die abgetragenen Appalachenberge der atlantischen Küstengegend ohne oder fast ohne Verformung emporgehoben wurden. Vor 70 000 000 Jahren ereigneten sich Verformungen der Erdrinde, die mit der höchsten Hebung der Rocky Mountains-Region einhergingen. An der Oberfläche von Britisch Kolumbien wurde ein großes Felssegment über vierundzwanzig Kilometer hinweg verschoben. Hier sind die überschobenen kambrischen Gesteine schräg über die kretazischen Schichten zu liegen gekommen. Am Ostabhang der Rocky Mountains, nahe der kanadischen Grenze, kam es zu einer weiteren spektakulären Überschiebung; hier kann man Gesteinsschichten aus der Zeit vor dem Leben finden, die über die damals jungen kretazischen Ablagerungen empor- und hinweggeschoben wurden. Das war auf der ganzen Welt ein Zeitalter vulkanischer Aktivität, die zahlreiche kleine, vereinzelte Vulkankegel entstehen ließ. In der unter Wasser liegenden Himalajaregion brachen untermeerische Vulkane aus. Auch das übrige Asien unter Einschluss Sibiriens lag zur Hauptsache unter Wasser. Vor 65 000 000 Jahren ereignete sich einer der größten Lavaaustritte aller Zeiten. Überall in den beiden Amerikas, in Nord- und Südafrika, in Australien und Teilen Europas kann man die Schichten von diesen und von früheren Lavaergüssen finden. Die Landtiere hatten sich wenig verändert, aber aufgrund vermehrten kontinentalen Auftauchens, vor allem in Nordamerika, vermehrten sie sich rasch. Da Europa großenteils unter Wasser lag, war Nordamerika das große Entwicklungsfeld für die Landtiere dieser Zeiten. Das Klima war immer noch warm und gleichmäßig. Die arktischen Regionen erfreuten sich eines Wetters, das dem in Zentralamerika und im Süden Nordamerikas herrschenden Klima von heute sehr ähnlich war. Das Pflanzenleben machte eine große Entwicklung durch. Unter den Landpflanzen dominierten die Angiospermen, und viele heutige Baumarten erschienen zum ersten Mal, unter ihnen die Buchen, Birken, Eichen, Nussbäume, Platanen, Ahorne und jetzigen Palmen. Früchte, Gräser und Getreidearten gediehen reichlich, und diese Samen tragenden Gräser und Bäume waren für das Pflanzenreich, was die Vorläufer des Menschen für das Tierreich waren - sie kommen an evolutionärer Bedeutung gleich an zweiter Stelle hinter dem Erscheinen des Menschen selbst. Plötzlich und ohne vorherige Übergänge mutierte die große Familie der Blütenpflanzen. Und diese neue Flora breitete sich bald über die ganze Welt aus. Obwohl die Landreptilien sich vor 60 000 000 Jahren im Niedergang befanden, waren die Dinosaurier immer noch die Könige des Landes, aber die Führung ging jetzt an die beweglicheren und aktiveren Vertreter der kleineren, hüpfenden, känguruhähnlichen Arten der fleischfressenden Dinosaurier über. Indessen waren einige Zeit zuvor neue Typen pflanzenfressender Dinosaurier aufgetreten, die ihre rasche Vermehrung dem Erscheinen der Gräserfamilie der Landpflanzen verdankten. Einer dieser neuen grasfressenden Dinosaurier war ein richtiger Vierfüßer mit zwei Hörnern und einer Art Schulterkragen. Eine Landschildkröte mit einem Durchmesser von sechs Metern erschien sowie das heutige Krokodil und richtige Schlangen des jetzigen Typs. Große Veränderungen vollzogen sich auch im Fischreich und in anderen Formen des marinen Lebens. Die watenden und schwimmenden Vorvögel früherer Zeitalter waren in der Luft ebensowenig erfolgreich gewesen wie die fliegenden Dinosaurier. Es waren kurzlebige Arten, die bald erloschen. Auch sie ereilte das Schicksal der Dinosaurier, der Untergang, weil sie im Verhältnis zur Körpergröße zu wenig Hirnsubstanz besaßen. Dieser zweite Anlauf zur Erzeugung von Tieren, die die Atmosphäre durchqueren konnten, schlug fehl, genauso wie die Versuche, während dieses und eines früheren Zeitalters Säugetiere zu erzeugen, misslungen waren. Vor 55000 000 Jahren wurde der Lauf der Evolution durch das plötzliche Erscheinen des ersten richtigen Vogels, eines kleinen taubenähnlichen Geschöpfs, markiert, welches der Urahn allen Vogellebens war. Es war der dritte auf Erden erschienene Typus fliegender Geschöpfe, und er entsprang direkt der Reptiliengruppe und nicht den gleichzeitigen fliegenden Dinosauriern noch den früheren Typen Zähne besitzender Landvögel. Und deshalb nennt man diese Epoche ebenso das Zeitalter der Vögel wie das Zeitalter des Reptilienniedergangs. ***** 60.4 Das Ende der Kreideperiode ***** Die große kretazische Periode neigte sich dem Ende zu, und dieses bedeutet auch das Ende der großen Meereseinbrüche in die Kontinente. Das trifft insbesondere für Nordamerika zu, das ganze vierundzwanzig große Überschwemmungen erlebt hatte. Und obwohl es auch später geringere Überflutungen gab, kann keine von ihnen mit den ausgedehnten und langanhaltenden Meereseinbrüchen dieses und früherer Zeitalter verglichen werden. Diese Perioden abwechselnder Vorherrschaft des Landes und des Meeres haben sich in Jahrmillionenzyklen abgespielt. Ein ganze Zeitalter währender Rhythmus wohnte diesem Steigen und Fallen des Ozeanbodens und des kontinentalen Festlandes inne. Und dieselben rhythmischen Bewegungen der Erdrinde gehen seit dieser Zeit und während der ganzen zukünftigen Erdgeschichte weiter, aber mit abnehmender Häufigkeit und in geringerem Ausmaß. Diese Periode erlebt auch das Ende der Kontinentalverschiebung und die Bildung der heutigen Berge Urantias. Aber der Druck der Kontinentalmassen und die verhinderte Kraft ihres ganzen Zeitalters währenden Schubs sind nicht die alleinigen Ursachen für die Bildung der Berge. Der grundlegende Hauptfaktor, der den Entstehungsort einer Bergkette bestimmt, ist die Vorausexistenz eines Tieflandes, eines Trogs, der mit vergleichsweise leichteren, aus Landerosion und Meeresüberflutungen stammenden Ablagerungen aufgefüllt worden ist. Solche leichteren Landzonen sind manchmal 4 500 bis 6 000 Meter dick; wenn nun die Erdkruste aus irgendeiner Ursache einen Druck erfährt, sind diese leichteren Zonen die ersten, die hochgeschoben, gefaltet und aufgerichtet werden, um ausgleichend und anpassend auf die sich miteinander in Konflikt befindlichen Kräfte und Drücke zu antworten, die in der Erdkruste oder unter ihr am Werk sind. Manchmal wird das Land ohne Faltung hochgeschoben. Aber bei der Entstehung der Rocky Mountains gab es viel Faltung und Verformung, zusammen mit gewaltigen Überschiebungen verschiedener Schichten, sowohl unter der Erde als auch an ihrer Oberfläche. Die ältesten Berge der Welt gehören dem alten Ost-West-System an und befinden sich in Asien, Grönland und Nordeuropa. Die Berge des mittleren Zeitalters befinden sich in der zirkumpazifischen Gruppe und im zweiten europäischen Ost-West-System, das ungefähr zur selben Zeit entstand. Dieser gigantische Höhenzug ist fast sechzehntausend Kilometer lang und erstreckt sich von Europa bis zu den Landerhebungen Westindiens. Die jüngsten Berge befinden sich im System der Rocky Mountains, wo sich das Land während ganzer Zeitalter immer wieder gehoben hatte und immer wieder vom Meer zugedeckt wurde, wobei einiges höhergelegene Land jeweils als Inseln übrigblieb. Nach der Bildung der Berge des mittleren Zeitalters wurde ein richtiges Berghochland in die Höhe getrieben, aus welchem die Künstlerhand der vereinigten Naturelemente später die heutigen Rocky Mountains herausmeißelte. Bei der gegenwärtigen Gebirgsgegend der Rocky Mountains handelt es sich nicht um die ursprüngliche Landhebung; diese ist seither durch Erosion längst abgetragen und dann wieder emporgehoben worden. Die jetzige Hauptgebirgskette ist das, was von den Resten der ursprünglichen und wieder hochgehobenen Kette übriggeblieben ist. Pikes Peak und Longs Peak sind hervorragende Beispiele für diese Gebirgsaktivität, die sich über zwei und mehr Generationen von Bergleben erstreckte. Diese beiden Berge hielten ihre Häupter während mehrerer früherer Überschwemmungen über Wasser. Sowohl biologisch als auch geologisch war dies zu Land und zu Wasser ein ereignisreiches und aktives Zeitalter. Die Seeigel nahmen zu, während Korallen und Seelilien zurückgingen. Auch die Ammoniten, die in einem früheren Zeitalter einen entscheidenden Einfluss ausgeübt hatten, waren in raschem Niedergang begriffen. Auf dem Land wurden die Farnwälder weitgehend durch Föhren und andere heutige Baumarten einschließlich der riesigen Sequojen ersetzt. Gegen Ende dieser Periode sind die Säugetiere mit Plazenta zwar noch nicht entwickelt, aber der biologische Rahmen ist durchaus bereit zum Empfang der in einem kommenden Zeitalter erscheinenden frühen Ahnen der künftigen Säugetiertypen. Und damit endet eine lange Ära der Erdentwicklung, die vom frühen Erscheinen des Landlebens bis in die jüngere Zeit der unmittelbaren Vorfahren der menschlichen Spezies und ihrer Nebenzweige reicht. Dieses Kretazische Zeitalter erstreckt sich über 50 000 000 Jahre, und mit ihm geht auf dem Lande die Ära der Vorsäugetiere zu Ende, die sich über eine Periode von 100 000 000 Jahren hinzieht und Mesozoikum genannt wird. [Dargeboten von einem Lebensbringer von Nebadon, der Satania zugeteilt ist und jetzt auf Urantia wirkt.] ****** Kapitel 61 Die Ära der Säugetiere auf Urantia ****** DIE Ära der Säugetiere reicht von der Entstehungszeit der eine Plazenta besitzenden Säuger bis zum Ende der Eiszeit und umfasst einen Zeitraum von etwas weniger als fünfzig Millionen Jahren. Während dieses känozoischen Zeitalters bot die Landschaft der Erde einen reizvollen Anblick - wellige Hügel, weite Täler, breite Flüsse und riesige Wälder. In diesem Zeitraum tauchte die Landenge von Panama zweimal auf und unter, und dreimal tat die Landbrücke der Beringstrasse desgleichen. Es gab viele und mannigfaltige Tierarten. In den Bäumen wimmelte es von Vögeln, und die ganze Welt war ein Tierparadies, obwohl der unaufhörliche Kampf um Vorherrschaft unter den sich entwickelnden Tierarten weiterging. Die Ablagerungen, die in den fünf Perioden der fünfzig Millionen Jahre dauernden Ära angehäuft wurden, enthalten die versteinerten Aufzeichnungen der aufeinander folgenden Säugerdynastien und führen uns in direkter Linie zu den Zeiten, als der Mensch selber auftrat. ***** 61.1 Das neue kontinentale Landstadium - Das Zeitalter der Frühen Säugetiere ***** Vor 50 000 000 Jahren lagen die Landgebiete der Welt allgemein über Wasser oder waren nur wenig untergetaucht. Die Formationen und Ablagerungen dieser Periode sind sowohl terrestrisch wie maritim, aber zur Hauptsache terrestrisch. Das Land hob sich im Laufe einer beträchtlichen Zeit ganz allmählich, wurde aber gleichzeitig ausgewaschen und in die Niederungen und Meere hinuntergespült. Schon früh in dieser Periode erschien in Nordamerika plötzlich der eine Plazenta besitzende Typ von Säugetieren. Dieser stellte die bisher wichtigste evolutionäre Entwicklung überhaupt dar. Es hatte vorher Säugerordnungen ohne Plazenta gegeben, aber dieser neue Typus ging in direkter Linie und plötzlich aus einem noch früheren Reptilahnen hervor, dessen Nachkommen die Zeiten des Abstiegs der Dinosaurier heil überstanden hatten. Der Vater der Plazenta-Säugetiere war ein kleiner, höchst aktiver, fleischfressender und springender Dinosauriertyp. Grundlegende Säugerinstinkte begannen sich in diesen primitiven Säugertypen zu manifestieren. Die Säuger besitzen allen anderen Formen tierischen Lebens gegenüber einen großen Überlebensvorteil dank ihrer Fähigkeit: 1. Relativ reife und gut entwickelte Nachkommen zu gebären. 2. Ihre Jungen liebevoll und aufmerksam zu füttern, aufzuziehen und zu beschützen. 3. Ihre überlegene Intelligenz zum Fortbestehen ihrer Art zu gebrauchen. 4. Ihre größere Beweglichkeit dazu zu verwenden, ihren Feinden zu entrinnen. 5. Bei der Angleichung und Anpassung an die Umwelt höhere Intelligenz einzusetzen. Vor 45 000 000 Jahren wurden die Hauptgebirgszüge der Kontinente gehoben, während sich die Küstenregionen ganz allgemein senkten. Das Säugetierleben entwickelte sich rasch. Eine kleine reptilartige, eierlegende Säugerart gedieh, und die Ahnen der späteren Kängurus durchstreiften Australien. Bald gab es kleine Pferde, schnellfüßige Nashörner, Tapire mit Rüsseln, primitive Schweine, Eichhörnchen, Lemuren, Opossums und mehrere Stämme affenähnlicher Tiere. Sie waren alle klein und primitiv und bestens ausgerüstet, um in den Wäldern der Gebirgsregionen zu leben. Ein großer straußenähnlicher Vogel entwickelte sich bis zu einer Höhe von drei Metern und legte ein Ei von dreiundzwanzig mal dreiunddreißig Zentimetern. Er war der Vorläufer der späteren riesigen Passagiervögel, die überaus intelligent waren und einstmals menschliche Wesen durch die Lüfte trugen. Die Säuger des frühen Känozoikums lebten auf dem Land, im Wasser, in der Luft und in den Baumkronen. Sie besaßen zwischen einem und elf Paar Milchdrüsen, und alle waren dicht behaart. Wie die später auftretenden Arten entwickelten sie zwei aufeinander folgende Bezahnungen und besaßen im Vergleich zu ihrer Körpergröße große Gehirne. Aber es gab unter ihnen nicht eine einzige heutige Art. Vor 40 000 000 Jahren begannen sich die Landregionen der nördlichen Hemisphäre zu heben, worauf neue bedeutende Ablagerungen und andere Erdaktivitäten folgten wie Lavaergüsse, Verformungen, Seebildungen und Erosion. Während der zweiten Hälfte dieser Epoche war fast ganz Europa überschwemmt. Nach einer geringen Landhebung wurde der Kontinent von Seen und Buchten übersät. Durch die Uralsenke floss der Arktische Ozean nach Süden und verband sich mit dem Mittelmeer, das sich damals nach Norden ausdehnte, wobei die Hochländer der Alpen, Karpaten, Apenninen und Pyrenäen als Meeresinseln aus dem Wasser herausragten. Die Landenge von Panama lag über dem Wasser; Atlantischer und Pazifischer Ozean waren voneinander getrennt. Nordamerika war mit Asien durch die Landbrücke der Beringstrasse und mit Europa durch Grönland und Island verbunden. Der Landzusammenhang in den nördlichen Breiten der Erde wurde nur durch die Uralmeerenge unterbrochen, die die arktischen Meere mit dem größer gewordenen Mittelmeer verband. In den europäischen Gewässern wurden beträchtliche Mengen von Foraminiferen-Kalkstein abgelagert. Heute befindet sich derselbe Stein in den Alpen auf 3 000 Meter Höhe, im Himalaja auf 5 000 und in Tibet auf 6 000 Meter Höhe. Die Kreideablagerungen dieser Periode findet man entlang den Küsten Afrikas und Australiens, an der Westküste Südamerikas und in Westindien. Während dieser ganzen so genannten Eozän periode setzte sich die Evolution der Säugetiere und anderer verwandter Lebensformen fast ununterbrochen fort. Nordamerika war damals außer mit Australien mit jedem Kontinent verbunden, und allmählich wimmelte es auf der Welt von den verschiedenen Arten der primitiven Säugerfauna. ***** 61.2 Das jüngste Überflutungsstadium - Das Zeitalter der Höherentwickelten Säugetiere ***** Diese Periode wurde durch eine weitere rasche Evolution der Plazenta-Säugetiere charakterisiert, denn in dieser Zeit entwickelten sich die fortgeschritteneren Formen des Säugerlebens. Obwohl die frühen Plazenta-Säugetiere von fleischfressenden Ahnen abstammten, entwickelten sich sehr rasch Pflanzen fressende Zweige, und es dauerte nicht lange, ehe auch Allesfresser-Säugerfamilien auftraten. Die Angiospermen waren die hauptsächliche Nahrung der sich rasch vermehrenden Säugetiere, denn die heutige Erdflora einschließlich der meisten jetzigen Pflanzen und Bäume war schon während früherer Perioden erschienen. Vor 35 000 000 Jahren beginnt das Zeitalter der Weltbeherrschung durch die Plazenta-Säugetiere. Die südliche Landbrücke war sehr breit und verband den damals riesigen antarktischen Kontinent mit Südamerika, Südafrika und Australien. Trotz der Ballung von Land in hohen Breiten blieb das Erdklima wegen der enormen Vergrößerung der tropischen Meere relativ mild, und das Land lag nicht hoch genug, um Gletscher zu bilden. In Grönland und Island kam es zu ausgedehnten Lavaaustritten, wobei zwischen deren Schichten einige Kohle abgelagert wurde. In der Fauna des Planeten geschahen bedeutende Veränderungen. Ein großer Umbruch vollzog sich im Meeresleben; die meisten der heutigen Meerestierordnungen existierten schon, und die Foraminiferen spielten weiterhin eine wichtige Rolle. Das Insektenleben glich ziemlich demjenigen der vorangehenden Ära. Die Fossilienlager von Florissant in Colorado gehören den späteren Jahren dieser fernen Zeiten an. Die meisten der heute lebenden Insektenfamilien gehen auf diese Periode zurück, aber viele der damals existierenden sind jetzt ausgestorben, wenn uns auch ihre Fossilien bleiben. Auf dem Festland war es vor allem ein Zeitalter der Erneuerung und Weiterverbreitung der Säugetiere. Von den früheren, primitiveren Säugern waren über hundert Arten ausgestorben, bevor diese Periode zu Ende ging. Auch die Säuger mit großem Wuchs und kleinem Hirn verschwanden bald. Intelligenz und Beweglichkeit waren im fortschreitenden tierischen Überlebenskampf an die Stelle von Bewaffnung und Körpergröße getreten. Und während die Familie der Dinosaurier im Niedergang begriffen war, wurden die Säugetiere langsam zu Herren der Erde und rotteten den Rest ihrer Reptilien-Vorfahren rasch und vollständig aus. Zeitgleich mit dem Verschwinden der Dinosaurier vollzogen sich in den verschiedenen Zweigen der Saurierfamilie andere tiefgreifende Veränderungen. Die überlebenden Angehörigen der frühen Reptilienfamilie sind Schildkröten, Schlangen, Krokodile und der altehrwürdige Frosch. Diese Gruppe stellt alles dar, was von den früheren Vorfahren des Menschen übriggeblieben ist. Viele Säugergruppen gingen auf ein einziges, jetzt ausgestorbenes Tier zurück. Dieses fleischfressende Geschöpf war so etwas wie eine Kreuzung zwischen einer Katze und einer Robbe; es konnte auf dem Land oder im Wasser leben und war hochintelligent und sehr aktiv. In Europa entwickelten sich die Vorläufer der Hundefamilie, aus denen bald viele kleine Hundearten hervorgingen. Um dieselbe Zeit erschienen die Nager, unter ihnen die Biber, Eichhörnchen, Ziesel, Mäuse und Kaninchen, und sie wurden bald zu einer wichtigen Form des Lebens. Es hat sich seither an dieser Familie kaum etwas geändert. Die späteren Ablagerungen dieser Periode enthalten die fossilen Überreste von Hund, Katze, Waschbär und Wiesel in einer Vorläuferform. Vor 30 000 000 Jahren begannen die modernen Säugertypen aufzutreten. Bislang hatten die Säuger in ihrer Mehrzahl in den Bergen gelebt, da sie den montanen Arten angehörten; plötzlich setzte die Entwicklung des behuften Flachlandtyps, der grasenden Gattung, ein im Unterschied zu den Klauen besitzenden Fleischfressern. Diese Grasfresser stammten von einem undifferenzierten Ahnen ab, der fünf Zehen und vierundvierzig Zähne besaß und noch vor Ende des Zeitalters ausstarb. Die Zehenentwicklung ging während dieser Periode nicht über drei hinaus. Das Pferd, ein hervorragendes Evolutionsbeispiel, lebte in diesen Zeiten sowohl in Nordamerika als auch in Europa, obwohl es sich erst in der späteren Eiszeit voll entwickelte. Die Familie der Nashörner trat am Ende dieser Periode auf, erfuhr ihre größte Verbreitung aber erst später. Auch ein kleines, schweineähnliches Geschöpf entwickelte sich, das zum Ahnen der vielen Arten von Schweinen, Bisamschweinen und Flusspferden wurde. Kamele und Lamas hatten ihren Ursprung um die Mitte dieser Periode in Nordamerika und nahmen die Prärien des Westens in Besitz. Später wanderten Lamas nach Südamerika und Kamele nach Europa aus, und bald erloschen sie beide in Nordamerika, wo indessen einige Kamele bis in die Eiszeit hinein überlebten. Um diese Zeit ereignete sich im Westen Nordamerikas etwas Bemerkenswertes: Die frühen Vorläufer der alten Lemuren erschienen. Obwohl man diese Familie nicht als echte Lemuren betrachten kann, bedeutet doch ihr Kommen den Beginn der Linie, welcher später die richtigen Lemuren entsprangen. Gleich den Landschlangen eines früheren Zeitalters, die sich in die Meere zurückgeflüchtet hatten, verließ jetzt ein ganzer Stamm von Plazenta-Säugern das Land und nahm in den Ozeanen Wohnung. Und sie sind seither immer im Meer geblieben, wo aus ihnen die heutigen Wale, Delphine, Tümmler, Robben und Seelöwen geworden sind. Die Entwicklung des Vogellebens des Planeten setzte sich fort, aber es gab nur wenige wichtige evolutionäre Veränderungen. Die Mehrzahl der jetzigen Vogelarten existierte bereits, unter ihnen Möven, Reiher, Flamingos, Bussarde, Falken, Adler, Eulen, Wachteln und Strauße. Am Ende dieser Periode des Oligozäns, die zehn Millionen Jahre dauerte, hatten sich Pflanzenleben wie marines Leben und Landtiere sehr stark entwickelt, und sie existierten auf der Erde nahezu so wie heute. Seither ist zwar eine beträchtliche Spezialisierung eingetreten, aber die meisten Lebewesen gab es damals bereits in ihrer Ahnenform. ***** 61.3 Das Stadium der heutigen Berge - Das Zeitalter von Elefant und Pferd ***** Landhebung und Trennung der Meere veränderten allmählich das Wetter der Erde, das sich schrittweise abkühlte, aber das Klima blieb immer noch mild. In Grönland gediehen Sequoien und Magnolien, aber die subtropischen Pflanzen begannen, nach Süden abzuwandern. Bis zum Ende dieser Periode waren die Pflanzen und Bäume warmer Landstriche weitgehend aus den nördlichen Breiten verschwunden, und an ihre Stelle waren widerstandsfähigere Pflanzen und die laubabwerfenden Bäume getreten. Es gab einen großen Zuwachs an verschiedenen Grassorten, und die Zähne vieler Säugetierarten veränderten sich allmählich zum heutigen Grasfressertyp hin. Vor 25 000 000 Jahren folgte auf die lange Epoche der Landhebung eine leichte Landsenkung. Die Rocky Mountains blieben hoch erhoben, so dass die Ablagerung von Erosionsmaterial überall im östlich gelegenen Tiefland weiterging. Die Sierras hatten sich wieder erhoben; tatsächlich haben sie seither nicht aufgehört, sich weiter zu heben. Die große vertikale, sechseinhalb Kilometer hohe Verwerfung der kalifornischen Region stammt aus dieser Zeit. Vor 20 000 000 Jahren herrschte das goldene Zeitalter der Säugetiere. Die Landbrücke der Beringstraße lag über Wasser, und viele Tiergruppen wanderten von Asien nach Nordamerika, unter ihnen mit vier Stoßzähnen bewaffnete Mastodonten, kurzbeinige Nashörner und viele Arten der Katzenfamilie. Der erste Hirsch erschien, und bald bevölkerten große Scharen von Wiederkäuern Nordamerika - Hirsche, Ochsen, Kamele, Büffel und mehrere Nashornarten - aber die fast zwei Meter hohen Riesenschweine starben aus. Die Riesenelefanten dieser und folgender Perioden besaßen sowohl große Gehirne als auch große Körper, und sie überrollten bald die ganze Erde außer Australien. Diesmal wurde die Welt von einem Riesentier beherrscht, dessen Hirn groß genug war, um ihm das Fortbestehen zu erlauben. In der Auseinandersetzung mit dem hochintelligenten Leben dieser Zeitalter hätte kein Tier von der Größe eines Elefanten überleben können, wenn es nicht ein großes Gehirn höherer Qualität besessen hätte. An Intelligenz und Anpassungsfähigkeit reicht nur das Pferd an den Elefanten heran, und dieser wird nur vom Menschen selber übertroffen. Aber auch so haben von den zu Beginn dieser Periode existierenden fünfzig Elefantenarten nur ganze zwei überlebt. Vor 15 000 000 Jahren hob sich die Gebirgsregion Eurasiens, und es gab in all diesen Gegenden etliche Vulkanaktivität, aber nichts, was sich mit den Lavafluten der westlichen Hemisphäre vergleichen ließe. Diese unbeständigen Bedingungen herrschten auf der ganzen Welt. Die Meerenge von Gibraltar schloss sich, und Spanien wurde durch die alte Landbrücke wieder mit Afrika verbunden, aber das Mittelmeer ergoss sich durch einen engen Kanal, der Frankreich durchquerte, in den Atlantik. Aus diesem alten Meer ragten die Bergspitzen und Hochländer als Inseln heraus. Später begannen sich diese europäischen Meere zurückzuziehen. Noch später verband sich das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean, während am Ende dieser Periode die Suezregion angehoben wurde, so dass das Mittelmeer eine Zeitlang zu einem Binnensalzmeer wurde. Die isländische Landbrücke tauchte unter, und die arktischen Wasser vermischten sich mit denen des Atlantischen Ozeans. Die atlantische Küste Nordamerikas kühlte sich rasch ab, aber die pazifische Küste blieb wärmer als heute. Die großen Ozeanströme verhielten und wirkten sich ungefähr wie heute auf das Klima aus. Die Entwicklung des Säugetierlebens nahm ihren Fortgang. In den Ebenen des nordamerikanischen Westens gesellten sich zu den Kamelen unübersehbare Pferdeherden; es war wirklich das Zeitalter der Pferde und der Elefanten. Die tierische Qualität des Rosshirns kommt derjenigen des Elefantenhirns am nächsten, aber in einer Hinsicht steht es entschieden tiefer, denn das Pferd überwand nie ganz seinen tiefsitzenden Hang zur Flucht, sobald es erschreckt wurde. Dem Pferd fehlt die emotionale Kontrolle, während der Elefant stark behindert wird durch seine Größe und seinen Mangel an Beweglichkeit. In diesem Zeitabschnitt entwickelte sich ein Tier, das in sich Züge des Elefanten und des Pferdes vereinigte, aber durch die rasch wachsende Familie der Katzen bald ausgerottet wurde. Jetzt, da Urantia in das so genannte "pferdelose Zeitalter" eintritt, solltet ihr innehalten und darüber nachsinnen, was dieses Tier für eure Vorfahren bedeutete. Die Menschen benutzten die Pferde zuerst als Nahrung, dann als Fortbewegungsmittel und später in der Landwirtschaft und im Krieg. Das Pferd hat der Menschheit lange gedient, und es hat in der Entwicklung der menschlichen Zivilisation eine wichtige Rolle gespielt. Die biologischen Entwicklungen dieser Periode trugen viel zur Schaffung der Voraussetzungen für das spätere Erscheinen des Menschen bei. In Zentralasien entwickelten sich die Typen des echten primitiven Affen und des Gorilla, die einen gemeinsamen, jetzt ausgestorbenen Vorfahren hatten. Aber weder die eine noch die andere Art hat das Geringste mit der Linie von Lebewesen zu tun, die später zu den Ahnen der menschlichen Rasse werden sollten. Die Familie der Hunde war durch mehrere Gruppen vertreten, insbesondere durch Wölfe und Füchse; der Stamm der Katzen durch Panther und große, mit säbelartigen Zähnen versehene Tiger, die sich zuerst in Nordamerika entwickelten. Die Zahl der modernen Katzen- und Hundefamilien nahm auf der ganzen Erde zu. Wiesel, Marder, Otter und Waschbären gediehen und entwickelten sich überall in den nördlichen Breiten. Die Vögel entwickelten sich weiter, obwohl bei ihnen keine auffallenden Veränderungen eintraten. Die Reptilien - Schlangen, Krokodile und Schildkröten - glichen den heutigen Arten. So neigte sich eine sehr ereignisreiche und interessante Periode der Erdgeschichte ihrem Ende zu. Das Zeitalter des Elefanten und Pferdes wird als Miozän bezeichnet. ***** 61.4 Das jüngste Stadium der Kontinentenhebung (Die Letzte Grosse Wanderung der Säugetiere) ***** Dies ist die Periode der voreiszeitlichen Landhebung in Nordamerika, Europa und Asien. Die Landtopographie veränderte sich sehr stark. Bergketten wurden geboren, Ströme änderten ihren Lauf, und auf der ganzen Welt brachen vereinzelte Vulkane aus. Vor 10000000 Jahren begann ein Zeitalter mit weit verbreiteten örtlichen Ablagerungen auf das Tiefland der Kontinente, aber die meisten dieser Sedimente wurden später wieder abgetragen. Ein großes Gebiet Europas lag zu dieser Zeit immer noch unter Wasser, einschließlich von Teilen Englands, Belgiens und Frankreichs, und das Mittelmeer bedeckte einen großen Teil Nordafrikas. In Nordamerika sammelten sich an Bergfüßen, in Seen und in den großen Landmulden ausgedehnte Ablagerungen an. Diese sind im Mittel nur etwa sechzig Meter dick, stärker oder schwächer gefärbt und enthalten selten Fossilien. Zwei große Süßwasserseen existierten im westlichen Nordamerika. Die Sierras hoben sich; Shasta, Hood und Rainier begannen mit ihrem Werdegang von Bergen. Aber erst im folgenden Eiszeitalter fing Nordamerika an, auf die atlantische Senke zuzurutschen. Für kurze Zeit hingen mit Ausnahme Australiens wieder alle Landgebiete der Erde zusammen, und die letzte große weltweite Tierwanderung setzte ein. Nordamerika war mit Südamerika und Asien verbunden, und im Tierleben gab es freien Austausch. Asiatische Faultiere, Gürteltiere, Antilopen und Bären drangen in Nordamerika ein, während nord-amerikanische Kamele nach China gingen. Nashörner durchwanderten die ganze Welt mit Ausnahme Australiens und Südamerikas, aber sie waren in der westlichen Hemisphäre am Ende dieser Periode ausgestorben. Im Allgemeinen entwickelte sich das Leben der vorangegangenen Periode weiter und breitete sich aus. Die Familie der Katzen beherrschte das Tierleben, und das marine Leben erfuhr fast einen Stillstand. Viele Pferdearten hatten immer noch drei Zehen, aber die heutigen Typen waren im Kommen. Lamas und giraffenartige Kamele weideten neben den Pferden auf den grasbewachsenen Ebenen. In Afrika erschien die Giraffe, und sie hatte damals schon einen ebenso langen Hals wie heute. In Südamerika entwickelten sich Faultiere, Gürteltiere, Ameisenfresser und der südamerikanische Typ primitiver Affen. Bevor sich die Kontinente schließlich voneinander trennten, zogen die Mastodonten, jene wuchtigen Tiere, überallhin außer nach Australien. Vor 5000000 Jahren entwickelte sich das Pferd zu seiner heutigen Gestalt und wanderte von Nordamerika in die ganze Welt hinaus. Aber es war auf dem Kontinent seines Ursprungs längst ausgestorben, als die roten Menschen dort ankamen. Das Klima kühlte sich allmählich ab; langsam bewegten sich die Landpflanzen südwärts. Zuerst war es die zunehmende Kälte im Norden, die den Tierwanderungen über die nördlichen Landengen ein Ende setzte; später versanken diese nordamerikanischen Landbrücken. Bald danach tauchte auch die Landverbindung zwischen Afrika und Südamerika endgültig unter, und die westliche Hemisphäre fand sich isoliert, so ziemlich wie heute. Von diesem Zeitpunkt an begannen sich in der östlichen und in der westlichen Hemisphäre verschiedene Lebenstypen zu entwickeln. Und so nähert sich diese Periode, die fast zehn Millionen Jahre gedauert hat, ihrem Ende, und noch ist der Urahn des Menschen nicht erschienen. Dies ist die gewöhnlich als Pliozän bezeichnete Zeit. ***** 61.5 Die frühe Eiszeit ***** Am Ende der vorangehenden Periode lag das Land in weiten Gegenden des nordöstlichen Nordamerikas und Nordeuropas sehr hoch. In Nordamerika erhoben sich ausgedehnte Gebiete bis zu 9 000 Metern und mehr. In diesen nördlichen Regionen hatte zuvor ein mildes Klima geherrscht. Alles arktische Wasser lag offen und konnte verdunsten, und es blieb weiterhin fast bis ans Ende der Eiszeit eisfrei. Gleichzeitig mit diesen Landhebungen verlagerten sich die ozeanischen Strömungen, und die jahreszeitlichen Winde änderten ihre Richtung. Diese Bedingungen führten schließlich über den nördlichen Hochländern zu einem fast ununterbrochenen Feuchtigkeitsniederschlag durch die Bewegung der stark gesättigten Atmosphäre. Schnee begann auf diese hohen und deshalb kühlen Regionen zu fallen, und er fiel weiter, bis er eine Dicke von 6 000 Metern erreicht hatte. Die Gebiete, in denen der Schnee am tiefsten lag, und die Höhe bestimmten die zentralen Ausgangspunkte für das unter dem Eisdruck entstehende Fließen. Und die Eiszeit dauerte so lange, wie dieser außerordentlich starke Niederschlag fortfuhr, die nördlichen Hochländer mit einem gewaltigen Schneemantel zuzudecken, der sich bald in festes, aber kriechendes Eis verwandelte. Die großen Eisdecken dieser Periode lagen alle auf Hochländern und nicht in Gebirgsgegenden, wo man sie heute antrifft. Die Hälfte des Gletschereises befand sich in Nordamerika, ein Viertel in Eurasien und ein Viertel anderswo, hauptsächlich in der Antarktis. Afrika blieb vom Eis ziemlich verschont, aber Australien war fast ganz von der antarktischen Eisdecke bedeckt. Die nördlichen Regionen dieser Welt haben sechs einzelne, verschiedene Gletscherinvasio-nen erlebt, obwohl es im Zusammenhang mit der Aktivität jeder einzelnen Eisdecke Dutzende von Vormärschen und Rückziehern gab. Das Eis Nordamerikas sammelte sich in zwei, später drei Zentren an. Grönland war zugedeckt und Island lag unter dem Gletscherstrom völlig begraben. In Europa bedeckte das Eis zu verschiedenen Zeiten die britischen Inseln mit Ausnahme der Küste Südenglands, und es überzog Westeuropa bis nach Frankreich hinein. Vor 2 000 000 Jahren begann der erste nordamerikanische Gletscher seinen Vormarsch nach Süden. Die Eiszeit fing nun an, und dieser Gletscher brauchte für seinen Vormarsch von den nördlichen Druckzentren und für den Rückzug zu seinem Ausgangspunkt nahezu eine Million Jahre. Die zentrale Eisdecke reichte südwärts bis nach Kansas; das östliche und westliche Eiszentrum waren damals weniger ausgedehnt. Vor 1 500 000 Jahren zog sich der erste große Gletscher nach Norden zurück. In der Zwischenzeit waren enorme Schneemengen auf Grönland und den nordöstlichen Teil Nordamerikas gefallen, und bald begann diese östliche Eismasse nach Süden zu fließen. Das war die zweite Gletscherinvasion. Diese beiden ersten Eiseinbrüche waren in Eurasien nicht so ausgedehnt. Während dieser ersten Epochen der Eiszeit wimmelte es in Nordamerika von Mastodonten, wollenen Mammuten, Pferden, Kamelen, Hirschen, Moschusochsen, Büffeln, Boden-Faultieren, Riesenbibern, Tigern mit Säbelzähnen, elefantengroßen Faultieren und vielen Gruppen der Katzen- und Hundefamilien. Aber von dieser Zeit an nahm ihre Zahl infolge der zunehmenden Kälte der Gletscherzeit rasch ab. Gegen Ende der Eiszeit war die Mehrzahl dieser Tierarten in Nordamerika ausgestorben. Außer Reichweite des Eises veränderte sich im Land- und Wasserleben der Welt nur wenig. Zwischen den Eisinvasionen war das Klima etwa so mild wie jetzt, vielleicht sogar etwas wärmer. Die Gletscher waren letztenendes lokale Phänomene, obwohl sie sich ausdehnten und riesige Gebiete zudeckten. Das Küstenklima veränderte sich sehr stark zwischen den Zeiten ruhender Gletscheraktivität und den Zeiten, da gewaltige Eisberge von der Küste von Maine in den Atlantik glitten, durch den Puget Sound in den Pazifik entwichen oder in die norwegischen Fjorde hinabdonnerten, der Nordsee entgegen. ***** 61.6 Der primitive Mensch in der Eiszeit ***** Das große Ereignis dieser Gletscherperiode war die Evolution des primitiven Menschen. Etwas westlich von Indien, in einer Gegend, die sich jetzt unter Wasser befindet, und unter den Jungen von nach Asien ausgewanderten Vertretern der älteren nordamerikanischen Lemurentypen erschienen plötzlich die vormenschlichen Säuger. Diese kleinen Tiere gingen meist auf den Hinterbeinen, und sie besaßen gemessen an ihrer Körpergröße und im Vergleich mit den Hirnen anderer Tiere große Gehirne. In der siebzehnten Generation dieser Ordnung von Lebewesen differenzierte sich plötzlich eine neue und höher stehende Gruppe von Tieren heraus. Diese neuen zwischengeschalteten Säuger - sie waren fast zweimal so groß und hoch wie ihre Vorgänger und besaßen eine entsprechend gewachsene Intelligenz - hatten sich kaum im Leben eingerichtet, als plötzlich die Primaten, die dritte entscheidende Mutation, erschienen. (Genau zur selben Zeit ließ eine rückläufige Entwicklung im Stamm der zwischengeschalteten Säuger die Ahnen der Affen entstehen; und von diesem Tag an bis heute ist der menschliche Zweig durch ständige Evolution fortgeschritten, während die Affenstämme stehen geblieben sind oder sich tatsächlich rückentwickelt haben). Vor 1 000 000 Jahren wurde Urantia als bewohnte Welt registriert. Eine Mutation im Stamm der fortschreitenden Primaten brachte plötzlich zwei primitive menschliche Wesen, die wahren Ahnen der Menschheit, hervor. Dieses Ereignis fiel ungefähr mit dem Beginn des dritten Vorrückens der Gletscher zusammen; daraus kann ersehen werden, dass eure frühen Vorfahren in einer stimulierenden, kräftigenden und schwierigen Umwelt geboren und aufgezogen wurden. Und die einzigen Überlebenden dieser Ureinwohner Urantias, die Eskimos, ziehen es heute noch vor, in kalten nördlichen Klimas zu wohnen. Es gab auf der westlichen Hemisphäre vor der zu Ende gehenden Eiszeit keine menschlichen Wesen. Aber während der Zwischeneiszeiten wanderten sie westwärts um das Mittelmeer herum und breiteten sich bald über den europäischen Kontinent aus. In den Höhlen Westeuropas kann man mit den Überresten tropischer und arktischer Tiere vermischte menschliche Knochen finden, was davon zeugt, dass der Mensch diese Gegenden in den späteren Epochen der vorrückenden und zurückweichenden Gletscher bewohnte. ***** 61.7 Die Fortsetzung der Eiszeit ***** Während der ganzen Gletscherzeit nahmen auch andere Aktivitäten ihren Fortgang, aber in den nördlichen Breiten stellt diejenige des Eises alle anderen Phänomene in den Schatten. Keine andere Aktivität der Erde hinterlässt in ihrer Topographie derart charakteristische Spuren. Die bezeichnenden erratischen Blöcke und Oberflächenbearbeitungen wie Gletschermühlen, Seen, versetzte Steine und zu Mehl zerriebener Fels findet man in Verbindung mit keinem anderen Naturphänomen. Das Eis ist auch verantwortlich für die Entstehung jener lieblichen Anhöhen oder Geländewellen, die man Drumlins nennt. Ein vorrückender Gletscher versetzt Flussläufe und verändert die ganze Erdoberfläche. Nur Gletscher hinterlassen so aussagekräftiges Geschiebe wie die Grund-, Seiten- und Endmoränen. Diese Geschiebe, insbesondere die Grundmoränen, erstrecken sich von der Ostküste Nordamerikas nach Norden und Westen und finden sich in Europa und Sibirien wieder. Vor 750 000 Jahren hatte sich die vierte Eisdecke, eine Vereinigung des zentralen mit dem östlichen Eisfeld, schon weit nach Süden vorgeschoben; auf ihrem Höhepunkt reichte sie bis ins südliche Illinois, wobei sie den Mississippi um achtzig Kilometer nach Westen verschob, und im Osten erstreckte sie sich nach Süden bis zum Ohio River und ins zentrale Pennsylvanien. In Asien stieß die sibirische Eisdecke weiter denn je nach Süden vor, und in Europa machte das vorrückende Eis erst vor der Gebirgsbarriere der Alpen Halt. Vor 500 000 Jahren, während des fünften Gletschervormarsches, beschleunigte eine neue Entwicklung den Lauf der menschlichen Evolution. Plötzlich und in einer einzigen Generation gingen die sechs farbigen Rassen durch Mutation aus der menschlichen Urlinie hervor. Dies ist ein doppelt wichtiges Datum, weil es auch das Datum der Ankunft des Planetarischen Fürsten ist. In Nordamerika setzte sich der wachsende fünfte Gletscher aus allen drei gemeinsam vorrückenden Eiszentren zusammen. Der östliche Lappen reichte indessen nur wenig über das St. Lorenztal hinab, und auch der westliche Eismantel stieß nicht weit nach Süden vor. Aber der zentrale Lappen bedeckte bei seinem Vordringen nach Süden fast den ganzen Staat Iowa. In Europa hatte diese Eisinvasion ein geringeres Ausmaß als die vorangegangene. Vor 250 000 Jahren begann die sechste und letzte Vergletscherung. Und obwohl die nördlichen Hochländer leicht zu sinken begonnen hatten, war dies die Periode größter Schneeablagerung auf den nördlichen Eisfeldern. Bei dieser Invasion verbündeten sich die drei großen Eisdecken zu einer einzigen gewaltigen Eismasse, und sämtliche Berge des Westens beteiligten sich an der Gletscheraktivität. Dies war die größte aller Eisinvasionen Nordamerikas; das Eis wanderte von seinen Druckzentren aus über zweitausendvierhundert Kilometer weit nach Süden, und Nordamerika erlebte seine tiefsten Temperaturen. Während vor 200 000 Jahren der letzte Gletscher vorrückte, spielte sich eine Episode ab, die mit dem Lauf der Dinge auf Urantia viel zu tun hatte - die Rebellion Luzifers. Vor 150 000 Jahren erreichte der sechste und letzte Gletscher seine südlichsten Punkte. Die westliche Eisdecke überschritt knapp die kanadische Grenze, die zentrale reichte nach Kansas, Missouri und Illinois hinab, und die östliche Decke bedeckte den größeren Teil von Pennsylvanien und Ohio. Dies ist der Gletscher, der jene vielen Zungen oder Lappen ausstreckte, welche die heutigen großen und kleinen Seen gestalteten. Bei seinem Rückzug entstand das nordamerikanische System der Großen Seen. Und die Geologen Urantias haben sehr exakt auf die verschiedenen Stadien dieser Entwicklung geschlossen und haben sehr richtig vermutet, dass sich diese Gewässer sukzessive zuerst in das Mississippital entleerten, dann östlich in das Hudsontal und schließlich über den nördlichen Weg in den St. Lorenzstrom. Es ist siebenunddreißigtausend Jahre her, dass das System der untereinander verbundenen Großen Seen begann, über die heutige Niagararoute abzufließen. Während der letzte Gletscher vor 100 000 Jahren auf dem Rückzug war, begannen sich die gewaltigen Polareisdecken zu bilden, und das Zentrum des angehäuften Eises verschob sich beträchtlich nach Norden. Und solange die Polarregionen mit Eis bedeckt bleiben, gibt es kaum eine Möglichkeit für das Entstehen einer neuen Eiszeit, ganz gleichgültig, ob es in Zukunft zu Landhebungen oder Veränderungen der Ozeanströmungen kommt. Dieser letzte Gletscher war hunderttausend Jahre lang im Vormarsch, und er benötigte ebenso viel Zeit für seinen Rückzug nach Norden. Die gemäßigten Regionen sind seit etwas mehr als fünfzigtausend Jahren eisfrei. Die Härten der Gletscherzeit vernichteten viele Arten und veränderten zahlreiche andere radikal. Unter vielen von ihnen verursachten die wegen des Kommens und Gehens des Eises nötig werdenden Hin- und Rückwanderungen ein böses Aussieben. Die Tiere, welche die Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen der Gletscher auf dem Lande mitmachten, waren Bären, Büffel, Rene, Moschusochsen, Mammute und Mastodonten. Das Mammut suchte die offenen Prärien auf, wohingegen der Mastodont die geschützten Ränder der Waldgebiete bevorzugte. Noch bis zu einem späten Datum konnte man das Mammut von Mexiko bis Kanada antreffen; seine sibirische Art war mit Wolle bedeckt. Die Mastodonten überdauerten in Nordamerika, bis der rote Mann sie ausrottete, so wie der weiße Mann später die Büffel abschlachtete. In Nordamerika starben während der letzten Gletscherzeit die Pferde, Tapire, Lamas und die Tiger mit Säbelzähnen aus. An ihre Stelle traten Faultiere, Gürteltiere und Wasserschweine, die von Südamerika heraufgekommen waren. Die durch den Vormarsch des Eises erzwungene Wanderung des Lebens führte im Pflanzen- und Tierreich zu einer außerordentlichen Durchmischung, und als der letzte Gletscher seinen Rückzug antrat, blieben viele arktische Pflanzen- und Tierarten als Strandgut hoch oben auf bestimmten Berggipfeln zurück, wohin sie sich geflüchtet hatten, um der Vernichtung durch den Gletscher zu entgehen. Und so kann man heute diese umgesiedelten Pflanzen und Tiere hoch oben in den Alpen Europas und sogar auf den Appalachen Nordamerikas antreffen. Die Eiszeit ist die letzte abgeschlossene geologische Periode, das mehr als zwei Millionen Jahre dauernde so genannte Pleistozän. Vor 35 000 Jahren ging die große Eiszeit des Planeten mit Ausnahme der Polarregionen zu Ende. Dieses Datum ist auch deshalb bedeutungsvoll, weil es ungefähr mit der Ankunft eines Materiellen Sohnes und einer Materiellen Tochter und mit dem Beginn der Adamischen Dispensation zusammenfällt und ungefähr dem Anfang des Holozäns, der Nacheiszeit, entspricht. Dieser Bericht, der vom Erscheinen des Säugerlebens bis zum Abzug des Eises und bis in geschichtliche Zeiten hinein reicht, deckt eine Zeitspanne von fast fünfzig Millionen Jahren. Das ist die letzte - die laufende - geologische Periode, die eure Forscher als Känozoikum oder Ära der jüngsten Vergangenheit kennen. [Dargeboten von einem ortsansässigen Lebensbringer.] ****** Kapitel 62 Die Dämmerstunde der Primitiven Menschenrassen ****** ETWA vor einer Million Jahren erschienen die unmittelbaren Urahnen der Menschheit durch drei aufeinander folgende und plötzliche Mutationen, die im frühen Stamm des Lemurentyps der Plazenta-Säugetiere auftraten. Die dominanten Faktoren dieser frühen Lemuren entstammten der westlichen oder späteren amerikanischen Gruppe des sich entwickelnden Lebensplasmas. Aber bevor diese Art die direkte Linie der menschlichen Vorfahren begründete, wurde sie durch Beiträge aus der zentralen Ansiedlung des Lebens verstärkt, die sich in Afrika entwickelt hatte. Die östliche Lebensgruppe steuerte wenig oder gar nichts zur Erzeugung der menschlichen Gattung bei. ***** 62.1 Die frühen Lemurentypen ***** Die frühen Lemuren, die als die Ahnen der menschlichen Gattung zu betrachten sind, waren nicht direkt verwandt mit den schon zuvor existierenden Gibbon- und Affenstämmen, die damals Eurasien und Nordafrika bewohnten und deren Nachkommen bis in die heutige Zeit überlebt haben. Ebenso wenig entstammten sie dem jetzigen Lemurentyp, wenngleich sie mit diesem einen seit langem ausgestorbenen Ahnen gemeinsam haben. Obwohl sich diese frühen Lemuren in der westlichen Hemisphäre entwickelt hatten, wurde die direkte Säuger-Ahnenlinie der Menschheit in Südwestasien begründet, in der ursprünglichen Gegend der zentralen Lebensansiedlung, aber an der Grenze zu den östlichen Regionen. Einige Millionen Jahre zuvor waren Lemuren des nordamerikanischen Typs über die Bering-Landbrücke westwärts gewandert und hatten sich der asiatischen Küste entlang langsam nach Südwesten bewegt. Diese wandernden Stämme gelangten schließlich in die gastliche Gegend, die zwischen dem damals sehr ausgedehnten Mittelmeer und den sich hebenden Gebirgsgegenden der indischen Halbinsel lag. In diesen westlich von Indien gelegenen Landstrichen vermischten sie sich mit anderen, sich in günstigem Sinne entwickelnden Stämmen und wurden so zu den Ahnen der menschlichen Rasse. Mit der Zeit versanken die südwestlich der Berge gelegenen Küstenstriche Indiens langsam, wodurch das Leben in dieser Gegend vollständig abgeschnitten wurde. Diese mesopotamische oder persische Halbinsel hatte weder einen Zugangs-noch einen Fluchtweg außer im Norden, und auch dieser wurde durch die nach Süden dringenden Gletscher wiederholt abgeriegelt. Und gerade in dieser damals fast paradiesischen Gegend gingen aus den höher stehenden Abkömmlingen dieses Lemurentyps von Säugetieren zwei große Gruppen hervor, die Affenstämme der Neuzeit und die heutige menschliche Gattung. ***** 62.2 Die vormenschlichen Säuger ***** Vor etwas über einer Million Jahren erschienen in Mesopotamien plötzlich die vormenschlichen Säuger als direkte Nachfahren des nordamerikanischen Lemurentyps von Plazenta-Säugern. Es waren aktive kleine Geschöpfe, fast neunzig Zentimeter groß; und obwohl sie gewöhnlich nicht auf ihren Hinterbeinen gingen, konnten sie sich leicht aufrecht halten. Sie waren haarig, behende und schwatzten nach Affenart, aber im Unterschied zu den Affenstämmen waren sie Fleischfresser. Sie besaßen einen primitiven opponierbaren Daumen sowie eine zum Greifen höchst nützliche große Zehe. Von diesem Zeitpunkt an entwickelten die vormenschlichen Arten nach und nach den opponierbaren Daumen, während ihre große Zehe die Greiffähigkeit immer mehr einbüßte. Die späteren Affenstämme behielten die greiffähige große Zehe bei, aber sie entwickelten nie die menschliche Daumenart. Diese vormenschlichen Säuger waren mit drei bis vier Jahren voll erwachsen und hatten eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa zwanzig Jahren. In der Regel kamen die Jungen einzeln zur Welt, obwohl es auch gelegentlich Zwillinge gab. Die Angehörigen dieser neuen Art besaßen im Verhältnis zu ihrer Körpergröße ein größeres Gehirn als alle Tiere, die bisher auf der Erde gelebt hatten. Sie kannten viele der Empfindungen, die später die primitiven Menschen kennzeichneten und teilten mit ihnen zahlreiche Instinkte. Sie waren überaus neugierig und gerieten in große freudige Erregung, wenn sie bei irgendeiner Unternehmung erfolgreich waren. Hunger nach Nahrung und sexuelles Verlangen waren gut entwickelt, und eine eindeutige sexuelle Selektion äußerte sich in einer rohen Form des Werbens und der Partnerwahl. Sie kämpften erbittert, wenn es die Ihrigen zu verteidigen galt, sie waren zärtlich im Familienverband und besaßen eine Neigung zu Selbstdemütigung, die an Scham und Reue grenzte. Sie waren liebevolle Gatten und hielten sich auf rührende Art die Treue, aber wenn die Umstände sie trennten, suchten sie sich einen neuen Partner. Da sie klein von Wuchs waren und einen scharfen Verstand besaßen, der die Gefahren ihrer Waldheimat sehr wohl erkannte, entwickelten sie eine außerordentliche Furchtsamkeit, die zu jenen weisen, so sehr zu ihrem Überleben beitragenden Vorsichtsmaßnahmen wie den roh gebauten Zufluchtsorten in hohen Baumkronen führte, die viele der am Boden lauernden Gefahren ausschalteten. Die Veranlagung der Menschheit zu Furchtsamkeit beginnt bei genauerer Betrachtung in diesen Tagen. Diese vormenschlichen Säuger entwickelten mehr Stammesgeist, als je zuvor beobachtet worden war. Wohl zeigten sie ein stark herdenmäßiges Verhalten, waren aber trotzdem außerordentlich kämpferisch, wenn der normale Lauf ihres gewohnten Lebens irgendwie gestört wurde, und sie zeigten ein hitziges Temperament, wenn sie so richtig in Zorn entbrannten. Ihre kriegerische Natur diente indessen einem guten Zweck; denn überlegene Gruppen zögerten nicht, ihre niedrigeren Nachbarn zu bekriegen, und so verbesserte sich die Art durch selektives Überleben. Sehr bald beherrschten sie das Leben der kleineren Geschöpfe dieser Gegend, und nur sehr wenige der älteren, nicht Fleisch fressenden Affenstämme überlebten. Diese dynamischen kleinen Tiere vermehrten sich und breiteten sich mehr als tausend Jahre lang über die mesopotamische Halbinsel aus, während sich ihr physischer Typ und ihre allgemeine Intelligenz ständig verbesserten. Und genau siebzig Generationen, nachdem dieser neue Stamm dem höchsten Typ der Lemurenahnen entsprungen war, erfolgte der nächste epochale Entwicklungsschritt - die plötzliche Differenzierung der Ahnen der nächsten vitalen Evolutionsstufe menschlicher Wesen auf Urantia. ***** 62.3 Die zwischengeschalteten Säuger ***** Es war in der Frühzeit der vormenschlichen Säuger, als einem höher stehenden Paar dieser behenden Geschöpfe in seiner Baumwipfelbehausung Zwillinge geboren wurden, ein männlicher und ein weiblicher. Verglichen mit ihren Vorfahren waren es wirklich hübsche kleine Geschöpfe. Ihre Körper waren nur wenig behaart, aber das bedeutete für sie keinen Nachteil, da sie in einem warmen und gleichmäßigen Klima lebten. Diese Kinder wuchsen zu einer Größe von über einem Meter zwanzig heran. Sie waren in jeder Hinsicht größer als ihre Eltern und besaßen längere Beine und kürzere Arme. Sie hatten fast perfekt opponierbare Daumen, die für die verschiedensten Arbeiten ebenso gut taugten wie der heutige menschliche Daumen. Sie gingen aufrecht, und ihre Füße eigneten sich zum Gehen fast ebenso gut wie diejenigen der späteren menschlichen Rassen. Ihre Hirne waren denen menschlicher Wesen unterlegen und kleiner, hingegen denen ihrer Vorfahren hoch überlegen und vergleichsweise viel größer. Früh zeigten die Zwillinge höhere Intelligenz, und bald wurden sie als Oberhäupter des gesamten Stammes vormenschlicher Säuger anerkannt, wobei sie tatsächlich eine primitive Form sozialer Organisation und eine grobe wirtschaftliche Arbeitsteilung schufen. Der Bruder paarte sich mit seiner Schwester, und bald erfreuten sie sich einer Schar von einundzwanzig ihnen ebenbürtigen Kindern, die alle über einen Meter zwanzig groß wurden und der Gattung ihrer Ahnen in jeder Hinsicht überlegen waren. Diese neue Gruppe bildete den Kern der zwischengeschalteten Säuger. Als die neue und überlegene Gruppe an Zahl stark zunahm, brach Krieg, unbarmherziger Krieg aus; und nachdem die schreckliche Auseinandersetzung vorüber war, blieb auch nicht ein einziges Mitglied der vorangehenden Ahnenrasse vormenschlicher Säuger am Leben. Die zahlenmäßig unterlegenen, aber mächtigeren und intelligenteren Sprosse der Gattung hatten auf Kosten ihrer Vorfahren überlebt. Und nun wurde dieses Geschöpf fünfzehntausend Jahre lang (über sechshundert Generatio-nen) zum Schrecken dieser Erdengegend. Alle mächtigen und bösartigen Tiere früherer Zeiten waren untergegangen. Die großen, diesen Gebieten entstammenden Tiere waren keine Fleischfresser, und die größeren Arten der Katzenfamilie, Löwen und Tiger, waren noch nicht in diese besonders geschützte Nische der Erdoberfläche eingedrungen. Deshalb wurden die zwischengeschalteten Säugetiere immer mutiger und unterwarfen sich ihren Schöpfungswinkel gänzlich. Verglichen mit der Gattung ihrer Vorfahren bedeuteten die Zwischensäuger in jeder Hinsicht eine Verbesserung. Sogar ihre potentielle Lebensdauer war länger, da sie bei fünfundzwanzig Jahren lag. Eine ganze Reihe rudimentärer menschlicher Züge erschien in dieser neuen Art. Zu den bei ihren Ahnen beobachteten angeborenen Neigungen gesellte sich die Fähigkeit, in abstoßenden Situationen Ekel zu zeigen. Des Weiteren besaßen sie einen ganz klaren Hortungsinstinkt; sie versteckten Nahrung für späteren Gebrauch und sammelten mit großem Eifer glatte, runde Kieselsteine und bestimmte Arten von runden Steinen, die sich als Munition für Verteidigung und Angriff eigneten. Diese Zwischensäuger waren die ersten, die einen eindeutigen Hang zum Bauen zeigten, der in ihrem Rivalisieren beim Bau von Behausungen in Baumwipfeln und von tunnelreichen unterirdischen Schlupfwinkeln zum Ausdruck kam; sie waren die allererste Säugerart, die für ihre Sicherheit sowohl in Baumkronen als auch unter der Erde Zufluchtsorte schuf. Sie nahmen von den Bäumen als Wohnplätzen weitgehend Abschied, indem sie tagsüber am Boden lebten und nur nachts in den Baumkronen schliefen. Mit der Zeit führte die natürliche Vermehrung zu ernsthafter Konkurrenz bei der Nahrungsbeschaffung und zu sexueller Rivalität. All das gipfelte in einer Reihe brudermörderischer Kämpfe, die die ganze Art beinahe auslöschten. Die Kämpfe gingen weiter, bis nur noch eine Gruppe von weniger als hundert Mitgliedern übrig war. Aber der Friede gewann einmal mehr die Oberhand, und dieser einzig überlebende Stamm machte sich erneut an den Bau seiner Schlafstellen in den Baumwipfeln und ging wieder zu einem normalen, halb friedlichen Dasein über. Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie nahe eure vormenschlichen Ahnen von Zeit zu Zeit an ihrer Auslöschung vorbeigegangen sind. Wäre der Ahnenfrosch der ganzen Menschheit bei einer bestimmten Gelegenheit fünf Zentimeter weniger weit gesprungen, hätte die ganze Evolution einen wesentlich anderen Verlauf genommen. Die unmittelbare lemurenartige Mutter der vormenschlichen Säugerart ging nicht weniger als fünfmal um Haaresbreite am Tod vorbei, bevor sie den Vater der neuen und höheren Säugerordnung gebar. Aber knapper als alle anderen entrann die zukünftige Mutter der Primatenzwillinge dem Tod, als der Blitz in den Baum einschlug, auf dem sie schlief. Beide Zwischensäugereltern erlitten einen ernsten Schock und schlimme Verbrennungen; drei ihrer sieben Kinder wurden durch diesen Schlag aus dem Himmel getötet. Diese in Entwicklung begriffenen Tiere waren so etwas wie abergläubisch. Bei dem Paar, dessen Baumkrone vom Blitz getroffen worden war, handelte es sich in Wahrheit um die Führer der fortschrittlicheren Gruppe der zwischengeschalteten Säugerart; und ihrem Beispiel folgend zog mehr als die Hälfte des Stammes, die die intelligenteren Familien umfasste, etwa drei Kilometer von diesem Ort weg und begann mit dem Bau neuer Baumbehausungen und neuer Unterkünfte unter der Erde - vorübergehender Zufluchtsorte in Zeiten plötzlicher Gefahr. Bald nach Fertigstellung ihres Heims wurden die beiden, die so viele Kämpfe durchgestanden hatten, stolze Eltern von Zwillingen, den interessantesten und wichtigsten Tieren, die bis dahin auf der Erde geboren worden waren, denn es handelte sich um die ersten Vertreter der neuen Art der Primaten, die den nächsten entscheidenden Schritt in der vormenschlichen Evolution darstellen. Gleichzeitig mit der Geburt dieser Primatenzwillinge brachte auch ein anderes Paar - ein besonders zurückgebliebenes Männchen und ein ebensolches Weibchen vom Stamm der Zwischensäuger, beide mental und physisch tiefstehend - Zwillinge zur Welt. Diese Zwillinge, der eine männlichen, der andere weiblichen Geschlechts, waren in keiner Weise eroberungslustig; sie kümmerten sich nur um Nahrung, und da sie kein Fleisch essen wollten, verloren sie bald alles Interesse an Beutezügen. Diese rückständigen Zwillinge wurden zu den Begründern der heutigen Affenstämme. Ihre Abkömmlinge suchten die wärmeren südlichen Regionen mit ihrem milden Klima und Überfluss an tropischen Früchten auf, wo sie bis heute ganz wie dazumal fortgelebt haben mit Ausnahme jener Zweige, die sich mit früheren Gibbon- und Affentypen gepaart haben und dementsprechend stark abgestiegen sind. Und daraus kann man leicht ersehen, dass das einzige Band zwischen Affen und Menschen in der Abstammung beider von den zwischengeschalteten Säugern besteht, einem Stamm, in dem gleichzeitig die Geburt und spätere Auseinanderentwicklung von zwei Zwillingspaaren stattfand: Das tiefer stehende Paar war bestimmt, die heutigen Affen-, Pavian-, Schimpansen- und Gorillatypen zu liefern; das höher stehende Paar war bestimmt, die aufsteigende Linie fortzusetzen, welche sich zum Menschen selber hinentwickelte. Die Menschen und die Affenarten von heute stammen tatsächlich von demselben Stamm und derselben Art, aber nicht von denselben Eltern ab. Die Vorfahren des Menschen leiten sich von den höher stehenden Linien dieses durch Selektion reduzierten Stamms zwischengeschalteter Säuger ab, wohingegen die heutigen Affenarten (mit Ausnahme bestimmter schon früher existierender Lemuren-, Gibbon- und Affentypen und anderer affenähnlicher Geschöpfe) die Abkömmlinge des tiefststehenden Paars der Zwischensäugergruppe sind, eines Paars, das nur deshalb überlebte, weil es sich während der letzten erbitterten Schlacht, den sich sein Stamm lieferte, über zwei Wochen lang in einer unterirdischen Vorratskammer versteckt hielt und sich erst wieder hinauswagte, als die Feindseligkeiten ganz vorüber waren. ***** 62.4 Die Primaten ***** Kehren wir zu den beiden überlegenen Zwillingen zurück, einem männlichen und einem weiblichen, die den beiden führenden Mitgliedern des Stammes zwischengeschalteter Säuger geboren wurden: Diese tierischen Säuglinge waren ungewöhnlicher Art; ihre Körper waren noch weniger behaart als diejenigen ihrer Eltern, und, noch ganz jung, bestanden sie darauf, aufrecht zu gehen. Ihre Voreltern hatten immer gelernt, auf ihren Hinterbeinen zu gehen, aber diese Primatenzwillinge hielten sich von Anfang an aufrecht. Sie wurden über einen Meter fünfzig groß und ihre Köpfe waren verglichen mit anderen Stammesangehörigen voluminöser. Sie lernten schon früh, sich mit Hilfe von Zeichen und Lauten zu verständigen, aber es gelang ihnen nie, ihren Angehörigen diese Symbole begreiflich zu machen. Als sie etwa vierzehn Jahre alt waren, flohen sie von ihrem Stamm weg und wandten sich nach Westen, um ihre Familie großzuziehen und die neue Gattung der Primaten zu begründen. Und man nennt diese neuen Geschöpfe sehr zutreffend Primaten, weil sie die direkten und unmittelbaren tierischen Vorläufer der menschlichen Familie selbst waren. So kam es, dass die Primaten von einer Gegend an der Westküste der mesopotamischen Halbinsel Besitz ergriffen, welche damals in das südliche Meer hineinragte, während die weniger intelligenten und mit ihnen eng verwandten Stämme an der Spitze der Halbinsel und entlang ihrer Ostküste lebten. Die Primaten waren mehr menschlich und weniger tierisch als ihre Vorgänger, die Zwischensäuger. Die Skelettproportionen dieser neuen Art kamen denen der primitiven Menschenrassen sehr nahe. Der menschliche Hand- und Fußtyp hatte sich voll ausgebildet, und diese Geschöpfe konnten ebenso gut gehen und sogar rennen wie ihre späteren menschlichen Nachkommen. Sie gaben das Leben in den Bäumen weitgehend auf, obwohl sie nachts zur Sicherheit weiterhin die Baumkronen benutzten, denn gleich ihren früheren Ahnen waren sie großer Furcht unterworfen. Der vermehrte Gebrauch ihrer Hände trug viel zu der Entwicklung ihrer angeborenen Hirnkapazität bei, aber sie besaßen noch keinen Verstand, den man wirklich menschlich nennen könnte. Obwohl sich die Primaten in ihrer emotionalen Natur kaum von ihren Vorfahren unterschieden, verrieten sie in all ihren Neigungen mehr menschliche Züge. Es waren wirklich prachtvolle höhere Tiere, die mit etwa zehn Jahren zur Reife gelangten und eine natürliche Lebenserwartung von etwa vierzig Jahren hatten. Das heißt, dass sie so lange hätten leben können, wären sie eines natürlichen Todes gestorben; aber in jenen frühen Tagen starben nur wenige Tiere eines natürlichen Todes; der Existenzkampf war insgesamt viel zu erbittert. Und jetzt, nach einer fast neunhundert Generationen dauernden Entwicklung, die sich vom Ursprung der vormenschlichen Säuger an über etwa einundzwanzigtausend Jahre erstreckte, gebaren die Primaten plötzlich zwei bemerkenswerte Geschöpfe, die ersten richtigen menschlichen Wesen. Also brachten die dem nordamerikanischen Lemurentyp entstammenden vormenschlichen Säuger die zwischengeschalteten Säuger hervor, und diese Zwischensäuger erzeugten ihrerseits die höher stehenden Primaten, die zu den unmittelbaren Ahnen der primitiven menschlichen Rasse wurden. Die Primaten waren das letzte Lebensglied in der Evolution des Menschen, aber nach weniger als fünftausend Jahren blieb von diesen außerordentlichen Stämmen auch nicht ein einziges Wesen übrig. ***** 62.5 Die ersten menschlichen Wesen ***** Zwischen dem Jahr 1934 n. Chr. und der Geburt der zwei ersten menschlichen Wesen liegen genau 993 419 Jahre. Diese beiden bemerkenswerten Geschöpfe waren richtige Menschenwesen. Sie besaßen vollkommene menschliche Daumen wie auch viele ihrer Vorfahren, hingegen waren ihre Füße ebenso vollkommen wie diejenigen der heutigen Menschenrassen. Sie gingen und rannten, waren aber keine Kletterer; die Greiffunktion der großen Zehe fehlte, fehlte völlig. Wenn Gefahr sie in die Baumwipfel hinauftrieb, kletterten sie genau in der Art heutiger Menschen hinauf. Sie erkletterten einen Baumstamm wie ein Bär und nicht wie ein Schimpanse oder ein Gorilla, die sich an den Ästen hinaufschwingen. Diese ersten Menschenwesen (und ihre Nachkommen) erreichten die volle Reife mit zwölf Jahren, und ihre Lebenserwartung betrug rund fünfundsiebzig Jahre. Schon früh erschienen in diesen menschlichen Zwillingen viele neue Gefühle. Es regte sich in ihnen Bewunderung sowohl für Gegenstände wie für andere Wesen, und sie legten beträchtliche Eitelkeit an den Tag. Aber der bemerkenswerteste Fortschritt in der gefühlsmäßigen Entwicklung war das plötzliche Auftreten einer neuen Gruppe wahrhaft menschlicher Gefühle, derjenigen der Anbetung, die heilige Scheu, Ehrfurcht, Demut und sogar eine primitive Form von Dankbarkeit umfassten. Furcht, verbunden mit Unkenntnis der natürlichen Phänomene, gebiert sehr bald eine primitive Religion. Nicht nur solche menschlichen Gefühle äußerten sich in diesen primitiven Menschenkindern, sondern viele hoch entwickelte Gefühle waren in ihnen ebenfalls in rudimentärer Form vorhanden. Sie empfanden halbwegs Erbarmen, Scham und Schande, sie waren sich heftiger Liebes-, Hass- und Rachegefühle bewusst und waren auch ausgesprochen neidischer Regungen fähig. Diese ersten beiden Menschen - die Zwillinge - waren für ihre Primateneltern eine große Prüfung. Sie waren derart neugierig und abenteuerlustig, dass sie, noch bevor sie acht Jahre alt waren, bei zahlreichen Gelegenheiten beinah ihr Leben verloren hätten. So wundert es nicht, dass sie schon mit zwölf Jahren von Narben bedeckt waren. Sehr früh lernten sie, mit Worten zu kommunizieren; bis zum Alter von zehn Jahren hatten sie eine verbesserte Zeichen- und Wortsprache von fast fünfzig Begriffen ausgearbeitet und die grobe Kommunikationstechnik ihrer Vorfahren bedeutend verbessert und erweitert. Aber wie sehr sie sich auch darum bemühten, es gelang ihnen nicht, ihren Eltern mehr als nur ein paar wenige ihrer neuen Zeichen und Symbole beizubringen. Als sie etwa neun Jahre alt waren, wanderten sie an einem strahlenden Tag am Fluss entlang und besprachen sich in denkwürdiger Weise. Alle auf Urantia stationierten himmlischen Intelligenzen, ich inbegriffen, waren anwesend, um zu beobachten, was an diesem mittäglichen Treffen geschehen würde. An diesem bedeutsamen Tag kamen sie überein, miteinander und füreinander zu leben, und das war die erste einer Serie solcher Abmachungen, die schließlich in dem Entschluss gipfelten, von ihren niedrigeren tierischen Gefährten fortzufliehen und nordwärts zu ziehen, wobei sie kaum ahnten, dass sie im Begriff waren, die menschliche Rasse zu begründen. Während uns alle im höchsten Maß beschäftigte, was diese zwei kleinen Wilden im Schilde führten, waren wir doch machtlos, das Funktionieren ihres Verstandes zu kontrollieren; wir beeinflussten ihre Entscheidungen nicht willkürlich - wir konnten es nicht. Aber innerhalb der erlaubten Grenzen planetarischer Funktion wirkten wir Lebensbringer zusammen mit unseren Mitarbeitern darauf hin, die menschlichen Zwillinge nach Norden und von ihren haarigen und teilweise baumbewohnenden Angehörigen wegzuführen. Und so wanderten die Zwillinge aufgrund ihrer eigenen intelligenten Wahl tatsächlich aus, und wegen unserer Lenkung wanderten sie nach Norden in eine abgelegene Gegend, wo sie der Möglichkeit eines biologischen Abstiegs durch Mischung mit ihren niedrigeren Verwandten der Primatenstämme entgingen. Kurz bevor sie ihre heimatlichen Wälder verließen, verloren sie bei einem durch Gibbons verübten Überfall ihre Mutter. Diese besaß zwar nicht die Intelligenz ihrer Sprösslinge, aber sie empfand für sie eine lobenswerte Säugerzuneigung hoher Art, und furchtlos gab sie ihr Leben hin, als sie versuchte, das wunderbare Paar zu retten. Und ihr Opfer war nicht umsonst, denn sie hielt den Feind so lange in Schach, bis der Vater mit Verstärkung anrückte und die Angreifer in die Flucht schlug. Bald nachdem die beiden Geschwister ihre Angehörigen verlassen hatten, um die menschliche Rasse zu begründen, wurde ihr Primatenvater untröstlich - sein Herz zerbrach. Er weigerte sich zu essen, auch wenn seine übrigen Kinder ihm Nahrung brachten. Nachdem seine hochbegabten Kinder verschwunden waren, schien ihm das Leben unter seinen gewöhnlichen Gefährten nicht mehr lebenswert; und so irrte er in den Wald hinaus, wo ihm feindliche Gibbons nachstellten und ihn totschlugen. ***** 62.6 Evolution des menschlichen Verstandes ***** Wir Lebensbringer Urantias waren seit dem Tag, da wir in den planetarischen Wassern das erste Lebensplasma ansiedelten, durch die lange Nachtwache aufmerksamen Abwartens gegangen, und natürlich erfüllte uns das Erscheinen des ersten wirklich intelligenten und mit Willen begabten Wesens mit großer Freude und höchster Genugtuung. Wir hatten die mentale Entwicklung der Zwillinge durch unsere Beobachtung der Funktionsweise der sieben mentalen Hilfsgeiste verfolgt, die Urantia zum Zeitpunkt unserer Ankunft auf dem Planeten zugewiesen worden waren. Während der langen evolutionären Entwicklung des planetarischen Lebens hatten diese unermüdlichen mentalen Diener ihre ständig wachsende Fähigkeit festgestellt, mit den nach und nach zunehmenden Hirnkapazitäten der immer höher stehenden tierischen Geschöpfe in Kontakt zu treten. Zuallererst konnte bei der instinktiven und reflexmäßigen Verhaltensweise des uranfänglichen Tierlebens nur der Geist der Intuit ion funktionieren. Mit der Ausdifferenzierung höherer Typen wurde auch der Geist des Begreifens fähig, solche Geschöpfe mit der Gabe spontaner Ideenassoziationen auszustatten. Noch später beobachteten wir das Wirken des Geistes des Mutes; die sich entfaltenden Tiere entwickelten eine rohe Form schützenden Selbstbewusstseins. Nach dem Auftreten der Säugergruppen stellten wir fest, dass sich der Geist des Wissens in wachsendem Maße bemerkbar machte. Und die Evolution der höheren Säugetiere brachte die Funktion des Geistes des Rates, der einen zunehmenden Herdeninstinkt und die Anfänge primitiver gesellschaftlicher Entwicklung bewirkte. Von den vormenschlichen Säugern über die zwischengeschalteten Säuger bis hin zu den Primaten hatten wir eine ständige Zunahme des Wirkens der ersten fünf Hilfsgeiste beobachtet. Aber nie waren die restlichen zwei, die höchsten mentalen Spender, fähig gewesen, im evolutionären Verstandestyp Urantias zu funktionieren. Stellt euch unsere Freude vor, als der Geist der Anbetung eines Tages - die Zwillinge waren damals etwa zehn Jahre alt - den ersten Kontakt mit dem Verstand des weiblichen Zwillings und kurz darauf mit demjenigen des männlichen herstellte! Wir wussten, dass etwas dem menschlichen Verstand sehr Nahekommendes seinem Höhepunkt zustrebte; und als sie etwa ein Jahr später nach reiflicher Überlegung und zielbewusst beschlossen, von zu Hause wegzufliehen und nach Norden zu wandern, begann der Geist der Weisheit auf Urantia und im nun anerkannten Verstand der beiden zu funktionieren. Es gab eine sofortige und neuartige Mobilisierung der sieben mentalen Hilfsgeiste. Wir befanden uns in gespannter Erwartung; wir realisierten, dass die langersehnte Stunde herannahte; wir wussten, dass wir an der Schwelle der Verwirklichung unserer langwierigen Anstrengung standen, auf Urantia durch Evolution Willensgeschöpfe hervorzubringen. ***** 62.7 Anerkennung Urantias als bewohnte Welt ***** Wir mussten nicht lange warten. Am Mittag des auf das Ausreißen der Zwillinge folgenden Tages leuchtete an der planetarischen Empfangsstelle Urantias der erste Testblitz der Signale der Universumskreisläufe auf. Wir waren natürlich alle erregt im Bewusstsein, dass ein großes Ereignis unmittelbar bevorstand; da diese Welt jedoch eine Station zum Experimentieren mit dem Leben war, hatten wir nicht die leiseste Ahnung, wie wir von der Anerkennung intelligenten Lebens auf dem Planeten erfahren würden. Aber wir blieben nicht lange im Ungewissen. Am dritten Tag nach dem Weglaufen der Zwillinge, und bevor das Korps der Lebensbringer abreiste, traf der mit der Herstellung des anfänglichen planetarischen Kreislaufs beauftragte nebadonsche Erzengel ein. Es war ein denkwürdiger Tag auf Urantia, als sich unsere kleine Gruppe am planetarischen Pol für Raumkommunikation versammelte und wir über den neu errichteten mentalen Kreislauf des Planeten die erste Botschaft aus Salvington empfingen. Und diese erste vom Oberhaupt des Erzengelkorps diktierte Botschaft lautete: "An die Lebensbringer Urantias - Seid gegrüßt! Wir übermitteln euch die Versicherung, dass auf Salvington, Edentia und Jerusem große Freude herrscht über die am Hauptsitz Nebadons registrierte Fernmeldung, dass auf Urantia mit der Würde des Willens versehener Verstand existiert. Der zielbewusste Entschluss der Zwillinge, nach Norden zu fliehen und ihre Nachkommen von ihren niedrigeren Vorfahren fernzuhalten, ist vermerkt worden. Dies ist die erste Entscheidung des Verstandes - der menschlichen Verstandesart - auf Urantia, und sie stellt automatisch den Kommunikationskreislauf her, über den diese Eröffnungsbotschaft der Anerkennung läuft." Als Nächstes trafen über diesen neuen Kreis die Grüße der Allerhöchsten Edentias ein. Sie enthielten Weisungen an die ortsansässigen Lebensbringer, die uns verboten, am Lebensmodell, das wir eingeführt hatten, Eingriffe vorzunehmen. Wir wurden angehalten, uns nicht in die Angelegenheiten des menschlichen Fortschritts einzumischen. Man sollte daraus nicht schließen, dass die Lebensbringer jemals willkürlich und mechanisch in die natürliche Entfaltung der planetarischen Evolutionspläne eingriffen, da wir so etwas nie tun. Aber bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Erlaubnis gehabt, die Umwelt zu manipulieren und das Lebensplasma auf besondere Weise zu schützen, und es war diese außergewöhnliche, aber gänzlich natürliche Kontrolle, die aufhören sollte. Und kaum hatten die Allerhöchsten zu sprechen aufgehört, als die schöne Botschaft Luzifers, des damaligen Souveräns des Systems von Satania, den Planeten erreichte. Jetzt hörten die Lebensbringer die Willkommensworte ihres eigenen Vorgesetzten und erhielten seine Erlaubnis, nach Jerusem zurückzukehren. Die Botschaft Luzifers enthielt die offizielle Anerkennung des Lebensbringerwerks auf Urantia und schloss jede zukünftige Kritik an irgendwelcher unserer Bemühungen um Verbesserung der im System von Satania geltenden Form der Lebensmodelle Nebadons aus. Diese Botschaften aus Salvington, Edentia und Jerusem setzten der lang dauernden Aufsicht der Lebensbringer über den Planeten ein offizielles Ende. Zeitalter um Zeitalter hatten wir unsere Pflicht getan, wobei uns nur die sieben mentalen Hilfsgeiste und die Physischen Hauptüberwacher zur Seite standen. Und nun, da der Wille, d.h. das Vermögen, Anbetung und Aufstieg zu wählen, in den evolutionären Geschöpfen des Planeten erschienen war, erkannten wir, dass unsere Arbeit zu Ende war, und unsere Gruppe machte sich zur Abreise bereit. Da Urantia eine Welt modifizierten Lebens ist, wurde uns bewilligt, zwei Senior-Lebensbringer mit zwölf Assistenten zurückzulassen, und ich wurde als Mitglied dieser Gruppe gewählt und bin seither immer auf Urantia geblieben. Es sind (im Jahr 1934 n. Chr.) genau 993 408 Jahre verflossen, seit Urantia offiziell als ein von Menschen bewohnter Planet im Universum von Nebadon anerkannt worden ist. Einmal mehr hatte es die biologische Evolution bis zu den menschlichen Ebenen der Würde des Willens gebracht; der Mensch war auf dem Planeten 606 von Satania erschienen. [Dargeboten von einem auf Urantia wohnenden Lebensbringer.] ****** Kapitel 63 Die Erste Menschliche Familie ****** URANTIA wurde als bewohnte Welt registriert, als die ersten zwei menschlichen Wesen - die Zwillinge - elf Jahre alt waren und bevor sie zu Eltern der Erstgeborenen der zweiten Generation wirklicher menschlicher Wesen wurden. Und die Erzengel-Botschaft Salvingtons anlässlich der offiziellen planetarischen Anerkennung schloss mit diesen Worten: "Der menschliche Verstand ist auf der Welt 606 von Satania erschienen, und diese Eltern der neuen Rasse sollen Andon und Fonta heißen. Und alle Erzengel beten dafür, dass diese Geschöpfe sehr bald mit der Gabe des ihnen persönlich innewohnenden Geistes des Universalen Vaters ausgerüstet werden." Andon ist ein nebadonscher Name und bedeutet: "Das erste dem Vater gleichende Geschöpf, das Hunger nach menschlicher Vollkommenheit zeigt." Fonta bedeutet: "Das erste dem Sohn gleichende Geschöpf, das Hunger nach menschlicher Vollkommenheit zeigt." Andon und Fonta wussten von diesen Namen nichts, bis sie ihnen zum Zeitpunkt der Fusion mit ihren Gedankenjustierern geschenkt wurden. Während ihres irdischen Aufenthalts auf Urantia nannten sie einander Sonta-an und Sonta-en, wobei Sonta-an "von der Mutter geliebt" und Sonta-en "vom Vater geliebt" bedeutet. Sie selber gaben sich diese Namen, deren Bedeutungen für ihre gegenseitige Hochachtung und Zuneigung bezeichnend sind. ***** 63.1 Andon und Fonta ***** In vieler Hinsicht waren Andon und Fonta das bemerkenswerteste Paar menschlicher Wesen, das je auf Erden gelebt hat. Dieses wunderbare Paar, die tatsächlichen Eltern der ganzen Menschheit, war vielen seiner unmittelbaren Nachkommen in jeder Beziehung überlegen, und es war grundverschieden von all seinen unmittelbaren und fernen Vorfahren. Die Eltern dieses ersten Menschenpaares unterschieden sich anscheinend kaum vom Durchschnitt ihres Stammes, obwohl sie zu dessen intelligenteren Mitgliedern zählten, zu einer Gruppe, die als erste lernte, Steine zu werfen und beim Kämpfen Keulen zu verwenden. Sie machten auch von scharfen Stein-, Feuerstein- und Knochensplittern Gebrauch. Als er noch bei seinen Eltern lebte, hatte Andon am Ende einer Keule einen scharfen Feuerstein befestigt, zu welchem Zweck er Tiersehnen benutzte, und sich dieser Waffe in nicht weniger als zwölf Fällen mit Erfolg bedient, dabei sein eigenes Leben und dasjenige seiner nicht minder abenteuerlustigen und neugierigen Schwester rettend, die ihn ausnahmslos auf all seinen Erkundungszügen begleitete. Der Entschluss Andons und Fontas, von ihrem Primatenstamm wegzufliehen, setzt eine Verstandesqualität voraus, die weit über der gemeineren Intelligenz vieler ihrer späteren Abkömmlinge lag, die sich so weit erniedrigten, sich mit ihren zurückgebliebenen Vettern von den Affenstämmen zu paaren. Aber ihr undeutliches Gefühl, mehr als nur Tiere zu sein, war dem Besitz einer Persönlichkeit zuzuschreiben und wurde durch die innere Gegenwart der Gedankenjustierer noch verstärkt. ***** 63.2 Die Flucht der Zwillinge ***** Nachdem Andon und Fonta den Entschluss gefasst hatten, nach Norden zu fliehen, wurden sie eine Zeitlang von Furcht überwältigt, insbesondere von der Furcht, das Missfallen ihres Vaters und ihrer nächsten Familienangehörigen zu erregen. Sie sahen voraus, dass feindliche Verwandte sie verfolgen würden, und rechneten mit der Möglichkeit, durch ihre ohnehin schon neidischen Stammesangehörigen umgebracht zu werden. Schon als Kinder hatten die Zwillinge die meiste Zeit miteinander verbracht und waren aus diesem Grunde bei ihren tierischen Vettern vom Primatenstamm nie besonders beliebt gewesen. Und durch den Bau einer getrennten und weit besseren Baumbehausung hatten sie ihre Stellung im Stamm nicht gerade verbessert. Eines Nachts, als sie in diesem neuen Heim über den Baumwipfeln schliefen, wurden sie von einem heftigen Sturm aufgeweckt, und vor Furcht zitternd hielten sie sich zärtlich umschlungen und entschlossen sich endgültig und unwiderruflich zur Flucht, weg von der Stammesbehausung und den heimatlichen Baumkronen. Etwa eine halbe Tagereise weit nach Norden hatten sie in einer Baumkrone bereits eine behelfsmäßige Zuflucht eingerichtet. Diese sollte ihr geheimes und sicheres Versteck am ersten, fern von ihren heimatlichen Wäldern verbrachten Tag sein. Trotz ihrer mit allen Primaten geteilten Sterbensangst davor, sich nachts am Boden aufzuhalten, traten die Zwillinge kurz nach Einbruch der Dunkelheit ihre Wanderung nach Norden an. Obwohl es ihnen außergewöhnlichen Mut abverlangte, diese nächtliche Reise - selbst bei Vollmond - zu unternehmen, zogen sie den richtigen Schluss, sie würden so mit geringerer Wahrscheinlichkeit von ihren Stammesangehörigen und Verwandten vermisst und verfolgt werden. Und sie langten kurz nach Mitternacht bei ihrem zuvor erstellten Treffpunkt wohlbehalten an. Auf ihrer Wanderung nach Norden entdeckten sie ein offen daliegendes Feuersteinlager. Darin fanden sie viele Steine, deren Form sich für verschiedene Zwecke eignete, und sie legten davon einen Vorrat für die Zukunft an. Beim Versuch, die Feuersteine abzuwetzen, um sie für bestimmte Aufgaben geeigneter zu machen, entdeckte Andon ihre Eigenschaft, Funken zu erzeugen, und der Gedanke kam ihm, Feuer zu entfachen. Aber zu diesem Zeitpunkt setzte sich die Idee in ihm noch nicht fest, weil das Klima immer noch angenehm war und sie Feuer kaum benötigten. Aber die Herbstsonne stand immer tiefer am Himmel, und je weiter sie nach Norden wanderten, umso kühler wurden die Nächte. Schon waren sie gezwungen gewesen, Tierfelle zu benutzen, um sich warm zu halten. Sie waren noch nicht einen Monat von zu Hause weg, als Andon seiner Gefährtin zu verstehen gab, er glaube, mit dem Feuerstein Feuer machen zu können. Zwei Monate lang versuchten sie nun, den Feuersteinfunken zur Entfachung eines Feuers zu benutzen, steckten aber nur Misserfolge ein. Tag für Tag schlugen die beiden die Feuersteine gegeneinander und bemühten sich, das Holz zu entzünden. Endlich, eines Abends zur Zeit des Sonnenuntergangs, enthüllte sich ihnen das Geheimnis der Technik, als Fonta auf den Gedanken kam, einen nahen Baum zu erklettern, um sich ein verlassenes Vogelnest zu verschaffen. Das Nest war trocken und leicht entzündbar und flammte lichterloh auf, als ein Funke darauf fiel. Ihr Erfolg überraschte und erschreckte sie dermaßen, dass ihnen darob beinahe das Feuer ausgegangen wäre, aber sie konnten es durch Zugabe geeigneten Brennstoffs retten. Und dann begaben sich die Eltern der ganzen Menschheit zum ersten Mal auf die Suche nach Brennholz. Das war einer der freudigsten Augenblicke ihres kurzen, aber bewegten Lebens. Die ganze Nacht saßen sie an ihrem Feuer und schauten zu, wie es brannte, und dabei wurde ihnen unklar bewusst, dass sie eine Entdeckung gemacht hatten, die es ihnen ermöglichen würde, dem Klima zu trotzen und für immer von ihren tierischen Verwandten im Süden unabhängig zu bleiben. Nachdem sie sich drei Tage lang ausgeruht und an dem Feuer erfreut hatten, wanderten sie weiter. Die Primatenahnen Andons hatten oft Feuer unterhalten, das durch Blitze entzündet worden war, aber nie zuvor hatten irdische Geschöpfe eine Methode besessen, um nach Belieben Feuer zu entfachen. Aber es dauerte lange, bis die Zwillinge lernten, dass trockenes Moos und anderes Material sich ebenso leicht entzündeten wie ein Vogelnest. ***** 63.3 Andons Familie ***** Seit der Nacht ihres Weggangs von zuhause waren fast zwei Jahre verflossen, als den Zwillingen ihr erstes Kind geboren wurde. Sie nannten es Sontad; und Sontad war das erste auf Urantia geborene Geschöpf, das im Augenblick seiner Geburt mit schützenden Hüllen bedeckt wurde. Die menschliche Rasse hatte begonnen, und mit dieser neuen Entwicklung erschien auch der Instinkt, angemessen für die Säuglinge zu sorgen, deren zunehmende Zartheit charakteristisch war für die stetige Verstandesentwicklung intellektueller Prägung im Gegensatz zum rein tierischen Typ. Andon und Fonta hatten im Ganzen neunzehn Kinder, und sie durften sich noch einer Schar von fast fünfzig Enkeln und eines halben Dutzends von Urenkeln erfreuen. Die Familie hauste in vier nebeneinander liegenden Felsschlupfwinkeln oder -halbhöhlen, von denen drei miteinander durch Korridore verbunden waren. Diese waren mit Hilfe von Feuersteinwerkzeugen, die Andons Kinder erfunden hatten, aus dem weichen Kalk herausgehauen worden. Diese frühen Andoniten verrieten einen sehr ausgeprägten Sippengeist; sie jagten in Gruppen und trieben sich nie sehr weit von zuhause herum. Sie schienen zu realisieren, dass sie eine isolierte und einzigartige Gruppe von Lebewesen waren und es daher vermeiden mussten, voneinander getrennt zu werden. Dieses innige Zusammengehörigkeitsgefühl war zweifellos dem verstärkten mentalen Wirken der Hilfsgeiste zuzuschreiben. Andon und Fonta widmeten sich ohne Unterlass der Aufgabe, die Sippe zu ernähren und großzuziehen. Sie erreichten ein Alter von zweiundvierzig Jahren, als beide bei einem Erdbeben von einem überhängenden und herabstürzenden Felsbrocken erschlagen wurden. Fünf ihrer Kinder und elf Enkelkinder kamen mit ihnen um, und ungefähr zwanzig ihrer Abkömmlinge erlitten ernsthafte Verletzungen. Nach dem Tode seiner Eltern übernahm Sontad trotz eines ernsthaft verletzten Fußes sogleich die Führung der Sippe, wobei ihm seine Frau, die seine älteste Schwester war, geschickt zur Hand ging. Ihre erste Aufgabe bestand darin, Steine heranzurollen, um ihre toten Eltern, Brüder, Schwestern und Kinder richtig zu begraben. Man sollte dieser Begräbnishandlung keine allzu große Bedeutung beimessen. Ihre Ideen über das Fortleben nach dem Tode waren sehr verschwommen und undeutlich, stammten sie doch weitgehend aus ihrem fantastischen und vielgestaltigen Traumleben. Die Familie von Andon und Fonta hielt bis in die zwanzigste Generation zusammen, als Nahrungswettbewerb verbunden mit gesellschaftlichen Reibungen den Beginn der Zerstreuung herbeiführte. ***** 63.4 Die andonischen Sippen ***** Die primitiven Menschen - die andonischen Sippen - hatten schwarze Augen und dunkle Gesichtsfarbe, so etwas wie eine Mischung aus gelb und rot. Melanin ist eine Farbsubstanz, die man in der Haut aller menschlichen Wesen findet. Es handelt sich um das ursprüngliche andonische Hautpigment. In allgemeinem Aussehen und Hautfarbe glichen diese frühen Andoniten stärker den Eskimos als irgendeinem anderen Typ lebender menschlicher Wesen. Sie waren die ersten Geschöpfe, die zum Schutz vor Kälte Tierfelle verwendeten; ihre Körper waren kaum behaarter als die heutiger Menschen. Das Leben im Stammesverband der tierischen Ahnen dieser frühen Menschen hatte bereits den Beginn zahlreicher sozialer Konventionen vorausahnen lassen, und nun trat mit dem Stärkerwerden der Gefühle und der steigenden Intelligenz dieser Wesen eine augenblickliche Entwicklung der gesellschaftlichen Organisation und der Arbeitsteilung innerhalb der Sippe ein. Sie waren äußerst nachahmefreudig, aber der Spieltrieb war nur schwach entwickelt, und Sinn für Humor ging ihnen fast gänzlich ab. Der primitive Mensch lächelte gelegentlich, aber er brach nie in herzhaftes Lachen aus. Humor war das Vermächtnis der späteren adamischen Rasse. Diese frühen Menschenwesen waren weniger schmerzempfindlich und reagierten weniger heftig auf unangenehme Situationen als viele der sich später entwickelnden Sterblichen. Das Gebären war für Fonta und ihre unmittelbaren Nachfahrinnen keine schmerzhafte oder qualvolle Prüfung. Sie waren ein wunderbarer Stamm. Die Männer kämpften heroisch für die Sicherheit ihrer Gefährtinnen und Sprösslinge; die Frauen kümmerten sich rührend um ihre Kinder. Aber ihr Patriotismus galt einzig ihrer eigenen Sippe. Sie standen treu zu ihrer Familie; zur Verteidigung ihrer Kinder gaben sie ihr Leben ohne weiteres hin, aber sie waren des Gedankens unfähig, zu versuchen, aus der Welt einen besseren Ort für ihre Kindeskinder zu machen. Altruismus war im Menschenherzen noch nicht geboren, obwohl alle zur Geburt der Religion wesentlichen Gefühle in diesen Ureinwohnern Urantias bereits vorhanden waren. Diese frühen Menschen besaßen eine rührende Zuneigung zu ihren Kameraden und hatten mit Sicherheit eine wirkliche, wenn auch grobe Vorstellung von Freundschaft. In späteren Zeiten war es ein gewöhnlicher Anblick, während der ständig neu ausbrechenden Kämpfe gegen die niedrigeren Stämme einen dieser primitiven Menschen mit einer Hand tapfer kämpfen zu sehen, während er sich verbissen darum bemühte, einen verletzten Mitkämpfer zu schützen und zu retten. Eine Ahnung von den edelsten und höchst menschlichen Zügen der späteren evolutionären Entwicklung kam in diesen primitiven Völkern auf rührende Weise zum Ausdruck. Die ursprüngliche andonische Sippe behielt ihre Führungsrolle ohne Unterbrechung bis in die siebenundzwanzigste Generation, als Sontads direkte Nachkommen ohne männlichen Spross blieben und zwei Rivalen, die Anspruch auf die Führung der Sippe erhoben, miteinander um die Herrschaft kämpften. Bis zu dem Zeitpunkt der großen Zerstreuung der andonischen Sippen war aus ihren frühen Kommunikationsbemühungen eine gut entwickelte Sprache entstanden. Diese Sprache wuchs ständig, und fast täglich wurde ihr Neues hinzugefügt aufgrund der von diesen aktiven, ruhelosen und neugierigen Menschen erdachten neuen Erfindungen und Umweltanpassungen. Und diese Sprache wurde bis zum späteren Erscheinen der farbigen Rassen zum Wort Urantias, zur Sprache der frühen menschlichen Familie. Die Zeit verstrich, und die andonischen Sippen wurden immer zahlreicher, und das Nebeneinander der wachsenden Familien führte zu Reibungen und Missverständnissen. Schließlich beherrschten nur noch zwei Dinge die Gedanken ihrer Mitglieder: Jagen zur Nahrungsbeschaffung und Kämpfen, um sich für irgendeine wirkliche oder vermeintliche Ungerechtigkeit oder Beleidigung zu rächen, die ein Nachbarstamm ihnen zugefügt hatte. Familienfehden nahmen zu, Stammeskriege brachen aus, und ernste Verluste waren gerade unter den Besten der fähigeren und fortgeschritteneren Gruppen zu beklagen. Einige dieser Verluste waren irreparabel; einige der an Fähigkeit und Intelligenz reichsten Linien gingen der Welt für immer verloren. Die unaufhörlichen Sippenkämpfe drohten, diese frühe Rasse und ihre primitive Zivilisation auszulöschen. Es ist unmöglich, solch primitive Wesen dahin zu bringen, lange miteinander in Frieden zu leben. Der Mensch stammt von kämpferischen Tieren ab, und wenn unkultivierte Wesen eng zusammenleben, irritieren und beleidigen sie einander. Die Lebensbringer kennen diese Tendenzen der evolutionären Geschöpfe und sehen deshalb die schließliche Trennung der sich entwickelnden Menschenwesen in drei oder noch öfter sechs unterschiedliche, gesonderte Rassen vor. ***** 63.5 Versprengung der Andoniten ***** Die frühen andonischen Rassen drangen nicht weit ins Innere Asiens vor und betraten Afrika vorerst noch nicht. Die Geographie jener Zeiten lenkte sie nach Norden, und diese Völkerstämme zogen immer weiter nordwärts, bis das langsam vorrückende Eis des dritten Gletschers sie aufhielt. Bevor dieses ausgedehnte Eisfeld Frankreich und die britischen Inseln erreichte, waren die Nachkommen Andons und Fontas westwärts durch Europa gezogen und hatten entlang den großen Flüssen, die den damals warmen Wassern der Nordsee zuströmten, über tausend einzelne Niederlassungen angelegt. Diese andonischen Stämme waren die frühen Flussuferbewohner Frankreichs; während Zehntausenden von Jahren lebten sie entlang der Somme. Die Somme ist der einzige Fluss, dessen Lauf durch die Gletscher nicht verändert worden ist, und sie floss damals ungefähr auf demselben Weg ins Meer wie heute. Und das erklärt, weshalb man im Tal dieses Flusslaufs so viele Spuren von den andonischen Nachkommen findet. Diese Ureinwohner Urantias waren keine Baumbewohner, obwohl sie sich in Notsituationen immer noch in die Baumkronen hinaufflüchteten. Sie wohnten im Allgemeinen entlang den Flüssen im Schutze überhängender Felsen und in den Höhlen von Hügelflanken, die ihnen eine gute Sicht auf die Zugänge und Schutz vor den Elementen gewährten. Das erlaubte ihnen, sich der Annehmlichkeit ihrer Feuer zu erfreuen, ohne zu stark unter dem Rauch zu leiden. Sie waren keine richtigen Höhlenbewohner, obwohl die weiter nach Süden vorstoßenden Eisdecken späterer Zeiten ihre Nachkommen in die Höhlen trieben. Sie zogen es vor, ihr Lager an einem Waldrand und an einem Fluss aufzuschlagen. Früh entwickelten sie bemerkenswerten Scharfsinn im Tarnen ihrer teilweise geschützten Behausungen und bewiesen großes Geschick beim Bau von steinernen Schlafkammern, kuppelförmigen Steinhütten, in die sie sich nachts verkrochen. Der Eingang zu solch einer Hütte wurde verschlossen, indem man einen Stein davor rollte, einen großen Stein, den man zu diesem Zweck ins Innere gebracht hatte, bevor die Dachsteine an ihren Platz gelegt wurden. Die Andoniten waren furchtlose und erfolgreiche Jäger und lebten, von wilden Beeren und bestimmten Baumfrüchten abgesehen, ausschließlich von Fleisch. Gleich Andon, der die Steinaxt erfunden hatte, entdeckten seine Nachfahren schon früh den Wurfspeer und die Harpune und setzten sie mit Erfolg ein. Endlich wirkte ein die Werkzeuge ersinnender Verstand mit einer die Geräte bedienenden Hand zusammen, und diese frühen Menschen erlangten sehr großes Geschick bei der Gestaltung von Feuersteinwerkzeugen. Sie reisten sehr weit, um Feuerstein ausfindig zu machen, ganz so wie heutige Menschen sich auf der Suche nach Gold, Platin und Diamanten bis ans Ende der Welt begeben. Und noch in manch anderer Weise zeigten diese andonischen Stämme einen Intelligenzgrad, den ihre sich zurückentwickelnden Nachfahren in einer halben Jahrmillion nicht erreichten, obwohl sie verschiedene Methoden der Feuerentfachung wieder und wieder neu entdeckten. ***** 63.6 Onagar - der erste Wahrheitslehrer ***** Mit ihrer fortschreitenden Zerstreuung fielen die Andoniten kulturell und geistig nahezu zehntausend Jahre lang zurück bis in die Tage Onagars, der die Führung dieser Stämme übernahm, unter ihnen Frieden stiftete und sie, zum ersten Mal, zur Verehrung "Dessen, der Menschen und Tieren den Atem gibt" veranlasste. Andons Philosophie war höchst verworren gewesen; wenig fehlte, er wäre ein Feueranbeter geworden, weil ihm seine zufällige Entdeckung des Feuers solch große Annehmlichkeit bereitete. Hingegen lenkte ihn Einsicht von seiner eigenen Entdeckung weg zu der Sonne als einer höher stehenden und größere Ehrfurcht gebietenden Quelle von Wärme und Licht; aber sie war zu weit weg, und so wurde aus ihm kein Sonnenanbeter. Die Andoniten entwickelten eine frühe Furcht vor den Elementen - Donner, Blitz, Regen, Schnee, Hagel und Eis. Aber Hunger war der ständig wiederkehrende Antrieb dieser frühen Tage, und da sie sich weitgehend von Tieren ernährten, entwickelten sie schließlich eine Art Tierverehrung. Für Andon waren die größeren, der Nahrung dienenden Tiere Symbole schöpferischer Kraft und erhaltender Macht. Von Zeit zu Zeit wurde es Brauch, verschiedene dieser größeren Tiere als Objekte der Anbetung zu bezeichnen. Solange sich ein besonderes Tier großer Beliebtheit erfreute, wurde es in rohen Umrissen auf die Höhlenwände gezeichnet, und als später in den Künsten ständige Fortschritte gemacht wurden, gravierte man einen solchen Tiergott auf verschiedenen Ornamenten ein. Schon sehr früh nahmen die andonischen Völker die Gewohnheit an, auf das Verzehren von Tieren zu verzichten, die Stammesverehrung genossen. Um die Gemüter ihrer Jünglinge eindringlicher zu beeindrucken, entwickelten sie eine Zeremonie der Ehrerbietung, die sich um den Körper eines dieser verehrten Tiere herum abspielte; und noch später verwandelte sich dieser primitive Vorgang in die komplizierteren Opferhandlungen ihrer Nachfahren. Und das ist der Ursprung von Opfern als Teil der Anbetung. Diese Idee wurde von Moses im hebräischen Ritual ausgearbeitet und im Prinzip vom Apostel Paulus in der Lehre von der Wiedergutmachung der Sünde durch "Blutvergießen" beibehalten. Dass der Nahrung im Leben dieser primitiven menschlichen Wesen überragende Bedeutung zukam, zeigt das Gebet, das Onagar, ihr großer Lehrer, sie lehrte. Und dieses Gebet lautete: "Oh Lebensatem, gib uns heute unsere tägliche Nahrung, befreie uns vom Fluch des Eises, rette uns vor unseren Feinden im Walde, und nimm uns im Großen Jenseits barmherzig auf." Onagar unterhielt sein Hauptquartier an der Nordküste des alten Mittelmeers in der Gegend des gegenwärtigen Kaspischen Meeres in einer Oban genannten Niederlassung, einem Rastplatz, wo der vom mesopotamischen Südland her nordwärts führende Reisepfad nach Westen abbog. Von Oban aus entsandte er Lehrer zu den fernen Siedlungen, um dort seine neuen Lehren von einer einzigen Gottheit und seine Vorstellung vom Leben nach dem Tode, das er das Große Jenseits nannte, zu verbreiten. Diese Sendlinge Onagars waren der Welt erste Missionare; sie waren auch die ersten menschlichen Wesen, die das Fleisch kochten, die ersten, die zur Zubereitung der Speisen regelmäßig Feuer benutzten. Sie kochten das Fleisch an Steckenenden gar oder auch auf heißen Steinen; später brieten sie große Stücke im Feuer, aber ihre Nachkommen kehrten fast vollzählig zum rohen Fleischgenuss zurück. Onagar wurde vor 983 323 Jahren geboren (von 1934 n. Chr. aus gerechnet) und erreichte ein Alter von neunundsechzig Jahren. Die Aufzeichnung all dessen, was dieser überragende Denker und geistige Führer der dem Planetarischen Fürsten vorausgehenden Tage vollbrachte, ist die begeisternde Beschreibung der Organisation dieser primitiven Völker zu einer wirklichen Gesellschaft. Er setzte eine leistungsfähige Stammesregierung ein, wie sie von folgenden Generationen während vieler Jahrtausende nicht wieder erreicht wurde. Nie wieder bis zur Ankunft des Planetarischen Fürsten gab es auf Erden eine so hoch stehende geistige Zivilisation. Diese einfachen Menschen besaßen eine wahre, wenn auch primitive Religion, aber ihre entartenden Abkömmlinge gingen ihrer wieder verlustig. Obwohl sowohl Andon wie Fonta und viele ihrer Nachkommen Gedankenjustierer erhalten hatten, dauerte es bis zu den Tagen Onagars, bis Justierer und seraphische Hüter in großer Zahl nach Urantia kamen. Dies war wahrhaftig das goldene Zeitalter des primitiven Menschen. ***** 63.7 Das Fortleben Andons und Fontas ***** Andon und Fonta, die prächtigen Begründer der menschlichen Rasse, erhielten ihre Anerkennung zur Zeit des Gerichts über Urantia bei der Ankunft des Planetarischen Fürsten und gingen zu gegebener Zeit aus der Ordnung der Residenzwelten als Bürger Jerusems hervor. Obwohl sie nie die Erlaubnis zur Rückkehr nach Urantia erhalten haben, kennen sie die Geschichte der Rasse, die sie begründet haben. Schmerzlich empfanden sie Caligastias Verrat, Adams Versagen betrübte sie, aber sie freuten sich über die Maßen, als die Nachricht eintraf, Michael habe ihre Welt zum Schauplatz seiner letzten Selbsthingabe auserkoren. Auf Jerusem fusionierten Andon und Fonta sowie mehrere ihrer Kinder einschließlich Sontads mit ihren Gedankenjustierern, aber die Mehrheit sogar ihrer unmittelbaren Abkömmlinge brachte es nur bis zur Fusion mit dem Geist. Kurz nach ihrer Ankunft auf Jerusem erhielten Andon und Fonta vom Souverän des Systems die Erlaubnis, auf die erste Residenzwelt zurückzukehren, um zusammen mit den morontiellen Persönlichkeiten zu dienen, welche die von Urantia auf den himmlischen Sphären eintreffenden Pilger der Zeit willkommen heißen. Und sie sind diesem Dienst auf unbestimmte Zeit zugeteilt worden. Im Zusammenhang mit diesen Offenbarungen hätten sie Urantia gerne Grüße übermittelt, aber dieser Wunsch wurde ihnen weise verwehrt. Damit endet die Erzählung des heldenhaftesten und fesselndsten Kapitels der ganzen Vergangenheit Urantias, die Geschichte von Entwicklung, Lebenskampf, Tod und ewigem Fortleben der einzigartigen Eltern der ganzen Menschheit. [Dargeboten von einem auf Urantia wohnhaften Lebensbringer.] ****** Kapitel 64 Die Evolutionären Farbigen Rassen ****** DIES ist die Geschichte der evolutionären Rassen Urantias, von den um fast eine Jahrmillion zurückliegenden Tagen Andons und Fontas an über die Zeiten des Planetarischen Fürsten bis zum Ende der Eiszeit. Die menschliche Rasse ist fast eine Million Jahre alt, und die erste Hälfte ihrer Geschichte entspricht grob den dem Planetarischen Fürsten vorausgehenden Tagen Urantias. Die zweite Hälfte der Menschheitsgeschichte beginnt mit der Ankunft des Planetarischen Fürsten und dem Erscheinen der sechs farbigen Rassen und entspricht ungefähr der gewöhnlich als Steinzeit betrachteten Periode. ***** 64.1 Die andonischen Ureinwohner ***** Der primitive Mensch erschien vor etwas weniger als einer Million Jahren durch Evolution auf der Erde und musste harte Erfahrungen machen. Instinktiv suchte er der Gefahr einer Vermischung mit den niedrigeren Affenstämmen aus dem Wege zu gehen. Aber er konnte wegen der 9 000 Meter über dem Meer gelegenen, ariden tibetanischen Hochländer nicht nach Osten auswandern; ebenso wenig konnte er sich nach Süden oder Westen wenden wegen des weit ausgreifenden Mittelmeers, das damals im Osten bis zum Indischen Ozean reichte; und als er nach Norden ging, stieß er auf das vorrückende Eis. Aber obwohl das Eis jedes Weiterwandern verhinderte und die sich zerstreuenden Stämme immer verfeindeter wurden, dachten die intelligenteren Gruppen nie daran, nach Süden zu ziehen, um mitten unter ihren haarigen, baumbewohnenden und wenig intelligenten Vettern zu leben. Viele der frühesten religiösen Empfindungen des Menschen entstammten einem Gefühl der Hilflosigkeit im abgeriegelten Umfeld dieser geographischen Situation - Gebirge zur Rechten, Wasser zur Linken und Eis gegenüber. Aber diese fortschrittlichen Andoniten wollten nicht zu ihren niedrigeren, in den Bäumen hausenden Verwandten im Süden zurückkehren. Im Gegensatz zu den Gewohnheiten ihrer nichtmenschlichen Verwandten mieden diese Andoniten die Wälder. In den Wäldern ist der Mensch stets abgesunken; die menschliche Evolution hat nur auf dem offenen Land und in höheren Breiten Fortschritte gemacht. Kälte und Hunger der offenen Gegenden stimulieren Aktivität, Erfindergeist und Einfallsreichtum. Während die andonischen Stämme Härte und Entbehrungen dieser rauhen nördlichen Klimas ertrugen und dabei nach und nach zu Wegbereitern der heutigen Menschenrasse wurden, ließen ihre rückständigen Vettern es sich in den südlichen Tropenwäldern ihres einstigen gemeinsamen Ursprungslandes wohl ergehen. Diese Ereignisse geschahen zu der Zeit des dritten Gletschers, des ersten nach der Rechnungsweise der Geologen. Die ersten beiden Gletscher hatten in Nordeuropa keine große Ausdehnung. Fast die ganze Eiszeit über war England mit Frankreich durch Land vereinigt, während sich Afrika später über die sizilische Landbrücke mit Europa verband. Zur Zeit der andonischen Migrationen gab es einen ununterbrochenen Landweg von England im Westen über Europa und Asien nach Java im Osten, aber Australien fand sich wieder isoliert, was die Entwicklung seiner eigenen besonderen Fauna noch akzentuierte. Vor 950 000 Jahren waren die Nachfahren von Andon und Fonta bereits weit nach Osten und Westen gewandert. Im Westen stießen sie durch Europa bis nach Frankreich und England vor. In späterer Zeit drangen sie im Osten bis nach Java vor, wo man ihre Knochenreste - diejenigen des so genannten Javamenschen - erst kürzlich entdeckt hat, und gingen dann nach Tasmanien weiter. Die sich nach Westen wendenden Gruppen wurden durch die rückständigen Stämme gemeinsamen Ursprungs weniger verdorben als die nach Osten ziehenden, die sich bedenkenlos mit ihren zurückgebliebenen tierischen Vettern vermischten. Diese rückschrittlichen Wesen ließen sich nach Süden treiben, wo sie sich alsbald mit den niedrigeren Stämmen paarten. Später kehrten ihre gemischten Abkömmlinge in wachsender Zahl in den Norden zurück, um sich dort mit den in rascher Expansion befindlichen andonischen Völkern zu vermischen, und diese unglücklichen Verbindungen beeinträchtigten die höhere Rasse zwangsläufig. Immer seltener wurden die primitiven Niederlassungen, in denen die Verehrung des Atemspenders beibehalten wurde. Die Zivilisation der Frühzeit drohte zu erlöschen. Und so ist es auf Urantia immer gewesen. Vielversprechende Zivilisationen sind nacheinander entartet und schließlich erloschen wegen der Torheit, es ihren höher entwickelten Mitgliedern freizustellen, mit den niedrigeren hemmungslos Nachwuchs zu zeugen. ***** 64.2 Die Foxhall-Völker ***** Vor 900 000 Jahren waren die Fertigkeiten Andons und Fontas und die Kultur Onagars im Begriff, vom Erdboden zu verschwinden; Kultur, Religion und sogar das Feuersteinhandwerk waren an ihrem tiefsten Punkt angelangt. Das waren die Zeiten, als von Südfrankreich her niedrige Bastardgruppen scharenweise in England eindrangen. Diese Stämme waren so sehr mit den affengleichen Waldgeschöpfen vermischt, dass sie kaum menschlich waren. Sie hatten keine Religion, aber sie bearbeiteten den Feuerstein auf primitive Weise und besaßen Intelligenz genug, um Feuer zu entfachen. Auf sie folgte in Europa ein etwas höher entwickeltes und kinderreiches Volk, dessen Nachkommen sich bald über den ganzen Kontinent vom nördlichen Eis bis zu den Alpen und zum Mittelmeer im Süden ausbreiteten. Diese Stämme sind die so genannte Heidelberg-rasse. Während dieser langen Periode kulturellen Niedergangs fuhren die Foxhall-Völker in England und die Badonan-Stämme im Nordwesten Indiens fort, an einigen Traditionen Andons und gewissen Überbleibseln der Kultur Onagars festzuhalten. Die Foxhall-Völker lebten im äußersten Westen und schafften es, viel von der andonischen Kultur beizubehalten; sie bewahrten auch ihre Kenntnis der Feuersteinbearbeitung, die sie an ihre Nachkommen, die Urahnen der Eskimos, weitergaben. Obwohl man die Spuren der Foxhall-Völker in England erst als letzte entdeckt hat, waren diese Andoniten wirklich die ersten menschlichen Wesen, die jene Gegenden bewohnten. Zu diesem Zeitpunkt verband immer noch eine Landbrücke England mit Frankreich; und da die meisten frühen Siedlungen der Nachfahren Andons an den Flussläufen und am Meeresufer jener Tage lagen, sind sie jetzt von Ärmelkanal und Nordsee überflutet, aber drei oder vier von ihnen befinden sich an der englischen Küste immer noch über Wasser. Viele der intelligenteren und geistigeren Angehörigen der Foxhall-Völker sorgten für die Aufrechterhaltung ihrer rassischen Überlegenheit und für das Weiterleben ihrer primitiven religiösen Bräuche. Und nachdem sich diesen Völkern in der Folge noch andere Stämme beigemischt hatten, wandten sie sich nach einem späteren Eisvorstoß von England aus westwärts und haben als die heutigen Eskimos überlebt. ***** 64.3 Die Badonan-Stämme ***** Neben den Foxhall-Völkern im Westen konnte sich im Osten ein anderes kämpferisches Kulturzentrum halten. Diese Gruppe wohnte auf den Ausläufern der nordwestlichen indischen Hochländer unter den Stämmen Badonans, eines Ururenkels Andons. Dies waren die einzigen Nachkommen Andons, die nie Menschenopfer darbrachten. Diese Hochland-Badoniten lebten auf einem weit ausgedehnten, wildreichen Plateau, das von Wäldern umgeben und von Wasserläufen durchflossen war. Wie einige ihrer Vettern in Tibet hausten sie in primitiven Steinhütten, in Grotten an Hügelhängen und in halb unterirdischen Gängen. Während die Stämme des Nordens immer größere Angst vor dem Eis bekamen, entwickelten jene, die nahe ihrer ursprünglichen Heimat lebten, eine außerordentliche Furcht vor dem Wasser. Sie beobachteten, wie die mesopotamische Halbinsel langsam im Ozean versank, und obwohl sie mehrere Male wieder auftauchte, rankten sich die Überlieferungen dieser primitiven Rassen um die Gefahren des Meeres und um die Furcht vor periodischer Überflutung. Diese Furcht und ihre Erfahrung mit über die Ufer tretenden Flüssen erklärt, weshalb sie als sicheren Wohnort die Hochländer aufsuchten. Im Osten der Badonan-Völker, in den Siwalik-Hügeln Nordindiens, kann man Fossilien finden, die den Übergangstypen zwischen dem Menschen und den verschiedenen vormenschlichen Gruppen näher kommen als irgendwelche anderen auf Erden. Vor 850 000 Jahren begannen die höher stehenden Badonanstämme mit einem gegen ihre niedrigeren und tierähnlichen Nachbarn gerichteten Vernichtungskrieg. In weniger als tausend Jahren waren die meisten der umliegenden tierischen Gruppen dieser Gegenden entweder ausgerottet oder in die südlichen Wälder abgedrängt worden. Dieser Feldzug zur Ausmerzung der Tieferstehenden hatte eine leichte Verbesserung bei den Hügelstämmen jenes Zeitalters zur Folge. Und die gemischten Abkömmlinge dieser verbesserten Badonitenrasse erschienen auf dem Schauplatz des Geschehens als ein vermeintlich neues Volk - die Neandertalrasse. ***** 64.4 Die Neandertalrassen ***** Die Neandertaler waren hervorragende Kämpfer und außerordentlich wanderfreudig. Von ihren Hochlandzentren in Nordwestindien aus stießen sie bis nach Frankreich im Westen, nach China im Osten und sogar bis nach Nordafrika vor. Sie beherrschten die Welt fast eine halbe Million Jahre lang, bis die Zeit der Migration der evolutionären farbigen Rassen anbrach. Vor 800 000 Jahren gab es Wild in Fülle; viele Hirscharten sowie Elefanten und Flusspferde tummelten sich in ganz Europa. Es gab eine Menge Vieh; Pferde und Wölfe waren überall anzutreffen. Die Neanderthaler waren große Jäger, und die in Frankreich ansässigen Stämme führten als erste die Sitte ein, den erfolgreichsten Jägern zu erlauben, sich unter den Frauen ihre Gattinnen auszusuchen. Das Rentier war diesen Neandertalvölkern äußerst nützlich, indem es Nahrung, Bekleidung und auch Werkzeuge lieferte, denn sie machten von den Hörnern und Knochen vielfältigen Gebrauch. Sie besaßen nur wenig Kultur, aber sie verbesserten die Bearbeitung des Feuersteins, bis sie fast das Niveau der Tage Andons erreichten. An hölzernen Griffen befestigte große Feuersteine kamen wieder in Gebrauch und dienten als Äxte und Pickel. Vor 750 000 Jahren war die vierte Eisdecke bereits weit nach Süden vorgedrungen. Mit ihren verbesserten Werkzeugen schlugen die Neanderthaler Löcher in die Eisdecken der nördlichen Flüsse und konnten so die Fische, die zu diesen Öffnungen aufstiegen, mit dem Speer erlegen. Die Stämme zogen sich ständig vor dem vorrückenden Eis zurück, das damals am weitesten nach Europa vordrang. Zu dieser Zeit stieß der sibirische Gletscher bis zu seinem südlichsten Punkt vor und zwang die frühen Menschen, sich nach Süden in ihr Ursprungsland zurückzuziehen. Aber die menschliche Gattung hatte sich inzwischen so sehr differenziert, dass die Gefahr einer erneuten Vermischung mit ihren stagnierenden Affenverwandten beträchtlich geringer geworden war. Vor 700 000 Jahren befand sich der vierte Gletscher, in Europa der größte von allen, auf dem Rückzug, und Menschen und Tiere kehrten in den Norden zurück. Das Klima war kühl und feucht, und in Europa und im Westen Asiens gediehen die primitiven Menschen wieder gut. Allmählich überzog sich das noch vor kurzem gletscherbedeckte Land nach Norden hin mit Wald. Der große Gletscher hatte das Leben der Säugetiere wenig verändert. Sie hielten sich auf dem schmalen Landgürtel zwischen Eis und Alpen und breiteten sich nach dem Gletscher-rückzug wieder in ganz Europa aus. Über die Landbrücke von Sizilien kamen von Afrika her Elefanten mit geraden Stoßzähnen, breitnasige Nashörner, Hyänen und afrikanische Löwen, und diese neuen Tiere rotteten die Tiger mit Säbelzähnen und die Flusspferde praktisch aus. Das vor 650 000 Jahren herrschende Klima war weiterhin mild. Bis zur Mitte der Zwischeneiszeit war es so warm geworden, dass die Alpen fast schnee- und eisfrei waren. Vor 600 000 Jahren hatte das Eis auf dem Rückzug seinen nördlichsten Punkt erreicht, und nach einer Pause von einigen tausend Jahren begann es mit seinem fünften Vorstoß nach Süden. Aber das Klima veränderte sich im Laufe von 50 000 Jahren kaum. Menschen und Tiere Europas blieben ziemlich dieselben. Die leichte Aridität der vorangegangenen Periode schwächte sich ab, und die Alpengletscher stiegen bis weit in die Flusstäler hinab. Vor 550 000 Jahren trieb der vorrückende Gletscher Mensch und Tier wieder vor sich her dem Süden zu. Aber diesmal gab es für den Menschen Raum genug auf dem breiten Landgürtel, der sich in nordöstlicher Richtung nach Asien hinein erstreckte und zwischen der Eisdecke und dem damals sehr großen Schwarzmeerausläufer des Mittelmeers lag. Zur Zeit des vierten und fünften Gletschers breitete sich die rohe Kultur der Neandertalrassen weiter aus. Aber der Fortschritt war so dürftig, dass es wirklich schien, als sei der Versuch, auf Urantia einen neuen und modifizierten Typus intelligenten Lebens zu schaffen, am Scheitern. Fast eine Viertelmillion Jahre lang ließen sich diese primitiven Völker treiben, jagend und kämpfend, wobei sie sich zeitweise nach bestimmten Richtungen hin verbesserten, aber im Ganzen gesehen im Vergleich zu ihren überlegenen andonischen Vorfahren stetig zurückfielen. In diesen geistig verdunkelten Zeiten sank die Kultur der abergläubischen Menschheit auf ihren tiefsten Stand ab. Die Neandertaler hatten in der Tat keine einen schändlichen Aberglauben übersteigende Religion. Sie hatten eine tödliche Angst vor den Wolken, insbesondere vor dichtem Nebel und Dunstschleiern. Eine primitive Religion der Furcht vor den Naturgewalten entwickelte sich langsam, während die Tierverehrung zurückging, da die verbesserten Werkzeuge bei reichlich vorhandenem Wild den Menschen erlaubten, mit weniger Angst vor Hunger zu leben. Die mit der Jagd verbundenen sexuellen Belohnungen trugen stark zu größerer Fertigkeit beim Jagen bei. Diese neue Religion der Furcht führte zu Versuchen, die unsichtbaren Mächte hinter den natürlichen Elementen zu besänftigen, und gipfelte später in der Darbringung von Menschenopfern zur Beschwichtigung der unsichtbaren und unbekannten physischen Kräfte. Und diese schreckliche Sitte der Menschenopfer hat sich unter den rückständigeren Völkern Urantias bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein erhalten. Man kann diese frühen Neandertaler kaum als Sonnenanbeter bezeichnen. Sie lebten eher in der Furcht vor Dunkelheit; sie standen bei Einbruch der Nacht Todesangst aus. Solange der Mond ein bisschen schien, konnten sie ihre Gefühle meistern, aber in mondlosen Nächten wurden sie von Panik erfasst und begannen, ihre besten Männer und Frauen zu opfern, um den Mond wieder zum Scheinen zu bewegen. Sie begriffen schon früh, dass die Sonne regelmäßig wiederkehrte, hingegen stellten sie sich vor, der Mond komme nur deshalb zurück, weil sie ihm ihre Stammesgenossen zum Opfer brachten. Mit dem Fortschritt der Rasse veränderten sich Ziel und Zweck des Opfers allmählich, aber die Darbringung von Menschenopfern gehörte noch lange zum religiösen Zeremoniell. ***** 64.5 Ursprung der farbigen Rassen ***** Vor 500 000 Jahren brach unter den Badonanstämmen der nordwestlichen Hochländer Indiens von neuem ein großer Rassenkrieg aus. Über hundert Jahre lang tobte diese unerbittliche Auseinandersetzung, und als der lange Kampf vorüber war, blieben nur etwa hundert Familien übrig. Aber diese Überlebenden waren von allen damals lebenden Nachkommen Andons und Fontas die intelligentesten und erwünschtesten. Und nun geschah unter diesen Hochlandbadoniten etwas Neues und Seltsames. Ein Mann und eine Frau, die im nordöstlichen Teil der damals unbewohnten, hochgelegenen Gegend wohnten, schenkten plötzlich einer Familie ungewöhnlich intelligenter Kinder das Leben. Das war die Sangikfamilie, die Ahnenfamilie aller sechs farbigen Rassen Urantias. Nicht nur waren diese Sangikkinder, neunzehn an der Zahl, ihren Mitmenschen intelligenzmäßig überlegen, sondern ihre Haut besaß auch die einzigartige Neigung, verschiedene Farben anzunehmen, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt war. Von diesen neunzehn Kindern waren fünf rot, zwei orange, vier gelb, zwei grün, vier blau und zwei indigofarben. Diese Farben verstärkten sich mit dem Älterwerden der Kinder, und als sich die jungen Menschen später mit ihren Stammesangehörigen paarten, neigte die Hautfarbe all ihrer Nachkommen derjenigen des Sangik-Elternteils zu. Indem ich noch an das Eintreffen des Planetarischen Fürsten etwa um diese Zeit erinnern möchte, unterbreche ich hier die chronologische Erzählung, um mit euch die sechs Rassen Urantias getrennt zu betrachten. ***** 64.6 Die sechs Sangikrassen Urantias ***** Auf einem evolutionären Durchschnittsplaneten erscheinen die sechs evolutionären farbigen Rassen eine nach der anderen; zuerst tritt der rote Mensch auf, und während ganzer Zeitalter zieht er in der Welt herum, bevor die folgenden farbigen Rassen erscheinen. Das gleichzeitige Erscheinen aller sechs Rassen, dazu noch in einer einzigen Familie, war höchst ungewöhnlich. Auch das Erscheinen der frühen Andoniten auf Urantia war neu für Satania. Auf keiner anderen Welt des Lokalsystems hat sich eine solche Rasse von Willensgeschöpfen vor den evolutionären farbigen Rassen entwickelt. 1. Der rote Mensch. Diese Völker waren ganz ungewöhnliche Vertreter der menschlichen Rasse und Andon und Fonta in mancher Weise überlegen. Sie waren eine hochintelligente Gruppe und die ersten unter den Sangikkindern, die eine Stammeszivilisation und -regierung entwickelten. Sie waren immer monogam; selbst ihre gemischten Nachfahren pflegten nur selten Polygamie. In späterer Zeit gerieten sie in ernsthafte und langwierige Auseinandersetzungen mit ihren gelben Brüdern in Asien. Pfeil und Bogen, von ihnen schon früh erfunden, kamen ihnen dabei sehr zustatten, aber unglücklicherweise hatten sie von ihren Ahnen die Neigung geerbt, unter sich zu kämpfen, und das schwächte sie so sehr, dass die gelben Stämme sie aus dem asiatischen Kontinent verdrängen konnten. Vor etwa fünfundachtzigtausend Jahren übersiedelten die relativ reinen Überreste der roten Rasse geschlossen nach Nordamerika, und kurz darauf versank die Beringlandenge und schnitt sie ab. Kein roter Mensch kehrte je wieder nach Asien zurück. Aber in ganz Sibirien, China, Zentralasien, Indien und Europa ließen sie viel von ihrem den anderen farbigen Rassen beigemischten Erbe zurück. Als die roten Menschen nach Amerika hinübergingen, nahmen sie viele Lehren und Überlieferungen ihrer frühen Ursprünge mit. Ihre unmittelbaren Vorfahren waren mit den späteren Aktivitäten des Welthauptsitzes des Planetarischen Fürsten in Berührung gekommen. Aber kurz nach ihrer Ankunft in Amerika begannen die roten Menschen, diese Lehren aus den Augen zu verlieren, und es setzte ein großer Zerfall der intellektuellen und geistigen Kultur ein. Sehr bald fielen sie wieder in derart brudermörderische Kämpfe zurück, dass es aussah, als müssten diese Stammeskriege zur raschen Auslöschung des Rests der relativ reinen roten Rasse führen. Wegen dieses großen Rückschritts schienen die roten Menschen dem Untergang geweiht, als vor etwa fünfundsechzigtausend Jahren Onamonalonton als ihr Führer und geistiger Befreier auftrat. Er stiftete unter den roten Menschen Amerikas vorübergehend Frieden und wiederbelebte ihre Verehrung des "Großen Geistes". Onamonalonton erreichte ein Alter von sechsundneunzig Jahren und unterhielt sein Hauptquartier inmitten der gewaltigen Redwood-Bäume Kaliforniens. Viele seiner späteren Nachfahren haben bis in die Neuzeit unter den Schwarzfuß-Indianern gelebt. Mit der Zeit wurden aus den Lehren Onamonalontons undeutliche Traditionen. Die gegenseitigen Vernichtungskriege fingen wieder an, und nie mehr gelang es nach den Tagen dieses großen Lehrers einem anderen Führer, allgemeinen Frieden unter ihnen zu stiften. Immer mehr Vertreter der intelligenteren Linien kamen bei diesen Stammesfehden um; ansonsten wäre durch diese fähigen und intelligenten roten Menschen auf dem nordamerikanischen Kontinent eine große Zivilisation errichtet worden. Nachdem die roten Menschen von China nach Amerika gezogen waren, wurden sie, von den Eskimos abgesehen, nie wieder anderen Welteinflüssen ausgesetzt, bis sie später durch die weißen Menschen entdeckt wurden. Es ist äußerst bedauerlich, dass die roten Menschen die Gelegenheit einer Aufwertung durch Vermischung mit dem späteren adamischen Erbe beinah völlig verpassten. So wie die Dinge lagen, konnten die roten Menschen die weißen nicht beherrschen, aber sie waren auch nicht gewillt, ihnen zu dienen. Unter solchen Umständen ist die eine oder andere Rasse, sofern sie sich nicht mischen, zum Untergang verurteilt. 2. Der orange Mensch. Das hervorstechendste Merkmal der Angehörigen dieser Rasse war ihre eigentümliche Bauwut; sie erbauten alles Erdenkliche und schichteten sogar gewaltige Steinhügel auf, nur um zu sehen, welcher Stamm den höchsten errichten konnte. Obwohl sie kein fortschrittliches Volk waren, profitierten sie viel von den Schulen des Fürsten und sandten ihre Leute zur Ausbildung dorthin. Die orange Rasse war die erste, die an der Küste entlang in Richtung Süden nach Afrika wanderte, als sich das Mittelmeer nach Westen zurückzog. Aber sie schlug in Afrika nie recht Wurzeln und wurde durch die später ankommende grüne Rasse hinweggefegt. Bevor sein Ende kam, verlor dieses Volk viel von seinen kulturellen und geistigen Grundlagen. Aber ein großes Neuerwachen höheren Lebens trat unter der weisen Führung Porschuntas ein, des überragenden Geistes dieser unglücklichen Rasse, der sich ihrer vor etwa dreihunderttausend Jahren annahm, als sich ihr Hauptsitz in Armageddon befand. Die letzte große Auseinandersetzung zwischen den orangen und grünen Menschen fand in Ägypten in der Gegend des unteren Niltals statt. Diese nicht enden wollende Schlacht tobte fast einhundert Jahre lang, und als sie vorüber war, gab es nur noch wenige Vertreter der orangen Rasse. Die versprengten Überreste dieses Volkes gingen in den grünen und den später eintreffenden indigofarbenen Menschen auf. Aber als Rasse hörten die orangen Menschen vor etwa hunderttausend Jahren auf zu existieren. 3. Der gelbe Mensch. Die primitiven gelben Stämme waren die ersten, die die Jagd aufgaben, sesshafte Gemeinschaften gründeten und ein auf Landwirtschaft beruhendes Familienleben entwickelten. Intellektuell standen sie etwas tiefer als die roten Menschen, aber sozial und kollektiv gesehen erwiesen sie sich beim Aufbau einer Rassenzivilisation allen anderen Sangikvölkern überlegen. Weil sie einen brüderlichen Geist entwickelten und die verschiedenen Stämme lernten, einigermaßen friedlich zusammenzuleben, waren sie in der Lage, die rote Rasse vor sich herzutreiben, während sie sich nach und nach in Asien ausbreiteten. Sie wanderten weit von den Einflüssen des geistigen Hauptsitzes der Welt fort und gerieten nach dem Abfall Caligastias in große Finsternis; aber vor rund hunderttausend Jahren gab es für dieses Volk ein glanzvolles Zeitalter, als Singlangton die Führung der Sippen übernahm und zur Verehrung der "Einen Wahrheit" aufrief. Dass die gelbe Rasse in relativ großer Zahl überlebt hat, ist der unter ihren Stämmen herrschenden Friedfertigkeit zu verdanken. Seit den Tagen Singlangtons bis auf das heutige China hat die gelbe Rasse zu den eher friedliebenden Nationen Urantias gehört. Diese Rasse hat ein kleines, aber kraftvolles Erbe der später importierten adamischen Rasse empfangen. 4. Der grüne Mensch. Die grüne Rasse gehörte zu den weniger fähigen Gruppen primitiver Menschen, und sie wurde durch ausgiebige Wanderungen nach verschiedenen Richtungen hin sehr geschwächt. Vor ihrer Zerstreuung vor rund dreihundertfünfzigtausend Jahren erlebten diese Stämme eine große kulturelle Neublüte unter Führung von Fantad. Die grüne Rasse spaltete sich in drei große Gruppen auf: Die nördlichen Stämme wurden durch die gelbe und die blaue Rasse unterworfen, versklavt und absorbiert. Die östliche Gruppe vermischte sich mit den damaligen indischen Völkern, und noch heute finden sich dort ihre Spuren. Das südliche Volk betrat Afrika, wo es seine fast ebenso tiefstehenden orangen Vettern vernichtete. In diesem Kampf waren die sich gegenüberstehenden Lager in mancher Hinsicht gleich stark, da jedes von ihnen Geschlechter von Riesen besaß, maßen doch viele ihrer Anführer zwei Meter vierzig bis zwei Meter siebzig. Die meisten der Riesengeschlechter der grünen Menschen gehörten diesem südlichen oder ägyptischen Volk an. Die Überreste der siegreichen grünen Menschen gingen später in der indigofarbenen Rasse auf, in dem letzten der farbigen Völker, das sich entwickelte und aus dem ursprünglichen Sangikzentrum der Rassenzerstreuung auswanderte. 5. Der blaue Mensch. Die blauen Menschen waren ein großes Volk. Schon früh erfanden sie den Speer und arbeiteten später die Grundlagen vieler Fertigkeiten der modernen Zivilisation aus. Der blaue Mensch besaß die Intelligenz des roten Menschen verbunden mit der Seele und dem Gefühl des gelben Menschen. Die adamischen Nachkommen zogen sie allen anderen damals noch existierenden farbigen Rassen vor. Die frühen blauen Menschen sprachen auf die Überredungskünste der zum Stab des Fürsten Caligastia gehörenden Lehrer an, und so stürzten die späteren verdrehten Lehren der verräterischen Führer sie in größte Verwirrung. Wie andere primitive Rassen erholten sie sich nie ganz vom Tumult, den Caligastias Verrat ausgelöst hatte, noch überwanden sie jemals ganz ihre Neigung, sich gegenseitig zu bekämpfen. Etwa fünfhundert Jahre nach Caligastias Sturz kam es zu einem allgemeinen Wiederaufleben primitiver - aber nichtsdestoweniger wirklicher und förderlicher - Gelehrsamkeit und Religion. Orlandof wurde zu einem großen Lehrer der blauen Rasse und führte viele Stammesangehörige zur Anbetung des wahren Gottes unter dem Namen des "Höchsten Lenkers" zurück. Das war der bedeutendste Fortschritt des blauen Menschen vor jener späteren Epoche, als die Rasse durch Beimischung des adamischen Blutes eine so große Aufwertung erfuhr. Die in Europa über die Steinzeit angestellten Forschungen und Untersuchungen bestehen weitgehend im Zutagefördern von Werkzeugen, Knochen und Kunstgegenständen dieser alten blauen Menschen, denn sie haben in Europa noch bis in neuere Zeit hinein gelebt. Die so genannten weißen Rassen Urantias sind die Nachfahren dieser blauen Menschen, die zuerst durch eine geringfügige Mischung mit gelb und rot modifiziert und dann durch Assimilation des größeren Teils der violetten Rasse sehr stark aufgewertet wurden. 6. Die indigofarbene Rasse. So wie die roten Menschen die fortgeschrittensten aller Sangikvölker waren, waren die schwarzen Menschen die am wenigsten fortschrittlichen. Sie verließen als letzte ihr heimatliches Hochland. Sie wandten sich nach Afrika, nahmen den Kontinent in Besitz und sind seither immer dort geblieben, außer wenn sie im Laufe der Zeiten gelegentlich gewaltsam als Sklaven weggeführt wurden. In Afrika isoliert, erfuhren die indigofarbenen Völker, gerade so wie die roten Menschen, fast keine oder überhaupt keine Hebung der Rasse, wie sie sich durch den Zuschuss adamischen Blutes eingestellt hätte. Allein in Afrika, machte die indigofarbene Rasse nur geringe Fortschritte bis zu den Tagen Orvonons, als sie ein großes geistiges Erwachen erlebte. Obwohl ihre späteren Abkömmlinge den von Orvonon verkündeten "Gott der Götter" fast ganz vergaßen, verloren sie nicht ganz das Verlangen, das Unbekannte anzubeten; wenigstens behielten sie bis vor ein paar tausend Jahren eine Form von Anbetung bei. Trotz ihrer Rückständigkeit haben die indigofarbenen Völker vor den himmlischen Gewalten genau dieselbe Stellung wie jede andere irdische Rasse. Das waren Zeiten heftiger Kämpfe zwischen den verschiedenen Rassen, aber in der Nähe des Hauptsitzes des Planetarischen Fürsten lebten die erleuchteteren und erst seit kürzerer Zeit unterwiesenen Gruppen vergleichsweise harmonisch zusammen, wenn auch vor der Zeit der ernsthaften Zerrüttung dieses Systems durch den Ausbruch der Rebellion Luzifers keine der Weltrassen eine große kulturelle Eroberung vorzuweisen hatte. Von Zeit zu Zeit erlebten all diese verschiedenen Völker kulturelle und geistige Renaissancen. Mansant war ein großer Lehrer der Zeit nach dem Planetarischen Fürsten. Aber wir erwähnen nur jene überragenden Führer und Lehrer, die eine ganze Rasse in prägender Weise beeinflussten und inspirierten. Im Laufe der Zeit traten in verschiedenen Weltgegenden manche weniger bedeutende Lehrer auf; und sie alle steuerten viel zur Gesamtsumme jener rettenden Einflüsse bei, die den gänzlichen Zusammenbruch der kulturellen Zivilisation verhinderten, insbesondere während der langen und finsteren Zeitalter, die zwischen der Rebellion Caligastias und der Ankunft Adams lagen. Es gibt viele gute und hinreichende Gründe für den Plan, sich auf den Welten des Raums drei oder sechs farbige Rassen entwickeln zu lassen. Obwohl die Sterblichen Urantias kaum in der Lage sind, all diese Gründe zu würdigen, möchten wir doch die Aufmerksamkeit auf die folgenden lenken: 1. Vielfalt ist unerlässlich, um der natürlichen Auslese, dem differenzierten Überleben der höheren Linien jede Möglichkeit zu geben, sich auszuwirken. 2. Kräftigere und bessere Rassen gehen aus der Kreuzung verschiedener Völker hervor, wenn die verschiedenen Rassen Träger höherer Erbfaktoren sind. Und eine solche frühzeitige Verschmelzung hätte den Rassen Urantias unter der Voraussetzung gutgetan, dass ein solches Völkeramalgam in der Folge durch eine gründliche Vermischung mit der höheren adamischen Rasse kräftig aufgewertet worden wäre. Aber der Versuch, ein solches Experiment auf Urantia unter den gegenwärtigen rassischen Voraussetzungen durchzuführen, hätte katastrophale Folgen. 3. Der Wettbewerb wird durch die Diversifizierung der Rassen auf gesunde Weise stimuliert. 4. Statusunterschiede zwischen den Rassen und zwischen Gruppen innerhalb jeder Rasse sind wesentlich für die Entwicklung von Altruismus und menschlicher Toleranz. 5. Eine Homogenität der menschlichen Rasse ist nicht wünschenswert, solange die Völker einer sich entwickelnden Welt nicht relativ hohe Ebenen geistiger Entfaltung erreicht haben. ***** 64.7 Zerstreuung der farbigen Rassen ***** Als die farbigen Nachkommen der Sangikfamilie sich zu vermehren begannen und nach Möglichkeiten für eine Ausbreitung auf benachbartes Gebiet suchten, war der fünfte Gletscher - nach den Geologen der dritte - in Europa und Asien schon weit nach Süden vorgedrungen. Die Strenge und die Härten der in ihrer Heimat herrschenden Eiszeit stellten diese frühen farbigen Rassen auf außerordentliche Proben. Der Gletscher besaß in Asien eine derartige Ausdehnung, dass einer Migration nach Ostasien jahrtausendelang ein Riegel vorgeschoben war. Und erst als sich später das Mittelmeer infolge der Hebung Arabiens zurückzog, wurde es ihnen möglich, Afrika zu erreichen. So kam es, dass sich diese Sangikvölker fast hunderttausend Jahre lang um die Vorgebirge herum ausbreiteten und mehr oder weniger miteinander vermischten trotz der besonderen, aber natürlichen Abneigung, die sich früh unter den verschiedenen Rassen bemerkbar machte. Zwischen den Zeiten des Planetarischen Fürsten und Adams wurde Indien zur Heimat der kosmopolitischsten Gesellschaft aller Erdenzeitalter. Aber es ist beklagenswert, dass die grünen, orangen und indigofarbenen Rassen an diesem Gemisch einen so starken Anteil hatten. Diese sekundären Sangikvölker fanden die Existenz in den südlichen Landstrichen leichter und angenehmer, und viele von ihnen wanderten später nach Afrika aus. Die primären Sangikvölker, die höheren Rassen, mieden die Tropen. Die roten Menschen gingen nordostwärts nach Asien, und die gelben Menschen folgten ihnen auf dem Fuße, während die blaue Rasse nordwestwärts nach Europa zog. Die roten Menschen begannen schon früh, hinter dem sich zurückziehenden Gletscher her nach Nordosten zu wandern, wobei sie die Gebirge Indiens umgingen und den ganzen Nordosten Asiens besetzten. Die gelben Stämme hefteten sich an ihre Fersen und vertrieben sie später aus Asien nach Nordamerika. Als die relativ reinrassigen Überreste der roten Menschen Asien verließen, umfassten sie elf Stämme und zählten etwas über siebentausend Männer, Frauen und Kinder. Diese Stämme wurden von drei kleinen Gruppen gemischten Ursprungs begleitet, deren größte aus der orangen und blauen Rasse hervorgegangen war. Diese drei Gruppen verbrüderten sich nie ganz mit den roten Menschen und zogen schon früh südwärts nach Mexiko und Zentralamerika, wo sich ihnen später noch eine kleine Gruppe von gelb-roten Mischlingen zugesellte. All diese Völker heirateten untereinander und gründeten ein neues Rassengemisch, das viel weniger kriegerisch war als die reinrassigen roten Menschen. Innerhalb von fünftausend Jahren spaltete sich diese verschmolzene Rasse in drei Gruppen auf, welche die Zivilisationen Mexikos, beziehungsweise Zentralamerikas und Südamerikas errichteten. Der südamerikanische Zweig empfing eine schwache Zufuhr adamischen Blutes. Die frühen roten und gelben Menschen vermischten sich in Asien bis zu einem gewissen Grad, und die Nachkommen aus dieser Vereinigung zogen nach Osten und an die südliche Meeresküste und wurden schließlich durch die rasch wachsende gelbe Rasse auf die Halbinseln und die nahen Meeresinseln abgedrängt. Von ihnen stammen die heutigen braunen Menschen ab. Die gelbe Rasse hat seither immer die zentralen Gebiete Ostasiens besetzt gehalten. Von allen sechs farbigen Rassen hat sie in größter Zahl überlebt. Obwohl unter den gelben Menschen von Zeit zu Zeit Rassenkämpfe ausbrachen, führten sie doch keine so unaufhörlichen und gnadenlosen Vernichtungskriege wie die roten, grünen und orangen Menschen. Diese drei Rassen zerstörten sich praktisch selber, bevor sie durch ihre andersrassigen Feinde fast ausgelöscht wurden. Da der fünfte Gletscher in Europa nicht so weit nach Süden reichte, stand den Sangikvölkern die Tür zur Migration nach Nordwesten teilweise offen; und nach dem Rückzug des Eises wanderten die blauen Menschen gemeinsam mit ein paar anderen kleinen Rassengruppen auf den alten Pfaden der andonischen Stämme nach Westen. Sie fielen in Europa in aufeinander folgenden Wellen ein und besetzten den größten Teil des Kontinents. In Europa trafen sie bald auf die Neandertal-Nachfahren ihres frühen gemeinsamen Urahns Andon. Diese älteren europäischen Neandertaler waren durch den Gletscher nach Süden und Osten abgedrängt worden und so in der Lage, ihren Vettern, den einfallenden Sangikstämmen, entgegenzutreten und sie rasch zu absorbieren. Im Allgemeinen waren die Sangikstämme zu Beginn intelligenter als die herabgekommenen Nachfahren der frühen andonischen Flachlandbewohner und ihnen in meister Hinsicht weit überlegen, und so hatte die Vermischung der Sangikstämme mit den Neandertalvölkern eine augenblickliche Verbesserung der älteren Rasse zur Folge. Es war diese Zufuhr von Sangikblut, insbesondere der blauen Menschen, welche jene auffallende Verbesserung der Neandertalvölker bewirkte, die sich in den sukzessiven Wellen immer intelligenterer, von Osten her über Europa hinwegfegender Stämme äußerte. Während der folgenden Zwischeneiszeit reichte diese neue Neandertalrasse von England bis Indien. Der auf der alten persischen Halbinsel zurückgebliebene Rest der blauen Rasse vermischte sich später mit anderen, hauptsächlich gelben Menschen, und die daraus hervorgehende Mischung, die in der Folge durch die violette Rasse Adams noch etwas aufgewertet wurde, hat in den dunkelhäutigen Nomadenstämmen der heutigen Araber überlebt. Alle Bemühungen um Identizierung der Sangikabstammung der modernen Völker müssen auch die später erfolgende Verbesserung der Rassenlinien durch die Beimischung adamischen Blutes berücksichtigen. Die höheren Rassen suchten nördliche oder gemäßigte Klimas auf, während die orange, grüne und indigofarbene Rasse nacheinander über die neu aufgetauchte Landbrücke, die das sich nach Westen zurückziehende Mittelmeer vom indischen Ozean trennte, Afrika zustrebten. Das letzte der Sangikvölker, das aus dem Ursprungsland seiner Rasse auswanderte, war das indigofarbene. Etwa um die Zeit, als die grünen Menschen die orange Rasse in Ägypten ausmerzten und sich dabei außerordentlich schwächten, setzte der große schwarze Exodus entlang der Küste Palästinas nach Süden ein. Und als diese körperlich kräftigen Indigovölker später Ägypten überrannten, brachten sie die grünen Menschen allein durch ihre zahlenmäßige Übermacht völlig zum Verschwinden. Die Indigorassen absorbierten die Überreste der orangen Menschen und einen großen Teil der grünen Rasse, und diese Rassendurchmischung hatte eine bedeutende Verbesserung einiger indigofarbener Stämme zur Folge. Daraus geht hervor, dass Ägypten zuerst von den orangen, dann den grünen, schließlich den indigofarbenen (schwarzen) Menschen und noch später von einer Mischrasse von indigofarbenen, blauen und modifizierten grünen Menschen beherrscht wurde. Aber lange vor der Ankunft Adams hatten die blauen Menschen Europas und die gemischten Rassen Arabiens die indigofarbene Rasse aus Ägypten und weit in den Süden Afrikas vertrieben. Am Ende der Migrationen der Sangikvölker sind die grünen und orangen Rassen verschwunden, beherrschen die roten Menschen Nordamerika, die gelben Ostasien und die blauen Europa, während sich die indigofarbene Rasse Afrika zugewandt hat. Indien beherbergt ein Gemisch der sekundären Sangikrassen, und die braunen Menschen, eine Mischung aus rot und gelb, sind im Besitz der Inseln vor der asiatischen Küste. Eine Mischrasse mit einem eher höheren Potential bewohnt die Hochländer Südamerikas. Die reineren Andoniten leben in den extrem nördlichen Gegenden Europas, auf Island, Grönland und im Nordosten Nordamerikas. In den Zeiten des weitesten Gletschervormarsches wären die westlichsten der andonischen Stämme beinahe ins Meer geworfen worden. Jahrelang lebten sie auf einem schmalen südlichen Streifen der heutigen englischen Insel. Und es war die überlieferte Erinnerung an diese wiederholten Gletschervorstöße, die sie dazu bewegte, sich auf das Meer hinauszuwagen, als endlich der sechste und letzte Gletscher erschien. Sie waren die ersten Seeabenteurer. Sie bauten Boote und stachen auf der Suche nach neuen Ländern in der Hoffnung in See, diese seien von den schrecklichen Eiseinbrüchen frei. Und einige von ihnen erreichten tatsächlich Island, andere Grönland, aber die große Mehrheit kam vor Hunger und Durst auf offener See um. Vor etwas mehr als achtzigtausend Jahren, kurz nachdem die roten Menschen den Nordwesten Nordamerikas betreten hatten, trieben die zufrierenden nördlichen Meere und der Vormarsch der lokalen Eisfelder Grönlands diese Eskimo-Nachfahren der Ureinwohner Urantias dazu, ein besseres Land, eine neue Heimat zu suchen; und sie hatten dabei Erfolg, denn sie durchquerten unversehrt die schmalen Meeresstraßen, die damals Grönland von den nordöstlichen Landmassen Nordamerikas trennten. Sie erreichten den Kontinent etwa einundzwanzig Jahrhunderte nach der Ankunft der roten Menschen in Alaska. In der Folge zogen einige gemischte Stämme der blauen Menschen nach Westen und vermischten sich mit den späteren Eskimos, und diese Verbindung war für die Eskimosippen eher vorteilhaft. Etwa vor fünftausend Jahren traf am südwestlichen Hudson Bay-Ufer zufällig ein Indianerstamm auf eine einzelne Gruppe von Eskimos. Die beiden Stämme hatten große Mühe, einander zu verstehen, aber sehr bald heirateten sie untereinander, wobei die Eskimos schließlich in den zahlreicheren roten Menschen aufgingen. Und dies ist der einzige Kontakt der nordamerikanischen roten Menschen mit irgendeiner anderen Menschenart, bis die weißen Menschen vor rund eintausend Jahren zufälligerweise an der atlantischen Küste landeten. Die Kämpfe dieser frühen Zeitalter zeichneten sich durch Mut, Tapferkeit und sogar Heroismus aus. Und wir alle bedauern, dass die späteren Rassen so viele dieser echten und robusten Charakterzüge eurer frühen Vorfahren verloren haben. Zwar wissen wir den Wert vieler Verfeinerungen der fortschreitenden Zivilisation zu schätzen, aber wir vermissen die euren frühen Vorfahren eigene großartige Beharrlichkeit und wunderbare Hingabefähigkeit, die manchmal an Größe und Erhabenheit grenzten. [Dargeboten von einem auf Urantia wohnhaften Lebensbringer.] ****** Kapitel 65 Die Überwachung der Evolution ****** FORMULIERT wird das grundlegende evolutionäre materielle Leben - das vormentale Leben - durch die Physischen Hauptüberwacher und das lebenspendende Amt der Sieben Hauptgeiste in Verbindung mit dem aktiven Dienst der beauftragten Lebensbringer. Als Ergebnis des Zusammenwirkens dieser dreifachen Kreativität entwickelt sich die physische Verstandeskapazität der Organismen - entwickeln sich materielle Mechanismen, die zu intelligenter Reaktion auf äußere Umweltreize und später auf innere Reize fähig sind, auf Einflüsse, die im Verstand des Organismus selbst entstehen. Es gibt demnach drei verschiedene Ebenen der Lebensentstehung und - entwicklung: 1. Der physische Energiebereich - Schaffung mentaler Kapazität. 2. Das mentale Amt der Hilfsgeiste - welches bereits auf die geistige Kapazität übergreift. 3. Die Geistbegabung des sterblichen Verstandes - die in der Verleihung der Gedankenjustierer gipfelt. Die mechanischen, nicht unterweisbaren Ebenen der Ansprechbarkeit der Organismen auf die Umwelt fallen in den Bereich der physischen Überwacher. Die mentalen Hilfsgeiste aktivieren und regulieren die anpassungsfähigen oder nichtmechanischen, unterweisbaren Verstandestypen - jene Antwortmechanismen von Organismen, die fähig sind, aus Erfahrung zu lernen. Und so wie die Hilfsgeiste die mentalen Potentiale handhaben, üben die Lebensbringer nach ihrem Ermessen eine beträchtliche Kontrolle über die Umweltaspekte der Evolutionsprozesse aus, und dies solange, bis der menschliche Wille erscheint - die Fähigkeit, Gott zu kennen, und die Entschlusskraft, ihn anzubeten. Es ist dieses Zusammenwirken von Lebensbringern, physischen Überwachern und Hilfsgeisten, das den Lauf der organischen Evolution auf den bewohnten Welten bedingt. Und das ist der Grund, weshalb die Evolution - auf Urantia oder anderswo - stets planvoll und nie zufällig erfolgt. ***** 65.1 Funktionen der Lebensbringer ***** Die Lebensbringer verfügen über Potentiale der Persönlichkeitsmetamorphose, wie nur wenig Geschöpfesordnungen sie besitzen. Diese Söhne des Lokaluniversums sind fähig, in drei verschiedenen Seinszuständen zu funktionieren. Sie erfüllen ihre Aufgaben gewöhnlich als Söhne der mittleren Existenzebene, welches ihre ursprüngliche Daseinsform ist. Aber in dieser Existenzform könnte ein Lebensbringer unmöglich in den elektrochemischen Bereichen wirken, um physische Energien und materielle Partikel in Einheiten lebendiger Existenz zu überführen. Die Lebensbringer können auf den folgenden drei Ebenen funktionieren: 1. Auf der physischen Ebene der Elektrochemie. 2. Auf der gewöhnlichen mittleren, quasi-morontiellen Existenzebene. 3. Auf der fortgeschrittenen halbgeistigen Ebene. Wenn sich die Lebensbringer anschicken, Leben anzusiedeln, nachdem sie die für ein solches Vorhaben geeigneten Orte ausgesucht haben, lassen sie die Erzengelkommission zur Verwandlung der Lebensbringer kommen. Diese Gruppe besteht aus zehn verschiedenen Persönlichkeitsordnungen, einschließlich der physischen Überwacher und ihrer Mitarbeiter, und wird vom Haupt der Erzengel geleitet, das auf Weisung Gabriels und mit Erlaubnis der Ältesten der Tage in dieser Eigenschaft handelt. Wenn diese Wesen in geeigneter Weise zusammengeschaltet sind, können sie in den Lebensbringern Veränderungen auslösen, die diese befähigen, sogleich auf den physischen Ebenen der Elektrochemie zu funktionieren. Wenn die Lebensmodelle einmal formuliert und die materiellen Organisationen bereitstehen, treten sofort die an der Lebensvergabe beteiligten übermateriellen Kräfte in Aktion, und das Leben existiert. Danach werden die Lebensbringer unverzüglich wieder auf ihre normale mittlere Ebene persönlicher Existenz zurückversetzt, in welchem Zustand sie die lebenden Einheiten manipulieren und die sich entwickelnden Organismen steuern können, obwohl sie nun jeglicher Fähigkeit, neue Modelle lebender Materie zu organisieren - zu erschaffen - beraubt sind. Nachdem die organische Evolution in bestimmten Bahnen verlaufen und der freie Wille des menschlichen Typs in den höchsten sich entwickelnden Organismen erschienen ist, müssen die Lebensbringer entweder den Planeten verlassen oder aber ein Verzichtsgelübde ablegen; das heißt, sie müssen sich verpflichten, künftig jeden Versuch zu unterlassen, den Lauf der organischen Evolution zu beeinflussen. Und wenn jene Lebensbringer, die sich dafür entscheiden, als künftige Berater derer auf dem Planeten zu bleiben, die mit der Förderung der neu entwickelten Willensgeschöpfe betraut sind, freiwillig ein solches Gelübde ablegen, wird eine Zwölferkommission aufgeboten, präsidiert vom Oberhaupt der Abendsterne, der im Namen des Systemsouveräns und mit Erlaubnis Gabriels handelt; und augenblicklich werden diese Lebensbringer in die dritte Phase persönlicher Existenz überführt - auf die halbgeistige Seinsebene gehoben. Und ich habe auf Urantia seit der Zeit von Andon und Fonta stets auf dieser dritten Existenzebene gewirkt. Wir freuen uns auf die Zeit, wenn das Universum im Licht und Leben verankert sein wird, auf eine mögliche vierte Seinsstufe, auf der wir völlig geistig sein werden, aber es ist uns nie eröffnet worden, durch welche Technik wir diesen wünschenswerten, fortgeschrittenen Zustand erreichen können. ***** 65.2 Das Panorama der Evolution ***** Die Geschichte des Aufstiegs des Menschen von der Alge zum Herrn über die irdische Schöpfung ist wirklich ein abenteuerliches Epos biologischen Kampfes und mentalen Überlebens. Des Menschen allererste Vorfahren waren buchstäblich der Schlamm und Schlick des Ozeangrunds der trägen und warmen Buchten und Lagunen entlang den ausgedehnten Uferlinien der alten Inlandmeere, jener Gewässer, in denen die Lebensbringer die drei unabhängigen Lebensansiedlungen Urantias vornahmen. Heute sind nur noch sehr wenige Arten des frühen Typs mariner Vegetation am Leben, die an den epochalen Veränderungen teilhatten, welche zu den Organismen an der Grenze zum Tierreich führten. Die Schwämme sind die Überlebenden eines dieser frühen Zwischentypen, jener Organismen, durch welche der allmähliche Übergang vom Pflanzlichen zum Tierischen geschah. Obwohl diese frühen Übergangsformen mit den heutigen Schwämmen nicht identisch waren, glichen sie ihnen doch sehr stark; es waren richtige Grenzorganismen - weder Pflanze noch Tier - aber sie führten schließlich zur Entwicklung der wahren tierischen Lebensformen. Die Bakterien, einfache pflanzliche Organismen sehr primitiver Natur, haben sich seit dem Beginn des Lebens nur sehr wenig verändert; ihr parasitäres Verhalten verrät sogar einen gewissen Rückschritt. Auch viele Pilze stellen eine Rückwärtsbewegung in der Evolution dar, denn es sind Pflanzen, die ihre Fähigkeit zur Chlorophyllbildung eingebüßt haben und mehr oder weniger parasitär geworden sind. Die Mehrzahl der krankheitserregenden Bakterien und der neben ihnen wirkenden Viruskörper gehören wirklich dieser Gruppe abtrünniger, parasitärer Pilze an. In den dazwischen liegenden Zeitaltern hat sich das gewaltige Reich pflanzlichen Lebens aus Ahnen entwickelt, von denen auch die Bakterien abstammen. Bald erschien der höhere Tiertypus der Protozoen, und er erschien plötzlich. Und aus diesen fernen Zeiten ist die Amöbe, der typische einzellige Tierorganismus, fast unverändert auf uns gekommen. Sie tollt sich heute noch so ziemlich wie damals herum, als sie die jüngste und größte Errungenschaft der Lebensevolution darstellte. Dieses winzige Geschöpf und seine einzelligen Vettern sind für die Tierschöpfung, was die Bakterien für das Pflanzenreich sind; sie verkörpern das Überdauern der ersten frühen Evolutionsschritte in der Differenzierung des Lebens und zugleich das Scheitern weiterer Entwicklung. Es dauerte nicht lange, und die einzelligen Tiertypen taten sich zu Gemeinschaften zusammen, zunächst nach dem Plan des Volvox und bald darauf nach dem der Hydra und Qualle. Noch später entwickelten sich die Seesterne, Meerlilien, Seeigel, Seegurken, Tausendfüßler, Insekten, Spinnen, Krustentiere und die engverwandten Gruppen der Regenwürmer und Blutegel, auf die bald die Mollusken - die Austern, Tintenfische und Schnecken - folgten. Hunderte und Aberhunderte von Arten traten auf und gingen wieder unter; Erwähnung finden hier nur jene, die den langen, langen Kampf überlebt haben. Solche sich nicht vorwärtsentwickelnden Vertreter des Tierreichs, wie auch die später erscheinende Familie der Fische, stellen heute die stehengebliebenen Typen früher und niedrigerer Tiere dar, sind Zweige am Baum des Lebens, denen der Fortschritt misslang. Und so war nun alles bereit für das Erscheinen der ersten Wirbeltiere, der Fische. Der Fischfamilie entsprangen zwei einzigartige Modifikationen, der Frosch und der Salamander. Und es war der Frosch, der im Tierleben jene Serie fortschreitender Differenzierungen einleitete, die schließlich im Menschen selber gipfelten. Der Frosch ist einer der frühesten überlebenden Ahnen der Menschenrasse, aber auch ihm gelang kein Fortschritt, und er sieht heute noch ungefähr so aus wie in jenen fernen Zeiten. Der Frosch ist die einzige Ahnengattung der frühen Menschenrassen, die jetzt noch auf der Erde lebt. Die menschliche Rasse besitzt zwischen Frosch und Eskimo keine überlebenden Vorfahren. Aus den Fröschen gingen die Reptilien hervor, eine große, jetzt praktisch ausgestorbene Tierfamilie, der aber vor ihrem Verlöschen die ganze Vogelfamilie und die zahlreichen Säugetierordnungen entsprangen. Wahrscheinlich der größte Sprung in der ganzen vormenschlichen Entwicklung erfolgte, als aus dem Reptil ein Vogel wurde. Die heutigen Vogelarten - Adler, Enten, Tauben und Strauße - gehen alle auf die riesigen Reptilien längst vergangener Zeiten zurück. Das Reich der Reptilien, die sich von der Froschfamilie herleiten, besteht heute aus vier überlebenden Abteilungen: aus zwei nicht fortschreitenden, den Schlangen und Echsen und ihren Vettern, den Krokodilen und Schildkröten; aus einer teilweise fortschreitenden, der Vogelfamilie; die vierte besteht aus den Vorfahren der Säuger und führt in direkter Linie zur menschlichen Gattung. Aber obwohl die Reptilien längst ausgestorben sind, fand ihr wuchtiger Bau ein Echo in Elefanten und Mastodonten, während sich ihre absonderliche Gestalt in den hüpfenden Känguruhs erhalten hat. Nur insgesamt vierzehn große Stämme sind auf Urantia erschienen, von denen die Fische der letzte sind, und seit Vögeln und Säugetieren haben sich keine neuen Klassen entwickelt. Es war ein kleines lebhaftes Reptil, ein fleischfressender, aber mit einem vergleichsweise großen Gehirn ausgestatteter Dinosaurier, aus dem plötzlich die Plazenta-Säugetiere hervorgingen. Diese Säuger entwickelten sich rasch und auf verschiedenste Weise und ließen nicht nur die gängigen modernen Varietäten entstehen, sondern entwickelten sich auch zu Meerestypen wie Wale und Robben und zu Luftnavigatoren wie die Fledermausfamilie. Der Mensch entwickelte sich also aus den höheren Säugetieren, die hauptsächlich aus der westlichen Lebensansiedlung in den alten geschützten ost-westlichen Meeren hervorgegangen waren. Die östliche und die zentrale Gruppe lebender Organismen entwickelten sich schon früh günstig auf vormenschliche Stufen tierischer Existenz hin. Aber mit dem Vergehen der Zeitalter erwies sich der östliche Lebensherd als unfähig, eine zufriedenstellende Ebene vormenschlicher Intelligenz zu erreichen; denn wiederholt erlitt er so unersetzliche Verluste seiner höchsten Keimplasmatypen, dass er für immer der Macht zur Wiedergewinnung menschlicher Potentiale beraubt wurde. Da die Qualität der mentalen Entwicklungsmöglichkeiten der östlichen Gruppe derjenigen der beiden anderen Gruppen so eindeutig unterlegen war, manipulierten die Lebensbringer im Einverständnis mit ihren Vorgesetzten die Umwelt in einer Weise, die diese niedrigeren vormenschlichen Linien des sich entwickelnden Lebens stärker eingrenzte. Von außen gesehen schien die Eliminierung dieser tieferstehenden Gruppen von Geschöpfen zufällig zu erfolgen, aber in Wirklichkeit geschah sie ganz und gar zielbewusst. Zu einem späteren Zeitpunkt der evolutionären Intelligenzentfaltung waren die Lemuren-Vorfahren der menschlichen Gattung in Nordamerika denen anderer Gegenden weit voraus; und deshalb veranlasste man sie, vom Schauplatz der westlichen Lebensansiedlung über die Beringlandbrücke und der Küste folgend nach Südwestasien zu wandern, wo sie sich weiterentwickelten und von der Beimischung gewisser Erblinien der zentralen Lebensgruppe profitierten. Demnach entwickelte sich der Mensch aus gewissen westlichen und zentralen Lebenslinien, aber in den zentralen und nahöstlichen Gegenden. So entfaltete sich das auf Urantia angesiedelte Leben bis zur Eiszeit, als der Mensch zum ersten Mal erschien und mit seinem bewegten planetarischen Entwicklungsgang begann. Und dass der primitive Mensch auf Erden gerade während der Eiszeit erschien, war nicht einfach Zufall; es geschah planmäßig. Die Härten und die klimatische Rauhheit der Gletscherära wurden in jeder Weise dem Vorhaben gerecht, einen zähen und hervorragend zum Überleben ausgerüsteten Menschentyp hervorzubringen. ***** 65.3 Die Steuerung der Evolution ***** Es wird kaum möglich sein, dem heutigen menschlichen Verstand viele der wunderlichen und scheinbar grotesken Geschehnisse des frühen Evolutionsprozesses zu erklären. Hinter all diesen seltsam erscheinenden Entwicklungen lebendiger Wesen war ein absichtsvoller Plan am Werk, aber wir haben keine Erlaubnis, willkürlich in die Entwicklung der Lebensmodelle einzugreifen, wenn sie einmal in Gang gesetzt worden ist. Die Lebensbringer dürfen jedes natürliche Hilfsmittel einsetzen und sämtliche zufälligen Begleitumstände benutzen, um den Entwicklungsprozess des Lebensexperiments zu fördern, aber es ist uns nicht erlaubt, mechanisch in Verhalten und Ablauf der pflanzlichen oder tierischen Evolution einzugreifen oder sie willkürlich zu manipulieren. Ihr habt erfahren, dass die Sterblichen Urantias aus der Entwicklung eines primitiven Frosches hervorgegangen sind und dass diese aufsteigende Linie, deren Potential in einem einzelnen Frosch enthalten war, bei einer bestimmten Gelegenheit knapp der Auslöschung entgangen ist. Aber man sollte daraus nicht schließen, dass die Menschheitsevolution in diesem kritischen Augenblick durch einen Zufall beendet worden wäre. Zur selben Zeit beobachteten und förderten wir nicht weniger als eintausend verschiedene und weit auseinanderliegende mutierende Lebenslinien, die mehreren verschiedenen Modellen vormenschlicher Entwicklung hätten zugeführt werden können. Jener bewusste Froschahne war unsere dritte Wahl, nachdem die zwei früher beobachteten Lebenslinien trotz all unserer zu ihrer Erhaltung unternommenen Anstrengungen umgekommen waren. Sogar der Verlust von Andon und Fonta, noch ehe sie Kinder hatten, hätte die menschliche Entwicklung, wenn auch verzögert, aber nicht aufgehalten. Nach dem Erscheinen Andons und Fontas und bevor die mutationsfähigen menschlichen Potentiale des tierischen Lebens erschöpft waren, entwickelten sich nicht weniger als siebentausend günstige Linien, die irgendeinen menschlichen Entwicklungstyp hätten hervorbringen können. Und viele dieser besseren Linien wurden in der Folge durch die verschiedenen Zweige der in Expansion begriffenen menschlichen Gattung assimiliert. Lange bevor der Materielle Sohn und die Materielle Tochter, die biologischen Veredler, auf einem Planeten ankommen, sind die menschlichen Potentiale der sich entwickelnden Tiergattung erschöpft. Diesen biologischen Status des Tierlebens erkennen die Lebensbringer am Phänomen der dritten Phase der Hilfsgeist-Mobilisierung, welche automatisch eintritt, wenn die Fähigkeit des ganzen Tierlebens, mutierende Potentiale vormenschlicher Wesen entstehen zu lassen, erloschen ist. Die Menschheit Urantias muss die Probleme ihrer irdischen Entwicklung aufgrund der Menschenbestände lösen, die sie besitzt - in aller Zukunft werden sich aus vormenschlichen Quellen nie neue Rassen entwickeln. Aber diese Tatsache schließt die Möglichkeit nicht aus, durch intelligente Pflege der in den menschlichen Rassen weiterhin vorhandenen evolutionären Potentiale sehr viel höhere Ebenen menschlicher Entwicklung zu erreichen. Das, was wir Lebensbringer vor dem Erscheinen des menschlichen Willens für Pflege und Erhaltung der Lebenslinien tun, muss der Mensch nach diesem Ereignis und nachdem wir uns von der aktiven Beteiligung an der Evolution zurückgezogen haben, für sich selber tun. Ganz allgemein ruht des Menschen evolutionäres Schicksal in seinen eigenen Händen, und wissenschaftliche Intelligenz muss früher oder später an die Stelle des blinden Funktionierens unkontrollierter natürlicher Selektion und zufälligen Überlebens treten. Und wenn wir schon die Steuerung der Evolution besprechen, wäre es nicht unangebracht hervorzuheben, dass ihr in der langen, vor euch liegenden Zukunft, wenn ihr vielleicht einmal einem Lebensbringerkorps zugeteilt sein werdet, mannigfache und reiche Gelegenheit haben werdet, Anregungen zu machen und an den Plänen und Techniken der Lebenslenkung und -verpflanzung alle erdenklichen Verbesserungen vorzunehmen. Seid geduldig! Wenn ihr gute Ideen und einen fruchtbaren Geist für bessere Verwaltungsmethoden auf irgendeinem Gebiet der universellen Bereiche habt, werdet ihr mit Sicherheit Gelegenheit erhalten, sie in kommenden Zeitaltern euren Mitarbeitern und Mitverwaltern zu unterbreiten. ***** 65.4 Das urantianische Abenteuer ***** Überseht die Tatsache nicht, dass Urantia uns als eine Lebensexperimentierwelt zugewiesen wurde. Auf diesem Planeten unternahmen wir unseren sechzigsten Versuch, die Adaptation Satanias der nebadonschen Lebensentwürfe zu verändern und, wenn möglich, zu verbessern, und es ist eine verbürgte Tatsache, dass uns zahlreiche vorteilhafte Änderungen der normalen Lebensmodelle gelungen sind. Um deutlich zu sein, haben wir auf Urantia nicht weniger als achtundzwanzig charakteristische Modifikationen des Lebens ausgearbeitet, die befriedigende Resultate gezeitigt haben und ganz Nebadon in aller Zukunft nützlich sein werden. Aber auf keiner Welt ist die Einsetzung des Lebens jemals ein Experiment in dem Sinne, dass etwas nie Versuchtes und Unbekanntes gewagt würde. Die Evolution des Lebens ist eine Technik, die stets fortschrittlich, differenziert und veränderlich ist, nie aber willkürlich, unkontrolliert oder völlig experimentell im Sinne des Zufalls. Viele Züge des menschlichen Lebens sind ein reichlicher Beweis dafür, dass das Phänomen der menschlichen Existenz intelligent geplant wurde, dass die organische Evolution nicht nur ein kosmischer Zufall ist. Wenn eine lebende Zelle verletzt wird, hat sie die Fähigkeit, gewisse chemische Substanzen zu bilden, die imstande sind, die benachbarten normalen Zellen so zu stimulieren und zu aktivieren, dass diese unmittelbar mit der Sekretion bestimmter Substanzen beginnen, welche den Heilungsprozess der Wunde erleichtern; und zugleich beginnen die normalen, unverletzten Zellen, sich zu vermehren - sie beginnen neue Zellen zu erschaffen, um Bruderzellen zu ersetzen, die bei dem Unfall etwa zerstört worden sind. Diese an der Wundheilung und Zellreproduktion beteiligte chemische Aktion und Reaktion stellt die von den Lebensbringern getroffene Wahl einer Formel dar, die über einhunderttausend Phasen und Eigenheiten möglicher chemischer Reaktionen und biologischer Rückwirkungen einschließt. Mehr als eine halbe Million gezielter Experimente wurden von den Lebensbringern in ihren Laboratorien gemacht, bevor sie sich endlich auf diese Formel für das Lebensexperiment auf Urantia festlegten. Wenn die Wissenschaftler Urantias einmal mehr über diese chemischen Heilstoffe wissen, werden sie Verletzungen wirksamer behandeln können und dadurch indirekt gewisse schwere Krankheiten besser in den Griff bekommen. Seit das Leben auf Urantia seinen Anfang genommen hat, haben die Lebensbringer diese Technik der Heilung auf einer anderen Welt Satanias eingeführt und sie insofern verbessert, als sie nun in höherem Maße schmerzlindernd wirkt und die Wucherfähigkeit der am Prozess beteiligten Zellen besser kontrolliert. Viele einmalige Besonderheiten zeichneten das urantianische Lebensexperiment aus, aber die beiden hervorstechendsten Episoden waren das Erscheinen der andonischen Rasse vor der Evolution der sechs farbigen Völker und das spätere gleichzeitige Auftreten der Sangik-Mutanten in einer einzigen Familie. Urantia ist die erste Welt Satanias, auf der die sechs farbigen Rassen einer einzigen menschlichen Familie entsprangen. Gewöhnlich gehen sie aus verschiedenen Linien der vormenschlichen Tierrasse durch voneinander unabhängige Mutationen hervor und erscheinen im Allgemeinen auf Erden nur immer eine auf einmal und nacheinander über lange Zeitspannen verteilt, wobei der rote Mensch den Anfang macht und die anderen Farben bis Indigo folgen. Eine andere auffallende Verschiedenheit der Vorgehensweise war die späte Ankunft des Planetarischen Fürsten. In der Regel erscheint der Fürst auf einem Planeten zur Zeit der Willensentwicklung; und hätte man einen solchen Plan befolgt, wäre Caligastia wohl schon zu Lebzeiten Andons und Fontas nach Urantia gekommen statt fast fünfhunderttausend Jahre später und gleichzeitig mit dem Erscheinen der sechs Sangikrassen. Einer gewöhnlichen bewohnten Welt wäre zum Zeitpunkt des Erscheinens Andons und Fontas oder etwas später auf Ersuchen der Lebensbringer ein Planetarischer Fürst gewährt worden. Aber da Urantia zu einem Planeten mit modifiziertem Leben bestimmt worden war, geschah es aufgrund einer früheren Übereinkunft, dass zwölf Melchisedek-Beobachter als Berater der Lebensbringer und als Überwacher des Planeten bis zu der späteren Ankunft des Planetarischen Fürsten entsandt wurden. Diese Melchisedeks kamen an, als Andon und Fonta jene Entscheidungen trafen, die es den Gedankenjustierern ermöglichten, ihren sterblichen Verstand zu bewohnen. Auf Urantia führten die Bemühungen der Lebensbringer um Verbesserung der Lebensmodelle Satanias notwendigerweise zur Entstehung vieler scheinbar nutzloser Übergangsformen des Lebens. Aber die aus den urantianischen Modifikationen der normalen Lebenspläne bereits erwachsenen Gewinne genügen, um sie zu rechtfertigen. Es war unsere Absicht, dass sich im evolutionären Leben Urantias der Wille schon früh zeige, und dies ist uns gelungen. Üblicherweise erwacht der Wille erst, wenn die farbigen Rassen schon seit langem existieren, und gewöhnlich erscheint er zuerst unter den höheren Typen der roten Menschen. Eure Welt ist der einzige Planet Satanias, wo der menschliche Willenstypus in einer den farbigen Rassen vorangegangenen Rasse erschienen ist. Aber bei unserem Bemühen, für jene Kombination und Verbindung von Erbfaktoren zu sorgen, die schließlich die Säugervorfahren der menschlichen Rasse hervorgebracht haben, sahen wir uns vor die Notwendigkeit gestellt zu erlauben, dass sich Hunderte, ja Tausende anderer und relativ nutzloser Kombinationen und Verbindungen von Erbfaktoren einstellten. Mit Sicherheit werdet ihr verwundert auf viele dieser scheinbar absonderlichen Nebenprodukte unserer Anstrengungen stoßen, wenn ihr in der planetarischen Vergangenheit grabt, und ich kann gut verstehen, wie rätselhaft einiges davon der begrenzten menschlichen Sichtweise erscheinen muss. ***** 65.5 Wechselfälle der Evolution des Lebens ***** Es war für uns Lebensbringer eine Quelle großen Kummers, dass unsere besonderen Bemühungen um die Modifizierung des intelligenten Lebens auf Urantia derart durch tragische, sich unserer Kontrolle entziehende Verirrungen behindert wurden: durch Caligastias Verrat und Adams Verfehlung. Aber die größte Enttäuschung während dieses ganzen biologischen Abenteuers bereitete uns die in einem umfassenden und unerwarteten Ausmaß eintretende Rückentwicklung eines bestimmten Teils des primitiven Pflanzenlebens auf die dem Chlorophyll vorausgehenden Ebenen parasitärer Bakterien. Dieses Evolutionsergebnis im pflanzlichen Leben verursachte bei den höheren Säugetieren, insbesondere in der verwundbareren menschlichen Gattung, viele qualvolle Krankheiten. Als wir dieser beunruhigenden Situation gegenüberstanden, maßen wir den damit verbundenen Schwierigkeiten keine allzu große Bedeutung bei, da wir wussten, dass die spätere Beimischung adamischen Lebensplasmas die Abwehrkräfte der entstehenden Mischrasse derart stärken würde, dass sie gegen all diese durch Organismen des pflanzlichen Typs hervorgerufenen Krankheiten praktisch immun würde. Aber unsere Hoffnungen sollten durch das Unglück der adamischen Verfehlung enttäuscht werden. Das Universum der Universen, einschließlich dieser kleinen, Urantia genannten Welt, wird nicht nur gelenkt, um unseren Beifall zu finden, noch um mit dem, was uns genehm ist, übereinzustimmen, und noch viel weniger, um auf unsere Grillen einzugehen und unsere Neugierde zu befriedigen. Die weisen und allmächtigen Wesen, die für die Lenkung des Universums verantwortlich sind, wissen zweifelsohne ganz genau, was sie tun; und so geziemt es sich für Lebensbringer und schickt es sich für sterbliche Gemüter, mitzuwirken in geduldigem Abwarten und beherzter Zusammenarbeit mit der Herrschaft der Weisheit, dem Walten der Macht und dem Rhythmus des Fortschritts. Es gibt natürlich auch gewisse Entschädigungen für die Widerwärtigkeiten, wie etwa Michaels Selbsthingabe auf Urantia. Aber unabhängig von solchen Überlegungen bekunden die späteren himmlischen Leiter dieses Planeten volles Vertrauen in den letztendlichen evolutionären Triumph der menschlichen Rasse und in die schließliche Rechtfertigung unserer ursprünglichen Pläne und Lebensmodelle. ***** 65.6 Evolutionäre Lebenstechniken ***** Es ist unmöglich, gleichzeitig Lage und Geschwindigkeit eines sich bewegenden Objekts exakt zu bestimmen; jeglicher Messversuch der einen bringt zwangsläufig eine Veränderung der anderen mit sich. Derselben Art von Paradox sieht sich der sterbliche Mensch gegenüber, wenn er sich an eine chemische Analyse des Protoplasmas macht. Der Chemiker kann die Chemie des toten Protoplasmas abklären, aber er kann weder die physische Organisation noch die dynamische Leistung des lebenden Protolasmas erkennen. Der Wissenschaftler wird den Geheimnissen des Lebens stets näher und näher kommen, aber er wird sie nie finden, einfach deshalb, weil er das Protoplasma töten muss, um es zu analysieren. Totes Protoplasma wiegt so schwer wie lebendes Protoplasma, ist aber nicht dasselbe. In allen lebendigen Dingen und Wesen liegt eine ursprüngliche Anpassungsgabe. In jeder lebenden pflanzlichen oder tierischen Zelle, in jedem lebenden - ob materiellen oder geistigen - Organismus liegt eine unersättliche Sehnsucht danach, immer vollkommener zu werden in der Harmonisierung mit der Umwelt, in der Anpassung des Organismus und in zunehmender Lebensverwirklichung. Dieses unablässige Streben aller lebendigen Dinge ist der Beweis dafür, dass es in ihnen einen angeborenen Drang nach Vollkommenheit gibt. Der wichtigste Schritt in der Pflanzenevolution war die Herausbildung der Fähigkeit, Chlorophyll zu erzeugen, und der zweitgrößte Fortschritt war die Evolution von der Spore zum komplexen Samen. Die Spore ist äußerst wirksam als Mittel zur Reproduktion, aber ihr fehlen die dem Samen eigenen Potentiale an Vielfalt und Vielseitigkeit. Eine der nützlichsten und komplexesten Episoden der Evolution der höheren Tiertypen war die vom Eisen entwickelte Fähigkeit, in den zirkulierenden Blutkörperchen die Doppelrolle eines Sauerstoffzubringers und Kohlendioxydentsorgers zu übernehmen. Und diese Leistung der roten Blutkörperchen veranschaulicht die Art, wie in Entwicklung begriffene Organismen ihre Funktionen einer wechselnden oder veränderten Umwelt anzupassen wissen. Die höheren Tiere einschließlich des Menschen versorgen ihr Gewebe mit Sauerstoff dank der Wirkung des Eisens der roten Blutkörperchen, welche den lebenden Zellen den Sauerstoff zuführen und deren Kohlendioxyd ebenso wirksam abtransportieren. Aber auch andere Metalle können demselben Zweck dienen. Der Tintenfisch verwendet für diese Funktion Kupfer und die Seescheide benutzt dazu Vanadium. Die Kontinuität derartiger biologischer Einstimmungen zeigt sich am Beispiel der Entwicklung der Zähne bei den höheren Säugern Urantias; die fernen Vorfahren des Menschen hatten deren sechsunddreißig, und dann begann bei den Menschen der Frühe und ihren nahen Verwandten eine Neuanpassung und - einstellung auf zweiunddreißig hin. Und jetzt bewegt sich die menschliche Gattung langsam auf achtundzwanzig Zähne zu. Der Evolutionsprozess ist auf diesem Planeten immer noch im Gang und in adaptivem Fortschritt begriffen. Aber viele vermeintlich mysteriöse Anpassungen lebender Organismen sind rein chemischer, gänzlich physischer Natur. In jedem Augenblick existiert im Blutstrom jedes menschlichen Wesens die Möglichkeit von mehr als 15 000 000 chemischen Reaktionen zwischen dem Hormonausstoß eines Dutzends endokriner Drüsen. Die niedrigeren Formen pflanzlichen Lebens reagieren ausschließlich auf das physische, chemische und elektrische Umfeld. Aber auf immer höheren Lebensstufen treten einer nach dem anderen die mentalen Einflüsse der sieben Hilfsgeiste in Aktion, und der Verstand wird immer anpassungsfähiger, schöpferischer, koordinationsfreudiger und durchsetzungsfähiger. Die Fähigkeit der Tiere, sich der Luft, dem Wasser und dem Land anzupassen, ist keine übernatürliche Begabung, jedoch eine überphysische Anpassung. Physik und Chemie allein können nicht erklären, wie sich aus dem Urplasma der frühen Meere ein menschliches Wesen entwickeln konnte. Die Fähigkeit zu lernen, Gedächtnis und differenzierte Reaktion auf die Umwelt sind Verstandesbegabungen. Die Gesetze der Physik antworten nicht auf Einübung; sie sind ehern und unveränderlich. Die Reaktionen der Chemie werden durch Erziehung nicht verändert; sie sind einheitlich und verlässlich. Wenn man von der Gegenwart des Uneingeschränkten Absoluten absieht, sind elektrische und chemische Reaktio-nen voraussehbar. Aber der Verstand kann sich die Erfahrung zunutze machen, kann aus den Gewohnheiten des Verhaltens lernen, die als Reaktion auf wiederholte Reize erfolgen. Vorintelligente Organismen reagieren auf Umweltreize, aber Organismen, welche auf das Wirken des Verstandes reagieren, können selber die Umwelt beeinflussen und umgestalten. Das physische Gehirn mit dem ihm beigegebenen Nervensystem besitzt die angeborene Fähigkeit des Reagierens auf das Wirken des Verstandes, gerade so wie der sich entwickelnde Verstand einer Persönlichkeit eine gewisse angeborene Fähigkeit der Geistempfänglichkeit besitzt und deshalb über die Potentiale geistigen Fortschritts und geistiger Vollbringung verfügt. Die intellektuelle, soziale, sittliche und geistige Evolution sind abhängig vom Verstandesamt der sieben Hilfsgeiste und ihrer überphysischen Mitarbeiter. ***** 65.7 Evolutionäre Verstandesstufen ***** Die sieben mentalen Hilfsgeiste sind die vielseitigen Spender des Verstandes an die niedrigeren intelligenten Existenzen eines Lokaluniversums. Diese Verstandesart wird von der Hauptwelt des Lokaluniversums oder einer mit dieser verbundenen Welt aus gespendet, aber es gibt einen von den Systemkapitalen ausgehenden, lenkenden Einfluss auf die niedrigere Verstandesfunktion. Auf einer evolutionären Welt hängt vieles, sehr vieles vom Wirken dieser sieben Helfer ab. Aber es sind mentale Spender; die physische Evolution, die Domäne der Lebensbringer, betrifft sie nicht. Gleichwohl ist die vollkommene Integration dieser geistigen Gaben in den verordneten, natürlichen Gang des sich entfaltenden, zugrunde liegenden Lebensbringerplans verantwortlich für das Unvermögen der Sterblichen, in den Verstandesphänomenen etwas anderes als das Walten der Natur und den Ablauf natürlicher Prozesse zu sehen, wenn ihr auch gelegentlich etwas ratlos seid, alles und jedes zu erklären, was die natürlichen Reaktionen des Verstandes betrifft, wenn er mit der Materie verbunden ist. Würde übrigens Urantia mehr im Einklang mit den ursprünglichen Plänen handeln, fändet ihr in den Verstandesphänomenen noch weniger, was eure Aufmerksamkeit erregen würde. Die sieben Hilfsgeiste gleichen mehr Kreisläufen als Wesenheiten, und auf gewöhnlichen Welten sind sie mit anderen im ganzen Lokaluniversum wirkenden Hilfsfunktionen zusammengeschaltet. Auf Planeten, wo mit dem Leben experimentiert wird, sind sie indessen relativ isoliert. Und auf Urantia stießen die niedrigeren von ihnen aufgrund der einzigartigen Natur der Lebensmodelle auf weit größere Schwierigkeiten, mit den evolutionären Organismen in Kontakt zu treten, als dies bei einem üblicheren Typ von Lebensverleihung der Fall gewesen wäre. Ferner sind die sieben mentalen Hilfsgeiste auf einer durchschnittlichen evolutionären Welt mit den fortschreitenden Stadien der Tierentwicklung weit besser synchronisiert, als dies auf Urantia der Fall war. Von einer einzigen Ausnahme abgesehen, begegneten die Helfer bei der Kontaktaufnahme mit der sich entwickelnden Intelligenz der Organismen Urantias größeren Schwierigkeiten, als sie während all ihres Wirkens im ganzen Universum von Nebadon jemals gehabt hatten. Auf dieser Welt entwickelten sich vielerlei Grenzphänomene - verworrene Kombinationen des mechanisch-nichtunterweisbaren mit dem nichtmechanisch-unterweisbaren Ansprechbarkeits-Typ der Organismen. Die sieben mentalen Hilfsgeiste stellen keinen Kontakt zu Organismen her, die rein mechanisch auf die Umwelt reagieren. Solche vorintelligenten Antworten lebender Organismen fallen ganz und gar in die Energiedomäne der Machtzentren, der physischen Überwacher und ihrer Mitarbeiter. Die Erwerbung des Potentials der Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen, markiert den Beginn des Funktionierens der Hilfsgeiste, und sie funktionieren vom niedrigsten Verstand primitiver und unsichtbarer Existenzen bis zu den auf der evolutionären Stufenleiter zuoberst stehenden Typen menschlicher Wesen. Sie sind Quell und Modell des ansonsten mehr oder weniger mysteriösen Verhaltens des Verstandes und seiner unvollkommen begriffenen, schnellen Reaktionen auf die materielle Umgebung. Lange müssen diese treuen und verlässlichen Einflüsse ihres vorbereitenden Amtes walten, bevor der tierische Verstand menschliche Ebenen der Geistempfänglichkeit erreicht. Die Hilfsgeiste wirken in der Evolution des erfahrenden Verstandes bis zur Ebene der sechsten Phase, jener des Geistes der Anbetung, allein. Auf dieser Stufe tritt ein unvermeidliches Überlappen der geistigen Einflüsse ein - das Phänomen des Höheren, das sich hinabbeugt, um sich mit dem Niedrigeren zu koordinieren in Vorausnahme des späteren Erreichens fortgeschrittener Entwicklungsebenen. Und noch zusätzliche Geisteinflüsse begleiten das Wirken des siebenten und letzten Hilfsgeistes, des Geistes der Weisheit. Im Laufe der Betreuung durch die geistige Welt erfährt das Einzelwesen nie abrupte Übergänge geistiger Zusammenarbeit; stets erfolgen diese Wechsel allmählich und wechselseitig. Immer sollten die Bereiche der physischen (elektrochemischen) und der mentalen Reaktion auf Umweltreize auseinander gehalten werden; und beide müssen als von geistigen Aktivitäten gesonderte Phänomene erkannt werden. Die Bereiche physischer, mentaler und geistiger Gravitation sind trotz ihrer innigen Vernetzung verschiedene Gebiete kosmischer Realität. ***** 65.8 Evolution in Zeit und Raum ***** Zeit und Raum sind unauflösbar miteinander verknüpft; es gibt zwischen ihnen eine angeborene Verbindung. Zeitliche Fristen sind in Gegenwart bestimmter Raumbedingungen unvermeidlich. Solltet ihr euch darüber wundern, dass man so viel Zeit braucht, um in der Lebensentwicklung evolutionäre Veränderungen herbeizuführen, würde ich darauf antworten, dass wir die Zeit, die die Lebensprozesse zu ihrer Entfaltung brauchen, nicht kürzer bemessen können, als es die physischen Metamorphosen eines Planeten erlauben. Wir müssen die natürliche, physische Entwicklung eines Planeten abwarten; wir haben absolut keine Kontrolle über die geologische Evolution. Wenn die physischen Bedingungen es erlaubten, könnten wir in bedeutend weniger als einer Million Jahren für die abgeschlossene Evolution des Lebens sorgen. Aber wir unterstehen alle der Gerichtsbarkeit der Supremen Lenker des Paradieses, und im Paradies existiert keine Zeit. Der Maßstab des Einzelnen für die Zeitmessung ist die Länge seines Lebens. Alle Geschöpfe sind in dieser Weise durch die Zeit bedingt, und deshalb betrachten sie die Evolution als einen sich lange dahinziehenden Prozess. Denjenigen von uns, deren Lebensspanne durch keine zeitliche Existenz begrenzt wird, erscheint die Evolution nicht als ein derart schleppendes Geschehen. Im Paradies, wo Zeit nicht existiert, sind all diese Dinge gegenwärtig im Denken der Unendlichkeit und in den Handlungen der Ewigkeit. So wie die Evolution des Verstandes von der langsamen Entwicklung der physischen Bedingungen abhängt und durch sie verzögert wird, so hängt der geistige Fortschritt vom mentalen Wachstum ab und wird durch intellektuelles Zurückbleiben unfehlbar verzögert. Aber das will nicht heißen, dass die geistige Entwicklung von Erziehung, Kultur und Weisheit abhängig ist. Die Seele kann sich unabhängig von mentaler Kultur entwickeln, nicht aber in Abwesenheit mentalen Vermögens und Wünschens - der Wahl des Fortlebens und der Entscheidung, nach immer größerer Vollkommenheit zu streben - den Willen des Vaters im Himmel zu tun. Zwar hängt das Fortleben nicht unbedingt vom Besitz von Wissen und Weisheit ab, der Fortschritt hingegen höchst gewiss. In den kosmischen Evolutionslaboratorien beherrscht der Verstand stets die Materie, und der Geist steht immer mit dem Verstand in Wechselbeziehung. Ein Fehlschlag bei Synchronisation und Koordination dieser verschiedenen Gaben kann zeitliche Verzögerungen zur Folge haben, aber wenn der Einzelne wirklich Gott kennt und wünscht, ihn zu finden und ihm zu gleichen, ist sein Fortleben ungeachtet der Behinderungen der Zeit gesichert. Der physische Status kann den Verstand behindern, und mentale Verdrehtheit kann geistiges Vollbringen aufschieben, aber keines dieser Hindernisse kann die von ganzer Seele getroffene Wahl des Willens zunichte machen. Wenn die physischen Bedingungen reif sind, können plötzliche mentale Entwicklungen stattfinden; wenn die Verfassung des Verstandes günstig ist, können sich plötzliche geistige Verwandlungen einstellen; wenn geistige Werte richtig erfasst werden, lassen sich kosmische Bedeutungen wahrnehmen, und die Persönlichkeit wird zunehmend von den Behinderungen der Zeit befreit und von den Begrenzungen des Raums erlöst. [Dargeboten von einem auf Urantia wohnenden Lebensbringer.] ****** Kapitel 66 Der Planetarische Fürst Urantias ****** AUF einer gewöhnlichen Welt bedeutet die Ankunft eines Lanonandek-Sohnes, dass sich im Verstand des primitiven Menschen der Wille entwickelt hat - die Fähigkeit, den Pfad ewigen Fortlebens zu wählen. Aber auf Urantia traf der Planetarische Fürst erst fast eine halbe Million Jahre nach dem Erscheinen des menschlichen Willens ein. Etwa vor fünfhunderttausend Jahren und gleichzeitig mit dem Erscheinen der sechs farbigen Sangikrassen traf Caligastia, der Planetarische Fürst, auf Urantia ein. Es gab auf der Erde zum Zeitpunkt der Ankunft des Fürsten etwa eine halbe Milliarde menschlicher Wesen, und sie lebten über ganz Europa, Asien und Afrika verstreut. Der in Mesopotamien errichtete Hauptsitz des Fürsten befand sich so ziemlich im Zentrum der Weltbevölkerung. ***** 66.1 Fürst Caligastia ***** Caligastia war ein Lanonandek-Sohn, Nummer 9 344 der sekundären Ordnung. Er war erfahren in der Verwaltung der lokaluniversellen Angelegenheiten im Allgemeinen und, während späterer Zeitalter, in der Führung des Lokalsystems von Satania im Besonderen. Vor der Herrschaft Luzifers in Satania war Caligastia dem Rat der Lebensbringer-Berater auf Jerusem zugeteilt gewesen. Luzifer räumte Caligastia eine hohe Stellung in seinem persönlichen Stab ein, und er erfüllte nacheinander zufriedenstellend fünf ehrenvolle Vertrauensmissionen. Caligastia bewarb sich schon sehr früh um einen Auftrag als Planetarischer Fürst, aber jedes Mal, wenn seine Bewerbung zur Genehmigung vor die Räte der Konstellation kam, verweigerten ihr die Väter der Konstellation die Zustimmung. Caligastia schien ganz besonders darauf erpicht, als planetarischer Herrscher auf eine Dezimalwelt oder Welt mit modifiziertem Leben geschickt zu werden. Sein Gesuch war mehrere Male abgewiesen worden, bis er schließlich Urantia zugewiesen bekam. Als Caligastia Jerusem verließ, um seinen Vertrauensposten als Weltherrscher anzutreten, besaß er einen beneidenswerten Ruf der Treue und der Hingabe an das Wohl des Universums seines Ursprungs und Wirkens, trotz einer gewissen charakteristischen Unrast und der Neigung, in bestimmten unbedeutenderen Angelegenheiten mit der herrschenden Ordnung uneins zu sein. Ich war auf Jerusem zugegen, als der glänzende Caligastia die Systemkapitale verließ. Kein Planetarischer Fürst trat je seine Laufbahn als Weltherrscher mit reicherer Erfahrung oder besseren Aussichten an als Caligastia an jenem denkwürdigen Tag vor einer halben Million Jahren. Eines ist sicher: Als ich meinen Auftrag ausführte, den Bericht von diesem Ereignis an das lokaluniverselle Meldewesen durchzugeben, kam mir nie auch nur für einen Augenblick der leiseste Gedanke, dieser edle Lanonandek würde binnen so kurzer Zeit seinen geheiligten Auftrag eines planetarischen Hüters verraten und den guten Ruf seiner hohen Ordnung von Universumssöhnen besudeln. Ich betrachtete Urantia tatsächlich als einen der fünf oder sechs bevorzugtesten Planeten ganz Satanias, da jetzt ein so erfahrener, glänzender und origineller Kopf das Ruder der Weltangelegenheiten ergriff. Ich erkannte damals nicht, dass Caligastia in schleichender Weise begann, sich in sich selbst zu verlieben; ich verstand damals die Feinheiten persönlichen Hochmuts noch nicht so gut. ***** 66.2 Der Stab des Fürsten ***** Der Planetarische Fürst Urantias wurde nicht allein auf seine Mission geschickt, sondern war wie üblich von einem Stab von Mitarbeitern und administrativen Helfern begleitet. An der Spitze dieser Gruppe stand Daligastia, der enge Assistent des Planetarischen Fürsten. Daligastia war ebenfalls ein sekundärer Lanonandek-Sohn, Nummer 319 407 dieser Ordnung. Er besaß bei seiner Ernennung zum Mitarbeiter Caligastias den Rang eines Assistenten. Der planetarische Stab umfasste eine große Zahl von Mitarbeiter-Engeln und eine ganze Armee anderer himmlischer Wesen zur Förderung der Interessen und des Wohls der menschlichen Rassen. Aber von euch aus gesehen waren die interessanteste Gruppe von allen die körperlichen Stabsmitglieder des Fürsten - die manchmal als die Hundert Caligastias bezeichnet wurden. Diese einhundert rematerialisierten Angehörigen des fürstlichen Stabs wurden von Caligastia aus 785 000 aufsteigenden Bürgern Jerusems ausgewählt, die sich als Freiwillige für das urantianische Abenteuer gemeldet hatten. Jeder der hundert Auserkorenen stammte von einem anderen Planeten, und keiner von Urantia. Diese freiwilligen Jerusembürger wurden von der Systemkapitale durch seraphischen Transport direkt nach Urantia gebracht und blieben nach ihrer Ankunft so lange einseraphiert, bis sie mit Persönlichkeitsformen einer doppelten Natur für besonderen planetarischen Dienst ausgestattet werden konnten, mit richtigen Körpern aus Fleisch und Blut, die aber zusätzlich auf die Lebenskreisläufe des Systems eingestimmt waren. Einige Zeit vor dem Eintreffen der hundert Jerusembürger stellten die beiden auf Urantia wohnenden, überwachenden Lebensbringer, die ihre diesbezüglichen Pläne bereits ausgearbeitet hatten, auf Jerusem und Edentia den Antrag, ihnen zu erlauben, das Lebensplasma von hundert ausgewählten Überlebenden der Rasse Andons und Fontas in die materiellen Körper zu verpflanzen, die für die körperlichen Mitglieder des fürstlichen Stabs vorgesehen waren. Das Gesuch wurde von Jerusem bewilligt und von Edentia bestätigt. Also wählten die Lebensbringer unter den Nachkommen Andons und Fontas fünfzig Männer und fünfzig Frauen aus, Vertreter der besten überlebenden Linien dieser einzigartigen Rasse. Mit einer oder zwei Ausnahmen kannten sich diese Andoniten, die zum Fortschritt der Rasse beitrugen, nicht. Aus weit auseinander liegenden Gegenden wurden sie durch das Zusammenspiel innerer Gedankenjustierer-Führung und äußerer seraphischer Steuerung beim planetarischen Hauptsitz des Fürsten versammelt. Hier wurden die hundert Menschenwesen einer außerordentlich fähigen Freiwilligenkommission aus Avalon anvertraut, die die materielle Extraktion einer Portion des Lebensplasmas der Nachfahren Andons leiteten. Dieses lebendige Material wurde hierauf in die materiellen Körper verpflanzt, die für die hundert Mitglieder des Fürstenstabs aus Jerusem gebaut worden waren. Inzwischen wurden die frisch angekommenen Bürger der Systemkapitale in seraphischem Transportschlaf gehalten. All diese Vorgänge zusammen mit der regelrechten Erschaffung von Spezialkörpern für die Hundert Caligastias ließen zahlreiche Legenden entstehen, von denen sich viele dann mit den späteren Überlieferungen vom Einzug Adams und Evas auf dem Planeten vermengten. Der ganze Vorgang der Neupersonifizierung vom Zeitpunkt an, da die seraphischen Transporteure mit den hundert Freiwilligen aus Jerusem eintrafen, bis zu dem Augenblick, da dieselben bewusste, dreifache Wesen der Welt wurden, beanspruchte genau zehn Tage. ***** 66.3 Dalamatia - die Stadt des Fürsten ***** Die Hauptstadt des Planetarischen Fürsten lag in der Region des Persischen Golfes jener Tage, in der Gegend, die dem späteren Mesopotamien entspricht. Klima und Landschaft waren im Mesopotamien jener Tage für die Unternehmungen des fürstlichen Stabs und seiner Helfer in jeder Hinsicht günstig, und sie waren sehr verschieden von den seither dort manchmal herrschenden Bedingungen. Man brauchte dieses zuträgliche Klima als Bestandteil eines natürlichen Umfeldes, das die primitiven Urantianer dazu bringen sollte, in Kultur und Zivilisation bestimmte erste Schritte zu tun. Die ganz große Aufgabe jener Zeitalter war die Umwandlung des Menschen aus einem Jäger in einen Hirten in der Hoffnung, dass er sich später zu einem friedliebenden Landbebauer mit festem Wohnsitz entwickeln würde. Der Hauptsitz des Planetarischen Fürsten auf Urantia war typisch für solche Stationen auf jungen, in Entwicklung begriffenen Sphären. Den Kern der Niederlassung des Fürsten bildete eine sehr einfache, aber schöne Stadt, die von einer zwölf Meter hohen Mauer umgeben wurde. Dieses Weltzentrum der Kultur wurde Daligastia zu Ehren Dalamatia getauft. Die Stadt war in zehn Unterabteilungen angelegt, und in deren Zentren lagen die Gebäude, welche die Hauptquartiere der zehn Räte des körperlichen Stabs beherbergten. In der Mitte der Stadt erhob sich der Tempel des unsichtbaren Vaters. Das administrative Hauptquartier des Fürsten und seiner Mitarbeiter bestand aus zwölf Kammern, die unmittelbar um den Tempel herum angelegt waren. Die Gebäude Dalamatias waren alle einstöckig bis auf die zweistöckigen Hauptquartiere der Räte und den zentralen Tempel des Vaters aller, der nur klein, aber drei Stockwerke hoch war. Die Stadt bestand aus dem besten in jenen frühen Zeiten gebrauchten Baumaterial - aus Backstein. Es wurde nur sehr wenig Holz und Stein verwendet. Hausbau und Dorfarchitektur der umliegenden Völker erfuhren durch das Beispiel Dalamatias eine große Verbesserung. In der Nähe der fürstlichen Hauptstadt wohnten alle Farben und Schichten menschlicher Wesen. Und gerade aus diesen benachbarten Stämmen wurden die ersten Schüler für die Schulen des Fürsten rekrutiert. Obwohl diese frühen Schulen Dalamatias noch sehr einfach waren, boten sie doch alles, was für die Männer und Frauen jenes primitiven Zeitalters getan werden konnte. Der körperliche Stab des Prinzen scharte ständig die höher stehenden Vertreter der umliegenden Stämme um sich und sandte diese Studenten, nachdem sie geschult und inspiriert worden waren, als Lehrer und Führer zu ihren jeweiligen Völkern zurück. ***** 66.4 Die frühen Tage der Hundert ***** Die Ankunft des fürstlichen Stabes machte gewaltigen Eindruck. Während die Nachricht fast tausend Jahre brauchte, um in die Ferne zu dringen, ließen sich die in der Nähe der mesopotamischen Hauptstadt wohnenden Stämme durch die Lehren und das Verhalten der hundert neuen Gäste Urantias gewaltig beeinflussen. Und vieles von eurer späteren Mythologie entstammt den entstellten Legenden dieser frühen Tage, als die Angehörigen des fürstlichen Stabs auf Urantia als Übermenschen neu personifiziert wurden. Ein ernstes Hindernis für den guten Einfluss solch außerplanetarischer Lehrer ist die Neigung der Sterblichen, sie als Götter zu betrachten, aber abgesehen von der für ihr Erscheinen auf Erden angewandten Technik machten die Hundert Caligastias - fünfzig Männer und fünfzig Frauen - von keinen übernatürlichen Methoden oder übermenschlichen Manipulationen Gebrauch. Aber die körperlichen Stabsmitglieder waren nichtdestoweniger übermenschlich. Sie begannen ihre Mission auf Urantia als außerordentliche dreifache Wesen: 1. Sie hatten Körper und waren relativ menschlich, denn sie enthielten tatsächlich das Lebensplasma einer der menschlichen Rassen, das andonische Lebensplasma Urantias. Die hundert Angehörigen des fürstlichen Stabs verteilten sich zu gleichen Teilen auf beide Geschlechter und waren gemäß ihrem vorhergehenden Status Sterblicher eingeteilt. Jede Person der Gruppe war befähigt, Vater oder Mutter einer neuen Ordnung physischer Wesen zu werden, aber sie waren sorgfältig unterwiesen worden, nur unter ganz bestimmten Umständen zur Zeugung zu schreiten. Es ist für den körperlichen Stab eines Planetarischen Fürsten üblich, einige Zeit vor dem Ausscheiden aus dem planetarischen Spezialdienst Nachfolger zu zeugen. Gewöhnlich geschieht dies um die Zeit der Ankunft des Planetarischen Adam und der Planetarischen Eva oder kurz danach. Deshalb hatten diese Spezialwesen nur eine blasse oder gar keine Vorstellung davon, welche Art materieller Geschöpfe aus ihrer sexuellen Vereinigung hervorgehen würden. Und sie sollten es nie wissen; denn noch bevor die Zeit für einen solchen Schritt in Ausübung ihres Dienstes an der Welt gekommen war, war die ganze Ordnung durch die Rebellion über den Haufen geworfen worden, und diejenigen, die später Eltern wurden, waren von den Lebensströmen des Systems abgeschnitten. Hautfarbe und Sprache erbten die materialisierten Stabsangehörigen Caligastias von der andonischen Rasse. Sie ernährten sich ganz wie die Sterblichen der Welt mit dem Unterschied, dass fleischlose Kost die neuerschaffenen Körper dieser Gruppe völlig zufrieden stellte. Das war eine der Überlegungen, die für die Errichtung ihrer Niederlassung in einer warmen und an Früchten und Nüssen reichen Gegend bestimmend gewesen war. Die Praxis, von fleischloser Kost zu leben, geht auf die Zeit der Hundert Caligastias zurück, denn diese Sitte breitete sich aus und veränderte die Essgewohnheiten vieler umliegender Stämme, von Gruppen, die den einst ausschließlich Fleisch verzehrenden evolutionären Rassen entstammten. 2. Die Hundert waren materielle, aber übermenschliche Wesen, die auf Urantia als einmalige Männer und Frauen einer hohen und besonderen Ordnung neu gebildet worden waren. Obwohl die Angehörigen der Gruppe das provisorische Bürgerrecht Jerusems besaßen, hatten sie noch nicht mit ihren Justierern fusioniert; und als sie sich freiwillig meldeten und für den Dienst zusammen mit den niedersteigenden Sohnesordnungen angenommen wurden, lösten sich ihre Justierer von ihnen. Aber diese Jerusemiten waren übermenschliche Wesen - sie besaßen aufsteigende wachsende Seelen. Während des Lebens im sterblichen Leib befindet sich die Seele in einem embryonalen Zustand; sie erwacht (aufersteht) im morontiellen Leben und macht die Erfahrung des Wachstums auf den aufeinander folgenden morontiellen Welten. In dieser Weise waren die Seelen der Hundert Caligastias durch ihre fortschreitenden Erfahrungen auf den sieben Residenzwelten gewachsen, bis sie den Status von Bürgern Jerusems erreicht hatten. Eingedenk der erhaltenen Weisungen sahen die Stabsangehörigen von sexueller Fortpflanzung ab, aber sie studierten ihre persönliche Konstitution eingehend, und gründlich erforschten sie jede erdenkliche Phase intellektueller (verstandesmäßiger) und morontieller (seelischer) Verbindung. Und im dreiunddreißigsten Jahr ihres Aufenthalts in Dalamatia, lange vor der Fertigstellung der Mauer, geschah es, dass Nummer zwei und Nummer sieben von der Gruppe Dans zufälligerweise ein Phänomen entdeckten, das die Vereinigung ihrer morontiellen (also nichtsexuellen und nichtmateriellen) Selbst begleitete; und das Ergebnis dieses Abenteuers stellte sich als das erste der primären Mittler-Geschöpfe heraus. Dieses neue Wesen war für die planetarischen Stabsangehörigen und ihre himmlischen Mitarbeiter vollständig sichtbar, aber unsichtbar für die Männer und Frauen der menschlichen Stämme. Auf Geheiß des Planetarischen Fürsten machte sich der gesamte körperliche Stab an die Erschaffung solcher Wesen, und alle waren unter Befolgung der Anleitung des Danschen Pionierpaars erfolgreich. So rief der Stab des Fürsten schließlich das ursprüngliche Korps von 50 000 primären Mittlern ins Dasein. Diese Geschöpfe eines mittleren Typs waren bei der Ausführung der Geschäfte des Welthauptsitzes äußerst nützlich. Sie waren für menschliche Wesen unsichtbar, aber man lehrte die sich vorübergehend in Dalamatia aufhaltenden Primitiven die Existenz dieser unsichtbaren Halbgeiste, und während ganzer Zeitalter bedeuteten sie für die sich entwickelnden Sterblichen die geistige Welt schlechthin. 3. Die Hundert Caligastias waren persönlich unsterblich, sie mussten nicht durch den Tod gehen. In ihrer materiellen Gestalt zirkulierten die als Gegenmittel wirkenden Ergänzungen der Lebensströme des Systems; und hätten sie durch die Rebellion nicht den Kontakt mit den Lebenskreisen verloren, hätten sie unbeschränkt weitergelebt bis zu der späteren Ankunft eines Gottessohnes oder bis zu ihrer irgendwann erfolgenden Entlassung, um ihre unterbrochene Reise nach Havona und zum Paradies wieder aufzunehmen. Jene Antidot-Ergänzungen der Lebensströme Satanias kamen aus der Frucht des Lebensbaums, eines Strauchs aus Edentia, den die Allerhöchsten von Norlatiadek zur Zeit der Ankunft Caligastias nach Urantia übersandt hatten. In den Tagen Dalamatias wuchs dieser Baum im zentralen Hof des Tempels des unsichtbaren Vaters, und es war die Frucht dieses Lebensbaumes, welche die materiellen und ansonsten sterblichen Wesen des fürstlichen Stabes befähigte, unbeschränkt weiterzuleben, solange sie zu ihm Zugang hatten. Während diese Über-Nahrung für die evolutionären Rassen wertlos war, war sie durchaus genügend, um das ununterbrochene Leben der Hundert Caligastias und der mit ihnen arbeitenden hundert modifizierten Andoniten zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang sollte erklärt werden, dass, als die hundert Andoniten den Mitgliedern des fürstlichen Stabs ihr menschliches Keimplasma spendeten, die Lebensbringer in ihre sterblichen Körper die Ergänzung der Systemkreisläufe einbrachten; dadurch wurden sie fähig, mit dem Stab weiterzuleben und Jahrhundert um Jahrhundert dem Tod zu trotzen. Schließlich wurde den einhundert Andoniten eröffnet, dass sie zu den neuen Körpern ihrer Vorgesetzten beigetragen hatten, und diese hundert Kinder der andonischen Stämme wurden als persönliche Begleiter der Angehörigen des körperlichen Stabs des Fürsten in der Hauptstadt behalten. ***** 66.5 Organisation der Hundert ***** Die Hundert waren für den Dienst in zehn autonomen Räten zu je zehn Mitgliedern organisiert. Wenn zwei oder mehr dieser zehn Räte gemeinsam tagten, wurden diese Verbindungstreffen von Daligastia geleitet. Die zehn Gruppen sahen folgendermaßen aus: 1. Der Rat für Ernährung und materielles Wohlergehen. Dieser Gruppe stand Ang vor. Das fähige Korps förderte Ernährung, Wasserversorgung, Kleidung und materiellen Fortschritt der menschlichen Gattung. Sie lehrten das Graben von Brunnen, das Fassen von Quellen und die Bewässerung. Sie lehrten die Bewohner höher gelegener Gegenden und diejenigen des Nordens verbesserte Behandlungsmethoden von Tierhäuten zu Bekleidungszwecken, und später führten die Lehrer für Kunst und Wissenschaft die Weberei ein. Große Fortschritte wurden in den Methoden der Nahrungsaufbewahrung gemacht. Die Nahrung wurde durch Kochen, Trocknen und Räuchern konserviert; sie wurde dadurch zur frühsten Form von Eigentum. Man lehrte die Menschen, sich gegen etwaige Hungersnöte zu wappnen, die periodisch die Welt dezimierten. 2. Der Rat für Tierdomestizierung und -verwendung. Dieser Rat widmete sich der Aufgabe, Tiere auszusuchen und zu züchten, die sich am besten dazu eigneten, den menschlichen Wesen beim Tragen von Lasten und für die eigene Fortbewegung zu helfen, ihnen Nahrung zu liefern und später beim Bestellen des Bodens behilflich zu sein. Dieses fähige Korps wurde von Bon geleitet. Mehrere nützliche, jetzt ausgestorbene Tierarten wurden gezähmt und mit ihnen auch einige, die als domestizierte Arten bis heute überdauert haben. Der Mensch lebte seit langem mit dem Hund zusammen, und die blauen Menschen hatten den Elefanten bereits erfolgreich gezähmt. Die Kuh wurde durch sorgfältige Zucht so verbessert, dass sie zu einer wertvollen Nahrungsquelle wurde; Butter und Käse wurden zu gewöhnlichen Bestandteilen der menschlichen Kost. Man lehrte die Menschen, zum Lastentragen Ochsen zu verwenden, aber das Pferd wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt domestiziert. Die Mitglieder dieses Korps lehrten die Menschen zum ersten Mal, zur Erleichterung des Schleppens das Rad zu verwenden. In jenen Tagen wurden zum ersten Mal Brieftauben eingesetzt. Man nahm sie auf lange Reisen mit, um Botschaften zu senden oder um Hilfe rufen zu können. Bons Gruppe dressierte die großen Fandore erfolgreich als Passagiervögel, aber sie starben vor über dreißigtausend Jahren aus. 3. Die Berater zur Bezwingung der Raubtiere. Es genügte nicht, dass die frühen Menschen gewisse Tiere zu domestizieren trachteten - sie mussten auch lernen, sich vor der Vernichtung durch die übrige feindliche Tierwelt zu schützen. Diese Gruppe wurde von Dan angeführt. Aufgabe einer ehemaligen Stadtmauer war es, sowohl vor wilden Tieren zu schützen, als auch Überraschungsangriffe feindlicher Menschen zu verhindern. Wer nicht hinter Mauern oder im Wald lebte, war auf Baumwohnungen, Steinhütten und den Unterhalt nächtlicher Feuer angewiesen. Es war deshalb nur natürlich, dass diese Lehrer viel Zeit darauf verwendeten, ihre Schüler in der Verbesserung der menschlichen Behausungen zu unterrichten. Durch Anwendung verbesserter Techniken und den Einsatz von Fallen wurden große Fortschritte in der Unterwerfung von Tieren gemacht. 4. Die Abteilung zur Verbreitung und Bewahrung des Wissens. Diese Gruppe organisierte und leitete die rein erzieherischen Anstrengungen jener frühen Zeitalter. Ihr stand Fad vor. Fads Erziehungsmethoden bestanden in der Überwachung der Tätigkeiten, ergänzt durch Unterweisung in besseren Arbeitsmethoden. Fad formulierte das erste Alphabet und führte ein Schriftsystem ein. Dieses Alphabet enthielt fünfundzwanzig Zeichen. Als Schreibmaterial benutzten diese frühen Völker Baumrinden, Tontafeln, Steinplatten, eine Art Pergament aus gehämmerten Häuten und eine rohe Form papierähnlichen Materials, das aus Wespennestern hergestellt wurde. Die Bibliothek Dalamatias, die kurz nach Caligastias Auflehnung zerstört wurde, besaß über zwei Millionen einzelner Aufzeichnungen, und man nannte sie das "Haus Fads". Die blauen Menschen hatten eine besondere Vorliebe für die Verwendung des Alphabets und machten darin die größten Fortschritte. Die roten Menschen zogen die Bildschrift vor, während die gelben Rassen sich auf den Gebrauch von Symbolen für Wörter und Ideen zubewegten, die denen sehr ähnlich waren, die sie heute noch verwenden. Aber das Alphabet ging wie vieles andere für die Welt später in den Wirren, die mit der Rebellion einhergingen, verloren. Der Abfall Caligastias zerstörte die Hoffnung der Welt auf eine universale Sprache, zumindest für ungezählte Zeitalter. 5. Der Ausschuss für Gewerbe und Handel. Dieser Rat beschäftigte sich damit, innerhalb der Stämme das Gewerbe zu fördern und den Handel zwischen den verschiedenen friedliebenden Gruppen anzukurbeln. Sein Führer war Nod. Dieses Korps ermutigte jede Form primitiver Handarbeit. Es trug direkt zur Hebung des Lebensstandards bei, indem es viele neue Waren bereitstellte, an denen die primitiven Menschen Gefallen fanden. Es sorgte für eine bedeutende Zunahme des Handels mit verbessertem Salz, das vom Rat für Wissenschaft und Kunst produziert wurde. Unter diesen aufgeklärten, in den Schulen Dalamatias ausgebildeten Gruppen kam zum ersten Mal der Handelskredit in Gebrauch. Bei einer zentralen Kreditbörse verschaffte man sich symbolische Münzen, die anstelle der eigentlichen Tauschobjekte entgegengenommen wurden. Die Welt sollte diese Geschäftsmethoden erst nach Hunderttausenden von Jahren verbessern. 6. Das Kollegium offenbarter Religion. Dieser Ausschuss begann nur allmählich zu funktionieren. Die Zivilisation Urantias wurde buchstäblich zwischen dem Amboss der Notwendigkeit und den Hämmern der Furcht geschmiedet. Aber die Gruppe erzielte bei ihrem Bestreben, Geschöpfesfurcht (Geisterverehrung) durch die Furcht vor dem Schöpfer zu ersetzen, nennenswerte Fortschritte, bevor ihre Bemühungen durch die mit der Abfallbewegung einhergehende Verwirrung unterbrochen wurden. Das Haupt dieses Rates war Hap. Kein Angehöriger des fürstlichen Mitarbeiterstabs machte je Offenbarungen, welche die Evolution hätten komplizieren können; sie schritten zu krönender Offenbarung erst, nachdem sie alle Evolutionskräfte ausgeschöpft hatten. Aber Hap gab dem Verlangen der Stadtbewohner nach, die die Schaffung einer Art religiösen Dienstes wünschten. Seine Gruppe gab den Dalamatianern die sieben Gesänge der Anbetung und auch eine tägliche Formel des Lobs. Schließlich lehrte sie sie das "Gebet des Vaters", welches lautete: "Vater aller, dessen Sohn wir verehren, blicke mit Wohlwollen auf uns herab. Befreie uns von der Furcht vor allem außer vor dir. Mache aus uns eine Freude für unsere göttlichen Lehrer und lege für immer die Wahrheit auf unsere Lippen. Erlöse uns von Gewalt und Zorn; gib uns Respekt vor unseren Ältesten und vor dem, was unseren Nachbarn gehört. Gib uns in dieser Jahreszeit grüne Weiden und fruchtbare Herden, um unsere Herzen zu erfreuen. Wir beten, der uns versprochene Veredler möge bald kommen, und wir möchten deinen Willen auf dieser Welt tun, wie andere ihn auf fernen Welten tun." Obwohl sich die Angehörigen des fürstlichen Stabs auf natürliche Mittel und gewöhnliche Methoden der Rassenveredlung beschränken mussten, so stellten sie doch das künftige adamische Geschenk einer versprochenen neuen Rasse als Ziel evolutionären Wachstums in Aussicht, wenn dereinst die biologische Entwicklung ihren Höhepunkt erreicht haben würde. 7. Die Überwacher von Gesundheit und Leben. Dieser Rat beschäftigte sich mit der Einführung sanitärer Einrichtungen und mit der Verbreitung primitiver Hygiene und wurde von Lut geleitet. Seine Mitglieder lehrten vieles, was in den Wirren der folgenden Zeitalter unterging und nicht vor dem zwanzigsten Jahrhundert wiederentdeckt wurde. Sie lehrten die Menschheit, dass Kochen, Sieden und Braten Mittel seien, um Krankheit zu vermeiden und auch, dass solches Kochen die Kindersterblichkeit stark reduziere und frühes Entwöhnen erleichtere. Wenn auch verzerrt und stark verändert, hielten sich viele der frühen Lehren von Luts Gesundheitsüberwachern bei den irdischen Stämmen bis auf die Tage von Moses. Was sich der Verbreitung der Hygiene unter diesen unwissenden Völkern als großes Hindernis in den Weg stellte, war die Tatsache, dass die eigentlichen Ursachen vieler Krankheiten zu klein waren, um von bloßem Auge gesehen zu werden, und auch der Umstand, dass sie einen abergläubischen Respekt vor dem Feuer hatten. Es brauchte Jahrtausende, um sie dazu zu bewegen, Abfall zu verbrennen. In der Zwischenzeit drängte man sie, ihre verfaulenden Überreste zu vergraben. Der große sanitäre Fortschritt jener Epoche kam durch das sich verbreitende Wissen um die gesundheitsfördernden und Krankheit zerstörenden Eigenschaften des Sonnenlichts. Vor der Ankunft des Fürsten war Baden ein rein religiöses Zeremoniell gewesen. Es war wirklich schwer, die primitiven Menschen dazuzubringen, ihre Körper zur Bewahrung ihrer Gesundheit zu waschen. Lut veranlasste die religiösen Lehrer schließlich, in die Reinigungszeremonien, die einmal in der Woche um die Mittagszeit zur Anbetung des Vaters aller eingehalten werden mussten, die körperliche Waschung als einen Teil davon aufzunehmen. Die Gesundheitsüberwacher bemühten sich auch um die Einführung des Händeschüttelns als Ersatz für Speichelaustausch und Bluttrinken zur Besiegelung persönlicher Freundschaft und als Gewähr für Gruppenloyalität. Aber sobald diese primitiven Völker dem starken Druck der Lehren ihrer höher stehenden Führer entrieten, kehrten sie rasch wieder zu ihren früheren, durch Unwissenheit und Aberglauben geprägten, gesundheitsfeindlichen und krankheitsfördernden Praktiken zurück. 8. Der planetarische Rat für Kunst und Wissenschaft. Dieses Gremium trug viel dazu bei, die industrielle Technik der frühen Menschen zu verbessern und ihre Vorstellungen von Schönheit zu verfeinern. Sein Leiter war Mek. Kunst und Wissenschaft waren weltweit auf einem Tiefstand, aber den Dalamatianern wurden die Anfangsgründe von Physik und Chemie gelehrt. Die Töpferei befand sich auf einem vorgerückten Stand, die dekorativen Künste wurden gründlich verbessert, und die Ideale von menschlicher Schönheit erfuhren eine erhebliche Steigerung. Aber die Musik machte vor der Ankunft der violetten Rasse nur geringe Fortschritte. Die primitiven Menschen fanden sich trotz des wiederholten Drängens ihrer Lehrer nicht bereit, mit der Dampfkraft zu experimentieren; nie konnten sie ihre große Furcht vor der Explosivkraft eingeschlossenen Dampfes überwinden. Sie ließen sich indessen endlich überzeugen, mit Metall und Feuer zu arbeiten, obwohl ein auf Rotglut erhitztes Metallstück für die frühen Menschen ein Schrecken erregendes Objekt war. Mek steuerte viel zum Fortschritt der andonitischen Kultur und zur Verbesserung der Kunst der blauen Menschen bei. Eine Vermischung der blauen Menschen mit der Rasse Andons brachte einen künstlerisch begabten Typ hervor, und viele von ihnen wurden meisterhafte Bildhauer. Sie arbeiteten nicht in Stein oder Marmor, aber ihre durch Erhitzen gehärteten Werke aus Lehm zierten die Gärten Dalamatias. In den häuslichen Künsten wurden große Fortschritte erzielt, aber die meisten von ihnen gingen in den langen und dunklen Zeitaltern der Rebellion wieder verloren und wurden nicht vor der Neuzeit wiederentdeckt. 9. Die Leiter fortgeschrittener Stammesbeziehungen. Diese Gruppe war mit der Aufgabe betraut, die menschliche Gesellschaft bis auf die Stufe eines Staates zu bringen. Ihr Chef war Tut. Diese Führer trugen viel dazu bei, dass zwischen den Stämmen Heiraten zustande kamen. Sie wirkten dahin, dass die jungen Leute umeinander warben und erst nach reiflicher Überlegung und reichlicher Gelegenheit zu gegenseitigem Kennenlernen heirateten. Die reinen Kriegstänze wurden verfeinert und nützlichen gesellschaftlichen Zielen dienlich gemacht. Es wurden viele Wettspiele eingeführt, aber die damaligen Menschen waren ernste Leute; Sinn für Humor ging diesen frühen Stämmen fast gänzlich ab. Nur wenige dieser Praktiken überlebten den Zerfall, der nach der planetarischen Auflehnung einsetzte. Tut arbeitete mit seinen Gefährten daran, Gruppenzusammenschlüsse friedlicher Art herbeizuführen, das Kriegswesen zu regeln und humaner zu gestalten, die Beziehungen unter Stämmen zu koordinieren und die Stammesregierungen zu verbessern. In der Nachbarschaft Dalamatias entwickelte sich eine fortgeschrittenere Kultur, und diese verbesserten sozialen Beziehungen waren sehr hilfreich bei der Beeinflussung entfernterer Stämme. Aber das in der Hauptstadt des Fürsten herrschende Zivilisations-muster war völlig verschieden von der sich überall sonst entwickelnden barbarischen Gesellschaft, gerade so wie die Gesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts im südafrikanischen Kapstadt in nichts der primitiven Kultur der im Norden lebenden kleinen Buschmänner gleicht. 10. Das höchste Gericht für Stammeskoordination und Rassenzusammenarbeit. Dieser oberste Rat stand unter der Leitung von Van und war das Berufungsgericht für alle anderen neun mit der Überwachung der menschlichen Angelegenheiten betrauten Spezialkommissionen. Dieser Rat besaß einen weiten Aufgabenkreis, da er für alle irdischen Angelegenheiten zuständig war, die nicht in spezifischer Weise den anderen Gruppen zufielen. Dieses ausgewählte Korps war durch die Väter der Konstellation Edentias bestätigt worden, bevor es ermächtigt wurde, die Funktionen eines höchsten Gerichtshofs von Urantia zu übernehmen. ***** 66.6 Die Herrschaft des Fürsten ***** Die kulturelle Stufe einer Welt misst sich am sozialen Erbe der auf ihr geborenen Wesen, und die Geschwindigkeit der kulturellen Expansion wird völlig von der Fähigkeit ihrer Bewohner bestimmt, neue und fortschrittliche Ideen zu erfassen. Traditionshörigkeit schafft Stabilität und Kooperation durch gefühlsmäßige Bindung der Gegenwart an die Vergangenheit, erstickt aber ebenso sehr die Initiative der Persönlichkeit und versklavt ihre schöpferischen Kräfte. Die ganze Welt steckte in der Sackgasse traditionsgebundener Sitten, als die Hundert Caligastias eintrafen und den gesellschaftlichen Gruppen jener Tage das neue Evangelium individueller Initiative zu verkünden begannen. Aber diese wohltätige Ordnung wurde schon so bald unterbrochen, dass die Rassen sich nie ganz von der Versklavung durch die Bräuche befreit haben; immer noch beherrscht die Mode Urantia auf unangemessene Weise. Die Hundert Caligastias - alles Graduierte der Residenzwelten Satanias - kannten sich in Kunst und Kultur Jerusems gut aus, aber solches Wissen ist auf einem barbarischen, von primitiven Menschenwesen bevölkerten Planeten nahezu wertlos. Diese weisen Wesen hatten Besseres zu tun, als eine plötzliche Transformierung oder massenweise Hebung der primitiven Rassen jener Tage vorzunehmen. Sie begriffen die langsame Evolution der menschlichen Gattung sehr wohl, und sie nahmen weisen Abstand von jedem Versuch einer radikalen Veränderung der menschlichen Lebensweise auf Erden. Jede der zehn planetarischen Kommissionen ging daran, die ihr anvertrauten Interessen langsam und natürlich zu fördern. Ihr Plan bestand darin, die besten Köpfe der umliegenden Stämme anzuziehen und sie nach erfolgter Schulung als Sendlinge für soziale Förderung zu ihren Leuten zurückzuschicken. Nie wurden einer Rasse außer auf ausdrücklichen Wunsch des betreffenden Volkes fremde Emissäre geschickt. Alle, die an der Hebung und am Fortschritt eines gegebenen Stammes oder einer bestimmten Rasse arbeiteten, waren immer aus diesem Stamm oder aus dieser Rasse gebürtig. Die Hundert versuchten nicht, einem anderen Stamm die Gewohnheiten und Sitten einer Rasse, auch nicht einer höher entwickelten, aufzuzwingen. Sie arbeiteten immer geduldig daran, die altbewährten Sitten jeder Rasse zu verfeinern und fortzuentwickeln. Die einfachen Leute Urantias kamen mit ihren gesellschaftlichen Bräuchen nicht nach Dalamatia, um sie gegen neue und bessere Praktiken einzutauschen, sondern um sie durch den Kontakt mit einer höheren Kultur und in Zusammenarbeit mit höheren Intelligenzen zu veredeln. Es war ein langsamer, aber sehr wirksamer Prozess. Die Lehrer Dalamatias trachteten danach, der rein natürlichen Selektion biologischer Evolution eine bewusste gesellschaftliche Selektion hinzuzufügen. Sie störten die menschliche Gesellschaft nicht, aber sie beschleunigten ihre normale und natürliche Evolution bedeutend. Ihr Beweggrund war Fortschritt durch Evolution und nicht Revolution durch Offenbarung. Die menschliche Rasse hatte ganze Zeitalter damit verbracht, das Wenige an Religion und Sittlichkeit, das sie besaß, zu erwerben, und diese Übermenschen wussten Besseres zu tun, als die Menschheit um diese paar Fortschritte zu bringen durch die Wirrnis und Bestürzung, die sich immer dann einstellen, wenn aufgeklärte und höher stehende Wesen daran gehen, rückständige Rassen durch ein Zuviel an Unterweisung und Erleuchtung heben zu wollen. Wenn christliche Missionare in das Herz von Afrika gehen, wo Söhne und Töchter unter der Aufsicht und Leitung ihrer Eltern zu bleiben haben, solange diese leben, bringen sie nur Verwirrung und den Zusammenbruch aller Autorität, wenn sie versuchen, diese Gepflogenheit im Laufe einer einzigen Generation durch die Lehre zu ersetzen, die Kinder sollten mit Erreichen des einundzwanzigsten Lebensjahres von aller elterlichen Bevormundung befreit werden. ***** 66.7 Das Leben in Dalamatia ***** Obwohl die Hauptstadt des Fürsten von auserlesener Schönheit und bestimmt war, die primitiven Menschen jener Tage mit Ehrfurcht zu erfüllen, so war sie doch im Ganzen genommen bescheiden. Die Gebäude waren nicht besonders groß, war es doch die Absicht dieser importierten Lehrer, schließlich die Entwicklung der Landwirtschaft durch Einführung der Viehzucht zu ermutigen. Der Landvorrat innerhalb der Stadtmauern bot genügend Weide- und Gartenflächen für den Unterhalt von einer etwa zwanzigtausendköpfigen Bevölkerung. Das Innere des zentralen Tempels der Anbetung und der zehn Ratsresidenzen der lenkenden Gruppen von Übermenschen waren in der Tat schöne Kunstwerke. Und obwohl die Wohnhäuser Vorbilder an Geschmack und Reinlichkeit waren, war doch alles gemessen an späteren Entwicklungen sehr einfach und im Ganzen gesehen primitiv. In diesem Kulturzentrum kamen keine Methoden zur Anwendung, die nicht ganz natürlich zu Urantia gehörten. Die Mitglieder des körperlichen Stabs des Fürsten standen einfachen und vorbildlichen Haushalten vor, und sie führten sie in einer Weise, die die studierenden Beobachter, die sich im sozialen Zentrum und am Erziehungshauptsitz der Welt aufhielten, inspirieren und günstig beeindrucken sollte. Die klare Ordnung des Familienlebens und das Zusammenwohnen einer einzigen Familie in einer einzigen Behausung mit einem relativ festen Wohnsitz geht auf die Zeit Dalamatias zurück und war hauptsächlich dem Beispiel und der Unterweisung der Hundert und ihrer Schüler zu verdanken. Das Elternhaus als gesellschaftliche Einheit wurde nie zu einem Erfolg, bevor die Übermänner und Überfrauen von Dalamatia die Menschen so weit brachten, ihre Enkelkinder und die Kinder ihrer Enkelkinder zu lieben und für sie zu planen. Der Wilde liebt sein Kind, aber der zivilisierte Mensch liebt auch sein Enkelkind. Die Stabsangehörigen des Fürsten lebten wie Väter und Mütter zusammen. Es stimmt, dass sie keine eigenen Kinder hatten, aber die fünfzig Musterheime Dalamatias beherbergten nie weniger als fünfhundert adoptierte Kleine, die den höher stehenden Familien der andonischen und Sangikrassen entstammten; viele von diesen Kindern waren Waisen. Sie kamen in den Genuss der Disziplinierung und Ausbildung durch diese Übereltern; und nachdem sie drei Jahre an den Schulen des Fürsten verbracht hatten (sie traten in diese vom dreizehnten bis zum fünfzehnten Lebensjahr ein), waren sie heiratsberechtigt und bereit, ihren Auftrag als Emissäre des Fürsten bei den bedürftigen Volksstämmen ihrer jeweiligen Rasse zu erhalten. Fad hatte den Unterweisungsplan Dalamatias unter sich. Dieser wurde als Gewerbeschule geführt, an der die Schüler durch praktische Arbeit lernten und die sie durchliefen, indem sie jeden Tag nützliche Aufgaben ausführten. Dieser Erziehungsplan ließ Denken und Fühlen in der Charakterentwicklung nicht unbeachtet, aber er räumte der manuellen Schulung den ersten Platz ein. Die Ausbildung geschah individuell und kollektiv. Die Schüler wurden durch Männer und Frauen und zusammenarbeitende Paare unterrichtet. Eine Hälfte dieser Gruppenausbildung geschah getrennt nach Geschlechtern; die andere Hälfte bestand in gemeinsamer Erziehung. Die Schüler wurden individuell in manueller Fertigkeit unterrichtet und in Gruppen oder Klassen sozialisiert. Sie hatten sich im brüderlichen Umgang mit jüngeren Gruppen, mit älteren Gruppen und mit Erwachsenen zu üben ebenso wie in der Gemeinschaftsarbeit mit ihren Altersgenossen. Sie wurden auch mit menschlichen Zusammenschlüssen wie Familienverbänden, Spielmannschaften und Schulklassen vertraut gemacht. Unter den späteren Studenten, die in Mesopotamien für das Wirken in ihren jeweiligen Rassen ausgebildet wurden, befanden sich Andoniten aus den Hochländern des westlichen Indiens zusammen mit Vertretern der roten und der blauen Menschen; noch später wurde eine kleine Zahl von Angehörigen der gelben Rasse aufgenommen. Hap schenkte den frühen Rassen ein sittliches Gesetz. Dieser Kodex hieß "Der Weg des Vaters" und bestand aus den folgenden sieben Geboten: 1. Du sollst keinen Gott außer dem Vater aller fürchten, noch ihm dienen. 2. Du sollst dem Sohn des Vaters, dem Herrscher der Welt, nicht ungehorsam sein, noch seinen übermenschlichen Mitarbeitern respektlos begegnen. 3. Du sollst nicht lügen, wenn du vor die Richter des Volks gerufen wirst. 4. Du sollst weder Männer, noch Frauen, noch Kinder töten. 5. Du sollst weder deines Nachbars Habe, noch sein Vieh stehlen. 6. Du sollst die Frau deines Freundes nicht berühren. 7. Du sollst es deinen Eltern oder den Stammesältesten gegenüber nicht an Respekt fehlen lassen. Das war fast dreihunderttausend Jahre lang das Gesetz Dalamatias. Und viele von den Steinen, auf denen dieses Gesetz geschrieben stand, liegen jetzt unter Wasser vor den Küsten Mesopota- miens und Persiens. Es wurde zur Sitte, sich an jedem Wochentag an eines dieser Gebote zu erinnern und es bei Begrüßungen und bei der Mahlzeit fürs Danken zu verwenden. Das Zeitmaß jener Tage war der Mondmonat, für den man achtundzwanzig Tage rechnete. Wenn man von Tag und Nacht absieht, war dies die einzige Zeitrechnung, die diese frühen Völker kannten. Die Siebentagewoche wurde durch die Lehrer Dalamatias eingeführt und ergab sich aus der Tatsache, dass sieben der vierte Teil von achtundzwanzig ist. Die Bedeutung der Zahl sieben im Superuniversum bot ihnen zweifelsohne Gelegenheit, in die gewöhnliche Zeitrechnung eine geistige Erinnerung einzuführen. Aber es gibt keinen natürlichen Ursprung für die Wochenperiode. Das Land um die Stadt herum war innerhalb eines Radius von hundertsechzig Kilometern recht gut mit Sesshaften besiedelt. Im engen Umkreis der Stadt betrieben Hunderte von Graduierten der fürstlichen Schulen Viehzucht und setzten die Ausbildung, die sie vom Stab und dessen zahlreichen menschlichen Helfern erhalten hatten, in anderer Weise in die Tat um. Einige wenige begannen mit Acker- und Gartenbau. Die Menschheit wurde nicht als Bestrafung für angebliche Sünde zur harten Arbeit des Ackerbaus bestimmt. "Im Schweiße deines Angesichts sollst du die Frucht der Felder essen" war kein Strafurteil, das gegen die Menschen wegen ihrer Beteiligung an der Torheit der luziferischen Rebellion unter Führung des verräterischen Caligastia gesprochen wurde. Die Bebauung des Bodens gehört auf den evolutionären Welten untrennbar zur Errichtung einer fortschreitenden Zivilisation, und diese Aufforderung bildete den Mittelpunkt aller Unterweisung des Planetarischen Fürsten und seines Stabs während der dreihunderttausend Jahre zwischen ihrer Ankunft auf Urantia und jenen tragischen Tagen, als sich Caligastia auf Gedeih und Verderb mit dem Rebellen Luzifer zusammentat. Die Bearbeitung des Bodens ist kein Fluch; viel eher ist sie der höchste Segen für all jene, denen es gestattet ist, sich an dieser menschlichsten aller menschlichen Tätigkeiten zu erfreuen. Als die Rebellion ausbrach, hatte Dalamatia eine ständige Bevölkerung von fast sechstausend Seelen. In dieser Zahl sind die regulären Studenten inbegriffen, nicht aber die Besucher und Beobachter, deren es immer über tausend gab. Aber ihr könnt euch nur eine schwache oder gar keine Vorstellung von dem prächtigen Fortschritt dieser fernen Zeiten machen; praktisch all die wunderbaren menschlichen Errungenschaften jener Tage wurden weggefegt durch das entsetzliche Durcheinander und die tiefe geistige Finsternis, die auf die Katastrophe von Caligastias Betrug und Auflehnung folgten. ***** 66.8 Die Missgeschicke Caligastias ***** Wenn wir auf die lange Laufbahn Caligastias zurückblicken, finden wir in seinem Verhalten nur ein besonders augenfälliges Merkmal: er war ungemein individualistisch. Er neigte dazu, für nahezu jede Protestbewegung Partei zu ergreifen, und sympathisierte gewöhnlich mit solchen, die in verhaltener Weise implizite Kritik übten. Schon früh nehmen wir bei ihm diese Tendenz wahr, nervös auf Autorität zu reagieren und jede Form von Überwachung nur eher unmutig zu ertragen. Obwohl Ratschläge von Älteren ihn leicht kränkten und er gegen höhere Autorität etwas widerspenstig war, so hatte er doch, wann immer er auf die Probe gestellt wurde, stets treu zu den Universumslenkern gehalten und die Weisungen der Väter der Konstellation gehorsam befolgt. Bis zu der Zeit seines schändlichen Verrats auf Urantia wurde an ihm kein eigentlicher Fehler gefunden. Es sollte vermerkt werden, dass sowohl Luzifer als auch Caligastia liebevoll gewarnt und geduldig auf ihre kritischen Neigungen aufmerksam gemacht worden waren, auf die subtile Entwicklung ihres Stolzes und die damit verbundene Übertreibung des Gefühls eigener Wichtigkeit. Aber all diese Versuche zu helfen waren als unverdiente Kritik und ungerechtfertigte Einmischung in die persönlichen Freiheiten missdeutet worden. Caligastia wie auch Luzifer urteilten, ihre freundlichen Ratgeber handelten aus eben jenen tadelnswerten Beweggründen heraus, die ihr eigenes verdrehtes Denken und missgeleitetes Planen zu beherrschen begannen. Sie beurteilten ihre selbstlosen Ratgeber nach ihrer eigenen wachsenden Selbstsucht. Von der Ankunft des Fürsten Caligastia an entwickelte sich die planetarische Zivilisation fast dreihunderttausend Jahre lang auf recht normale Weise. Abgesehen davon, dass Urantia ein Planet modifizierten Lebens und deshalb zahlreichen Unregelmäßigkeiten und unüblichen Episoden evolutionärer Fluktuation unterworfen war , machte es in seiner planetarischen Laufbahn bis zur Zeit der Rebellion Luzifers und des gleichzeitigen Verrats Caligastias sehr befriedigende Fortschritte. Seine ganze darauf folgende Geschichte ist durch diesen katastrophalen Fehler sowie durch das spätere Scheitern Adams und Evas bei der Erfüllung ihrer planetarischen Mission endgültig verändert worden. Der Fürst von Urantia fiel im Augenblick der Rebellion Luzifers in die Finsternis und beschwor dadurch auf dem Planeten eine langdauernde Verwirrung herauf. Er wurde in der Folge durch das gemeinsame Vorgehen der Konstellationsherrscher und anderer Universumsautoritäten aller souveränen Autorität entkleidet. Er teilte die unvermeidlichen Wechselfälle des isolierten Urantia bis zur Zeit von Adams Aufenthalt auf dem Planeten und steuerte zum Fehlschlag des Planes bei, die sterblichen Rassen durch Beimischung des Lebensblutes der neuen violetten Rasse - der Abkommen Adams und Evas - zu veredeln. Die Macht des gefallenen Fürsten, störend in die menschlichen Angelegenheiten einzugreifen, wurde in den Tagen Abrahams durch die Menschwerdung Machiventa Melchisedeks stark beschnitten; und noch später, während Michaels Erdenleben, wurde der verräterische Fürst schließlich aller Autorität auf Urantia beraubt. Obwohl die Lehre von einem persönlichen Teufel auf Urantia wegen der Anwesenheit des verräterischen und frevlerischen Caligastia auf dem Planeten einige Berechtigung hatte, war sie trotzdem in ihrer Aussage frei erfunden, ein solcher "Teufel" könne den normalen menschlichen Verstand gegen seinen freien und natürlichen Willen beeinflussen. Sogar schon vor Michaels Selbsthingabe auf Urantia waren weder Caligastia noch Daligastia je fähig gewesen, Sterbliche zu bedrängen oder irgendein normales Einzelwesen zu zwingen, etwas gegen seinen eigenen menschlichen Willen zu tun. Der freie Wille des Menschen in sittlichen Dingen steht zualleroberst; selbst der innewohnende Gedankenjustierer weigert sich, den Menschen dazu zu zwingen, auch nur einen einzigen Gedanken zu denken oder eine einzige Handlung zu begehen, die der Wahl seines persönlichen menschlichen Willens zuwiderliefe. Und jetzt wartet dieser Rebell der Welt, der aller Macht, seinen früheren Untergebenen zu schaden, beraubt ist, auf die definitive Aburteilung aller an der Rebellion Luzifers Beteiligten durch die Ältesten der Tage von Uversa. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 67 Die Planetarische Rebellion ****** ES ist unmöglich, die mit der menschlichen Existenz auf Urantia verknüpften Probleme zu verstehen, wenn man bestimmte große Epochen der Vergangenheit, insbesondere die Tatsache und die Folgen der planetarischen Rebellion, nicht kennt. Obwohl dieser Aufstand den Fortschritt der organischen Evolution nicht ernstlich beeinträchtigte, so veränderte er doch merklich den Lauf der sozialen Entwicklung und der geistigen Entfaltung. Die ganze über-physische Geschichte des Planeten wurde durch dieses zerstörerische Unheil zutiefst beeinflusst. ***** 67.1 Der Verrat Caligastias ***** Seit dreihunderttausend Jahren hatte Caligastia Urantia verwaltet, als Satan, Luzifers Assistent, einen seiner kurzen Inspektionsbesuche machte. Als Satan auf dem Planeten eintraf, glich seine Erscheinung in keiner Weise euren Karikaturen von seiner verruchten Majestät. Er war - und ist es immer noch - ein sehr glanzvoller Lanonandek-Sohn. "Kein Wunder, denn auch Satan ist ein glanzvolles Lichtgeschöpf." Im Verlaufe dieser Inspektion setzte Satan Caligastia über Luzifers damals beabsichtigte "Freiheitserklärung" ins Bild, und wie wir heute wissen, willigte der Fürst ein, den Planeten bei Bekanntmachung der Rebellion zu verraten. Wegen dieses vorsätzlichen Treuebruchs blicken die loyalen Universumspersönlichkeiten mit ganz besonderer Verachtung auf den Fürsten Caligastia. Der Schöpfersohn verlieh dieser Geringschätzung mit den Worten Ausdruck: "Du gleichst deinem Führer Luzifer, und du hast seinen Frevel in sündiger Weise fortgeführt. Er war ein Fälscher, sobald er mit seiner Selbstverherrlichung begann, weil er nicht in der Wahrheit wohnte." Im ganzen Verwaltungswesen eines Lokaluniversums wird keine hohe Mission für heiliger gehalten als die einem Planetarischen Fürsten anvertraute, übernimmt er doch die Verantwortung für Wohlergehen und Führung der sich entwickelnden Sterblichen auf einer erst seit kurzem bewohnten Welt. Und von allen Formen des Übels wirkt sich keine auf den Persönlichkeitsstatus verheerender aus als Treuebruch und Verrat an seinen vertrauensvollen Freunden. Als er diese vorsätzliche Sünde beging, tat Caligastia seiner Persönlichkeit derart Gewalt an, dass sein Gemüt seitdem nie mehr in der Lage war, sein Gleichgewicht ganz wiederzugewinnen. Es gibt viele Arten, Sünde zu betrachten, aber vom philosophischen Standpunkt des Universums aus ist Sünde die Haltung einer Persönlichkeit, die sich bewusst der kosmischen Realität widersetzt. Den Irrtum kann man als ein falsches Verständnis oder eine Verzerrung der Realität anschauen. Das Übel ist eine nur teilweise Verwirklichung der Universumsrealitäten oder eine Fehlanpassung an diese. Aber die Sünde ist ein der göttlichen Realität vorsätzlich geleisteter Widerstand - eine bewusste Entscheidung, sich dem geistigen Fortschritt zu widersetzen - während die Frevelhaftigkeit eine offene und dauernde Verhöhnung der erkannten Realität darstellt und einen Grad der Persönlichkeitsdesintegration bedeutet, der an kosmische Verrücktheit grenzt. Irrtum lässt auf mangelnde Denkschärfe schließen, Übel auf ein Zuwenig an Weisheit, Sünde auf abgrundtiefe geistige Armut, aber Frevelhaftigkeit verrät das Schwinden der Persönlichkeitskontrolle. Wenn Sünde oft gewählt und oft wiederholt worden ist, kann sie zur Gewohnheit werden. Gewohnheitssünder können leicht zu Frevlern werden, zu rückhaltlosen Rebellen gegen das Universum und all seine göttlichen Realitäten. Obwohl alle Arten von Sünden vergeben werden können, zweifeln wir daran, dass der eingefleischte Frevler je aufrichtigen Kummer über seine Missetaten empfinden oder Vergebung für seine Sünden annehmen wird. ***** 67.2 Der Ausbruch der Rebellion ***** Kurz nach Satans Inspektion und zu einem Zeitpunkt, da sich die planetarische Verwaltung am Vorabend der Verwirklichung großer Dinge auf Urantia befand, besprach sich Caligastia eines Tages - es war Winter auf den nördlichen Kontinenten - des Langen mit seinem Mitarbeiter Daligastia, wonach dieser die zehn Räte Urantias zu einer außerordentlichen Sitzung einberief. Die Versammlung wurde mit der Erklärung eröffnet, dass Fürst Caligastia im Begriffe stehe, sich selber zum absoluten Herrscher Urantias zu erklären, und von allen administrativen Gruppen verlange, zurückzutreten und all ihre Funktionen und Macht solange in die Hände des bevollmächtigten Daligastia zu legen, bis die planetarische Regierung neu organisiert wäre und danach die Ämter administrativer Autorität neu verteilt würden. Auf die Ankündigung dieses mehr als erstaunlichen Verlangens folgte ein meisterlicher Appell Vans, des Vorsitzenden des höchsten Koordinationsrates. Dieser hervorragende Verwalter und fähige Jurist brandmarkte den von Caligastia vorgeschlagenen Kurs als einen Akt, der an planetarische Rebellion grenze und appellierte an seine Kollegen, sich in keiner Weise zu beteiligen, bis Luzifer, der Souverän des Systems, angerufen werden könne; und er gewann die Unterstützung des ganzen Stabs. Also wurde an Jerusem appelliert, von wo unverzüglich Weisungen zurückkamen, die Caligastia als höchsten Souverän Urantias bezeichneten und gegenüber dessen Verfügungen absoluten und unbedingten Gehorsam verlangten. Und es geschah als Antwort auf diese verblüffende Botschaft, dass der edle Van seine denkwürdige, siebenstündige Rede hielt, in der er gegen Daligastia, Caligastia und Luzifer in aller Form die Anklage erhob, sich der Missachtung der Souveränität des Universums von Nebadon schuldig zu machen; und er rief die Allerhöchsten Edentias um Unterstützung und Bestätigung an. Inzwischen waren die Kreisläufe des Systems unterbrochen worden; Urantia war isoliert. Jede Gruppe himmlischen Lebens des Planeten fand sich plötzlich und ohne Vorwarnung isoliert, völlig abgeschnitten von jeglichem äußeren Rat und Zuspruch. Daligastia proklamierte Caligastia in aller Form zum "Gott Urantias und Höchsten über allem". Angesichts dieser Proklamation gab es nur zwei klare Verhaltensweisen; und jede Gruppe zog sich gesondert zurück und begann mit Beratungen und Diskussionen, die schließlich das Schicksal jeder übermenschlichen Persönlichkeit des Planeten bestimmen sollten. Seraphim und Cherubim und andere himmlische Wesen mussten sich in diesem zähen Ringen, in dieser langen Auseinandersetzung mit der Sünde entscheiden. Viele übermenschliche Gruppen, die sich zum Zeitpunkt der Isolierung gerade auf Urantia aufhielten, wurden hier festgehalten und waren gleich den Seraphim und ihren Mitarbeitern gezwungen, zwischen Sünde und Rechtschaffenheit zu wählen - zwischen dem Weg Luzifers und dem Willen des unsichtbaren Vaters. Dieser Kampf zog sich über mehr als sieben Jahre dahin. Solange nicht jede betroffene Persönlichkeit einen endgültigen Entschluss gefasst hatte, sah die Obrigkeit Edentias von jeglicher Einmischung oder Intervention ab. Erst dann erfuhren Van und seine treuen Mitstreiter Genugtuung und wurden von ihrer langen Bangigkeit und unerträglichen Ungewissheit befreit. ***** 67.3 Die sieben entscheidenden Jahre ***** Die Nachricht einer auf Jerusem, der Hauptwelt Satanias, ausgebrochenen Rebellion wurde durch den Rat der Melchisedeks in die Ferne gemeldet. Die Melchisedek-Nothelfersöhne wurden unverzüglich nach Jerusem entsandt, und Gabriel unternahm es freiwillig, als Repräsentant des Schöpfersohnes, dessen Autorität angefochten war, zu handeln. Mit der Ausstrahlung der Nachricht von der Rebellion in Satania wurde gleichzeitig das System unter Quarantäne gestellt, von den Schwestersystemen isoliert. Es tobte "Krieg im Himmel", auf der Hauptwelt Satanias, und er griff auf jeden Planeten des Lokalsystems über. Auf Urantia weigerten sich vierzig Mitglieder des hundertköpfigen körperlichen Stabs (einschließlich Vans), sich dem Aufstand anzuschließen. Viele der menschlichen (modifizierten und anderen) Stabsassistenten waren ebenfalls mutige und edle Verteidiger Michaels und seiner Universumsregierung. Es gab erschreckende Verluste an Persönlichkeiten bei den Seraphim und Cherubim. Fast die Hälfte der dem Planeten zugeteilten Verwalter- und Übergangsseraphim folgte ihrem Führer und Daligastia und unterstützte die Sache Luzifers. 40 119 primäre Mittler-Geschöpfe gesellten sich zu Caligastia, aber die restlichen dieser Wesen blieben ihrer Sendung treu. Der verräterische Fürst stellte unter den abtrünnigen Mittler-Geschöpfen und anderen Gruppen rebellierender Persönlichkeiten die Ordnung wieder her und organisierte sie zur Ausführung seiner Befehle, während Van die loyalen Mittler und andere treu gebliebene Gruppen um sich scharte und den großen Kampf für die Errettung des planetarischen Stabs und anderer auf Urantia festsitzender himmlischer Persönlichkeiten begann. Während der Dauer dieses Kampfes wohnten die Loyalgebliebenen in einer kaum beschützten Siedlung ohne Wall einige Kilometer östlich von Dalamatia, aber ihre Behausungen wurden Tag und Nacht durch die regen und stets alarmbereiten loyalen Mittler-Geschöpfe bewacht, und sie waren im Besitz des unschätzbaren Baums des Lebens. Bei Ausbruch der Revolution übernahmen loyale Cherubim und Seraphim mit Hilfe von drei treuen Mittlern die Überwachung des Baums des Lebens und erlaubten nur den vierzig treu gebliebenen Stabsangehörigen und den mit ihnen verbundenen modifizierten Sterblichen, von den Früchten und Blättern dieser Energiepflanze zu essen. Es gab sechsundfünfzig von diesen modifizierten andonischen Stabsmitarbeitern, da sechzehn andonische Begleiter der illoyalen Stabsmitglieder es abgelehnt hatten, sich mit ihren Meistern der Rebellion anzuschließen. Während der sieben entscheidenden Jahre der Rebellion Caligastias widmete Van seine ganze Kraft seiner loyalen Armee von Menschen, Mittlern und Engeln. Vans geistige Schau und sittliche Standfestigkeit, die es ihm ermöglichten, gegenüber der Universumsregierung solch eine unerschütterlich treue Haltung einzunehmen, waren das Ergebnis klaren Denkens, weisen Folgerns, logischen Urteilens, aufrichtiger Motivation, selbstloser Zielsetzung, intelligenter Loyalität, auf Erfahrung beruhender Erinnerung, eines disziplinierten Charakters und einer bedingungslosen Hingabe seiner Persönlichkeit an die Ausführung des Willens des Vaters im Paradies. Diese sieben Jahre des Wartens waren eine Zeit der Erforschung der Herzen und der Seelendisziplin. Derartige Krisen in den Angelegenheiten eines Universums führen den ungeheuren Einfluss des Verstandes als Faktor bei geistigem Wählen vor Augen. Erziehung, Schulung und Erfahrung spielen als Faktoren bei den meisten lebenswichtigen Entscheidungen aller evolutionären sittlichen Geschöpfe mit. Aber es ist dem innewohnenden Geist durchaus möglich, in direkten Kontakt mit den die Entscheidungen bestimmenden Kräften der menschlichen Persönlichkeit zu treten und dadurch den gänzlich geweihten Willen des Geschöpfs in die Lage zu versetzen, erstaunliche Akte treuer Hingabe an den Willen und den Weg des Paradies-Vaters zu vollbringen. Und gerade das spielte sich in der Erfahrung Amadons, des modifizierten menschlichen Begleiters Vans, ab. Amadon ist der herausragende menschliche Held der Rebellion Luzifers. Dieser männliche Nachfahr Andons und Fontas war einer der Hundert, die ihr Lebensplasma für den Stab des Fürsten gespendet hatten, und danach war er Van stets als Mitarbeiter und menschlicher Helfer zugeteilt gewesen. Amadon entschied sich, während des langen und prüfungsreichen Kampfes an der Seite seines Chefs zu bleiben. Und es war ein inspirierender Anblick, wie sich dieses Kind der evolutionären Rassen durch keine von Daligastias Sophistereien beirren ließ und zusammen mit seinen loyalen Mitarbeitern all den trügerischen Lehren des strahlenden Caligastia mit nie erlahmender seelischer Kraft widerstand. Caligastia, mit einem Maximum an Intelligenz und einer riesigen Erfahrung in den Universumsangelegenheiten, geriet auf Abwege - ergab sich der Sünde. Amadon, mit einem Minimum an Intelligenz und ohne jede Universumserfahrung, blieb standhaft im Dienst am Universum und in der Treue zu seinem Gefährten. Van gebrauchte sowohl den Verstand als auch den Geist in einer wunderbaren und wirksamen Kombination von intellektueller Entschlossenheit und geistiger Schau und gelangte dadurch auf eine Erfahrungsebene persönlicher Verwirklichung, wie sie höher nicht gedacht werden kann. Wenn Verstand und Geist völlig vereint sind, verfügen sie über das Potential zur Schöpfung von übermenschlichen Werten, ja sogar von morontiellen Realitäten. Man könnte endlos über die aufwühlenden Ereignisse dieser tragischen Tage berichten, aber schließlich hatte auch die letzte Persönlichkeit eine endgültige Entscheidung getroffen, und dann, aber erst dann, traf ein Allerhöchster aus Edentia mit den Nothelfer-Melchisedeks ein, die die Autorität über Urantia zu übernehmen hatten. Die panoramische Darstellung der Herrschaft Caligastias auf Jerusem wurde gelöscht, und die Probezeit planetarischer Rehabilitierung begann. ***** 67.4 Die Hundert Caligastias nach der Rebellion ***** Als der definitive Namensaufruf erfolgte, stellte sich heraus, dass sich die Mitglieder des körperlichen Stabs des Fürsten wie folgt verteilt hatten: Van und sein gesamtes Koordinationsgericht waren loyal geblieben. Ang und drei Mitglieder des Ernährungsrats hatten überlebt. Der Rat für Tierdomestizierung war vollzählig zur Rebellion übergegangen und desgleichen alle Berater für Raubtierbezwingung. Fad und fünf Angehörige der Erziehungsabteilung waren gerettet. Nod und alle Ausschussmitglieder für Gewerbe und Handel schlugen sich zu Caligastia. Hap mit dem gesamten Kollegium offenbarter Religion hielt treu zu Van und seiner edlen Truppe. Lut und sein ganzer Gesundheitsausschuss waren verloren. Der Rat für Kunst und Wissenschaft blieb in seiner Gesamtheit loyal, aber Tut und alle Mitglieder der Kommission für Stammesbeziehungen verirrten sich. Also fanden sich von Hundert nur vierzig Gerettete, die später nach Jerusem überführt wurden, wo sie ihre Reise zum Paradies wieder aufnahmen. Die sechzig Mitglieder des planetarischen Stabs, die sich der Rebellion anschlossen, wählten Nod zu ihrem Führer. Sie arbeiteten von ganzem Herzen für den Rebellenfürsten, mussten aber bald entdecken, dass sie ihre Speisung aus den Lebenskreisen des Systems eingebüßt hatten. Sie erwachten zu der Tatsache, dass sie auf den Status sterblicher Wesen herabgesunken waren. Sie waren in der Tat übermenschlich, aber zugleich auch materiell und sterblich. Im Bemühen um die Erhöhung ihrer Zahl befahl ihnen Daligastia, unverzüglich die sexuelle Fortpflanzung aufzunehmen, da er sehr wohl wusste, dass die ursprünglichen Sechzig und ihre vierundvierzig modifizierten andonischen Begleiter dazu verurteilt waren, früher oder später durch den Tod ausgelöscht zu werden. Nach dem Fall Dalamatias wanderten die illoyalen Stabsangehörigen nach Norden und Osten aus. Man kannte ihre Nachfahren lange als die Noditen und ihr Wohngebiet als "das Land Nods". Die Gegenwart dieser außergewöhnlichen Übermänner und Überfrauen, welche die Rebellion hatte stranden lassen und die sich jetzt mit den Söhnen und Töchtern der Erde vermählten, ließ leicht jene überlieferten Geschichten von Göttern entstehen, die herabkamen, um sich mit den Sterblichen zu paaren. Und das war der Ursprung von tausendundeiner Legenden mythischer Natur, die aber auf den Tatsachen der auf die Rebellion folgenden Tage beruhten und später in die Volksmärchen und Überlieferungen der verschiedenen Völker eingingen, deren Vorfahren mit den Noditen und deren Abkömmlingen in Berührung gekommen waren. Ihrer geistigen Nahrung beraubt, starben die rebellischen Stabsmitglieder schließlich eines natürlichen Todes. Und vieles im späteren Götzendienst der menschlichen Rassen entstand aus dem Wunsch, das Andenken an diese hochverehrten Wesen der Tage Caligastias zu verewigen. Als die Hundert des Stabs nach Urantia kamen, waren sie vorübergehend von ihren Gedankenjustierern getrennt worden. Unmittelbar nach Ankunft der Melchisedek-Treuhänder wurden die loyalen Persönlichkeiten (mit Ausnahme Vans) nach Jerusem zurückgebracht und wieder mit ihren wartenden Justierern vereinigt. Das Schicksal der sechzig Rebellen des Stabs kennen wir nicht; ihre Justierer weilen immer noch auf Jerusem. Ohne Zweifel werden die Dinge da bleiben, wo sie jetzt sind, bis endlich über die ganze Rebellion Luzifers Gericht gehalten und das Schicksal aller Beteiligten bekanntgegeben wird. Es fiel Wesen wie Engeln und Mittlern sehr schwer zu glauben, dass so strahlende Führer wie Caligastia und Daligastia, denen sie vertrauten, in die Irre gehen - verräterische Sünde begehen könnten. Diese sich in Sünde verstrickenden Wesen - sie traten der Rebellion nicht überlegt oder vorsätzlich bei - wurden durch ihre Vorgesetzten irregeleitet, durch ihre Führer, denen sie vertrauten, getäuscht. Vergleichsweise einfach war es, die Unterstützung der primitiven Gemüter evolutionärer Sterblicher zu gewinnen. Die große Mehrheit aller menschlichen und übermenschlichen Wesen, die auf Jerusem und den verschiedenen missgeleiteten Planeten Opfer der luziferischen Rebellion wurden, hat ihre Torheit seit langem von ganzem Herzen bereut; und wir glauben wirklich, dass all diese aufrichtig Bereuenden irgendwie rehabilitiert und wieder in irgendeine Phase universellen Dienstes eingesetzt werden, wenn die Ältesten der Tage schließlich in der Behandlung der Angelegenheiten der Rebellion Satanias, womit sie vor so kurzem begonnen haben, zu einem endgültigen Urteil gelangt sein werden. ***** 67.5 Unmittelbare Resultate der Rebellion ***** Nach der Auslösung der Rebellion herrschte in Dalamatia und Umgebung fast fünfzig Jahre lang große Verwirrung. Man versuchte die vollständige und radikale Reorganisation der ganzen Welt; Revolution trat an die Stelle von Evolution als Politik kulturellen Fortschritts und rassischer Verbesserung. In und um Dalamatia trat unter den höher stehenden und teilweise geschulten vorübergehenden Bewohnern ein plötzlicher Fortschritt im kulturellen Status ein, aber als diese neuen und radikalen Methoden bei den entlegenen Völkern angewandt wurden, war das unmittelbare Resultat eine unbeschreibliche Konfusion und ein rassisches Pandämonium. Die halb entwickelten primitiven Menschen jener Tage setzten Freiheit rasch in Zügellosigkeit um. Sehr bald nach der Rebellion war der ganze umstürzlerische Stab völlig beansprucht durch die energische Verteidigung der Stadt gegen Horden von Halbwilden, die die Wälle belagerten, weil man sie zu früh in den Freiheitslehren unterwiesen hatte. Und Jahre, bevor die schöne Hauptstadt unter den Wellen des südlichen Meeres versank, hatten die fehlgeleiteten und falsch unterwiesenen halbwilden Stämme des Hinterlandes von Dalamatia die herrliche Stadt in einem Anlauf überrollt und den abgefallenen Stab und seine Mitarbeiter nach Norden vertrieben. Caligastias Plan einer unverzüglichen Neukonstruktion der menschlichen Gesellschaft gemäß seinen Ideen von individueller und Gruppenfreiheit stellte sich als prompter und mehr oder weniger vollständiger Fehlschlag heraus. Die Gesellschaft fiel rasch auf ihr altes biologisches Niveau zurück und der Kampf um Fortschritt begann wieder von vorne, nicht sehr weit von dem Punkt entfernt, den er bei Beginn der Herrschaft Caligastias erreicht hatte; denn die Auflehnung ließ die Welt in einem grässlichen Wirrwarr zurück. Hundertzweiundsechzig Jahre nach der Rebellion fegte eine Flutwelle über Dalamatia hinweg und die planetarische Hauptstadt versank im Meereswasser. Und diese Gegend tauchte erst wieder auf, als fast jede Spur von der edlen Kultur jener prächtigen Zeitalter verwischt war. Als die erste Kapitale der Welt überschwemmt wurde, beherbergte sie nur die niedrigsten Vertreter der Sangikrassen Urantias, Überläufer, die den Tempel des Vaters bereits in einen dem falschen Licht- und Feuergott Nog geweihten Ort verwandelt hatten. ***** 67.6 Van - der Standhafte ***** Die Anhänger Vans zogen sich früh in die westlich von Indien gelegenen Hochländer zurück, wo sie vor Angriffen der verwirrten Rassen des Tieflands sicher waren. Von diesem zurückgezogenen Ort aus arbeiteten sie an der Rehabilitierung der Welt, gerade so wie die ihnen hier einst vorangegangenen Badoniten kurz vor der Geburtszeit der Sangikrassen unbewusst für das Wohl der Welt gewirkt hatten. Vor der Ankunft der Melchisedek-Treuhänder legte Van die Verwaltung der menschlichen Angelegenheiten in die Hände von zehn Kommissionen zu je vier Mitgliedern, ebensolchen Gruppen wie unter der Ordnung des Fürsten. Die beiden residierenden Senior-Lebensbringer übernahmen vorübergehend die Führung dieses Vierziger-Rats, der während der ganzen sieben Jahre des Wartens arbeitete. Als die neununddreißig loyalen Stabsmitglieder nach Jerusem zurückkehrten, übernahmen analoge, aus Amadoniten gebildete Gruppen diese Verantwortlichkeiten. Die Amadoniten stammten von der Gruppe von 144 loyalen Andoniten ab, der Amadon angehörte, und die unter diesem Namen bekannt waren. Diese Gruppe umfasste neununddreißig Männer und hundertfünf Frauen. Sechsundfünfzig von ihnen besaßen Unsterblichkeitsstatus und wurden (außer Amadon) alle mit den loyalen Stabsmitgliedern nach Jerusem überführt. Die restlichen Mitglieder dieser edlen Schar wirkten unter Führung Vans und Amadons bis an ihr Lebensende auf der Erde weiter. Sie waren die biologische Hefe, die sich vermehrte und fortfuhr, der Welt während der langen dunklen Zeitalter der auf die Rebellion folgenden Ära Führergestalten zu liefern. Van wurde bis zur Zeit Adams als nominelles Oberhaupt aller auf dem Planeten wirkenden übermenschlichen Persönlichkeiten auf Urantia belassen. Er und Amadon hielten sich durch die Technik des Lebensbaums in Verbindung mit dem besonderen Lebensdienst der Melchisedeks über hundertfünfzigtausend Jahre lang am Leben. Die Angelegenheiten Urantias wurden lange Zeit von einem aus zwölf Melchisedeks bestehenden Rat planetarischer Treuhänder verwaltet, die durch einen Erlass des Seniors der Konstellationsherrscher, des Allerhöchsten Vaters von Norlatiadek, in ihrem Amt bestätigt worden waren. Den Melchisedek-Treuhändern stand ein beratender Körper mit folgenden Mitgliedern zur Seite: Einer der loyalen Helfer des gefallenen Fürsten, die beiden residierenden Lebensbringer, ein sich als Lehrling schulender Trinitisierter Sohn, ein freiwilliger Lehrersohn, ein Leuchtender Abendstern aus Avalon (periodisch), die Chefs der Seraphim und Cherubim, Berater von zwei Nachbarplaneten, der Generaldirektor des untergeordneten Engelslebens und Van, der Oberbefehlshaber der Mittler-Geschöpfe. So wurde Urantia bis zur Ankunft Adams regiert und verwaltet. Es überrascht nicht, dass dem mutigen und loyalen Van im Rat der planetarischen Treuhänder, der über so lange Zeit die Angelegenheiten Urantias verwaltete, ein Platz eingeräumt wurde. Die zwölf Melchisedek-Treuhänder leisteten heroische Arbeit. Sie bewahrten die Reste der Zivilisation, und ihre planetarische Politik wurde von Van getreulich ausgeführt. Innerhalb von tausend Jahren nach der Rebellion hatte er mehr als dreihundertfünfzig über die ganze Welt verstreute, fortgeschrittene Gruppen gebildet. Diese Vorposten der Zivilisation bestanden hauptsächlich aus Abkömmlingen der loyalen Andoniten, die sich in geringem Maße mit den Sangikrassen, insbesondere den blauen Menschen, und mit den Noditen vermischt hatten. Trotz des furchtbaren Rückschlags der Rebellion gab es auf Erden viele gute, biologisch vielversprechende Erblinien. Unter Leitung der Melchisedek-Treuhänder arbeiteten Van und Amadon weiter an der Pflege der natürlichen Evolution der menschlichen Rasse. Sie förderten die physische Evolution des Menschen, bis sie jenen Höhepunkt erreicht hatte, der die Entsendung eines Materiellen Sohnes und einer Materiellen Tochter nach Urantia rechtfertigte. Van und Amadon blieben bis kurz nach der Ankunft Adams und Evas auf der Erde. Einige Jahre darauf wurden sie nach Jerusem überführt, wo Van mit seinem wartenden Justierer wiedervereinigt wurde. Van wirkt jetzt für Urantia, während er auf den Befehl wartet, sich auf den langen, langen Weg zu begeben, der zur Vollkommenheit des Paradieses und zu der nicht offenbarten Bestimmung des sich versammelnden Finalitätskorps der Sterblichen führt. Es sollte vermerkt werden, dass, als Van an die Allerhöchsten Edentias appellierte, nachdem Luzifer Caligastia auf Urantia unterstützt hatte, die Väter der Konstellation unverzüglich einen Entscheid übersandten, der Van in jedem Punkt seiner Auseinandersetzung unterstützte. Dieses Verdikt erreichte ihn nicht, weil die planetarischen Kommunikationskreise unterbrochen wurden, während es unterwegs war. Erst kürzlich wurde eben dieser Erlass im Besitz eines zwischengeschalteten Energieübertragers entdeckt, wo er seit der Isolation Urantias stecken geblieben war. Ohne diese Entdeckung, die von Mittlern Urantias bei ihren Nachforschungen gemacht wurde, hätte die Zustellung dieses Entscheids auf die Wiedereingliederung Urantias in die Konstellationskreise warten müssen. Dieser offenbare Zwischenfall interplanetarischer Kommunikation war möglich, weil die Energieübertrager wohl Nachrichten empfangen und weiterleiten, nicht aber Verbindungen herstellen können. Der technische Status Vans in den Gesetzesregistern Satanias stand nicht wirklich und endgültig fest, bevor dieser Erlass der Väter Edentias auf Jerusem registriert wurde. ***** 67.7 Ferne Auswirkungen der Sünde ***** Die persönlichen (zentripetalen) Folgen der willentlichen und anhaltenden Zurückweisung des Lichts durch ein Geschöpf sind unvermeidlich und individuell und betreffen nur die Gottheit und dieses persönliche Geschöpf. Eine solche die Seele zerstörende Ernte der Frevelhaftigkeit ist das innere Erzeugnis des frevelnden Willensgeschöpfes. Aber anders verhält es sich mit den äußeren Wirkungen der Sünde: Die unpersönlichen (zentrifugalen) Folgen bejahter Sünde sind unvermeidlich und kollektiv, da sie jedes Geschöpf betreffen, das im Einflussbereich solcher Ereignisse lebt. Fünfzigtausend Jahre nach dem Zusammenbruch der planetarischen Verwaltung waren die irdischen Angelegenheiten derart desorganisiert und im Rückstand, dass die menschliche Rasse sich nur sehr geringfügig über den allgemeinen Evolutionsstatus erhoben hatte, wie er zur Zeit der Ankunft Caligastias dreihundertfünfzigtausend Jahre zuvor existiert hatte. In einiger Hinsicht war Fortschritt erzielt worden; in manch anderer war viel Boden verloren worden. Sünde ist in ihren Auswirkungen nie rein lokal begrenzt. Die Verwaltungssektoren der Universen sind Organismen; die Not einer Persönlichkeit muss in gewissem Grade von allen geteilt werden. Da Sünde die Haltung einer Person gegenüber der Realität ist, wird sich die aus ihr geborene negative Ernte zwangsläufig auf allen von ihr berührten Ebenen universeller Werte zeigen. Aber die vollen Konsequenzen falschen Denkens, üblen Handelns oder sündigen Planens werden nur auf jener Ebene erfahren, auf der diese Tätigkeiten stattfinden. Die Überschreitung des universellen Gesetzes kann sich im physischen Bereich unheilvoll auswirken, ohne das Denken ernstlich in Mitleidenschaft zu ziehen oder die geistige Erfahrung zu beeinträchtigen. Sünde hat nur dann unheilvolle Folgen für das Fortleben der Persönlichkeit, wenn sie die Haltung des ganzen Wesens ist, wenn sie die Entscheidungen des Verstandes und das Wollen der Seele widerspiegelt. Übel und Sünde haben im materiellen und gesellschaftlichen Bereich Folgen und können auf bestimmten Ebenen der Universumsrealität sogar den geistigen Fortschritt verzögern, aber nie kann die Sünde irgendeines Wesens ein anderes um die Verwirklichung seines göttlichen Rechts auf persönliches Fortleben bringen. Das ewige Leben kann nur durch die Entscheidungen des Verstandes und die Wahl der Seele des Einzelnen selbst in Frage gestellt werden. Auf Urantia hat die Sünde die biologische Evolution kaum verzögert, hingegen hat sie bewirkt, dass die sterblichen Rassen um den vollen Gewinn aus dem adamischen Erbe gebracht wurden. Sünde verzögert gewaltig intellektuelle Entwicklung, sittliches Wachstum, sozialen Fortschritt und massenweises geistiges Vollbringen. Aber sie kann die höchste geistige Vollbringung irgendeines Einzelwesens nicht verhindern, das die Wahl trifft, Gott kennenzulernen und aufrichtig seinen göttlichen Willen zu tun. Caligastia rebellierte, Adam und Eva verfehlten sich, aber kein nach ihnen auf Urantia geborener Sterblicher hat in seiner persönlichen geistigen Erfahrung wegen dieser schweren Fehler leiden müssen. Jeder seit Caligastias Rebellion auf Urantia geborene Sterbliche ist zwar irgendwie in der Zeit bestraft worden, aber das künftige Wohlergehen all dieser Seelen in der Ewigkeit ist nie im mindesten in Frage gestellt worden. Niemandem wird jemals wegen der Sünde eines anderen der lebenswichtige Geist vorenthalten. Die Sünde bleibt, was moralische Schuld oder geistige Konsequenzen anbelangt, gänzlich persönlich trotz ihrer weitreichenden Auswirkungen im administrativen, intellektuellen und gesellschaftlichen Bereich. Obwohl wir die Weisheit, die derartige Katastrophen zulässt, nicht zu ergründen vermögen, können wir immer die wohltätigen Ergebnisse solch lokaler Störungen wahrnehmen, wenn man ihren Widerhall im Universum als Ganzem betrachtet. ***** 67.8 Der menschliche Held der Rebellion ***** Viele mutige Wesen haben auf den verschiedenen Welten Satanias der Rebellion Luzifers widerstanden; aber die Annalen Salvingtons bezeichnen Amadon als den überragenden Charakter des ganzen Systems wegen seiner ruhmreichen Abwehr des heranbrandenden Aufruhrs und seiner unerschütterlichen Hingabe an Van - unbeirrbar hielten sie zueinander in ihrer Ergebenheit gegenüber der höchsten Gewalt des unsichtbaren Vaters und seines Sohnes Michael. Zu der Zeit dieser denkwürdigen Vorgänge war ich auf Edentia stationiert, und ich verspüre noch heute die Beglückung, die ich damals beim Empfang der Fernmeldungen Salvingtons empfand, die Tag für Tag von der unglaublichen Standhaftigkeit, transzendenten Hingabe und wunderbaren Treue dieses einst halbwilden Abkömmlings des experimentellen Grundstocks der andonischen Rasse berichteten. Von Edentia über Salvington sogar bis hinauf nach Uversa lautete ganze sieben Jahre lang die erste Frage aller untergeordneten himmlischen Wesen stets: "Was wird aus Amadon von Urantia? Bleibt er fest?" Wenn Luzifers Rebellion das Lokalsystem und seine gefallenen Welten behindert und der Verlust dieses Sohnes und seiner missgeleiteten Mitarbeiter den Fortschritt der Konstellation von Norlatiadek vorübergehend gehemmt hat, dann haltet dem die Wirkung des bis in weite Fernen bekannt gewordenen, inspirierenden Verhaltens dieses einen Kindes der Natur und der entschlossenen Schar seiner 143 Kameraden gegenüber, die sich dem von ihren illoyalen Vorgesetzten ausgeübten ungeheuren gegnerischen Druck zum Trotz unerschütterlich für die höheren Vorstellungen von Universumsführung und - verwaltung einsetzten. Und lasst mich euch versichern, dass dadurch im Universum von Nebadon und im Superuniversum von Orvonton schon mehr Gutes gestiftet worden ist, als die Summe allen Übels und Leids der Rebellion Luzifers je aufwiegen könnte. All das beleuchtet auf wunderbar rührende und großartige Art die Weisheit des universalen Plans des Vaters zur Mobilisierung des Korps der Sterblichen Finalisten im Paradies und zur Rekrutierung ebendieser riesigen Schar geheimnisvoller Diener der Zukunft vorwiegend aus dem gewöhnlichen Lehm der vorrückenden sterblichen Aufsteiger - gerade solcher Sterblicher wie der unbezwingliche Amadon. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 68 Die Heraufdämmern der Zivilisation ****** DIES ist der Beginn des Berichts über das lange, lange Sich-Vorwärtskämpfen der menschlichen Gattung aus einem Zustand, der kaum besser als eine Tierexistenz war, über die dazwischen liegenden Epochen bis zu den späteren Zeiten, als sich bei den höheren Rassen der Menschheit eine wirkliche, wenn auch unvollkommene Zivilisation entwickelt hatte. Zivilisation ist etwas durch die Rasse Erworbenes; sie liegt nicht im Wesen der Biologie; daher müssen alle Kinder in einem kultivierten Umfeld aufgezogen werden und muss der Jugend jeder folgenden Generation erneut Erziehung zuteil werden. Die höheren Qualitäten der Zivilisation - wissenschaftlicher, philosophischer und religiöser Art - gehen nicht durch direkte Vererbung von einer Generation auf die nächste über. Diese kulturellen Leistungen werden nur dank verständnisvoller Bewahrung des gesellschaftlichen Erbes am Leben erhalten. Die Lehrer Dalamatias gaben den Anstoß zu einer gesellschaftlichen Entwicklung kooperativer Art, und dreihunderttausend Jahre lang wuchs die Menschheit mit der Idee von Gruppenaktivitäten auf. Aus diesen frühen sozialen Lehren zogen die blauen Menschen den größten Nutzen, während die roten Menschen davon einigermaßen und die schwarzen Menschen am wenigsten von allen profitierten. In jüngerer Zeit hatten die gelbe und die weiße Rasse Urantias die fortgeschrittenste gesellschaftliche Entwicklung vorzuweisen. ***** 68.1 Sozialisierung als Schutzmaßnahme ***** Wenn die Menschen in nahe Berührung gebracht werden, gewinnen sie sich oft lieb, aber der primitive Mensch quoll nicht natürlicherweise vom Geist brüderlicher Gefühle und vom Wunsch nach sozialen Kontakten mit seinesgleichen über. Die frühen Rassen mussten eher aus trauriger Erfahrung lernen, dass "die Kraft in der Einheit liegt". Und es ist gerade dieser Mangel an natürlicher brüderlicher Anziehung, der jetzt einer sofortigen Verwirklichung der Bruderschaft der Menschen auf Urantia im Wege steht. Schon früh überlebte man nur um den Preis des Zusammenschlusses. Der Einzelmensch war hilflos, außer er trug ein Stammeszeichen, das bezeugte, dass er einer Gruppe angehörte, die sich mit Sicherheit für jeden auf ihn verübten Angriff rächen würde. Selbst noch in den Tagen Kains war es tödlich, sich ohne ein Zeichen von Gruppenzugehörigkeit allein in die Fremde zu begeben. Die Zivilisation ist des Menschen Versicherung gegen gewaltsamen Tod geworden, und er bezahlt seine Prämien, indem er sich den zahlreichen gesetzlichen Forderungen der Gesellschaft beugt. Die primitive Gesellschaft beruhte also darauf, dass man sich gegenseitig nötig hatte und seine Sicherheit durch Zusammenschluss erhöhte. Und die menschliche Gesellschaft hat sich in jahrtausendelangen Zyklen aus dieser Angst vor Isolation und aufgrund widerstrebend gewährter Zusammenarbeit entwickelt. Die primitiven menschlichen Wesen lernten bald, dass Gruppen um Vieles größer und stärker sind als die bloße Summe der sie bildenden individuellen Einheiten. Hundert geeinte und im Einklang arbeitende Männer können einen großen Stein bewegen; zwanzig gut geschulte Schutzmänner können einen wütenden Pöbel in Schach halten. Und so wurde die Gesellschaft geboren, nämlich nicht als ein nur zahlenmäßiger Zusammenschluss, sondern vielmehr als Ergebnis der Organisation von intelligenten, kooperierenden Menschen. Aber Kooperation ist kein natürlicher Wesenszug des Menschen; er lernt Kooperation zuerst aus Furcht und später, weil er entdeckt, dass sie äußerst hilfreich ist, um den Schwierigkeiten der Zeit zu begegnen und sich vor den angeblichen Gefahren der Ewigkeit zu schützen. Die Völker, die sich auf diese Weise früh in einer primitiven Gesellschaft organisierten, wurden erfolgreicher bei ihren Angriffen auf die Natur ebenso wie bei der Verteidigung gegen ihre Mitmenschen; sie hatten größere Überlebenschancen; daher hat die Zivilisation auf Urantia trotz vieler Rückschläge ständige Fortschritte gemacht. Und es ist einzig dem gesteigerten Überlebenswert durch Zusammenschluss zuzuschreiben, dass die vielen groben Fehler der Menschen bisher die Zivilisation nicht angehalten oder gar zerstört haben. Dass die gegenwärtige kulturelle Gesellschaft ein eher junges Phänomen ist, demonstrieren bestens die bis heute fortlebenden primitiven sozialen Zustände, die für die australischen Ureinwohner und die Buschmänner und Pygmäen Afrikas charakteristisch sind. Bei diesen rückständigen Völkern kann man noch etwas von der Gruppenfeindlichkeit, dem persönlichen Argwohn und anderen höchst unsozialen Zügen von einst beobachten, die für alle primitiven Rassen so bezeichnend waren. Diese erbärmlichen Überreste der asozialen Völker früher Zeiten sind ein sprechendes Zeugnis für die Tatsache, dass die natürliche individualistische Tendenz des Menschen sich nicht erfolgreich mit den wirksameren und machtvolleren Organisationen und Vereinigungen sozialen Fortschritts messen kann. Diese rückständigen und argwöhnischen asozialen Rassen, die alle sechzig bis achtzig Kilometer einen anderen Dialekt sprechen, führen euch vor Augen, in was für einer Welt ihr heute leben würdet ohne die kombinierte Unterweisung durch den körperlichen Stab des Planetarischen Fürsten und die späteren Anstrengungen der adamischen Gruppe rassischer Veredler. Der moderne Ausdruck "Zurück zur Natur" ist ein auf Unwissenheit beruhender Wahn, ein Glaube an die Realität eines einstigen fiktiven "goldenen Zeitalters". Die einzige Grundlage der Legende des goldenen Zeitalters ist die historische Tatsache Dalamatias und Edens. Aber jene verbesserten Gesellschaften waren weit entfernt von der Verwirklichung utopischer Träume. ***** 68.2 Faktoren des Sozialen Fortschritts ***** Die zivilisierte Gesellschaft ist das Resultat der frühen Anstrengungen des Menschen, die verhasste Isolierung zu durchbrechen. Aber das bedeutet nicht notwendigerweise gegenseitige Zuneigung, und der gegenwärtige turbulente Zustand bestimmter primitiver Gruppen zeigt gut, durch was alles die frühen Stämme hindurchgehen mussten. Obwohl die Angehörigen einer Zivilisation zusammenprallen und einander bekämpfen mögen und obwohl die Zivilisation selbst als widersprüchliches, ringendes und kämpfendes Ganzes erscheinen mag, so lässt sie doch ein ernstes Streben erkennen und nicht tödliche Monotonie von Stagnation. Obwohl das Intelligenzniveau beträchtlich zur Beschleunigung des kulturellen Fortschritts beigetragen hat, besteht doch die wesentliche Aufgabe der Gesellschaft darin, das Risikoelement im Leben des Einzelnen zu verkleinern, und sie ist fast so rasch fortgeschritten, wie es ihr gelungen ist, das Leiden zu vermindern und das Freudeelement im Leben zu verstärken. So schreitet der ganze gesellschaftliche Körper langsam auf das Ziel seiner Bestimmung zu - Fortleben oder Auslöschung - je nachdem, ob dieses Ziel Selbst-Erhaltung oder Selbst-Beglückung ist. Selbst-Erhaltung lässt Gesellschaft entstehen, während übertriebene Selbst-Beglückung die Zivilisation zerstört. Die Aufgaben der Gesellschaft sind Selbst-Fortpflanzung, Selbst-Erhaltung und Selbst-Beglückung, aber die menschliche Selbstverwirklichung ist es wert, zum unmittelbaren Ziel vieler kultureller Gruppen zu werden. Der Herdeninstinkt des natürlichen Menschen ist kaum ausreichend, um die Bildung einer gesellschaftlichen Organisation zu erklären, wie sie jetzt auf Urantia existiert. Obwohl dieser angeborene Herdentrieb der menschlichen Gesellschaft zugrunde liegt, ist doch ein großer Teil des sozialen Verhaltens des Menschen erworben. Zwei große Einflüsse, die zum frühen Zusammenschluss menschlicher Wesen beitrugen, waren Hunger und geschlechtliche Liebe; diese instinktiven Bedürfnisse teilt der Mensch mit der Tierwelt. Zwei andere Empfindungen, die die menschlichen Wesen zusammenrücken ließen und sie zusammenhielten, waren Eitelkeit und Furcht, insbesondere die Furcht vor den Geistern. Die Geschichte ist nichts anderes als die Aufzeichnung des lang dauernden Kampfes des Menschen um Nahrung. Der primitive Mensch dachte nur, wenn er hungrig war; der sparsame Umgang mit Nahrung war seine erste Selbstverleugnung oder Selbstdisziplin. Mit dem Wachstum der Gesellschaft hörte der Hunger nach Nahrung auf, der einzige Ansporn zu gegenseitigem Zusammenschluss zu sein. Viele andere Arten von Hunger, die Verwirklichung verschiedener Bedürfnisse, all das führte einen engeren Zusammenschluss der Menschheit herbei. Aber heute ist die Gesellschaft durch das Überhandnehmen angeblicher menschlicher Bedürfnisse aus dem Gleichgewicht geraten. Überdrüssig ächzt die abendländische Zivilisation des zwanzigsten Jahrhunderts unter der ungeheuren Last von zuviel Luxus und der maßlosen Zunahme menschlicher Wünsche und Sehnsüchte. Die moderne Gesellschaft ist der Zerreißprobe einer ihrer gefährlichsten Phasen weitreichender Vernetzung und hochkomplizierter Interdependenz ausgesetzt. Hunger, Eitelkeit und Geisterfurcht übten einen unablässigen sozialen Druck aus, aber die geschlechtliche Befriedigung war vorübergehend und gelegentlich. Der Geschlechtstrieb allein vermochte die primitiven Männer und Frauen nicht dazu zu bewegen, sich die schweren Bürden der Aufrechterhaltung eines Heims aufzuladen. Das frühe Heim gründete auf der sexuellen Ruhelosigkeit des Mannes, wenn ihm häufige Befriedigung verwehrt war, und auf der hingebungsvollen Mutterliebe der Frau, die sie bis zu einem gewissen Grade mit den Weibchen aller höheren Tiere teilt. Die Gegenwart eines hilflosen Säuglings war bestimmend für die frühe Differenzierung in männliche und weibliche Aktivitäten; die Frau hatte einen festen Wohnsitz zu unterhalten, wo sie den Boden bestellen konnte. Und von den frühesten Zeiten an wurde der Ort, wo die Frau lebte, als das Heim betrachtet. So wurde die Frau für die Entfaltung des gesellschaftlichen Plans schon früh unentbehrlich, nicht so sehr wegen der vorübergehenden sexuellen Leidenschaft als aufgrund des Nahrungsbedarfs; sie war ein wesentlicher Partner für die Selbst-Erhaltung. Sie war Nahrungsbeschafferin, Lasttier und eine Gefährtin, die schlimme Misshandlung ohne heftigen Groll ertrug. Und zusätzlich zu all diesen wünschenswerten Zügen war sie ein immer anwesendes Mittel zur sexuellen Befriedigung. Fast alles, was in der Zivilisation dauernden Wert besitzt, hat seine Wurzeln in der Familie. Die Familie war die erste erfolgreiche friedliebende Gruppe. In ihr lernten Männer und Frauen, ihre gegensätzlichen Naturen aufeinander abzustimmen und zugleich ihre Kinder zu lehren, nach Frieden zu streben. Die Funktion der Ehe in der Evolution besteht darin, das Fortbestehen der Rasse zu gewährleisten, und nicht nur darin, persönliches Glück zu verwirklichen; Selbst-Erhaltung und Selbst-Fortpflanzung sind die wahren Ziele des Heims. Selbst-Beglückung geschieht beiläufig und ist nicht wesentlich, außer als Antrieb zur Sicherstellung sexueller Vereinigung. Die Natur will überleben, aber die Errungenschaften der Zivilisation verstärken laufend die Freuden der Ehe und die aus dem Familienleben erwachsenden Befriedigungen. Wenn wir den Begriff Eitelkeit so ausweiten, dass er auch Stolz, Ehrgeiz und Ehre umfasst, dann können wir nicht nur feststellen, wie diese Neigungen zur Bildung menschlicher Vereinigungen beitragen, sondern auch, wie sie die Menschen zusammenhalten, denn solche Empfindungen sind ohne ein Publikum, vor dem agiert wird, gegenstandslos. Bald gesellten sich der Eitelkeit auch andere Empfindungen und Impulse bei, die einer gesellschaftlichen Bühne bedurften, um sich darzustellen und Befriedigung zu erfahren. Aus dieser Gruppe von Gefühlen gingen die ersten Anfänge aller Kunst, alles Zeremoniellen und aller Arten von sportlichen Spielen und Wettkämpfen hervor. Die Eitelkeit leistete einen mächtigen Beitrag zur Geburt der Gesellschaft; aber zum Zeitpunkt dieser Offenbarungen droht das abwegige Streben einer großsprecherischen Generation die ganze komplizierte Struktur einer hochspezialisierten Zivilisation zu überschwemmen und zu ertränken. Längst ist Vergnügungssucht an die Stelle der Befriedigung von Hunger getreten; die berechtigten gesellschaftlichen Ziele der Selbst-Erhaltung verwandeln sich rasch in niedrige und bedrohliche Formen der Selbst-Beglückung. Selbst-Erhaltung baut die Gesellschaft auf; zügellose Selbst-Beglückung zerstört eine Zivilisation unfehlbar. ***** 68.3 Der sozialisierende Einfluss der Furcht vor den Geistern ***** Primitive Wünsche schufen die ursprüngliche Gesellschaft, aber die Furcht vor den Geistern hielt sie zusammen und brachte ihrer Existenz einen außermenschlichen Aspekt. Gewöhnliche Angst hatte einen physiologischen Ursprung: Angst vor physischem Schmerz, ungestilltem Hunger oder irgendeiner irdischen Katastrophe; aber die Furcht vor den Geistern war eine neue und erhabene Art von Entsetzen. Wohl der größte einzelne Faktor in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft war der Geistertraum. Während die meisten Träume das primitive Gemüt heftig bewegten, versetzten Geisterträume die frühen Menschen recht eigentlich in Schrecken und trieben diese abergläubischen Träumer einander geradezu in die Arme; bereitwillig und ernst schlossen sie sich zusammen, um sich gegenseitig vor den eingebildeten unbestimmten und unsichtbaren Gefahren der Geisterwelt zu schützen. Der Geistertraum war einer der sich am frühesten zeigenden Unterschiede zwischen dem tierischen und menschlichen Verstandestyp. Tiere haben keine Vorstellung von einem Leben nach dem Tode. Von diesem Geisterfaktor abgesehen gründete die ganze Gesellschaft auf fundamentalen Bedürfnissen und biologischen Grundtrieben. Aber die Geisterfurcht brachte einen neuen Faktor in die Zivilisation ein, eine Furcht, die weit über die elementaren Bedürfnisse des Einzelnen hinausgeht und sich sogar sehr hoch über die Kämpfe für den Zusammenhalt der Gruppe erhebt. Das Grauen vor den hinübergegangenen Totengeistern förderte eine neue und erstaunliche Form von Furcht zutage, einen entsetzlichen und mächtigen Schrecken, unter dessen Peitschenhieben die lockeren sozialen Ordnungen der Anfänge in die disziplinierteren und besser kontrollierten Gruppen der alten Zeiten übergingen. Dieser unsinnige Aberglaube, der zum Teil immer noch lebt, machte die Gemüter der Menschen durch die abergläubische Furcht vor dem Unwirklichen und Übernatürlichen für die spätere Entdeckung der "Furcht vor dem Herrn, die der Anfang der Weisheit ist", empfänglich. Die grundlosen Ängste der Evolution sind dazu bestimmt, von der durch die Offenbarung ausgelösten heiligen Scheu vor der Gottheit abgelöst zu werden. Der frühe auf Geisterfurcht beruhende Kult wurde zu einem mächtigen sozialen Band, und seit diesen weit zurückliegenden Tagen hat die Menschheit immer mehr oder weniger nach Geistigkeit gestrebt. Hunger und Liebe trieben die Menschen zueinander; Eitelkeit und Geisterfurcht hielten sie zusammen. Aber diese Empfindungen allein ohne den Einfluss von friedensfördernden Offenbarungen sind unfähig, dem Druck der Verdächtigungen und Irritationen menschlicher Vereinigungen standzuhalten. Ohne Hilfe aus übermenschlichen Quellen entlädt sich die gesellschaftliche Spannung, wenn sie gewisse Grenzen erreicht hat, und es sind dieselben gesellschaftsfördernden Einflüsse - Hunger, Liebe, Eitelkeit und Furcht - die sich jetzt verbünden, um die Menschheit in Krieg und Blutvergießen zu stürzen. Das Friedensstreben der menschlichen Rasse ist keine natürliche Veranlagung; es rührt von den Lehren offenbarter Religion, von den angesammelten Erfahrungen der fortgeschrittenen Rassen her, aber ganz besonders von den Lehren Jesu, des Friedensfürsten. ***** 68.4 Die Entwicklung der Sitten ***** Alle modernen sozialen Einrichtungen sind aus der Entwicklung der primitiven Bräuche eurer wilden Vorfahren hervorgegangen; die heutigen Gepflogenheiten sind die veränderten und erweiterten Bräuche von gestern. Was die Gewohnheit für den Einzelnen, ist der Brauch für die Gruppe; und Gruppenbrauchtum entwickelt sich zu Volkstum und Stammestraditionen - zu Massenkonventionen. In diesen frühen bescheidenen Anfängen wurzeln alle Institutionen der heutigen menschlichen Gesellschaft. Man muss daran denken, dass die Sitten ihren Ursprung im Bemühen hatten, das Gruppenleben den Bedingungen der Existenz in der Masse anzupassen; die Sitten waren die erste soziale Institution des Menschen. Und all diese Stammesreaktionen gingen aus dem Bemühen, Schmerz und Demütigung zu vermeiden, hervor und entsprangen zugleich dem Bedürfnis, Freude und Macht zu erleben. Der Ursprung des Volkstums ist gleich demjenigen der Sprachen immer unbewusst und unbeabsichtigt und deshalb immer von Geheimnis umhüllt. Geisterfurcht führte den primitiven Menschen dazu, sich Übernatürliches vorzustellen, und legte so die sicheren Fundamente für die machtvollen Einflüsse von Ethik und Religion, die ihrerseits die Gesellschaftssitten und - bräuche unangetastet von Generation zu Generation weitergaben. Was die Sitten schon früh fest verankerte und kristallisierte, war hauptsächlich der Glaube, dass die Toten eifersüchtig über die Beibehaltung der Art und Weise wachten, in der sie selbst gelebt hatten und gestorben waren, und dass sie deshalb Sterbliche entsetzlich bestraften, die es wagen sollten, die Lebensregeln leichtfertig zu verachten, die sie zu ihren Lebzeiten in hohen Ehren gehalten hatten. Die beste Illustration dazu ist die gegenwärtige Verehrung, die die gelbe Rasse ihren Vorfahren entgegenbringt. Durch eine Verfestigung der Sitten verstärkte die sich später entwickelnde primitive Religion die Furcht vor den Geistern noch erheblich, aber die fortschreitende Zivilisation hat die Menschheit zunehmend von der Knechtschaft der Furcht und von der Sklaverei des Aberglaubens befreit. Vor der befreienden und liberalisierenden Unterweisung der Lehrer Dalamatias war der frühe Mensch ein hilfloses Opfer im Griff der Sittenrituale gewesen; der primitive Wilde wurde durch ein endloses Zeremoniell eingeengt. Alles was er vom Zeitpunkt seines Aufwachens am Morgen bis zu dem Augenblick tat, da er abends in seiner Höhle in Schlaf fiel, musste genau so getan werden - in Übereinstimmung mit den Stammesbräuchen. Er war ein Sklave der Tyrannei der Bräuche; sein Leben enthielt nichts Freies, Spontanes oder Originelles. Es gab keinen natürlichen Fortschritt in Richtung einer höheren mentalen, sittlichen oder sozialen Existenz. Der frühe Mensch befand sich ganz im Griff der Gewohnheit; der Wilde war ein eigentlicher Sklave des Brauchs; aber von Zeit zu Zeit haben sich in Abweichung von diesem Typ Einzelne erhoben, die es gewagt haben, neue Denkweisen und verbesserte Lebensmethoden einzuführen. Die Trägheit des primitiven Menschen ist indessen die biologische Sicherheitsbremse gegen einen überstürzten und zu plötzlichen Übergang zu den ruinösen Fehlanpassungen einer zu schnell fortschreitenden Zivilisation. Aber die Gebräuche sind nicht nur ein Übel; ihre Entwicklung sollte weitergehen. Es ist für den Fortbestand einer Zivilisation nahezu todbringend, sie durch radikale Revolution pauschal verändern zu wollen. Die Gebräuche sind der Kontinuitätsfaden gewesen, der die Zivilisation zusammengehalten hat. Der Pfad der menschlichen Geschichte ist übersät mit Spuren von fallengelassenen Bräuchen und veralteten gesellschaftlichen Gepflogenheiten; aber keine Zivilisation hat je Bestand gehabt, die ihre Sitten verließ, ohne sie durch die Annahme besserer und passenderer Gewohnheiten zu ersetzen. Die Fortdauer einer Gesellschaft hängt hauptsächlich von der progressiven Entwicklung ihrer Sitten ab. Der Evolutionsprozess der Bräuche geht aus Experimentierfreudigkeit hervor; neue Ideen werden vorgebracht - und Wetteifer ist die Folge. Eine im Fortschritt befindliche Zivilisation öffnet sich fortschrittlichen Ideen und hat Dauer; Zeit und Umstände wählen schließlich die überlebensfähigere Gruppe. Aber das bedeutet nicht, dass jede am Aufbau der menschlichen Gesellschaft vorgenommene separate und isolierte Änderung eine Verbesserung gebracht hat. Nein! Durchaus nicht! Denn es hat in dem langen Vorwärtstreben der Zivilisation Urantias viele, viele Rückentwicklungen gegeben. ***** 68.5 Bodentechniken - Fertigkeiten zum Lebensunterhalt ***** Der Boden ist die Bühne der Gesellschaft; die Menschen sind die Schauspieler. Und der Mensch muss sein Spiel ständig anpassen, um dem Zustand des Bodens gerecht zu werden. Die Entwicklung der Sitten ist immer vom Verhältnis Land-Mensch abhängig. Das stimmt, trotz der Schwierigkeit, es wahrzunehmen. Die Bodentechniken des Menschen - die seinem Lebensunterhalt dienenden Fertigkeiten - und sein Lebensstandard bilden zusammen die Summe all seiner Bräuche, die Sitten. Und die Summe seiner Anpassungen an die Anforderungen des Lebens bildet seine kulturelle Zivilisation. Die ersten menschlichen Kulturen erschienen entlang den Flüssen der östlichen Hemisphäre, und es gab vier große Vorwärtsschritte im Gang der Zivilisation, nämlich: 1. Das Sammlerstadium. Nahrungszwang, Hunger führte zur ersten Form industrieller Organisation, zu den primitiven, Nahrung sammelnden Menschenketten. Die Kette der an einem solchen Hungermarsch Beteiligten, die über Land zogen und Essbares einsammelten, konnte bis fünfzehn Kilometer lang werden. Das war das primitive Nomadenstadium der Kultur, und es ist die heute von den afrikanischen Buschmännern gelebte Daseinsart. 2. Das Jägerstadium. Die Erfindung von Waffen-Werkzeugen versetzte den Menschen in die Lage, Jäger zu werden, und sich dadurch ganz beträchtlich von der Nahrungssklaverei zu befreien. Ein denkender Andonit, dessen Hand in einem schweren Kampf arg zerquetscht worden war, entdeckte von neuem die Idee, anstelle seines Arms einen langen Stock und statt seiner Faust einen harten Feuerstein zu benutzen, den er mit Sehnen am Stockende befestigte. Viele Stämme machten unabhängig voneinander ähnliche Entdeckungen, und diese verschiedenen Formen von Hämmern stellten einen der großen Vorwärtsschritte in der menschlichen Zivilisation dar. Heute sind einige australische Ureinwohner nur wenig über dieses Stadium hinausgekommen. Die blauen Menschen wurden erfahrene Jäger und Fallensteller; durch Einzäunen der Flüsse fingen sie Fische in großer Zahl und hoben dann den getrockneten Überschuss für den Winter auf. Zum Fangen des Wilds wurden viele Formen raffinierter Schlingen und Fallen verwendet, aber die primitiveren Rassen jagten keine größeren Tiere. 3. Das Hirtenstadium. Diese Zivilisationsphase wurde möglich durch die Domestizierung von Tieren. Die Araber und die Eingeborenen Afrikas gehören zu den Hirtenvölkern jüngerer Zeit. Das Hirtenleben brachte hinsichtlich der Nahrungssklaverei noch mehr Erleichterung; der Mensch lernte, von den Zinsen seines Kapitals - von der Vermehrung seiner Herden - zu leben; und das gewährte ihm mehr Muße für Kultur und Fortschritt. Die dem Hirtenstadium vorangegangene Gesellschaft hatte auf Geschlechterkooperation beruht, aber die Verbreitung der Tierhaltung zwang die Frauen in tiefste soziale Versklavung. In früheren Zeiten war die Beschaffung tierischer Nahrung Männerpflicht gewesen, während es der Frau oblag, für pflanzliche Nahrung zu sorgen. Deshalb sank die Würde der Frau sehr tief, als der Mann in die Hirtenära seiner Existenz eintrat. Denn sie musste sich weiterhin abrackern, um die lebensnotwendige Pflanzennahrung zu liefern, während der Mann nur zu seinen Herden zu gehen brauchte, um sich tierische Nahrung im Überfluss zu beschaffen. Der Mann wurde dadurch von der Frau relativ unabhängig; während des ganzen Hirtenzeitalters verschlechterte sich der Status der Frau unablässig. Als diese Ära zu Ende ging, war die Frau zu kaum mehr als einem menschlichen Tier geworden mit der Bestimmung, sich abzuarbeiten und menschliche Nachkommen zu gebären, geradeso wie von den Herdentieren erwartet wurde, dass sie arbeiteten und Junge warfen. Die Männer des Hirtenzeitalters hatten eine große Liebe zu ihrem Vieh; umso trauriger ist es, dass sie keine tiefere Zuneigung zu ihren Frauen entwickelten. 4. Das landwirtschaftliche Stadium. Diese Ära wurde durch die Kultivierung der Pflanzen herbeigeführt, und sie stellt den höchsten Typ materieller Zivilisation dar. Sowohl Caligastia als auch Adam waren bestrebt, Gartenbau und Landwirtschaft zu lehren. Adam und Eva waren Gärtner, nicht Hirten, und Gartenbau war damals eine fortgeschrittene Kulturform. Der Pflanzenanbau übt auf alle Menschenrassen einen veredelnden Einfluss aus. Die Landwirtschaft bewirkte mehr als die Vervierfachung des Land-Mensch-Verhältnisses der Welt. Landwirtschaft kann mit den Hirtenaktivitäten des früheren Kulturstadiums einhergehen. Wenn die drei Stadien sich überlappen, gehen die Männer auf die Jagd, während die Frauen den Boden bestellen. Es gab immer Reibungen zwischen Hirten und Ackerbauern. Jäger und Hirten waren kämpferisch und angriffslustig; der Ackerbauer ist ein eher friedliebender Typus. Gemeinschaft mit der Tierwelt bedeutet Kampf und Kraft; Gemeinschaft mit der Pflanzenwelt flößt Geduld, Ruhe und Frieden ein. Landwirtschaft und Industrie sind Friedensaktivitäten. Aber die Schwäche beider als gesellschaftliche Aktivitäten der Welt liegt in ihrem Mangel an Aufregung und Abenteuer. Die menschliche Gesellschaft hat sich vom Jägerstadium über das Hirtenstadium bis zu der an Grundstücke gebundenen Landwirtschaft entwickelt. Und jeder Abschnitt dieser fortschreitenden Zivilisation wurde von einem ständigen Rückgang des Nomadentums begleitet; mehr und mehr begann der Mensch, zu Hause zu leben. Und jetzt tritt die Industrie ergänzend zur Landwirtschaft hinzu, was eine stärkere Verstädterung und die Vermehrung nicht-landwirtschaftlicher Gruppen in den Bürgerklassen zur Folge hat. Aber eine industrielle Ära kann nicht hoffen zu überleben, wenn ihre Führer nicht die Einsicht haben, dass auch die höchsten gesellschaftlichen Entwicklungen stets auf einer gesunden landwirtschaftlichen Grundlage ruhen müssen. ***** 68.6 Die kulturelle Entwicklung ***** Der Mensch ist ein Geschöpf des Erdbodens, ein Kind der Natur. Ganz gleich, wie sehr er sich bemüht, dem Boden zu entrinnen, kann er sicher sein, letztenendes dabei zu scheitern. "Ihr seid Staub und sollt wieder zu Staub werden" gilt wörtlich für die ganze Menschheit. Der fundamentale Kampf des Menschen war, ist und wird immer einer um den Boden sein. Als die primitiven menschlichen Wesen zum ersten Mal soziale Vereinigungen schufen, taten sie es, um solche Kämpfe um Land zu gewinnen. Das Verhältnis Land-Mensch liegt der ganzen sozialen Zivilisation zugrunde. Die menschliche Intelligenz erhöhte mit Hilfe von Handwerk und Wissenschaft den Bodenertrag, und zugleich wurde die natürliche Vermehrung der Nachkommen einigermaßen unter Kontrolle gebracht. Beides lieferte die nötigen Mittel und Muße zum Aufbau einer kulturellen Zivilisation. Die menschliche Gesellschaft wird von einem Gesetz regiert, welches bestimmt, dass die Bevölkerung in direktem Verhältnis zu den Bodentechniken und in umgekehrtem Verhältnis zu einem gegebenen Lebensstandard fluktuieren muss. Noch stärker als heutzutage bestimmte während dieser frühen Zeitalter das Gesetz von Angebot und Nachfrage in seiner Anwendung auf Menschen und Land den geschätzten Wert beider. Zu Zeiten reichlich vorhandenen Bodens - unbesetzten Landes - war der Bedarf an Menschen groß, und deshalb erhöhte sich der Wert des menschlichen Lebens beträchtlich und es war viel schlimmer, sein Leben zu verlieren. In Perioden der Landknappheit und damit einhergehender Überbevölkerung wurde der Wert des menschlichen Lebens vergleichsweise niedriger veranschlagt, so dass Krieg, Hungersnot und Seuchen gelassener betrachtet wurden. Wenn der Bodenertrag zurückgeht oder die Bevölkerung zunimmt, hebt der unvermeidliche Kampf von neuem an, und die allerschlimmsten Züge der menschlichen Natur kommen an die Oberfläche. Ein verbesserter Bodenertrag, zunehmende Mechanisierung der Anbaumethoden und eine Reduzierung der Bevölkerung begünstigen alle die Entwicklung der besseren Seiten der menschlichen Natur. Eine Neuland betretende Gesellschaft entwickelt die ungeschulten Seiten der Menschheit; die schönen Künste und wahrer wissenschaftlicher Fortschritt in Verbindung mit geistiger Kultur gediehen in den größeren Lebenszentren besser, wenn sie von einer landwirtschaftlichen und industriellen Bevölkerung mit einem eher tiefen Land-Mensch-Verhältnis getragen wurden. Die Städte vervielfachen stets die Macht ihrer Einwohner, im Guten wie im Bösen. Die Familiengröße ist immer durch den Lebensstandard beeinflusst worden. Je höher der Standard, umso kleiner die Familie, bis sie Stabilität erreicht oder schrittweise erlischt. Durch alle Zeitalter hindurch hat der Lebensstandard die Qualität einer fortlebenden Bevölkerung im Unterschied zu ihrer bloßen Quantität bestimmt. Die Lebensstandards von lokalen Klassen lassen neue soziale Kasten, neue Sitten entstehen. Wenn Lebensstandards zu kompliziert oder allzu luxuriös werden, werden sie rasch selbstmörderisch. Kasten sind das direkte Resultat hohen sozialen Druckes, der durch den scharfen Wettbewerb entsteht, der in dichten Populationen herrscht. Die frühen Rassen wandten oft Methoden zur Beschränkung der Bevölkerung an; alle primitiven Stämme brachten ihre missgestalteten und kränklichen Kinder um. Vor den Zeiten des Brautkaufs wurden neugeborene Mädchen oft getötet. Manchmal wurden die Kinder bei der Geburt erwürgt, aber die bevorzugte Methode war das Aussetzen. Der Vater von Zwillingen bestand meistens darauf, einen von ihnen zu töten, weil geglaubt wurde, Mehrfachgeburten seien auf Magie oder Untreue zurückzuführen. Hingegen wurden gleichgeschlechtliche Zwillinge in der Regel verschont. Solche Zwillingstabus waren einst nahezu universell verbreitet, gehörten aber nie zu den Sitten der Andoniten; diese Völker sahen in den Zwillingen immer glückliche Vorzeichen. Viele Rassen erlernten die Technik der Abtreibung, und diese wurde eine sehr gängige Praxis, nachdem Kindsgeburten unter Unvermählten mit dem Tabu belegt worden waren. Es herrschte lange Zeit der Brauch, dass ledige Mädchen ihre Leibesfrucht umbrachten, aber in zivilisierteren Gruppen wurden diese unehelichen Kinder der Mutter des Mädchens in Obhut gegeben. Viele primitive Klans wurden durch Abtreibung und Kindsmord praktisch ausgelöscht. Aber was auch immer die Sitten diktierten, so wurden Kinder selten umgebracht, wenn sie einmal gestillt worden waren - Mutterliebe ist zu stark. Selbst im zwanzigsten Jahrhundert gibt es immer noch Überreste dieser primitiven Geburtenkontrollen. In einem bestimmten australischen Stamm weigern sich die Mütter, mehr als zwei oder drei Kinder aufzuziehen. Es ist noch nicht lange her, dass ein kannibalischer Stamm jedes fünfte geborene Kind verzehrte. Auf Madagaskar bringen einige Stämme heute noch alle an gewissen Unglückstagen geborenen Kinder um, was den Tod von etwa fünfundzwanzig Prozent aller Neugeborenen bedeutet. Von einem planetarischen Standpunkt aus hat Überbevölkerung in der Vergangenheit nie ernstlich zu Beunruhigung Anlass gegeben, aber wenn die Kriege zurückgehen und die Wissenschaft die menschlichen Krankheiten immer besser in den Griff bekommt, kann Überbevölkerung in naher Zukunft zu einem ernsten Problem werden. Dann wird der große Test für die bei der Führung der Welt gezeigte Weisheit kommen. Werden die Lenker Urantias die Einsicht und den Mut haben, die Vermehrung der durchschnittlichen, sich im Gleichgewicht befindlichen menschlichen Wesen zu fördern anstelle der Extreme der Übernormalen und der gewaltig anwachsenden Gruppen der Unternormalen? Der normale Mensch sollte gefördert werden; er ist das Rückgrat der Zivilisation und die Quelle der mutierenden Genies der Rasse. Der unternormale Mensch sollte von der Gesellschaft unter Kontrolle gehalten werden; er sollte sich nicht über das hinaus vermehren, was für die Bedienung der niedrigeren Ebenen der Industrie erforderlich ist, für jene Aufgaben, die zwar eine über dem Tierniveau stehende Intelligenz erheischen, aber so niedrige Anforderungen stellen, dass sie für die höheren Vertreter der Menschheit eine richtige Versklavung und Fron darstellen. [Dargeboten von einem Melchisedek, der einst auf Urantia stationiert war.] ****** Kapitel 69 Die Primitiven Menschlichen Institutionen ****** IM Emotionalen übertrifft der Mensch seine tierischen Vorfahren in seiner Fähigkeit, Humor, Kunst und Religion zu schätzen. Im Sozialen zeigt der Mensch seine Überlegenheit dadurch, dass er ein Werkzeughersteller, ein Kommunikator und ein Erschaffer von Institutionen ist. Wenn menschliche Wesen über lange Zeit soziale Gruppen aufrechterhalten, entstehen in den Aktivitäten solcher Zusammenschlüsse immer gewisse Strömungen, die dann in einer Institutionalisierung gipfeln. Die meisten menschlichen Einrichtungen haben sich als arbeitssparend erwiesen, während sie zugleich einen Beitrag an die Erhöhung der Gruppensicherheit leisten. Der zivilisierte Mensch ist sehr stolz auf Art, Stabilität und Kontinuität seiner festen Institutio-nen, aber alle menschlichen Institutionen sind nur die angesammelten Sitten der Vergangenheit, wie die Tabus sie aufrechterhalten und die Religion sie mit Würde ausgestattet hat. Solche Vermächtnisse werden zu Traditionen, und Traditionen wandeln sich letztenendes in Konventionen um. ***** 69.1 Grundlegende menschliche Institutionen ***** Alle menschlichen Institutionen kommen irgendeinem vergangenen oder gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedürfnis entgegen, obwohl ihre Überentwicklung unfehlbar den Wert des Einzelnen herabsetzt, indem die Persönlichkeit in den Schatten tritt und die Initiative beschnitten wird. Der Mensch sollte seine Institutionen eher kontrollieren, als diesen Schöpfungen der vorrückenden Zivilisation erlauben, ihn zu beherrschen. Die menschlichen Institutionen zerfallen in drei allgemeine Klassen: 1. Die Institutionen der Selbst-Erhaltung. Diese Institutionen umfassen die Praktiken, die aus dem Hunger und den mit ihm verbundenen Instinkten der Selbsterhaltung gewachsen sind. Sie umfassen die Industrie, das Eigentum, den Kampf um den Profit und das ganze regulierende Räderwerk der Gesellschaft. Früher oder später fördert der Angst-Instinkt die Errichtung all dieser das Überleben gewährleistenden Institutionen durch Schaffung von Tabus und Konventionen und mit religiöser Billigung. Aber Furcht, Unwissenheit und Aberglaube haben beim frühen Entstehen und bei der späteren Entwicklung aller menschlichen Institutionen eine Schlüsselrolle gespielt. 2. Die Institutionen der Selbst-Fortpflanzung. Das sind die Einrichtungen der Gesellschaft, die sexuellem Hunger, mütterlichem Instinkt und den höheren zarten Gefühlen der Rassen entstammen. Sie umfassen die sozialen Schutzvorrichtungen von Heim und Schule, Familienleben, Erziehung, Ethik und Religion. Unter sie fallen auch Heiratsbräuche, defensives Kriegswesen und Wohnungsbau. 3. Die Institutionen der Selbst-Beglückung. Das sind die Praktiken, die aus den Eitelkeitstendenzen und den mit Stolz verbundenen Empfindungen hervorgehen, und sie umfassen die in Kleidung und persönlichem Schmuck herrschenden Sitten, die gesellschaftlichen Bräuche, Krieg aus Ruhmsucht, Tanz, Vergnügungen, Spiele und andere Arten sinnlicher Befriedigung. Aber die Zivilisation hat nie besondere Institutionen der Selbst-Beglückung entwickelt. Diese drei Gruppen sozialer Praktiken sind eng miteinander verknüpft und bis ins Kleinste voneinander abhängig. Auf Urantia bilden sie eine komplexe Organisation, die als ein einziger sozialer Mechanismus funktioniert. ***** 69.2 Die Anfänge der Industrie ***** Die primitive Industrie entstand langsam als Absicherung gegen die Schrecken der Hungersnot. Schon früh in seinem Dasein begann der Mensch von einigen Tieren zu lernen, die zur Zeit reicher Ernte einen Nahrungsvorrat für die Tage des Mangels anlegten. Bevor die Volksstämme zu sparen und eine primitive Industrie zu schaffen begannen, war ihnen im Allgemeinen bitterer Mangel und wirkliches Leiden beschieden. Der erste Mensch musste für seine Nahrung mit der gesamten Tierwelt in Wettbewerb treten. Ein solcher Wettbewerb zieht den Menschen immer auf die Stufe des Tieres herab; Armut ist sein natürlicher und tyrannischer Zustand. Reichtum ist keine natürliche Gabe; er resultiert aus Arbeit, Wissen und Organisation. Der primitive Mensch entdeckte bald die Vorteile des Zusammenschlusses. Zusammenschluss führte zu Organisation, und erstes Resultat der Organisation war die Arbeitsteilung mit ihrer augenblicklichen Zeit- und Materialersparnis. Diese Arbeitsspezialisierungen geschahen in Anpassung an Druck - auf dem Weg des geringsten Widerstandes. Die primitiven Wilden verrichteten wirkliche Arbeit nie willig oder gutgelaunt. Sie waren dazu nur unter dem Zwang der Notwendigkeit bereit. Der primitive Mensch hatte einen Widerwillen gegen harte Arbeit, und er beeilte sich nie, außer er befand sich in großer Gefahr. Das Zeitelement in der Arbeit, die Idee, eine gegebene Aufgabe innerhalb bestimmter zeitlicher Grenzen auszuführen, ist eine ganz und gar moderne Vorstellung. Unsere Altvorderen waren nie in Eile. Es war diese doppelte Anforderung des intensiven Existenzkampfes und des ständig vorrückenden Lebensstandards, welche die von Natur aus trägen frühen Menschenrassen auf den Weg der Industrie drängte. Arbeit, planvolles Bemühen unterscheidet den Menschen vom Tier, dessen Anstrengungen weitgehend instinktiv sind. Die Notwendigkeit zu arbeiten ist des Menschen allerhöchste Segnung. Alle Stabsangehörigen des Fürsten arbeiteten; sie unternahmen viel, um auf Urantia das Ansehen der physischen Arbeit zu erhöhen. Adam war ein Gärtner; der Gott der Hebräer arbeitete - er war der Schöpfer und Erhalter aller Dinge. Die Hebräer waren der erste Volksstamm, der dem Fleiß höchsten Wert beimaß; sie dekretierten als erstes Volk, dass "wer nicht arbeitet, auch nichts zu essen haben soll". Aber viele Religionen der Welt kehrten zu den alten Idealen des Müßiggangs zurück. Zeus war ein Genießer, und Buddha wurde ein nachdenklicher Verehrer des Nichtstuns. Die Sangikstämme waren recht arbeitsam, wenn sie fern von den Tropen lebten. Aber es gab einen langen, langen Kampf zwischen den müßigen Anhängern der Magie und den Aposteln der Arbeit - den Vorausschauenden. Zum ersten Mal übten sich die Menschen in Weitblick, als es um die Erhaltung von Feuer, Wasser und Nahrung ging. Aber der primitive Mensch war ein geborener Spieler; er versuchte stets, etwas im Austausch gegen nichts zu erlangen, und nur allzu oft wurde in diesen frühen Zeiten ein sich nach langer geduldiger Arbeit einstellender Erfolg Zauberkräften zugeschrieben. Es dauerte lange, bis Magie der Vorausschau, der Selbstverleugnung und dem Fleiß wich. ***** 69.3 Die Spezialisierung der Arbeit ***** In der primitiven Gesellschaft wurden die Arbeitsteilungen zuerst durch natürliche und später durch soziale Umstände bedingt. Die frühen Spezialisierungen in der Arbeit geschahen in dieser Reihenfolge: 1. Auf dem Geschlecht beruhende Spezialisierung. Die Arbeit der Frau ergab sich aus der selektiven Gegenwart des Kindes; von Natur aus lieben die Frauen die Säuglinge stärker als die Männer. So fiel der Frau das Einerlei der täglichen Arbeit zu, während der Mann Jäger und Krieger wurde und über eindeutige Perioden der Arbeit und Ruhe verfügte. Durch alle Zeitalter hindurch haben die Tabus darauf hingewirkt, die Frau strikte in den Grenzen ihrer Domäne zu halten. Der Mann hat höchst eigensüchtig die angenehmere Arbeit gewählt und der Frau die immer gleich bleibende Schinderei überlassen. Der Mann hat sich stets geschämt, Frauenarbeit auszuführen, wohingegen die Frau sich nie gesträubt hat, Männerarbeit zu verrichten. Aber es muss festgehalten werden, dass Männer und Frauen seltsamerweise beim Bau und bei der Ausstattung des Heims immer zusammengearbeitet haben. 2. Veränderungen, die auf Alter und Krankheit beruhen. Diese Unterschiede waren bestimmend für die nächste Arbeitsteilung. Alte Männer und Kampfunfähige wurden schon früh zu Werkzeug- und Waffenherstellung angehalten. In späteren Zeiten wurden sie dem Bau von Bewässerungsanlagen zugeteilt. 3. Auf Religion beruhende Differenzierung. Die Medizinmänner waren die ersten menschlichen Wesen, die von physischer Arbeit befreit wurden; sie waren der allererste höhere Berufsstand. Die Schmiede waren eine kleine Gruppe, die als Magier mit den Medizinmännern wetteiferten. Ihre Fertigkeit im Umgang mit Metallen flößte den Menschen Furcht ein. Die "weißen Schmiede" und die "schwarzen Schmiede" ließen den frühen Glauben an weiße und schwarze Magie entstehen. Und dieser Glaube wurde später Teil des Aberglaubens an gute und böse Phantome, an gute und böse Geister. Die Schmiede waren die erste nichtreligiöse Gruppe, die spezielle Privilegien genoss. Man betrachtete sie als neutral in Kriegszeiten, und diese zusätzliche Freizeit führte dazu, dass sie als Klasse zu den Politikern der primitiven Gesellschaft wurden. Aber weil sie ihre Privilegien schamlos ausnutzten, machten sich die Schmiede überall verhasst, und die Medizinmänner ließen keine Gelegenheit ungenutzt, um den Hass auf ihre Konkurrenten zu schüren. In dieser ersten Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Religion gewann die Religion (der Aberglaube). Nachdem die Schmiede aus den Dörfern verjagt worden waren, betrieben sie außerhalb der Siedlungen die ersten Gasthöfe, die ersten öffentlichen Unterkünfte. 4. Herr und Sklave. Die nächste Arbeitsteilung ging aus den Beziehungen zwischen Siegern und Besiegten hervor, und das bedeutete den Anfang der menschlichen Sklaverei. 5. Auf unterschiedlicher physischer und mentaler Begabung beruhende Differenzierung. Weitere Arbeitsteilungen wurden durch die den Menschen angeborenen Unterschiede begünstigt; die menschlichen Wesen werden nicht alle gleich geboren. Die ersten Spezialisten der Industrie waren die Feuersteinabsplitterer und die Steinmetzen; als nächste kamen die Schmiede. Später entwickelte sich die Gruppenspezialisierung; ganze Familien und Sippen widmeten sich nun bestimmten Arbeitsformen. Der Ursprung einer der ersten Priesterkasten - abgesehen von den Stammesmedizinmännern - lag in der abergläubischen Verherrlichung einer Familie von geschickten Schwertemachern. Die ersten Gruppenspezialisten der Industrie waren Steinsalzexporteure und Töpfer. Die Frauen stellten die schmucklose Töpferware her und die Männer die phantasievolle. Bei einigen Stämmen nähten und woben die Frauen, bei anderen die Männer. Die ersten Händler waren Frauen; sie dienten als Spioninnen und betrieben den Handel nebenbei. Bald weitete sich der Handel aus, wobei die Frauen als Vermittlerinnen - Zwischenhändlerinnen - wirkten. Hierauf kam die Klasse der Kaufleute, die auf ihre Dienste eine Kommission, Profit, erhoben. Die Zunahme des Tauschhandels zwischen Gruppen entwickelte sich zum Handel; und nach dem Warenaustausch setzte der Austausch gelernter Arbeitskräfte ein. ***** 69.4 Die Anfänge des Handels ***** Gerade wie auf Heirat durch Gefangennahme Heirat durch Vertrag folgte, so folgte auf Aneignung durch Überfälle der Tauschhandel. Aber eine lange Periode von Piratentum schob sich zwischen den früh geübten stillen Tauschhandel und den späteren, mit modernen Tauschmethoden arbeitenden Handel. Die ersten Tauschgeschäfte wurden von bewaffneten Händlern geleitet, die ihre Waren an einem neutralen Ort deponierten. Die ersten Märkte wurden von Frauen abgehalten; sie waren die ersten Händler, und zwar deshalb, weil sie die Lasten zu tragen hatten; die Männer waren Krieger. Schon sehr früh entwickelte sich der Handelsschalter, eine Mauer, die breit genug war, um die Händler daran zu hindern, mit Waffen aufeinander loszugehen. Man benutzte einen Fetisch, der über die zum stillen Tausch deponierten Güter zu wachen hatte. Solche Marktplätze waren vor Diebstahl sicher; nichts wurde davon entfernt außer zu Tausch oder Erwerb; mit einem über sie wachenden Fetisch waren die Waren immer in Sicherheit. Die ersten Händler waren innerhalb ihrer eigenen Stämme von gewissenhaftester Ehrlichkeit, fanden es aber durchaus in Ordnung, von weither kommende Fremde zu betrügen. Selbst die frühen Hebräer hielten sich bei ihren Geschäften mit Nichtjuden an andere ethische Regeln. Ganze Zeitalter stillen Tauschhandels gingen vorüber, ehe die Menschen einander auf dem geheiligten Marktplatz unbewaffnet begegneten. Auf denselben Marktplätzen wurden die ersten Heiligtümer errichtet, und man bezeichnete sie später in einigen Ländern als "Zufluchtsstätten". Jeder Flüchtling, der den Marktplatz erreichen konnte, war außer Gefahr und sicher vor Angriffen. Die ersten Gewichte waren Weizen- und andere Getreidekörner. Das erste Tauschmittel war ein Fisch oder eine Ziege. Später wurde die Kuh zu einer Tauscheinheit. Die heutige Schrift hat ihren Ursprung in den ersten Handelsaufzeichnungen; das erste literarische Erzeugnis des Menschen war ein den Handel förderndes Schriftstück, eine Werbung für Salz. Viele der früheren Kriege wurden um natürliche Vorkommen wie Feuerstein-, Salz- und Metalllager geführt. Der erste förmliche Stammesvertrag betraf die gemeinsame Ausbeutung eines Salzlagers. An solchen Vertragsorten gab es Gelegenheit zu freundlichem und friedlichem Gedankenaustausch und zur Vermischung verschiedener Stämme. Die Schrift durchlief die Stadien des "Botschaften-Stocks", der geknoteten Schnüre, der Bildschrift, der Hieroglyphen und der Perlengürtel bis zu den ersten symbolischen Alphabeten. Die Botschaftsübermittlung entwickelte sich aus primitiven Rauchsignalen über Läufer und Reiter zu Eisenbahnen und Flugzeugen sowie zur telegrafischen, telefonischen und Rundfunkkommunikation. Neue Ideen und bessere Methoden wurden durch die einstigen Handelsleute in der ganzen bewohnten Welt herumgetragen. Handel, verbunden mit Abenteuerlust, führte zu Erforschung und Entdeckung. Und all das rief den Transport ins Leben. Der Handel ist der große Zivilisator gewesen, indem er die kreuzweise Befruchtung der Kulturen förderte. ***** 69.5 Die Anfänge des Kapitals ***** Kapital ist Arbeit, gebraucht im Hinblick auf Zukünftiges unter Verzicht auf Gegenwärtiges. Ersparnisse stellen eine Form von Versorgungs- und Überlebensversicherung dar. Nahrungshortung entwickelte die Selbstdisziplin und schuf die ersten Probleme zwischen Kapital und Arbeit. Derjenige, der Nahrung besaß und sie vor Räubern zu schützen wusste, hatte gegenüber einem, der keine besaß, einen eindeutigen Vorteil. Der frühe Banquier war der heldenhafteste Mann des Stammes. Bei ihm waren die Gruppenschätze hinterlegt, und der ganze Klan verteidigte seine Hütte im Falle eines Angriffs. So führte die Anhäufung individuellen Kapitals und Gruppenreichtums sofort zu militärischer Organisation. Zu Beginn dienten solche Vorsichtsmaßnahmen nur der Verteidigung des Besitzes gegen feindliche Plünderer, aber später wurde es zur Gewohnheit, die Schlagkraft der militärischen Organisation dadurch aufrechtzuerhalten, dass man Beutezüge gegen Besitz und Reichtum benachbarter Stämme unternahm. Die grundlegenden Anstöße, die zur Anhäufung von Kapital führten, waren: 1. Hunger - gepaart mit Weitblick. Sparen und Konservieren von Nahrung bedeutete Macht und Bequemlichkeit für diejenigen, die genügend Voraussicht besaßen, um auf diese Weise für künftige Bedürfnisse vorzusorgen. Die Anlage von Nahrungsvorräten war eine gute Versicherung gegen Hungersnot und Katastrophen. Und die primitiven Sitten in ihrer Gesamtheit waren wirklich darauf ausgerichtet, den Menschen zu helfen, die Gegenwart der Zukunft unterzuordnen. 2. Liebe zur Familie - der Wunsch, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Kapital stellt Eigentum dar, das man trotz des durch den täglichen Bedarf ausgeübten Drucks erspart, um sich gegen die Forderungen der Zukunft zu versichern. Ein Teil dieser zukünftigen Bedürfnisse betrifft unter Umständen die eigenen Nachkommen. 3. Eitelkeit - der sehnliche Wunsch, seinen angehäuften Besitz zur Schau zu stellen. Besondere Kleidung war eines der ersten Kennzeichen betonter Vornehmheit. Schon bald schmeichelte es dem Stolz der Menschen, sich mit einer Sammlung zu brüsten. 4. Rang - das heftige Verlangen, soziales und politisches Prestige zu kaufen. Früh entstand ein Geschäfts-Adel. Die Aufnahme in seine Reihen hing davon ab, ob jemand dem Königshaus einen besonderen Dienst erweisen konnte, oder sie wurde unverhohlen gegen Bezahlung von Geld gewährt. 5. Macht - der unbändige Drang, Herr zu sein. Das Ausleihen von Reichtum wurde als Mittel zur Versklavung gehandhabt, denn der Zinssatz jener alten Zeiten betrug jährlich hundert Prozent. Die Geldverleiher machten sich durch die Schaffung eines stehenden Heeres von Schuldnern selbst zu Königen. Leibeigene Diener waren eine der frühesten Formen angehäuften Eigentums, und in alter Zeit ging die Versklavung durch Verschuldung sogar bis zur Verfügung über den Körper nach dem Tode. 6. Furcht vor den Geistern der Verstorbenen - Abgaben an die Priester als Schutz. Die Menschen begannen schon früh, den Priestern im Hinblick auf den Tod aus der Überlegung heraus Geschenke zu machen, eine solche Verwendung ihres Besitzes würde ihnen den Weg durch das nächste Leben ebnen. Dadurch wurden die Priester sehr reich; sie kamen unter den alten Kapitalisten an erster Stelle. 7. Der Geschlechtstrieb - der Wunsch, eine oder mehrere Frauen zu kaufen. Die erste Handelsform des Menschen war der Frauentausch; er ging dem Pferdehandel weit voraus. Aber der Tauschhandel mit sexuellen Sklaven brachte die Gesellschaft nie voran; ein solcher Kommerz war und ist für eine Rasse schimpflich, denn er war der Entwicklung des Familienlebens hinderlich und verschmutzte zugleich die biologische Gesundheit höherer Völker. 8. Zahlreiche Formen von Selbst-Beglückung. Einige trachteten nach Reichtum, weil er Macht verlieh; andere rackerten sich für Besitz ab, weil er Behagen bedeutete. Die frühen Menschen (und einige spätere) neigten dazu, ihr Gut für Luxus zu verschwenden. Berauschende Getränke und Drogen faszinierten die primitiven Rassen. Mit der Entwicklung der Zivilisation gab es für die Menschen neue Anreize zum Sparen; rasch gesellten sich zum ursprünglichen Nahrungshunger neue Bedürfnisse. Armut wurde derart verabscheut, dass man annahm, nur die Reichen würden beim Tod direkt in den Himmel gelangen. Man maß dem Besitz einen derart hohen Wert bei, dass, wer ein protziges Fest gab, seinen Namen mit einem Schlag von Schande befreien konnte. Angehäufter Reichtum wurde früh zum Kennzeichen gesellschaftlichen Ansehens. Bei gewissen Stämmen häuften Einzelne über Jahre Besitz an, nur um damit zu beeindrucken, dass sie ihn an einem Festtag in Flammen aufgehen ließen oder großzügig unter die Stammesbrüder verteilten. Das machte aus ihnen große Männer. Auch heutige Völker verteilen mit Genuss Weihnachtsgeschenke in Fülle, während reiche Männer Schenkungen an große philantropische und erzieherische Institutionen machen. Die Technik des Menschen wechselt, aber seine Grundeinstellung bleibt dieselbe. Es muss aber gerechterweise auch daran erinnert werden, dass manch ein damaliger reicher Mann einen großen Teil seines Vermögens aus Angst davor verteilte, von den nach seinen Schätzen Gierenden umgebracht zu werden. Reiche Männer pflegten Sklaven dutzendweise zu opfern, um ihre Verachtung des Reichtums zu zeigen. Obwohl das Kapital die Befreiung des Menschen begünstigt hat, hat es auch seine gesellschaftliche und industrielle Organisation gewaltig kompliziert. Der Missbrauch des Kapitals durch unfaire Kapitalisten kann nicht die Tatsache beseitigen, dass es die Grundlage der modernen industriellen Gesellschaft ist. Dank Kapital und Erfindergeist erfreut sich die gegenwärtige Generation eines höheren Freiheitsgrades als irgendeine ihr auf der Erde vorausgegangene. Das sei als Tatsache vermerkt und nicht zur Rechtfertigung der vielen Missbräuche des Kapitals durch seine gedankenlosen und eigensüchtigen Verwalter. ***** 69.6 Die Beziehung des Feuers zur Zivilisation ***** Die primitive Gesellschaft mit ihren vier Abteilungen - der industriellen, regulierenden, religiösen und militärischen - bildete sich unter Mitwirkung von Feuer, Tieren, Sklaven und Eigentum. Das Feuerschlagen hat den Menschen mit einem einzigen Sprung für immer vom Tier geschieden; es ist die grundlegende menschliche Erfindung oder Entdeckung. Das Feuer versetzte den Menschen in die Lage, nachts am Boden zu bleiben, weil alle Tiere es fürchten. Das Feuer lud zu abendlichem geselligen Beisammensein ein. Es schützte nicht nur vor Kälte und wilden Tieren, sondern wurde auch zur Sicherheit vor Geistern benutzt. Man brauchte es zunächst mehr um des Lichtes als der Wärme willen; manche rückständigen Stämme weigern sich zu schlafen, wenn nachts keine Flamme brennt. Das Feuer war ein großer Zivilisator. Es verschaffte dem Menschen zum ersten Mal die Möglichkeit, ohne Verlust altruistisch zu sein, indem es ihm erlaubte, einem Nachbarn glühende Kohle zu geben, ohne dabei etwas einzubüßen. Das Herdfeuer, das von der Mutter oder der ältesten Tochter unterhalten wurde, war der erste Erzieher, denn es verlangte Wachsamkeit und Verlässlichkeit. Das früheste Heim war kein Gebäude, sondern die um das Feuer, den häuslichen Herd versammelte Familie. Wenn ein Sohn ein neues Heim gründete, entnahm er dem häuslichen Herd ein brennendes Holzscheit. Obwohl Andon, der Entdecker des Feuers, es vermied, es zu einem Gegenstand der Anbetung zu machen, sahen viele seiner Nachkommen in der Flamme einen Fetisch oder einen Geist. Sie konnten sich die hygienischen Vorteile des Feuers nicht zunutze machen, weil sie ihre Abfälle nicht verbrannten. Der primitive Mensch fürchtete sich vor dem Feuer und gab sich immer Mühe, es bei guter Laune zu halten; deshalb besprühte er es mit Weihrauch. Unter gar keinen Umständen spuckten unsere Altvorderen in ein Feuer oder bewegten sich zwischen jemandem und einem brennenden Feuer. Die frühe Menschheit hielt sogar die zum Entfachen des Feuers verwendeten Eisenpyrite und Feuersteine für heilig. Es war eine Sünde, eine Flamme auszulöschen; wenn eine Hütte Feuer fing, ließ man sie abbrennen. Die in Tempeln und Heiligtümern brennenden Feuer waren heilig und durften nie ausgehen, außer dass es Brauch war, alle Jahre oder nach einer Katastrophe neue Flammen anzuzünden. Man wählte die Frauen als Priesterinnen, weil sie über die häuslichen Feuer wachten. Die frühen Mythen darüber, wie das Feuer von den Göttern herabkam, entstanden aus der Beobachtung von Brände verursachenden Blitzen. Die Vorstellungen vom übernatürlichen Ursprung des Feuers führten direkt zu seiner Anbetung, und Feueranbetung führte zu der Sitte, "durchs Feuer zu gehen", die bis in die Zeit Moses weiter bestand. Und noch immer ist die Idee lebendig, nach dem Tod durch das Feuer zu gehen. Der Feuermythos stellte in früher Zeit einen großen Sprung dar und überdauert noch im Symbolismus der Parsen. Das Feuer führte zum Kochen, und "Rohesser" wurde zu einem Spottnamen. Kochen senkte den für die Verdauung benötigten Aufwand an Lebensenergie und ließ dadurch dem Menschen der Frühzeit etwas Kraft für gesellschaftliche Kultur übrig. Gleichzeitig senkte die Viehwirtschaft die zur Nahrungsbeschaffung erforderlichen Anstrengungen, was Zeit für gesellschaftliche Aktivitäten verschaffte. Es sollte daran erinnert werden, dass das Feuer der Metallbearbeitung die Türen öffnete und zu der späteren Entdeckung der Dampfkraft und zu den heutigen Verwendungen der Elektrizität führte. ***** 69.7 Die Verwendung von Tieren ***** Zunächst einmal war die gesamte Tierwelt dem Menschen feind; die Menschenwesen mussten lernen, sich vor den Tieren zu schützen. Am Anfang aß der Mensch die Tiere, lernte aber später, sie zu domestizieren und sich dienstbar zu machen. Die Domestizierung der Tiere kam durch Zufall zustande. Die Wilden jagten die Herden etwa so wie die Indianer Amerikas die Büffel. Durch Einkreisen der Herden brachten sie die Tiere unter Kontrolle, was ihnen erlaubte, sie nur dann zu töten, wenn sie Nahrung brauchten. Später wurden Pferche gebaut und ganze Herden gefangen. Das Zähmen einiger Tiere fiel leicht, aber wie der Elefant pflanzten sich viele von ihnen in der Gefangenschaft nicht fort. Später entdeckte man, dass sich gewisse Tierarten der menschlichen Gegenwart unterwarfen und sich in der Gefangenschaft fortpflanzten. So wurde die Domestizierung der Tiere durch gezielte Züchtung gefördert, eine Kunst, die seit den Tagen Dalamatias große Fortschritte gemacht hat. Der Hund war das erste domestizierte Tier. Die schwierige Erfahrung seiner Zähmung begann damit, dass ein bestimmter Hund, der einem Jäger einen ganzen Tag überallhin gefolgt war, tatsächlich mit ihm nach Hause zurückkehrte. Während ganzer Zeitalter brauchte man die Hunde als Nahrung, zum Jagen, zu Transportzwecken und als Gefährten. Zuerst heulten die Hunde nur, aber später lernten sie das Bellen. Der scharfe Geruchsinn des Hundes führte zu der Annahme, er könne Geister sehen, und so entstanden die Kulte mit Hundefetischen. Der Einsatz von Wachhunden ermöglichte es dem ganzen Klan zum ersten Mal, nachts zu schlafen. Später wurde es zur Gewohnheit, Wachhunde einzusetzen, um das Heim vor Geistern und wirklichen Feinden zu schützen. Wenn der Hund bellte, nahten sich Menschen oder Tiere, aber wenn der Hund heulte, waren Geister in der Nähe. Auch heute noch glauben viele, dass das Heulen eines Hundes in der Nacht den Tod anzeigt. Solange die Männer Jäger waren, gingen sie mit ihren Frauen recht nett um, aber nach der Tierdomestizierung und unter dem Einfluss der durch Caligastia ausgelösten Verwirrung behandelten viele Stämme die Frauen aufs Schändlichste. Sie behandelten sie nur allzu sehr wie ihre Tiere. Die brutale Behandlung der Frau durch den Mann stellt eines der dunkelsten Kapitel der menschlichen Geschichte dar. ***** 69.8 Die Sklaverei als Zivilisationsfaktor ***** Der primitive Mensch hatte keine Bedenken, seine Gefährten zu versklaven. Die Frau war der erste Sklave, ein Familiensklave. Der Mann des Hirtenzeitalters versklavte die Frau als seine niedrigere Geschlechtspartnerin. Diese Art sexueller Versklavung war die unmittelbare Folge der geringeren Abhängigkeit des Mannes von der Frau. Es ist noch nicht lange her, da war Versklavung das Los aller Kriegsgefangenen, die sich weigerten, die Religion des Siegers anzunehmen. In früheren Zeiten wurden Gefangene verzehrt, zu Tode gefoltert, gezwungen, gegeneinander zum Kampf anzutreten, den Geistern geopfert oder zu Sklaven gemacht. Sklaverei war ein großer Fortschritt gegenüber Massaker und Kannibalismus. Die Versklavung war ein Schritt in Richtung einer barmherzigen Behandlung von Kriegsgefangenen. Der Hinterhalt von Ai mit seiner restlosen Niedermetzelung von Männern, Frauen und Kindern, bei welcher zur Befriedigung der Eitelkeit des Siegers nur der König verschont wurde, gibt ein getreues Bild von den barbarischen Schlächtereien, die sogar von angeblich zivilisierten Völkern verübt wurden. Der Ausfall gegen Og, den König von Baschan, war nicht minder brutal und radikal. Die Hebräer "vernichteten" ihre Feinde "vollkommen" und nahmen all ihren Besitz als Beute. Sie auferlegten allen Städten Tribut bei Strafe der "Tötung aller männlichen Einwohner". Aber viele damalige Stämme mit geringerem Stammesdünkel waren seit langem dazu übergegangen, höher stehende Gefangene zu adoptieren. Die Jäger - wie z. B. die amerikanischen roten Menschen - hielten keine Sklaven. Sie adoptierten oder töteten ihre Gefangenen. Bei den Hirtenvölkern war Sklaverei wenig verbreitet, da sie nicht viele Arbeiter benötigten. Im Krieg pflegten die Hirten alle gefangen genommenen Männer zu töten und nur die Frauen und Kinder als Sklaven mitzunehmen. Das mosaische Gesetzbuch enthielt besondere Anweisungen für den Fall der Heirat mit solchen gefangen genommenen Frauen. Wenn sie unbefriedigend waren, konnten sie weggeschickt werden, aber den Hebräern war es untersagt, diese verstoßenen Gemahlinnen als Sklavinnen zu verkaufen - das war wenigstens ein Zivilisationsfortschritt. Obwohl die sozialen Normen der Hebräer primitiv waren, lagen sie doch weit über denjenigen der Nachbarstämme. Die Hirten waren die ersten Kapitalisten. Ihre Herden stellten das Kapital dar, und sie lebten von den Zinsen - von der natürlichen Vermehrung. Und sie mochten diesen Reichtum weder der Obhut von Sklaven noch von Frauen anvertrauen. Aber später nahmen sie männliche Gefangene und zwangen sie, den Boden zu bestellen. Das ist der frühe Ursprung der Leibeigenschaft - der Anbindung des Menschen an den Boden. Man konnte den Afrikanern leicht beibringen, den Boden zu bebauen; deshalb wurden sie zur großen Sklavenrasse. Das Sklaventum war ein unerlässliches Bindeglied in der Kette der menschlichen Zivilisation. Es war die Brücke, über welche die Gesellschaft aus Chaos und Indolenz zu Ordnung und zivilisierten Aktivitäten überging; es zwang rückständige und faule Völker, zu arbeiten und dadurch den über ihnen Stehenden Reichtum und freie Zeit für sozialen Fortschritt zu verschaffen. Die Einführung der Sklaverei zwang den Menschen, den regulierenden Mechanismus der primitiven Gesellschaft zu erfinden; sie gab den Anstoß zu den Anfängen einer Regierung. Sklaventum verlangt strenge Regelung, und sie verschwand während des europäischen Mittelalters praktisch, weil die Feudalherren die Sklaven nicht kontrollieren konnten. Die rückständigen Stämme früherer Zeiten hielten wie die heutigen australischen Ureinwohner nie Sklaven. Es ist wahr, dass die Sklaverei drückend war, aber gerade in der Schule der Unterdrückung erlernten die Menschen den Arbeitseifer. Am Ende teilten die Sklaven die Segnungen einer höheren Gesellschaft, welche sie so widerwillig zu gründen mitgeholfen hatten. Die Sklaverei bringt eine Organisierung der Kultur und soziale Errungenschaften mit sich, aber bald greift sie die Gesellschaft von innen auf heimtückische Art an als schlimmste aller zerstörerischen gesellschaftlichen Krankheiten. Die modernen mechanischen Erfindungen ließen den Sklaven überflüssig werden. Gleich der Polygamie ist die Sklaverei im Verschwinden begriffen, weil sie sich nicht mehr lohnt. Aber es hat sich immer als verheerend erwiesen, auf einen Schlag Sklaven in großer Zahl zu befreien; es gibt weniger Probleme, wenn sie schrittweise in die Unabhängigkeit entlassen werden. Heute sind die Menschen keine gesellschaftlichen Sklaven mehr, aber Tausende erlauben ihrem Ehrgeiz, sie zu Sklaven von Schulden zu machen. Das unfreiwillige Sklaventum ist durch eine neue und verbesserte Form modifizierter industrieller Hörigkeit ersetzt worden. Obwohl das Ideal der Gesellschaft universelle Freiheit ist, sollte Müßiggang nie geduldet werden. Alle körperlich tauglichen Personen sollten gezwungen werden, zumindest für den eigenen Unterhalt zu arbeiten. Die moderne Gesellschaft macht eine Kehrtwendung. Die Sklaverei ist fast verschwunden; die domestizierten Tiere verlieren an Bedeutung. Die Zivilisation greift für ihren Energiebedarf auf das Feuer - auf die anorganische Welt - zurück. Der Mensch arbeitete sich aus der Wildheit mittels des Feuers, der Tiere und der Sklaven heraus; heute gibt er die Hilfe von Sklaven und Tieren auf, wendet sich zurück und versucht, den Vorräten der Naturelemente neue Geheimnisse und neue Reichtums- und Machtquellen zu entreißen. ***** 69.9 Privater Besitz ***** Obwohl die primitive Gesellschaft praktisch gemeinschaftlich funktionierte, hielt sich der primitive Mensch nicht an die modernen Lehren des Kommunismus. Der Kommunismus dieser frühen Zeiten war nicht nur eine Theorie oder soziale Doktrin; er war eine einfache und praktische automatische Anpassung. Dieser Kommunismus verhinderte Armut und Not; Bettelei und Prostitution waren bei den alten Stämmen fast unbekannt. Der primitive Kommunismus nivellierte die Menschen nicht eigentlich nach unten, noch feierte er die Mittelmäßigkeit, aber er belohnte Nichtstun und Trägheit, erstickte den Arbeitseifer und zerstörte den Ehrgeiz. Der Kommunismus war ein für den Aufbau der primitiven Gesellschaft unentbehrliches Gerüst, aber er musste der Herausbildung einer höheren sozialen Ordnung weichen, weil er vier starken menschlichen Neigungen zuwiderlief: 1. Die Familie. Der Mensch trachtet nicht nur nach Anhäufung von Besitz; er wünscht auch, seinen Nachkommen sein Vermögen zu hinterlassen. Aber in der frühen gemeinschaftlichen Gesellschaft wurde das Kapital eines Menschen bei seinem Tod entweder sofort aufgebraucht oder unter der Gruppe verteilt. Es gab keine Vererbung von Besitz - die Erbschaftssteuer betrug hundert Prozent. Die späteren Sitten der Kapitalanhäufung und Besitzesvererbung waren ein bedeutender sozialer Fortschritt. Und das stimmt trotz der späteren schweren Übergriffe in Verbindung mit missbräuchlich verwendetem Kapital. 2. Religiöse Tendenzen. Der primitive Mensch wollte sich Besitz auch als Grundstock für den Lebensanfang in der nächsten Existenz zulegen. Dieser Beweggrund erklärt, weshalb es so lange Brauch war, das persönliche Gut eines Menschen mit ihm zusammen zu begraben. Die Alten glaubten, dass nur die Reichen nach dem Tod unmittelbar in Freude und Würde weiterlebten. Die Lehrer offenbarter Religion, insbesondere die christlichen Lehrer, verkündeten zum ersten Mal, dass die Armen unter den gleichen Bedingungen wie die Reichen an der Errettung teilhaben können. 3. Der Wunsch nach Freiheit und Muße. In den früheren Zeiten sozialer Entwicklung war die Aufteilung der individuellen Einkünfte unter der Gruppe praktisch eine Form von Sklaverei; der Arbeitsame wurde zum Sklaven des Müßiggängers. Das war die selbstmörderische Schwäche des Kommunismus: Der Sorglose lebte gewöhnlich auf Kosten des Sparsamen. Sogar in der Neuzeit verlassen sich die Sorglosen auf den Staat (die sparsamen Steuerzahler), dass er für sie sorge. Diejenigen, die kein Kapital haben, erwarten immer noch von denen, die welches haben, sie zu ernähren. 4. Das Verlangen nach Sicherheit und Macht. Der Kommunismus wurde schließlich durch die betrügerischen Praktiken fortschrittlicher und erfolgreicher Einzelner zerstört, die im Bemühen, der Versklavung durch die unfähigen Faulenzer ihres Stammes zu entgehen, zu allerhand Listen Zuflucht nahmen. Aber anfangs hatte alles Horten im Geheimen zu geschehen; die herrschende Unsicherheit verhinderte eine sichtbare Anhäufung von Vermögen. Und auch in späterer Zeit war es überaus gefährlich, allzu großen Reichtum anzusammeln. Mit Sicherheit würde der König den Besitz eines reichen Mannes unter irgendeiner erfundenen Anklage beschlagnahmen, und wenn ein wohlhabender Mann starb, wurde das Begräbnis solange hinausgeschoben, bis die Familie eine für das öffentliche Wohl oder den König bestimmte große Summe, gewissermaßen eine Erbschaftssteuer, geschenkt hatte. In frühesten Zeiten waren die Frauen Besitz der Gemeinschaft, und die Mutter beherrschte die Familie. Den ersten Häuptlingen gehörte alles Land, und sie waren die Besitzer aller Frauen; Heirat bedurfte der Zustimmung des Stammesoberhauptes. Mit dem Verschwinden des Kommunismus wurden die Frauen individuelles Eigentum, und allmählich übernahm der Vater die Führung der Familie. Das war der Anfang des Heims, und an die Stelle der vorherrschenden polygamen Sitten trat schrittweise die Monogamie. (Polygamie ist das in der Ehe fortlebende Element weiblicher Versklavung. Monogamie ist das sklavenfreie Ideal der unvergleichlichen Verbindung eines einzigen Mannes mit einer einzigen Frau im wunderbaren Unternehmen, ein Heim zu gründen, Kinder großzuziehen, sich gegenseitig zu kultivieren und sich selbst zu verbessern.) Anfänglich war alles Eigentum einschließlich der Werkzeuge und Waffen Gemeinschaftsbesitz des Stammes. Privateigentum bestand zuerst aus allem, was man persönlich berührt hatte. Wenn ein Fremder aus einem Becher trank, gehörte der Becher fortan ihm. Danach wurde jeder Ort, an dem Blut geflossen war, Eigentum der verletzten Person oder Gruppe. Also wurde Privateigentum ursprünglich deshalb geachtet, weil angenommen wurde, es sei mit einem Teil der Persönlichkeit seines Besitzers behaftet. Die Ehrlichkeit im Umgang mit Besitz ruhte sicher auf dieser Art Aberglauben; es brauchte keine Polizei, um persönliches Gut zu beschützen. Es gab keinen Diebstahl innerhalb der Gruppe, auch wenn die Menschen sich bedenkenlos das Gut anderer Stämme aneigneten. Die Beziehungen zum Besitz endeten nicht mit dem Tod; ganz früh wurden die persönlichen Gegenstände verbrannt, dann mit den Toten begraben und später von der überlebenden Familie oder vom Stamm geerbt. Der ornamentale Charakter persönlicher Gegenstände hatte seinen Ursprung im Tragen von Amuletten. Eitelkeit in Verbindung mit Geisterfurcht ließ den frühen Menschen allen Versuchen widerstehen, ihn von seinen Lieblingsamuletten abzubringen, denen er einen viel höheren Wert beimaß als allem Lebensnotwendigen. Die Schlafstelle war eine der ersten Besitzungen des Menschen. Später erhielt man die Wohnplätze von den Stammesführern zugewiesen, die allen Grundbesitz für die Gruppe treuhänderisch verwalteten. Bald darauf verlieh eine Feuerstelle Besitzrecht, und noch später gab eine Quelle Anrecht auf das umliegende Land. Wasserlöcher und Quellen gehörten zu den ersten privaten Besitztümern. Sämtliche Fetischpraktiken wurden eingesetzt, um Wasserlöcher, Quellen, Bäume, Ernten und Honig zu beschützen. Nachdem der Glaube an die Fetische aufgegeben worden war, entwickelten sich Gesetze zum Schutz des Privateigentums. Aber Wildgesetze, des Recht zu jagen, gingen den Landgesetzen lange voraus. Die roten Menschen Amerikas konnten die Idee von privatem Landbesitz nie verstehen; der Standpunkt der weißen Menschen war ihnen unbegreiflich. Privatbesitz wurde schon bald durch Familieninsignien kenntlich gemacht, und das ist der frühe Ursprung der Familienwappen. Grundbesitz konnte auch dem Schutz von Geistern unterstellt werden. Die Priester "weihten" ein Landstück, und hinfort unterstand es dem Schutz der auf ihm errichteten magischen Tabus. Von einem solchen Besitzer sagte man, er habe ein "priesterliches Recht". Die Hebräer hatten großen Respekt vor solchen Familiengrenzsteinen: "Fluch komme über den, der seines Nachbarn Grenzstein versetzt." Diese Marksteine trugen die Initialen des Priesters. Sogar Bäume konnten Privatbesitz werden, wenn sie Initialen trugen. Ursprünglich waren nur die Ernten privater Besitz, aber aufeinander folgende Ernten verliehen ein Anrecht auf das Land; auf diese Weise ließ die Landwirtschaft den privaten Landbesitz entstehen. Einzelnen wurde anfänglich Besitz nur für die Dauer ihres Lebens zugestanden; bei ihrem Tod fiel das Land an den Stamm zurück. Die allerersten durch Stämme an Einzelne vergebenen Landrechte waren Gräber - Familiengrabstätten. In späterer Zeit gehörte das Land denen, die es einzäunten. Aber die Städte sahen immer bestimmte Landstücke für öffentliches Weiden und zur Benutzung im Belagerungsfall vor; diese "Allmenden" stellen das Überbleibsel der früheren Form kollektiven Besitzes dar. Schließlich wies der Staat dem Einzelnen Besitz zu, wobei er sich das Besteuerungsrecht vorbehielt. Nachdem sie ihre Rechte abgesichert hatten, konnten die Landbesitzer Pachtzinsen erheben, und das Land wurde zu einer Einkommensquelle - zu Kapital. Am Ende konnte man mit Land richtiggehend Handel treiben, mit Verkäufen, Übertragungen, Hypotheken und Zwangsvollstreckungen. Privateigentum brachte größere Freiheit und erhöhte Stabilität; aber Privateigentum von Land erhielt erst gesellschaftliche Zustimmung, nachdem Kontrolle und Führung durch das Gemeinwesen versagt hatten, und ihm folgten bald in langer Reihe Sklaven, Leibeigene und landlose Klassen. Aber verbesserte Maschinen befreien den Menschen schrittweise von sklavischer Plackerei. Das Recht auf Eigentum ist nichts Absolutes; es ist rein sozial. Aber in ihrer Gesamtheit sind Regierung, Gesetz, Ordnung, Bürgerrechte, gesellschaftliche Freiheiten, Konventionen, Friede und Glück, deren sich die modernen Völker erfreuen, rund um den Besitz von Privateigentum gewachsen. Die gegenwärtige soziale Ordnung ist nicht notwendigerweise gut - noch göttlich oder heilig - aber die Menschheit wird gut daran tun, Änderungen nur langsam vorzunehmen. Das, was ihr habt, ist unendlich viel besser als irgendein System, das eure Vorfahren gekannt haben. Vergewissert euch, dass ihr die gesellschaftliche Ordnung, wenn ihr sie verändert, zum Bessern hin verändert. Lasst euch nicht überreden, mit den Verfahren zu experimentieren, die eure Vorväter aufgegeben haben. Geht vorwärts, nicht rückwärts! Lasst der Evolution ihren Lauf! Macht nicht einen Schritt zurück! [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 70 Die Evolution der Menschlichen Regierung ****** KAUM hatte der Mensch das Problem, seinen Lebensunterhalt zu sichern, teilweise gelöst, als er sich der Aufgabe gegenübersah, die menschlichen Kontakte zu regeln. Die Entwicklung der Industrie rief nach Gesetz, Ordnung und sozialer Anpassung; Privatbesitz machte eine Regierung nötig. Auf einer evolutionären Welt sind Antagonismen natürlich; Friede kann nur durch irgendein regulierendes gesellschaftliches System gesichert werden. Gesellschaftliche Regulierung ist untrennbar mit gesellschaftlicher Organisation verbunden; Zusammenschluss setzt irgendeine kontrollierende Behörde voraus. Die Regierung erzwingt die Koordinierung der zwischen Stämmen, Klanen, Familien und Einzelnen bestehenden Antagonismen. Die Regierung ist eine unbewusste Entwicklung; sie bildet sich auf empirischem Wege heraus. Sie hat Überlebenswert; deshalb wird sie zur Tradition. Die Anarchie vermehrte das Elend; deshalb erschien oder erscheint langsam eine Regierung - relatives Gesetz und relative Ordnung. Die zwingenden Forderungen des Existenzkampfes trieben die menschliche Rasse buchstäblich auf dem Wege des Fortschritts in die Zivilisation. ***** 70.1 Der Ursprung des Krieges ***** Krieg ist der natürliche Zustand und das natürliche Erbe des sich entwickelnden Menschen; Friede ist die soziale Elle, mit der sich der Entwicklungsstand einer Zivilisation messen lässt. Vor der teilweisen Sozialisierung der fortschreitenden Rassen war der Mensch äußerst individualistisch, extrem argwöhnisch und unglaublich streitsüchtig. Gewalt ist das Gesetz der Natur und Feindseligkeit die automatische Reaktion der Kinder der Natur, während Krieg bloß dasselbe, aber kollektiv gezeigte Verhalten darstellt. Und wo und wann immer die Komplikationen der fortschreitenden Gesellschaft im Gewebe der Zivilisation Spannungen erzeugen, findet stets augenblicklich ein vernichtender Rückfall in diese frühen Methoden gewaltsamer Beilegung der Irritationen menschlichen Zusammenlebens statt. Krieg ist eine tierische Reaktion auf Missverständnisse und Irritationen; Friede stellt sich bei einer zivilisierten Lösung all solcher Probleme und Schwierigkeiten ein. Die Sangikrassen sowie die späteren heruntergekommenen Adamiten und Noditen waren alle streitsüchtig. Die Andoniten wurden schon früh in der goldenen Regel unterwiesen, und auch heute noch halten sich ihre Eskimo-Nachfahren weitgehend an diese; ihre Sitten sind streng, und sie sind ziemlich frei von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Andon lehrte seine Kinder, ihren Streit beizulegen, indem er jedes von ihnen mit einem Stock auf einen Baum einschlagen und diesen gleichzeitig verwünschen ließ; das Kind, dessen Stock zuerst zerbrach, war Sieger. Die späteren Andoniten pflegten Streitfälle durch die Abhaltung einer öffentlichen Veranstaltung zu schlichten, bei der die Streithähne sich übereinander lustig machten und einander verspotteten, während die Zuschauer durch ihren Applaus den Sieger bestimmten. Aber so etwas wie Krieg konnte es nicht geben, bevor die Gesellschaftsentwicklung weit genug fortgeschritten war, um Zeiten des Friedens zu erleben und Kriegspraktiken gutzuheißen. Allein schon die Vorstellung von Krieg setzt einen gewissen Organisationsgrad voraus. Mit der Entstehung gesellschaftlicher Gruppierungen begannen individuelle Gereiztheiten im Gruppengefühl aufzugehen, was der Ruhe innerhalb des Stammes zuträglich war, aber auf Kosten des Friedens zwischen den Stämmen ging. Man erfreute sich also zuerst des Friedens innerhalb der Gruppe, im Stamm, der alles ausserhalb der Gruppe, die Fremden, immer ablehnte und hasste. Der frühe Mensch betrachtete es als eine Tugend, fremdes Blut zu vergießen. Aber selbst das war am Anfang ungenügend. Wenn die frühen Häuptlinge versuchten, Missverständnisse zu glätten, fanden sie es oft nötig, dem Stamm mindestens einmal im Jahr eine Steinschlacht zuzugestehen. Der Klan teilte sich dabei in zwei Gruppen und stürzte sich dann in einen den ganzen Tag währenden Kampf. Und dies aus keinem anderen Grund als aus reinem Spaß; sie genossen es richtig zu kämpfen. Es gibt immer noch Krieg, weil der Mensch menschlich ist, weil er sich aus einem Tier entwickelt hat und alle Tiere kriegerisch veranlagt sind. Unter den frühen Kriegsursachen waren folgende: 1. Hunger, der zu Raubzügen um Nahrung führte. Landknappheit hat immer Krieg heraufbeschworen, und in diesen Kämpfen wurden die frühen friedliebenden Stämme praktisch ausgerottet. 2. Frauenknappheit - der Versuch, dem Mangel an häuslicher Hilfe abzuhelfen. Diebstahl von Frauen hat immer Krieg ausgelöst. 3. Eitelkeit - der Wunsch, die Kühnheit des Stammes zu zeigen. Höher stehende Gruppen kämpften, um tieferstehenden Völkern ihre Lebensweise aufzuzwingen. 4. Sklaven - Bedarf an Rekruten für das Arbeiterheer. 5. Rache war ein Kriegsgrund, wenn ein Stamm glaubte, ein Nachbarstamm habe den Tod eines Stammesgefährten verursacht. Man trauerte so lange, bis ein Kopf nach Hause gebracht wurde. Krieg aus Rachegründen galt bis in relativ nahe Vergangenheit als ehrenvoll. 6. Erholung - die jungen Männer der Frühzeit sahen im Krieg eine Erholung. Wenn sich kein guter und ausreichender Vorwand für einen Krieg fand und der Friede bedrückend wurde, hatten Nachbarstämme die Angewohnheit, zu halb freundlichem Kampf auszurücken und zum Vergnügen auf Raubzug zu gehen oder sich ein Scheingefecht zu liefern. 7. Religion - der Wunsch, andere zu seinem Kult zu bekehren. Die primitiven Religionen billigten alle den Krieg. Erst in jüngster Zeit hat die Religion begonnen, den Krieg zu missbilligen. Unglücklicherweise war die frühe Priesterschaft gewöhnlich mit der Militärmacht verbündet. Einer der großen Friedensschritte aller Zeitalter war der Versuch, Kirche und Staat zu trennen. Immer führten diese alten Stämme auf Geheiß ihrer Götter, auf Verlangen ihrer Häuptlinge oder Medizinmänner Krieg. Die Hebräer glaubten an einen solchen "Gott der Schlachten"; und der Bericht von ihrem Überfall auf die Midianiter ist eine typische Beschreibung der entsetzlichen Grausamkeit von alten Stammeskriegen; dieser Angriff mit seiner Abschlachtung aller Männer und der späteren Tötung aller Kinder männlichen Geschlechts und aller nicht jungfräulichen Frauen hätte den Sitten eines Stammeshäuptlings von vor zweihunderttausend Jahren alle Ehre gemacht. Und all das wurde im "Namen des Herrn Gottes Israels" begangen. Wir geben hier eine Beschreibung der Evolution der Gesellschaft - der natürlichen Lösung der Rassenprobleme - der Art, wie der Mensch sein eigenes Schicksal auf Erden gestaltet. Solche Greuel werden nicht auf Betreiben der Gottheit begangen trotz der Neigung des Menschen, die Verantwortung dafür seinen Göttern zuzuschieben. Barmherzigkeit im Krieg ist in der Menschheit nur langsam erwacht. Auch als eine Frau, Deborah, die Hebräer regierte, herrschte dieselbe unterschiedslose Grausamkeit. Ihr General ließ bei seinem Sieg über die Heiden "die ganze Armee durch das Schwert umkommen; und es blieb auch nicht ein einziger übrig". Schon sehr früh in der Geschichte der Rasse wurden vergiftete Waffen benutzt. Alle Formen von Verstümmelungen wurden praktiziert. Saul zögerte nicht, als Mitgift, die David für seine Tochter Michal zu bezahlen hatte, einhundert Vorhäute von Philistern zu verlangen. Die frühen Kriege wurden zwischen ganzen Stämmen ausgetragen, aber wenn in späterer Zeit zwei Angehörige verschiedener Stämme miteinander Streit hatten, traten sie gegeneinander zum Duell an, stellvertretend für die beiden Stämme. Es wurde ebenfalls Brauch, dass zwei Armeen alles vom Ausgang eines Zweikampfes zwischen zwei in den beiden Lagern Gewählten abhängig machten, wie dies bei David und Goliath der Fall war. Die erste Verfeinerung der Kriegssitten war die Gefangennahme. Als Nächstes wurden die Frauen von den Feindseligkeiten ausgenommen, und dann kam die Anerkennung von Nichtkämpfenden. Militärkasten und stehende Heere entwickelten sich bald, um mit der zunehmenden Komplexität des Kampfes Schritt zu halten. Den Kriegern war es schon früh verboten, sich mit Frauen zu verbinden, und die Frauen hatten seit langem aufgehört zu kämpfen, obwohl sie die Soldaten immer genährt und gepflegt und zum Kampf angefeuert haben. Die Praxis, den Krieg zu erklären, stellte einen großen Fortschritt dar. Solche Erklärungen von Kampfesabsicht waren ein Zeichen des erwachenden Sinns für Fairness, und ihnen folgte die allmähliche Entwicklung der Regeln "zivilisierter" Kriegführung. Schon bald wurde es Brauch, nicht in der Nähe religiöser Stätten zu kämpfen, und noch später, nicht an bestimmten heiligen Tagen zu kämpfen. Als Nächstes kam die allgemeine Anerkennung des Asylrechts; politischen Flüchtlingen wurde Schutz gewährt. So entwickelte sich die Kriegführung allmählich von der primitiven Menschenjagd zum einigermaßen geordneteren System der "zivilisierten" Nationen späterer Tage. Aber nur langsam tritt freundschaftliches soziales Verhalten an die Stelle des feindschaftlichen. ***** 70.2 Der gesellschaftliche Wert des Krieges ***** In vergangenen Zeitaltern konnte ein wilder Krieg in einem Maße soziale Veränderungen herbeiführen und die Annahme neuer Ideen erleichtern, wie es natürlicherweise nicht in zehntausend Jahren geschehen wäre. Der schreckliche Preis, der für diese eindeutigen Kriegsvorteile bezahlt wurde, war, dass die Gesellschaft vorübergehend in Verrohung zurückgeworfen wurde; zivilisierte Vernunft musste abdanken. Krieg ist eine starke Medizin, sehr teuer und höchst gefährlich. Während er oft bestimmte gesellschaftliche Krankheiten heilt, tötet er auch manchmal den Patienten, zerstört die Gesellschaft. Die dauernde Notwendigkeit nationaler Verteidigung bringt viele neue und fortschrittliche soziale Anpassungen mit sich. Die Gesellschaft erfreut sich heute des Vorteils einer langen Reihe nützlicher Neuerungen, die am Anfang gänzlich militärisch waren. Dem Krieg verdankt sie sogar den Tanz, dessen eine ursprüngliche Form eine militärische Übung war. Krieg hat für die vergangenen Zivilisationen einen sozialen Wert gehabt, weil er: 1. Disziplin auferlegte, Kooperation verstärkte. 2. Seelische Stärke und Mut belohnte. 3. Den Nationalismus pflegte und verstärkte. 4. Schwache und untaugliche Völker vernichtete. 5. Die Illusion ursprünglicher Gleichheit nahm und die Gesellschaft in selektiver Weise schichtete. Der Krieg hat einen bestimmten evolutionären und selektiven Wert gehabt, aber während die Zivilisation langsam fortschreitet, muss auf ihn wie auf die Sklaverei eines Tages verzichtet werden. Die einstigen Kriege förderten das Reisen und den kulturellen Austausch; diesen Zwecken dienen jetzt die modernen Transport- und Kommunikationsmethoden besser. In alten Zeiten stärkten die Kriege die Nationen, aber die modernen Konflikte zerrütten die zivilisierte Kultur. Die einstige Kriegsführung hatte die Dezimierung niedrigerer Völker zur Folge, das eindeutige Resultat moderner Konflikte ist die selektive Ausrottung der besten menschlichen Erblinien. Die frühen Kriege förderten Organisation und Effizienz, aber diese sind jetzt Ziele der modernen Industrie geworden. In vergangenen Zeitaltern war Krieg ein soziales Ferment, welches die Zivilisation voranbrachte; dieses Resultat erreichen jetzt Ehrgeiz und Erfindergeist besser. Alte Kriegsführung hielt die Vorstellung von einem Gott der Schlachten hoch, aber dem modernen Menschen ist gesagt worden, dass Gott Liebe ist. Krieg hat in der Vergangenheit vielen nützlichen Zwecken gedient, er war beim Bau der Zivilisation ein unerlässliches Gerüst, aber er macht jetzt rapide kulturellen Bankrott - unfähig, Dividenden gesellschaftlichen Gewinns auszuschütten, die in irgendeinem vernünftigen Verhältnis zu den schrecklichen Verlusten stehen, die seine Anrufung begleiten. Einst glaubten die Ärzte an das Aderlassen als Heilmittel für viele Krankheiten, aber sie haben seitdem für die meisten dieser Gesundheitsstörungen bessere Mittel gefunden. Ebenso sicher muss das internationale, durch Krieg verursachte Blutvergießen der Entdeckung besserer Heilmethoden für die Krankheiten der Nationen weichen. Die Nationen Urantias sind bereits in die gigantische Auseinandersetzung zwischen nationalistischem Militarismus und Industrialismus eingetreten, und in vieler Hinsicht ist dieser Konflikt vergleichbar dem ganze Zeitalter hindurch währenden Kampf zwischen Jäger-Hirten und Bauern. Aber wenn der Industrialismus über den Militarismus triumphieren soll, muss er den Gefahren aus dem Weg gehen, die ihn von allen Seiten bedrängen. Die Bedrohungen der aufblühenden Industrie Urantias sind: 1. Die starke Tendenz zum Materialismus, geistige Blindheit. 2. Die Anbetung der Macht des Reichtums, Verzerrung der Werte. 3. Die Laster des Luxus, kulturelle Unreife. 4. Die zunehmenden Gefahren der Gleichgültigkeit, mangelndes Gefühl für das Dienen. 5. Zunehmende unerwünschte rassische Verweichlichung, biologische Degeneration. 6. Die Bedrohung durch eine standardisierte industrielle Versklavung, Stagnation der Persönlichkeit. Arbeit veredelt, aber stumpfsinnige Tätigkeit macht gefühllos. Militarismus ist autokratisch und grausam - primitiv. Er fördert die soziale Organisation der Eroberer, aber er desintegriert die Besiegten. Industrialismus ist zivilisierter und sollte in einer Weise gehandhabt werden, dass er die Initiative begünstigt und den Individualismus ermutigt. Die Gesellschaft sollte auf jede erdenkliche Weise Originalität fördern. Macht nicht den Fehler, den Krieg zu glorifizieren; erkennt vielmehr, was er für die Gesellschaft getan hat, damit ihr eine genauere Vorstellung davon bekommt, was sein vielgestaltiger Ersatz bringen muss, wenn der Fortschritt der Zivilisation gewährleistet werden soll. Wenn solch ein geeigneter Ersatz nicht gefunden wird, könnt ihr sicher sein, dass es noch lange Krieg geben wird. Der Mensch wird Frieden nie als normale Lebensweise akzeptieren, solange er sich nicht gründlich und wiederholt davon überzeugt hat, dass Friede das Beste für sein materielles Wohl ist, und bis die Gesellschaft in weiser Voraussicht friedliche Ersatzmechanismen geschaffen hat zur Befriedigung jener angeborenen Neigung, periodisch einem kollektiven Drang zur Befreiung jener sich stets anstauenden Emotionen und Energien nachzugeben, die zu den Selbsterhaltungsreaktionen der menschlichen Gattung gehören. Aber auch wenn der Krieg jetzt am Verschwinden ist, sollte man ihn als eine Lebensschule ehren, die eine Rasse anmaßender Individualisten dazu zwang, sich einer geballten Autorität - einem obersten Befehlshaber - unterzuordnen. Krieg nach alter Art selektionierte tatsächlich die geborenen großen Männer zu Führern, aber moderner Krieg tut es nicht mehr. Um Führergestalten zu entdecken, muss sich die Gesellschaft jetzt Friedenseroberungen zuwenden: der Industrie, der Wissenschaft und sozialen Leistungen. ***** 70.3 Frühe menschliche Zusammenschlüsse ***** In der primitivsten menschlichen Gesellschaft ist die Horde alles; sogar die Kinder sind ihr gemeinsamer Besitz. Die sich entwickelnde Familie löste die Horde in der Kindererziehung ab, während an ihre Stelle als gesellschaftliche Einheit die entstehenden Klane und Stämme traten. Sexuelles Verlangen und Mutterliebe begründen die Familie. Aber es erscheint keine wirkliche Regierung, bevor sich nicht familienübergreifende Gruppen zu bilden begonnen haben. In den der Familie vorausgehenden Zeiten der Horde übernahmen regellos gewählte Einzelne die Führung. Die afrikanischen Buschmänner sind nie über dieses Stadium hinausgelangt; ihre Horden besitzen keine Anführer. Die Blutsbande schlossen die Familien zu Klanen, zu Ansammlungen von Verwandten, zusammen; und diese entwickelten sich später zu Stämmen, zu territorialen Gemeinschaften. Krieg und äußerer Druck zwangen den Verwandtenklanen die Stammesorganisation auf, aber Geschäft und Handel waren es, die für den Zusammenhalt dieser primitiven Gruppen bei einem gewissen Grad inneren Friedens sorgten. Der Friede wird auf Urantia viel mehr durch internationale Handelsorganisationen als durch all die sentimentalen Sophistereien visionärer Friedensplanung gefördert werden. Die Handelsbeziehungen wurden erleichtert durch die Entwicklung der Sprache und durch verbesserte Kommunikationsmethoden sowie durch bessere Transportmöglichkeiten. Das Fehlen einer gemeinsamen Sprache hat stets das Wachstum friedlicher Gruppen behindert, aber das Geld ist zur universalen Sprache des modernen Handels geworden. Die moderne Gesellschaft wird weitgehend durch den industriellen Markt zusammengehalten. Das Gewinnmotiv ist ein mächtiger Zivilisator, wenn es durch den Wunsch zu dienen verstärkt wird. In den frühen Zeiten war jeder Stamm von konzentrischen Kreisen zunehmender Angst und wachsenden Argwohns umgeben; deshalb pflegte man einst alle Fremden umzubringen und später, sie zu Sklaven zu machen. Die alte Idee von Freundschaft bedeutete Aufnahme in den Klan; und man glaubte, dass die Klanmitgliedschaft den Tod überdauerte - das war eine der frühesten Vorstellungen vom ewigen Leben. Die Aufnahmezeremonie bestand darin, dass einer des anderen Blut trank. In einigen Gruppen wurde anstelle des Trinkens von Blut Speichel ausgetauscht, und das ist der alte Ursprung des Brauchs des Küssens im gesellschaftlichen Umgang. Und alle Vereinigungszeremonien, ob es sich um Heirat oder Aufnahme handelte, endeten immer mit Festlichkeiten. In späterer Zeit benutzte man mit Rotwein verdünntes Blut, und schließlich trank man bei der Zeremonie nur Wein, um die Aufnahme in den Klan zu besiegeln, die man durch Berühren der Weinschalen zum Ausdruck brachte und durch Hinunterschlucken des Getränks vollzog. Die Hebräer wandten eine abgeänderte Form dieser Aufnahmezeremonie an. Ihre arabischen Vorfahren pflegten den Kandidaten schwören zu lassen, während seine Hand auf dem Geschlechtsorgan des Stammesangehörigen ruhte. Die Hebräer behandelten adoptierte Fremde freundlich und brüderlich. "Der Fremde, der bei euch wohnt, soll sich fühlen, als wäre er unter euch geboren, und ihr sollt ihn lieben wie euch selbst." "Gast-Freundschaft" war eine Beziehung zeitlich begrenzter Gastlichkeit. Wenn auf Besuch weilende Gäste abreisten, brach man eine Schüssel entzwei und gab die eine Hälfte dem weggehenden Freund, damit sie einem dritten Ankömmling bei einem späteren Besuch als gebührende Einführung dienen möge. Es war für Gäste üblich, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, indem sie Geschichten von ihren Reisen und Abenteuern erzählten. Die Geschichtenerzähler alter Zeiten wurden derart beliebt, dass die Sitten schließlich ihr Wirken zur Jagd- und Erntezeit untersagten. Die ersten Friedensverträge waren die "Blutsbande". Dabei begegneten sich die Friedensbotschafter zweier kriegführender Stämme, tauschten Höflichkeiten aus und ritzten sich dann die Haut, bis sie blutete; darauf saugte jeder des anderen Blut und erklärte ihm den Frieden. Die ersten Friedensmissionen bestanden aus Männerdelegationen, die ihren vormaligen Feinden ihre besten Jungfrauen zu geschlechtlicher Befriedigung darbrachten, wobei das sexuelle Verlangen zur Bekämpfung des Kriegdurstes verwendet wurde. Der so geehrte Stamm stattete einen Gegenbesuch mit einer ebensolchen Mädchengabe ab, worauf bindend Frieden geschlossen wurde. Und bald wurden Heiraten zwischen den Familien der Häuptlinge gestattet. ***** 70.4 Klane und Stämme ***** Die erste friedliche Gruppe war die Familie, dann kam der Klan, der Stamm und später die Nation, aus der endlich der moderne Territorialstaat wurde. Die Tatsache, dass sich die heutigen friedliebenden Gruppen seit langem über die Blutsbande hinaus zu ganzen Nationen erweitert haben, ist höchst ermutigend trotz des Umstandes, dass die Nationen Urantias immer noch gewaltige Summen für Kriegsvorbereitungen ausgeben. Die Klane waren blutsverwandte Gruppen innerhalb des Stammes, und sie verdankten ihre Existenz gewissen gemeinsamen Interessen wie zum Beispiel diesen: 1. Sie führten ihren Ursprung auf einen gemeinsamen Ahnherrn zurück. 2. Sie verehrten dasselbe religiöse Totem. 3. Sie sprachen denselben Dialekt. 4. Sie teilten einen gemeinsamen Wohnort. 5. Sie fürchteten sich vor denselben Feinden. 6. Sie teilten eine gemeinsame militärische Erfahrung. Die Klanführer waren stets dem Stammeshäuptling untertan; die frühen Stammesregierungen waren ein loser Zusammenschluss von Klanen. Die Eingeborenen Australiens entwickelten nie eine Regierungsform des Stammes. Die Klan-Oberhäupter in Friedenszeiten regierten meistens über die mütterliche Linie; die Stammesanführer im Krieg führten die väterliche Linie ein. Die Höfe der Stammesfürsten und frühen Könige bestanden aus den Klanführern, die üblicherweise mehrere Male im Jahr eingeladen wurden, vor dem König zu erscheinen. Das erlaubte diesem, sie zu überwachen und von ihnen eine bessere Mitarbeit zu erwirken. Die Klane dienten in lokaler Selbstregierung einem nützlichen Zweck, aber sie verzögerten das Wachstum großer und starker Nationen sehr. ***** 70.5 Die Anfänge der Regierung ***** Jede menschliche Institution hatte einmal einen Anfang, und die Zivilregierung ist genauso ein Produkt fortschreitender Evolution wie die Ehe, die Industrie und die Religion. Aus den frühen Klanen und primitiven Stämmen entwickelten sich Schritt für Schritt die sukzessiven Formen menschlicher Regierung, die kamen und gingen bis zu den das zweite Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts charakterisierenden Formen sozialer und ziviler Regulierung. Mit der allmählichen Entstehung von Familieneinheiten wurde in der Organisation des Klans, im Zusammenschluss blutsverwandter Familien, der Grund zur Regierung gelegt. Das erste wirkliche Regierungsorgan war der Rat der Ältesten. Diese regulierende Gruppe setzte sich aus alten Männern zusammen, die sich auf irgendeine nützliche Weise hervorgetan hatten. Selbst der barbarische Mensch wusste schon früh Weisheit und Erfahrung zu schätzen, und es folgte eine lange Periode mit dominierender Stellung der Ältesten. Aus dieser oligarchischen Herrschaft des Alters ging allmählich die patriarchalische Idee hervor. Im frühen Rat der Ältesten ruhte schon das Potential aller Regierungsfunktionen: der exekutiven, legislativen und richterlichen. Wenn der Rat die üblichen Sitten auslegte, war er ein Gericht; wenn er neue gesellschaftliche Funktionsweisen festlegte, war er ein Gesetzgeber; in dem Maße, wie er solchen Weisungen und Verordnungen Geltung verschaffte, war er ausführendes Organ. Der Ratsvorsteher war einer der Vorläufer des späteren Stammesführers. Einige Stämme besaßen weibliche Räte, und bei vielen Stämmen hatte von Zeit zu Zeit eine Frau die Führung inne. Einige Stämme der roten Menschen bewahrten die Lehren Onamonalontons, indem sie sich an das einstimmige Regieren des "Siebenerrates" hielten. Es ist der Menschheit schwer gefallen zu lernen, dass weder Frieden noch Krieg von einem Debattierklub gehandhabt werden können. Die primitiven "Palaver" waren selten nützlich. Die Rasse lernte früh, dass eine Armee, die von einer Gruppe von Klanführern befehligt wurde, gegen eine starke Einmann-Armee keine Chance hatte. Der Krieg ist schon immer ein Königsmacher gewesen. Am Anfang wurden die Führer nur für militärische Dienste gewählt, und in Friedenszeiten, wenn ihre Aufgaben eher sozialer Natur waren, traten sie etwas von ihrer Autorität ab. Aber allmählich begannen sie, auf die Friedensintervalle überzugreifen, und neigten dazu, von einem Krieg bis zum nächsten weiterzuregieren. Oft sorgten sie dafür, dass es nicht allzu lange dauerte, bis auf einen Krieg ein neuer folgte. Diese frühen Kriegsherren hatten nicht viel für Frieden übrig. In späterer Zeit wurden einige Führer für andere als militärische Dienste gewählt, und zwar aufgrund ihrer außerordentlichen physischen oder überragenden persönlichen Fähigkeiten. Die roten Menschen besaßen oft zweierlei Häuptlinge - die Sachems oder Friedenschefs und die hereditären Kriegschefs. Die Friedenschefs waren ebenfalls Richter und Lehrer. Einige frühe Gemeinschaften wurden von Medizinmännern regiert, die oft als Häuptlinge fungierten. Ein einziger Mann wirkte als Priester, Arzt und Regierungschef. Sehr oft waren die frühen königlichen Insignien ursprünglich Symbole oder Embleme von Priestergewändern. Und so entstand über diese Schritte allmählich der exekutive Regierungszweig. Die Klan- und Stammesräte bestanden in beratender Eigenschaft weiter; sie waren die Vorläufer der später erscheinenden Legislativ- und Justizzweige. All diese primitiven Regierungsformen existieren heute tatsächlich unter den verschiedenen Stämmen Afrikas. ***** 70.6 Monarchische Regierung ***** Eine wirksame Staatsführung kam erst mit dem Erscheinen eines Führers mit voller exekutiver Autorität. Der Mensch fand heraus, dass eine wirksame Regierung nur zu haben ist, indem man einer Persönlichkeit Macht überträgt, und nicht durch die Propagierung einer Idee. Die Herrschaftsidee ging aus der Vorstellung von Familienautorität oder Reichtum hervor. Wenn aus einem kleinen patriarchalischen König ein richtiger König wurde, nannte man ihn manchmal "Vater seines Volkes". Später dachte man, die Könige stammten von Helden ab. Und noch später wurde die Herrschaft erblich, weil man an den göttlichen Ursprung der Könige glaubte. Das erbliche Königtum verhinderte die Anarchie, die vordem zwischen dem Tod eines Königs und der Wahl seines Nachfolgers jeweils ein großes Chaos angerichtet hatte. Die Familie hatte ein biologisches Haupt und der Klan einen gewählten natürlichen Führer; aber weder der Stamm noch der spätere Staat hatten einen natürlichen Führer, und das war ein zusätzlicher Grund, die Macht der Hauptkönige vererbbar zu machen. Die Idee von königlichen Familien und Aristokratie beruhte auch auf der in den Klanen herrschenden Sitte des "Besitzes eines Namens". Die Aufeinanderfolge der Könige wurde schließlich als übernatürlich betrachtet, weil man dachte, das königliche Blut gehe zurück bis auf die Zeiten des materialisierten Stabs Caligastias. So wurden die Könige zu Fetisch-Persönlichkeiten, vor denen man sich maßlos fürchtete. Man nahm eine besondere Redeweise an, um sich bei Hofe auszudrücken. Noch bis vor kurzem glaubte man, dass die Berührung eines Königs Krankheiten heilen könne, und einige Völker Urantias glauben immer noch an den göttlichen Ursprung ihrer Herrscher. Der frühe Fetischkönig wurde oft in Abgeschiedenheit gehalten, weil man ihn für zu heilig hielt, um außer an Fest- und Feiertagen gesehen zu werden. Gewöhnlich wurde ein Stellvertreter gewählt, um ihn zu personifizieren, und das ist der Ursprung des Ministerpräsidenten. Der erste Kabinettsbeamte war ein Nahrungsverwalter; bald folgten ihm andere. Die Herrscher ernannten bald Repräsentanten, die für Handel und Religion verantwortlich waren; und die Entwicklung eines Kabinetts war ein direkter Schritt in Richtung einer Entpersönlichung der Exekutivgewalt. Aus diesen Helfern der frühen Könige wurde der anerkannte Adel, und die Königsgattin stieg allmählich zur Würde einer Königin auf, als man begann, den Frauen größere Achtung entgegenzubringen. Skrupellose Herrscher gewannen große Macht durch die Entdeckung von Gift. Die frühe Hofmagie war teuflisch; die Feinde des Königs starben alsbald. Aber auch der despotischste Tyrann war gewissen Einschränkungen unterworfen; wenigstens hielt ihn die ständige Furcht zurück, selber ermordet zu werden. Die Medizinmänner, Hexenmeister und Priester waren für die Könige immer ein mächtiger Hemmschuh. In der Folge übten die Landbesitzer, die Aristokratie, einen zügelnden Einfluss aus. Und von Zeit zu Zeit erhoben sich die Klane und Stämme ganz einfach und stürzten ihre Despoten und Tyrannen. Wenn abgesetzte Herrscher zum Tod verurteilt wurden, ließ man ihnen oft die Wahl, sich selber umzubringen, was die einstige beliebte Gepflogenheit, unter gewissen Umständen Selbstmord zu begehen, entstehen ließ. ***** 70.7 Primitive Bünde und Geheimgesellschaften ***** Blutsverwandtschaft war entscheidend für die Entstehung der ersten gesellschaftlichen Gruppen; durch Anschluss erweiterte sich der Verwandtenklan. Heirat unter Stämmen war der nächste Schritt in der Gruppenerweiterung, und der entstehende Stammeskomplex war die erste wahre politische Körperschaft. Der nächste Fortschritt in der gesellschaftlichen Entwicklung war die Entstehung religiöser Kulte und politischer Vereine. Sie erschienen als Geheimgesellschaften und waren ursprünglich rein religiös; später wirkten sie regulativ. Zuerst waren es Männerbünde; später erschienen auch Frauengruppen. Alsbald schieden sie sich in zwei Klassen, eine gesellschaftlich-politische und eine religiös-mystische. Es gab vielerlei Gründe für die Heimlichkeit dieser Gesellschaften wie z. B.: 1. Furcht, durch Verletzung irgendeines Tabus das Missfallen der Herrschenden zu erregen. 2. Minderheiten die Ausübung religiöser Riten zu erlauben. 3. Zum Zwecke der Bewahrung wertvoller "Geister"- oder Handelsgeheimnisse. 4. Um sich irgendeiner besonderen Zauberei oder Magie hinzugeben. Die Tatsache, dass diese Gesellschaften geheim waren, verlieh all ihren Mitgliedern die Macht des Mysteriösen über den Rest des Stammes. Geheimhaltung schmeichelt auch der Eitelkeit; die Eingeweihten waren die gesellschaftliche Aristokratie jener Tage. Nach ihrer Einweihung gingen die Jungen mit den Männern auf die Jagd, während sie vordem mit den Frauen Gemüse geerntet hatten. Und es war die äußerste Demütigung, eine Stammesschmach, die Pubertätstests nicht zu bestehen und dadurch gezwungen zu sein, vom Männerhaus ausgeschlossen bei den Frauen und Kindern zu bleiben, als unmännlich zu gelten. Übrigens durften Nichteingeweihte nicht heiraten. Schon sehr früh unterwiesen die primitiven Völker ihre heranwachsenden Jugendlichen in sexueller Disziplin. Es wurde Brauch, die Jungen von der Pubertät bis zur Heirat von den Eltern wegzunehmen und ihre Erziehung und Schulung den geheimen Männergesellschaften anzuvertrauen. Und eine der Hauptfunktionen dieser Bünde war es, die heranwachsenden jungen Männer unter Kontrolle zu behalten, um uneheliche Kinder zu verhindern. Geschäftlich betriebene Prostitution begann, als diese Männerbünde für den Gebrauch von andersstämmigen Frauen Geld bezahlten. Aber die früheren Gruppen waren bemerkenswert frei von sexueller Laxheit. Die Einweihungsriten des Pubertätsalters erstreckten sich gewöhnlich über fünf Jahre. Allerhand Selbstpeinigung und schmerzhafte Schnitte gehörten zu diesen Zeremonien. Die Beschneidung wurde zuerst als ein Ritus bei der Aufnahme in eine dieser geheimen Bruderschaften vorgenommen. Die Stammeszeichen wurden als Teil der Pubertätseinweihung in den Körper eingeritzt; die Tätowierung hatte ihren Ursprung in solch einem Zeichen der Stammeszugehörigkeit. Derartige Torturen, die mit vielen Entbehrungen einhergingen, sollten die Jugendlichen stählen, ihnen die Realität des Lebens und seine unvermeidlichen Härten eindrücklich vor Augen führen. Die später erscheinenden athletischen Spiele und physischen Wettkämpfe erfüllen dieses Ziel weit besser. Aber die Geheimgesellschaften zielten wirklich auf eine Hebung der Sittlichkeit der Jugendlichen ab; eines der Hauptanliegen der Pubertätszeremonien war es, den Burschen einzuschärfen, die Frauen anderer Männer in Ruhe zu lassen. Nach diesen Jahren strenger Disziplin und Schulung und unmittelbar vor der Heirat pflegten die jungen Männer entlassen zu werden, um sich einer kurzen Zeit der Muße und Freiheit zu erfreuen, wonach sie zurückkehrten, um zu heiraten und sich ihr ganzes Leben lang den Stammestabus zu unterwerfen. Und dieser alte Brauch hat sich in der läppischen Vorstellung vom "Sich-Austoben" bis in die heutige Zeit erhalten. Viele spätere Stämme billigten die Bildung geheimer Frauenbünde, deren Aufgabe darin bestand, die heranwachsenden jungen Frauen auf Ehestand und Mutterschaft vorzubereiten. Nach ihrer Einweihung waren die Mädchen heiratsfähig und durften die "Brautschau" besuchen, den ersten Schritt in die Gesellschaft jener Tage tun. Früh entstanden auf Ehelosigkeit verpflichtete Frauenorden. Bald traten auch nichtgeheime Bünde in Erscheinung, als Gruppen unverheirateter Männer und Gruppen ungebundener Frauen voneinander unabhängige Organisationen schufen. Diese Vereinigungen waren wirklich die ersten Schulen. Und während Männer- und Frauenbünde einander oft verfolgten, versuchten sich einige fortgeschrittene Stämme nach Kontaktnahme mit den Lehrern Dalamatias in der gemischten Erziehung, indem sie Internate für beide Geschlechter unterhielten. Die Geheimgesellschaften trugen hauptsächlich wegen des mysteriösen Charakters ihrer Einweihungen zu der Entstehung sozialer Kasten bei. Die Mitglieder dieser Gesellschaften setzten bei ihren Trauerriten - ihrer Ahnenverehrung - zuerst Masken auf, um Neugierige zu erschrecken und zu verscheuchen. Später verwandelte sich dieses Ritual in eine Pseudoséance mit angeblichen Geistererscheinungen. Die einstigen Gesellschaften der "neuen Geburt" benutzten Zeichen und bedienten sich einer besonderen Geheimsprache; auch gelobten sie unter Eid, sich gewisser Speisen und Getränke zu enthalten. Sie betätigten sich als Nachtpolizei und wirkten überhaupt in einem breiten Fächer sozialer Aktivitäten. Alle geheimen Vereine verlangten Eidesleistung, machten strenge Verschwiegenheit zur Pflicht und lehrten das Bewahren von Geheimnissen. Diese Orden schüchterten die Menge ein und hielten sie unter Kontrolle; sie walteten auch als Überwachungsgesellschaften und übten Lynchjustiz. Sie waren die ersten Spione, wenn sich die Stämme im Krieg befanden, und die erste Geheimpolizei in Friedenszeiten. Das Beste war, dass sie skrupellose Könige um ihren Thron bangen ließen. Um sie zu neutralisieren, schufen die Könige ihre eigene Geheimpolizei. Diese Gesellschaften ließen die ersten politischen Parteien entstehen. Die erste Parteienregierung war diejenige "der Starken" gegen "die Schwachen". In alten Zeiten erfolgte ein Verwaltungswechsel nur nach einem Bürgerkrieg - Beweis genug dafür, dass die Schwachen stark geworden waren. Kaufleute bedienten sich dieser Bünde, um Schulden einzutreiben, und Herrscher, um Steuern einzutreiben. Die Erhebung von Steuern war ein langer Kampf. Eine ihrer frühesten Formen war der Zehnte, ein Zehntel der Jagd oder der Beutestücke. Ursprünglich wurden Steuern erhoben, um das Königshaus zu unterhalten, aber dann fand man heraus, dass ihre Eintreibung leichter fiel, wenn man sie als eine Spende für den Unterhalt des Tempeldienstes ausgab. Nach und nach wurden aus den Geheimgesellschaften die ersten Wohltätigkeitsorganisationen, und sie entwickelten sich danach zu den früheren religiösen Gesellschaften - den Vorläuferinnen der Kirchen. Schließlich gingen aus einigen dieser Gesellschaften stammesübergreifend die ersten internationalen Bruderschaften hervor. ***** 70.8 Die sozialen Klassen ***** Die mentale und physische Ungleichheit der menschlichen Wesen stellt sicher, dass soziale Klassen entstehen. Die einzigen Welten ohne gesellschaftliche Schichtung sind die primitivsten und die fortgeschrittensten. Eine erwachende Zivilisation hat noch nicht mit der Differenzierung in soziale Stufen begonnen, während eine im Licht und Leben verankerte Welt diese Unterteilungen der Menschheit, die für alle dazwischenliegenden evolutionären Etappen so bezeichnend sind, weitgehend zum Verschwinden gebracht hat. Als die Gesellschaft vom wilden in den barbarischen Zustand überging, neigten ihre menschlichen Glieder aus folgenden Gründen dazu, sich in Klassen zusammenzuschließen: 1. Natürliche Gründe - Kontakt, Verwandtschaft und Heirat; die ersten sozialen Verschiedenheiten beruhten auf Geschlecht, Alter und Blut - Verwandtschaft mit dem Häuptling. 2. Persönliche Gründe - die Anerkennung von Fähigkeit, Ausdauer, Begabung und Seelenstärke. Bald folgte die Anerkennung von Sprachenbeherrschung, Wissen und allgemeiner Intelligenz. 3. Zufallsgründe - Krieg und Auswanderung bewirkten die Trennung menschlicher Gruppen. Die Herausbildung von Klassen wurde stark beeinflusst durch Eroberung, durch die Beziehung zwischen Siegern und Besiegten, während die Sklaverei die erste allgemeine Trennung der Gesellschaft in Freie und Unfreie brachte. 4. Wirtschaftliche Gründe - Reiche und Arme. Auf der Basis von Reichtum und Sklavenbesitz entstand eine der Gesellschaftsklassen. 5. Geographische Gründe - Klassen entstanden mit der Niederlassung in der Stadt oder auf dem Lande. Stadt und Land haben zu der Differenzierung in Händler und Industrielle beziehungsweise Hirten und Ackerbauer mit ihren verschiedenen Gesichtspunkten und Reaktionen beigetragen. 6. Soziale Gründe - Klassen haben sich allmählich aufgrund des gesellschaftlichen Wertes gebildet, den das Volk den verschiedenen Gruppen beimaß. Unter den frühesten Einteilungen dieser Art befanden sich die Abgrenzungen zwischen Priester-Lehrern, Herrscher-Kriegern, Kapitalisten-Händlern, gewöhnlichen Arbeitern und Sklaven. Ein Sklave konnte nie ein Kapitalist werden, aber ein Lohnempfänger konnte manchmal in die Reihen der Kapitalisten eintreten. 7. Berufliche Gründe - Mit den zahlreicher werdenden Berufen kam auch die Tendenz zur Bildung von Kasten und Zünften. Die Arbeiter zerfielen in drei Gruppen: die höheren Berufsstände einschließlich der Medizinmänner, dann die gelernten Arbeiter, gefolgt von den ungelernten Hilfsarbeitern. 8. Religiöse Gründe - Die frühen kultischen Bünde schufen innerhalb von Klanen und Stämmen ihre eigenen Klassen, und Frömmigkeit und Mystizismus der Priester haben sie lange als gesonderte Gesellschaftsgruppe überdauern lassen. 9. Rassische Gründe - Das Vorhandensein von zwei oder mehr Rassen in einer bestimmten Nation oder territorialen Einheit bewirkt gewöhnlich Hautfarbe-Kasten. Das ursprüngliche Kastensystem Indiens beruhte auf der Hautfarbe, so wie dasjenige des frühen Ägyptens. 10. Altersgründe - Jugend und Reife. Bei den Stämmen blieb der Sohn unter der Aufsicht des Vaters, solange dieser lebte, während die Tochter bis zu ihrer Heirat in der Obhut ihrer Mutter blieb. Flexible und sich verschiebende Gesellschaftsklassen sind unerlässlich für eine sich entwickelnde Zivilisation. Aber wenn Klassen zu Kasten werden, wenn die Gesellschaftsschichten versteinern, wird die erhöhte soziale Stabilität mit einer Verringerung der persönlichen Initiative erkauft. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Kaste löst jemandes Problem, seinen Platz in der Industrie zu finden, aber sie beschneidet die individuelle Entwicklung drastisch und verhindert praktisch jede soziale Zusammenarbeit. Da sich die Klassen in der Gesellschaft auf natürliche Weise herausgebildet haben, werden sie so lange bestehen, bis der Mensch allmählich ihr evolutionsbedingtes Verschwinden erreicht durch intelligente Handhabung der biologischen, intellektuellen und geistigen Ressourcen einer fortschreitenden Zivilisation wie z. B.: 1. Biologische Erneuerung des rassischen Erbmaterials - die selektive Eliminierung inferiorer menschlicher Erblinien. Das wird dahinwirken, viele Ungleichheiten unter den Sterblichen zu beseitigen. 2. Erziehung und Übung der gewachsenen intellektuellen Kapazität, die sich aus einer solchen biologischen Verbesserung ergeben wird. 3. Religiöse Belebung der Gefühle menschlicher Verwandtschaft und Brüderlichkeit. Aber diese Maßnahmen können ihre Früchte erst in fernen zukünftigen Jahrtausenden tragen, obwohl sich bei einer intelligenten, weisen und geduldigen Handhabung dieser Beschleunigungsfaktoren des kulturellen Prozesses eine augenblickliche starke Verbesserung der Gesellschaft einstellen wird. Die Religion ist der mächtige Hebel, der die Zivilisation aus dem Chaos befreit, aber sie ist machtlos ohne den Stützpunkt eines gesunden und normalen Verstandes, der sicher auf einer ebenso gesunden und normalen Heredität ruht. ***** 70.9 Menschenrechte ***** Die Natur verleiht dem Menschen keine Rechte, bloß das Leben und eine Welt, um in ihr zu leben. Die Natur verleiht ihm nicht einmal das Recht zu leben, wie aus der Betrachtung dessen erhellt, was sehr wahrscheinlich geschehen würde, wenn sich ein unbewaffneter Mensch im primitiven Urwald plötzlich einem hungrigen Tiger gegenüber sähe. Das erste Geschenk der Gesellschaft an den Menschen ist Sicherheit. Schrittweise hat die Gesellschaft ihre Rechte gefestigt, und diese sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt: 1. Sicherung der Nahrungsversorgung. 2. Militärische Verteidigung - Sicherheit durch Bereitschaft. 3. Friedenssicherung im Inneren - Verhinderung persönlicher Gewalt und sozialer Unruhen. 4. Sexuelle Kontrolle - Ehe, die Institution der Familie. 5. Besitz - das Recht, etwas zu besitzen. 6. Förderung von individuellem und Gruppenwettbewerb. 7. Gelegenheit zu Erziehung und Ausbildung für die Jugend. 8. Förderung von Austausch und Handel - industrielle Entwicklung. 9. Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Entlöhnung. 10. Garantie freier Religionsausübung, damit all diese anderen sozialen Aktivitäten dadurch veredelt werden, dass sie aus einem geistigen Antrieb geschehen. Wenn Rechte hinter einen bekannten Ursprung zurückreichen, nennt man sie oft natürliche Rechte. Aber Menschenrechte sind nicht wirklich natürlich; sie sind ganz und gar sozial. Sie sind relativ und ständigem Wechsel unterworfen, denn sie sind weiter nichts als Spielregeln - anerkannte Anpassungen von Beziehungen, welche die sich dauernd verändernden Phänomene des menschlichen Wettbewerbs regieren. Was in einem Zeitalter als richtig angesehen wird, mag einem anderen nicht so erscheinen. Geschädigte und Degenerierte überleben nicht deshalb in großer Zahl, weil sie irgendein natürliches Recht darauf besitzen, in dieser Weise die Zivilisation des zwanzigsten Jahrhunderts zu belasten, sondern einfach, weil die Gesellschaft des Zeitalters, die herrschenden Sitten, es so wollen. Im europäischen Mittelalter waren nur wenige Menschenrechte anerkannt; damals gehörte jedermann irgendjemand anderem, und Rechte waren nur von Staat oder Kirche gewährte Privilegien oder Gunstbezeigungen. Und die Auflehnung gegen diesen Irrtum irrte sich ebenfalls darin, dass sie zum Glauben führte, alle Menschen seien gleich geboren. Die Schwachen und Inferioren haben immer für gleiche Rechte gekämpft; sie haben immer darauf bestanden, dass der Staat die Starken und Höher stehenden dazu zwinge, ihre Ansprüche zu befriedigen und für jene Schwächen aufzukommen, die nur allzu oft das natürliche Resultat ihrer eigenen Gleichgültigkeit und Indolenz sind. Aber dieses Gleichheitsideal ist ein Kind der Zivilisation; es findet sich nicht in der Natur. Sogar die Kultur selber beweist schlüssig die angeborene Ungleichheit der Menschen, indem diese eine sehr ungleiche Fähigkeit zu ihr besitzen. Die plötzliche und nichtevolutionäre Verwirklichung einer angeblich natürlichen Gleichheit würde den zivilisierten Menschen alsbald in die rohen Sitten primitiver Zeitalter zurückwerfen. Die Gesellschaft kann nicht allen gleiche Rechte einräumen, aber sie kann versprechen, die verschiedenen Rechte eines jeden mit Sinn für Gerechtigkeit und Billigkeit zu handhaben. Es ist Aufgabe und Pflicht der Gesellschaft, dem Kind der Natur faire und friedliche Gelegenheit zu geben, für seine Selbsterhaltung zu sorgen, sich an der Fortpflanzung zu beteiligen und sich gleichzeitig eines gewissen Maßes an Selbstbeglückung zu erfreuen, denn die Summe aller drei macht menschliches Glück aus. ***** 70.10 Die Entwicklung der Justiz ***** Natürliche Gerechtigkeit ist eine von Menschen geschaffene Theorie. In der Natur von Gerechtigkeit zu sprechen, ist gänzlich theoretisch, reine Fiktion. Natur kennt nur eine Art von Gerechtigkeit - zwangsläufige Entsprechung zwischen Wirkung und Ursache. Gerechtigkeit, wie der Mensch sie versteht, bedeutet, in den Besitz seiner Rechte zu gelangen, und sie ist deshalb eine Angelegenheit fortschreitender Entwicklung gewesen. Die Vorstellung von Gerechtigkeit mag wohl Teil der Gedankenwelt eines geistbegabten Verstandes sein, aber sie tritt auf den Welten des Raums nicht voll ausgewachsen ins Dasein. Der primitive Mensch schrieb sämtliche Phänomene irgendeiner Person zu. Vor einem Toten fragte der Wilde nicht danach, was, sondern wer ihn umgebracht hatte. Deshalb wurde ein Tod durch Zufall nicht wahrgenommen, und bei der Bestrafung eines Verbrechens wurde das Motiv des Verbrechers völlig außer Acht gelassen; das Urteil wurde entsprechend dem angerichteten Schaden gesprochen. In der frühesten primitiven Gesellschaft handelte die öffentliche Meinung unmittelbar; es brauchte keine Gerichtsbeamten. Es gab im primitiven Leben keine Privatsphäre. Jemandes Nachbarn waren für sein Verhalten verantwortlich; daher ihr Recht, sich in seine persönlichen Angelegenheiten einzumischen. Die Gesellschaft war nach der Theorie geregelt, dass die Gemeinschaft der Gruppe ein Interesse am Verhalten jedes Einzelnen haben und einen gewissen Grad von Kontrolle über diesen ausüben müsse. In der frühesten Zeit glaubte man, dass die Geister durch den Mund von Medizinmännern und Priestern Gericht hielten; das machte aus den Mitgliedern dieser Ordnungen die ersten Verbrechensaufdecker und Gerichtspersonen. Ihre frühen Methoden zur Aufklärung von Verbrechen bestanden aus Gift-, Feuer- und Schmerz-Gottesurteilen. Diese Prüfungen der Wilden waren weiter nichts als rohe Willkürtechniken; sie legten einen Konflikt nicht notwendigerweise gerecht bei. Wenn zum Beispiel Gift verabreicht wurde und der Angeklagte sich übergab, war er unschuldig. Das Alte Testament berichtet über eines dieser Gottesurteile, eine eheliche Untreue betreffende Prüfung: Wenn ein Mann seine Frau der Untreue verdächtigte, nahm er sie mit sich zum Priester und setzte diesem seinen Argwohn auseinander, worauf der Priester ein Gebräu aus heiligem Wasser und am Tempelboden Zusammengewischtem anrührte. Nach einer förmlichen Zeremonie, die auch drohende Verwünschungen enthielt, musste die angeklagte Frau den ekelerregenden Trank zu sich nehmen. War sie schuldig, so "soll das Wasser, das Verwünschung bringt, in sie eindringen und bitter werden, und ihr Bauch soll sich blähen und ihre Schenkel verfaulen, und die Frau soll unter den Ihrigen als Geächtete umhergehen". Wenn eine Frau durch einen Glücksfall das scheußliche Getränk austrinken konnte, ohne physische Krankheitssymptome zu zeigen, wurde sie von den Anklagen ihres eifersüchtigen Gatten freigesprochen. Diese entsetzlichen Methoden zur Aufdeckung von Verbrechen wurden früher oder später von fast allen sich entwickelnden Stämmen praktiziert. Das Duellieren ist ein modernes Überbleibsel des Prozesses durch Gottesurteil. Es ist nicht verwunderlich, dass die Hebräer und andere halbzivilisierte Stämme vor dreitausend Jahren solch primitive Techniken der Urteilsfindung praktizierten, aber es ist höchst erstaunlich, dass denkende Menschen später solche Überreste von Barbarentum auf den Seiten einer Sammlung heiliger Schriften stehen ließen. Überlegtes Denken sollte klarmachen, dass kein göttliches Wesen jemals irdischen Menschen im Zusammenhang mit Aufklärung und Verurteilung vermuteter ehelicher Untreue derart ungerechte Anweisungen gab. Schon früh machten sich die Gesellschaft die heimzahlende Art der Vergeltung zu Eigen: Auge für Auge, Leben für Leben. Die in Entwicklung begriffenen Stämme erkannten alle dieses Recht auf Blutrache an. Rache wurde das Ziel primitiven Lebens, aber die Religion hat diese frühen Stammespraktiken seither stark verändert. Die Lehrer offenbarter Religion haben stets verkündet: "Die Rache ist mein, sagt der Herr." Das Töten aus Rache der früheren Zeiten war den heutigen Morden unter dem Vorwand des ungeschriebenen Gesetzes nicht sehr unähnlich. Selbstmord war eine gängige Art der Heimzahlung. Wenn jemand nicht in der Lage war, im Leben Rache zu nehmen, starb er im Glauben, dass er als Geist zurückkehren und seinen Grimm an seinem Feind auslassen könne. Und da dieser Glaube allgemein verbreitet war, genügte es, einem Feind auf dessen Türschwelle einen Selbstmord anzudrohen, um ihn zum Einlenken zu bewegen. Dem primitiven Menschen galt das Leben nicht viel; Selbstmorde aus nichtigen Anlässen waren allgemein üblich, aber die Lehren der Dalamatianer drängten diese Sitte zurück, während sich in jüngerer Zeit Muße, Komfort, Religion und Philosophie verbündet haben, um das Leben leichter und begehrenswerter zu machen. Hungerstreiks sind indessen eine moderne Entsprechung dieser alten Vergeltungsmethoden. Eine der frühesten Formulierungen fortgeschrittenen Stammesrechts betraf die Behandlung einer Blutfehde als eine Stammesangelegenheit. Aber so seltsam es klingt, auch dann noch konnte ein Mann seine Frau unter der Voraussetzung, dass er für sie ganz bezahlt hatte, ungestraft töten. Die heutigen Eskimos indessen lassen immer noch die geschädigte Familie die Strafe für ein Verbrechen, sogar für einen Mord, bestimmen und vollziehen. Ein anderer Fortschritt war die Auferlegung von Bußen für Tabuverletzungen, die Erteilung von Strafen. Diese Bußen bildeten die ersten öffentlichen Einkünfte. Auch die Praxis der Bezahlung von "Blutgeld" als Ersatz für Blutrache kam auf. Solcher Schadensersatz bestand gewöhnlich aus Frauen oder aus Vieh; es dauerte lange, bis wirkliche Bußen, finanzielle Wiedergutmachung, als Strafe für Verbrechen auferlegt wurden. Und da man unter Strafe im Wesentlichen Ersatz verstand, erlangte schließlich alles, das menschliche Leben inbegriffen, einen Preis, den man als Schadensersatz bezahlen konnte. Die Hebräer waren die ersten, die die Praxis, Blutgeld zu bezahlen, abschafften. Moses lehrte, sie sollten "für das Leben eines der Tötung schuldigen Mörders keine Genugtuungssumme annehmen; er muss unfehlbar hingerichtet werden". Justiz wurde also zuerst durch die Familie ausgeübt, dann durch den Klan und später durch den Stamm. Wahre Rechtsprechung gibt es von dem Augenblick an, da die Racheübung aus den Händen privater und blutsverwandter Gruppen genommen und in diejenigen der gesellschaftlichen Gruppe, des Staates, gelegt wird. Die Strafe der Verbrennung bei lebendigem Leibe wurde einst allgemein geübt. Sie wurde von vielen alten Lenkern, einschließlich Hammurabis und Mose, gebilligt, wobei der letztere verfügte, dass viele Verbrechen, insbesondere solche von schwerer sexueller Natur, mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen zu ahnden seien. Wenn "die Tochter eines Priesters" oder eines anderen führenden Bürgers sich öffentlich prostituierte, pflegten die Hebräer sie "im Feuer zu verbrennen". Verrat - die Tatsache, einen eigenen Stammesangehörigen zu "verkaufen" oder zu verraten - war das größte Kapitalverbrechen. Viehdiebstahl wurde überall summarisch mit dem Tode bestraft, und noch bis vor kurzem wurde Pferdediebstahl in dieser Weise geahndet. Aber mit der Zeit lernte man, dass die Strenge der Bestrafung ein weniger wirksames Abschreckungsmittel gegen Verbrechen darstellt als ihre Gewissheit und Promptheit. Wenn die Gesellschaft es unterlässt, Verbrechen zu bestrafen, bekundet sich der Gruppengroll gewöhnlich in der Lynchjustiz; die Errichtung von Heiligtümern war ein Mittel, sich diesem plötzlichen Gruppenzorn zu entziehen. Lynchen und Duellieren sind Ausdruck der Weigerung des Einzelnen, die Beilegung privater Konflikte dem Staat zu überlassen. ***** 70.11 Gesetze und Gerichte ***** Es ist fast ebenso schwierig, zwischen Sitte und Gesetz scharfe Trennlinien zu ziehen, wie festzustellen, wann genau bei der Morgendämmerung auf die Nacht der Tag folgt. Die Sitten sind im Werden begriffene Gesetze und Polizeiregeln. Wenn die nicht näher bestimmten Sitten seit langem gültig sind, neigen sie dazu, sich in genauen Gesetzen, klaren Regelungen und wohldefinierten sozia-len Konventionen zu verfestigen. Das Gesetz ist am Anfang immer negativ und prohibitiv; in vorrückenden Zivilisationen wird es zunehmend positiv und richtungweisend. Die frühe Gesellschaft ging negativ vor, wenn sie dem Einzelnen das Recht auf das Leben dadurch sicherte, dass sie allen anderen das Gebot "du sollst nicht töten" auferlegte. Jedes Zugeständnis von Rechten oder Freiheiten an den Einzelnen bedeutet die Beschneidung der Freiheiten aller anderen, und das wird durch das Tabu, das primitive Gesetz, erreicht. Die ganze Idee des Tabus ist ihrer Natur nach negativ, denn die primitive Gesellschaft war in ihrer Organisation gänzlich negativ, und das frühe Gerichtswesen beruhte auf der Durchsetzung der Tabus. Aber ursprünglich fanden diese Gesetze nur im Stammesverband Anwendung, wie am Beispiel der späteren Hebräer deutlich wird, die im Umgang mit Nichtjuden andere ethische Regeln hatten. Der Schwur entsprang in den Tagen Dalamatias dem Bemühen, die Aussagen wahrhaftiger zu machen. Diese Schwüre bestanden darin, gegen sich selber eine Verwünschung auszustoßen. Zuvor pflegte nie jemand gegen die Gruppe auszusagen, in der er geboren war. Als Verbrechen galt ein Angriff auf die Stammessitten, während Sünde die Übertretung jener Tabus war, die sich der Zustimmung der Geister erfreuten, und es herrschte lange Zeit Verwirrung, weil Verbrechen und Sünde nicht auseinander gehalten werden konnten. Eigeninteresse belegte das Töten mit Tabu, die Gesellschaft heiligte das Tabu als überlieferte Sitte, während die Religion den Brauch als sittliches Gesetz absegnete. Und so wirkten alle drei zusammen, um das menschliche Leben sicherer und heiliger zu machen. Die Gesellschaft hätte in der Frühzeit nicht zusammenhalten können, wenn die Rechte nicht die Sanktionierung durch die Religion erfahren hätten; Aberglaube war die sittliche und gesellschaftliche Polizeigewalt der langen evolutionären Zeitalter. Die Alten behaupteten alle, dass ihre ehrwürdigen Gesetze, die Tabus, ihren Vorfahren von den Göttern gegeben worden seien. Das Gesetz ist eine kodifizierte Niederschrift einer langen menschlichen Erfahrung, eine kristallisierte und legalisierte öffentliche Meinung. Die Sitten waren das Rohmaterial angehäufter Erfahrung, aufgrund dessen führende Köpfe die geschriebenen Gesetze formulierten. Der einstige Richter kannte keine Gesetze. Wenn er ein Urteil verkündete, sagte er einfach: "Der Brauch will es so." Der Bezug auf frühere Gerichtsentscheide stellt das Bemühen von Richtern dar, die geschriebenen Gesetze den wechselnden Bedingungen der Gesellschaft anzupassen. Das sorgt für eine fortwährende Anpassung an die sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der beeindruckenden traditionellen Kontinuität. Bei Streit um Besitz wurde in mancherlei Weise verfahren wie z. B.: 1. Durch Vernichtung des strittigen Besitzes. 2. Durch Gewalt - die Streitenden entschieden im Kampf. 3. Durch Schiedsspruch - eine dritte Partei entschied. 4. Durch Anrufung der Ältesten - später der Gerichte. Die ersten Gerichte waren geregelte Faustkämpfe; die Richter waren nur unparteiische Schiedsrichter. Sie stellten sicher, dass der Kampf nach anerkannten Regeln ausgetragen wurde. Vor Beginn eines solchen Gerichtskampfes hinterlegte jede Partei beim Richter etwas, um die Bezahlung der Kosten und der Buße durch den Verlierer sicherzustellen. "Immer noch war die Macht das Recht." Später wurden die physischen Schläge durch Streitgespräche ersetzt. Die ganze Idee primitiver Justiz beruhte nicht so sehr auf der Suche nach Gerechtigkeit als vielmehr auf dem Bedürfnis, die Auseinandersetzung unter Kontrolle zu behalten und so öffentliche Unordnung und private Gewalt zu vermeiden. Aber der primitive Mensch empfand das, was man heute als Ungerechtigkeit ansehen würde, nicht so sehr; man setzte als selbstverständlich voraus, dass diejenigen, die über Macht verfügten, sie eigennützig einsetzen würden. Nichtsdestoweniger kann der Stand einer Zivilisation sehr genau an der Gründlichkeit und Gerechtigkeit ihrer Gerichte und an der Integrität ihrer Richter abgelesen werden. ***** 70.12 Erteilung ziviler Autorität ***** Der große Kampf bei der Entwicklung der Regierung war ein Kampf um die Konzentration von Macht. Die Universumsverwalter haben aus Erfahrung gelernt, dass die beste Ordnung für die evolutionären Völker auf den bewohnten Welten der repräsentative Typ einer zivilen Regierung ist, wenn darin eine angemessene Machtbalance zwischen den gut koordinierten Exekutiv-, Legislativ- und Justizzweigen aufrechterhalten wird. Während die primitive Autorität auf Kraft, auf physischer Macht beruhte, ist die ideale Regierung das repräsentative System, in welchem die Führung auf Fähigkeit beruht, aber in den Tagen des Barbarentums gab es ganz einfach zu viel Krieg, um die wirksame Funktionsweise einer repräsentativen Regierung zu erlauben. Im langen Kampf zwischen Autoritätsteilung und einheitlichem Befehl gewann der Diktator. Die frühen und unbestimmten Machtbefugnisse der primitiven Ältestenräte konzentrierten sich allmählich in der Person des absoluten Monarchen. Nach dem Auftreten wirklicher Könige bestanden die Ältestenräte als so etwas wie beratende gesetzgeberisch-juristische Körperschaften weiter; später erschienen gesetzgebende Versammlungen mit koordiniertem Status, und schließlich wurden von diesen unabhängige höchste Gerichtshöfe geschaffen. Der König war der Vollstrecker der Sitten, des ursprünglichen oder ungeschriebenen Gesetzes. Später setzte er die gesetzlichen Erlasse - die Kristallisation der öffentlichen Meinung - durch. Eine Volksversammlung als Ausdruck der öffentlichen Meinung, obwohl nur langsam in Erscheinung tretend, bedeutete einen großen sozialen Fortschritt. Die frühen Könige wurden durch die Sitten - durch Tradition oder öffentliche Meinung - sehr eingeschränkt. In neuerer Zeit haben einige Nationen Urantias diese Sitten als Grundlage für das Regieren urkundlich kodifiziert. Die Sterblichen Urantias haben ein Anrecht auf Freiheit; sie sollten ihre eigenen Regierungssysteme schaffen; sie sollten ihre eigenen Verfassungen oder andere Charten ziviler Autorität und administrativen Vorgehens annehmen. Und danach sollten sie die Fähigsten und Wertvollsten aus ihren Reihen zu Regierungschefs bestimmen. Als Abgeordnete in den gesetzgebenden Zweig sollten sie nur solche wählen, die die intellektuellen und sittlichen Voraussetzungen mitbringen, um derart geheiligte Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Und als Richter sollten an ihre hohen und höchsten Gerichtshöfe nur solche berufen werden, die eine natürliche Begabung dazu besitzen und welche reiche Erfahrung weise gemacht hat. Wenn die Menschen ihre Freiheit bewahren wollen, müssen sie, nachdem sie ihre Freiheitscharta gewählt haben, für deren weise, intelligente und furchtlose Interpretation sorgen, damit vermieden werden können: 1. Usurpation ungerechtfertigter Macht durch den Exekutiv- oder Legislativzweig. 2. Machenschaften unwissender und abergläubischer Agitatoren. 3. Verzögerung des wissenschaftlichen Fortschritts. 4. Die Sackgasse einer Herrschaft der Mittelmäßigkeit. 5. Beherrschung durch verderbte Minderheiten. 6. Kontrolle durch ehrgeizige und gerissene Möchtegern-Diktatoren. 7. Verheerende Panikausbrüche. 8. Ausbeutung durch Skrupellose. 9. Steuerliche Versklavung der Bürgerschaft durch den Staat. 10. Fehlen sozialer und wirtschaftlicher Fairness. 11. Einheit von Kirche und Staat. 12. Verlust der persönlichen Freiheit. Das sind die Aufgaben und Zielsetzungen von Verfassungsgerichten, die auf einer evolutionären Welt regelnd in das Räderwerk der repräsentativen Regierung eingreifen. Der Kampf der Menschheit für eine bessere Regierung auf Urantia steht im Zusammenhang mit einer Vervollkommnung der Verwaltungswege, mit deren Anpassung an die stets wechselnden laufenden Bedürfnisse, mit einer besseren Machtverteilung in der Regierung und schließlich mit der Wahl wahrhaft weiser administrativer Führer. Wohl gibt es eine göttliche und ideale Regierungsform, aber sie kann nicht offenbart werden, sondern muss auf jedem Planeten aller Zeit-Raum-Universen von Männern und Frauen in langsamer und mühsamer Arbeit entdeckt werden. [Dargeboten von einem Melchisedek Nebadons.] ****** Kapitel 71 Die Entwicklung des Staates ****** DER Staat ist eine nützliche Entwicklung der Zivilisation; er stellt den eindeutigen Gewinn dar, den die Gesellschaft aus den Verwüstungen und Leiden des Krieges gezogen hat. Sogar die Staatskunst ist nur die angesammelte Technik zur Harmonisierung des wetteifernden Kräftemessens zwischen streitenden Stämmen und Nationen. Der moderne Staat ist die Institution, die im langen Ringen um Gruppenmacht überlebt hat. Die überlegene Macht hat schließlich obsiegt und ein Tatsachengeschöpf - den Staat - hervorgebracht, zusammen mit dem sittlichen Mythos der absoluten Verpflichtung des Bürgers, für den Staat zu leben und zu sterben. Aber der Staat ist nicht göttlichen Ursprungs; er ist nicht einmal das Produkt eines intelligenten menschlichen Willensaktes; er ist eine rein evolutionäre Institution und hatte eine ganz und gar automatische Entstehung. ***** 71.1 Der embryonale Staat ***** Der Staat ist eine territoriale, soziale, regulierende Organisation, und der stärkste, leistungsfähigste und dauerhafteste Staat besteht aus einer einzigen Nation, deren Menschen dieselbe Sprache sprechen und gemeinsame Sitten und Institutionen haben. Die frühen Staaten waren klein, und alle waren das Ergebnis von Eroberungen. Sie entstanden nicht aus freiwilligen Zusammenschlüssen. Viele von ihnen wurden durch nomadisierende Eroberer gegründet, die über friedliche Hirten oder sesshafte Ackerbauer herfielen und sie überwältigten und versklavten. Solche aus Eroberungen hervorgegangene Staaten hatten zwangsläufig eine geschichtete Bevölkerung; unvermeidlich ergaben sich Klassen, und Klassenkämpfe sind immer selektiv gewesen. Die nördlichen Stämme der amerikanischen roten Menschen brachten es nie bis zu einem wirklichen Staatsgebilde. Sie überschritten nie eine lockere Stammeskonföderation, eine sehr primitive Staatsform. Einem Staat am nächsten kamen die konföderierten Irokesen, aber diese aus sechs Nationen bestehende Gruppe funktionierte nie ganz wie ein Staat und überlebte nicht, weil ihr gewisse für das moderne nationale Leben unerlässliche Dinge fehlten wie z. B.: 1. Erwerb und Vererbung von Privatbesitz. 2. Städte plus Landwirtschaft und Industrie. 3. Nützliche Haustiere. 4. Eine praktische Familienorganisation. Die roten Menschen hielten an der Mutterfamilie und Neffenvererbung fest. 5. Ein abgegrenztes Territorium. 6. Ein starkes regierendes Oberhaupt. 7. Versklavung Gefangener - sie adoptierten sie oder brachten sie um. 8. Entscheidende Eroberungen. Die roten Menschen waren zu demokratisch; sie hatten eine gute Regierung, aber sie scheiterte. Sie hätten mit der Zeit einen Staat entwickelt, wären sie nicht verfrüht der fortgeschritteneren Zivilisation der weißen Menschen begegnet, die die Regierungsmethoden der Griechen und Römer weiterführten. Die Grundlagen des erfolgreichen römischen Staates waren: 1. Die Vaterfamilie. 2. Landwirtschaft und Tierdomestizierung. 3. Bevölkerungskonzentration - Städte. 4. Privatbesitz, Landbesitz. 5. Sklaverei - Klassen von Staatsangehörigen. 6. Eroberung und Reorganisation schwacher und rückständiger Völker. 7. Ein abgegrenztes Territorium mit Straßen. 8. Persönliche und starke Herrscher. Die große Schwäche der römischen Zivilisation und ein Faktor des schließlichen Zusammenbruchs des Imperiums war die angeblich liberale und fortschrittliche Maßnahme der Emanzipierung der Jünglinge mit einundzwanzig und die bedingungslose Entlassung der Mädchen, die nun die Freiheit hatten, einen Mann ihrer Wahl zu heiraten oder im Land herumzuziehen und zu verkommen. Der Schaden erwuchs der Gesellschaft nicht so sehr aus den Reformen selber als vielmehr aus der Plötzlichkeit und umfassenden Weise ihrer Einführung. Der Zusammenbruch Roms zeigt, was erwartet werden kann, wenn sich ein Staat bei gleichzeitiger innerer Degeneration zu rasch ausdehnt. Der embryonale Staat wurde möglich durch den Rückgang der Blutsbande zugunsten der territorialen Bande, und solche Stammeszusammenschlüsse wurden gewöhnlich durch Eroberungen fest zementiert. Obwohl eine Souveränität, die über alle kleineren Kämpfe und Gruppendifferenzen hinausgeht, das Charakteristikum eines wahren Staates ist, so leben doch in den späteren Staatsorganisationen viele Klassen und Kasten als Überbleibsel der Klane und Stämme früherer Zeiten fort. Die späteren größeren Territorialstaaten hatten einen langen und erbitterten Kampf gegen diese kleineren blutsverwandten Klangruppen zu führen, wobei sich die Stammesregierung als nützlicher Übergang von der Familien- zur Staatsautorität erwies. In späteren Zeiten gingen viele Klane aus Handel und sonstigen industriellen Vereinigungen hervor. Das Scheitern staatlicher Integration hat einen Rückfall in die Regierungstechniken vorstaatlicher Zustände - wie den Feudalismus des europäischen Mittelalters - zur Folge. In jenem dunklen Zeitalter war der Territorialstaat zusammengebrochen, und es gab eine Rückkehr zu den kleinen, um Schlösser gruppierten Einheiten, ein neuerliches Erscheinen der Entwicklungsstadien von Klanen und Stämmen. Vergleichbare Halbstaaten existieren jetzt in Asien und Afrika, aber nicht alle von ihnen stellen evolutionäre Rückschritte dar; viele sind die embryonalen Kerne künftiger Staaten. ***** 71.2 Die Evolution der repräsentativen Regierung ***** Die Demokratie, obwohl ein Ideal, ist ein Produkt der Zivilisation, nicht der Evolution. Geht langsam vorwärts! Wählt sorgfältig aus! Denn die Gefahren der Demokratie sind: 1. Glorifizierung der Mittelmäßigkeit. 2. Wahl minderwertiger und ignoranter Regierender. 3. Unvermögen, die grundlegenden Tatsachen der gesellschaftlichen Entwicklung zu erkennen. 4. Gefahr des allgemeinen Stimmrechts in den Händen ungebildeter und indolenter Mehrheiten. 5. Sklavische Haltung gegenüber der öffentlichen Meinung; die Mehrheit hat nicht immer recht. Die öffentliche Meinung, die allgemeine Meinung, hat die Gesellschaft immer aufgehalten; sie ist aber trotzdem nützlich, denn obwohl sie die soziale Entwicklung verlangsamt, bewahrt sie die Zivilisation. Erziehung der öffentlichen Meinung ist die einzig sichere und wahre Methode, um die Zivilisation zu beschleunigen; Gewalt ist nur ein zeitweiliger Notbehelf, und das kulturelle Wachstum wird sich in dem Maße, wie Gewehrkugeln durch Stimmzettel abgelöst werden, immer mehr beschleunigen. Die öffentliche Meinung, die Sitten, sind die grundlegende und wesentliche Energie der gesellschaftlichen Evolution und staatlichen Entwicklung, aber um staatstragenden Wert zu haben, muss ihr Ausdruck gewaltlos sein. Das Maß des gesellschaftlichen Fortschritts wird direkt bestimmt durch den Grad, in dem die öffentliche Meinung persönliches Verhalten und staatliches Funktionieren ohne Gewaltanwendung kontrollieren kann. Die wirklich zivilisierte Regierung war gekommen, als die öffentliche Meinung mit den Machtbefugnissen des persönlichen Wahlrechts ausgestattet wurde. Volkswahlen entscheiden vielleicht nicht immer im richtigen Sinn, aber sie stellen den richtigen Weg dar, sogar etwas Falsches zu tun. Die Evolution bringt nicht plötzlich höchste Vollkommenheit hervor, sondern eher eine vergleichsweise fortschrittliche praktische Anpassung. Es gibt bei der Evolution einer praktischen und wirksamen repräsentativen Regierungsform zehn Schritte oder Stadien, nämlich: 1. Freiheit der Person. Sklaverei, Leibeigenschaft und alle Formen von menschlicher Hörigkeit müssen verschwinden. 2. Gedankenfreiheit. Solange ein freies Volk nicht gebildet ist - nicht gelehrt worden ist, intelligent zu denken und weise zu planen - richtet Freiheit im Allgemeinen mehr Unheil als Gutes an. 3. Die Herrschaft des Gesetzes. Ein Volk kann sich der Freiheit nur erfreuen, wenn Wille und Launen menschlicher Herrscher durch gesetzgeberische Erlasse ersetzt worden sind, die mit dem akzeptierten Grundgesetz im Einklang stehen. 4. Redefreiheit. Eine repräsentative Regierung ist undenkbar, solange sich nicht alle Arten menschlicher Bestrebungen und Meinungen in Freiheit ausdrücken können. 5. Sicherheit des Besitzes. Keine Regierung kann sich lange halten, wenn sie nicht für das Recht des Bürgers sorgt, sich irgendeiner Form persönlichen Besitzes zu erfreuen. Der Mensch wünscht sich sehnlichst das Recht, seinen persönlichen Besitz zu gebrauchen, zu verwalten, zu verschenken, zu verkaufen, zu vermieten und zu vererben. 6. Das Petitionsrecht. Eine repräsentative Regierung garantiert das Recht des Bürgers, angehört zu werden. Das Petitionsprivileg gehört untrennbar zur freien Staatsbürgerschaft. 7. Das Recht zu regieren. Es genügt nicht, angehört zu werden; das Petitionsrecht muss sich weiterentwickeln bis zur eigentlichen Regierungsführung. 8. Allgemeines Stimmrecht. Die repräsentative Regierung setzt eine intelligente, effiziente und allgemeine Wählerschaft voraus. Der Charakter einer solchen Regierung wird immer durch Charakter und Format ihrer Mitglieder geprägt sein. Mit dem Fortschritt der Zivilisation wird das Stimmrecht zwar für beide Geschlechter allgemein bleiben, aber wirkungsvoll abgeändert, umgruppiert und auf andere Weise differenziert werden. 9. Kontrolle der Staatsbeamten. Keine Zivilregierung wird leistungsfähig und wirksam sein, wenn die Bürger nicht weise Techniken zur Führung und Kontrolle der staatlichen Amtsinhaber und Angestellten besitzen und anwenden. 10. Intelligente und geschulte Volksvertreter. Das Fortleben der Demokratie hängt von einer erfolgreichen repräsentativen Regierung ab; und die Bedingung dazu ist die Praxis, nur solche Persönlichkeiten in öffentliche Ämter zu wählen, die technisch geschult, intellektuell qualifiziert, der Gesellschaft gegenüber loyal und sittlich würdig sind. Nur unter solchen Voraussetzungen kann sich die Regierung eines Volkes - die durch das Volk und für das Volk regiert - halten. ***** 71.3 Die Ideale des Staates ***** Die politische oder administrative Form einer Regierung ist von geringer Bedeutung, vorausgesetzt sie bietet das Wesentliche für zivilen Fortschritt: Freiheit, Sicherheit, Bildung und gesellschaftliche Koordination. Nicht was ein Staat ist, sondern was er tut, bestimmt den Lauf der gesellschaftlichen Evolution. Und letztenendes kann kein Staat über die sittlichen Werte seiner Bürger hinausgehen, wie sie in deren gewählten Führern zum Ausdruck kommen. Unwissenheit und Selbstsucht werden mit Sicherheit den Sturz auch einer Regierung des höchsten Typs herbeiführen. So sehr dies auch zu bedauern ist, so war doch nationale Selbstüberhebung für das Überleben der Gesellschaft wesentlich. Die Doktrin vom auserwählten Volk war bis in die neueste Zeit ein Hauptfaktor für das Zusammenschweißen der Stämme und die Errichtung von Nationen. Aber kein Staat kann Stufen idealen Funktionierens erreichen, bevor nicht jede Form von Intoleranz überwunden ist; diese ist menschlichem Fortschritt ewig Feind. Und Intoleranz wird am besten durch eine Koordination von Wissenschaft, Handel, Spiel und Religion bekämpft. Der ideale Staat funktioniert unter dem Antrieb von drei mächtigen und koordinierten Kräften: 1. Liebe und Treue, die aus der Bewusstwerdung der menschlichen Bruderschaft fließen. 2. Intelligenter Patriotismus, der auf weisen Idealen beruht. 3. Kosmische Erkenntnis in ihrer Anwendung auf planetarische Fakten, Bedürfnisse und Ziele. Der Gesetze des Idealstaates sind nicht viele, und sie sind aus dem verneinenden Tabuzeitalter übergegangen in eine Ära des bejahenden Fortschritts individueller Freiheit, die aus größerer Selbstbeherrschung erwächst. Der hoch stehende Staat zwingt seine Bürger nicht nur zur Arbeit, sondern verlockt sie auch zu nützlichem und stimulierendem Gebrauch ihrer zunehmenden Freizeit dank dem fortschreitenden Maschinenzeitalter, das sie von drückender Arbeit befreit. Muße muss sowohl produzieren als auch konsumieren. Keine Gesellschaft hat es je sehr weit gebracht, wenn sie Müßiggang zugelassen oder Armut geduldet hat. Aber Armut und Abhängigkeit können nie zum Verschwinden gebracht werden, solange die geschädigten und degenerierten Bevölkerungsteile großzügig unterhalten werden und man ihnen erlaubt, sich ungehemmt fortzupflanzen. Das Ziel einer sittlichen Gesellschaft sollte sein, die Selbstachtung ihrer Bürger zu bewahren und jedem normalen Einzelnen eine passende Gelegenheit zur Selbstverwirklichung zu verschaffen. Solch ein Plan sozialer Erfüllung würde eine kulturelle Gesellschaft höchster Art hervorbringen. Die soziale Entwicklung sollte von der Regierung ermutigt und unter Ausübung eines Minimums an regelnder Lenkung überwacht werden. Der beste Staat ist derjenige, der am meisten koordiniert und am wenigsten regiert. Die Staatsideale müssen durch Evolution erreicht werden, durch das langsame Wachstum staatsbürgerlichen Bewusstseins, durch die Anerkennung der Pflicht und des Vorrechts sozialen Dienens. Nach dem Ende der Verwaltung durch politische Plünderer nehmen die Menschen die Regierungslast zuerst als eine Pflicht auf sich, aber später streben sie nach solch einem Amt als einem Privileg, als höchster Ehre. Der Status irgendeiner Zivilisationsstufe spiegelt sich getreulich im Format der Bürger wider, die freiwillig die Verantwortung im Staat übernehmen. In einem richtigen Gemeinwesen wird das Regieren von Städten und Provinzen durch Sachverständige besorgt und genauso wie alle anderen Formen wirtschaftlicher oder geschäftlicher menschlicher Zusammenschlüsse gehandhabt. In fortgeschrittenen Staaten gilt der politische Dienst als höchste Form der Hingabe des Bürgers. Der größte Ehrgeiz der weisesten und edelsten Bürger ist darauf gerichtet, zivile Anerkennung zu gewinnen, um durch Wahl oder Ernennung irgendeinen Vertrauensposten in der Regierung zu erhalten, und solche Regierungen zeichnen ihre zivilen und sozialen Diener in Anerkennung geleisteter Dienste mit den höchsten Ehren aus. Erst nach ihnen werden mit Ehrungen in dieser Reihenfolge bedacht: die Philosophen, Erzieher, Wissenschaftler, Industriellen und die Militärpersonen. Die Eltern werden gebührend belohnt durch die Vortrefflichkeit ihrer Kinder, und die rein religiösen Führer, Botschafter eines geistigen Reichs, erhalten ihre wahre Belohnung in einer anderen Welt. ***** 71.4 Die fortschreitende Zivilisation ***** Wirtschaft, Gesellschaft und Regierung müssen sich weiterentwickeln, wenn sie Bestand haben wollen. Auf einer evolutionären Welt sind statische Zustände ein Zeichen des Niedergangs; nur jene Institutionen sind von Dauer, die sich mit dem evolutionären Strom vorwärts bewegen. Das Fortschrittsprogramm einer in Expansion begriffenen Zivilisation umfasst: 1. Bewahrung der individuellen Freiheiten. 2. Schutz des Heims. 3. Verstärkung der wirtschaftlichen Sicherheit. 4. Krankheitsverhütung. 5. Obligatorische Erziehung. 6. Obligatorische Beschäftigung. 7. Nützliche Verwendung der Freizeit. 8. Betreuung der Unglücklichen. 9. Verbesserung der Rasse. 10. Förderung von Wissenschaft und Kunst. 11. Förderung der Philosophie - der Weisheit. 12. Zunahme kosmischer Erkenntnis - der Geistigkeit. Und solch ein Fortschritt in den Leistungen der Zivilisation führt direkt zur Erfüllung der höchsten menschlichen und göttlichen Ziele irdischen Strebens - zur gesellschaftlichen Verwirklichung der Brüderlichkeit unter den Menschen und zum persönlichen Status der Gottesbewusstheit, die sich im höchsten Verlangen jedes Einzelnen äußert, den Willen des Vaters im Himmel zu tun. Das Erscheinen echter Brüderlichkeit bedeutet, dass eine gesellschaftliche Ordnung eingetreten ist, in der alle Menschen freudig einer des anderen Bürde tragen und wirklich wünschen, nach der goldenen Regel zu leben. Aber solch eine ideale Gesellschaft kann nicht verwirklicht werden, solange die Schwachen und Bösartigen nur darauf warten, auf unfaire und ruchlose Art jene zu übervorteilen, die hauptsächlich durch hingebungsvollen Dienst an Wahrheit, Schönheit und Güte bewegt werden. In einer solchen Situation kann es nur eine Art praktischen Vorgehens geben: Die "Anhänger der goldenen Regel" sind frei, eine fortschrittliche Gesellschaft zu gründen, in der sie ihren Idealen gemäß leben, wobei sie aber eine passende Verteidigung gegen ihre geistig verfinsterten Mitmenschen aufrechterhalten müssen, die etwa ihre Vorliebe für den Frieden ausnutzen oder ihre fortschreitende Zivilisation zerstören möchten. Idealismus kann auf einem sich entwickelnden Planeten niemals überleben, wenn die Idealisten jeder Generation es zulassen, durch die tieferstehenden Elemente der Menschheit ausgerottet zu werden. Und hierin besteht der große Test des Idealismus: Kann eine fortgeschrittene Gesellschaft jenen militärischen Bereitschaftsgrad aufrechterhalten, der sie vor jedem Angriff durch ihre kriegsliebenden Nachbarn sicher macht, ohne der Versuchung zu erliegen, diese militärische Stärke zu eigennützigem Gewinn oder nationaler Verherrlichung für offensive Operationen gegen andere Völker einzusetzen? Nationales Überleben verlangt Bereitschaft, und allein religiöser Idealismus kann verhindern, dass Bereitschaft zu Angriff missbraucht wird. Nur Liebe, Brüderlichkeit kann den Starken davon abhalten, den Schwachen zu unterdrücken. ***** 71.5 Die Entwicklung des Wettbewerbs ***** Wettbewerb ist für sozialen Fortschritt wesentlich, aber wenn er nicht geregelt wird, gebiert er Gewalttätigkeit. In der gegenwärtigen Gesellschaft ersetzt der Wettbewerb allmählich den Krieg, indem er den Platz des Einzelnen in der Industrie bestimmt und über das Fortleben der Industrien selber entscheidet. (Mord und Krieg nehmen in den Sitten eine unterschiedliche Stellung ein, indem Mord seit den frühesten Tagen der Gesellschaft als ungesetzlich galt, während Krieg durch die Menschheit als Ganzes noch nie geächtet worden ist). Der ideale Staat unternimmt es, das gesellschaftliche Verhalten nur gerade so weit zu steuern, dass die Gewalt aus dem individuellen Wettbewerb verschwindet und auf persönlicher Initiative beruhende Ungerechtigkeiten verhindert werden. Und hier stellt sich der Staatsführung ein großes Problem: Wie kann man der Industrie Frieden und Ruhe garantieren, Steuern zum Unterhalt der Staatsmacht erheben und gleichzeitig vermeiden, dass ebendiese Besteuerung die Industrie behindert, und den Staat davor bewahren, parasitisch oder tyrannisch zu werden? Auf jeder Welt ist während der früheren Zeitalter der Wettbewerb für den Fortschritt der Zivilisation unerlässlich. Mit fortschreitender Evolution der Menschen wird Zusammenarbeit immer wirksamer. In fortgeschrittenen Zivilisationen ist Zusammenarbeit leistungsstärker als Wettbewerb. Die frühen Menschen werden durch den Wettbewerb stimuliert. Die frühe Evolution charakterisiert sich durch das Überleben der biologisch am besten Ausgerüsteten, aber spätere Zivilisationen werden eher durch intelligente Zusammenarbeit, verstehende Brüderlichkeit und geistige Bruderschaft gefördert. Der industrielle Wettbewerb ist zugegebenermaßen äußerst verschwenderisch und höchst ineffizient, aber keine Versuche, diesen wirtschaftlich verlustreichen Antrieb zu beseitigen, sollten ermutigt werden, wenn derartige Anpassungen auch nur die geringste Schmälerung irgendeiner der individuellen Grundfreiheiten nötig machen sollten. ***** 71.6 Das Gewinnmotiv ***** Die heutige, vom Gewinn diktierte Wirtschaft ist dem Untergang geweiht, es sei denn, zu den Beweggründen des Profits gesellten sich solche des Dienstes. Unbarmherziger Wettbewerb, der auf engstirnigem Eigennutz beruht, zerstört letztenendes sogar all das, was er zu erhalten sucht. Ausschließliche und eigennützige Gewinnmotivation ist mit christlichen Idealen nicht zu vereinbaren - und noch viel weniger mit den Lehren Jesu. In der Wirtschaft verhält sich Gewinnmotivierung zu Dienstmotivierung wie Furcht zu Liebe in der Religion. Aber das Gewinnmotiv darf nicht plötzlich zerstört oder beiseite geschoben werden; es sorgt dafür, dass viele ansonsten träge Sterbliche hart arbeiten. Es ist indessen nicht nötig, dass dieser gesellschaftliche Energieankurbler in seinen Zielsetzungen für immer selbstsüchtig bleibe. Das Gewinnmotiv bei wirtschaftlichen Aktivitäten ist im Ganzen gesehen niedrig und einer fortgeschrittenen Gesellschaftsordnung völlig unwürdig; trotzdem ist es während der früheren Zivilisationsphasen ein unentbehrlicher Faktor. Man darf den Menschen das Motiv des Gewinns nicht wegnehmen, bevor nicht Motive wirtschaftlichen Strebens und sozialen Dienstes einer höheren Art, die keinen Gewinn abwerfen, ihr fester Besitz geworden sind - das transzendente Verlangen nach höchster Weisheit, faszinierender Brüderlichkeit und hohem geistigen Vollbringen. ***** 71.7 Erziehung ***** Ein dauerhafter Staat gründet auf Kultur, er wird durch Ideale beherrscht, und sein Beweggrund ist Dienen. Das Ziel der Erziehung sollte sein: Erwerb von Fertigkeiten, Suche nach Weisheit, Verwirklichung seiner selbst und Erreichen geistiger Werte. Im Idealstaat währt die Erziehung lebenslang, und die Philosophie wird manchmal zur Hauptbeschäftigung seiner Bürger. Die Bürger eines solchen Staatswesens bemühen sich um Weisheit durch Vertiefung ihrer Erkenntnis des Sinns menschlicher Beziehungen, der Bedeutungen der Realität, der Erhabenheit der Werte, der Ziele des Lebens und der Herrlichkeiten kosmischer Bestimmung. Die Bewohner Urantias sollten eine Vision von einer neuen und höheren kulturellen Gesellschaft empfangen. Die Erziehung wird einen Sprung auf neue Wertebenen machen, wenn das rein durch Profit motivierte Wirtschaftssystem vergeht. Die Erziehung war zu lange lokal gefärbt, militaristisch, ichbetont und erfolgsorientiert; sie muss letztendlich weltumspannend, idealistisch werden, Selbstverwirklichung anstreben und in den Kosmos ausgreifen. Die Erziehung ist kürzlich aus den Händen des Klerus in jene von Juristen und Geschäftsleuten übergegangen. Sie muss schließlich den Philosophen und den Wissenschaftlern übergeben werden. Lehrer müssen freie Wesen, wirkliche Führer sein, damit die Philosophie, die Suche nach Weisheit, zum Hauptanliegen der Erziehung werden kann. Die Erziehung ist die Aufgabe des Lebens überhaupt; sie muss während des ganzen Lebens weitergehen, damit die Menschheit allmählich die Erfahrung der aufsteigenden Stufen irdischer Weisheit machen kann, nämlich: 1. Das Wissen über Dinge. 2. Das Bewusstwerden von Bedeutungen. 3. Das Schätzen von Werten. 4. Die Vornehmheit der Arbeit - Pflicht. 5. Die Motivierung durch Ziele - Sittlichkeit. 6. Die Liebe zum Dienst - Charakter. 7. Kosmische Schau - geistiges Wahrnehmungsvermögen. Und dann werden viele dank dieser Leistungen bis zum Äußersten, was das Gemüt eines Sterblichen erreichen kann, bis zum Gottesbewusstsein aufsteigen. ***** 71.8 Das Wesen der Staatlichkeit ***** Der einzige heilige Wesenszug jeglicher menschlichen Regierung ist die Unterteilung der Staatlichkeit in die drei Bereiche exekutiver, legislativer und richterlicher Funktion. Das Universum wird gemäß einem solchen Plan der Trennung von Funktionen und Autorität verwaltet. Abgesehen von diesem göttlichen Konzept wirksamer gesellschaftlicher Regulierung oder ziviler Regierung ist es von geringer Bedeutung, für welche Form von Staat sich ein Volk entscheidet, solange die Bürgerschaft immer dem Ziel größerer Selbstbeherrschung und vermehrten sozialen Dienstes zustrebt. Intellektueller Scharfsinn, wirtschaftliche Weisheit, gesellschaftliches Geschick und sittliches Stehvermögen eines Volkes spiegeln sich alle getreulich in seinem Staatswesen wider. Die Entwicklung der Staatlichkeit erfordert stufenweise Fortschritte, nämlich folgende: 1. Die Schaffung einer dreigeteilten Regierung mit Exekutiv-, Legislativ- und Justizzweig. 2. Die Freiheit für gesellschaftliche, politische und religiöse Aktivitäten. 3. Die Abschaffung aller Formen von Sklaverei und menschlicher Hörigkeit. 4. Die Befugnis der Bürger, die Besteuerung zu kontrollieren. 5. Die Einführung universeller Erziehung - ein sich von der Wiege bis zum Grabe erstreckender Lernprozess. 6. Die richtige Abstimmung zwischen lokaler und nationaler Regierung. 7. Die Förderung der Wissenschaft und der Sieg über die Krankheiten. 8. Die gebührende Anerkennung der Geschlechtergleichheit und das koordinierte Wirken von Männern und Frauen in Heim, Schule und Kirche, mit einem besonderen Dienst der Frauen in Industrie und Regierung. 9. Die Eliminierung versklavender Arbeit durch die Erfindung von Maschinen und die daraus resultierende Beherrschung des Maschinenzeitalters. 10. Der Sieg über die Dialekte - der Triumph einer universellen Sprache. 11. Das Aufhören von Krieg - internationale Beilegung nationaler und rassischer Differenzen durch kontinentale Gerichte der Nationen, die von einem höchsten planetarischen Tribunal präsidiert werden. Dieses rekrutiert sich automatisch aus den periodisch abtretenden Vorstehern der kontinentalen Gerichte. Die kontinentalen Gerichte sind mit Vollmacht ausgestattet; der Weltgerichtshof hat beratende - moralische - Funktion. 12. Eine die ganze Welt erfassende Bewegung der Suche nach Weisheit - die hohe Verehrung der Philosophie. Die Evolution einer Weltreligion, Vorbote des Eintritts des Planeten in die früheren Phasen der Verankerung im Licht und Leben. Das sind die Voraussetzungen für eine progressive Regierung und die Merkmale idealer Staatlichkeit. Urantia ist von der Verwirklichung dieser hohen Ideale weit entfernt, aber die zivilisierten Rassen haben einen Anfang gemacht - die Menschheit ist unterwegs zu höheren evolutionären Bestimmungen. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 72 Die Regierung auf einem Nachbarplaneten ****** MIT Erlaubnis Lanaforges und Genehmigung der Allerhöchsten Edentias bin ich ermächtigt, etwas über das gesellschaftliche, sittliche und politische Leben der fortgeschrittensten Menschenrasse zu berichten, die auf einem nicht weit entfernten, zum System von Satania gehörenden Planeten lebt. Von allen Welten Satanias, die wegen Beteiligung an der Rebellion Luzifers isoliert wurden, hat dieser Planet eine Geschichte erlebt, die derjenigen von Urantia sehr verwandt ist. Die Ähnlichkeit der beiden Sphären erklärt zweifelsohne, weshalb die Genehmigung zu dieser außergewöhnlichen Darstellung erteilt worden ist, denn es ist höchst unüblich, dass die Lenker der Systeme ihre Einwilligung geben, auf einem Planeten über die Angelegenheiten eines anderen zu berichten. Dieser Planet wurde wie Urantia durch die Illoyalität seines Planetarischen Fürsten im Zusammenhang mit Luzifers Rebellion auf Abwege geführt. Er erhielt einen Materiellen Sohn, kurz nachdem Adam nach Urantia gekommen war, und auch dieser Sohn verfehlte sich und hinterließ die Sphäre in der Isolation, denn nie hat sich ein Richtersohn an ihre sterblichen Rassen hingegeben. ***** 72.1 Die kontinentale Nation ***** Trotz all dieser planetarischen Behinderungen entwickelt sich auf einem isolierten Kontinent, der etwa Australiens Größe hat, eine sehr hoch stehende Zivilisation. Diese Nation zählt etwa 140 Millionen Seelen. Ihre Bewohner sind eine vornehmlich aus Blau und Gelb gemischte Rasse, die einen leicht höheren violetten Anteil als die so genannte weiße Rasse Urantias hat. Diese verschiedenen Rassen sind noch nicht vollständig vermischt, aber ihre Verbrüderung und Sozialisierung ist sehr befriedigend. Auf diesem Kontinent beträgt die mittlere Lebensdauer jetzt neunzig Jahre und liegt damit um fünfzehn Prozent über derjenigen jedes anderen Volkes des Planeten. Der industrielle Mechanismus dieser Nation erfreut sich eines großen Vorteils, der auf der einzigartigen Topographie des Kontinentes beruht. In der Mitte des Landes erheben sich hohe Berge, über denen im Jahr acht Monate lang starke Regenfälle niedergehen. Diese naturgegebene Einrichtung begünstigt die Verwendung der Wasserkraft und erleichtert die Bewässerung des eher ariden westlichen Viertels des Kontinentes wesentlich. Die Menschen sind Selbstversorger, was heißt, dass sie unbeschränkt weiterleben können, ohne von den umliegenden Nationen irgendetwas importieren zu müssen. Sie verfügen über Naturschätze im Überfluss, und durch wissenschaftliche Techniken haben sie gelernt, wie sie ihre Mängel an lebensnotwendigen Gütern kompensieren können. Sie erfreuen sich eines lebhaften Binnenhandels, haben aber wegen der allgemeinen Feindseligkeit ihrer weniger fortgeschrittenen Nachbarn nur einen unbedeutenden Außenhandel. Diese kontinentale Nation folgte im Allgemeinen dem evolutionären Gang des Planeten: Die Entwicklung vom Stammesstadium bis zum Auftreten starker Führergestalten und Könige beanspruchte Tausende von Jahren. Auf die absoluten Monarchen folgten viele verschiedene Regierungsformen - scheiternde Republiken, Staaten mit Gemeinschaftsbesitz und Diktatoren kamen und gingen in endlosem Reigen. Dieses Wachstum setzte sich fort, bis sich vor etwa fünfhundert Jahren während einer politischen Gärungsphase im Herzen eines der mächtigen Diktator-Triumvirn der Nation ein Wandel vollzog. Er erklärte sich unter der Bedingung bereit abzudanken, dass einer der beiden übrigen Herrscher, nämlich der unwürdigere, ebenfalls seinen Diktatorsitz räume. Damit wurde die Souveränität des Kontinents in die Hände eines einzigen Herrschers gelegt. Der geeinte Staat gedieh unter starker monarchischer Führung während über hundert Jahren, in deren Verlauf eine meisterhafte Freiheitscharta ausgearbeitet wurde. Der darauf folgende Übergang von der Monarchie zu einer repräsentativen Regierungsform erfolgte allmählich, wobei die Könige mehr als gesellschaftliche oder gefühlsmäßige Galionsfiguren im Amt blieben und schließlich verschwanden, als die männliche Linie der Nachfahren erlosch. Die gegenwärtige Republik existiert jetzt gerade seit zweihundert Jahren. In dieser Zeit gab es einen ständigen Fortschritt in Richtung auf Regierungstechniken hin, die wir gleich beschreiben werden, wobei die letzten Entwicklungen im industriellen und politischen Bereich innerhalb der letzten zehn Jahre stattgefunden haben. ***** 72.2 Politische Organisation ***** Diese kontinentale Nation besitzt jetzt eine repräsentative Regierung in einer zentral gelegenen nationalen Kapitale. Die Zentralregierung besteht aus einem starken Bund von hundert relativ freien Staaten. Diese Staaten wählen ihre Gouverneure und Gesetzgeber für zehn Jahre, und niemand kann wieder gewählt werden. Die staatlichen Richter werden von den Gouverneuren auf Lebenszeit ernannt und durch die gesetzgebenden Körperschaften bestätigt, die aus je einem Vertreter für hunderttausend Einwohner bestehen. Es gibt fünf verschiedene Typen der Stadtverwaltung, die von der Größe der Stadt abhängen, aber keine Stadt darf mehr als eine Million Einwohner zählen. Alles in allem ist der Plan, nach welchem diese Gemeinwesen verwaltet werden, sehr einfach, direkt und wirtschaftlich. Um die wenigen Ämter der Stadtverwaltung bewerben sich die höchststehenden Bürger mit Eifer. Die Regierung des Bundesstaates umfasst drei koordinierte Abteilungen: Exekutive, Legislative und Justiz. Der Regierungschef des Bundes wird alle sechs Jahre in einem allgemeinen territorialen Urnengang gewählt. Er kann nicht ein zweites Mal gewählt werden außer auf Verlangen von mindestens fünfundsiebzig gesetzgebenden Versammlungen der Staaten, die die Unterstützung ihrer jeweiligen Staatsgouverneure haben, und auch dann nur für ein Mandat. Ihm steht beratend ein Höchstes Kabinett zur Seite, dem alle lebenden Ex-Regierungschefs angehören. Die legislative Abteilung hat drei Häuser: 1. Das Oberhaus wird von Gruppen aktiver Angehöriger der Industrie, der freien Berufe, der Landwirtschaft und anderer gewählt, die gemäß ihrer wirtschaftlichen Funktion abstimmen. 2. Das Unterhaus wird von bestimmten Organisationen der Gesellschaft gewählt, welche sich aus sozialen, politischen und philosophischen Gruppen zusammensetzen, die weder der Industrie noch den akademischen Berufen angehören. Alle gut beleumundeten Bürger beteiligen sich an der Wahl beider Klassen von Repräsentanten, aber sie bilden verschiedene Gruppen, je nachdem ob es sich um die Wahl das Ober- oder Unterhaus handelt. 3. Das Dritte Haus - die älteren Staatsmänner - besteht aus Veteranen des Staatsdienstes und vielen hervorragenden Persönlichkeiten, die vom Regierungschef, von den (unterbundesstaatlichen) Regionalchefs, vom Präsidenten des Höchsten Tribunals und von den Vorsitzenden jeder der beiden anderen legislativen Häuser als Kandidaten vorgeschlagen werden. Diese Gruppe ist auf hundert Mitglieder beschränkt, und sie werden durch Mehrheitsbeschluss ebendieser älteren Staatsmänner gewählt. Die Mitgliedschaft ist lebenslänglich, und wenn Lücken entstehen, wird aus der Kandidatenliste jene Persönlichkeit, auf die die meisten Stimmen entfallen, in aller Form gewählt. Die Funktion dieses Körpers ist rein beratender Natur, aber er ist ein bedeutender Steurer der öffentlichen Meinung und übt auf alle Regierungszweige einen mächtigen Einfluss aus. Ein sehr großer Teil der administrativen Arbeit des Bundes wird von den zehn regionalen (unterbundesstaatlichen) Behörden ausgeführt, von denen jede aus dem Zusammenschluss von zehn Staaten besteht. Diese regionalen Abteilungen sind rein exekutiv und administrativ und haben weder gesetzgeberische noch richterliche Funktionen. Die zehn Regionalchefs werden durch den Regierungschef des Bundes persönlich ernannt, und ihre Amtsdauer - sechs Jahre - stimmt mit der seinen überein. Das höchste Bundesgericht billigt die Ernennung dieser zehn Regionalchefs, und obwohl sie nicht wieder gewählt werden können, wird der zurücktretende Chef automatisch zum Mitarbeiter und Berater seines Nachfolgers. Im Übrigen wählen diese Regionalchefs ihr eigenes Kabinett von Verwaltungsbeamten. Das Recht wird in dieser Nation durch zwei große Gerichtssysteme gesprochen - durch die zivilen und die sozio-ökonomischen Gerichte. Die zivilen Gerichte funktionieren auf den folgenden drei Ebenen: 1. Die Untergeordneten Gerichte zur Rechtsprechung auf Gemeinde- und Lokalebene; ihre Urteile können vor den hohen Staatsgerichten angefochten werden. 2. Die Höchsten Staatsgerichte, deren Urteile in allen Angelegenheiten, die nicht die Bundesregierung oder die Gefährdung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten betreffen, endgültig sind. Die Regionalchefs sind ermächtigt, jeden Fall sofort vor das Höchste Bundesgericht zu bringen. 3. Das Höchste Bundesgericht - das hohe Tribunal zur Rechtsprechung in nationalen Streitfällen und in den von den Staatsgerichten weitergeleiteten Berufungsfällen. Dieser höchste Gerichtshof besteht aus zwölf Männern über vierzig und unter fünfundsiebzig Jahren, die zwei oder mehr Jahre lang an einem Staatsgerichtshof gedient haben und in dieses hohe Amt durch den Exekutivchef eingesetzt worden sind, nachdem das Höchste Kabinett und das dritte Haus der gesetzgebenden Versammlung mehrheitlich ihre Zustimmung gegeben haben. Alle Urteile dieses höchsten Justizkörpers müssen mindestens mit einer Zweidrittelmehrheit zustande kommen. Die sozio-ökonomischen Gerichtshöfe funktionieren in den folgenden drei Abteilungen: 1. Die Familiengerichte. Sie sind mit den legislativen und exekutiven Abteilungen des Familien- und Sozialsystems verbunden. 2. Die Erziehungsgerichte - die Justizkörper, die mit dem staatlichen und regionalen Schulsystem verbunden sind und mit dem Exekutiv- und Legislativzweig des Verwaltungsmechanismus der Erziehung zusammenarbeiten. 3. Die Industriegerichte - die Tribunale, die mit voller Autorität zur Beilegung sämtlicher wirtschaftlicher Differenzen ausgestattet sind. Das höchste Bundesgericht beschäftigt sich nicht mit sozio-ökonomischen Fällen, außer nach einer mit Zweidrittelmehrheit erfolgten Abstimmung des dritten legislativen Zweiges der Nationalregierung - des Hauses der älteren Staatsmänner. Davon abgesehen, sind alle Entscheidungen der hohen Familien-, Erziehungs- und Industriegerichte endgültig. ***** 72.3 Das Familienleben ***** Auf diesem Kontinent verbietet es das Gesetz zwei Familien, unter demselben Dach zu wohnen. Und da Gruppenbehausungen als ungesetzlich erklärt worden sind, sind die meisten Gebäude vom Typ der Mietskasernen abgerissen worden. Aber die Unverheirateten leben immer noch in Klubs, Hotels oder anderen Gruppenunterkünften. Der kleinste erlaubte Wohnsitz muss einen halben Hektar Land umfassen. Aller Land- und andere Besitz, der für Heimzwecke verwendet wird, ist bis zur zehnfachen Größe der minimalen Wohnparzelle von der Besteuerung ausgenommen. Das Familienleben dieses Volkes hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts stark gebessert. Der Besuch der Elternschulen für Kindererziehung ist sowohl für Väter wie Mütter obligatorisch. Auch die Landwirte, die in kleinen Landsiedlungen wohnen, erfüllen diese Pflicht auf dem Korrespondenzweg und begeben sich für mündliche Instruktion alle zehn Tage - d. h. alle zwei Wochen, denn die Woche hat fünf Tage - in nahe gelegene Zentren. Jede Familie hat im Durchschnitt fünf Kinder. Die Kinder unterstehen der vollen Kontrolle ihrer Eltern oder, im Falle des Ablebens des einen oder beider Elternteile, der Kontrolle von Vormunden, die von den Familiengerichten bezeichnet werden. Es wird als große Ehre für eine Familie angesehen, wenn ihr die Obhut einer Vollwaise zugesprochen wird. Die Eltern messen sich in Prüfungen untereinander, und das Waisenkind wird dem Heim derjenigen zuerkannt, die die besten elterlichen Qualifikationen mitbringen. Dieses Volk betrachtet das Heim als die grundlegende Einrichtung seiner Zivilisation. Es wird erwartet, dass der kostbarste Teil der Erziehung und Charakterbildung eines Kindes durch seine Eltern und zu Hause erbracht wird, und die Väter widmen der Formung der Kinder fast ebenso viel Aufmerksamkeit wie die Mütter. Der ganze sexuelle Unterricht wird im Heim durch die Eltern oder durch gesetzlich bestellte Vormünder erteilt. Die sittliche Unterweisung wird von Lehrern während der Ruheperioden in den Schulwerkstätten geboten, aber anders verhält es sich mit der religiösen Schulung, die als ausschließliches elterliches Vorrecht gilt, da man Religion als festen Bestandteil des Familienlebens ansieht. Rein religiöse Unterweisung wird öffentlich nur in den Tempeln der Philosophie geboten; denn in diesem Volk haben sich keine solch ausschließlich religiösen Institutionen wie die Kirchen Urantias herausgebildet. In ihrer Philosophie ist Religion das Streben danach, Gott zu kennen und seinen Mitmenschen Liebe zu erweisen, indem man ihnen dient, aber das ist nicht typisch für den religiösen Status der übrigen Nationen dieses Planeten. Religion ist in diesem Volk so ganz und gar eine Familienangelegenheit, dass es keine nur für religiöse Versammlungen bestimmten öffentlichen Orte gibt. Politisch sind Kirche und Staat, wie die Urantianer zu sagen pflegen, völlig getrennt, aber es herrscht eine eigenartige Überlappung von Religion und Philosophie. Bis vor zwanzig Jahren überwachte die Regierung die (den Seelsorgern Urantias vergleichbaren) geistigen Lehrer, die periodisch jede Familie besuchen, um die Kinder zu besichtigen und sich zu vergewissern, dass sie durch ihre Eltern richtig unterwiesen worden sind. Diese geistigen Ratgeber und Examinatoren unterstehen jetzt der Leitung der neulich geschaffenen Stiftung für geistigen Fortschritt, einer Institution, die von freiwilligen Spenden lebt. Es ist möglich, dass sich diese Institution nicht weiterentwickeln wird, solange kein Richtersohn des Paradieses gekommen ist. Die Kinder bleiben gesetzlich von ihren Eltern abhängig, bis sie im Alter von fünfzehn Jahren die erste Einführung in zivile Verantwortung erhalten. Danach werden für diese Altersgruppe während fünf aufeinander folgender Perioden alle fünf Jahre ähnliche öffentliche Übungen durchgeführt, anlässlich derer die Verpflichtungen der Kinder gegenüber den Eltern verringert werden, während sie dem Staat gegenüber neue zivile und gesellschaftliche Verantwortungen übernehmen. Das Stimmrecht wird ihnen mit zwanzig verliehen, das Recht, ohne elterliche Zustimmung zu heiraten, wird nicht vor fünfundzwanzig gewährt, und die Kinder müssen ihr Zuhause mit dreißig verlassen. In der ganzen Nation gelten dieselben Ehe- und Scheidungsgesetze. Heirat vor zwanzig Jahren - dem Alter der Verleihung der Bürgerrechte - ist nicht erlaubt. Die Heiratsbewilligung wird erst ein Jahr nach der Absichtserklärung erteilt und nur, wenn sowohl Braut wie Bräutigam Zertifikate vorweisen können, die bezeugen, dass sie in den Elternschulen mit den Verantwortlichkeiten des Ehelebens gebührend vertraut gemacht worden sind. Die Scheidungsregeln sind einigermaßen locker, aber die durch die Familiengerichte ausgesprochenen Scheidungsurteile können nicht vor einem Jahr nach der Registrierung des Antrags erhalten werden, und ein Jahr dauert auf diesem Planeten beträchtlich länger als auf Urantia. Trotz ihrer Gesetze, die das Scheiden leicht machen, beträgt die gegenwärtige Scheidungsrate nur ein Zehntel von derjenigen der zivilisierten Rassen Urantias. ***** 72.4 Das Erziehungssystem ***** Das Erziehungssystem dieser Nation ist obligatorisch und gemischt und geschieht in den der Universität vorangehenden Schulen, die von den Schülern zwischen fünf und achtzehn Jahren besucht werden. Diese Schulen unterscheiden sich gewaltig von denen Urantias. Es gibt in ihnen keine Klassenzimmer, man studiert nur eine Materie auf einmal, und nach den ersten drei Jahren werden alle Schüler zu Hilfslehrern, welche die nach ihnen Kommenden unterrichten. Bücher werden nur zur Beschaffung von Information benutzt, als Hilfe bei der Lösung von Problemen, die in den Werkstätten und in den landwirtschaftlichen Betrieben der Schulen auftreten. Ein Großteil der auf dem Kontinent verwendeten Möbel und viele mechanische Apparate - denn dies ist ein großes Zeitalter der Erfindung und Mechanisierung - werden in diesen Werkstätten hergestellt. Zu jeder Werkstatt gehört eine Arbeitsbibliothek, in welcher der Studierende die notwendigen Nachschlagewerke einsehen kann. Landwirtschaft und Gartenbau werden ebenfalls während der ganzen Dauer der Erziehung auf den ausgedehnten Betrieben gelehrt, die jeder lokalen Schule angegliedert sind. Die Schwachsinnigen werden nur in Land- und Viehwirtschaft geschult und auf Lebenszeit in besondere überwachte Kolonien eingewiesen, wo sie zur Verhinderung der Fortpflanzung, die allen Anormalen verwehrt ist, nach Geschlechtern getrennt leben. Diese restriktiven Maßnahmen finden jetzt seit fünfundsiebzig Jahren Anwendung; die Einweisungsurteile werden durch die Familiengerichte ausgesprochen. Jedermann macht jedes Jahr einen Monat Ferien. Die voruniversitären Schulen arbeiten während neun der zehn Monate, die das Jahr besitzt, und die Ferien werden mit Eltern oder Freunden auf Reisen verbracht. Das Reisen ist ein Teil des Erwachsenen-Schulungsprogramms, und man setzt es während des ganzen Lebens fort. Die Mittel zur Bestreitung dieser Auslagen werden durch dieselben Methoden zusammengebracht wie die bei der Altersversicherung angewandten. Ein Viertel der Schulzeit ist dem Spiel - athletischen Wettspielen - gewidmet. Die Schüler steigen in diesem Kräftemessen von den lokalen über die staatlichen und regionalen bis zu den nationalen Ausscheidungskämpfen für Geschicklichkeit und Wagemut auf. Desgleichen wetteifern Schüler miteinander in Musik und Redekunst sowie in Wissenschaft und Philosophie, angefangen von den kleinsten sozialen Sektionen bis hinauf zu den Wettkämpfen um nationale Ehren. Die Schulverwaltung ist eine Replik der nationalen Regierung mit ihren drei korrelierten Zweigen, wobei die Lehrerschaft die Funktion der dritten oder beratenden legislativen Abteilung wahrnimmt. Auf diesem Kontinent ist das oberste Erziehungsziel, aus jedem Schüler einen zum Selbstunterhalt fähigen Bürger zu machen. Jedes Kind, welches das voruniversitäre Schulsystem mit achtzehn abschließt, ist ein geschickter Handwerker. Dann beginnen das Bücherstudium und der Erwerb besonderer Kenntnisse an Erwachsenenschulen oder Universitäten. Wenn ein hervorragender Schüler seine Arbeit vorzeitig beendet, erhält er Zeit und Mittel, um ein von ihm selber ausgedachtes Lieblingsprojekt zu verwirklichen. Das gesamte Erziehungssystem geht darauf aus, den Einzelnen in passender Weise zu schulen. ***** 72.5 Industrielle Organisation ***** Die industrielle Situation dieses Volkes ist noch weit von seinen Idealen entfernt; Kapital und Arbeit haben immer noch ihre Schwierigkeiten, aber beide nähern sich immer mehr dem Plan aufrichtiger Kooperation. Auf diesem einzigartigen Kontinent werden die Arbeiter in allen industriellen Betrieben zunehmend zu Aktionären, jeder intelligente Arbeiter wird langsam ein kleiner Kapitalist. Die sozialen Antagonismen schwächen sich ab, und guter Wille nimmt rasch zu. Aus der Abschaffung der Sklaverei (vor über hundert Jahren) haben sich keine schweren wirtschaftlichen Probleme ergeben, weil diese Maßnahme schrittweise durchgeführt wurde, indem jedes Jahr zwei Prozent freigelassen wurden. Jenen Sklaven, die mentale, sittliche und physische Tests in zufrieden stellender Weise bestanden, wurde das Bürgerrecht zugesprochen; viele dieser höher stehenden Sklaven waren Kriegsgefangene oder Kinder von solchen. Vor etwa fünfzig Jahren wurden die letzten der niederen Sklaven deportiert, und in noch jüngerer Zeit hat man sich an die Aufgabe gemacht, die Zahl der Angehörigen der degenerierten und verderbten Klassen herabzusetzen. Dieses Volk hat kürzlich neue Techniken zur Beilegung industrieller Differenzen und zur Bestrafung wirtschaftlicher Missbräuche entwickelt, die im Vergleich zu seinen früheren Methoden, solche Probleme zu bereinigen, eine bedeutende Verbesserung darstellen. Gewaltanwendung als Mittel zur Beilegung persönlicher oder industrieller Differenzen ist als ungesetzlich erklärt worden. Löhne, Gewinne und andere wirtschaftliche Probleme sind nicht starr reglementiert, aber sie werden im Allgemeinen durch die industriellen gesetzgebenden Körperschaften überwacht, während alle in der Industrie entstehenden Strittigkeiten durch die Industriegerichte behandelt werden. Die Industriegerichte sind erst dreißig Jahre alt, aber sie funktionieren sehr zufriedenstellend. Die jüngsten Richtlinien sehen vor, dass die Industriegerichte das gesetzliche Entgelt in Zukunft als in drei Bereiche fallend zu betrachten haben: 1. Gesetzeskonforme Zinssätze auf investiertem Kapital. 2. Vernünftige Bezahlung für Fachwissen bei industriellen Operationen. 3. Faire und gerechte Löhne für die Arbeiterschaft. Diese Entgelte sollen in erster Linie aufgrund von Verträgen festgelegt werden oder sich angesichts abnehmender Einkünfte vorübergehend proportional verringern. Danach sollen alle Einkünfte, die diese festen Ausgaben übersteigen, als Dividenden betrachtet und unter den drei Kategorien Kapital, Fachkenntnis und Arbeit anteilsmäßig aufgeteilt werden. Alle zehn Jahre wird die gesetzliche Stundenzahl täglicher Erwerbstätigkeit von den Regionalchefs neu angepasst und dekretiert. Die Industrie arbeitet jetzt mit einer Fünftagewoche, wobei vier Tage der Arbeit und einer dem Spiel gewidmet sind. Die Menschen arbeiten an jedem Arbeitstag sechs Stunden lang und, wie die Studenten, während neun von zehn Monaten des Jahres. Die Ferien werden meistens mit Reisen verbracht, und da erst kürzlich neue Transportmethoden entwickelt worden sind, erfasst das Reisefieber die ganze Nation. Das Klima erlaubt das Reisen während acht Monaten im Jahr, und die Leute nutzen die sich ihnen bietenden Gelegenheiten nach Kräften. Vor zweihundert Jahren war das Gewinnmotiv in der Industrie allbeherrschend, aber heute wird es rasch von anderen, höheren Triebkräften abgelöst. Es herrscht auf diesem Kontinent ein scharfer Wettbewerb, aber er hat sich zu einem guten Teil von der Industrie auf die Gebiete von Spiel, Fertigkeit und wissenschaftlichen und intellektuellen Leistungen verlagert. Besonderer Wetteifer herrscht im sozialen Dienst und in der Hingabe an den Staat. Der öffentliche Dienst wird rasch zum höchsten Ziel des Ehrgeizes dieses Volkes. Der reichste Mann des Kontinents arbeitet sechs Stunden am Tag im Büro seiner Maschinenfabrik und eilt dann hinüber zur örtlichen Zweigstelle der Schule für Staatskunst, wo er sich für den öffentlichen Dienst zu qualifizieren versucht. Die Arbeit nimmt auf diesem Kontinent eine immer ehrenvollere Stellung ein, und alle gesunden und kräftigen Bürger über achtzehn arbeiten, sei es zu Hause, auf Bauernbetrieben, in irgendeiner anerkannten Industrie oder bei öffentlichen Vorhaben, die die vorübergehend Unbeschäftigten absorbieren, oder aber im Korps der Zwangsarbeiter in den Minen. Dieses Volk beginnt auch eine neue Form gesellschaftlichen Abscheus zu entwickeln - Abscheu vor Müßiggang und unverdientem Reichtum. Langsam aber sicher wird es Herr über seine Maschinen. Einst kämpfte auch es für politische und danach für wirtschaftliche Freiheit. Jetzt tritt es in eine Zeit ein, da es sich beider erfreuen kann, und zusätzlich beginnt es, seine wohlverdiente Freizeit zu schätzen, die vermehrter Selbstverwirklichung gewidmet werden kann. ***** 72.6 Altersversicherung ***** Diese Nation macht eine entschiedene Anstrengung, um jene Art von Wohltätigkeit, welche die Selbstachtung zerstört, durch vom Staat verbürgte Sicherheitsgarantien für das Alter zu ersetzen. Diese Nation verschafft jedem Kind eine Erziehung und jedem Erwachsenen eine Beschäftigung; also kann sie auch solch einen Versicherungsplan zum Schutze der Gebrechlichen und Betagten erfolgreich zu Ende führen. In diesem Volk müssen sich alle mit fünfundsechzig von der Erwerbstätigkeit zurückziehen, es sei denn, sie können sich vom staatlichen Arbeitskommissar eine Bewilligung verschaffen, die sie berechtigt, bis siebzig weiterzuarbeiten. Diese Altersgrenze gilt weder für Staatsdiener noch für Philosophen. Die körperlich Behinderten oder bleibend Verkrüppelten können durch einen vom Pensionskommissar der Regionalregierung bestätigten Gerichtsbeschluss in jedem Alter auf die Pensioniertenliste gesetzt werden. Die Gelder für die Alterspensionen fließen aus drei Quellen: 1. Die Bundesregierung zieht zu diesem Zweck jeden Monat einen Tagesverdienst ein, und in diesem Lande arbeitet jeder. 2. Vermächtnisse - viele reiche Bürger hinterlassen Gelder zu diesem Zweck. 3. Die Einkünfte aus Zwangsarbeit in den staatlichen Minen. Nach Abzug des zum Lebensunterhalt der Zwangsarbeiter Notwendigen und nach Rückstellung ihres Altersbeitrags fließen alle zusätzlichen Gewinne aus ihrer Arbeit in die Pensionskasse. 4. Das Einkommen aus den Naturschätzen. Aller natürliche Reichtum des Kontinents wird von der Bundesregierung als soziales Gut treuhänderisch verwaltet, und die Gewinne dienen sozialen Zwecken wie Krankheitsprophylaxe, Erziehung von Genies und Aufwendungen zur Ausbildung vielversprechender Einzelner in den Schulen für Staatsführung. Die Hälfte des Einkommens aus den Naturschätzen geht in die Alterspensionskasse. Obwohl staatliche und regionale Stiftungen, die sich auf Versicherungsmathematik stützen, viele Formen von Versichertenschutz gewähren, werden die Alterspensionen einzig durch die Bundesregierung über die zehn Regionalministerien verwaltet. Diese Regierungsfonds werden seit langem ehrlich verwaltet. Nächst Landesverrat und Mord belegen die Gerichte Verrat am öffentlichen Vertrauen mit den schwersten Strafen. Soziale und politische Illoyalität gelten jetzt als abscheulichste aller Vergehen. ***** 72.7 Besteuerung ***** Die Bundesregierung spielt nur bei der Verwaltung der Alterspensionen und bei der Förderung von Genie und schöpferischer Originalität eine väterliche Rolle; die Regierungen der Staaten engagieren sich schon etwas mehr für den einzelnen Bürger, während die lokalen Regierungen sehr viel väterlicher oder sozialistischer sind. Die Stadt (oder ihre Untereinheit) kümmert sich um Dinge wie Gesundheit, Hygiene, Urbanismus, Verschönerung, Wasserversorgung, Beleuchtung, Beheizung, Erholung, Musik und Kommunikation. In der ganzen Industrie wird der Gesundheit größte Aufmerksamkeit geschenkt; gewisse Aspekte des physischen Wohlergehens werden als Vorrechte der Industrie und der Gemeinschaft betrachtet, aber individuelle und familiäre Gesundheitsprobleme sind ausschließlich persönliche Angelegenheiten. In der Medizin sowie in allen anderen rein persönlichen Angelegenheiten beabsichtigt die Regierung, immer mehr von jeder Einmischung abzusehen. Die Städte können keine Steuern erheben, noch dürfen sie sich verschulden. Sie erhalten Pro-Kopf-Zuwendungen aus der Staatskasse und müssen diese Einkünfte durch Einnahmen aus ihren sozialistischen Unternehmungen und durch Erteilung von Lizenzen für verschiedene Geschäftstätigkeiten ergänzen. Die schnellen Verkehrsmittel, die eine sehr starke Ausdehnung der Stadtgrenzen erlauben, unterstehen der Gemeindekontrolle. Das städtische Feuerwehrwesen wird von den Stiftungen für Feuerverhütung und -versicherung unterhalten, und in der Stadt und auf dem Lande sind alle Gebäude seit über fünfundsiebzig Jahren feuersicher. Es gibt keine von der Stadt angestellten Schutzleute; die Polizeikräfte werden von den Regierungen der Staaten unterhalten. Dieser Sektor rekrutiert sich fast gänzlich aus unverheirateten Männern zwischen fünfundzwanzig und fünfzig. Die meisten Staaten erheben eine eher hohe Junggesellensteuer, die allen Männern erlassen wird, die sich zur Staatspolizei melden. Die Polizeikräfte eines durchschnittlichen Staates machen heute nur noch ein Zehntel ihres Bestandes von vor fünfzig Jahren aus. Es gibt nur wenig oder gar keine Übereinstimmung zwischen den Steuersystemen der hundert vergleichsweise freien und souveränen Staaten, da wirtschaftliche und andere Bedingungen in den verschiedenen Gegenden des Kontinents stark voneinander abweichen. Die Verfassung jedes Staates enthält zehn Bestimmungen, die ohne Einverständnis des Höchsten Bundesgerichts nicht abgeändert werden können, und einer dieser Artikel untersagt es, auf den Wert irgendeines Besitzes eine jährliche Steuer von mehr als einem Prozent zu erheben, wobei Wohnhäuser, sei es in der Stadt oder auf dem Lande, gänzlich steuerfrei sind. Die Bundesregierung darf sich nicht verschulden, und es bedarf eines mit Dreiviertelmehrheit zustande gekommenen Volksentscheids, damit ein Staat - außer zu Kriegszwecken - eine Anleihe aufnehmen darf. Da die Bundesregierung keine Schulden machen kann, hat der Nationale Verteidigungsrat im Kriegsfall das Recht, von den Staaten je nach Bedarf Geld sowie Menschen und Material anzufordern. Aber keine Schuld darf länger als fünfundzwanzig Jahre währen. Die Mittel zum Unterhalt der Bundesregierung fließen aus den folgenden fünf Quellen: 1. Importzölle. Auf alle Einfuhren wird ein Zoll erhoben, um den Lebensstandard des Kontinents zu schützen, der weit über dem jeder anderen Nation des Planeten liegt. Diese Tarife werden vom höchsten Industriegericht festgesetzt, nachdem beide Häuser des industriellen Kongresses die Empfehlungen des von diesen zwei legislativen Körpern gemeinsam ernannten höchsten Wirtschaftsbeauftragten ratifiziert haben. Das Industrie-Oberhaus wird von der Arbeiterschaft gewählt, das Unterhaus vom Kapital. 2. Gewinnanteile. Die Bundesregierung ermuntert Erfindungen und originale Schöpfungen, indem sie in den zehn regionalen Laboratorien alle Arten von Genies - Künstler, Autoren und Wissenschaftler - fördert und ihre Patente schützt. Als Gegenleistung zieht die Regierung die Hälfte der durch all diese Erfindungen und Schöpfungen erzielten Gewinne ein, handle es sich dabei um Maschinen, Bücher, Kunst, Pflanzen oder Tiere. 3. Erbschaftssteuer. Die Bundesregierung erhebt eine abgestufte Erbschaftssteuer von einem bis fünfzig Prozent, die von der Größe der Hinterlassenschaft sowie von anderen Umständen abhängt. 4. Militärische Ausrüstung. Die Regierung bezieht beträchtliche Summen aus der Vermietung von Militär- und Marineausrüstung zu Geschäfts- und Erholungszwecken. 5. Naturschätze. Wenn das Einkommen aus Naturschätzen nicht völlig für die besonderen, in der Charta des Bundesstaates angeführten Verwendungen ausgegeben wird, fließt der Rest in die Staatskasse. Bundesstaatliche Kreditgewährungen mit Ausnahme der vom Nationalen Verteidigungsrat angeforderten Mittel gehen vom legislativen Oberhaus aus, werden vom Unterhaus bestätigt, vom Regierungschef gebilligt und endlich von der hundertköpfigen Budgetkommission des Bundes für rechtsgültig erklärt. Die Mitglieder dieser Kommission werden durch die Staatsgouverneure ernannt und durch die gesetzgebenden Staatsversammlungen für eine vierundzwanzigjährige Dienstzeit gewählt, wobei alle sechs Jahre ein Viertel von ihnen gewählt wird. Alle sechs Jahre wählt dieser Körper einen aus seiner Mitte mit Dreiviertelmehrheit zum Oberhaupt, wodurch er zum Leiter und Überwacher des Bundesschatzamtes wird. ***** 72.8 Die Fachschulen ***** Zusätzlich zum Erziehungsprogramm der vom fünften bis achtzehnten Lebensjahr laufenden obligatorischen Grundschule werden folgende Fachschulen geführt: 1. Schulen für Staatsführung. Davon gibt es drei Arten: nationale, regionale und Staatsschulen. Die öffentlichen Dienste der Nation sind in vier verschiedenen Abteilungen zusammengefasst. Die erste Abteilung öffentlicher Verantwortung ist hauptsächlich mit der nationalen Verwaltung betraut, und alle Amtsinhaber dieser Gruppe müssen Graduierte sowohl der regionalen als auch der nationalen Schulen für Staatsführung sein. Anwärter auf die zweite Abteilung können nach der Abschlussprüfung an einer der zehn regionalen Schulen für Staatsführung eine politische, elektive oder Angestelltenfunktion übernehmen; ihnen sind Verantwortlichkeiten in der regionalen Verwaltung und in der Regierung der Staaten anvertraut. Abteilung drei umfasst Verantwortlichkeiten in den Staaten, und von solchen Beamten wird nur der Besitz staatlicher Grade der Staatsführung verlangt. Die der vierten und letzten Abteilung angehörenden Funktionäre brauchen keine Staatsführungsgrade zu besitzen, weil sie ihr Amt als reine Angestellte ausüben. Es handelt sich dabei um untergeordnetere Posten, denen Assistenz-, Sekretariats- und technische Aufgaben zufallen; sie werden von Angehörigen verschiedener akademischer Berufe wahrgenommen, die als von der Regierung bestellte Verwalter wirken. Richter der untergeordneten und der Staatsgerichte besitzen Diplome der Staatsschulen für Staatsführung. Richter der sich mit sozialen, erzieherischen und industriellen Angelegenheiten befassenden Schiedsgerichte besitzen Diplome der Regionalschulen. Richter des Höchsten Bundesgerichts müssen Diplome all dieser Schulen der Staatsführung besitzen. 2. Philosophieschulen. Diese Schulen sind den Tempeln der Philosophie angeschlossen und mehr oder weniger mit der Religion als öffentlicher Funktion verbunden. 3. Wissenschaftliche Institutionen. Diese technischen Schulen sind eher mit der Industrie als mit dem Erziehungswesen koordiniert und werden in fünfzehn Abteilungen verwaltet. 4. Schulen für akademische Berufe. Diese besonderen Institutionen gewähren die technische Ausbildung in den verschiedenen akademischen Berufen, von denen es zwölf gibt. 5. Militär- und Marineschulen. In der Nähe der nationalen Hauptstadt und in den fünfundzwanzig an der Küste gelegenen Militärzentren werden Institutionen unterhalten, die sich der militärischen Ausbildung freiwilliger Bürger zwischen achtzehn und dreißig widmen. Vor dem fünfundzwanzigsten Lebensjahr kann der Eintritt in diese Schulen nur mit elterlicher Zustimmung erfolgen. ***** 72.9 Der Plan des allgemeinen Wahlrechts ***** Obwohl sich nur die Graduierten der staatlichen, regionalen und Bundesschulen für Staatsführung um öffentliche Ämter bewerben können, entdeckten die fortschrittlichen Führer der Nation in ihrem Plan allgemeinen Wahlrechts einen ausgesprochenen Schwachpunkt und sorgten vor etwa fünfzig Jahren auf dem Verfassungsweg für ein abgeändertes Wahlsystem, das folgende Züge aufweist: 1. Jeder Mann und jede Frau besitzt ab zwanzig Jahren eine Stimme. Mit Erreichen dieses Alters müssen sich alle Bürger zur Mitgliedschaft in zwei Wählergruppen entschließen: Sie werden sich der ersten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Funktion - in Industrie, akademischen Berufen, Landwirtschaft oder Handel - anschließen; der zweiten werden sie in Übereinstimmung mit ihren politischen, philosophischen und gesellschaftlichen Neigungen beitreten. Auf diese Weise gehören alle Arbeitenden zu irgendeiner wirtschaftlichen Wählergruppe, und diese Gilden ebenso wie die nichtwirtschaftlichen Vereinigungen funktionieren sehr ähnlich wie die nationale Regierung mit ihrer dreifachen Gewaltenteilung. Die Registrierung in diesen Gruppen kann nicht vor Ablauf von zwölf Jahren geändert werden. 2. An Einzelne, die der Gesellschaft große Dienste erwiesen oder im Staatsdienst außerordentliche Weisheit an den Tag gelegt haben, können auf Vorschlag des Staatsgouverneurs oder der Regionalchefs und durch Verfügung der regionalen höchsten Räte zusätzliche Stimmen vergeben werden, aber nicht häufiger als alle fünf Jahre und nicht mehr als neun solch zusätzliche Stimmen. Die maximale Stimmenzahl, über die solch ein mehrfacher Stimmbürger verfügen kann, ist zehn. Auch Wissenschaftler, Erfinder, Lehrer, Philosophen und geistige Führer werden in dieser Weise anerkannt und mit größerer politischer Macht geehrt. Diese hohen staatsbürgerlichen Privilegien werden durch die höchsten Räte von Staat und Region in ganz ähnlicher Weise verliehen, wie die Fachschulen ihre Titel zuerkennen, und die Empfänger sind stolz, den übrigen Titeln ihrer Liste persönlicher Leistungen die Symbole einer solchen staatsbürgerlichen Anerkennung hinzuzufügen. 3. Alle zu Zwangsarbeit in den Minen Verurteilten und alle Regierungsdiener, deren Unterhalt durch Steuergelder bestritten wird, verlieren während der Dauer ihres Dienstes das Wahlrecht. Dies gilt nicht für Betagte, die mit fünfundsechzig in den Ruhestand treten und von Pensionen leben. 4. Es gibt fünf Wählergruppen, in denen sich die Steuern widerspiegeln, die sie über eine Fünfjahresperiode im Mittel jährlich bezahlen. Starken Steuerzahlern werden bis zu fünf zusätzliche Stimmen zugestanden. Diese Stimmengewährung geschieht unabhängig von aller übrigen Auszeichnung, aber keinesfalls kann jemand über mehr als zehn Stimmen verfügen. 5. Gleichzeitig mit der Annahme dieses Wahlrechts wurde die territoriale Abstimmungsmethode zugunsten des wirtschaftlichen oder funktionalen Systems aufgegeben. Alle Bürger stimmen jetzt unabhängig von ihrem Wohnort als Mitglieder industrieller, gesellschaftlicher oder beruflicher Gruppen. Auf diese Weise setzt sich die Wählerschaft aus gefestigten, geeinten und intelligenten Gruppen zusammen, die nur ihre besten Mitglieder in verantwortungsvolle Vertrauensämter der Regierung wählen. Es gibt in diesem System von funktionalem oder Gruppenwahlrecht nur eine einzige Ausnahme: Die alle sechs Jahre stattfindende Wahl eines Regierungschefs des Bundes erfolgt in einer nationalen Abstimmung, bei der kein Bürger mehr als eine Stimme hat. Mit Ausnahme der Wahl des Regierungschefs wird also das Wahlrecht von wirtschaftlichen, beruflichen, intellektuellen und gesellschaftlichen Bürgergruppierungen ausgeübt. Der Idealstaat ist organisch, und jede freie und intelligente Gruppe von Bürgern stellt innerhalb des größeren Regierungsorganismus ein lebenswichtiges, funktionierendes Organ dar. Die Schulen für Staatsführung haben die Befugnis, an den Staatsgerichten Verfahren einzuleiten, die darauf abzielen, schwachsinnigen, faulen, gleichgültigen oder kriminellen Individuen das Wahlrecht abzuerkennen. Dieses Volk hat erkannt, dass eine Nation mit einem Anteil von fünfzig Prozent minderwertiger oder geschädigter Bürger, die das Wahlrecht besitzen, zum Untergang verurteilt ist. Es glaubt, dass die Herrschaft der Mittelmäßigkeit den Niedergang jeder Nation bedeutet. Abstimmen ist obligatorisch, und schwere Bußen werden all denen auferlegt, die ihrer Wahlpflicht nicht nachkommen. ***** 72.10 Der Umgang mit dem Verbrechen ***** Obwohl die Art dieses Volkes, mit Verbrechen, Geisteskrankheit und Degeneration umzugehen, aus bestimmter Sicht segensreich ist, wird sie die meisten Urantianer aus anderen Gründen zweifelsohne schockieren. Gewöhnliche Verbrecher und die Schwachsinnigen werden nach Geschlechtern getrennt in verschiedenen landwirtschaftlichen Kolonien untergebracht, wo sie mehr als nur sich selbst unterhalten. Die schlimmeren Gewohnheitsverbrecher und die unheilbar Geisteskranken werden von den Gerichten zum Tode in den Gaskammern verurteilt. Nebst Mord ziehen zahlreiche weitere Verbrechen einschließlich des Treuebruchs gegenüber der Regierung ebenfalls die Todesstrafe nach sich, und die Justiz schlägt sicher und rasch zu. Die Menschen sind im Begriff, aus der negativen in die positive Gesetzesära einzutreten. Kürzlich sind sie beim Versuch der Verbrechensverhinderung so weit gegangen, Individuen, von denen angenommen wird, sie seien potentielle Mörder und Schwerverbrecher, zu lebenslänglichem Dienst in den Strafkolonien zu verurteilen. Wenn solche Sträflinge in der Folge beweisen, dass sie normaler geworden sind, können sie entweder bedingt entlassen oder begnadigt werden. Die Mordrate dieses Kontinents macht nur ein Prozent derjenigen der übrigen Nationen aus. Vor über hundert Jahren wurde mit Anstrengungen begonnen, die Fortpflanzung von Kriminellen und Schwachsinnigen zu verhüten, und sie haben bereits befriedigende Ergebnisse gezeitigt. Es gibt einfach deshalb keine Gefängnisse oder Spitäler für Geisteskranke, weil sie zehnmal weniger zahlreich als auf Urantia sind. ***** 72.11 Militärische Bereitschaft ***** Die Graduierten der Militärschulen des Bundes können vom Präsidenten des Nationalen Verteidigungsrates je nach ihrem Können und ihrer Erfahrung in sieben Rängen zu "Hütern der Zivilisation" ernannt werden. Der Nationale Verteidigungsrat zählt fünfundzwanzig Mitglieder, die von den höchsten Familien-, Erziehungs- und Industriegerichten ernannt, vom Höchsten Bundesgericht bestätigt und vom Stabschef der koordinierten Militärangelegenheiten von Amtes wegen präsidiert werden. Diese Mitglieder bleiben bis zum Alter von siebzig Jahren im Dienst. Die von den frisch ernannten Offizieren absolvierten Kurse dauern vier Jahre und gehen stets mit der Aneignung irgendeines Handwerks oder Berufs einher. Nie wird militärische Ausbildung ohne diese begleitende industrielle, wissenschaftliche oder berufliche Schulung erteilt. Wenn seine militärische Ausbildung abgeschlossen ist, hat der Offizier während seines Vierjahreskurses die Hälfte der Schulung erhalten, die in irgendeiner der Fachschulen geboten wird, wo die Kurse ebenfalls vier Jahre dauern. Auf diese Weise - indem einer großen Zahl von Männern die Möglichkeit geboten wird, für ihren Unterhalt zu sorgen, während sie sich die erste Hälfte einer technischen oder beruflichen Ausbildung aneignen - wird das Entstehen einer Klasse von Berufsmilitärs verhindert. Militärdienst in Friedenszeiten ist rein freiwillig, und man verpflichtet sich in allen Dienstzweigen für vier Jahre, während welcher Zeit jeder Mann zusätzlich zur Beherrschung der Militärtaktik das Studium irgendeiner Fachrichtung betreibt. Musikalische Ausbildung ist eine der Hauptbeschäftigungen an den zentralen Militärschulen und in den fünfundzwanzig an der Peripherie des Kontinents verstreuten Ausbildungslagern. In Zeiten industrieller Flaute werden viele Tausende von Arbeitslosen automatisch zum Ausbau der militärischen Verteidigungsanlagen des Kontinents zu Lande, zu Wasser und in der Luft eingesetzt. Obwohl dieses Volk zur Verteidigung gegen eine Invasion durch die feindlichen Nachbarvölker eine beeindruckende Kriegsstärke aufrechterhält, muss zu seiner Ehre gesagt werden, dass es seine Militärmittel in über hundert Jahren nie für einen Angriffskrieg eingesetzt hat. Es ist so zivilisiert geworden, dass es an den Punkt gelangt ist, wo es seine Zivilisation kraftvoll verteidigen kann, ohne der Versuchung zu unterliegen, seine Militärmacht zu Aggressionszwecken einzusetzen. Seit der Errichtung des geeinten Kontinentalstaates hat es keine Bürgerkriege gegeben, aber während der verflossenen zweihundert Jahre war dieses Volk neunmal genötigt, sich in heftig tobenden Kriegen zu verteidigen, von denen drei gegen mächtige Bündnisse von Weltmächten geführt werden mussten. Obwohl diese Nation eine angemessene Verteidigungsmacht gegen Angriffe feindlicher Nachbarn aufrechterhält, schenkt sie der Ausbildung von Staatsmännern, Wissenschaftlern und Philosophen viel größere Aufmerksamkeit. Solange die Nation mit der Welt im Frieden lebt, finden alle beweglichen Verteidigungsmechanismen ausgiebige Verwendung in Handel, Gewerbe und Erholung. Im Fall einer Kriegserklärung wird die ganze Nation mobilisiert. Während der ganzen Dauer der Feindseligkeiten gibt es in allen Industrien militärische Besoldung, und die Leiter aller Militärabteilungen treten in das Kabinett des Regierungschefs ein. ***** 72.12 Die übrigen Nationen ***** Obwohl Gesellschaft und Regierung dieses einzigartigen Volkes denjenigen der Nationen Urantias in vieler Hinsicht überlegen sind, sollte auch bemerkt werden, dass die Regierungen der übrigen Kontinente (von denen es auf diesem Planeten elf gibt) entschieden rückständiger sind als diejenigen der fortgeschritteneren Nationen Urantias. Gerade jetzt plant diese Regierung eines höheren Typs, zu den rückständigeren Völkern Botschafterkontakte zu knüpfen, und zum ersten Mal hat sich ein großer religiöser Führer erhoben, der für die Entsendung von Missionaren zu den umgebenden Nationen eintritt. Wir fürchten, dass sie im Begriff sind, denselben Fehler zu begehen, den schon so viele andere gemacht haben, als sie versuchten, anderen Rassen eine höhere Kultur und Religion aufzuzwingen. Wie wunderbare Dinge könnten auf dieser Welt geschehen, wenn die über eine fortgeschrittene Kultur verfügende kontinentale Nation bloß hinausgehen und die Besten der Nachbarvölker zu sich holen wollte, sie erzöge und danach als Abgesandte der Kultur zu ihren in der Dunkelheit lebenden Brüdern zurückschickte! Sollte indessen bald ein Richtersohn zu dieser fortgeschrittenen Nation kommen, könnten natürlich auf dieser Welt rasch große Dinge geschehen. Diese Beschreibung der auf einem Nachbarplaneten herrschenden Zustände erfolgt mit Sondererlaubnis in der Absicht, auf Urantia die Zivilisation vorwärts zu bringen und die Regierungsentwicklung zu beschleunigen. Manches mehr könnte noch berichtet werden, was die Urantianer ohne Zweifel interessieren und verwundern würde, aber die vorliegende Enthüllung geht bis an die Grenzen dessen, was unser Auftrag erlaubt. Die Urantianer sollten indessen bedenken, dass ihre Schwestersphäre in der Familie Satanias weder in den Genuss einer Richter- noch einer Selbsthingabemission eines Paradies-Sohnes gelangt ist. Ebenso wenig heben sich die verschiedenen Völker Urantias voneinander durch kulturelle Unterschiede wie diejenigen ab, welche die kontinentale Nation von ihren planetarischen Gefährten trennen. Der ausgegossene Geist der Wahrheit liefert der durch ihn beschenkten Welt die geistige Grundlage für die Vollbringung großer Leistungen im Interesse der menschlichen Rasse. Urantia ist deshalb weit besser vorbereitet für eine unmittelbarere Verwirklichung der planetarischen Regierung mit ihren Gesetzen, Mechanismen, Symbolen, Konventionen und ihrer Sprache, was alles so machtvoll zum Einzug weltweiten Friedens unter der Herrschaft des Gesetzes beitragen und zum dereinstigen Heraufdämmern eines Zeitalters wirklichen geistigen Strebens führen würde; und ein solches Zeitalter ist die planetarische Schwelle zu den idealen Zeitaltern des Lichts und Lebens. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 73 Der Garten Eden ****** DIE kulturelle Dekadenz und geistige Armut, die auf Caligastias Sturz und die darauf folgende gesellschaftliche Verwirrung folgten, hatten kaum Wirkung auf den physischen oder biologischen Status der Völker Urantias. Die organische Evolution ging rasch vorwärts, ganz unabhängig vom kulturellen und sittlichen Rückschritt, der dem Abfall Caligastias und Daligastias auf dem Fuße folgte. Und in der planetarischen Geschichte kam vor fast vierzigtausend Jahren eine Zeit, da die diensttuenden Lebensbringer feststellten, dass sich der entwicklungsmäßige Fortschritt der Rassen Urantias aus rein biologischer Sicht seinem Höhepunkt näherte. Die Melchisedek-Treuhänder, die gleicher Meinung waren, fanden sich gerne bereit, gemeinsam mit den Lebensbringern an die Allerhöchsten von Edentia eine Eingabe zu richten, worin sie um eine Inspektion Urantias im Hinblick auf eine Bewilligung zur Entsendung biologischer Veredler, eines Materiellen Sohnes und einer Materiellen Tochter, baten. Sie richteten ihr Gesuch an die Allerhöchsten Edentias, weil diese seit Caligastias Sturz und der auf Jerusem vorübergehend fehlenden Autorität in vielen Angelegenheiten Urantias eine direkte Gerichtsbarkeit ausübten. Tabamantia, souveräner Überwacher der Serie von dezimalen oder Experimentierwelten, traf ein, um den Planeten zu inspizieren, und nach seiner Prüfung des rassischen Fortschritts empfahl er ordnungsgemäß, Urantia ein Materielles Paar zu gewähren. Etwas weniger als hundert Jahre nach dem Zeitpunkt dieser Inspektion trafen Adam und Eva ein, ein Materieller Sohn und eine Materielle Tochter des Lokalsystems, und machten sich an die schwierige Aufgabe des Versuchs, die verworrenen Angelegenheiten eines Planeten zu entwirren, der wegen Rebellion zurückgeblieben war und unter dem Bann geistiger Isolation lag. ***** 73.1 Die Noditen und die Amadoniten ***** Auf einem normalen Planeten kündigt die Ankunft des Materiellen Sohnes gewöhnlich das Nahen eines großen Zeitalters von Erfindungen, materiellem Fortschritt und geistiger Erleuchtung an. Auf den meisten Welten ist die nachadamische Ära ein großes wissenschaftliches Zeitalter, aber nicht so auf Urantia. Obwohl der Planet von physisch tauglichen Rassen bevölkert war, lagen die Stämme in tiefer Roheit und sittlicher Stagnation darnieder. Zehntausend Jahre nach der Rebellion waren praktisch alle Gewinne aus der Verwaltung des Fürsten ausradiert; es stand kaum besser um die Rassen der Welt, als wenn dieser irregeleitete Sohn nie nach Urantia gekommen wäre. Einzig unter den Noditen und Amadoniten konnten sich die Traditionen Dalamatias und die Kultur des Planetarischen Fürsten halten. Die Noditen waren die Nachkommen der rebellischen Mitglieder des fürstlichen Stabs. Ihr Name leitet sich von ihrem ersten Führer, Nod, her, dem einstigen Vorsitzenden des Ausschusses für Gewerbe und Handel in Dalamatia. Die Amadoniten waren die Nachfahren jener Andoniten, die sich entschlossen hatten, Van und Amadon treu zu bleiben. "Amadonit" ist eine mehr kulturelle und religiöse Bezeichnung als ein rassischer Begriff; rassisch betrachtet, waren die Amadoniten im Wesentlichen Andoniten. "Nodit" ist sowohl eine kulturelle wie rassische Bezeichnung, denn die Noditen bildeten die achte Rasse Urantias. Zwischen Noditen und Amadoniten herrschte eine traditionelle Feindschaft. Diese Fehde wallte ständig auf, wann immer die Nachfahren der beiden Gruppen versuchten, etwas Gemeinsames zu unternehmen. Auch noch später, in der Geschichte Edens, fiel es ihnen außerordentlich schwer, friedlich zusammenzuarbeiten. Kurz nach der Zerstörung Dalamatias teilte sich die Gefolgschaft Nods in drei größere Gruppen auf. Die zentrale Gruppe blieb in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer ursprünglichen Heimat nahe dem Eingang zum Persischen Golf. Die östliche Gruppe wanderte in die hochgelegenen Gegenden von Elam gleich östlich des Euphrattales aus. Die westliche Gruppe bewohnte die nordöstliche Mittelmeerküste Syriens und die angrenzende Gegend. Die Noditen hatten sich ungehemmt mit den Sangikrassen vermischt und eine fähige Nachkommenschaft hinterlassen. Und einige der Abkömmlinge der rebellischen Dalamatianer gesellten sich später zu Van und seinen getreuen Gefolgsleuten in den im Norden Mesopotamiens gelegen Gegenden. Hier, in der Nachbarschaft des Van-Sees und in der südlichen Region des Kaspischen Meeres verbanden und vermischten sich die Noditen mit den Amadoniten, und man zählte sie zu den "mächtigen Menschen von einst". Vor der Ankunft Adams und Evas waren diese Gruppen - Noditen und Amadoniten - die fortgeschrittensten und kultiviertesten Rassen auf Erden. ***** 73.2 Planen für den Garten ***** Fast hundert Jahre lang vor Tabamantias Inspektion hatten Van und seine Mitarbeiter von ihrem im Hochland gelegenen ethischen und kulturellen Hauptquartier der Welt aus das Kommen eines versprochenen Gottessohnes gepredigt, eines Veredlers der Rasse, eines Wahrheitslehrers und würdigen Nachfolgers des verräterischen Caligastia. Obwohl sich die damaligen Bewohner der Welt in ihrer Mehrheit kaum oder gar nicht um eine solche Ankündigung kümmerten, nahmen die mit Van und Amadon unmittelbar in Kontakt Stehenden die Lehre ernst und begannen, ganz konkret auf den Empfang des versprochenen Sohnes hin zu planen. Van erzählte seinen engsten Mitarbeitern die Geschichte der Materiellen Söhne Jerusems, das, was er über sie erfahren hatte, bevor er nach Urantia kam. Er wusste sehr wohl, dass die Adamischen Söhne immer in einfachen, aber reizvollen, von Gärten umgebenen Häusern wohnten, und dreiundachtzig Jahre vor der Ankunft Adams und Evas machte er seinen Mitarbeitern den Vorschlag, sich ganz der Verkündigung ihres Kommens und der Vorbereitung eines Gartenwohnsitzes für ihren Empfang zu widmen. In ihrem Hauptquartier im Hochland und in einundsechzig weit herum verstreuten Siedlungen rekrutierten Van und Amadon ein Korps von mehr als dreitausend willigen und enthusiastischen Arbeitern, die sich auf einer feierlichen Versammlung zu dieser Mission der Vorbereitung auf den versprochenen - oder zumindest erwarteten - Sohn verpflichteten. Van teilte seine Freiwilligen in hundert Kompanien ein, jede mit einem Hauptmann und einem Mitarbeiter, der in seinem persönlichen Stab als Verbindungsoffizier diente, während er Amadon als seinen persönlichen Mitarbeiter behielt. All diese Kommissionen machten sich jetzt ernsthaft an ihre Vorbereitungsarbeiten, und das Komitee zur Eruierung der Gartengegend begab sich auf die Suche nach dem idealen Ort. Obwohl man Caligastia und Daligastia viel von ihrer Macht, Schaden anzurichten, genommen hatte, taten sie ihr Möglichstes, um die Vorbereitungsarbeiten für den Garten zu durchkreuzen und zu behindern. Aber ihre üblen Machenschaften wurden weitgehend durch das treue Wirken der fast zehntausend Mittler-Geschöpfe aufgewogen, die sich unermüdlich für den Fortschritt der Unternehmung einsetzten. ***** 73.3 Der Ort des Gartens ***** Das Eruierungskomitee war fast drei Jahre lang abwesend. Es berichtete günstig über drei mögliche Standorte: Der erste war eine Insel im Persischen Golf; der zweite, an Flüssen gelegene, diente später als zweiter Garten; der dritte, eine lange, schmale Halbinsel - fast eine Insel - erstreckte sich von der Ostküste des Mittelmeeres nach Westen. Das Komitee sprach sich fast einstimmig für die dritte Wahl aus. Also entschied man sich für diesen Ort, und man brauchte zwei Jahre, um das kulturelle Hauptquartier der Welt einschließlich des Baums des Lebens nach dieser Mittelmeerhalbinsel zu verlegen. Bis auf eine kleine Gruppe räumten die Bewohner die Halbinsel friedlich, als Van mit seiner Schar anlangte. Diese Mittelmeerhalbinsel besaß ein zuträgliches Klima und ausgeglichene Temperaturen; das stabile Wetter war den umstehenden Bergen und der Tatsache zu verdanken, dass dieser Ort praktisch eine Insel in einem Binnenmeer war. Während über den umliegenden Höhenzügen reichlich Regen niederging, regnete es im eigentlichen Eden selten. Aber jede Nacht "erhob" sich vom weit verzweigten Netz der Bewässerungskanäle "ein Dunst", der die Vegetation des Gartens erfrischte. Die Küstenlinie dieser Landmasse war beträchtlich erhöht, und die Landenge, die die Halbinsel mit dem Festland verband, war an ihrer schmalsten Stelle nur dreiundvierzig Kilometer breit. Der große Fluss, der den Garten bewässerte, kam von den höheren Gegenden der Halbinsel herab und floss in östlicher Richtung durch die Landenge der Halbinsel auf das Festland und von dort durch die mesopotamische Tiefebene ins Meer. Er wurde von vier Nebenflüssen gespiesen, die in den küstennahen Bergen der edenischen Halbinsel entsprangen, und das sind die "vier Hauptwasser" des Flusses, der "Eden verließ", die später mit den Flussarmen durcheinander gebracht wurden, die den zweiten Garten umgaben. Die den Garten umgebenden Berge waren reich an Edelsteinen und Metallen, denen man aber kaum Aufmerksamkeit schenkte. Die beherrschende Idee sollte die Verherrlichung des Gartenbaus und die Preisung des Ackerbaus sein. Der für den Garten ausgesuchte Ort war vermutlich der schönste Erdenfleck dieser Art überhaupt, und sein Klima war damals ideal. Nirgendwo anders fand sich eine Gegend, die sich so vorzüglich dafür eignete, ein botanisches Paradies zu werden. An diesem Treffpunkt versammelte sich die Elite der Zivilisation Urantias. Außerhalb und weiter weg lag die Welt in Dunkelheit, Unwissenheit und Wildheit. Eden war der einzige Lichtpunkt auf Urantia; es war schon von Natur aus ein Traum von Lieblichkeit, und es wurde bald zu einem Gedicht auserlesener und vervollkommneter landschaftlicher Schönheit. ***** 73.4 Die Schaffung des Gartens ***** Wenn Materielle Söhne, die biologischen Veredler, ihren Aufenthalt auf einer evolutionären Welt antreten, nennt man ihren Wohnsitz oft Garten Eden, weil ihn die herrliche Flora und botanische Pracht Edentias, der Konstellationskapitale, kennzeichnen. Van kannte diese Gebräuche sehr wohl, und deshalb bestimmte er, dass die ganze Halbinsel dem Garten vorbehalten werde. Für Weidezwecke und Viehwirtschaft wurde das angrenzende Festland vorgesehen. An Tieren sollte es im Park nur Vögel und die verschiedenen gezähmten Arten geben. Vans Weisungen lauteten, dass Eden ein Garten, und nur ein Garten, sein müsse. Innerhalb seiner Grenzen wurden nie Tiere geschlachtet. Alles Fleisch, das die Gartenarbeiter während all der Jahre seines Baus verzehrten, wurde von den Herden herbeigeschafft, die auf dem Festland unterhalten und gehütet wurden. Die erste Aufgabe war die Errichtung einer Backsteinmauer quer durch die Landenge der Halbinsel. Sobald diese stand, konnten die eigentlichen Arbeiten der Landschaftsverschönerung und des Hausbaus ungestört in Angriff genommen werden. Man schuf einen zoologischen Garten, indem man gleich außerhalb der Hauptmauer eine kleinere Mauer baute; der zwischen ihnen liegende Raum, der von allen möglichen wilden Tieren bevölkert wurde, diente als zusätzliche Verteidigung gegen feindliche Angriffe. Diese Menagerie bestand aus zwölf großen Abteilungen, und zwischen den zwölf Gruppen führten ummauerte Pfade zu den zwölf Toren des Gartens. Der Fluss mit dem ihn umgebenden Weideland nahm den mittleren Bereich ein. Bei der Vorbereitung des Gartens wurden nie Mietlinge eingesetzt, sondern nur freiwillige Arbeiter beschäftigt. Sie pflegten den Garten und hüteten ihre Herden, von denen sie lebten; zusätzliche Nahrung erhielten sie auch von Gläubigen, die in der Nähe wohnten. Und diese große Unternehmung wurde trotz der Schwierigkeiten zu Ende geführt, die der unklare Status der Welt in diesen Zeiten der Wirren mit sich brachte. Aber Van, der nicht wusste, wie bald das erwartete Paar kommen würde, löste große Enttäuschung aus, als er anregte, für den Fall einer verzögerten Ankunft auch die jüngere Generation in die Arbeit einzuführen, um das Unternehmen fortzusetzen. Das klang wie ein Eingeständnis, dass es ihm an Glauben fehle, und richtete beträchtliche Verwirrung an und bewirkte viele Desertionen; aber Van verfolgte seinen Bereitschaftsplan weiter und ersetzte die Abtrünnigen durch jüngere Freiwillige. ***** 73.5 Der Garten-Wohnsitz ***** Im Zentrum der edenischen Halbinsel erhob sich der auserlesene Steintempel des Universalen Vaters, der heilige Schrein des Gartens. Nördlich davon wurde das administrative Hauptquartier errichtet; dem Süden zu wurden die Häuser für die Arbeiter und ihre Familien gebaut; im Westen wurden Grundstücke für die geplanten Schulen des Erziehungswesens des erwarteten Sohnes vorgesehen, während im "Osten Edens" die Wohnhäuser für den versprochenen Sohn und seine unmittelbaren Nachkommen gebaut wurden. Die Baupläne für Eden sahen Heime und reichlich Land für eine Million menschlicher Wesen vor. Obwohl der Garten zum Zeitpunkt der Ankunft Adams nur zu einem Viertel ausgeführt war, besaß er bereits Tausende von Kilometern Bewässerungsgräben und über zwanzigtausend Kilometer gepflasterter Pfade und Straßen. Es gab in den verschiedenen Sektoren etwas mehr als fünftausend Backsteingebäude und Bäume und Pflanzen ohne Zahl. Sieben war die höchste Zahl von zu einer Gruppe zusammengeschlossenen Häusern im Park. Und obwohl die Gebäude des Gartens einfach waren, waren sie doch höchst künstlerisch. Die Straßen und Pfade waren gut gebaut und die Landschaftsgestaltung war auserlesen. Die sanitären Einrichtungen des Gartens waren allem, was bis dahin auf Urantia versucht worden war, weit voraus. Das Trinkwasser Edens wurde durch die strenge Einhaltung der die Bewahrung seiner Reinheit bezweckenden hygienischen Bestimmungen gesund gehalten. In diesen frühen Zeiten entstanden aus der Vernachlässigung dieser Regeln viele Unannehmlichkeiten, aber Van prägte seinen Mitarbeitern allmählich ganz tief ein, wie wichtig es war, nichts in das Wasserreservoir des Gartens fallen zu lassen. Vor der späteren Erstellung eines Abwassersystems pflegten die Edeniten allen Abfall und alles faulende Material gewissenhaft zu vergraben. Amadons Aufseher machten jeden Tag die Runde, um mögliche Krankheitsursachen aufzuspüren. Die Urantianer wurden sich erst wieder im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert der Wichtigkeit bewusst, menschlichen Krankheiten vorzubeugen. Noch vor dem Zusammenbruch der adamischen Herrschaft war ein aus einer abgedeckten Backsteinleitung bestehendes Abwassersystem gebaut worden, das unter den Mauern hinausführte und sich etwa anderthalb Kilometer jenseits der äußeren, kleineren Mauer in den Fluss Eden entleerte. Zur Zeit von Adams Ankunft wuchsen in Eden die meisten Pflanzen dieser Erdengegend. Viele Früchte, Getreidepflanzen und Nüsse waren bereits stark verbessert worden. Viele heutige Gemüse und Getreidepflanzen wurden zuerst hier gezüchtet, aber der Welt sind in der Folgezeit Dutzende von essbaren Pflanzenarten abhanden gekommen. Etwa fünf Prozent des Gartens wurden nach hochkünstlichen Methoden bestellt, fünfzehn Prozent waren teilweise bebaut, während der Rest bis zu Adams Ankunft in einem mehr oder weniger natürlichen Zustand belassen wurde, weil man es für das Beste hielt, ihm die Vollendung des Gartens nach seinen eigenen Ideen zu überlassen. In dieser Weise wurde der Garten Eden für den Empfang des versprochenen Adams und seiner Gefährtin vorbereitet. Und dieser Garten hätte auch einer Welt unter vervollkommneter Verwaltung und normaler Kontrolle alle Ehre gemacht. Adam und Eva waren mit der allgemeinen Anlage Edens sehr zufrieden, indessen nahmen sie an der Einrichtung ihres eigenen persönlichen Wohnhauses viele Änderungen vor. Auch wenn die Verschönerungsarbeiten zur Zeit von Adams Ankunft noch nicht abgeschlossen waren, war der Ort bereits ein Juwel an botanischer Schönheit; und in der frühen Zeit von Adams Aufenthalt in Eden nahm der ganze Garten neue Gestalt und neue Ausmaße an Schönheit und Erhabenheit an. Nie vor oder nach dieser Zeit hat Urantia eine derart wunderbare und verschwenderische Schau von Garten- und Ackerbau beherbergt. ***** 73.6 Der Baum des Lebens ***** In der Mitte des Tempels des Gartens pflanzte Van den lange gehüteten Baum des Lebens, dessen Blätter der "Heilung der Nationen" dienten und dessen Früchte ihn selber so lange auf Erden am Leben erhalten hatten. Van wusste sehr wohl, dass auch Adam und Eva nach ihrem Erscheinen auf Urantia in materieller Form zur Aufrechterhaltung ihres Lebens auf diese Gabe Edentias angewiesen sein würden. Auf den Systemkapitalen haben die Materiellen Söhne den Lebensbaum für ihren Unterhalt nicht nötig. Nur in ihrer planetarischen Neupersonifizierung sind sie für ihre physische Unsterblichkeit auf diese Ergänzung angewiesen. Der "Baum der Erkenntnis von Gut und Böse" ist vielleicht eine Metapher, eine symbolische Bezeichnung für eine Menge menschlicher Erfahrungen, aber der "Baum des Lebens" war kein Mythos; er war Wirklichkeit und lange Zeit auf Urantia anwesend. Als die Allerhöchsten Edentias die Beauftragung Caligastias als Planetarischen Fürsten Urantias und diejenige der hundert Bürger Jerusems als seines administrativen Stabs guthießen, übersandten sie durch die Melchisedeks einen Strauch aus Edentia, und aus dieser Pflanze entwickelte sich der Baum des Lebens Urantias. Diese Form nichtintelligenten Lebens ist auf den Hauptsitzsphären der Konstellationen heimisch, und man findet sie auch auf den Hauptsitzwelten der Lokal- und Superuniversen sowie auf den Sphären Havonas, nicht aber auf den Systemkapitalen. Diese Überpflanze speicherte gewisse Raumenergien, welche den für den Alterungsprozess verantwortlichen Elementen der tierischen Existenz entgegenwirkten. Die Frucht vom Baum des Lebens war wie eine überchemische Speicherbatterie, die, wenn verspiesen, auf geheimnisvolle Weise die lebensverlängernde Kraft des Universums freisetzte. Diese Art Nahrung war für die gewöhnlichen evolutionären Wesen Urantias völlig nutzlos, aber sie diente ganz gezielt den hundert materialisierten Mitgliedern des Stabs Caligastias und den hundert modifizierten Andoniten, die den Stabsangehörigen des Fürsten ihr Lebensplasma gespendet hatten und im Gegenzug dazu in den Besitz jener Lebensergänzung gelangt waren, die es ihnen ermöglichte, die Frucht vom Baum des Lebens zur unbeschränkten Verlängerung ihrer sonst sterblichen Existenz zu benutzen. In den Tagen der Herrschaft des Fürsten wuchs der Baum in der Erde des zentralen, kreisförmigen Hofs des Tempels des Vaters. Nach Ausbruch der Rebellion brachten Van und seine Gefährten seinen Wurzelstock in ihrem vorübergehenden Lager wieder zum Austreiben. Später überführten sie den Strauch Edentias in ihren Zufluchtsort auf dem Hochland, wo er Van und Amadon mehr als hundertfünfzigtausend Jahre lang diente. Als Van und seine Gefährten den Garten für Adam und Eva vorbereiteten, verpflanzten sie den Baum aus Edentia in den Garten Eden, wo er abermals in einem zentralen, kreisförmigen Hof eines anderen Tempels des Vaters wuchs. Und Adam und Eva aßen periodisch von seinen Früchten zur Aufrechterhaltung ihrer zweifachen Art physischen Lebens. Als die Pläne des Materiellen Sohnes fehlschlugen, wurde es Adam und seiner Familie verwehrt, den Wurzelstock des Baums aus dem Garten mitzunehmen. Als dann die Noditen in Eden einfielen, wurde ihnen gesagt, sie würden "wie Götter, wenn sie von den Früchten des Baums äßen". Zu ihrem großen Erstaunen fanden sie ihn unbewacht. Jahrelang aßen sie reichlich von seinen Früchten, aber er tat an ihnen keine Wirkung; denn sie waren alles materielle Sterbliche dieser Welt, denen jenes Element fehlte, das als Ergänzung zu den Früchten des Baums wirkte. Ob ihrer Unfähigkeit, aus dem Baum des Lebens Nutzen zu ziehen, gerieten sie in Wut, und bei einem ihrer Bruderkämpfe wurden Tempel und Baum durch Feuer zerstört. Nur die Steinmauer blieb bestehen, bis der Garten schließlich versank. Das war der Untergang des zweiten Tempels des Vaters. Von jetzt an muss auf Urantia alles Fleisch dem natürlichen Lauf von Leben und Tod gehorchen. Adam, Eva, ihre Kinder und Kindeskinder und ihre Mitarbeiter erlitten mit der Zeit alle den Tod und wurden dadurch der Aufstiegsordnung des Lokaluniversums unterworfen, bei welcher auf den natürlichen Tod die Auferstehung auf den Residenzwelten folgt. ***** 73.7 Das Schicksal Edens ***** Nachdem der erste Garten von Adam verlassen worden war, wurde er verschiedentlich von den Noditen, Kutiten und Suntiten besetzt. Später wurde er zum Wohnsitz der nördlichen Noditen, die sich einer Zusammenarbeit mit den Adamiten widersetzten. Fast viertausend Jahre waren seit der Einnahme der Halbinsel durch diese tieferstehenden Noditen verflossen, als der Boden des östlichen Mittelmeeres im Zusammenhang mit heftiger Aktivität der umliegenden Vulkane und mit dem Untertauchen der sizilischen Landbrücke zu Afrika absank und die ganze edenische Halbinsel mit sich unter den Wasserspiegel hinabzog. Diese ausgedehnte Absenkung ging mit einer starken Erhebung der Küstenlinie des östlichen Mittelmeers einher. Und das war das Ende der schönsten natürlichen Schöpfung, die Urantia je beherbergt hatte. Das Versinken geschah nicht plötzlich; es brauchte mehrere hundert Jahre, bis die gesamte Halbinsel völlig überflutet war. Wir können das Verschwinden des Gartens in keiner Weise als Folge des Scheiterns des göttlichen Planes oder als Folge der Irrtümer Adams und Evas betrachten. Wir betrachten das Untertauchen Edens als nichts anderes als ein natürliches Ereignis, aber es will uns scheinen, dass der Untergang des Gartens auf einen Zeitpunkt hin vorgesehen war, an dem die violette Rasse sich genügend vermehrt hätte, um mit dem Werk der Wiederaufrichtung der Völker der Welt zu beginnen. Die Melchisedeks hatten Adam geraten, mit dem Programm der rassischen Veredelung und Durchmischung nicht eher zu beginnen, als bis seine eigene Familie auf eine halbe Million Mitglieder angewachsen wäre. Es hatte nie die Absicht bestanden, aus dem Garten die bleibende Heimat der Adamiten zu machen. Sie sollten zu Sendboten eines neuen Lebens für die ganze Welt werden; sie sollten sich für eine selbstlose Hingabe an die bedürftigen Rassen der Erde bereit machen. Die Weisungen der Melchisedeks an Adam beinhalteten, dass es seine Aufgabe war, rassische, kontinentale und Abteilungshauptquartiere zu errichten und sie der Leitung seiner unmittelbaren Söhne und Töchter zu unterstellen, während er selber und Eva ihre Zeit zwischen diesen verschiedenen Hauptsitzen der Welt aufteilen würden, als Berater und Koordinatoren des weltweiten Dienstes biologischer Veredelung, intellektuellen Fortschritts und sittlicher Wiederaufrichtung. [Dargeboten von Solonia, der seraphischen "Stimme im Garten".] ****** Kapitel 74 Adam und Eva ****** VOM Jahr 1934 aus zurückgerechnet, kamen Adam und Eva vor 37 848 Jahren auf Urantia an. Sie trafen mitten in der schönen Jahreszeit ein, als der Garten in voller Blüte stand. Am Mittag und unangemeldet ließen sich die beiden seraphischen Transporte langsam auf der Oberfläche des sich drehenden Planeten in der Nachbarschaft des Tempels des Universalen Vaters nieder. Sie waren von dem mit der Überführung der biologischen Veredler Urantias betrauten Personal begleitet. Das ganze Werk der Neumaterialisierung der Körper von Adam und Eva wurde im Bereich dieses vor kurzem erbauten Heiligtums vollzogen. Und vom Zeitpunkt ihrer Ankunft an verstrichen zehn Tage, bis sie der Welt in neu erschaffener dualer Menschengestalt als die neuen Herrscher vorgestellt werden konnten. Sie gewannen ihr Bewusstsein gleichzeitig wieder. Die Materiellen Söhne und Töchter dienen immer zusammen. Es gehört zu allen Zeiten und an allen Orten zum Wesen ihres Dienstes, nie getrennt zu werden. Sie sind dazu bestimmt, in Paaren zu arbeiten; selten wirken sie allein. ***** 74.1 Adam und Eva auf Jerusem ***** Die Planetarischen Adam und Eva Urantias waren unter der gemeinsamen Nummer 14 311 Mitglieder des Seniorkorps der Materiellen Söhne Jerusems. Sie gehörten zur dritten physischen Serie und maßen etwa zwei Meter fünfzig. Als Adam ausgewählt wurde, um nach Urantia zu kommen, war er mit seiner Gefährtin in den physischen Versuchslaboratorien Jerusems beschäftigt. Über fünfzehntausend Jahre lang hatten sie die Abteilung für experimentelle Energie in ihrer Anwendung auf die Modifizierung lebendiger Formen geleitet. Lange zuvor hatten sie an den Staatsbürgerschaftsschulen für Neuankömmlinge auf Jerusem gelehrt. Und an all das sollte man sich beim Lesen des Berichts über ihr späteres Verhalten auf Urantia erinnern. Als der Ruf nach Freiwilligen für das adamische Abenteuer auf Urantia erging, meldete sich das gesamte Seniorkorps Materieller Söhne und Töchter. Mit Billigung Lanaforges und der Allerhöchsten Edentias wählten die examinierenden Melchisedeks schließlich jene Adam und Eva aus, die in der Folge als biologische Veredler Urantias wirkten. Adam und Eva waren Michael während der Rebellion Luzifers treu geblieben; trotzdem wurde das Paar vor den Souverän des Systems und sein gesamtes Kabinett gerufen, um geprüft und unterrichtet zu werden. Man setzte ihnen die Angelegenheiten Urantias in allen Einzelheiten auseinander; sie wurden gründlichst über die Pläne ins Bild gesetzt, die sie bei der Annahme der Herrscherverantwortung auf solch einer von Zwietracht zerrissenen Welt zu verfolgen hatten. Gemeinsam mussten sie den Allerhöchsten Edentias und Michael von Salvington Treue geloben. Und sie wurden in aller Form darauf hingewiesen, dass sie sich als dem Korps der Melchisedek- Treuhänder Unterstehende zu betrachten hatten, bis es diesem Regierungskörper angezeigt erschiene, die Herrschaft über die ihm anvertraute Welt abzutreten. Das Paar aus Jerusem ließ in der Kapitale Satanias und anderswo hundert Nachkommen zurück - fünfzig Söhne und fünfzig Töchter - wunderbare Geschöpfe, die den Fallen der Vorwärtsbewegung auszuweichen gewusst hatten und die alle zu der Zeit, da ihre Eltern nach Urantia abreisten, als treue Verwalter universelle Vertrauensaufgaben erfüllten. Und sie waren vollzählig im prächtigen Tempel der Materiellen Söhne versammelt, um den Abschiedsfeierlichkeiten beizuwohnen, die mit den letzten Zeremonien der Annahme des Dieneramtes einhergingen. Die Kinder begleiteten ihre Eltern zum Dematerialisierungssitz ihrer Ordnung und waren die letzten, die von ihnen Abschied nahmen und ihnen göttlichen Beistand wünschten, ehe diese in Vorbereitung auf den seraphischen Transport in Schlaf fielen und ihr persönliches Bewusstsein verloren. Die Kinder verbrachten noch einige Zeit bei einem Familientreffen und freuten sich darüber, dass ihre Eltern bald die sichtbaren Lenker, in Wirklichkeit die einzigen Herrscher, über den Planeten 606 im System Satanias sein würden. Und so verließen Adam und Eva Jerusem unter dem Jubel und den Segenswünschen seiner Bürger. Als sie zu ihren neuen Verantwortlichkeiten aufbrachen, waren sie bestens ausgerüstet und hatten genaue Kenntnis von allen Pflichten und Gefahren, die sie auf Urantia erwarteten. ***** 74.2 Die Ankunft von Adam und Eva ***** Adam und Eva schliefen auf Jerusem ein, und als sie im Tempel des Vaters auf Urantia in Gegenwart einer großen Menge aufwachten, die sich zu ihrem Willkomm versammelt hatte, fanden sie sich zwei Wesen gegenüber, von denen sie viel gehört hatten: Van und seinem treuen Gefährten Amadon. Diese beiden Helden der Sezession Caligastias waren die ersten, die sie in ihrem neuen Zuhause im Garten willkommen hießen. Die Sprache Edens war ein andonischer Dialekt, wie Amadon ihn sprach. Van und Amadon hatten dieses Idiom durch Schaffung eines Alphabets von vierundzwanzig Buchstaben bedeutend verbessert und gehofft, dass es zur Sprache Urantias würde, wenn sich die Kultur Edens einmal über die ganze Welt ausbreiten würde. Adam und Eva hatten sich diesen menschlichen Dialekt völlig angeeignet, bevor sie Jerusem verließen, so dass der Sohn Andons den hohen Herrscher seiner Welt sich in seiner eigenen Sprache an ihn wenden hörte. Und an jenem Tag herrschte in ganz Eden große Aufregung und Freude, und die Läufer begaben sich in großer Eile an den Ort, wo man Brieftauben von nah und fern versammelt hatte, und schrieen: "Lasst die Vögel los! Lasst sie die Nachricht hinaustragen, dass der versprochene Sohn gekommen ist!" In Hunderten von Siedlungen hatten Gläubige den Vorrat an diesen selbst abgerichteten Tauben gerade im Hinblick auf ein solches Ereignis Jahr für Jahr getreulich aufgefüllt. Als die Nachricht von Adams Ankunft nach außen drang, nahmen Tausende von Mitgliedern der benachbarten Stämme die Lehren Vans und Amadons an, und monatelang strömten Pilger nach Eden, um Adam und Eva willkommen zu heißen und den unsichtbaren Vater zu verehren. Bald nach ihrem Erwachen wurden Adam und Eva zum offiziellen Empfang auf die Anhöhe im Norden des Tempels eskortiert. Diese natürliche Erhebung war vergrößert und für die Amtseinsetzung der neuen Herrscher der Welt hergerichtet worden. Hier hieß das Empfangskomitee Urantias zur Mittagsstunde den Sohn und die Tochter des Systems von Satania willkommen. Amadon war der Präsident des Komitees, das zwölf Mitglieder zählte, nämlich: einen Vertreter jeder der sechs Sangikrassen; das amtierende Oberhaupt der Mittler; Annan, eine loyale Tochter der Noditen und deren Sprecherin; Noah, Sohn des Architekten und Erbauers des Gartens und Ausführender der Pläne seines verstorbenen Vaters; und die zwei auf Urantia residierenden Lebensbringer. Der nächste Akt war die Erteilung des Auftrags planetarischer Verwaltung an Adam und Eva durch den Senior-Melchisedek, Leiter des Treuhänderrates von Urantia. Der Materielle Sohn und die Materielle Tochter leisteten gegenüber den Allerhöchsten Norlatiadeks und Michael von Nebadon den Treueeid und wurden von Van zu Herrschern Urantias erklärt. Damit legte Van die nominelle Autorität nieder, die er aufgrund der Verfügung der Melchisedek-Treuhänder über hundertfünfzigtausend Jahre lang innegehabt hatte. Und Adam und Eva wurden bei diesem Anlass, dem Augenblick ihrer förmlichen Einsetzung in die Weltherrschaft, in königliche Gewänder gekleidet. Nicht alle Künste Dalamatias waren der Welt verloren gegangen; in den Tagen Edens wurde immer noch gewoben. Darauf erscholl die Proklamation der Erzengel und die vom Fernmeldewesen übertragene Stimme Gabriels, die Urantias zweites Gericht mit Namensaufruf dekretierte sowie die Auferstehung der schlafenden Fortlebenden der zweiten Dispensation der Gnade und Barmherzigkeit auf der Nummer 606 von Satania. Die Dispensation des Fürsten ist zu Ende, das Zeitalter Adams, die dritte planetarische Epoche, hebt mit Szenen von einfacher Größe an, und die neuen Lenker Urantias beginnen ihre Herrschaft unter scheinbar günstigen Voraussetzungen trotz der weltweiten Verwirrung, die auf dem Planeten infolge der verweigerten Zusammenarbeit ihres die Autorität ausübenden Vorgängers herrscht. ***** 74.3 Adam und Eva machen Bekanntschaft mit dem Planeten ***** Und jetzt, nach ihrer förmlichen Einsetzung, wurden sich Adam und Eva ihrer planetarischen Isolation schmerzlich bewusst. Die vertrauten Fernmeldungen blieben stumm, und abwesend waren alle Kreisläufe außerplanetarischer Kommunikation. Ihre Gefährten Jerusems hatten sich auf Welten begeben, auf denen alles glatt verlief und ein fest im Sattel sitzender Planetarischer Fürst mit einem erfahrenen Stab sie willig empfing und während ihrer frühen Erfahrung auf solchen Welten kompetent mit ihnen zusammenarbeitete. Aber auf Urantia hatte die Rebellion alles verändert. Hier war der Planetarische Fürst sehr gegenwärtig, und obwohl er seiner Macht, Böses zu tun, größtenteils beraubt war, war er immer noch in der Lage, Adams und Evas Aufgabe zu erschweren und bis zu einem gewissen Grade in Frage zu stellen. Ernst und desillusioniert wanderten der Sohn und die Tochter aus Jerusem an jenem Abend im Lichte des Vollmonds durch den Garten, während sie Pläne für den nächsten Tag besprachen. So endete der erste Tag Adams und Evas auf dem isolierten Urantia, dem durch den Verrat Caligastias durcheinander geratenen Planeten; und sie wanderten und besprachen sich noch bis tief in die Nacht hinein, ihre erste Nacht auf Erden - und fühlten sich so sehr einsam. Seinen zweiten Tag auf Erden verbrachte Adam bei einer Sitzung mit den planetarischen Treuhändern und dem beratenden Gremium. Von den Melchisedeks und ihren Mitarbeitern erfuhren Adam und Eva mehr Einzelheiten über die Rebellion Caligastias und die Auswirkung dieser Erhebung auf den Fortschritt der Welt. Und dieser lange Bericht über die schlechte Führung der Weltangelegenheiten war insgesamt eine bedrückende Geschichte. Sie lernten alle Tatsachen über den völligen Zusammenbruch des Plans Caligastias zur Beschleunigung des gesellschaftlichen Evolutionsprozesses kennen. Sie wurden sich dabei auch ganz der Torheit bewusst, den planetarischen Fortschritt unabhängig vom göttlichen Plan der Weiterentwicklung erreichen zu wollen. Und so ging ein trauriger, aber Klarheit schaffender Tag zu Ende - ihr zweiter auf Urantia. Der Dritte Tag galt der Besichtigung des Gartens. Vom Rücken der großen Passagiervögel - der Fandore - herab überblickten Adam und Eva die Weiten des Gartens, während sie über diesem schönsten Ort der Erde durch die Lüfte getragen wurden. Dieser Besichtigungstag endete mit einem riesigen Bankett zu Ehren all derer, die hart gearbeitet hatten, um diesen Garten edenischer Schönheit und Größe entstehen zu lassen. Und wieder wanderten der Sohn und seine Gefährtin an ihrem dritten Tag bis spät in die Nacht im Garten umher und sprachen miteinander über das gewaltige Ausmaß ihrer Probleme. Am vierten Tag wandten sich Adam und Eva an die im Garten Versammelten. Vom Einweihungshügel herab sprachen sie zum Volk über ihre Pläne zum Wiederaufbau der Welt und umrissen die Methoden, mit deren Hilfe sie versuchen würden, die gesellschaftliche Kultur Urantias von der tiefen Stufe, auf die sie durch Sünde und Rebellion gesunken war, wieder hochzubringen. Das war ein großer Tag, und er schloss mit einem Fest für den Rat von Männern und Frauen, die ausgewählt worden waren, um in der neuen Verwaltung der Weltangelegenheiten Verantwortungen zu übernehmen. Merkt euch gut: Sowohl Frauen als auch Männer gehörten dieser Gruppe an, und es war seit den Tagen Dalamatias das erste Mal, dass so etwas auf Erden geschah. Es war eine erstaunliche Neuerung, Eva, eine Frau, Ehren und Verantwortlichkeiten in den Weltangelegenheiten mit einem Mann teilen zu sehen. Und damit endete der vierte Tag auf Erden. Der fünfte Tag war ausgefüllt mit der Organisation einer provisorischen Regierung, einer Verwaltung, die so lange zu funktionieren hatte, bis die Melchisedek-Treuhänder Urantia verlassen würden. Der sechste Tag wurde der Besichtigung der zahlreichen Menschen- und Tiertypen gewidmet. Den ganzen Tag über wurden Adam und Eva an den Mauern im Osten Edens entlang eskortiert, wo sie das Tierleben des Planeten betrachten und zu einer besseren Vorstellung darüber gelangen konnten, was getan werden musste, um Ordnung in das Durcheinander einer Welt zu bringen, die von einer derartigen Vielfalt lebender Geschöpfe bewohnt wurde. All jene, die Adam auf diesem Ausflug begleiteten, versetzte die Beobachtung in großes Erstaunen, wie gründlich er Natur und Funktion der Tausende und Abertausende von Tieren, die man ihm zeigte, verstand. Wann immer er ein Tier erblickte, konnte er dessen Natur und Verhalten sofort beschreiben. Adam konnte Ursprung, Natur und Funktion aller erblickten materiellen Kreaturen mit Namen angeben. Diejenigen, die ihn auf dieser Inspektionstour führten, wussten nicht, dass der neue Herrscher der Welt einer der kundigsten Anatome ganz Satanias war; und Eva war ebenso versiert. Adam versetzte seine Mitarbeiter durch die Beschreibung einer Menge von Lebewesen in Erstaunen, die zu klein sind, um von menschlichem Auge wahrgenommen zu werden. Als der sechste Tag ihres irdischen Aufenthaltes vorüber war, ruhten sich Adam und Eva zum ersten Mal in ihrem neuen Heim "im Osten von Eden" aus. Die ersten sechs Tage ihres Urantia-Abenteuers waren sehr betriebsam gewesen, und mit großer Freude blickten sie einem ganzen Tag der Freiheit von jeglicher Aktivität entgegen. Aber die Umstände wollten es anders. Die Erfahrung des soeben verflossenen Tages, während dessen Adam so intelligent und erschöpfend über das Tierleben gesprochen hatte, in Verbindung mit seiner meisterhaften Eröffnungsrede und seiner bezaubernden Art hatte die Herzen der Gartenbewohner so sehr gewonnen und ihr Denken derart überwältigt, dass sie nicht nur von ganzem Herzen gewillt waren, die frisch aus Jerusem angekommenen Sohn und Tochter als Herrscher zu akzeptieren, sondern mehrheitlich ziemlich bereit waren, vor ihnen zu Boden zu fallen und sie als Götter zu verehren. ***** 74.4 Der erste Aufstand ***** In dieser auf den sechsten Tag folgenden Nacht und während Adam und Eva schliefen, spielten sich in der Nachbarschaft des Tempels des Vaters im zentralen Sektor Edens seltsame Dinge ab. Dort lauschten unter dem milden Mondlicht Hunderte von enthusiastischen und erregten Männern und Frauen stundenlang den leidenschaftlichen Appellen ihrer Führer. Sie meinten es gut, aber sie konnten ganz einfach die Schlichtheit der brüderlichen und demokratischen Art ihrer neuen Herrscher nicht verstehen. Und lange vor Tagesanbruch kamen die neuen, vorläufigen Verwalter praktisch einstimmig zu dem Schluss, dass Adam und seine Gattin viel zu bescheiden und zurückhaltend seien. Sie entschieden, dass die Göttlichkeit in körperlicher Gestalt zur Erde herabgestiegen sei und Adam und Eva in Wahrheit Götter oder wenigstens dem göttlichen Zustand so nahe seien, dass sie Verehrung und Anbetung verdienten. Die erstaunlichen Ereignisse der ersten sechs Tage Adams und Evas auf Erden waren für die unvorbereiteten Gemüter auch der Besten der Welt zu viel gewesen; ihre Köpfe wurden von einem Wirbel erfasst; sie ließen sich von ihrem Plan fortreißen, das edle Paar zur Mittagsstunde zum Tempel des Vaters zu führen, damit jedermann sich in respektvoller Verehrung vor ihm verneigen und ihm in demütiger Unterwürfigkeit zu Füßen fallen möge. In all dem waren die Bewohner des Gartens wirklich aufrichtig. Van protestierte. Amadon war abwesend, weil er die Ehrengarde befehligte, die über Nacht bei Adam und Eva zurückgelassen worden war. Aber Vans Protest wurde beiseite gefegt. Man sagte ihm, auch er sei zu bescheiden und zurückhaltend, auch er sei nicht weit davon entfernt, ein Gott zu sein; denn wie hätte er sonst so lange auf Erden leben und ein so großes Ereignis wie die Ankunft Adams herbeiführen können? Und als die erregten Edeniten sich anschickten, ihn zu fassen und auf den Berg der Anbetung hinaufzuführen, bahnte sich Van einen Weg durch die Menge, und da er imstande war, mit den Mittlern zu kommunizieren, sandte er deren Oberhaupt eilends zu Adam. Der Morgen ihres siebenten Tages auf Erden dämmerte herauf, als Adam und Eva die haarsträubende Nachricht vom Vorhaben dieser gutmeinenden, aber irregeleiteten Sterblichen erhielten; und während die Passagiervögel eilends herbeiflogen, um Adam und Eva zum Tempel zu bringen, transportierten die Mittler, die fähig sind, solche Dinge zu tun, sie schon in den Tempel des Vaters. Es war am frühen Morgen dieses siebenten Tages, dass Adam von der Anhöhe ihres kürzlichen Empfangs herab Erklärungen über die Ordnungen göttlicher Söhne abgab und diesen irdischen Gemütern klar darlegte, dass nur der Vater und die von ihm Bestimmten angebetet werden könnten. Adam machte deutlich, dass er jede Ehrung annehmen und jede Respektsbezeugung akzeptieren werde, aber Anbetung - nie! Das war ein denkwürdiger Tag, und kurz vor Mittag, etwa zu der Zeit der Ankunft des seraphischen Sendboten, der aus Jerusem die Bestätigung der Einsetzung der Weltherrscher brachte, entfernten sich Adam und Eva ein wenig von der Menge, wiesen auf den Tempel des Vaters und sagten: "Geht jetzt zu dem materiellen Zeichen der unsichtbaren Gegenwart des Vaters und neigt euch in Anbetung vor Ihm, der uns alle erschaffen hat und am Leben hält. Und lasst diese Handlung zur aufrichtigen Gewähr dafür werden, dass ihr euch nie wieder versuchen lasst, irgendjemand anders als Gott anzubeten." Sie taten alle, wie Adam sie hieß. Der Materielle Sohn und die Materielle Tochter standen mit geneigten Häuptern allein auf dem Hügel, während die Menschen sich um den Tempel herum zu Boden warfen. Und das war der Ursprung der Tradition des Sabbattages. Fortan war in Eden der siebente Tag immer der Mittagsversammlung im Tempel vorbehalten; lange Zeit blieb es Brauch, diesen Tag der persönlichen Kultur zu weihen. Der Vormittag gehörte der physischen Vervollkommnung, die Mittagszeit geistiger Andacht, der Nachmittag intellektueller Kultur, während der Abend mit geselligen Vergnügungen verbracht wurde. Das war in Eden nie Gesetz, aber man hielt sich an diese Sitte, solange die adamische Verwaltung auf Erden dauerte. ***** 74.5 Adams Verwaltung ***** Nach Adams Ankunft blieben die Melchisedek-Treuhänder noch fast sieben Jahre lang im Amt, aber schließlich kam die Zeit, da sie die Verwaltung der Weltangelegenheiten in Adams Hände legten und nach Jerusem zurückkehrten. Das Abschiednehmen von den Treuhändern nahm den ganzen Tag in Anspruch, und im Verlaufe des Abends gab jeder einzelne Melchisedek Adam und Eva zum Abschied seine Ratschläge und besten Wünsche mit. Adam hatte seine Berater mehrere Male darum gebeten, bei ihm auf der Erde zu bleiben, aber diese Bitten wurden stets abschlägig beschieden. Die Zeit war gekommen, da ein Materieller Sohn die volle Verantwortung für die Weltangelegenheiten übernehmen muss. Und so verließen um Mitternacht die seraphischen Transporte Satanias mit vierzehn Wesen an Bord den Planeten in Richtung Jerusem, denn die Überführung Vans und Amadons fiel mit der Abreise der zwölf Melchisedeks zusammen. Auf Urantia ließ sich eine Zeitlang alles recht gut an, und es schien, dass Adam schließlich fähig sein würde, einen Plan zur allmählichen Ausbreitung der edenischen Zivilisation zu entwickeln. Dem Rat der Melchisedeks folgend, begann er, die handwerklichen Berufe mit der Idee zu fördern, die Handelsbeziehungen zur Außenwelt zu entwickeln. Als Eden zusammenbrach, wurde in über hundert primitiven Fabrikationsbetrieben gearbeitet, und zu den benachbarten Stämmen waren ausgedehnte Handelsbeziehungen geknüpft worden. Während ganzer Zeitalter waren Adam und Eva in den Methoden ausgebildet worden, deren Bestimmung es ist, eine Welt für die besonderen Beiträge der Materiellen Söhne zum Fortschritt der evolutionären Zivilisation bereit zu machen; aber nun sahen sie sich dringenden Problemen gegenüber, wie z. B. der Errichtung von Gesetz und Ordnung in einer Welt von Wilden, Barbaren und halbzivilisierten menschlichen Wesen. Abgesehen von der im Garten versammelten Elite der Erdbevölkerung waren nur da und dort einige wenige Gruppen überhaupt zur Aufnahme der adamischen Kultur bereit. Adam unternahm eine heroische und entschiedene Anstrengung zur Bildung einer Weltregierung, aber auf Schritt und Tritt begegnete er hartnäckigem Widerstand. Adam hatte in ganz Eden bereits ein System der Gruppenorganisation zum Funktionieren gebracht und all diese Gruppen im Edenischen Bund zusammengefasst. Aber Schwierigkeiten, ernsthafte Schwierigkeiten traten ein, als er über den Garten hinaus versuchte, dieselben Ideen bei den außerhalb liegenden Stämmen umzusetzen. In dem Augenblick, da Adams Mitarbeiter außerhalb des Gartens zu wirken begannen, stießen sie auf den direkten und wohlgeplanten Widerstand Caligastias und Daligastias. Der gefallene Fürst war wohl als Weltherrscher abgesetzt, nicht aber vom Planeten entfernt worden. Er war immer noch auf der Erde anwesend und fähig, sich wenigstens bis zu einem gewissen Grade allen Plänen Adams zur Wiederaufrichtung der menschlichen Gesellschaft zu widersetzen. Adam versuchte, die Rassen vor Caligastia zu warnen, aber die Aufgabe wurde ihm dadurch sehr erschwert, dass sein Erzfeind für sterbliche Augen unsichtbar war. Selbst unter den Edeniten gab es so verwirrte Gemüter, die Caligastias Lehre von ungezügelter persönlicher Freiheit zuneigten; und sie bereiteten Adam Schwierigkeiten ohne Ende; immer wieder brachten sie die besterdachten Pläne für geordneten Fortschritt und wesentliche Entwicklung zum Scheitern. Er sah sich schließlich gezwungen, sein Programm zur sofortigen Sozialisierung zurückzuziehen; er griff auf Vans Organisationsmethode zurück und teilte die Edeniten in Hunderterkompanien ein, jede mit einem Hauptmann und mit Leutnants, die für Zehnergruppen verantwortlich waren. Adam und Eva waren gekommen, um anstelle der monarchischen eine repräsentative Regierung einzusetzen, aber sie fanden auf der ganzen Erde keine Regierung, die dieses Namens würdig gewesen wäre. Fürs Erste ließ Adam alle Bemühungen zur Schaffung einer repräsentativen Regierung fallen, und noch vor dem Zusammenbruch der edenischen Ordnung war es ihm gelungen, fast hundert äußere geschäftliche und soziale Zentren einzurichten, wo starke Persönlichkeiten in seinem Namen regierten. Die meisten dieser Zentren waren schon früher durch Van und Amadon organisiert worden. Das Entsenden von Botschaftern von einem Stamm zum anderen stammt aus der Zeit Adams. Das war in der Entwicklung der Regierung ein großer Schritt vorwärts. ***** 74.6 Das Familienleben Adams und Evas ***** Das Anwesen der adamischen Familie umfasste etwa 1 300 Hektaren. Unmittelbar um dieses zentrale Grundstück herum hatte man Platz für die Aufnahme von mehr als dreihunderttausend reinblütigen Nachkommen vorgesehen. Aber nur die erste Einheit der geplanten Gebäude wurde je errichtet. Bevor die Größe der adamischen Familie über diesen ersten Vorrat an Wohnungen hinauswuchs, war der ganze edenische Plan zunichte gemacht und der Garten verlassen worden. Adamson war der Erstgeborene der violetten Rasse Urantias. Ihm folgten seine Schwester und Evason, der zweite Sohn Adams und Evas. Eva war Mutter von fünf Kindern - drei Söhnen und zwei Töchtern - als die Melchisedeks abreisten. Die nächsten beiden waren Zwillinge. Vor der Verfehlung gebar sie dreiundsechzig Kinder, zweiunddreißig Töchter und einunddreißig Söhne. Als Adam und Eva den Garten verließen, bestand ihre Familie aus vier Generationen und zählte 1647 reinlinige Nachkommen. Nach Verlassen des Gartens hatten sie miteinander noch zweiundvierzig Kinder neben den beiden Sprösslingen, die aus gemeinsamer Elternschaft mit der sterblichen Erdenrasse hervorgegangen waren. Und darin sind die Nachkommen aus den Verbindungen Adams mit der noditischen und den evolutionären Rassen nicht inbegriffen. Wenn die adamischen Kinder im Alter von einem Jahr aufhörten, die Mutterbrust zu nehmen, tranken sie keine Milch von Tieren. Eva standen die Milch einer großen Vielfalt von Nüssen und der Saft vieler Früchte zur Verfügung, und da sie Chemie und Energie dieser Nahrungsmittel bestens kannte, kombinierte sie sie in passender Weise für die Ernährung ihrer Kinder bis zum Erscheinen der Zähne. Während außerhalb des unmittelbaren adamischen Sektors von Eden ganz allgemein gekocht wurde, gab es in Adams Haushalt nichts Gekochtes. Die Mitglieder seiner Familie fanden ihre Speisen - Früchte, Nüsse und Getreide - sobald sie reif waren, schon fertig vor. Sie aßen nur einmal am Tag, kurz nach Mittag. Dank der Wirkung des Baumes des Lebens bezogen Adam und Eva "Licht und Energie" auch direkt aus gewissen Raumemanationen. Von den Körpern Adams und Evas ging ein schimmerndes Licht aus, aber sie passten sich in ihrer Kleidung stets den Gewohnheiten ihrer Mitarbeiter an. Obwohl sie tagsüber nur sehr wenig bekleidet waren, zogen sie zur Abendzeit Nachtgewänder an. Der Ursprung des traditionellen Scheins, der sich als Ring um die Häupter angeblich frommer und heiliger Menschen legt, geht auf die Tage Adams und Evas zurück. Da die Lichtemanationen ihrer Körper durch die Kleidung weitgehend verborgen wurden, war nur das strahlende Schimmern ihrer Köpfe wahrnehmbar. Die Nachkommen Adamsons drückten ihre Vorstellung von Einzelwesen, denen eine außergewöhnliche geistige Entwicklung nachgesagt wurde, stets in dieser Weise aus. Adam und Eva konnten untereinander und mit ihren Kindern der ersten Generation über eine Entfernung von etwa achtzig Kilometern kommunizieren. Dieser Gedankenaustausch erfolgte mit Hilfe von delikaten Gaskammern, die sich eng an ihre Hirnstrukturen anschlossen. Durch diesen Mechanismus konnten sie Gedankenschwingungen senden und empfangen. Aber diese Fähigkeit wurde augenblicklich aufgehoben, als sich ihr Verstand der Disharmonie und dem zerstörerischen Einfluss des Üblen ergab. Die adamischen Kinder besuchten ihre eigenen Schulen, bis sie sechzehn waren, wobei die jüngeren durch die älteren unterrichtet wurden. Die Kleinen gingen alle dreißig Minuten zu einer neuen Beschäftigung über, die Älteren jede Stunde. Und es war ein für Urantia wirklich neuer Anblick, wie sich Adams und Evas Kinder dem Spiel, freudiger und erfrischender Tätigkeit, rein um des Spaßes willen hingaben. Spiel und Humor der heutigen Rassen sind weitgehend ein adamisches Erbe. Die Adamiten hatten alle große Liebe zur Musik und einen ausgesprochenen Sinn für Humor. Das durchschnittliche Verlobungsalter war achtzehn, und danach traten die Jugendlichen einen zweijährigen Ausbildungsgang an, der sie auf die Übernahme ehelicher Verantwortung vorbereitete. Mit zwanzig waren sie heiratsfähig; und nach der Heirat begannen sie mit ihrem Lebenswerk oder mit einer besonderen Vorbereitung darauf. Die Sitte einiger späterer Nationen, den angeblich von den Göttern herabgestiegenen königlichen Familien zu erlauben, Brüder mit Schwestern zu verheiraten, rührt von den Traditionen der adamischen Nachkommen her - die wohl oder übel unter sich heiraten mussten. Die Heiratszeremonien der ersten und zweiten Generation des Gartens wurden immer von Adam und Eva geleitet. ***** 74.7 Das Leben im Garten ***** Die Kinder Adams lebten und arbeiteten, wenn man von vier an den westlichen Schulen verbrachten Jahren absieht, im "Osten von Eden". Bis sechzehn erfolgte ihre intellektuelle Bildung nach den Methoden der Schulen Jerusems. Von sechzehn bis zwanzig wurden sie an den Urantia-Schulen am anderen Ende des Gartens unterrichtet, wo sie in den unteren Klassen auch als Lehrer dienten. Das westliche Schulsystem des Gartens zielte ganz auf Sozialisierung. Die vormittäglichen Arbeitsunterbrechungen wurden praktischem Gartenbau, die nachmittäglichen Wettspielen gewidmet. Die Abende dienten geselligem Austausch und der Kultivierung persönlicher Freundschaft. Religiöse und sexuelle Unterweisung wurden als Domäne des Heims, als Elternpflicht betrachtet. Der Unterricht in diesen Schulen umfasste Unterweisung auf folgenden Gebieten: 1. Gesundheit und Körperpflege. 2. Die goldene Regel, Richtlinie für das gesellschaftliche Miteinander. 3. Beziehung der individuellen Rechte zu den Gruppenrechten und zu den Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft. 4. Geschichte und Kultur der verschiedenen Erdenrassen. 5. Methoden zur Förderung und Verbesserung des Welthandels. 6. Koordinierung in Konflikten zwischen Pflichten und Gefühlen. 7. Pflege von Spiel, Humor und Wettspielen als Ersatz für physischen Kampf. Die Schulen, wie auch alle übrigen Aktivitäten des Gartens, standen Besuchern offen. Unbewaffnete Beobachter waren in Eden für kurze Besuche ohne weiteres zugelassen. Für längere Aufenthalte im Garten musste ein Urantianer "adoptiert" werden. Er wurde über Plan und Ziel der adamischen Mission unterrichtet, bekundete dann seine Bereitschaft, sich dieser Sendung anzuschließen und gab hierauf eine Treueerklärung gegenüber der sozialen Herrschaft Adams und der geistigen Souveränität des Universalen Vaters ab. Die Gesetze des Gartens stützten sich auf die älteren Regeln Dalamatias und wurden unter sieben Rubriken erlassen: 1. Die Gesundheits- und Hygienegesetze. 2. Die gesellschaftlichen Regeln des Gartens. 3. Die Richtlinien für Gewerbe und Handel. 4. Die Gesetze der Fairness und des Wettbewerbs. 5. Die Gesetze des Familienlebens. 6. Die zivilen Anwendungen der goldenen Regel. 7. Die sieben Gebote höchsten sittlichen Verhaltens. Das sittliche Gesetz Edens unterschied sich nur geringfügig von den sieben Geboten Dalamatias. Aber die Adamiten lehrten viele zusätzliche Gründe für diese Gebote; z. B. im Zusammenhang mit der Aufforderung, nicht zu töten, erklärten sie den innewohnenden Gedankenjustierer als zusätzlichen Grund zur Verschonung menschlichen Lebens. Sie lehrten, dass "wer immer Menschenblut durch Menschenhand vergießt, dessen Blut soll ebenfalls vergossen werden, denn Gott hat den Menschen nach seinem Bilde gemacht". Die offizielle Andachtszeit Edens war der Mittag; der Sonnenuntergang war die Zeit der Familienandacht. Adam tat sein Möglichstes, um vom Gebrauch feststehender Gebete wegzukommen, indem er lehrte, dass wirksames Beten gänzlich individuell sein müsse, dass es dem "Wunsch der Seele" entspringen müsse; aber die Edeniten fuhren fort, die aus der Zeit Dalamatias überlieferten Gebete und Formen zu benutzen. Adam bemühte sich auch, in den religiösen Zeremonien die Blutopfer durch das Darbringen von Früchten der Erde zu ersetzen, kam aber bis zum Untergang des Gartens damit kaum voran. Adam gab sich große Mühe, die Rassen die Gleichheit der Geschlechter zu lehren. Die Art, wie Eva an der Seite ihres Gemahls arbeitete, machte auf alle Gartenbewohner einen tiefen Eindruck. Adam lehrte sie sehr bestimmt, dass die Frau genauso wie der Mann die Lebensfaktoren beisteuert, welche sich vereinigen, um ein neues Wesen zu bilden. Zuvor hatten die Menschen angenommen, dass alle Zeugung ihren Sitz in den "Lenden des Vaters" habe. Sie hatten die Mutter als etwas betrachtet, das nur dem Austragen des Ungeborenen und dem Stillen des Neugeborenen diente. Adam lehrte seine Zeitgenossen alles, was sie verstehen konnten, aber das war, um in Vergleichen zu sprechen, nicht sehr viel. Trotzdem blickten die intelligenteren Rassen der Erde mit großer Ungeduld der Zeit entgegen, wenn ihnen erlaubt würde, sich mit den höheren Kindern der violetten Rasse zu vermählen. Und was für eine ganz andere Welt wäre Urantia geworden, wenn dieser großartige Plan zur Veredelung der Rassen durchgeführt worden wäre! Aber auch so brachte den evolutionären Völkern das wenige Blut, das sie von dieser importierten Rasse beiläufig empfingen, einen ungeheuren Gewinn. Und so arbeitete Adam für das Wohl und die Besserung der Welt seines Aufenthaltes. Aber es war ein schwieriges Unterfangen, diese Mischlinge auf den besseren Weg zu führen. ***** 74.8 Die Schöpfungslegende ***** Die Geschichte der Erschaffung Urantias in sechs Tagen gründete auf der Überlieferung, dass Adam und Eva für ihre erste Besichtigung des Gartens gerade sechs Tage gebraucht hatten. Dieser Umstand gab der Zeitspanne einer Woche, die ursprünglich von den Dalamatianern eingeführt worden war, eine fast heilige Bekräftigung. Dass Adam sechs Tage damit verbrachte, den Garten in Augenschein zu nehmen und erste Organisationspläne zu formulieren, war nicht vorgesehen gewesen; es hatte sich von Tag zu Tag so ergeben. Die Wahl des siebenten Tages für die Anbetung beruhte einzig auf den hier erzählten Umständen. Die Legende von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen war in Wirklichkeit ein nachträglicher, über dreißigtausend Jahre jüngerer Einfall. Eine Einzelheit der Erzählung, nämlich das plötzliche Erscheinen von Sonne und Mond, mag ihren Ursprung in dem von der Tradition berichteten einstigen plötzlichen Hervorgehen der Welt aus einer dichten, aus winziger Materie bestehenden Raumwolke haben, die lange Zeit Sonne und Mond verdunkelt hatte. Die Geschichte von der Erschaffung Evas aus einer Rippe Adams ist ein wirres, verdichtetes Amalgam aus der adamischen Ankunft und der mit der Auswechslung lebendiger Substanzen verbundenen himmlischen Chirurgie beim Kommen des körperlichen Stabs des Planetarischen Fürsten mehr als vierhundertfünfzigtausend Jahre zuvor. Die Völker der Welt sind in ihrer Mehrzahl durch die Überlieferung beeinflusst worden, dass für Adam und Eva bei ihrer Ankunft auf Urantia physische Formen geschaffen wurden. Der Glaube, dass der Mensch aus Lehm erschaffen wurde, war in der östlichen Hemisphäre nahezu universell; diese Tradition kann man um die ganze Welt von den Inseln der Philippinen bis nach Afrika verfolgen. Und viele Gruppen akzeptierten diese Geschichte vom Entstehen des Menschen aus Lehm durch irgendeine besondere Schöpfungsart anstelle ihres früheren Glaubens an eine allmähliche Schöpfung - Evolution. Fern vom Einfluss Dalamatias und Edens neigten die Menschen zum Glauben an den schrittweisen Aufstieg der menschlichen Rasse. Die Tatsache der Evolution ist keine moderne Entdeckung; die Alten begriffen den langsamen, evolutionären Charakter des menschlichen Fortschritts sehr wohl. Die frühen Griechen hatten darüber trotz ihrer Nähe zu Mesopotamien klare Vorstellungen. Obwohl die verschiedenen Rassen der Erde in ihren Evolutionsvorstellungen in betrübliche Verwirrung gerieten, so glaubten und lehrten doch viele primitive Stämme, sie seien die Abkömmlinge verschiedener Tiere. Primitive Völker hatten die Angewohnheit, für ihre "Totems" ihr vermutetes Ahnentier zu wählen. Gewisse nordamerikanische Indianerstämme glaubten, Biber und Präriewölfe zu Ahnen zu haben. Bestimmte afrikanische Stämme lehren, dass sie von der Hyäne abstammen, ein Malaienstamm leitet sich vom Lemur und eine Gruppe auf Neu-Guinea vom Papagei ab. Aufgrund ihres unmittelbaren Kontaktes mit den Resten der Zivilisation der Adamiten erweiterten die Babylonier die Geschichte von der Erschaffung des Menschen und schmückten sie aus; sie lehrten, dass er direkt von den Göttern herabgestiegen sei. Sie hielten an einem aristokratischen Ursprung der Rasse fest, der sich nicht einmal mit der Lehre von der Erschaffung aus Lehm vertrug. Die Schöpfungsgeschichte des Alten Testamentes datiert aus einer lange nach Moses liegenden Zeit; nie lehrte dieser die Hebräer eine derart entstellte Geschichte. Aber tatsächlich bot er den Israeliten eine einfache und gedrängte Darstellung der Schöpfung in der Hoffnung, dadurch seinen Appell zur Verehrung des Schöpfers zu verstärken, des Universalen Vaters, den er den Herrn Gott Israels nannte. In seinen frühen Lehren machte Moses aus weiser Überlegung keinen Versuch, vor Adams Zeit zurückzugehen, und da Moses der höchste Lehrer der Hebräer war, wurden die Geschichten über Adam in enge Verbindung mit jenen über die Schöpfung gebracht. Dass die früheren Überlieferungen eine voradamische Zivilisation anerkannten, zeigt klar die Tatsache, dass spätere Herausgeber, die beabsichtigten, alles auszulöschen, was sich auf menschliche Angelegenheiten vor Adams Zeiten bezog, es unterließen, den verräterischen Hinweis auf Kains Auswanderung in das "Land Nods", wo er sich eine Frau nahm, zu entfernen. Die Hebräer besaßen noch lange, nachdem sie in Palästina angekommen waren, keine allgemein benutzte geschriebene Sprache. Sie lernten den Gebrauch eines Alphabets von den benachbarten Philistern, die als politische Flüchtlinge aus der höher entwickelten Zivilisation Kretas gekommen waren. Die Hebräer schrieben bis um 900 v. Chr. nur wenig, und da sie bis zu einem so späten Zeitpunkt keine geschriebene Sprache hatten, zirkulierten unter ihnen verschiedene Schöpfungsgeschichten. Aber nach der babylonischen Gefangenschaft waren sie eher geneigt, eine abgeänderte mesopotamische Version anzunehmen. Die jüdische Tradition kristallisierte sich um Moses, und weil er sich bemüht hatte, den Stammbaum Abrahams bis zu Adam zurückzuführen, nahmen die Juden an, Adam sei der erste aller Menschen gewesen. Jahwe war der Schöpfer, und da man in Adam den ersten Menschen erblickte, musste Jahwe die Welt gleich vor Adam erschaffen haben. Und dann wurde die Überlieferung der sechs Tage Adams in die Geschichte eingewoben mit dem Endergebnis, dass fast tausend Jahre nach Mose Aufenthalt auf Erden die überlieferte Sechs-Tage-Schöpfung verfasst und später ihm zugeschrieben wurde. Als die jüdischen Priester nach Jerusalem zurückkehrten, hatten sie ihre Darstellung vom Anfang aller Dinge bereits fertig niedergeschrieben. Bald stellten sie die Behauptung auf, dass diese Erzählung eine neulich aufgefundene, von Moses geschriebene Schöpfungsgeschichte sei. Aber die zeitgenössischen Hebräer um 500 v. Chr. sahen in diesen Schriften keine göttlichen Offenbarungen. Sie betrachteten sie etwa so, wie spätere Völker ihre mythologischen Erzählungen betrachten. Auf dieses unechte Dokument, das angeblich die Lehren Mose wiedergab, wurde Ptolemäus, der griechische König Ägyptens, aufmerksam gemacht, und er ließ es durch eine Kommission von siebzig Gelehrten für seine neue Bibliothek in Alexandrien ins Griechische übersetzen. Und so fand diese Darstellung ihren Platz unter jenen Schriften, die in der Folge einen Teil der späteren Sammlungen der "heiligen Schriften" der hebräischen und der christlichen Religion bildeten. Und über die Identifikation vieler abendländischer Völker mit diesen theologischen Systemen hatten solche Konzepte auf ihre Philosophie lange Zeit einen tiefgreifenden Einfluss. Die christlichen Lehrer hielten am Glauben an eine auf Befehl erschaffene menschliche Rasse fest, und all das führte direkt zur Entstehung der Hypothese von einem ehemaligen goldenen Zeitalter utopischer Glückseligkeit und der Theorie vom Fall des Menschen oder Übermenschen, der für den nichtutopischen Zustand der Gesellschaft verantwortlich war. Diese Sicht des Lebens und der Stellung des Menschen im Universum war zumindest entmutigend, da sie auf einem Rückschritts- statt Fortschrittsglauben fußte und eine rachsüchtige Gottheit einschloss, die an der menschlichen Rasse als Vergeltung für die Irrtümer bestimmter einstiger planetarischer Verwalter ihren Zorn ausließ. Das "goldene Zeitalter" ist ein Mythos, aber Eden war eine Tatsache, und die Zivilisation des Gartens wurde wirklich vernichtet. Adam und Eva verfolgten ihr Werk im Garten hundertsiebzehn Jahre lang, als sie sich wegen Evas Ungeduld und Adams Fehleinschätzung anmaßten, vom vorgeschriebenen Weg abzuweichen, was über sie selber rasch Unheil brachte und für ganz Urantia eine ruinöse Verzögerung von Entwicklung und Fortschritt zur Folge hatte. [Erzählt von Solonia, der seraphischen "Stimme im Garten".] ****** Kapitel 75 Adams und Evas Verfehlung ****** NACH mehr als hundert Jahren Anstrengungen konnte Adam auf Urantia außerhalb des Gartens nur sehr geringe Fortschritte feststellen; die Welt als Ganzes schien kaum Besserung zu zeigen. Die Verwirklichung einer Verbesserung der Rasse schien in weiter Ferne zu liegen, und die Situation erschien so verzweifelt, als verlange sie zur ihrer Entspannung irgendetwas, das in den ursprünglichen Plänen nicht vorgesehen war. Solche Gedanken waren es zumindest, die häufig durch Adams Kopf gingen, und er äußerte sich Eva gegenüber in diesem Sinne viele Male. Adam und seine Gefährtin waren loyal, aber sie waren von ihresgleichen abgeschnitten, und sie waren tief betrübt über den erbärmlichen Zustand ihrer Welt. ***** 75.1 Das Problem Urantias ***** Die adamische Mission auf der von der Rebellion gezeichneten, isolierten Experimentierwelt Urantia war ein ungeheures Unternehmen. Der Materielle Sohn und die Materielle Tochter wurden sich sehr bald der Schwierigkeit und Komplexität ihrer planetarischen Aufgabe bewusst. Dessen ungeachtet machten sie sich mutig an die Lösung ihrer mannigfaltigen Probleme. Aber als sie sich der äußerst wichtigen Aufgabe zuwandten, die menschlichen Erblinien von Geschädigten und Degenerierten zu befreien, waren sie völlig bestürzt. Sie konnten keinen Weg aus dem Dilemma sehen, und sie konnten weder auf Jerusem noch auf Edentia bei ihren Vorgesetzten Rat einholen. Da waren sie nun also, isoliert und Tag für Tag irgendeiner neuen und verzwickten Situation, irgendeinem unlösbar scheinenden Problem gegenübergestellt. Unter normalen Bedingungen wäre die erste Aufgabe eines Planetarischen Adams und einer Planetarischen Eva die Koordinierung und Durchmischung der Rassen gewesen. Aber auf Urantia schien ein derartiges Projekt so gut wie hoffnungslos, weil die Rassen, obwohl biologisch tauglich, nie von ihren zurückgebliebenen und geschädigten Linien gereinigt worden waren. Adam und Eva befanden sich auf einer für die Verkündigung der Bruderschaft unter den Menschen völlig unvorbereiteten Sphäre, auf einer in tiefer geistiger Finsternis herumtappenden Welt, auf welcher der Fluch einer Verwirrung lag, die durch das Scheitern der Sendung der vorausgehenden Verwaltung nur noch größer geworden war. Denken und Sittlichkeit befanden sich auf einem sehr niedrigen Stand, und anstatt sich an die Schaffung religiöser Einheit machen zu können, mussten sie mit dem Werk, die Bewohner zu den einfachsten Formen religiösen Glaubens zu bekehren, wieder ganz von vorne beginnen. Anstatt schon eine zur Übernahme geeignete Sprache vorzufinden, standen sie einem weltweiten Wirrwarr von Hunderten und Aberhunderten lokaler Dialekte gegenüber. Kein auf einem Planeten dienender Adam wurde je in einer schwierigeren Welt eingesetzt; die Hindernisse schienen unüberwindlich und die Probleme das Lösungsvermögen von Geschöpfen völlig zu übersteigen. Sie waren von allem abgeschnitten, und dieses auf ihnen lastende, entsetzliche Gefühl des Verlassenseins wurde durch die frühe Abreise der Melchisedek-Treuhänder nur noch verstärkt. Sie konnten nur indirekt durch Einschaltung der Engelsordnungen mit irgendwelchen Wesen außerhalb des Planeten kommunizieren. Langsam schwand ihr Mut, ihr Geist erschlaffte, und manchmal geriet ihr Glaube beinahe ins Wanken. Und das ist die wahre Schilderung der Bestürzung, die über diese beiden edlen Seelen kam, wenn sie über die Aufgaben nachsannen, denen sie sich gegenüber sahen. Sie waren sich beide sehr klar bewusst, was für ein gewaltiges Unternehmen die Erfüllung ihres planetarischen Amtes darstellte. Wahrscheinlich sah sich in ganz Nebadon nie ein Materielles Paar einer so schwierigen und derart hoffnungslosen Aufgabe gegenüber wie Adam und Eva beim Anblick der traurigen Lage Urantias. Aber sie hätten eines Tages Erfolg gehabt, wären sie nur weitblickender und geduldiger gewesen. Alle beide, Eva insbesondere, waren zu ungeduldig; sie waren nicht willens, sich in Ruhe auf eine lange, lange Geduldsprobe einzustellen. Sie wünschten irgendwelche raschen Ergebnisse zu sehen, und sie sollten sie tatsächlich sehen, aber die auf diesem Wege erreichten Ergebnisse stellten sich für sie selber wie für ihre Welt als verheerend heraus. ***** 75.2 Das Komplott Caligastias ***** Caligastia stattete dem Garten häufige Besuche ab und traf sich zu vielen Besprechungen mit Adam und Eva, aber sie blieben unerbittlich gegenüber all seinen Kompromissvorschlägen und Abkürzungsabenteuern. Sie hatten genügend Ergebnisse der Rebellion vor Augen, um gegen alle derartigen einschmeichelnden Vorschläge gefeit zu sein. Nicht einmal die jungen Sprösslinge Adams ließen sich durch Daligastias Annäherungsversuche beirren. Und natürlich besaßen weder Caligastia noch sein Gefährte die Macht, irgendjemanden gegen seinen Willen zu beeinflussen, und noch weniger, Adams Kinder zu üblem Tun zu überreden. Es muss daran erinnert werden, dass Caligastia immer noch den Titel eines Planetarischen Fürsten Urantias trug, dass er ein irregeführter, aber dennoch hoher Sohn des Lokaluniversums war. Endgültig abgesetzt wurde er erst zu der Zeit, als Christus Michael auf Erden weilte. Aber der gefallene Fürst war hartnäckig und entschlossen. Bald gab er es auf, Adam bearbeiten zu wollen, und entschied sich, es mit einem gerissenen Seitenangriff auf Eva zu versuchen. Der Teufel kam zu dem Schluss, dass die einzige Hoffnung auf Erfolg in der geschickten Einsetzung geeigneter Personen lag, die der Oberschicht der Noditengruppe angehörten, den Abkömmlingen seiner einstigen Mitarbeiter im körperlichen Stab. Und dementsprechend wurden Pläne geschmiedet, um die Mutter der violetten Rasse zu verführen. Eva hatte nicht im Entferntesten die Absicht, irgendetwas zu tun, was hätte gegen Adams Pläne verstoßen oder die ihnen beiden anvertraute planetarische Aufgabe aufs Spiel setzen können. Im Wissen um die Neigung der Frau, unmittelbare Ergebnisse sehen zu wollen, anstatt mit Weitblick für in fernerer Zukunft liegende Resultate zu planen, hatten die Melchisedeks vor ihrer Abreise Eva eigens vor den besonderen Gefahren gewarnt, denen sie in ihrer isolierten Stellung auf dem Planeten ausgesetzt war, und sie hatten sie insbesondere ermahnt, nie von der Seite ihres Gatten zu weichen, d. h. es nie mit persönlichen oder geheimen Methoden zur Förderung ihrer gemeinsamen Unternehmungen versuchen zu wollen. Eva hatte sich über hundert Jahre lang peinlichst an diese Weisungen gehalten, und es wäre ihr nie eingefallen, dass mit den immer privateren und vertraulicheren Besuchen, derer sie sich von Seiten eines Noditenführers namens Serapatatia erfreute, irgendwelche Gefahren verbunden sein könnten. Die ganze Angelegenheit entwickelte sich so allmählich und natürlich, dass Eva völlig überrascht wurde. Die Gartenbewohner hatten seit den frühen Tagen Edens mit den Noditen in Kontakt gestanden. Sie hatten von diesen gemischten Nachfahren der pflichtvergessenen Stabsmitglieder Caligastias viel wertvolle Hilfe und Kooperationsbereitschaft empfangen, und gerade durch sie sollte jetzt der völlige Ruin und schließliche Untergang der edenischen Ordnung herbeigeführt werden. ***** 75.3 Evas Versuchung ***** Adam hatte seine ersten hundert Jahre auf Erden gerade beendet, als Serapatatia nach dem Tode seines Vaters die Führung des westlichen oder syrischen Bundes von Noditenstämmen übernahm. Serapatatia war ein Mann von brauner Hautfarbe, ein glänzender Abkömmling des einstigen Chefs der Gesundheitskommission Dalamatias, und er war mit einer der hervorragendsten Frauengestalten der blauen Rasse jener fernen Tage verheiratet. Durch alle Zeitalter hindurch hatte diese Linie die Herrschaft innegehabt und bei den westlichen Noditenstämmen einen großen Einfluss ausgeübt. Serapatatia hatte den Garten mehrmals besucht, und die Rechtschaffenheit von Adams Sache hatte ihn tief beeindruckt. Und kurz nachdem er die Führung der syrischen Noditen übernommen hatte, gab er seine Absicht bekannt, den Anschluss an das Werk Adams und Evas im Garten zu suchen. Die Mehrheit seines Volkes war mit ihm in diesem Vorhaben einig, und Adam war beglückt über die Nachricht, dass der mächtigste und intelligenteste aller Nachbarstämme fast geschlossen auf die Unterstützung des Weltverbesserungsprogramms eingeschwenkt war; es war entschieden ermutigend. Und kurz nach diesem großen Ereignis wurde Serapatatia samt seinem neuen Stab von Adam und Eva in ihrem eigenen Heim empfangen. Serapatatia wurde einer der fähigsten und tüchtigsten aller Leutnants Adams. Er war in all seinem Tun ganz und gar aufrichtig und grundehrlich; er war sich nie bewusst, auch später nicht, dass der durchtriebene Caligastia sich seiner als eines von den Umständen gelieferten Werkzeugs bediente. Bald wurde Serapatatia Mitverantwortlicher der edenischen Kommission für Stammesbeziehungen, und es wurden viele Pläne ausgearbeitet, um das Werk, die entfernten Stämme für die Sache des Gartens zu gewinnen, tatkräftiger voranzutreiben. Er traf sich mit Adam und Eva - insbesondere mit Eva - zu etlichen Besprechungen, und sie gingen viele Pläne zur Verbesserung ihrer Methoden durch. Eines Tages fiel es Serapatatia während eines Gesprächs mit Eva ein, dass es sehr hilfreich wäre, wenn während der Wartezeit, bis Angehörige der violetten Rasse in großer Zahl zur Verfügung stünden, etwas getan werden könnte, um die bedürftigen, wartenden Stämme unverzüglich voranzubringen. Serapatatia machte geltend, dass wenn die Noditen als fortschrittlichste und kooperationswilligste Rasse einen halb der violetten Rasse entstammenden Führer haben könnten, dies ein mächtiges Band darstellen würde, welches diese Völker enger an den Garten bände. Und all das wurde ganz nüchtern und ehrlich als etwas betrachtet, was der Welt zum Guten gereichen würde, da dieses Kind, einmal im Garten großgezogen und ausgebildet, einen mächtigen und wohltuenden Einfluss auf das Volk seines Vaters ausüben würde. Es sollte einmal mehr unterstrichen werden, dass Serapatatia in allem, was er vorschlug, durch und durch ehrlich und aufrichtig war. Er ahnte nie, dass er Caligastia und Daligastia in die Hände arbeitete. Serapatatia hielt in aller Treue an dem Plan fest, der den Aufbau einer starken Reserve der violetten Rasse vorsah, bevor an eine weltweite Höherstufung der durcheinandergebrachten Völker Urantias gedacht werden konnte. Aber dazu waren Hunderte von Jahren erforderlich, und er war ungeduldig; er wollte sofortige Resultate sehen - irgendetwas schon zu seinen Lebzeiten. Er machte Eva klar, dass Adam wegen des Wenigen, das zur Verbesserung der Welt geschehen war, oft entmutigt war. Über fünf Jahre lang reiften diese Pläne im Verborgenen heran. Endlich hatten sie den Punkt erreicht, wo Eva einer geheimen Zusammenkunft mit Kano zustimmte, dem glänzendsten und rührigsten Führer der benachbarten Kolonie freundlich gesinnter Noditen. Kano brachte der adamischen Ordnung große Sympathien entgegen; er war tatsächlich der aufrichtige geistige Führer dieser benachbarten Noditen, die zu freundschaftlichen Beziehungen mit dem Garten bereit waren. Die schicksalhafte Begegnung fand in der Dämmerstunde eines Herbstabends unweit von Adams Heim statt. Eva war dem schönen und enthusiastischen Kano nie zuvor begegnet - in ihm überlebte auf prachtvolle Weise der edle Körperbau und überragende Intellekt seiner fernen Vorfahren vom fürstlichen Stab. Und auch Kano glaubte voll und ganz an die Redlichkeit des Projektes Serapatatias. (Außerhalb des Gartens war geschlechtlicher Verkehr mit mehreren Partnern gängige Praxis.) Unter dem Einfluss von Schmeichelei, Enthusiasmus und großer persönlicher Überzeugungskraft fand sich Eva dann und dort bereit, sich in die vieldiskutierte Unternehmung einzulassen und dem größeren und weiterreichenden göttlichen Plan ihren eigenen kleinen Weltrettungsplan beizufügen. Bevor ihr völlig bewusst wurde, was vor sich ging, war der schicksalschwere Schritt getan. Es war geschehen. ***** 75.4 Das Gewahrwerden der Verfehlung ***** Das himmlische Leben des Planeten geriet in Aufregung. Adam erkannte, dass etwas nicht stimmte, und er bat Eva, zu ihm in den Garten zu kommen. Und nun erfuhr Adam zum ersten Mal die ganze Geschichte von dem seit langem verfolgten Plan zur Beschleunigung der Weltverbesserung durch gleichzeitiges Vorgehen in doppelter Richtung: durch Verfolgung des göttlichen Planes und parallele Ausführung des Unternehmens Serapatatias. Als der Materielle Sohn und die Materielle Tochter im vom Mondlicht überfluteten Garten in dieser Weise Austausch pflegten, tadelte "die Stimme im Garten" sie wegen Ungehorsams. Und diese Stimme war keine andere als meine eigene Bekanntgabe an das edenische Paar, dass es das Abkommen des Gartens übertreten hatte, dass es den Weisungen der Melchisedeks nicht gehorcht und sich gegen sein dem Souverän des Universums abgegebenes Treuegelübde vergangen hatte. Eva hatte eingewilligt, sich an der Ausübung des Guten und des Üblen zu beteiligen. Das Gute ist die Ausführung des göttlichen Plans; Sünde ist die vorsätzliche Übertretung des göttlichen Willens; das Übel ist die Fehlanpassung von Plänen, die falsche Anwendung von Techniken, aus denen universelle Disharmonie und planetarische Verwirrung folgen. Jedesmal, wenn das Paar des Gartens von der Frucht des Baums des Lebens genossen hatte, war es vom Wächter-Erzengel gewarnt worden, sich davor zu hüten, den Einflüsterungen Caligastias zu erliegen, das Gute mit Üblem verbinden zu wollen. Sie waren mit diesen Worten ermahnt worden: "An dem Tage, da ihr Gutes mit Üblem vermengt, werdet ihr mit Sicherheit so werden wie die Sterblichen der Welt; ihr werdet mit Sicherheit sterben." Eva hatte mit Kano anlässlich ihrer schicksalhaften geheimen Begegnung über diese oft wiederholte Warnung gesprochen, aber Kano, der weder um Wichtigkeit noch Bedeutung solcher Mahnungen wusste, hatte ihr versichert, dass Männer und Frauen mit guten Motiven und lauteren Absichten nichts Schlechtes begehen könnten; dass sie bestimmt nicht sterben, sondern von neuem in ihren Nachkommen leben werde, die zum Segen und zur Stabilisierung der Welt heranwachsen würden. Obwohl dieses Projekt der Modifizierung des göttlichen Planes in vollkommener Ehrlichkeit erdacht und durchgeführt wurde und nur den edelsten, auf das Wohl der Welt bedachten Beweggründen entsprungen war, stellte es das Üble dar, weil es der falsche Weg zu guten Zwecken war, weil es sich vom geraden Weg, vom göttlichen Plan entfernte. Es ist wahr, dass Eva am Anblick Kanos Gefallen fand und sich gewinnen ließ für alles, was ihr Verführer versprach aufgrund eines "neuen und umfassenderen Wissens um menschliche Angelegenheiten und eines unmittelbareren Verständnisses der menschlichen Natur, welche ergänzend zum Verstehen der adamischen Natur hinzutreten würden". An jenem Abend sprach ich im Garten zum Vater und zur Mutter der Violetten Rasse, wie mein Dienst es mir unter diesen traurigen Umständen gebot. Ich hörte mir die ganze Erzählung all dessen an, was zur Verfehlung von Mutter Eva geführt hatte, und ich gab beiden ihre unmittelbare Lage betreffende Ratschläge und Empfehlungen. Einige dieser Ratschläge befolgten sie, andere ließen sie unbeachtet. Diese Unterredung erscheint in euren Schriften als "Gott der Herr, der Adam und Eva im Garten ruft und fragt: `Wo seid ihr?' " Spätere Generationen pflegten alles Ungewöhnliche und Außerordentliche, ob natürlichen oder geistigen Ursprungs, direkt dem persönlichen Eingreifen der Götter zuzuschreiben. ***** 75.5 Auswirkungen der Verfehlung ***** Evas Desillusionierung war wahrhaft erschütternd. Adam erkannte das Ausmaß der misslichen Lage und empfand, obwohl gebrochenen Herzens und niedergeschmettert, für seine verirrte Gefährtin nur Mitleid und Mitgefühl. Im verzweifelten Bewusstsein seines Scheiterns suchte Adam am Tag nach Evas Fehltritt Laotta auf, eine glänzende noditische Frau, die den westlichen Schulen des Gartens vorstand, und beging mit ihr vorsätzlich die gleiche Torheit wie Eva. Aber versteht das nicht falsch; Adam war nicht betört; er wusste genau, was er tat; er wollte ganz bewusst Evas Los teilen. Er liebte seine Gattin mit übermenschlicher Liebe, und der Gedanke an die Möglichkeit einer einsamen Wache auf Urantia ohne sie war mehr, als er ertragen konnte. Als sie erfuhren, was mit Eva geschehen war, waren die erzürnten Bewohner des Gartens nicht mehr zu halten, und sie erklärten der benachbarten noditischen Niederlassung den Krieg. Sie stürzten sich aus den Toren Edens, fielen über diese unvorbereiteten Menschen her und brachten sie alle um - kein einziger, weder Mann, Frau noch Kind, wurde verschont. Und auch Kano, der Vater des ungeborenen Kain, kam um. Mit Bestürzung kam Serapatatia zu Bewusstsein, was geschehen war, und er geriet außer sich vor Furcht und Gewissensbissen. Am nächsten Tag ertränkte er sich im großen Fluss. Adams Kinder versuchten, ihre Mutter, die wie von Sinnen war, zu trösten, während ihr Vater dreißig Tage lang einsam umherwanderte. Am Ende dieser Zeit setzte sich das gesunde Urteil durch, und Adam kehrte nach Hause zurück und begann mit der Planung ihres zukünftigen Vorgehens. So oft teilen unschuldige Kinder die Folgen der Torheiten ihrer irregeleiteten Eltern. Die rechtschaffenen, edlen Söhne und Töchter Adams und Evas waren überwältigt vom unerklärlichen Leid der unglaublichen Tragödie, die so plötzlich und mitleidlos über sie hereingebrochen war. Noch fünfzig Jahre danach hatten sich die älteren dieser Kinder nicht von dem Schmerz und der Trauer dieser tragischen Tage erholt, insbesondere vom Entsetzen jener Zeitspanne von dreißig Tagen, während der ihr Vater von zu Hause abwesend war, derweil ihre verzweifelte Mutter in völliger Ungewissheit über seinen Aufenthaltsort und sein Schicksal blieb. Und ebendiese dreißig Tage waren für Eva wie lange Jahre des Grams und des Leids. Nie hat sich diese edle Seele vollkommen von den Wirkungen dieser qualvollen Periode mentalen Leidens und geistigen Kummers erholt. Keine Einzelheit ihrer später ausgestandenen Entbehrungen und materiellen Not reichten in Evas Erinnerung auch nur annähernd an jene schrecklichen Tage und entsetzlichen Nächte der Verlassenheit und unerträglichen Ungewissheit heran. Sie erfuhr von der Kurzschlusshandlung Serapatatias und wusste nicht, ob ihr Lebensgefährte sich aus Schmerz umgebracht hatte oder zur Strafe für ihren Fehltritt von der Welt entfernt worden war. Aber als Adam zurückkehrte, empfand Eva eine beglückende Freude und Dankbarkeit, die auch ein Leben beschwerlichen Dienens in langer und schwieriger Partnerschaft nie auszulöschen vermochte. Die Zeit verstrich, aber Adam war sich der Natur ihres Vergehens nicht sicher, bis siebzig Tage nach Evas Verfehlung die Melchisedek-Treuhänder nach Urantia zurückkehrten und die Gerichtsbarkeit über die Weltangelegenheiten an sich nahmen. Jetzt wusste er, dass sie gefehlt hatten. Aber noch mehr Unheil braute sich zusammen: Es dauerte nicht lange, bis die Nachricht von der Vernichtung der Noditenniederlassung bei Eden zu den im Norden wohnenden, heimatlichen Stämmen Serapatatias gelangte, und bald versammelte sich eine große Kriegerschar, um gegen den Garten loszuziehen. Und das war nur der Beginn einer langen und erbitterten Fehde zwischen Adamiten und Noditen, denn diese Feindseligkeiten gingen noch lange weiter, nachdem Adam mit seinen Gefolgsleuten in den zweiten Garten des Euphrattals ausgewandert war. Es bestand eine intensive und dauernde "Feindschaft zwischen jenem Mann und der Frau, zwischen seinen Nachkommen und ihren Nachkommen". ***** 75.6 Adam und Eva verlassen den Garten ***** Als Adam erfuhr, dass die Noditen heranrückten, suchte er Rat bei den Melchisedeks, aber sie weigerten sich, ihm welchen zu geben. Sie sagten ihm nur, er solle tun, was ihm am besten schiene, und versprachen ihm im Rahmen des Möglichen ihre freundliche Unterstützung für jeden von ihm eingeschlagenen Weg. Es war den Melchisedeks untersagt worden, sich in die persönlichen Pläne Adams und Evas einzumischen. Adam wusste, dass er und Eva gefehlt hatten. Das sagte ihm die Anwesenheit der Melchisedek-Treuhänder, obwohl er immer noch nichts über ihrer beider persönlichen Status oder künftiges Schicksal wusste. Er besprach sich eine ganze Nacht lang mit rund zwölfhundert ergebenen Getreuen, die ihrem Führer zu folgen gelobten, und am Mittag des nächsten Tages zogen diese Pilger aus Eden auf der Suche nach einer neuen Heimat aus. Adam mochte keinen Krieg, und so entschloss er sich, den Noditen den ersten Garten kampflos zu überlassen. Am dritten Tag nach Verlassen des Gartens wurde die edenische Karawane durch die Ankunft seraphischer Transporte aus Jerusem angehalten. Und zum ersten Mal wurden Adam und Eva darüber informiert, was mit ihren Kindern geschehen sollte. Während die Transportengel bereitstanden, wurde jenen Kindern, die das Wahlalter (zwanzig Jahre) erreicht hatten, freigestellt, entweder mit ihren Eltern auf Urantia zu bleiben oder Mündel der Allerhöchsten Norlatiadeks zu werden. Zwei Drittel entschieden sich dafür, nach Edentia zu gehen; ungefähr ein Drittel zog es vor, bei den Eltern zu bleiben. Alle Kinder im Vorwahlalter wurden nach Edentia gebracht. Niemand konnte die schmerzliche Trennung des Materiellen Sohnes und der Materiellen Tochter von ihren Kindern mitansehen, ohne sich bewusst zu werden, dass der Weg eines Gesetzesübertreters hart ist. Diese Nachkommen Adams und Evas befinden sich jetzt auf Edentia; wir wissen nicht, was für sie geplant ist. Es war eine traurige, sehr traurige Karawane, die sich zur Weiterreise anschickte. Kann man sich eine größere Tragik vorstellen! Mit so hohen Erwartungen auf eine Welt gekommen und so verheißungsvoll empfangen worden zu sein, um dann in Ungnade aus Eden ausziehen zu müssen und sogar noch vor dem Finden einer neuen Bleibe über drei Viertel seiner Kinder zu verlieren! ***** 75.7 Die Degradierung Adams und Evas ***** Während jener Rast der edenischen Karawane wurden Adam und Eva auch über die Natur ihrer Übertretung informiert und über ihr Schicksal ins Bild gesetzt. Gabriel erschien, um das Urteil zu verkünden. Und dies war der Richterspruch: Der Planetarische Adam und die Planetarische Eva Urantias werden der Verfehlung für schuldig befunden; sie haben das Abkommen der Treuhandverwaltung als Herrscher dieser bewohnten Welt verletzt. Bei allen auf ihnen lastenden Schuldgefühlen bereitete ihnen doch die Ankündigung große Freude, dass ihre Richter auf Salvington sie von allen Anklagen, "die Universumsregierung zu missachten", freigesprochen hatten. Sie waren nicht der Rebellion für schuldig befunden worden. Das edenische Paar wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass es sich selber zum Status von Sterblichen der Welt degradiert hatte, sich fortan als ein Mann und eine Frau Urantias zu verhalten hatte und mit derselben Zukunft wie die Rassen der Welt rechnen musste. Lange bevor Adam und Eva Jerusem verließen, hatten ihre Lehrmeister ihnen die Folgen jeder wesentlichen Abweichung von den göttlichen Plänen gründlich erklärt. Ich hatte sie persönlich vor und nach ihrer Ankunft auf Urantia wiederholt gewarnt, dass eine Reduzierung auf den Status eines Sterblichen das gewisse Resultat, die mit Sicherheit zu erwartende Strafe wäre, die zwangsläufig mit einer Verfehlung bei der Ausübung ihrer planetarischen Sendung einherginge. Aber den Unsterblichkeitsstatus der materiellen Sohnesordnung zu verstehen ist wesentlich, um die Folgen der Verfehlung Adams und Evas klar zu begreifen. 1. Wie ihresgleichen auf Jerusem unterhielten Adam und Eva ihren Unsterblichkeitsstatus durch intellektuelle Einbindung in den Verstandesgravitationskreis des Geistes. Wenn diese lebenswichtige Stütze durch mentale Abkoppelung wegfällt, geht der Immortalitätsstatus verloren, welches auch immer die geistige Ebene der Geschöpfesexistenz ist. Der Status Sterblicher, gefolgt von physischer Auflösung, war die unvermeidliche Folge der intellektuellen Verfehlung Adams und Evas. 2. Da der Materielle Sohn und die Materielle Tochter Urantias auch in der Gestalt von Sterblichen dieser Welt personifiziert waren, hingen sie zusätzlich von der Aufrechterhaltung eines doppelten Zirkulationssystems ab, von denen eines in ihrer physischen Natur lag, während das andere von der in der Frucht des Lebensbaumes gespeicherten Überenergie gespeist wurde. Immer wieder hatte der Wächter-Erzengel Adam und Eva daran erinnert, dass ein Treuebruch auf eine Statusherabsetzung hinausliefe, und so wurde ihnen der Zugang zu dieser Energiequelle nach ihrer Verfehlung verwehrt. Es gelang Caligastia, Adam und Eva in die Falle zu locken, aber er verfehlte sein Ziel, sie zu offener Auflehnung gegen die Universumsregierung zu verführen. Was sie getan hatten, war in der Tat schlecht, aber sie machten sich nie der Wahrheitsverachtung schuldig, noch rebellierten sie bewusst gegen die gerechte Herrschaft des Universalen Vaters und seines Schöpfersohnes. ***** 75.8 Der sogenannte Sündenfall ***** Adam und Eva fielen tatsächlich von ihrem hohen Stand Materieller Söhne herab auf den niedrigen Status sterblicher Menschen. Aber das war nicht der Sündenfall. Trotz der unmittelbaren Konsequenzen der adamischen Verfehlung ist die menschliche Rasse veredelt worden. Obwohl der göttliche Plan, der den Völkern Urantias die violette Rasse schenken wollte, fehlschlug, haben die sterblichen Rassen doch gewaltigen Nutzen aus dem beschränkten Beitrag Adams und seiner Nachkommen an die Rassen Urantias gezogen. Es hat keinen "Sündenfall" gegeben. Die Geschichte der menschlichen Rasse ist eine Geschichte fortschreitender Evolution, und die adamische Hingabe brachte den Völkern der Welt verglichen mit ihrer früheren biologischen Verfassung eine große Verbesserung. Die höher stehenden Bevölkerungsanteile Urantias besitzen jetzt Erbfaktoren, die aus nicht weniger als vier getrennten Quellen stammen: von den Andoniten, den Sangikvölkern, den Noditen und den Adamiten. Adam sollte nicht als jemand betrachtet werden, der über die menschliche Rasse einen Fluch gebracht hat. Obwohl er bei der Verfolgung des göttlichen Planes fehlte, obwohl er seinen Vertrag mit der Gottheit verletzte, obwohl er und seine Gattin zwar auf einen niedrigeren Geschöpfesstatus degradiert wurden, hat trotz alledem ihr Beitrag an die menschliche Rasse viel bewirkt, um die Zivilisation Urantias voranzubringen. Wenn man die Ergebnisse der adamischen Mission auf eurer Welt abwägt, verlangt es die Gerechtigkeit, die auf dem Planeten herrschenden Zustände zu berücksichtigen. Adam sah sich einer nahezu hoffnungslosen Aufgabe gegenüber, als er mit seiner schönen Gefährtin von Jerusem auf diesen verfinsterten und wirren Planeten gebracht wurde. Aber hätten sie sich durch den Rat der Melchisedeks und deren Mitarbeiter führen lassen und wären sie geduldiger gewesen, hätten sie letztenendes Erfolg gehabt. Aber Eva lieh ihr Ohr heimtückischer Propaganda von persönlicher Freiheit und planetarischer Handlungsfreiheit. Sie ließ sich dazu verleiten, mit dem Lebensplasma der materiellen Sohnesordnung zu experimentieren, indem sie diesem ihr anvertrauten Leben erlaubte, sich vorzeitig zu vermengen mit demjenigen der damaligen aus den ursprünglichen Plänen der Lebensbringer hervorgegangen gemischten Ordnung, welchem zuvor dasjenige der fortpflanzungsfähigen Wesen vom einstigen Stab des Planetarischen Fürsten beigemischt worden war. Nie werdet ihr während eures ganzen Aufstiegs zum Paradies irgendetwas gewinnen, wenn ihr aus Ungeduld versucht, den bestehenden göttlichen Plan durch Abkürzungen, persönliche Erfindungen oder andere Kunstgriffe zu umgehen, um damit den Weg der Vollkommenheit, den Weg zur Vollkommenheit, den Weg für die ewige Vollkommenheit zu ebnen. Alles in allem hat es wohl nie auf einem Planeten in ganz Nebadon eine entmutigendere Entfernung von der Weisheit gegeben. Aber es ist weiter nicht erstaunlich, dass in den Angelegenheiten der evolutionären Universen solche Fehltritte vorkommen. Wir sind Teil einer gigantischen Schöpfung, und es ist nicht verwunderlich, dass sich nicht alles in Vollkommenheit abspielt; unser Universum wurde nicht in Vollkommenheit erschaffen. Die Vollkommenheit ist unser ewiges Ziel, nicht unser Ursprung. Wenn dies ein mechanistisches Universum wäre, wenn der Erste Zentrale Ursprung nur eine Kraft und nicht auch eine Persönlichkeit wäre, wenn die ganze Schöpfung eine gewaltige Ansammlung physischer Materie wäre, beherrscht von genauen Gesetzen, die durch unveränderliche Energieaktionen charakterisiert würden, dann könnte Vollkommenheit herrschen, sogar trotz des unvollständigen Universumsstatus. Es gäbe keine Meinungsverschiedenheit; es gäbe keine Reibung. Aber in unserem sich entwickelnden Universum relativer Vollkommenheit und Unvollkommenheit freuen wir uns darüber, dass Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse möglich sind, denn sie sind der Beweis für die Tatsache und das Handeln der Persönlichkeit im Universum. Und wenn unsere Schöpfung eine durch die Persönlichkeit beherrschte Existenz ist, dann könnt ihr der Möglichkeiten des Fortlebens, des Fortschritts und der Vollendung der Persönlichkeit sicher sein; wir können Vertrauen haben in das Wachstum, die Erfahrung und das Abenteuer der Persönlichkeit. Was für ein herrliches Universum, da es persönlich und im Fortschritt begriffen ist und nicht nur mechanisch oder gar auf passive Art vollkommen! [Dargeboten von Solonia, der seraphischen "Stimme im Garten".] ****** Kapitel 76 Der Zweite Garten ****** ALS Adam beschloss, den Noditen den ersten Garten kampflos zu überlassen, konnten er und seine Gefolgsleute nicht nach Westen gehen, weil die Edeniten für ein derartiges Meeresabenteuer keine geeigneten Boote besaßen. Sie konnten nicht nach Norden gehen, weil die nördlichen Noditen bereits im Anmarsch auf Eden waren. Sie fürchteten sich, nach Süden zu gehen, weil die Berge jener Gegend voll feindlicher Stämme waren. Der einzige Weg öffnete sich nach Osten hin, und so machten sie sich in östlicher Richtung auf die Reise in die damals freundlichen Gegenden zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris. Und viele von denen, die sie zurückgelassen hatten, zogen später ebenfalls ostwärts, um sich den Adamiten in ihrer neuen Heimat im Tal anzuschließen. Kain und Sansa wurden beide geboren, noch bevor die adamische Karawane ihr Ziel zwischen den Flüssen in Mesopotamien erreichte. Laotta, Sansas Mutter, starb bei der Geburt ihrer Tochter; Eva litt stark, überlebte aber dank ihrer kräftigeren Konstitution. Eva schloss Sansa, Laottas Töchterchen, in ihr Herz, und es wurde zusammen mit Kain aufgezogen. Sansa wuchs zu einer Frau mit großen Fähigkeiten heran. Sie heiratete Sargan, den Führer der nördlichen blauen Rassen und trug zum Fortschritt der blauen Menschen jener Zeit bei. ***** 76.1 Die Edeniten betreten Mesopotamien ***** Adams Karawane benötigte fast ein ganzes Jahr, um den Euphrat zu erreichen. Da dieser gerade Hochwasser führte, schlugen sie auf der Ebene im Westen des Flusses ein Lager auf und blieben dort fast sechs Wochen lang, bevor sie zum Land zwischen den Strömen übersetzten, das der zweite Garten werden sollte. Als zu den Bewohnern im Gebiet des zweiten Gartens die Kunde drang, der König und Hohepriester des Gartens Eden rücke auf sie zu, flohen sie überstürzt in die östlichen Berge. Bei seiner Ankunft fand Adam das ganze gewünschte Gebiet geräumt vor. Und an diesem neuen Ort machten sich Adam und seine Helfer jetzt an die Arbeit, neue Häuser zu bauen und ein neues Kultur- und Religionszentrum zu errichten. Dieser Ort war Adam als eine der drei ursprünglichen Optionen des Komitees bekannt, das mit der Suche nach geeigneten Gegenden für den von Van und Amadon projektierten Garten beauftragt worden war. Die beiden Flüsse bildeten in jenen Tagen eine gute natürliche Verteidigung, und etwas nördlich vom zweiten Garten kamen sich Euphrat und Tigris so nahe, dass zum Schutze des südlich davon und zwischen den Flüssen gelegenen Landes ein neunzig Kilometer langer Verteidigungswall gebaut werden konnte. Nachdem sie sich im neuen Eden niedergelassen hatten, sahen sie sich genötigt, eine primitive Lebensweise anzunehmen; es schien, als liege wahrhaftig ein Fluch auf dem Boden. Die Natur nahm wieder einmal ihren Lauf. Jetzt waren die Adamiten gezwungen, einem unbearbeiteten Boden das Lebensnotwendige zu entreißen und angesichts der natürlichen Feindseligkeiten und Unvereinbarkeiten der irdischen Existenz mit den Realitäten des Lebens fertig zu werden. Den ersten Garten hatten sie schon teilweise für sich vorbereitet gefunden, aber den zweiten mussten sie durch ihr eigener Hände Werk und im "Schweiße ihres Angesichts" erst schaffen. ***** 76.2 Kain und Abel ***** Weniger als zwei Jahre nach Kain wurde Abel geboren, das erste im zweiten Garten geborene Kind Adams und Evas. Als Abel zwölf Jahre alt war, beschloss er, Hirte zu werden; Kain hatte sich für die Landwirtschaft entschieden. Nun war es in jenen Tagen üblich, der Priesterschaft etwas von dem, worüber man verfügte, zu opfern. Die Hirten gaben Tiere aus ihren Herden, die Ackerbauer Feldfrüchte; und in Befolgung dieser Sitte brachten auch Kain und Abel den Priestern regelmäßig ihre Opfer dar. Die beiden Knaben hatten viele Male über die jeweiligen Vorzüge ihrer Berufe gestritten, und Abel hatte bald bemerkt, dass seine Tieropfer bevorzugt wurden. Umsonst berief sich Kain auf die Tradition des ersten Edens, auf die damalige Bevorzugung der Feldfrüchte. Abel ließ das nicht gelten, und er verspottete seinen älteren Bruder in dessen Verlegenheit. In den Tagen des ersten Eden hatte Adam tatsächlich versucht, das Darbringen von Tieropfern zu untersagen, so dass sich Kain für seine Behauptungen mit Recht auf eine frühere Tatsache berufen konnte. Es war indessen schwierig, das religiöse Leben des zweiten Edens zu organisieren. Adam war mit Tausenden von Einzelproblemen überlastet, die sich beim Bauen, in der Verteidigung und in der Landwirtschaft stellten. Da er geistig sehr niedergeschlagen war, beauftragte er mit der Organisation von Andacht und Erziehung dieselben Getreuen noditischer Abstammung, die schon im ersten Garten in dieser Eigenschaft gedient hatten; und sogar in einer so kurzen Zeit kehrten diese amtierenden noditischen Priester wieder zu den Normen und Gepflogenheiten der voradamischen Zeiten zurück. Die beiden Knaben hatten sich nie gut vertragen, und diese Opferangelegenheit schürte den wachsenden Hass zwischen den beiden. Abel wusste, dass er Adams und Evas Sohn war und erinnerte Kain bei jeder Gelegenheit daran, dass Adam nicht sein Vater war. Kain hatte nicht reines violettes Blut, da sein Vater der noditischen Rasse angehörte, die sich im Lauf der Zeit mit den blauen und roten Menschen und mit der ursprünglichen andonischen Rasse vermischt hatte. Und all das in Verbindung mit seiner natürlichen kämpferischen Veranlagung nährte in Kain einen ständig wachsenden Hass auf seinen jüngeren Bruder. Als die Jungen achtzehn beziehungsweise zwanzig Jahre alt waren, wurde die zwischen ihnen aufgestaute Spannung eines Tages für immer gelöst, als Abels Gespött seinen heftigen Bruder dermaßen in Wut brachte, dass dieser sich im Zorn über ihn hermachte und ihn erschlug. Am Verhalten Abels kann das Gewicht von Umfeld und Erziehung als Faktoren bei der Charakterbildung ermessen werden. Abel hatte ein ideales Erbe, und allem Charakter liegt das Erbgut zugrunde; aber der Einfluss einer niederen Umwelt neutralisierte praktisch dieses wunderbare Erbe. Abel hatte insbesondere während seiner jüngeren Jahre stark unter dem Einfluss einer ungünstigen Umgebung gestanden. Er wäre eine ganz andere Person geworden, wenn er bis fünfundzwanzig oder dreißig gelebt hätte; sein prächtiges Erbe wäre dann durchgebrochen. Während ein gutes Umfeld nicht viel ausrichten kann, um die Charakterschwächen einer minderwertigen Heredität wirklich zu überwinden, kann eine schlechte Umwelt ein ausgezeichnetes Erbe sehr wirksam verderben, zumindest während der jüngeren Lebensjahre. Eine gute soziale Umgebung und eine angemessene Erziehung sind als Boden und Atmosphäre unerlässlich, um aus einer guten Erbanlage das Beste herauszuholen. Abels Eltern wurden sich seines Todes bewusst, als seine Hunde die Herden ohne ihren Herrn nach Hause brachten. Für Adam und Eva wurde Kain rasch zur grausamen Erinnerung an ihre Torheit, und sie bestärkten ihn in seinem Entschluss, den Garten zu verlassen. Kains Leben in Mesopotamien war nicht gerade glücklich gewesen, da er die Verfehlung auf so besondere Weise symbolisierte. Nicht, dass seine Mitmenschen unfreundlich zu ihm gewesen wären, aber ihr unbewusster Groll gegen seine Gegenwart war ihm nicht entgangen. Kain, der kein Stammeszeichen trug, wusste, dass er deshalb von den ersten Stammesangehörigen der Nachbarschaft, auf die er zufällig stieße, umgebracht würde. Furcht und einige Gewissensbisse ließen Reue in ihm aufkommen. Kain war nie von einem Justierer bewohnt gewesen, hatte der Familiendisziplin stets getrotzt und für die Religion seines Vaters nur Geringschätzung übrig gehabt. Aber jetzt ging er zu Eva, seiner Mutter, und bat sie um geistige Hilfe und Führung, und als ihn aufrichtig nach göttlichem Beistand verlangte, nahm ein Justierer in ihm Wohnung. Und dieser Justierer, der ihm innewohnte und aus ihm schaute, verschaffte ihm einen deutlichen Vorteil an Überlegenheit, der ihn dem sehr gefürchteten Stamm Adams gleichsetzte. Und so machte sich Kain nach dem im Osten des zweiten Edens gelegenen Lande Nods auf. Er wurde zu einem großen Führer einer Gruppe des Volkes seines Vaters und erfüllte bis zu einem gewissen Grade die Voraussagen Serapatatias, denn er sorgte zu seinen Lebzeiten für Frieden zwischen dieser Noditenabteilung und den Adamiten. Kain heiratete Remona, seine entfernte Kusine, und ihr erster Sohn, Enoch, wurde das Haupt der elamitischen Noditen. Und jahrhundertelang lebten Elamiten und Adamiten miteinander in Frieden. ***** 76.3 Das Leben in Mesopotamien ***** Mit dem Gang der Zeit wurden im zweiten Garten die Folgen der Verfehlung immer spürbarer. Unsäglich vermissten Adam und Eva ihr früheres Zuhause der Schönheit und Ruhe und ihre Kinder, die nach Edentia gebracht worden waren. Der Anblick dieses wunderbaren, auf den Status gewöhnlicher Sterblicher der Welt herabgesunkenen Paares war wirklich jammervoll; aber sie trugen ihren herabgesetzten Stand mit Anmut und Fassung. Adam verbrachte in weiser Voraussicht seine meiste Zeit mit der Schulung seiner Kinder und Mitarbeiter in ziviler Verwaltung, Erziehungsmethoden und religiösen Andachtsübungen. Ohne diesen Weitblick wäre bei seinem Tod die Hölle los gewesen. Aber so rief Adams Tod kaum Änderungen in der Leitung der Angelegenheiten seines Volkes hervor. Und lange bevor Adam und Eva das Zeitliche segneten, stellten sie fest, dass ihre Kinder und Gefolgsleute allmählich gelernt hatten, die glorreichen Tage Edens zu vergessen. Es war für die Mehrzahl ihrer Anhänger besser, dass sie Edens Größe tatsächlich vergaßen; das feite sie eher dagegen, über ihre unfreundlichere Umgebung übertriebene Unzufriedenheit zu empfinden. Die zivilen Führer der Adamiten stammten durch Vererbung von den Söhnen des ersten Gartens ab. Adams erster Sohn, Adamson (Adam Ben Adam) gründete im Norden des zweiten Edens ein Nebenzentrum der violetten Rasse. Adams zweiter Sohn, Evason, wurde ein meisterlicher Führer und Verwalter; er war der große Helfer seines Vaters. Evason lebte nicht ganz so lange wie sein Vater, und sein ältester Sohn, Jansad, übernahm Adams Nachfolge an der Spitze der adamitischen Stämme. Die religiösen Führer - die Priesterschaft - gingen auf Seth zurück, den ältesten im zweiten Garten geborenen überlebenden Sohn Adams und Evas. Er wurde hundertneunundzwanzig Jahre nach Adams Ankunft auf Urantia geboren. Seth vertiefte sich ganz in die Aufgabe, den geistigen Status des Volkes seines Vaters zu heben, und er wurde das Haupt der neuen Priesterschaft des zweiten Gartens. Sein Sohn, Enos, begründete die neue Ordnung der Gottesverehrung, und sein Enkel, Kenan, richtete den missionarischen Außendienst für die nahen und fernen Stämme der Umgebung ein. Das sethitische Priestertum war eine dreifache Einrichtung, welche Religion, Gesundheit und Erziehung umfasste. Man lehrte die Priester dieses Ordens, religiöse Zeremonien zu leiten, als Ärzte und Hygieneüberwacher zu dienen und als Lehrer in den Schulen des Gartens zu wirken. Adams Karavane hatte die Samen und Knollen von Hunderten von Pflanzen und Getreidesorten aus dem ersten Garten in das Land zwischen den Strömen mitgebracht; die Auswanderer hatten auch große Herden und einige Exemplare von allen domestizierten Tieren mit sich geführt. Das verschaffte ihnen gegenüber den umliegenden Stämmen große Vorteile. Sie erfreuten sich vieler Wohltaten der früheren Kultur des ursprünglichen Gartens. Bis zu ihrem Verlassen des Gartens hatten sich Adam und seine Familie immer von Früchten, Getreide und Nüssen ernährt. Auf dem Weg nach Mesopotamien hatten sie zum ersten Mal Kräuter und Gemüse gegessen. Der Fleischgenuss hielt im zweiten Garten schon bald Einzug, aber Fleisch gehörte nie zu Adams und Evas täglicher Nahrung . Ebenso wenig wurden Adamson, Evason und die anderen Kinder der ersten Generation des ersten Gartens Fleischesser. Die Adamiten übertrafen die umliegenden Völker bei Weitem an kultureller Leistung und intellektueller Entwicklung. Sie schufen das dritte Alphabet und legten außerdem die Fundamente zu vielem, was als Vorläufer der modernen Kunst, Wissenschaft und Literatur zu betrachten ist. Hier in der Gegend zwischen Euphrat und Tigris pflegten sie die Fertigkeiten des Schreibens, der Metallbearbeitung, Töpferei und Weberei und schufen eine Baukunst, die auch in Tausenden von Jahren nicht übertroffen wurde. Das Familienleben der violetten Völker war für ihre Tage und ihr Zeitalter ideal. Die Kinder mussten Schulungskurse in Ackerbau, handwerklichen Fertigkeiten und Viehzucht durchlaufen, oder aber sie wurden ausgebildet, um der dreifachen Pflicht eines Sethiten zu genügen: Priester, Arzt und Lehrer in einem zu sein. Und wenn ihr an die sethitische Priesterschaft denkt, dann verwechselt diese hochgesinnten und edlen Lehrer der Gesundheit und Religion, diese wahren Erzieher, nicht mit den verderbten und geschäftstüchtigen Priesterschaften der späteren Stämme und umliegenden Nationen. Ihre religiösen Vorstellungen von Gottheit und Universum waren fortgeschritten und mehr oder weniger zutreffend, ihre Gesundheitsmaßnahmen für ihre Zeit ausgezeichnet, und ihre Erziehungsmethoden sind seither niemals übertroffen worden. ***** 76.4 Die violette Rasse ***** Adam und Eva waren die Begründer der violetten Rasse, der neunten auf Urantia erschienenen menschlichen Rasse. Adam und seine Sprösslinge hatten blaue Augen, und die violetten Menschen charakterisierten sich durch helle Hautfarbe und helle - gelbe, rote und braune - Haare. Eva musste beim Gebären ebenso wenig leiden wie die frühen evolutionären Rassen. Erst die gemischten Rassen, die aus der Vereinigung der evolutionären Menschen mit den Noditen und später mit den Adamiten hervorgingen, waren beim Kindergebären heftigen Schmerzen unterworfen. Adam und Eva wurden wie ihre Brüder auf Jerusem von einer doppelten Energiequelle gespeist, indem sie sowohl Nahrung als auch Licht aufnahmen, ergänzt durch einige auf Urantia nicht offenbarte überphysische Energien. Ihre auf Urantia erzeugten Nachkommen erbten die elterliche Fähigkeit zur Energieaufnahme und Lichtzirkulation nicht. Sie besaßen eine einfache Zirkulation, den menschlichen Typus der Ernährung über das Blut. Sie waren, obwohl langlebig, zum Sterben bestimmt, wobei die Langlebigkeit sich mit jeder folgenden Generation der menschlichen Norm näherte. Adam und Eva und die erste Generation ihrer Kinder aßen kein Tierfleisch. Sie ernährten sich einzig von "den Früchten der Bäume". Nach der ersten Generation begannen alle Nachkommen Adams mit dem Verzehr von Milchprodukten, aber viele von ihnen hielten sich weiterhin an eine fleischlose Kost. Viele der südlichen Stämme, mit denen sie sich später vereinigten, aßen ebenfalls kein Fleisch. Später wanderten die meisten dieser Vegetarierstämme nach Osten aus und überlebten durch Aufgehen in den heutigen Völkern Indiens. Sowohl die physische wie geistige Sehkraft Adams und Evas waren derjenigen der heutigen Völker weit überlegen. Ihre Spezialsinne waren viel schärfer, und sie konnten die Mittler und Engelscharen, die Melchisedeks und den gefallenen Fürsten Caligastia sehen, der sich verschiedentlich mit seinem edlen Nachfolger zu Unterredungen traf. Noch mehr als hundert Jahre nach der Verfehlung behielten sie die Fähigkeit, die himmlischen Wesen zu sehen. Diese Spezialsinne waren in ihren Kindern nicht in gleicher Schärfe vorhanden und hatten die Tendenz, sich mit jeder neuen Generation abzuschwächen. Den adamischen Kindern wohnte gewöhnlich ein Justierer inne, da sie allesamt unzweifelhaft Fähigkeiten zum Fortleben besaßen. Diese hoch stehenden Nachkommen waren der Furcht nicht so sehr unterworfen wie die Kinder der Evolution. In den heutigen Rassen Urantias lebt derart viel Angst weiter, weil eure Vorfahren wegen des frühen Misslingens der Pläne zur physischen Rassenveredelung so wenig von Adams Lebensplasma erhalten haben. Die Körperzellen der Materiellen Söhne und ihrer Nachkommen sind viel resistenter gegen Krankheiten als jene der auf dem Planeten geborenen evolutionären Wesen. Die Körperzellen der einheimischen Rassen sind mit den Krankheitserregern, den lebenden mikroskopischen und ultramikroskopischen Organismen der Welt, verwandt. Diese Tatsachen erklären, weshalb die Völker Urantias zur Bekämpfung so vieler physischer Störungen so große wissenschaftliche Anstrengungen unternehmen müssen. Ihr wäret gegen Krankheiten weit besser gewappnet, wenn eure Rassen einen größeren Anteil adamischen Lebens besäßen. Nachdem sich Adam im zweiten Garten am Euphrat eingerichtet hatte, beschloss er, vor seinem Tod zum Wohle der Welt soviel von seinem Lebensplasma wie nur möglich zurückzulassen. Also wurde Eva an die Spitze einer Zwölferkommission zur Rassenverbesserung berufen, und bis zu Adams Tod hatte diese Kommission 1 682 urantianische Frauen des höchsten Typs ausgewählt, welche mit dem adamischen Lebensplasma befruchtet wurden. Ihre Kinder erreichten außer hundertzwölf von ihnen alle das Erwachsenenalter, so dass die Welt auf diesem Wege die Wohltat von zusätzlichen 1 570 höher stehenden Männern und Frauen empfing. Zwar wurden die Anwärterinnen auf die Mutterschaft allen umliegenden Stämmen entnommen und vertraten die meisten Rassen der Welt, aber in ihrer Mehrzahl suchte man sie unter den höchsten Linien der Noditen aus, und mit ihnen nahm die mächtige Rasse der Anditen ihren Anfang. Die Kinder wurden im Stammesumfeld ihrer jeweiligen Mütter geboren und aufgezogen. ***** 76.5 Der Tod Adams und Evas ***** Kurze Zeit nach der Einrichtung des zweiten Eden wurden Adam und Eva klar davon unterrichtet, dass ihre Reue annehmbar sei und dass sie, wenn auch dazu verurteilt, das Schicksal der Sterblichen ihrer Welt zu erleiden, bestimmt damit rechnen könnten, in die Reihen der schlafenden Fortlebenden Urantias aufgenommen zu werden. Sie glaubten fest an diese gute Nachricht ihrer Auferstehung und Rehabilitierung, die ihnen von den Melchisedeks auf so rührende Weise verkündet wurde. Ihre Übertretung war ein Fehlurteil gewesen und nicht die Sünde bewusster und vorsätzlicher Auflehnung. Adam und Eva hatten als Bürger Jerusems keine Gedankenjustierer, noch wohnten ihnen solche während ihres Wirkens im ersten Garten auf Urantia inne. Aber kurz nach ihrer Reduzierung auf den Status Sterblicher wurden sie sich einer neuen inneren Gegenwart bewusst und erwachten sie zu der Einsicht, dass menschlicher Status zusammen mit aufrichtiger Reue es Justierern ermöglicht hatte, sie zu bewohnen. Es war dieses Wissen darum, von Justierern bewohnt zu werden, was Adam und Eva während des ganzen Rests ihres Lebens so außerordentlich ermutigte. Sie wussten, dass sie als Materielle Sohn und Tochter Satanias gescheitert waren, aber sie wussten auch, dass ihnen als aufsteigenden Söhnen des Universums die Laufbahn zum Paradies immer noch offenstand. Adam wusste, dass gleichzeitig mit seiner Ankunft auf dem Planeten eine Dispensationsauferstehung stattgefunden hatte, und er glaubte, dass er und seine Gefährtin wahrscheinlich in Verbindung mit der Ankunft der nächsten Sohnesordnung neu personifiziert werden würden. Er wusste nicht, dass Michael, der Souverän dieses Universums, so bald auf Urantia erscheinen würde; er rechnete damit, dass der nächste Sohn, der kommen würde, der Ordnung der Avonale angehören würde. Trotzdem war es für Adam und Eva immer ein Trost, über die einzige persönliche Botschaft nachzusinnen, die sie je von Michael erhielten, wenn es ihnen auch schwer fiel, sie zu verstehen. Diese Botschaft, die daneben auch Worte der Freundschaft und Ermutigung enthielt, lautete: "Ich habe den Umständen eurer Verfehlung Rechnung getragen; ich habe mich eures Herzenswunsches erinnert, stets dem Willen meines Vaters treu zu bleiben; und ihr werdet aus den Armen des Schlummers der Sterblichen aufgerufen werden, wenn ich nach Urantia komme, es sei denn, die untergeordneten Söhne meines Reichs senden vor dieser Zeit nach euch." Und das war für Adam und Eva ein großes Rätsel. Sie konnten aus dieser Botschaft ein verhülltes Versprechen einer möglichen besonderen Auferstehung herauslesen, und eine solche Möglichkeit erfüllte sie mit großer Freude, aber sie konnten den Sinn der Andeutung nicht herausfinden, dass sie vielleicht bis zu der Zeit einer Auferstehung, die mit Michaels persönlichem Erscheinen auf Urantia einherginge, ruhen würden. Und so verkündete das edenische Paar immer, dass eines Tages ein Sohn Gottes kommen würde, und sie äußerten ihren Nächsten gegenüber den Glauben, oder zumindest die sehnliche Hoffnung, dass gerade der Planet ihrer Fehlgriffe und Leiden die vom Herrscher dieses Universums ins Auge gefasste Welt sein könnte, auf der er als Sohn der Selbsthingabe des Paradieses wirken würde. Es schien zu schön, um wahr zu sein, aber Adam hielt an dem Gedanken fest, das von Hader zerrissene Urantia könnte sich am Ende als die vom Schicksal meistbegünstigte Welt des Systems von Satania, als der beneidenswerteste Planet von ganz Nebadon, erweisen. Adam lebte 530 Jahre lang; man könnte sagen, dass er an seinem hohen Alter starb. Sein physischer Mechanismus war ganz einfach erschöpft; der Zerfallsprozess gewann allmählich die Oberhand über den Regenerationsprozess, und das unvermeidliche Ende kam. Eva war neunzehn Jahre zuvor an einem Herzversagen gestorben. Sie wurden beide im Zentrum des Tempels göttlichen Dienstes begraben, der kurz nach Fertigstellung der Schutzmauer der Kolonie nach ihren Plänen erbaut worden war. Und das war der Ursprung der Sitte, bekannte fromme Männer und Frauen unter dem Fußboden von Andachtsstätten beizusetzen. Die übermaterielle Regierung Urantias unter Leitung der Melchisedeks blieb weiter im Amt, aber der direkte physische Kontakt mit den evolutionären Rassen war abgebrochen. Seit jenen fernen Tagen, als der körperliche Stab des Planetarischen Fürsten eingetroffen war, und über Vans und Amadons Zeiten bis hin zu Adams und Evas Ankunft waren auf dem Planeten immer physische Repräsentanten der Universumsregierung stationiert gewesen. Aber mit der adamischen Verfehlung nahm diese Ordnung, die mehr als vierhundertfünfzigtausend Jahre lang gedauert hatte, ein Ende. In den geistigen Sphären führten die hilfsbereiten Engelscharen in Verbindung mit den Gedankenjustierern den Kampf weiter, indem sich beide heroisch für die Rettung jedes Einzelnen einsetzten; aber den Sterblichen der Erde wurde kein umfassender, weitreichender Plan zum Wohle der Welt verkündet, bis zur Zeit Abrahams Machiventa Melchisedek eintraf, der mit der Macht, Geduld und Autorität eines Gottessohnes den Grund zu einer erneuten Aufrichtung und geistigen Rehabilitierung des unglücklichen Urantia legte. Indessen war nicht nur Missgeschick das Los Urantias; dieser Planet war auch der vom Glück am meisten begünstigte des ganzen Lokaluniversums von Nebadon. Die Urantianer sollten es als einen großen Gewinn betrachten, dass die Entgleisungen ihrer Vorväter und die Fehler ihrer frühen Weltherrscher, die den Planeten in einen so hoffnungslos verwirrten, durch Übel und Sünde noch verschlimmerten Zustand stürzten, dass dieser ganze finstere Hintergrund derart an Michael appellierte, dass er diese Welt zum Schauplatz wählte, um die liebende Persönlichkeit des Vaters im Himmel zu offenbaren. Nicht dass Urantia eines Schöpfersohnes bedurft hätte, um seine verwickelten Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, aber die Anwesenheit von Übel und Sünde auf Urantia boten dem Schöpfersohn einen Hintergrund, vor dem er die unvergleichliche Liebe, das Erbarmen und die Geduld des Paradies-Vaters nur umso eindrucksvoller offenbaren konnte. ***** 76.6 Adams und Evas Fortleben ***** Adam und Eva verschieden im festen Glauben an das ihnen von den Melchisedeks gegebene Versprechen, sie würden eines Tages aus dem Todesschlaf aufwachen und ihr Leben auf den Residenzwelten fortsetzen, auf jenen Welten, die ihnen so vertraut waren von den Tagen her, die vor ihrer Sendung als fleischgewordene Angehörige der violetten Rasse auf Urantia lagen. Sie sollten nicht lange in der Vergessenheit des bewusstlosen Schlafs der Sterblichen der Welt ruhen. Am dritten Tag nach Adams Hinscheiden, dem zweiten nach seinem mit Ehrfurcht begangenen Begräbnis, wurden Verfügungen Lanaforges in Gabriels Hände gelegt, welche die Unterstützung des amtierenden Allerhöchsten Edentias genossen, und im Einverständnis mit dem im Namen Michaels handelnden Einiger der Tage Salvingtons erfolgten und die die besondere Auferstehung der verdienstvollen Fortlebenden der adamischen Verfehlung auf Urantia dekretierten. Dieser Anordnung einer Spezialauferstehung zufolge - der sechsundzwanzigsten der Serie Urantias - wurden Adam und Eva zusammen mit 1 316 ihrer Gefährten, die mit ihnen die Erfahrung des ersten Gartens gemacht hatten, in den Auferstehungshallen der Residenzwelten Satanias neu personifiziert und zusammengefügt. Die Transferierung vieler anderer loyaler Seelen war schon zum Zeitpunkt von Adams Ankunft erfolgt. Seine Ankunft war einhergegangen mit einem Dispensationsgericht über die schlafenden Fortlebenden und die lebenden qualifizierten Aufsteiger. Adam und Eva durchliefen rasch die Welten des aufsteigenden Fortschritts, bis sie das Bürgerrecht Jerusems erlangten, und ließen sich einmal mehr auf ihrem Heimatplaneten nieder, aber diesmal als Angehörige einer anderen Ordnung von Universumspersönlichkeiten. Sie hatten Jerusem als Dauerbürger verlassen - als Gottessöhne; nun kehrten sie als aufsteigende Bürger zurück - als Menschensöhne. Sie wurden auf der Systemkapitale sogleich dem Urantia-Dienst zugeteilt und später in die Gruppe von vierundzwanzig Beratern aufgenommen, die die gegenwärtige beratende und lenkende Körperschaft Urantias bildet. Und so endet die Geschichte der Planetarischen Adam und Eva Urantias, eine Geschichte der Prüfung, der Tragödie und des Triumphs, wenigstens eines persönlichen Triumphs des in guter Absicht handelnden, aber irregeführten Materiellen Paars, und letztendlich zweifelsohne eine Geschichte höchsten Triumphs für seine Welt und deren durch die Rebellion hin- und hergeworfenen und vom Übel gepeinigten Bewohner. Wenn man alles zusammenrechnet, trugen Adam und Eva kräftig zur raschen Zivilisierung und zum beschleunigten biologischen Fortschritt der menschlichen Rasse bei. Sie ließen auf der Erde eine hohe Kultur zurück, aber es war einer so fortgeschrittenen Zivilisation nicht möglich, angesichts der frühen Verdünnung und des schließlichen Aufgehens des adamischen Erbes zu überleben. Es sind die Menschen, die eine Zivilisation schaffen; die Zivilisation schafft keine Menschen. [Dargeboten von Solonia, der seraphischen "Stimme im Garten".] ****** Kapitel 77 Die Mittler-Geschöpfe ****** DIE meisten der bewohnten Planeten Nebadons beherbergen eine oder mehrere Gruppen einzigartiger Wesen, welche auf einer Ebene der Lebensfunktion existieren, die etwa in der Mitte zwischen derjenigen der Sterblichen der Welten und derjenigen der Engelsordnungen liegt; deshalb nennt man sie Mittler-Geschöpfe. Sie scheinen ein zufälliges Ereignis der Zeit zu sein, aber man findet sie so allgemein verbreitet und sie sind als Helfer so nützlich, dass wir sie schon immer als eine der wesentlichen Ordnungen unseres gemeinsamen planetarischen Dienstes akzeptiert haben. Auf Urantia wirken zwei verschiedene Ordnungen von Mittlern: das primäre oder Seniorkorps, das in den Tagen Dalamatias entstand, und die sekundäre oder jüngere Gruppe, deren Ursprung auf Adams Zeit zurückgeht. ***** 77.1 Die primären Mittler ***** Die primären Mittler haben ihren Ursprung in einem einmaligen Zusammenwirken zwischen Materiellem und Geistigem auf Urantia. Wir kennen die Existenz vergleichbarer Geschöpfe auf anderen Welten und in anderen Systemen, aber sie verdanken ihren Ursprung anderen Techniken. Man tut gut daran, stets zu bedenken, dass die auf einem in Entwicklung begriffenen Planeten nacheinander erfolgenden Hingaben von Gottessöhnen im geistigen Haushalt dieser Welt bedeutende Veränderungen hervorrufen und manchmal das Zusammenspiel von geistigen und materiellen Wirkkräften auf einem Planeten so modifizieren, dass wirklich schwer verständliche Situationen entstehen. Gerade der Status der hundert körperlichen Stabsmitglieder des Fürsten Caligastia liefert ein Beispiel für solch ein einmaliges Zusammenwirken: Als aufsteigende morontielle Bürger Jerusems waren sie übermaterielle Geschöpfe ohne Fortpflanzungsvorrechte. Als niedersteigende planetarische Diener auf Urantia waren sie materielle, geschlechtliche Geschöpfe, fähig, materielle Nachkommen zu zeugen (was einige von ihnen später auch taten). Was wir nicht zufrieden stellend erklären können, ist, wie diese Hundert auf einer übermateriellen Ebene als Eltern funktionieren konnten, aber genau das ist geschehen. Eine übermaterielle (nichtsexuelle) Verbindung eines männlichen und eines weiblichen Mitglieds des körperlichen Stabs hatte das Erscheinen des Erstgeborenen der primären Mittler zur Folge. Man entdeckte sogleich, dass ein Geschöpf dieser Art, das sich auf halbem Wege zwischen Sterblichen und Engeln befand, bei der Erledigung der am Hauptsitz des Fürsten anfallenden Geschäfte große Dienste leisten könnte. Also erhielt jedes Paar des körperlichen Stabs die Erlaubnis, ein derartiges Wesen zu erzeugen. Dieser Bemühung entsprang die erste Gruppe von fünfzig Mittler-Geschöpfen. Nachdem der Planetarische Fürst die Arbeit dieser einzigartigen Schar ein Jahr lang beobachtet hatte, bewilligte er die uneingeschränkte Zeugung von Mittlern. Dieser Plan wurde solange befolgt, wie die Fortpflanzungsfähigkeit anhielt, und so entstand das ursprüngliche, 50 000 Mitglieder zählende Korps. Zwischen die Zeugung von zwei Mittlern schob sich jeweils ein Intervall von sechs Monaten, und nachdem einem jeden Paar eintausend solcher Wesen geboren worden waren, erschienen ihrer nie mehr weitere. Und es gibt keine Erklärung dafür, weshalb die Potenz nach Erscheinen des tausendsten Sprösslings erschöpft war. Allen danach unternommenen Experimenten war nur Misserfolg beschieden. Diese Geschöpfe bildeten das Nachrichtenkorps der fürstlichen Verwaltung. Sie waren überall gegenwärtig, studierten und beobachteten die Rassen der Welt und erwiesen dem Fürsten und seinem Stab daneben unschätzbare Dienste bei der Aufgabe, die menschliche Gesellschaft fernab vom planetarischen Hauptsitz zu beeinflussen. Diese Ordnung dauerte bis zu den tragischen Tagen der planetarischen Rebellion, von der sich etwas mehr als vier Fünftel der primären Mittler umgarnen ließen. Das loyale Korps trat in den Dienst der Melchisedek-Treuhänder und funktionierte bis zu den Tagen Adams unter der nominellen Führung Vans. ***** 77.2 Die noditische Rasse ***** Obwohl dies eine Beschreibung von Ursprung, Natur und Funktion der Mittler-Geschöpfe Urantias ist, macht es die Verwandtschaft zwischen den beiden Ordnungen - der primären und sekundären - nötig, die Geschichte der primären Mittler an diesem Punkt zu unterbrechen, um der Abstammungslinie der rebellischen Mitglieder des körperlichen Stabs des Fürsten Caligastia von den Tagen der planetarischen Rebellion an bis zu der Zeit Adams nachzugehen. Es war diese Erblinie, die in den frühen Tagen des zweiten Gartens die Hälfte der Ahnenschaft der sekundären Ordnung der Mittler-Geschöpfe lieferte. Die physischen Angehörigen des fürstlichen Stabs waren als geschlechtliche Geschöpfe gebildet worden, um sich am Plan der Zeugung von Nachkommen zu beteiligen, in denen sich die kombinierten Eigenschaften ihrer eigenen Ordnung mit denen ausgewählter andonischer Stammesvertreter vereinigen würden, und all das war im Hinblick auf das spätere Erscheinen Adams geschehen. Die Lebensbringer hatten einen neuen Typ von Sterblichen geplant, der die Vereinigung der gemischten Nachkommen des fürstlichen Stabs mit der ersten Generation der Kinder Adams und Evas in Aussicht nahm. Ihr Projekt sah eine neue Ordnung planetarischer Geschöpfe vor, von denen sie sich versprachen, sie würden zu Lehrer-Führern der menschlichen Gesellschaft werden. Diese Wesen waren zu gesellschaftlicher und nicht zu ziviler Führerschaft bestimmt. Aber da dieses Projekt fast gänzlich schiefging, werden wir nie die milde Führung und unvergleichliche Kultur der Aristokratie kennen, deren Urantia dadurch beraubt wurde. Denn als die körperlichen Stabsmitglieder sich später fortpflanzten, war es nach der Rebellion und nachdem sie von der Verbindung mit den Lebensströmen des Systems abgeschnitten worden waren. In der Ära nach der Rebellion geschahen auf Urantia viele ungewöhnliche Dinge. Eine große Zivilisation - die Kultur Dalamatias - zerbrach. "In jenen Tagen lebten die Nephilim (Noditen) auf Erden, und als diese Söhne der Götter zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen gebaren, waren ihre Kinder `die mächtigen Männer von einst', `die berühmten Männer'." Obwohl die Stabsangehörigen und ihre frühen Abkömmlinge kaum "Söhne Gottes" waren, wurden sie von den evolutionären Sterblichen jener fernen Tage als solche wahrgenommen; sogar ihr Wuchs wurde von der Tradition verherrlicht. Das also ist der Ursprung der nahezu universellen Volkssage von den Göttern, die auf die Erde herabstiegen und hier mit den Töchtern der Menschen eine alte Rasse von Helden zeugten. Und diese ganze Legende wurde noch wirrer durch die Rassenvermischungen mit den später erscheinenden Adamiten im zweiten Garten. Da die hundert körperlichen Stabsmitglieder des Fürsten das Keimplasma der menschlichen andonischen Linien besaßen, würde man natürlicherweise erwarten, dass, wenn sie zu sexueller Fortpflanzung schritten, ihre Nachkommen in allem den Sprösslingen anderer andonischer Eltern gleichen würden. Aber als die sechzig Rebellen des Stabs, die Gefolgsleute Nods, tatsächlich mit sexueller Fortpflanzung begannen, stellte sich heraus, dass ihre Kinder sowohl den andonischen wie den Sangikvölkern in fast jeder Beziehung weit überlegen waren. Diese unerwartete Vortrefflichkeit charakterisierte nicht nur ihre physischen und intellektuellen Eigenschaften, sondern auch ihre geistigen Fähigkeiten. Diese in der ersten noditischen Generation auftretenden mutierenden Züge rührten von gewissen Veränderungen her, die in der Anordnung und den chemischen Bestandteilen der Erbfaktoren des andonischen Keimplasmas bewirkt worden waren. Diese Veränderungen wurden durch die Gegenwart der mächtigen lebenserhaltenden Kreisläufe des Systems von Satania in den Körpern der Stabsmitglieder hervorgerufen. Unter der Wirkung dieser Lebenskreisläufe geschah eine Umorganisierung der Chromosomen des spezialisierten Urmusters Urantias in Richtung der Modelle der Standardspezialisierung Satanias der in Nebadon geltenden Lebensmanifestation. Die Technik dieser Metamorphose des Keimplasmas unter Einwirkung der Lebensströme des Systems hat eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen Verfahren, durch welche Urantias Wissenschaftler das Keimplasma von Pflanzen und Tieren unter Anwendung von Röntgenstrahlen modifizieren. Die noditischen Völker gingen also aus bestimmten besonderen und unerwartet eintretenden Modifikationen des Lebensplasmas hervor, das die Chirurgen Avalons aus den Körpern der andonischen Spender in diejenigen der Mitglieder des körperlichen Stabs verpflanzt hatten. Wir möchten daran erinnern, dass die hundert andonischen Plasmaspender ihrerseits in den Besitz der organischen Ergänzung des Lebensbaums gebracht wurden, so dass auch ihre Körper in den Genuss der Lebensströme Satanias kamen. Auch die vierundvierzig modifizierten Andoniten, die sich den rebellischen Stabsmitgliedern anschlossen, paarten sich untereinander und leisteten einen großen Beitrag zu den besseren Linien der Noditen. Diese beiden 104 Individuen zählenden Gruppen, die mit dem modifizierten andonischen Keimplasma ausgestattet waren, sind die Ahnen der Noditen, der achten auf Urantia erscheinenden Rasse. Und dieser neue Aspekt menschlichen Lebens auf Urantia stellt eine weitere Phase der Ausführung des ursprünglichen Plans dar, der diesen Planeten zum Experimentieren mit modifiziertem Leben benutzte, abgesehen davon, dass dies eine der nicht vorausgesehenen Entwicklungen war. Die reinblütigen Noditen waren eine prächtige Rasse, aber sie vermischten sich allmählich mit den evolutionären Völkern der Erde und binnen kurzem war ein großer Abstieg zu beobachten. Zehntausend Jahre nach der Rebellion hatten sie so viel an Boden verloren, dass ihre mittlere Lebensdauer kaum mehr diejenige der evolutionären Rassen überstieg. Wenn die Archäologen die beschriebenen Tontafeln der späteren sumerischen Nachfahren der Noditen ausgraben, entdecken sie darauf Listen von sumerischen Königen, die mehrere tausend Jahre zurückreichen; und mit zunehmender zeitlicher Entfernung der Berichte steigt die Regierungszeit der einzelnen Könige von etwa fünfundzwanzig oder dreißig auf hundertfünfzig und mehr Jahre an. Die Verlängerung der Regierungsdauer dieser älteren Könige bedeutet, dass einige der früheren noditischen Herrscher (unmittelbare Abkömmlinge der fürstlichen Stabsangehörigen) tatsächlich länger lebten als ihre späteren Nachfolger und weist auch auf ein Bemühen hin, sich die Dynastien bis zurück nach Dalamatia erstrecken zu lassen. Die Berichte von derart langlebigen Personen sind auch auf die Verwechslung von Monaten und Jahren als Zeitperioden zurückzuführen. Dasselbe kann beim biblischen Stammbaum Abrahams und in den frühen Aufzeichnungen der Chinesen festgestellt werden. Das Durcheinanderbringen des Monats von achtundzwanzig Tagen, oder Jahreszeit, mit dem später eingeführten Jahr von über dreihundertfünzig Tagen ist für die Überlieferung derart langer Menschenleben verantwortlich. Es gibt Berichte von einem Menschen, der über neunhundert "Jahre" lang lebte. Diese Periode bedeutet nicht ganz siebzig Jahre, und eine solche Lebensdauer wurde während ganzer Zeitalter als sehr lang betrachtet, "dreimal zwanzig Jahre und zehn", wie man diese Lebensspanne später bezeichnete. Die Zeitrechnung mit dem Achtundzwanzig-Tage-Monat hielt sich noch lange über die Tage Adams hinaus. Aber als die Ägypter vor etwa siebentausend Jahren zur Kalenderreform schritten, taten sie es mit großer Genauigkeit, indem sie das Jahr mit 365 Tagen einführten. ***** 77.3 Der Turm zu Babel ***** Nach der Überflutung Dalamatias wandten sich die Noditen nach Norden und Osten und gründeten bald die Stadt Dilmun als Zentrum ihrer Rasse und Kultur. Und etwa fünfzigtausend Jahre nach Nods Tod, als die Nachkommen des fürstlichen Stabs zu zahlreich geworden waren, um ihr Leben in den um die neue Stadt Dilmun liegenden Gegenden fristen zu können, und nachdem sie sich nach außen gewandt und Angehörige der Andoniten- und Sangikstämme entlang ihrer Grenzen geheiratet hatten, kam ihren Führern der Gedanke, es müsse etwas getan werden, um ihre rassische Einheit zu bewahren. Also wurde ein Stammesrat einberufen, der nach langer Beratung den Plan Bablots, eines Nachfahren Nods, guthieß. Bablot schlug vor, im Zentrum des damals von ihnen besetzten Gebietes einen protzigen Tempel rassischer Glorifizierung zu errichten. Dieser Tempel sollte einen Turm besitzen, wie ihn die Welt noch nie gesehen hatte. Er sollte zu einem monumentalen Denkmal ihrer schwindenden Größe werden. Viele von ihnen wünschten, dass dieses Monument in Dilmun errichtet werde, aber andere, die sich an die überlieferte Überflutung ihrer ersten Hauptstadt Dalamatia erinnerten, machten geltend, dass ein so großartiges Gebäude in sicherer Entfernung von den Gefahren des Meeres zu stehen kommen sollte. Bablot plante, die neuen Gebäude zum Kern des zukünftigen Zentrums noditischer Kultur und Zivilisation zu machen. Seine Ansicht setzte sich schließlich durch, und man begann, nach seinen Plänen zu bauen. Die neue Stadt sollte nach dem Architekten und Erbauer des Turms Bablot genannt werden. Dieser Ort hieß später Bablod und endlich Babel. Aber die Noditen waren gefühlsmäßig hinsichtlich der Pläne und des Zwecks des Unternehmens immer noch einigermaßen geteilter Meinung. Und ihre Führer waren untereinander weder über die Konstruktionspläne der Gebäude noch über ihre Verwendung nach Fertigstellung ganz einig. Nachdem viereinhalb Jahre lang gearbeitet worden war, erhob sich ein großer Streit über Ziel und Beweggrund des Turmbaus. Der Wortstreit wurde so erbittert, dass alle Arbeit aufhörte. Die Nahrungszulieferer verbreiteten die Nachricht von den Meinungsverschiedenheiten, und eine große Zahl von Stämmen begann sich an der Baustelle einzufinden. Drei verschiedene Ansichten über den Zweck des Turmbaus wurden vorgetragen: 1. Die größte Gruppe, fast die Hälfte, wünschte, dass der Turm als ein Denkmal noditischer Geschichte und rassischer Überlegenheit gebaut werde. Sie waren der Meinung, es sollte ein großartiger und imponierender Bau werden, der alle künftigen Generationen in Staunen versetzen würde. 2. Die zweitstärkste Gruppe wollte, dass der Turm dazu bestimmt werde, der Kultur Dilmuns ein Denkmal zu setzen. Sie sah die Zukunft Bablots als diejenige eines bedeutenden Handels-, Kunst- und Handwerkszentrums. 3. Eine kleine Minorität meinte, dass die Errichtung des Turms eine Gelegenheit böte, für die Torheit ihrer Vorväter, sich an der Rebellion Caligastias beteiligt zu haben, zu sühnen. Sie verfochten die Ansicht, dass der Turm der Anbetung des Vaters aller vorbehalten sein und die neue Stadt den einzigen Zweck haben sollte, an die Stelle Dalamatias zu treten - als kulturelles und religiöses Zentrum für die ringsum wohnenden Barbaren zu funktionieren. Die religiöse Gruppe wurde prompt niedergestimmt. Die Mehrheit wies die Lehre zurück, dass ihre Ahnen sich der Rebellion schuldig gemacht hätten; sie ärgerten sich über einen solchen Rassenmakel. Aber nachdem sie sich eines der drei Standpunkte der Auseinandersetzung entledigt hatten, vermochten sie die beiden anderen nicht durch eine Diskussion beizulegen und fielen übereinander her. Die nichtkombattanten Religiösen flohen zu ihren Behausungen im Süden, während ihre Brüder bis zur fast völligen Auslöschung weiterkämpften. Vor etwa zwölftausend Jahren wurde ein zweiter Versuch unternommen, den Turm zu Babel zu bauen. Die gemischten Rassen der Anditen (Noditen und Adamiten) gingen daran, auf den Ruinen des ersten Baus einen neuen Tempel zu errichten, aber es gab nicht genügend Unterstützung für das Unternehmen; es fiel unter dem Gewicht seiner Anmaßung zusammen. Diese Gegend hieß lange Zeit das Land von Babel. ***** 77.4 Noditische Zentren der Zivilisation ***** Die Zersprengung der Noditen war das unmittelbare Resultat des brudermörderischen Konflikts um den Turm zu Babel. Dieser innere Krieg verminderte die Zahl der reineren Noditen beträchtlich und war für ihr Unvermögen verantwortlich, eine große voradamische Kultur zu errichten. Von diesem Zeitpunkt an ging es mit der noditischen Kultur während über hundertzwanzigtausend Jahren bergab, bis sie durch die adamische Beimischung wieder aufgerichtet wurde. Aber sogar zu Adams Zeiten waren die Noditen immer noch ein fähiges Volk. Viele ihrer gemischten Nachkommen befanden sich unter den Erbauern des Gartens, und mehrere der Hauptleute von Vans Gruppen waren Noditen. Einige der fähigsten Köpfe, die in Adams Stab dienten, gehörten dieser Rasse an. Drei der vier bedeutenden noditischen Zentren wurden unmittelbar nach dem Konflikt von Bablot errichtet: 1. Die westlichen oder Syrischen Noditen. Die Überreste der Vertreter der nationalistischen oder rassischen Denkmalsidee wanderten nach Norden, wo sie sich mit den Andoniten vereinigten und die späteren noditischen Zentren des Nordwestens Mesopota-miens gründeten. Das war die größte Gruppe der sich zerstreuenden Noditen und sie trug viel zum Entstehen des später erscheinenden Volks der Assyrer bei. 2. Die östlichen oder Elamitischen Noditen. Die Befürworter von Handel und Kultur wanderten in großer Zahl nach Elam im Osten aus und vereinigten sich dort mit den gemischten Sangikstämmen. Die Elamiten von vor dreißig- oder vierzigtausend Jahren waren ihrer Natur nach weitgehend Sangik geworden, obwohl sie immer noch eine Zivilisation aufrechterhielten, die höher stand als die der umliegenden Barbaren. Nach der Einrichtung des zweiten Gartens pflegte man diese noditische Niederlassung als "das Land Nods" zu bezeichnen; und während der langen Zeitspanne relativen Friedens zwischen dieser Noditengruppe und den Adamiten vermischten sich die beiden Rassen weitgehend, denn die Sitte bürgerte sich immer mehr ein, dass die Söhne Gottes (die Adamiten) die Töchter der Menschen (die Noditen) heirateten. 3. Die zentralen oder vorsumerischen Noditen. Eine kleine Gruppe im Mündungsgebiet von Euphrat und Tigris bewahrte mehr von ihrer rassischen Integrität. Sie hielt sich über Tausende von Jahren und lieferte schließlich die noditische Ahnenschaft, die sich mit den Adamiten vermischte, um die sumerischen Völker der historischen Zeiten zu begründen. Und all das erklärt, weshalb die Sumerer auf so plötzliche und geheimnisvolle Weise auf der Bühne des Geschehens in Mesopotamien auftraten. Die Forscher werden nie imstande sein, diesen Völkerstämmen nachzugehen und sie bis zum Anfang der Sumerer zurückzuverfolgen, die ihren Ursprung vor zweihunderttausend Jahren nach der Überflutung Dalamatias nahmen. Ohne die Spur eines Ursprungs anderswo in der Welt tauchen diese alten Stämme plötzlich am Horizont der Zivilisation mit einer vollentwickelten, höheren Kultur auf, welche Tempel, Metallbearbeitung, Ackerbau, Tiere, Töpferei, Weberei, Handelsgesetze, bürgerliches Gesetzbuch, religiöses Zeremoniell und ein altes Schriftsystem umfasst. Zu Beginn der historischen Ära hatten sie seit langem das Alphabet von Dalamatia verloren und dann das besondere, in Dilmun entstandene Schriftsystem angenommen. Die sumerische Sprache, obwohl der Welt praktisch verloren gegangen, war nicht semitisch; sie hatte vieles mit den so genannten arischen Sprachen gemeinsam. Die ausführlichen, von den Sumerern hinterlassenen Aufzeichnungen beschreiben den Ort einer bemerkenswerten Siedlung, die am persischen Golf in der Nähe der früheren Stadt Dilmun gelegen war. Die Ägypter nannten diese ruhmreiche alte Stadt Dilmat, während die späteren adamisierten Sumerer beide noditischen Städte, die erste und die zweite, mit Dalamatia verwechselten und alle drei Dilmun nannten. Und schon haben die Archäologen jene alten sumerischen Tontafeln gefunden, welche von diesem irdischen Paradies berichten, "wo die Götter die Menschheit zum ersten Mal mit dem Beispiel eines zivilisierten und kulturellen Lebens segneten". Und diese Tafeln, die Dilmun, das Paradies der Menschen und Gottes, beschreiben, ruhen jetzt in der Stille staubiger Regale vieler Museen. Die Sumerer kannten das erste und zweite Eden sehr wohl, aber trotz ausgiebiger Heiraten mit den Adamiten fuhren sie fort, die Bewohner des Gartens im Norden als eine fremde Rasse zu betrachten. Sumerischer Stolz auf die ältere noditische Kultur ließ sie diese späteren Ruhmesperspektiven ignorieren zugunsten der Größe und der paradiesischen Traditionen der Stadt Dilmun. 4. Die nördlichen Noditen und Amadoniten - die Vaniten. Diese Gruppe erschien vor dem Konflikt um Bablot. Diese nördlichsten Noditen stammten von jenen ab, die Nod und seinen Nachfolgern die Gefolgschaft verweigert und sich Van und Amadon angeschlossen hatten. Einige der frühen Mitarbeiter Vans ließen sich in der Folge am Ufer des Sees nieder, der immer noch seinen Namen trägt, und ihre Überlieferungen rankten sich um diesen Ort. Der Ararat wurde ihr heiliger Berg, und er hatte für die späteren Vaniten so ziemlich dieselbe Bedeutung wie der Sinai für die Hebräer. Vor zehntausend Jahren lehrten die Vanitischen Ahnen der Assyrer, ihr sittliches Gesetz von sieben Geboten sei Van von den Göttern auf dem Berg Ararat gegeben worden. Sie waren des festen Glaubens, dass Van und sein Gefährte Amadon lebend vom Planeten weggebracht wurden, als sie oben auf dem Berg in Anbetung versunken waren. Der Berg Ararat war der heilige Berg des nördlichen Mesopotamiens, und da vieles in dem euch aus diesen alten Zeiten Überlieferten im Zusammenhang mit der babylonischen Geschichte von der Sintflut hinzukam, verwundert es nicht, dass der Berg Ararat und seine Umgebung in die spätere jüdische Geschichte von Noah und der allgemeinen Flut verwoben wurden. Um 35 000 v. Chr. nahm Adamson eine der östlichsten der alten vanitischen Siedlungen in Augenschein, um dort sein Zivilisationszentrum zu gründen. ***** 77.5 Adamson und Ratta ***** Nachdem dieser Bericht die noditische Vorgeschichte der Ahnenschaft der sekundären Mittler geschildert hat, sollte er jetzt die adamische Hälfte ihrer Ahnenschaft betrachten, denn die sekundären Mittler sind auch die Enkelkinder Adamsons, des Erstgeborenen der violetten Rasse Urantias. Adamson gehörte zu jener Gruppe von Kindern Adams und Evas, die sich dafür entschieden, bei ihrem Vater und ihrer Mutter auf der Erde zu bleiben. Nun hatte dieser älteste Sohn Adams Van und Amadon oft die Geschichte von ihrer Heimat im Hochland des Nordens erzählen hören, und einige Zeit nach der Gründung des zweiten Gartens fasste er den Entschluss, sich auf die Suche nach dem Land seiner Jugendträume zu machen. Adamson war zu diesem Zeitpunkt hundertzwanzig Jahre alt und Vater von zweiunddreißig reinblütigen Kindern des zweiten Gartens. Er wollte bei seinen Eltern bleiben und ihnen bei der Errichtung des zweiten Gartens beistehen, aber er litt stark unter dem Verlust seiner Lebensgefährtin und ihrer Kinder, die es allesamt vorgezogen hatten, gemeinsam mit den anderen Kindern Adams, die Schützlinge der Allerhöchsten werden wollten, nach Edentia zu gehen. Adamson wollte seine Eltern nicht allein auf Urantia zurücklassen, es widerstrebte ihm, Schwierigkeiten und Gefahren zu fliehen, aber die Verhältnisse im zweiten Garten waren weit davon entfernt, ihn zu befriedigen. Er trug viel zu der Förderung der frühen Verteidigungs- und Bauarbeiten bei, beschloss aber, bei der ersten Gelegenheit nach Norden zu ziehen. Obwohl sein Abschied völlig harmonisch verlief, waren Adam und Eva tief bekümmert, ihren ältesten Sohn zu verlieren, ihn in eine fremde und feindliche Welt ziehen zu lassen, um ihn, wie sie fürchteten, nie wiederkehren zu sehen. Ein Trupp von siebenundzwanzig Begleitern folgte Adamson nach Norden auf der Suche nach diesem Volk seiner kindlichen Fantasien. Nach etwas mehr als drei Jahren fanden Adamson und seine Reisegesellschaft tatsächlich das Ziel ihres Abenteuers, und unter diesen Menschen entdeckte er eine wunderbare, bildschöne junge Frau von zwanzig Jahren, die für sich in Anspruch nahm, die letzte reine Nachfahrin der Stabsangehörigen des Fürsten zu sein. Diese Frau, Ratta, sagte, dass ihre Ahnen sämtlich von zwei abgefallenen Stabsmitgliedern des Fürsten abstammten. Sie war die letzte ihrer Rasse und besaß keine lebenden Brüder oder Schwestern. Sie war ziemlich entschlossen, ledig zu bleiben und kinderlos zu sterben, aber sie verlor ihr Herz an den majestätischen Adamson. Und als sie die Geschichte von Eden hörte, vernahm, dass die Vorhersagen Vans und Amadons wirklich eingetroffen waren, und dann der Erzählung von der Verfehlung im Garten lauschte, wurde sie nur noch von einem einzigen Gedanken beherrscht - diesen Sohn und Erben Adams zu heiraten. Und rasch bemächtigte sich die Idee Adamsons. Nach etwas über drei Monaten waren sie verheiratet. Adamson und Ratta hatten eine Familie von siebenundsechzig Kindern. Sie begründeten eine große Linie von Führern der Welt, aber sie taten darüber hinaus noch etwas anderes. Es sollte daran erinnert werden, dass diese beiden Wesen wirklich übermenschlich waren. Jedes vierte Kind, das ihnen geboren wurde, gehörte einer besonderen Ordnung an, indem es oft unsichtbar war. Nie war so etwas in der Geschichte der Welt vorgekommen. Ratta war sehr beunruhigt - gar abergläubisch - aber Adam kannte die Existenz der primären Mittler sehr wohl und zog daraus den Schluss, vor seinen Augen müsse sich etwas Ähnliches abspielen. Als das zweite Kind mit sonderbarem Benehmen ankam, beschloss er, beide miteinander zu verheiraten, da das eine männlichen, das andere weiblichen Geschlechts war, und das ist der Ursprung der sekundären Mittlerordnung. Innerhalb von hundert Jahren entstanden fast zweitausend von ihnen, wonach das Phänomen aufhörte. Adamson lebte 396 Jahre. Er kehrte viele Male zurück, um seinen Vater und seine Mutter zu besuchen. Alle sieben Jahre reisten er und Ratta südwärts zum zweiten Garten, und währenddessen hielten ihn die Mittler über das Wohlergehen seines Volkes auf dem Laufenden. Sie leisteten zu Adamsons Lebzeiten große Dienste beim Aufbau eines neuen und unabhängigen Weltzentrums für Wahrheit und Rechtschaffenheit. Und so stand Adamson und Ratta dieses Korps wunderbarer Helfer zur Verfügung, und es arbeitete mit ihnen während ihres langen Lebens daran, die Ausbreitung fortgeschrittener Wahrheit und höherer Normen geistigen, intellektuellen und physischen Lebens zu fördern. Die Resultate dieser Bemühung um eine Besserung der Welt wurden durch spätere Rückentwicklungen nie ganz ausgelöscht. Nach der Zeit Adamsons und Ratta unterhielten die Adamsoniten fast siebentausend Jahre lang eine hohe Kultur. Später vermischten sie sich mit den benachbarten Noditen und Andoniten und zählten ebenfalls zu den "mächtigen Menschen von einst". Und einige Fortschritte jenes Zeitalters überdauerten und wurden zu einem unterschwelligen Teil des kulturellen Potentials, das später in der europäischen Zivilisation aufblühte. Jenes Zivilisationszentrum befand sich in der östlich vom Südende des Kaspischen Meeres gelegenen Region in der Nähe des Kopet Dag. In geringer Höhe der bergigen Ausläufer Turkestans befinden sich die Spuren dessen, was einst das adamsonitische Hauptquartier der violetten Rasse war. An diesen Orten des Hochlands, die in einem engen und alten fruchtbaren Gürtel in den niedrigeren Ausläufern der Kopetkette liegen, erblühten nacheinander in verschiedenen Zeiten vier verschiedene Kulturen, die jeweils durch vier verschiedene Gruppen von Nachkommen Adamsons aufgebaut wurden. Es war die zweite dieser Gruppen, die westwärts nach Griechenland und auf die Mittelmeerinseln auswanderte. Der Rest der Nachfahren Adamsons wanderte nach Norden und Westen und betrat Europa mit den gemischten Angehörigen der letzten aus Mesopotamien kommenden Anditenwelle, und sie zählten auch zu den anditisch-arischen Er-oberern Indiens. ***** 77.6 Die sekundären Mittler ***** Während die primären Mittler einen beinahe übermenschlichen Ursprung hatten, entsprang die sekundäre Ordnung reinem adamischem Blut, das sich mit einer vermenschlichten Nachfahrin von Ahnen vereinigt hatte, die auch die Eltern des Seniorkorps waren. Unter Adamsons Kindern fanden sich genau sechzehn dieser besonderen Erzeuger der sekundären Mittler. Diese einzigartigen Kinder verteilten sich in gleicher Zahl auf beide Geschlechter, und jedes Paar war fähig, durch eine kombinierte Technik sexueller und nichtsexueller Vereinigung alle siebzig Tage einen sekundären Mittler zu erzeugen. Nie zuvor war ein solches Phänomen auf Erden möglich gewesen, noch ist es seither je wieder aufgetreten. Diese sechzehn Kinder lebten und starben (von ihren Besonderheiten abgesehen) wie Sterbliche der Welt, aber ihre Sprösslinge, die auf elektrischem Wege mit Energie versorgt werden, leben unbegrenzt weiter, da sie nicht den Beschränkungen Irdischer unterworfen sind. Jedes der acht Paare zeugte schließlich 248 Mittler, und auf diese Weise entstand das ursprüngliche, 1 984 Mitglieder zählende sekundäre Korps. Es gibt acht Untergruppen von sekundären Mittlern. Man bezeichnet sie als A-B-C den Ersten, Zweiten, Dritten u.s.w. Dann kommt D-E-F der Erste, Zweite u. s. w.. Nach Adams Verfehlung kehrten die primären Mittler wieder in den Dienst der Melchisedek-Treuhänder zurück, während die sekundäre Gruppe bis zum Tod Adamsons dessen Zentrum zugeteilt blieb. Dreiunddreißig dieser sekundären Mittler, die bei Adamsons Tod ihre Organisation befehligten, versuchten, die ganze Ordnung in den Dienst der Melchisedeks hinüberzuziehen und so eine Verbindung mit dem primären Korps herzustellen. Aber da ihnen dies misslang, trennten sie sich von ihren Gefährten und traten in corpore in den Dienst der planetarischen Treuhänder ein. Nach Adamsons Tod übten die restlichen sekundären Mittler ihren Einfluss auf Urantia in seltsamer, unorganisierter und ungebundener Weise aus. Von da an bis zu den Tagen Machiventa Melchisedeks führten sie eine ungebührliche und ungeregelte Existenz. Sie wurden durch diesen Melchisedek teilweise unter Kontrolle gebracht, richteten aber bis zu den Tagen von Christus Michael immer noch viel Unfug an. Während seines Aufenthaltes auf Erden fällten sie alle hinsichtlich ihrer künftigen Bestimmung eine endgültige Entscheidung, und die loyale Mehrheit begab sich unter die Führung der primären Mittler. ***** 77.7 Die rebellischen Mittler ***** Die Mehrheit der primären Mittler verfiel zur Zeit der Rebellion Luzifers in Sünde. Als man den durch die planetarische Rebellion angerichteten Schaden zusammenrechnete, entdeckte man unter anderen Verlusten, dass von den ursprünglichen 50 000 sich 40 119 der Abfallbewegung Caligastias angeschlossen hatten. Die Zahl der sekundären Mittler betrug ursprünglich 1 984, und von diesen weigerten sich 873, Michaels Herrschaft anzuerkennen. Sie wurden am Pfingsttag im Zusammenhang mit dem planetarischen Gericht Urantias ordnungsgemäß interniert. Niemand kann die Zukunft dieser gefallenen Geschöpfe voraussagen. Beide Gruppen rebellischer Mittler werden jetzt in Erwartung des endgültigen Urteils in den Angelegenheiten der Systemrebellion in Haft gehalten. Aber sie verübten auf Erden vor der Eröffnung der gegenwärtigen planetarischen Dispensation viele seltsame Dinge. Die illoyalen Mittler waren in der Lage, sich dem Auge Sterblicher unter bestimmten Bedingungen sichtbar zu machen, und das galt insbesondere für die Mitarbeiter Beelzebubs, des Führers der abtrünnigen sekundären Mittler. Aber diese einmaligen Geschöpfe dürfen nicht verwechselt werden mit gewissen rebellischen Cherubim und Sanobim, die bis zu Christi Tod und Auferstehung ebenfalls auf der Erde anwesend waren. Einige ältere Schriftsteller bezeichneten die rebellischen Mittler-Geschöpfe als böse Geister und Dämonen und die abtrünnigen Seraphim als böse Engel. Auf keiner Welt kann irgendein sterblicher Verstand von bösen Geistern besessen werden, nachdem ein Sohn der Selbsthingabe des Paradieses auf ihr gelebt hat. Aber vor den Tagen von Christus Michael auf Urantia - vor dem universalen Kommen der Gedankenjustierer und der Ausgießung des Geistes des Meisters über alles Fleisch - waren die rebellischen Mittler tatsächlich imstande, die Gemüter gewisser niedrigerer Sterblicher zu beeinflussen und einigermaßen ihr Handeln zu beherrschen. Das geschah ziemlich in derselben Weise, wie die loyalen Mittler-Geschöpfe funktionieren, wenn sie als wirksame Behüter des Zugangs zum menschlichen Verstand von Angehörigen des Reservekorps der Bestimmung immer dann dienen, wenn sich deren Justierer zur Besprechung mit übermenschlichen Intelligenzen für eine Weile von ihrer Persönlichkeit getrennt haben. Es handelt sich nicht nur um bildliche Sprache, wenn in der Schrift steht: "Und sie brachten alle Arten von kranken Menschen zu Ihm, solche, die von Teufeln besessen waren, und solche, deren Geist verwirrt war." Jesus wusste um den Unterschied zwischen Geisteskrankheit und dämonischer Besessenheit und erkannte ihn, auch wenn diese Zustände in der Vorstellung seiner Zeitgenossen stark durcheinander gebracht wurden. Selbst vor Pfingsten konnte kein rebellischer Geist einen normalen menschlichen Verstand beherrschen, und seit jenem Tag sind auch schwache Gemüter niedriger Sterblicher vor solchen Möglichkeiten sicher. Bei angeblichen Teufelsaustreibungen seit der Ankunft des Geistes der Wahrheit handelt es sich um eine Verwechslung des Glaubens an dämonische Besessenheit mit Hysterie, Geisteskrankheit und Schwachsinn. Aber ihr dürft daraus, dass Michaels Selbsthingabe alle menschlichen Verstandeswesen Urantias für immer von jeder Möglichkeit dämonischer Besessenheit befreit hat, nicht schließen, dass diese in früheren Zeitaltern keine Realität war. Die gesamte Gruppe rebellischer Mittler wird jetzt auf Befehl der Allerhöchsten Edentias gefangen gehalten. Sie schweifen nicht mehr in dieser Welt umher, um Unheil anzurichten. Unabhängig von der Gegenwart der Gedankenjustierer hat es der über alles Fleisch ausgegossene Geist der Wahrheit illoyalen Geistern jeder Art oder Schattierung für immer unmöglich gemacht, auch vom schwächsten menschlichen Gemüt Besitz zu ergreifen. Seit dem Pfingsttag kann es nie wieder so etwas wie dämonische Besessenheit geben. ***** 77.8 Die vereinigten Mittler ***** Als Michael beim letzten Gericht über diese Welt die schlummernden Fortlebenden der Zeit wegbrachte, wurden die Mittler-Geschöpfe zurückgelassen, um beim geistigen und halbgeistigen Werk auf dem Planeten mitzuwirken. Sie arbeiten jetzt als ein einziges Korps, das beide Ordnungen umfasst und 10 992 Mitglieder zählt. Die Vereinigten Mittler Urantias werden jetzt abwechselnd vom Senioren jeder Ordnung geleitet. Diese Ordnung besteht seit der kurz nach Pfingsten erfolgten Verschmelzung in eine einzige Gruppe. Die Mitglieder der älteren oder primären Ordnung werden im Allgemeinen mit Nummern bezeichnet; man gibt ihnen oft Namen wie 1-2-3 der Erste, 4-5-6 der Erste u.s.w. Auf Urantia werden die adamischen Mittler alphabetisch bezeichnet, um sie von der numerischen Bezeichnung der primären Mittler zu unterscheiden. Beide Ordnungen sind, was Nahrungs- und Energieaufnahme betrifft, nichtmaterielle Wesen, aber sie haben viele menschliche Züge und sind fähig, sich an eurem Humor ebenso wie an eurer Anbetung zu erfreuen und sie zu verstehen. Wenn sie Sterblichen beigegeben sind, versetzen sie sich in den Geist menschlicher Arbeit, Erholung und Spielfreude. Aber weder schlafen Mittler, noch sind sie fortpflanzungsfähig. In einem gewissen Sinn ist die sekundäre Gruppe in männlich und weiblich ausdifferenziert, und man nennt sie oft "er" oder "sie". Häufig arbeiten solche Paare zusammen. Mittler sind weder Menschen noch Engel, aber die sekundären Mittler stehen ihrer Natur nach den Menschen näher als den Engeln; sie gehören irgendwie zu euren Rassen und sind deshalb in ihrem Kontakt mit menschlichen Wesen sehr verständnisvoll und mitfühlend; sie leisten den Seraphim unschätzbare Dienste bei ihrer Arbeit für die verschiedenen Rassen der Menschheit und mit diesen, und beide Ordnungen sind unerlässlich für die Seraphim, die Sterblichen als persönliche Hüter dienen. Die Vereinigten Mittler Urantias sind für den Dienst mit den planetarischen Seraphim gemäß ihren angeborenen Gaben und erworbenen Fähigkeiten in folgenden Gruppen organisiert: 1. Mittler-Sendboten. Die Mitglieder dieser Gruppe tragen Namen; sie sind ein kleines Korps, und ihre Dienste sind auf einer evolutionären Welt zur Herstellung rascher und zuverlässiger persönlicher Verbindungen äußerst hilfreich. 2. Planetarische Wächter. Die Mittler sind die Hüter, die Bewacher der Welten des Raums. Sie erfüllen die wichtigen Aufgaben von Beobachtern all der zahlreichen Kommunikationsphänomene und -typen, die für die übernatürlichen Wesen der Welt von Belang sind. Sie patrouillieren im unsichtbaren geistigen Bereich des Planeten. 3. Kontaktpersönlichkeiten. Bei Kontakten mit sterblichen Wesen der materiellen Welten wie z. B. mit der Person, über welche diese Mitteilungen durchgegeben wurden, werden immer Mittler-Geschöpfe eingesetzt. Sie sind bei solchen Verbindungen zwischen geistiger und materieller Ebene ein wesentlicher Faktor. 4. Fortschrittsförderer. Das sind die geistigeren unter den Mittler-Geschöpfen, und sie werden als Helfer unter die verschiedenen Seraphimordnungen verteilt, die auf dem Planeten in besonderen Gruppen wirken. Die Mittler sind voneinander sehr verschieden in ihrer Fähigkeit, mit den Seraphim über ihnen und mit ihren menschlichen Vettern unter ihnen in Kontakt zu treten. Für primäre Mittler ist es z. B. außerordentlich schwierig, mit materiellen Wesen direkten Kontakt herzustellen. Sie stehen dem Wesenstyp der Engel beträchtlich näher, und deshalb ist ihnen gewöhnlich die Aufgabe übertragen, mit den auf dem Planeten weilenden geistigen Kräften zusammenzuarbeiten und für sie zu wirken. Sie stehen himmlischen Besuchern und Studierenden während ihres Aufenthaltes als Gefährten und Führer zur Verfügung, wohingegen den sekundären Geschöpfen fast ausschließlich die Betreuung der materiellen Erdenbewohner übertragen ist. Die 1 111 loyalen sekundären Mittler sind auf Erden in wichtigen Missionen tätig. Im Vergleich zu ihren primären Gefährten sind sie entschieden materiell. Sie existieren gerade außerhalb des Sehbereichs der Sterblichen und besitzen genügend Spielraum zur Anpassung, um nach Gutdünken in physischen Kontakt mit dem zu treten, was die Menschen "materielle Dinge" nennen. Diese einmaligen Geschöpfe besitzen ganz bestimmte Kräfte über die Dinge von Zeit und Raum einschließlich der Tiere der Welt. Hinter vielen der den Engeln zugeschriebenen eher materiellen Phänomenen haben die sekundären Mittler-Geschöpfe gestanden. Als die frühen Lehrer der Frohbotschaft Jesu durch die unwissenden religiösen Führer jener Tage ins Gefängnis geworfen wurden, öffnete ein richtiger "Engel des Herrn des Nachts die Kerkertüren und führte sie hinaus". Aber im Falle der Befreiung von Petrus, nachdem Jakobus auf Befehl des Herodes umgebracht worden war, führte ein sekundärer Mittler das einem Engel zugeschriebene Werk aus. Ihre heutige Hauptaufgabe besteht darin, als nicht wahrgenommene Mitarbeiter zwischen jenen Männern und Frauen, die das planetarische Reservekorps der Bestimmung bilden, persönliche Verbindungen herzustellen. Diese sekundäre, von bestimmten Angehörigen des primären Korps gewandt unterstützte Gruppe war es, die auf Urantia jene Koordinierung von Persönlichkeiten und Umständen herbeiführte, die schließlich die himmlischen Leiter des Planeten dazu bewog, Gesuche einzureichen. Diese hatten die Erteilung jener Weisungen zur Folge, welche die Serie von Offenbarungen ermöglichten, zu denen auch diese Darstellung gehört. Aber es sollte klar festgehalten werden, dass die Mittler-Geschöpfe nicht an jenen erbärmlichen Vorführungen beteiligt sind, die unter den allgemeinen Begriff des "Spiritismus" fallen. Alle gegenwärtig auf Urantia anwesenden Mittler genießen einen ehrenhaften Ruf und haben nichts zu tun mit den Phänomenen des so genannten "Mediumismus"; und sie erlauben den Menschen gewöhnlich nicht, Zeugen ihrer manchmal notwendigen physischen Aktivitäten oder anderer Kontakte mit der materiellen Welt zu werden, die menschliche Sinne wahrnehmen könnten. ***** 77.9 Die Dauerbürger Urantias ***** Man kann die Mittler als die erste Gruppe von Dauerbewohnern ansehen, die man überall in den Universen auf den verschiedenen Ordnungen von Welten antrifft, im Unterschied zu den evolutionären Aufsteigern wie den sterblichen Geschöpfen oder den Engelscharen. Man begegnet solchen Dauerbürgern während des Aufstiegs zum Paradies an verschiedenen Orten. Im Unterschied zu den verschiedenen Ordnungen himmlischer Wesen, die den Auftrag haben, auf einem Planeten zu dienen, leben die Mittler auf einer bewohnten Welt. Die Seraphim kommen und gehen, aber die Mittler-Geschöpfe bleiben und werden bleiben, obwohl auch sie den gebürtigen Planetenbewohnern dienen, und sie sorgen für die eine dauernde Ordnung, die die wechselnden Verwaltungen der seraphischen Heerscharen miteinander harmonisiert und verbindet. Als richtige Bürger Urantias haben die Mittler am Schicksal dieser Sphäre das Interesse von Verwandten. Sie sind ein entschlossener Verband, der hartnäckig am Fortschritt seines Geburtsplaneten arbeitet. Von ihrer Entschlossenheit kündet der Wahlspruch ihrer Ordnung: "Was die Vereinigten Mittler unternehmen, das führen die Vereinigten Mittler zu Ende." Obwohl seine Fähigkeit, die Energiekreisläufe zu durchqueren, es jedem Mittler ermöglicht, sich vom Planeten wegzubegeben, haben sie einzeln gelobt, diesen nicht vor ihrer dereinstigen Befreiung durch die Universumsbehörden zu verlassen. Die Mittler sind bis zu den Zeitaltern der Verankerung im Licht und Leben fest an einen Planeten gebunden. Mit Ausnahme von 1-2-3 dem Ersten hat sich kein loyales Mittler-Geschöpf je von Urantia wegbegeben. 1-2-3 der Erste, der Älteste der primären Ordnung, wurde kurz nach Pfingsten seiner unmittelbaren planetarischen Aufgaben entbunden. Dieser edle Mittler hielt in den tragischen Tagen der planetarischen Rebellion unerschütterlich zu Van und Amadon, und seine furchtlose Führung trug viel dazu bei, in seiner Ordnung die Verluste zu senken. Er dient gegenwärtig auf Jerusem als einer der vierundzwanzig Ratgeber, und er hat das Amt eines Generalgouverneurs von Urantia seit Pfingsten einmal ausgeübt. Die Mittler sind an ihren Planeten gebunden, aber ganz so wie Sterbliche mit von weither kommenden Reisenden sprechen und dadurch vieles über ferne Erdgegenden vernehmen, pflegen sich die Mittler mit himmlischen Reisenden auszutauschen, um von fernen Orten des Universums zu hören. Auf diese Weise werden sie mit unserem System und Universum, ja sogar mit Orvonton und seinen Schwesterschöpfungen vertraut und bereiten sich auf das Bürgerrecht auf höheren Stufen der Geschöpfesexistenz vor. Zwar traten die Mittler voll entwickelt ins Dasein - nie haben sie eine Periode des Wachstums oder einen Reifeprozess durchlaufen - aber sie hören nie auf, an Weisheit und Erfahrung zuzunehmen. Wie die Sterblichen sind sie evolutionäre Geschöpfe, und ihre Kultur ist eine ehrlich erworbene evolutionäre Leistung. Es gibt im Mittlerkorps Urantias viele überragende Intelligenzen und mächtige Geister. Aus einer größeren Sicht ist die Zivilisation Urantias das gemeinsame Produkt der Sterblichen Urantias und der Mittler Urantias, und das stimmt trotz des derzeitigen Gefälles zwischen den beiden Kulturen, eines Gefälles, das sich nicht vor den Zeitaltern des Lichts und Lebens ausgleichen wird. Die Mittlerkultur ist die Leistung einer unsterblichen planetarischen Bürgerschaft und deshalb relativ immun gegen zeitliche Wechselfälle, wie sie ständig die menschliche Zivilisation bedrohen. Die Menschengenerationen vergessen, aber das Mittlerkorps erinnert sich, und diese Erinnerung ist das Schatzhaus der Überlieferungen eurer bewohnten Welt. Dadurch bleibt die Kultur eines Planeten auf ihm stets gegenwärtig, und bei passender Gelegenheit können solche Erinnerungsschätze der Vergangenheit verfügbar gemacht werden, gerade so wie die Mittler Urantias ihren irdischen Vettern die Geschichte von Jesu Leben und Lehren geschenkt haben. Die Mittler sind die gewandten Diener, die die Kluft zwischen den materiellen und geistigen Angelegenheiten Urantias, welche sich nach Adams und Evas Tod auftat, überbrücken. Sie sind auch eure älteren Brüder und Kameraden in dem langen Ringen um die feste Verankerung Urantias im Licht und Leben. Die Vereinigten Mittler sind ein Korps, das in der Rebellion erprobt wurde, und sie werden ihre Rolle in der planetarischen Entwicklung getreulich spielen, bis die Welt das Ziel der Zeitalter erreicht, bis zu jenem fernen Tage, da auf Erden wirklicher Friede herrschen und in den Menschenherzen wahrhaftig guter Wille wohnen wird. Aufgrund der wertvollen, von den Mittlern erbrachten Leistung sind wir zu dem Schluss gelangt, dass sie wahrhaft ein wesentlicher Teil der geistigen Ökonomie der Welten sind. Und auf Planeten, deren Angelegenheiten durch keine Rebellion gestört worden sind, sind sie für die Seraphim eine noch größere Hilfe. Die gesamte Organisation aus hohen Geisten, Engelscharen und Mittlergefährten widmet sich mit Enthusiasmus der Förderung des Paradies-Planes für progressiven Aufstieg und schließliche Vollkommenheit der evolutionären Sterblichen. Dieser Plan ist eine der himmlischen Beschäftigungen des Universums - der grandiose Fortlebensplan, der Gott zum Menschen herabbringen und dann den Menschen in einer Art sublimer Partnerschaft zu Gott hinaufführen will und weiter in eine Ewigkeit des Dienens und göttlichen Vollbringens - für Sterbliche wie Mittler in gleicher Weise. [Dargeboten von einem Erzengel von Nebadon.] ****** Kapitel 78 Die Violette Rasse nach den Tagen Adams ****** Das zweite Eden war fast dreißigtausend Jahre lang die Wiege der Zivilisation. Dort in Mesopotamien behaupteten sich die adamischen Völker und sandten ihren Nachwuchs bis an die Enden der Welt. Als sie später mit den noditischen und Sangikstämmen vermischt waren, nannte man sie die Anditen. Aus dieser Gegend kamen die Männer und Frauen, die zu den Leistungen der historischen Zeiten den Anstoß gegeben und den kulturellen Fortschritt Urantias so gewaltig beschleunigt haben. Diese Schrift schildert die planetarische Geschichte der violetten Rasse. Diese Geschichte beginnt bald nach Adams Verfehlung, etwa um 35 000 v. Chr., erstreckt sich über die etwa um 15 000 v. Chr. erfolgte Vermischung mit den noditischen und Sangikrassen, aus der die Anditischen Völker hervorgingen, und reicht bis zum endgültigen Verschwinden der violetten Rasse aus der mesopotamischen Heimat etwa um zweitausend v. Chr. ***** 78.1 Rassische und kulturelle Verteilung ***** Obwohl sich Denken und Sitten der Rassen zu der Zeit von Adams Ankunft auf einer tiefen Stufe befanden, war die physische Evolution völlig unberührt von der durch Caligastias Rebellion ausgelösten Not weitergegangen. Adams Beitrag zum biologischen Status der Rassen hat trotz des teilweisen Scheiterns der Unternehmung die Menschen Urantias ungemein gehoben. Adam und Eva trugen auch viel Wertvolles zum gesellschaftlichen, sittlichen und intellektuellen Fortschritt der Menschheit bei; die Zivilisation erfuhr dank der Anwesenheit ihrer Nachkommen eine gewaltige Beschleunigung. Aber vor 35 000 Jahren besaß die Welt in ihrer Gesamtheit kaum Kultur. Da und dort existierten bestimmte Zivilisationszentren, aber Urantia lag zum größten Teil in Rohheit darnieder. Die rassische und kulturelle Verteilung war folgende: 1. Die Violette Rasse - Adamiten und Adamsoniten. Das Hauptzentrum der adamitischen Kultur befand sich im zweiten Garten, im Dreieck, das von den Flüssen Euphrat und Tigris gebildet wurde; das war wirklich die Wiege der abendländischen und indischen Zivilisation. Das sekundäre oder nördliche Zentrum der violetten Rasse war die adamsonitische Hauptsiedlung, die östlich der Südküste des Kaspischen Meeres in der Nähe des Kopetgebirges lag. Aus diesen beiden Zentren strömten Kultur und Lebensplasma, die alle Rassen so unmittelbar belebten, in die umliegenden Lande. 2. Die Vor-Sumerer und anderen Noditen. In Mesopotamien waren nahe den Flussmündungen auch Überreste der alten, aus den Tagen Dalamatias stammenden Kultur vorhanden. Mit dem Vergehen der Jahrtausende vermischte sich diese Gruppe völlig mit den Adamiten im Norden, aber sie verlor ihre noditischen Überlieferungen nie ganz. Verschiedene andere noditische Gruppen, die sich in der Levante niedergelassen hatten, gingen im Allgemeinen in der später expandierenden violetten Rasse auf. 3. Die Andoniten unterhielten fünf oder sechs recht repräsentative Niederlassungen im Norden und Osten des Hauptsitzes von Adamson. Sie lebten auch über Turkestan verstreut, während es isolierte Gruppen von ihnen in ganz Eurasien, vor allem in gebirgigen Gegenden, gab. Diese Ureinwohner hielten neben Island und Grönland immer noch die nördlichen Gegenden des eurasischen Kontinents besetzt, aber seit langer Zeit schon waren sie durch die blauen Menschen aus den Ebenen Europas und durch die expandierende gelbe Rasse aus den Flusstälern des entfernteren Ostens verdrängt worden. 4. Die roten Menschen hielten Amerika besetzt, seit sie mehr als fünfzigtausend Jahre vor Adams Ankunft aus Asien vertrieben worden waren. 5. Die gelbe Rasse. Die chinesischen Völker hatten Ostasien fest in ihrer Hand. Ihre vorgeschobensten Siedlungen lagen im Nordwesten des modernen China in den Gegenden, die an Tibet grenzen. 6. Die blaue Rasse. Die blauen Menschen waren über ganz Europa versprengt, aber ihre besseren Kulturzentren lagen in den damals fruchtbaren Tälern des Mittelmeerbeckens und in Nordwesteuropa. Die Absorption der Neandertaler hatte die Kultur der blauen Menschen stark verzögert, aber im Übrigen waren sie die dynamischsten, abenteuerlustigsten und erkundungsfreudigsten aller evolutionären Völker Eurasiens. 7. Das Vor-Drawidische Indien. Das komplexe Rassengemisch Indiens - das jede Rasse der Erde, aber insbesondere die grüne, orange und schwarze in sich schloss - bewahrte eine Kultur, die ein wenig über derjenigen der umliegenden Gegenden stand. 8. Die Sahara-Zivilisation. Die höher stehenden Elemente der indigoblauen Rasse hatten ihre fortgeschrittensten Siedlungen dort, wo heute die große Wüste Sahara liegt. In den Adern dieser indigo-schwarzen Gruppe floss sehr viel Blut der untergegangenen orangen und grünen Rassen. 9. Das Mittelmeerbecken. Die außerhalb Indiens am stärksten gemischte Rasse wohnte dort, wo sich heute das Mittelmeerbecken befindet. Dort mischten sich blaue Menschen aus dem Norden und Saharabewohner aus dem Süden mit Noditen und Adamiten aus dem Osten. Das war das Bild der Welt, bevor die violette Rasse vor etwa fünfundzwanzigtausend Jahren mit ihrer großen Expansion begann. Im zweiten Garten zwischen den Flüssen Mesopotamiens lag die Hoffnung einer künftigen Zivilisation. Dort im südwestlichen Asien existierte das Potential einer großen Zivilisation, die Möglichkeit einer weltweiten Ausbreitung der Ideen und Ideale, die aus den Tagen Dalamatias und aus der Zeit Edens gerettet worden waren. Adam und Eva hatten eine begrenzte, aber machtvolle Nachkommenschaft zurückgelassen, und die himmlischen Beobachter Urantias warteten gespannt darauf, zu erfahren, wie diese Nachkommen des fehlgeleiteten Materiellen Paares ihre Aufgabe erfüllen würden. ***** 78.2 Die Adamiten im Zweiten Garten ***** Entlang den Flüssen Mesopotamiens arbeiteten die Söhne Adams jahrtausendelang schwer, wobei sie im Süden die Probleme der Bewässerung und der Überschwemmungskontrolle lösten, im Norden ihre Verteidigung vervollkommneten und versuchten, ihre Überlieferungen des ruhmreichen ersten Eden zu bewahren. Die bei der Führung des zweiten Gartens bewiesene Heldenhaftigkeit ist eines der erstaunlichen und inspirierenden Epen der Geschichte Urantias. Diese prachtvollen Seelen verloren den Zweck der adamischen Sendung nie ganz aus den Augen, und deshalb wehrten sie die Einflüsse der umliegenden und tieferstehenden Stämme tapfer ab , während sie ihre allerbesten Söhne und Töchter bereitwillig als Sendboten in einem ununterbrochenen Strom zu den Rassen der Erde schickten. Manchmal erschöpfte diese Auswanderung die einheimische Kultur, aber immer stellten diese höheren Völker sie wieder her. Zivilisation, Gesellschaft und kultureller Status der Adamiten lagen hoch über dem allgemeinen Niveau der evolutionären Rassen Urantias. Nur in den alten Niederlassungen Vans und Amadons und der Adamsoniten gab es eine irgendwie vergleichbare Zivilisation. Aber die Zivilisation des zweiten Edens war ein künstliches - nicht aus Evolution hervorgegangenes - Gebilde und deshalb dazu verurteilt, so lange abzusinken, bis sie die natürliche evolutionäre Ebene erreichen würde. Adam ließ eine große intellektuelle und geistige Kultur zurück, aber sie war hinsichtlich mechanischer Geräte nicht fortgeschritten, da jede Zivilisation beschränkt wird durch die vorhandenen natürlichen Hilfsquellen, den ihr innewohnenden Genius und die freie Zeit, die zur Verwirklichung von Erfindungen zur Verfügung steht. Die Zivilisation der violetten Rasse gründete auf Adams Gegenwart und auf den Überlieferungen des ersten Edens. Nach Adams Tod, und als diese Überlieferungen im Laufe der Jahrtausende immer undeutlicher wurden, sank das kulturelle Niveau der Adamiten ständig ab, bis ein Zustand gegenseitigen Gleichgewichts zwischen dem Status der umliegenden Völker und den sich natürlich entwickelnden kulturellen Fähigkeiten der violetten Rasse erreicht war. Aber die Adamiten waren um 19 000 v. Chr. eine richtige Nation, die viereinhalb Millionen Einwohner zählte und bereits Millionen ihrer Nachkommen an die Nachbarvölker abgegeben hatte. ***** 78.3 Die frühen Auswanderungswellen der Adamiten ***** Über viele Jahrtausende hielten die violetten Menschen die edenische Tradition der Friedfertigkeit hoch, was erklärt, weshalb sie sich so lange mit territorialen Eroberungen Zeit ließen. Wenn sie unter Bevölkerungsdruck standen, sandten sie, anstatt Krieg zu führen, um Land hinzuzugewinnen, ihre überschüssigen Einwohner als Lehrer zu den anderen Rassen. Die kulturelle Wirkung dieser früheren Auswanderungen war nicht von Dauer, aber das Aufgehen der adamitischen Lehrer, Händler und Kundschafter in den umliegenden Völkern stärkte diese in biologischer Hinsicht. Schon früh reisten einige Adamiten westwärts ins Niltal; andere wandten sich nach Osten und drangen in Asien ein, aber dies war eine Minderheit. Die Massenbewegung späterer Tage ging vorwiegend nach Norden und von dort nach Westen. In der Hauptsache handelte es sich um einen allmählichen, aber nicht ablassenden Schub nach Norden, wobei die meisten zunächst nordwärts wanderten und sich dann um das Kaspische Meer herum westwärts nach Europa wandten. Vor etwa fünfundzwanzigtausend Jahren waren viele der reineren Vertreter der Adamiten auf ihrer Nordwanderung schon gut vorangekommen. Aber je weiter sie nach Norden vordrangen, umso weniger adamisch wurden sie. Bis zum Zeitpunkt ihrer Besetzung Turkestans hatten sie sich vollständig mit den anderen Rassen, insbesondere den Noditen, vermischt. Nur sehr wenige reinrassige violette Menschen drangen jemals tief in Europa oder Asien ein. Von etwa 30 000 bis 10 000 v. Chr. fanden in ganz Südwestasien epochemachende Rassenvermischungen statt. Die Bewohner des Hochlands von Turkestan waren ein männliches und kräftiges Volk. Im Nordwesten Indiens war noch viel von der Kultur aus den Tagen Vans lebendig. Noch weiter nördlich von diesen Niederlassungen hatten die Besten der frühen Andoniten überdauert. Und diese hinsichtlich Kultur und Charakter höher stehenden Rassen wurden alle beide von den Adamiten auf ihrer Wanderung nach Norden absorbiert. Diese Verschmelzung führte zu der Annahme vieler neuer Ideen; sie erleichterte den Fortschritt der Zivilisation und förderte alle Phasen von Kunst, Wissenschaft und gesellschaftlicher Kultur. Als etwa um 15 000 v. Chr. die Zeit der frühen adamischen Auswanderungen zu Ende ging, gab es in Europa und Zentralasien schon mehr Nachfahren Adams als irgendwo anders auf der Welt, sogar mehr als in Mesopotamien selbst. Die blauen Rassen Europas hatten viel adamisches Blut empfangen. Die südlichen Landstriche der jetzt Russland und Turkestan heißenden Gebiete wurden von einem großen Reservoir von Adamiten besetzt gehalten, die sich mit Noditen und Andoniten und roten und gelben Sangik vermischt hatten. In Südeuropa und am Rande des Mittelmeers lebte eine Mischrasse aus Andoniten und orangen, grünen und indigoblauen Sangikvölkern mit einem Schuss adamischen Blutes. Stämme, die vorwiegend andonitisch waren, hielten Kleinasien und die Gegenden Zentral- und Osteuropas besetzt. Eine farbige Mischrasse, die zu dieser Zeit durch Ankömmlinge aus Mesopotamien eine bedeutende Verstärkung erfuhr, behauptete sich in Ägypten und bereitete sich auf die Übernahme der verschwindenden Kultur des Euphrattales vor. Die schwarzen Völker bewegten sich in Afrika immer mehr in Richtung Süden und waren wie die rote Rasse praktisch isoliert. Die Zivilisation der Sahara war einer Dürre zum Opfer gefallen und diejenige des Mittelmeerbeckens einer Überflutung. Den blauen Rassen war es bis dahin nicht gelungen, eine fortgeschrittene Kultur zu entwickeln. Die Andoniten lebten immer noch über die arktischen und zentralasiatischen Gegenden verstreut. Die grüne und orange Rasse waren beide als solche ausgerottet worden. Die indigoblaue Rasse bewegte sich auf den Süden Afrikas zu, um dort mit ihrem langsamen, aber lange währenden rassischen Niedergang zu beginnen. Die Völker Indiens stagnierten, mit einer Zivilisation, die keine Fortschritte machte; die gelben Menschen konsolidierten ihre Stellung in Zentralasien; die braunen Menschen hatten mit ihrer Zivilisation auf den nahe gelegenen Pazifikinseln noch nicht begonnen. Diese Rassenverteilung in Verbindung mit bedeutenden Klimaveränderungen richtete die Weltbühne her für die Einweihung der anditischen Ära der Zivilisation Urantias. Die frühen Wanderungen hatten sich über einen Zeitraum von zehntausend Jahren erstreckt, von 25 000 bis 15 000 v. Chr. Die späteren oder anditischen Wanderungen dauerten etwa von 15 000 bis 6 000 v. Chr. Die früheren Wellen der Adamiten brauchten für ihre Durchquerung Eurasiens so viel Zeit, dass ihre Kultur unterwegs weitgehend verloren ging. Erst die späteren Anditen bewegten sich so rasch vorwärts, dass sie die edenische Kultur auch noch in großer Entfernung von Mesopotamien zu bewahren vermochten. ***** 78.4 Die Anditen ***** Die Anditenrassen waren die allererste Vermischung der reinen violetten Rasse mit den Noditen zuzüglich evolutionärer Völker. Grundsätzlich sollte man sich unter den Anditen ein Volk vorstellen, das einen weit höheren Prozentsatz adamischen Blutes besaß als die heutigen Rassen. Ganz allgemein benutzt man den Ausdruck "Anditen", um Völker zu bezeichnen, deren Rassenerbe zu einem Achtel bis Sechstel violett war. Die heutigen Urantianer, sogar die nördlichen weißen Rassen, haben einen weit geringeren Prozentsatz adamischen Blutes. Die frühesten Anditenvölker hatten ihren Ursprung vor über fünfundzwanzigtausend Jahren in den an Mesopotamien angrenzenden Regionen und bestanden aus einer Mischung von Adamiten und Noditen. Der zweite Garten war von konzentrischen Ringen abnehmenden violetten Blutes umgeben, und an der Peripherie dieses rassischen Schmelztiegels wurde die anditische Rasse geboren. Als die auswandernden Adamiten und Noditen später die damals fruchtbaren Gegenden Turkestans betraten, vermischten sie sich alsbald mit den höher stehenden Einwohnern, und das dabei entstehende Rassengemisch breitete den anditischen Typ weiter nach Norden aus. Die Anditen waren die am allseitigsten begabte Rasse, die seit den Tagen der reinrassigen violetten Bevölkerung auf Urantia erschienen war. Zu ihnen zählten die meisten der höchsten Vertreter der überlebenden Reste der adamitischen und noditischen Rasse und später einige der besten Linien der gelben, blauen und grünen Menschen. Die frühen Anditen waren keine Arier; sie waren Vor-Arier. Sie waren nicht weiß; sie waren vor-weiß. Sie waren weder ein abendländisches noch ein orientalisches Volk. Aber es ist das anditische Erbe, das dem vielsprachigen Gemisch der so genannten weißen Rassen jene allgemeine Homogenität verleiht, die man kaukasoid genannt hat. Die reineren Linien der violetten Rasse hatten an der traditionellen adamischen Friedensliebe festgehalten, was erklärt, weshalb die früheren Fortbewegungen der Rasse ihrem Wesen nach mehr friedliche Wanderungen waren. Aber als sich die Adamiten mit den noditischen Stämmen vereinigten, die damals eine kriegerische Rasse waren, wurden ihre anditischen Nachkommen - gemessen an ihrer Zeit - die gewandtesten und scharfsinnigsten Militärexperten, die Urantia je gekannt hat. Von da an nahmen die Bewegungen der Mesopotamier einen zunehmend militärischen Charakter an und glichen immer mehr richtigen Eroberungszügen. Die Anditen waren abenteuerlustig; sie hatten eine Veranlagung zum Herumziehen. Eine Zunahme an Sangik- oder Andonitenblut ließ sie zu größerer Stabilität tendieren. Aber auch so noch ruhten ihre späteren Nachfahren nie, bis sie die Erdkugel umschifft und den letzten fernen Kontinent entdeckt hatten. ***** 78.5 Die Wanderungen der Anditen ***** Zwanzigtausend Jahre lang überdauerte die Kultur des zweiten Gartens, aber sie erfuhr einen stetigen Niedergang bis etwa um 15 000 v. Chr., als neues Leben in der sethitischen Priesterschaft und die Führerschaft Amosads eine glänzende Ära eröffneten. Die starken Zivilisationswellen, die danach über Eurasien gingen, folgten unmittelbar auf die Renaissance des Gartens nach der ausgiebigen Verbindung der Adamiten mit den gemischten Noditen der Nachbarschaft, welcher die Anditen entsprangen. In ganz Eurasien und Nordafrika gaben die Anditen den Anstoß zu neuen Fortschritten. Von Mesopotamien bis Sinkiang war die anditische Kultur beherrschend, und die ständige Abwanderung nach Europa wurde immer wieder durch Neuankömmlinge aus Mesopotamien wettgemacht. Es ist indessen kaum zutreffend, von den Anditen in Mesopotamien selber bis kurz vor dem Beginn der letzten Wanderungen der gemischten Nachkommen Adams als einer Rasse zu sprechen. Aber bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich auch die Rassen im zweiten Garten derart vermischt, dass man sie nicht länger als Adamiten betrachten konnte. Die Zivilisation Turkestans wurde durch die Neuankömmlinge aus Mesopotamien ständig neu belebt und aufgefrischt, insbesondere durch die späteren berittenen Anditen. Langsam bildete sich im Hochland Turkestans die so genannte arische Muttersprache heraus; es war eine Verschmelzung des andonischen Dialektes dieser Gegend mit der Sprache der Adamsoniten und der späteren Andoniten. Viele heutige Sprachen leiten sich vom frühen Idiom dieser zentralasiatischen Stämme ab, die Europa, Indien und die oberen Abschnitte der mesopotamischen Ebenen eroberten. Dieses alte Idiom verlieh den abendländischen Sprachen jene Ähnlichkeit, die man arisch nennt. Um 12 000 v. Chr. wohnten drei Viertel aller Anditen der Welt in Nord- und Osteuropa, und als später der letzte Exodus aus Mesopotamien stattfand, betraten fünfundsechzig Prozent dieser letzten Auswandererwellen Europa. Die Anditen wanderten nicht nur nach Europa aus, sondern auch nach Nordchina und Indien, während viele Gruppen als Missionare, Lehrer und Handeltreibende bis an die Enden der Welt vorstießen. Sie leisteten einen beträchtlichen Beitrag an die nördlichen Sangik-Volksgruppen der Sahara. Aber nur einige wenige Lehrer und Händler stießen jemals tiefer in den Süden Afrikas vor als bis zum Oberlauf des Nils. Später fuhren Mischlinge aus Anditen und Ägyptern an der West- und Ostküste entlang bis weit unterhalb des Äquators, aber Madagaskar erreichten sie nicht. Diese Anditen waren die so genannten drawidischen und späteren arischen Eroberer Indiens; und ihre Anwesenheit in Zentralasien hob die Vorfahren der Turanier auf eine beträchtlich höhere Stufe. Viele Angehörige dieser Rasse begaben sich über Sinkiang oder Tibet nach China und führten der späteren chinesischen Rasse wünschenswerte Eigenschaften zu. Von Zeit zu Zeit stießen kleine Gruppen bis nach Japan, Formosa, Ostindien und Südchina vor, aber nur sehr wenige gelangten an der Küste entlang nach Südchina. Hundertzweiunddreißig Angehörige dieser Rasse stachen von Japan aus mit einer Flotte kleiner Boote in See und erreichten am Ende Südamerika. Durch Heirat mit den Einheimischen der Anden wurden sie zu den Ahnen der späteren Inkaführer. Sie durchquerten den Pazifik in Etappen, indem sie auf den vielen Inseln verweilten, die sie unterwegs fanden. Die Inseln der polynesischen Gruppe waren damals zahlreicher und größer als heute, und die anditischen Seemänner und einige ihrer Gefolgsleute ließen die Einheimischen der besuchten Inseln biologisch verändert zurück. Infolge dieser anditischen Durchdringung entstanden auf den jetzt versunkenen Inseln viele blühende Zentren der Zivilisation. Die Osterinsel war lange Zeit religiöses und administratives Zentrum einer dieser verschwundenen Inselgruppen. Aber von den Anditen, die den einstigen Pazifik befuhren, erreichten nur die hundertzweiunddreißig jemals das amerikanische Festland. Die Anditen setzten ihre Eroberungs-Wanderungen fort bis zu ihrer endgültigen Zerstreuung, die von 8000 bis 6000 v. Chr. erfolgte. Während sie Mesopotamien verließen, entleerten sie ständig die biologischen Reserven ihrer Heimat, derweil sie die umliegenden Völker ausgesprochen stärkten. Und in jeder Nation, zu der sie auf ihren Wanderungen kamen, steuerten sie Humor, Kunst, Abenteuerlust, Musik und Handwerk bei. Sie waren geschickte Tierzähmer und erfahrene Ackerbauer. Ihre Gegenwart verbesserte jeweils wenigstens vorübergehend den religiösen Glauben und die sittlichen Praktiken der älteren Rassen. Und so breitete sich die Kultur Mesopotamiens still über Europa, Indien, China, Nordafrika und die Pazifischen Inseln aus. ***** 78.6 Die letzten anditischen Zerstreuungen ***** Die drei letzten Wellen von Anditen breiteten sich von Mesopotamien zwischen 8000 und 6000 v. Chr. aus. Diese letzten drei großen Kulturwellen ergossen sich aus Mesopotamien unter dem Druck der Hügelstämme im Osten und wegen der ständigen Belästigung durch die Bewohner der Ebene im Westen. Bei ihrem letzten Exodus stießen die Bewohner des Euphrattals und des angrenzenden Gebietes in mehrere Richtungen vor: Fünfundsechzig Prozent kamen über die Route des Kaspischen Meers nach Europa und eroberten die neuerdings erscheinenden weißen Rassen - die Mischung aus den blauen Menschen und den früheren Anditen - und verschmolzen mit ihnen. Zehn Prozent einschließlich einer großen Gruppe sethitischer Priester zogen ostwärts durch das elamitische Hochland zur iranischen Hochebene und nach Turkestan. Viele ihrer Nachfahren wurden später mit ihren arischen Brüdern aus den nördlichen Regionen nach Indien abgedrängt. Zehn Prozent der Mesopotamier wandten sich nach Norden und dann nach Osten und drangen in Sinkiang ein, wo sie sich mit den anditisch-gelben Einwohnern vermischten. Die Mehrheit der fähigen Nachkommen aus dieser Rassenvereinigung ging später nach China und trug viel zur augenblicklichen Verbesserung des nördlichen Teils der gelben Rasse bei. Zehn Prozent der fliehenden Anditen durchquerten Arabien und betraten Ägypten. Fünf Prozent der Anditen des Küstenstrichs im Mündungsgebiet von Euphrat und Tigris, die eine sehr hochstehende Kultur besaßen und die sich von Mischehen mit den tieferstehenden Angehörigen der Nachbarstämme freigehalten hatten, weigerten sich, ihre Heimstätten zu verlassen. Diese Gruppe stellte die Nachkommenschaft vieler überlegener noditischer und adamitischer Linien dar. Die Anditen hatten diese Gegend um 6 000 v. Chr. fast vollständig geräumt, obwohl ihre Nachfahren, die sich weitgehend mit den Sangikrassen der Umgebung und mit den Andoniten Kleinasiens vermischt hatten, hier zu einem viel späteren Zeitpunkt gegen die nördlichen und östlichen Eroberer kämpften. Das Zeitalter der Kultur des zweiten Gartens nahm wegen des zunehmenden Einsickerns der niedrigeren Stämme der Umgebung ein Ende. Die Zivilisation verlagerte sich nach Westen in das Niltal und auf die Mittelmeerinseln, wo sie lange, nachdem sich ihre Quelle in Mesopotamien getrübt hatte, gedieh und sich fortentwickelte. Und dieser ungehemmte Zustrom niedrigerer Volksgruppen gab den Weg frei für die spätere Eroberung ganz Mesopotamiens durch die nördlichen Barbaren, die den Rest der fähigen Linien vertrieben. Auch noch in späteren Jahren stieß sich die kultivierte Restbevölkerung an der Gegenwart dieser unwissenden und ungeschlachten Eroberer. ***** 78.7 Die Überflutungen Mesopotamiens ***** Die Anwohner der Flüsse waren es gewohnt, dass diese zu gewissen Jahreszeiten über die Ufer traten; diese periodischen Überflutungen waren alljährliche Ereignisse in ihrem Leben. Aber nun drohten dem mesopotamischen Tal infolge fortschreitender geologischer Veränderungen im Norden neue Gefahren. Nach dem Versinken des ersten Edens hatten sich die Berge an der Ostküste des Mittelmeers und diejenigen des Nordwestens und Nordostens Mesopotamiens während Jahrtausenden ständig gehoben. Diese Hebung der Hochländer beschleunigte sich um etwa 5000 v. Chr. beträchtlich, was zusammen mit viel stärkerem Schneefall über den nördlichen Bergen dem ganzen Euphrattal jeden Frühling nie dagewesene Überschwemmungen bescherte. Diese Frühjahrsüberflutungen wurden immer schlimmer, so dass die Bewohner der Flussgegenden schließlich in die östlichen Hochländer fliehen mussten. Fast tausend Jahre lang waren Dutzende von Städten wegen dieser gewaltigen Überschwemmungen praktisch verlassen. Als die hebräischen Priester in babylonischer Gefangenschaft fast fünftausend Jahre später versuchten, das jüdische Volk bis auf Adam zurückzuführen, fiel es ihnen sehr schwer, die Einzelepisoden zu einer Geschichte zusammenzufügen; da kam einer von ihnen auf die Idee, die Suche aufzugeben und die ganze Welt zur Zeit von Noahs Flut in ihrer Schlechtigkeit ertrinken zu lassen, um so besser in der Lage zu sein, Abraham direkt auf einen der drei überlebenden Söhne Noahs zurückzuführen. Die Überlieferungen von einer Zeit, da Wasser die ganze Erdoberfläche bedeckte, sind universell. Viele Rassen besitzen die Geschichte einer weltweiten Flut irgendwann in vergangenen Zeitaltern. Die biblische Geschichte von Noah, der Arche und der Sintflut ist eine Erfindung der hebräischen Priesterschaft während der babylonischen Gefangenschaft. Es hat nie eine allgemeine Flut gegeben, seit das Leben auf Urantia angesiedelt wurde. Nur ein einziges Mal war die Erdoberfläche vollständig mit Wasser bedeckt, und das war im Archäozoikum, bevor das Land aufzutauchen begonnen hatte. Aber Noah hat tatsächlich gelebt; er war ein Weinbauer aus Aram, einer Flusssiedlung bei Erech. Jahr für Jahr hielt er die Tage des Anschwellens des Flusses schriftlich fest. Er zog sich großen Spott zu, weil er sich flussauf-und flussabwärts dafür einsetzte, man solle alle Häuser aus Holz und in Schiffsform bauen und beim Nahen der Flutzeit jeden Abend die Haustiere an Bord bringen. Jedes Jahr begab er sich in die Flusssiedlungen der Nachbarschaft und warnte die Leute, dass die Wasser in soundso vielen Tagen kommen würden. Schließlich kam ein Jahr, in dem ungewöhnlich starke Regenfälle die Wassermassen gewaltig zunehmen ließen, so dass bei ihrem plötzlichen Anschwellen das ganze Dorf weggeschwemmt wurde; nur Noah und seine nächste Familie wurden in ihrem Hausboot gerettet. Diese Überschwemmungen zerstörten die Anditische Zivilisation endgültig. Als die Flutperiode zu Ende war, gab es keinen zweiten Garten mehr. Nur im Süden und bei den Sumerern blieb etwas von seinem früheren Ruhm übrig. Die Reste dieser Zivilisation, einer der ältesten, finden sich in diesen Gegenden Mesopotamiens und nordöstlich und nordwestlich davon. Aber noch ältere Spuren der Tage Dalamatias gibt es unter den Wassern des Persischen Golfs, und das erste Eden liegt in denTiefen des Mittelmeers an dessen östlichem Ende begraben. ***** 78.8 Die Sumerer - die letzten Anditen ***** Als die letzte Zerstreuung der Anditen das biologische Rückgrat der mesopotamischen Zivilisation brach, blieb eine kleine Minderheit dieser höheren Rasse in ihrer Heimat in der Nähe der Flussmündungen. Das waren die Sumerer. Um 6000 v. Chr. waren sie ihrer Abstammung nach weitgehend Anditen geworden, obwohl ihre Kultur einen ausgesprocheneren noditischen Charakter hatte und sie an den alten Überlieferungen Dalamatias festhielten. Trotzdem waren diese Sumerer der Küstengebiete die letzten Anditen Mesopotamiens. Aber die Rassen Mesopotamiens waren zu diesem späten Zeitpunkt schon völlig durchmischt, wofür die in den Gräbern dieser Epoche gefundenen Schädeltypen den Beweis liefern. Es war zu der Zeit der Überflutungen, als Susa eine große Blütezeit erlebte. Die erste, tiefer gelegene Stadt wurde überschwemmt, so dass die zweite oder höhere Stadt die tiefere als Hochburg des besonderen Kunsthandwerks jener Tage ablöste. Als später die Überschwemmungen abnahmen, wurde Ur zum Zentrum der Töpferindustrie. Vor etwa 7000 Jahren lag Ur am Persischen Golf; seither haben die Flussablagerungen das Land bis zu seinen derzeitigen Grenzen vorrücken lassen. Diese Niederlassungen litten dank besserer Schutzbauten und der sich verbreiternden Flussmündungen weniger unter den Überschwemmungen. Seit langem waren die friedlichen Getreidepflanzer des Euphrat- und Tigristales immer wieder durch die einfallenden Barbaren Turkestans und der iranischen Hochebene heimgesucht worden. Aber nun führte die zunehmende Dürre der Weidegründe des Hochlands zu einer gemeinsam abgesprochenen Invasion des Euphrattales. Und diese Invasion war umso bedrohlicher, als diese Hirten und Jäger der angrenzenden Gegenden gezähmte Pferde in großer Zahl besaßen. Es war der Besitz dieser Pferde, der ihnen gegenüber ihren reichen Nachbarn im Süden einen gewaltigen militärischen Vorteil verschaffte. In kurzer Zeit überrannten sie ganz Mesopotamien und verjagten die letzte Kultur, die sich nun in Wellen über ganz Europa, Westasien und Nordafrika ausbreitete. In den Reihen der Eroberer Mesopotamiens gab es viele Vertreter der besseren anditischen Linien der gemischten nördlichen Rassen Turkestans einschließlich einiger Abkömmlinge Adamsons. Diese weniger fortgeschrittenen, aber kräftigeren Stämme aus dem Norden assimilierten rasch und bereitwillig, was von der Zivilisation Mesopotamiens übrig geblieben war, und ließen bald jene gemischte Bevölkerung entstehen, die man im Euphrattal zu Beginn der Geschichtsschreibung antrifft. Rasch belebten sie viele Phasen der sterbenden Zivilisation Mesopotamiens neu und übernahmen die Fertigkeiten der Stämme des Tales und vieles von der Kultur der Sumerer. Sie versuchten sich sogar an einem dritten Turmbau zu Babel und machten aus der Ortsbezeichnung später ihren Nationalnamen. Als diese berittenen Barbaren aus dem Nordosten das ganze Euphrattal überrannten, gelang es ihnen nicht, die letzten Anditen zu unterwerfen, die an der Flussmündung am Persischen Golf wohnten. Diese Sumerer waren zu ihrer Verteidigung fähig dank überlegener Intelligenz, besserer Waffen und ihrem ausgedehnten System von militärischen Kanälen, das sie ihrer Bewässerungsanlage untereinander verbundener Teiche hinzugefügt hatten. Sie waren ein geeintes Volk, weil sie eine einheitliche Gruppenreligion besaßen. Das versetzte sie in die Lage, ihre rassische und nationale Unversehrtheit aufrechtzuerhalten, als sich ihre Nachbarn im Nordwesten schon längst in isolierte Stadtstaaten aufgesplittert hatten. Keiner dieser Stadtgemeinschaften gelang es, die geeinten Sumerer zu besiegen. Und die Eindringlinge aus dem Norden lernten diese friedliebenden Sumerer bald als fähige Lehrer und Verwalter schätzen und ihnen vertrauen. Sie standen bei allen Völkern im Norden und von Ägypten im Westen bis nach Indien im Osten in hohem Ansehen und waren begehrt als Lehrer in Kunst und Industrie, an leitender Stelle im Handel und als zivile Führer. Nach dem Zerfall der frühen sumerischen Konföderation wurden die späteren Stadtstaaten von den Renegaten-Nachfahren der sethitischen Priester regiert. Nur wenn diese Priester Nachbarstädte eroberten, nannten sie sich Könige. Den späteren Stadtkönigen misslang es vor den Tagen Sargons, mächtige Konföderationen zu bilden aus Eifersucht rund um ihre Gottheiten. Jede Stadt glaubte, ihr Gemeindegott stehe höher als alle anderen Götter. Und deshalb weigerten sie sich, sich einem gemeinsamen Führer unterzuordnen. Das Ende dieser langen Periode schwacher Führung durch Stadtpriester kam mit Sargon, dem Priester von Kisch, der sich zum König ausrief und sich an die Eroberung ganz Mesopotamiens und der angrenzenden Lande machte. Und das bedeutete für eine Zeitlang das Ende der von Priestern geführten und bedrückten Stadtstaaten, deren jeder seinen eigenen Stadtgott und seine eigenen zeremoniellen Gepflogenheiten hatte. Auf den Zerfall dieser Konföderation von Kisch folgte eine lange Periode ständiger Kriege zwischen den Städten des Tales um die Oberherrschaft. Und die Führung wechselte verschiedentlich zwischen Sumer, Akkad, Kisch, Erech, Ur und Susa hin und her. Um etwa 2500 v. Chr. mussten die Sumerer von Seiten der Suiten und Guiten ernsthafte Niederlagen einstecken. Lagasch, die auf Dämmen gegen die Flut errichtete sumerische Hauptstadt, fiel. Erech konnte sich nach dem Fall Akkads noch dreißig Jahre lang halten. Bis zu dem Zeitpunkt, da Hammurabi an die Macht kam, waren die Sumerer in den Reihen der nördlichen Semiten aufgegangen, und die Anditen Mesopotamiens verschwanden aus dem Buch der Geschichte. Von 2500 bis 2000 v. Chr. wüteten vom Atlantischen bis zum Pazifischen Ozean die Nomaden. Die Neriten bildeten die allerletzte Eruption der kaspischen Gruppe der mesopotamischen Nachkommen der Mischrasse aus Andoniten und Anditen. Was die Barbaren für den Ruin Meopotamiens zu tun versäumten, das besorgten mit Erfolg die späteren klimatischen Veränderungen. Das ist die Geschichte der violetten Rasse nach den Tagen Adams und des Schicksals ihrer Heimat zwischen Tigris und Euphrat. Infolge der Auswanderung ihrer höherstehenden Angehörigen und der Zuwanderung ihrer niedrigeren Nachbarn ging ihre alte Zivilisation schließlich unter. Aber lange bevor die berittenen Barbaren das Tal eroberten, war vieles von der Kultur des Gartens auf Asien, Afrika und Europa übergegangen, wo es die Fermente entstehen ließ, aus denen die Zivilisation Urantias des zwanzigsten Jahrhunderts hervorgegangen ist. [Dargeboten von einem Erzengel von Nebadon.] ****** Kapitel 79 Anditische Expansion im Orient ****** ASIEN ist die Heimat der menschlichen Rasse. Auf einer südlichen Halbinsel dieses Kontinentes wurden Andon und Fonta geboren; im Hochland, wo sich heute Afghanistan befindet, gründete ihr Nachfahr Badonan ein primitives Kulturzentrum, das über eine halbe Million Jahre Bestand hatte. Hier an diesem östlichen Herd der menschlichen Rasse gingen aus dem andonischen Stamm die Sangikmenschen hervor, und Asien war ihre erste Heimat, ihr erster Jagdgrund, ihr erstes Schlachtfeld. Südwestasien wurde zum Zeugen der aufeinander folgenden Kulturen Dalamatias, der Noditen, Adamiten und Anditen, und von diesen Gegenden aus verbreitete sich das Potential der modernen Zivilisation über die ganze Welt. ***** 79.1 Die Anditen Turkestans ***** Über fünfundzwanzigtausend Jahre lang, bis fast 2000 v. Chr., war das Herz Eurasiens vorwiegend, wenn auch in abnehmendem Maße, anditisch. Im Tiefland Turkestans wandten sich die Anditen um die Binnenseen herum nach Westen und Europa, während sie vom Hochland dieser Gegend aus in den Osten vordrangen. Ostturkestan (Sinkiang) und in geringerem Maße Tibet waren die alten Pforten, durch welche die Scharen aus Mesopotamien über Gebirgspfade in die nördlichen Gebiete der gelben Menschen eindrangen. Das Einsickern der Anditen nach Indien erfolgte vom Hochland Turkestans aus in den Pandschab und von den iranischen Weidegründen aus über Belutschistan. Diese früheren Wanderungen waren in keinem Sinne Eroberungen; es war vielmehr ein beständiges Einströmen anditischer Stämme in das westliche Indien und nach China. Fast fünfzehntausend Jahre lang gab es im Becken des Tarimflusses in Sinkiang Zentren gemischter anditischer Kultur und ebensolche im Süden in den hochgelegenen Gebieten Tibets, wo Anditen und Andoniten sich stark vermischt hatten. Das Tarimtal war der östlichste Vorposten wahrer anditischer Kultur. Hier bauten sie ihre Siedlungen und knüpften Handelsbeziehungen zu den fortschrittlichen Chinesen im Osten und zu den Andoniten im Norden. In jenen Tagen war die Tarimgegend ein fruchtbares Land mit ausgiebigem Regenfall. Die Gobi im Osten war eine offene Weidelandschaft, wo die Hirten sich langsam dem Ackerbau zuwandten. Diese Zivilisation ging unter, als die Regenwinde nach Südosten abdrehten, aber damals konnte sie es mit der Zivilisation Mesopotamiens aufnehmen. Um 8000 v. Chr. begann die langsam zunehmende Aridität der Hochlandgebiete Zentralasiens, die Anditen in die Talsenken und an die Meeresküsten zu treiben. Die zunehmende Dürre trieb sie nicht nur ins Nil-, Euphrat- und Industal und in das Tal des Gelben Flusses, sondern bewirkte auch eine neue Entwicklung in der anditischen Zivilisation. Menschen einer neuen Klasse, die Handeltreibenden, begannen in großer Zahl zu erscheinen. Als den wandernden Anditen unter diesen klimatischen Bedingungen das Jagen immer weniger eintrug, folgten sie nicht dem evolutionären Weg der älteren Rassen, die Hirten wurden. Handel und städtisches Leben entstanden. Von Ägypten über Mesopotamien und Turkestan bis zu den Flussläufen Chinas und Indiens begannen die zivilisierteren Stämme, sich in Städten anzusammeln, wo sie sich Handwerk und Handel widmeten. Das in der Nähe des heutigen Aschchabad gelegene Adonia wurde zur zentralasiatischen Handelsmetropole. Zu Lande und zu Wasser herrschte ein immer regerer Handel mit Stein, Metall, Holz und Töpferei. Aber die stets zunehmende Trockenheit führte zu dem großen Exodus der Anditen aus den im Süden und Osten des Kaspischen Meeres gelegenen Gegenden. Die Richtung der Völkerwanderungswelle begann von Norden nach Süden umzuschlagen und die babylonischen Reiter drängten jetzt nach Mesopotamien. Die zunehmende Aridität in Zentralasien ließ die Bevölkerung weiter zurückgehen und dämpfte die Kriegslust der dortigen Völker; und als der seltener werdende Regen über dem Norden die andonischen Nomaden zwang, sich nach Süden zu wenden, kam es zu einem gewaltigen Exodus von Anditen aus Turkestan. Das ist die allerletzte Bewegung der so genannten Arier nach der Levante und nach Indien hin. In ihr gipfelte jene lang anhaltende Zerstreuung der vermischten Nachkommen Adams, in deren Verlauf jedes asiatische Volk und die meisten der Inselbewohner des Pazifiks durch die höher stehenden Rassen bis zu einem gewissen Grade gehoben wurden. Während sich also die Anditen über die westliche Hemisphäre verstreuten, gingen sie ihrer Stammlande in Mesopotamien und Turkestan verlustig. Denn es war jener mächtige Vorstoß der Andoniten nach Süden, der die Anditen in Zentralasien bis zu einem Punkt ausdünnte, der ihrem Verlöschen nahe kam. Aber selbst im zwanzigsten Jahrhundert nach Christus gibt es bei den Völkern der Turanier und Tibeter Spuren anditischen Blutes, wovon die in diesen Gegenden gelegentlich anzutreffenden blonden Typen zeugen. Die frühen chinesischen Aufzeichnungen vermelden die Anwesenheit rothaariger Nomaden im Norden der friedlichen Siedlungen am Gelben Fluss, und es sind Malereien erhalten, die die Gegenwart sowohl blond-anditischer als auch brünett-mongolischer Typen im Tarimbecken von einst getreu wiedergeben. Zum letzten Mal äußerte sich das schlafende militärische Genie der zentralasiatischen Anditen auf mächtige Weise im Jahr 1200, als die Mongolen unter Dschingis Khan mit der Eroberung des größeren Teils des asiatischen Kontinentes begannen. Und wie die einstigen Anditen verkündeten diese Krieger die Existenz eines "einzigen Gottes im Himmel". Der baldige Zerfall ihres Imperiums verschob den Kulturaustausch zwischen Okzident und Orient auf viel später und behinderte das Wachstum der monotheistischen Idee in Asien sehr stark. ***** 79.2 Die anditische Eroberung Indiens ***** Indien ist der einzige Ort, wo sich sämtliche Rassen Urantias vermischten, wobei die anditische Invasion den letzten Beitrag lieferte. Im Hochland nordwestlich von Indien traten die Sangikrassen ins Dasein, und Angehörige einer jeden von ihnen ohne Ausnahme drangen in ihrer Frühzeit in den Subkontinent Indien ein und ließen das heterogenste Rassengemisch zurück, das je auf Urantia existierte. Das alte Indien spielte für die wandernden Rassen die Rolle eines Auffanglagers. Die Halbinsel war früher an ihrer Basis etwas schmaler als heute, denn die Deltas von Ganges und Indus sind zur Hauptsache das Werk der letzten fünfzigtausend Jahre. Die frühesten Rassenmischungen Indiens waren ein Verschmelzen der wandernden roten und gelben Rassen mit den andonitischen Ureinwohnern. Diese Gruppe wurde später geschwächt durch die Einverleibung des größeren Teils der erloschenen östlichen grünen Menschen sowie oranger Menschen in großer Zahl. Sie wurde andererseits leicht gehoben durch eine begrenzte Blutzufuhr blauer Menschen, litt aber sehr stark unter der Assimilierung von sehr vielen Vertretern der indigoblauen Rasse. Aber die so genannten Ureinwohner Indiens sind kaum Repräsentanten dieses frühen Volkes; sie sind vielmehr dessen tiefststehender südlicher und östlicher Saum, der weder von den frühen Anditen noch von ihren später erscheinenden arischen Vettern je ganz absorbiert worden ist. Um 20 000 v. Chr. hatte die Bevölkerung des westlichen Indiens schon ein wenig adamisches Blut empfangen, und nie in der ganzen Geschichte Urantias vereinigte ein Volk so viele verschiedene Rassen in sich. Aber es war bedauerlich, dass die sekundären Sangiklinien vorherrschten, und ein richtiges Unglück, dass die blauen und roten Menschen in diesem einstigen Rassenschmelztiegel praktisch fehlten. Mehr primäre Sangiklinien hätten viel zur Kräftigung dessen beigetragen, was eine noch größere Zivilisation hätte werden können. So wie die Dinge sich entwickelten, zerstörten sich die roten Menschen in Amerika und wanderten die blauen Menschen nach Europa ab, während die frühen Nachkommen Adams (und auch die meisten späteren) wenig Neigung zeigten, sich mit den dunkelhäutigeren Völkern zu vermischen, sei es in Indien, Afrika oder anderswo. Um 15 000 v. Chr. löste der wachsende Bevölkerungsdruck in ganz Turkestan und Iran die erste wirklich massive anditische Wanderbewegung nach Indien aus. Über fünfzehn Jahrhunderte lang strömten diese höherstehenden Völker durch das Hochland Belutschistans ein, verteilten sich über die Täler von Indus und Ganges und zogen langsam südwärts in den Dekan. Dieser Anditendruck aus Nordwesten drängte viele südliche und östliche tieferstehende Gruppen nach Burma und Südchina ab, aber nicht in ausreichendem Maß, um die Eroberer vor rassischer Auslöschung zu bewahren. Dass es Indien nicht gelang, in Eurasien eine Vormachtstellung einzunehmen, beruhte weitgehend auf seiner Topographie; der Bevölkerungsdruck aus Norden bewirkte nur, dass die Mehrheit der Menschen sich auf dem sich verjüngenden Gebiet des Dekans zusammendrängte, der auf allen Seiten von Meer umgeben ist. Hätte es angrenzendes Land zur Auswanderung gegeben, dann wären die niedrigeren Bewohner in alle Richtungen abgedrängt worden und die höher stehenden Rassen hätten eine höhere Zivilisation entwickelt. Unter den gegebenen Umständen unternahmen die frühen anditischen Eroberer verzweifelte Anstrengungen, um ihre Identität zu bewahren und durch Einführung strenger Heiratsbeschränkungen gegen die Woge rassischer Überspülung anzukämpfen. Trotzdem waren die Anditen bis um 10 000 v. Chr. im Volk aufgegangen, aber dessen große Masse hatte durch die Absorption eine bedeutende Aufwertung erfahren. Die Vermischung von Rassen hat immer den Vorteil, die kulturelle Vielfalt zu begünstigen und zum Fortschritt der Zivilisation beizutragen, aber wenn die niedrigeren Elemente im Rassenerbe überwiegen, ist ein solches Aufblühen von kurzer Dauer. Eine vielsprachige Kultur kann sich nur halten, wenn sich die höheren Linien gegenüber den niedrigeren in einem der Sicherheit genügenden Verhältnis vermehren. Ungehemmte Vermehrung der niedrigeren Menschen bei abnehmender Fortpflanzung der höheren bedeutet für eine kulturelle Zivilisation unfehlbar Selbstmord. Wären die anditischen Eroberer damals dreimal so zahlreich gewesen oder hätten sie den unerwünschtesten Drittel der gemischten orange-grün-indigoblauen Einwohner verjagt oder umgebracht, wäre Indien eines der führenden Zentren kultureller Zivilisation geworden und hätte ohne Zweifel größere Teile der späteren Wellen von Mesopotamiern angezogen, die nach Turkestan und von dort nordwärts nach Europa strömten. ***** 79.3 Das drawidische Indien ***** Aus der Verschmelzung der anditischen Eroberer Indiens mit der einheimischen Rasse ging schließlich jenes Mischvolk hervor, das man drawidisch genannt hat. Die früheren, reineren Drawidas waren zu großen kulturellen Leistungen fähig, aber diese Fähigkeiten wurden mit zunehmender Verdünnung ihres anditischen Erbes ständig schwächer. Gerade das ist es, was vor fast zwölftausend Jahren den Untergang der aufblühenden Zivilisation Indiens herbeiführte. Aber die Einbringung dieser auch nur geringen Menge adamischen Blutes bewirkte eine eindeutige Beschleunigung der gesellschaftlichen Entwicklung. Diese zusammengesetzte Rasse brachte dann sehr bald die vielgestaltigste Zivilisation der Erde hervor. Nicht lange nach ihrer Eroberung Indiens riss der rassische und kulturelle Kontakt der drawidischen Anditen mit Mesopotamien ab, aber die spätere Eröffnung von Schifffahrtswegen und Karawanenstraßen stellte diese Verbindungen wieder her; und innerhalb der letzten zehntausend Jahre ist der Kontakt mit Mesopotamien im Westen und China im Osten nie ganz abgebrochen, wenn auch die Gebirgsbarrieren den Austausch mit dem Westen stark begünstigten. Die höhere Kultur und die religiösen Neigungen der Völker Indiens stammen aus diesen frühen Zeiten drawidischer Herrschaft und sind teilweise der Tatsache zuzuschreiben, dass so viele Vertreter der sethitischen Priesterschaft nach Indien kamen, sowohl während der früheren anditischen als auch der späteren arischen Invasionen. Somit rührt die Spur des Monotheismus, der sich durch die Religionsgeschichte Indiens zieht, von den Lehren der Adamiten des zweiten Gartens her. Schon um 16 000 v. Chr. betrat eine Schar von hundert sethitischen Priestern indischen Boden und erreichte beinahe die religiöse Eroberung der westlichen Hälfte dieses vielsprachigen Volkes. Aber ihre Religion war nicht von Dauer. Innerhalb von fünftausend Jahren entarteten ihre Lehren von der Paradies-Trinität zum dreieinigen Symbol des Feuergottes. Aber über siebentausend Jahre lang, bis zum Ende der anditischen Wanderungen, lag der religiöse Status der Bewohner Indiens hoch über dem der Welt in ihrer Gesamtheit. Während dieser Zeit versprach Indien, die führende kulturelle, religiöse, philosophische und Handelszivilisation der Welt zu werden. Und hätten sich die Anditen nicht so völlig in den Völkern des Südens aufgelöst, wäre eine solche Entwicklung wohl wirklich eingetreten. Die drawidischen Zentren der Kultur lagen in den Flusstälern - hauptsächlich des Indus und des Ganges - und im Dekan entlang den drei großen Flüssen, die durch die östlichen Ghats zum Meer fließen. Die Siedlungen längs der Meeresküste vor den westlichen Ghats verdankten ihren Glanz den Seebeziehungen mit Sumer. Die Drawidas gehörten zu den ersten Völkern, die Städte bauten und sowohl zu Land wie zur See mit einem ausgedehnten Export- und Importhandel begannen. Um 7000 v. Chr. reisten Kamelkarawanen in regelmäßigen Abständen ins ferne Mesopotamien; drawidische Schiffe fuhren an der Küste des arabischen Meeres entlang bis zu den sumerischen Städten des Persischen Golfs und wagten sich auf den Wassern des Golfs von Bengalen bis nach Ostindien vor. Diese Seefahrer und Kaufleute brachten von Sumer neben der Kunst des Schreibens auch ein Alphabet nach Hause. Diese Handelsbeziehungen trugen in hohem Maße zur weiteren Diversifizierung einer kosmopolitischen Kultur bei, und bald stellten sich im städtischen Leben etliche Verfeinerungen und sogar Luxus ein. Als die später erscheinenden Arier in Indien eindrangen, erkannten sie in den Drawidas ihre in den Sangikrassen aufgegangenen anditischen Vettern nicht wieder, aber sie fanden eine sehr fortgeschrittene Kultur vor. Trotz ihrer biologischen Beschränkungen gründeten die Drawidas eine hochstehende Zivilisation. Sie war über ganz Indien verbreitet und hat im Dekan bis in die Jetztzeit überlebt. ***** 79.4 Die arische Invasion Indiens ***** Die zweite anditische Einwanderung in Indien war die in der Mitte des dritten Jahrtausends vor Christus fast fünfhundert Jahre währende arische Invasion. Diese Wanderung bedeutete den endgültigen Auszug der Anditen aus ihrer Heimat in Turkestan. Die frühen arischen Zentren lagen über die nördliche Hälfte Indiens zerstreut, insbesondere im Nordwesten. Die Eindringlinge vollendeten die Eroberung des Landes nie und bezahlten später dieses Versäumnis mit ihrem Ruin. Denn ihre kleinere Zahl machte sie anfällig für die Absorption durch die Drawidas des Südens, die in der Folge die ganze Halbinsel mit Ausnahme der Himalayaprovinzen überrannten. Außer in den nördlichen Provinzen hinterließen die Arier nur geringe rassische Spuren. Im Dekan war ihr Einfluss mehr kultureller und religiöser als rassischer Natur. Das stärkere Vorhandensein so genannten arischen Blutes in Nordindien ist nicht nur ihrer zahlreicheren Anwesenheit in diesen Gegenden zuzuschreiben, sondern auch dem Umstand, dass sie durch spätere Eroberer, Handelsleute und Missionare verstärkt wurden. Bis zum ersten Jahrhundert vor Christus gab es ein ununterbrochenes Einsickern arischen Blutes in den Pandschab. Die letzte Blutzufuhr erfolgte im Zusammenhang mit den Kriegszügen der Hellenisten. Die schließliche Vermischung der Arier und Drawidas ließ in der Gangesebene eine hohe Kultur entstehen, und dieses Zentrum wurde später von Nordosten her durch Zuzügler aus China verstärkt. In Indien blühten abwechslungsweise viele Typen gesellschaftlicher Organisation, von den halbdemokratischen Systemen der Arier bis hin zu despotischen und monarchischen Regierungsformen. Aber das charakteristischste Merkmal der Gesellschaft war das Fortbestehen der großen sozialen Kasten, die von den Ariern im Bemühen um die Bewahrung rassischer Identität errichtet worden waren. Dieses durchdachte Kastensystem hat sich bis in die heutige Zeit erhalten. Von den vier großen Kasten wurden außer der ersten alle im vergeblichen Bemühen errichtet, eine Rassenvermischung der arischen Eroberer mit ihren niedrigeren Untertanen zu verhindern. Die erste Kaste der Lehrer-Priester hingegen stammt von den Sethiten ab. Die Brahmanen des zwanzigsten Jahrhunderts nach Christus sind die direkten kulturellen Nachfahren der Priester des zweiten Gartens, obwohl sich ihre Lehren beträchtlich von denen ihrer glänzenden Vorgänger unterscheiden. Als die Arier in Indien eindrangen, brachten sie ihre Vorstellungen von Gottheit mit, wie sie sich in den fortlebenden Überlieferungen der Religion des zweiten Gartens erhalten hatten. Aber die brahmanischen Priester waren nie in der Lage, sich dem heidnischen Druck zu widersetzen, der sich nach der rassischen Auflösung der Arier beim plötzlichen Kontakt mit den tieferstehenden Religionen des Dekans einstellte. So geriet die große Bevölkerungsmehrheit in die Abhängigkeit des versklavenden Aberglaubens niedrigerer Religionen. Und das ist der Grund, weshalb Indien nicht jene hohe Zivilisation hervorbrachte, die frühere Zeiten hatten vorausahnen lassen. Das geistige Erwachen des sechsten Jahrhunderts vor Christus hielt in Indien nicht an und war schon vor der mohammedanischen Invasion erloschen. Aber vielleicht wird sich eines Tages ein größerer Gautama erheben, um ganz Indien bei der Suche nach dem lebendigen Gott anzuführen, und dann wird die Welt Zeuge der Verwirklichung des kulturellen Potentials eines vielseitigen Volkes werden, das unter dem lähmenden Einfluss einer nicht fortschrittlichen geistigen Vision so lange in Lethargie gefallen war. Kultur beruht immer auf einer biologischen Grundlage, aber die Kaste allein vermochte die arische Kultur nicht aufrechtzuerhalten, denn Religion, wahre Religion, ist der unerlässliche Quell jener höheren Energie, die die Menschen dazu antreibt, eine hochstehende, auf menschlicher Brüderlichkeit beruhende Zivilisation zu errichten. ***** 79.5 Der rote und der gelbe Mensch ***** Während die Geschichte Indiens eine der Eroberung durch die Anditen und deren schließlichen Aufgehens in den älteren evolutionären Völkern ist, ist die Geschichte Ostasiens strenger genommen diejenige der primären Sangik, im Besonderen der roten und der gelben Menschen. Diese beiden Rassen entgingen weitgehend der Beimischung des minderwertigen Neandertalerbes, das die Entwicklung der blauen Menschen in Europa so sehr verzögerte, und bewahrten dadurch das höhere Potential des primären Sangiktyps. Zwar waren die frühen Neandertaler über die ganze Breite Eurasiens verteilt, aber ihr östlicher Flügel war am stärksten mit minderwertigen tierischen Erbanteilen durchsetzt. Diese weniger als menschlichen Typen wurden durch den fünften Gletscher nach Süden getrieben, durch dieselbe Eisdecke, die die Sangikwanderung nach Ostasien so lange blockiert hatte. Als sich dann die roten Menschen um die Gebirge Indiens herum in nordöstlicher Richtung bewegten, fanden sie Nordostasien von diesen halbtierischen Typen befreit vor. Die Stammesorganisation der roten Rassen hatte sich früher herausgebildet als diejenige aller anderen Völker, und sie waren die ersten, die aus der zentralasiatischen Heimat der Sangikrassen fortwanderten. Die niedrigeren Neandertallinien wurden durch die später wandernden gelben Stämme umgebracht oder vom Festland vertrieben. Aber die roten Menschen hatten in Ost-Asien fast hunderttausend Jahre lang unangefochten geherrscht, bevor die gelben Stämme erschienen. Vor mehr als dreihunderttausend Jahren betrat der Hauptteil der gelben Rasse von Süden her kommend auf seiner Wanderung entlang der Meeresküste chinesischen Boden. Mit jedem Jahrtausend drangen sie tiefer in das Landesinnere vor, aber mit ihren wandernden tibetanischen Brüdern kamen sie erst in relativ junger Zeit in Berührung. Wachsender Bevölkerungsdruck veranlasste die nach Norden strebende gelbe Rasse, in die Jagdgründe der roten Menschen einzudringen. Diese Übergriffe, zu denen sich natürliche Rassenantagonismen gesellten, führten zu wachsenden Feindseligkeiten. Und so begann der entscheidende Kampf um die fruchtbaren Gegenden des fernen Asiens. Der Verlauf dieses ganze Zeitalter währenden Ringens zwischen der roten und der gelben Rasse sind ein Epos der Geschichte Urantias. Mehr als zweihunderttausend Jahre lang führten diese beiden höheren Rassen einen erbitterten und unablässigen Krieg gegeneinander. In den früheren Kämpfen waren die roten Menschen im Allgemeinen erfolgreich. Ihre Überfälle richteten in den gelben Siedlungen große Verwüstungen an. Aber die gelben Menschen waren gelehrige Schüler in der Kriegskunst, und früh schon legten sie eine ausgesprochene Fähigkeit zu friedlichem Zusammenleben an den Tag; die Chinesen lernten als erste, dass in der Einheit Kraft liegt. Die roten Stämme fuhren mit ihren brudermörderischen Konflikten fort und mussten bald vonseiten der dynamischen und schonungslosen Chinesen, die ihren unaufhaltsamen Marsch nach Norden fortsetzten, wiederholt Niederlagen einstecken. Vor hunderttausend Jahren kämpften die dezimierten Stämme der roten Rasse mit dem Rücken zum Eis des sich zurückziehenden letzten Gletschers, und als die Landpassage im Osten, die Bering-Landenge, begehbar wurde, beeilten sich diese Stämme, die unwirtlichen Küsten des asiatischen Kontinentes zu verlassen. Es ist jetzt fünfund-achtzigtausend Jahre her, seit der letzte der rein roten Menschen Asien verlassen hat, aber die lange Auseinandersetzung hat der siegreichen gelben Rasse ihren genetischen Stempel aufgedrückt. Die nördlichen Chinesen sowie die andonitischen Sibirier erhielten viel rotes Blut, was ihnen ganz entschieden zum Vorteil gereichte. Die nordamerikanischen Indianer kamen niemals mit den Nachkommen Adams und Evas, nicht einmal den anditischen, in Kontakt, da sie ihrer asiatischen Stammlande etwa fünfzigtausend Jahre vor Adams Kommen beraubt worden waren. Während des Zeitalters der anditischen Wanderungen breiteten sich die Angehörigen der reinen roten Rasse als Nomadenstämme, als Jäger, die nur wenig Ackerbau trieben, über Nordamerika aus. Diese Rassen und kulturellen Gruppen blieben vom Rest der Welt fast völlig abgeschnitten von dem Augenblick an, da sie Amerika betraten bis zum Ende des ersten Millenniums der christlichen Ära, als sie von den weißen Rassen Europas entdeckt wurden. Bis zu dieser Zeit waren die Eskimos von allen Menschen, die die roten Menschen je erblickt hatten, diejenigen, die den Weißen am ähnlichsten sahen. Die roten und gelben Menschen sind die einzigen menschlichen Rassen, die jemals ohne den Einfluss der Anditen einen hohen Grad an Zivilisation erreicht haben. Die älteste Kultur der amerikanischen Indianer war das Zentrum Onamonalontons in Kalifornien, aber dieses war um 35 000 v. Chr. längst verschwunden. Die späteren, länger dauernden Zivilisationen Mexikos, Mittelamerikas und der Berge Südamerikas wurden durch eine überwiegend rote Rasse begründet, in deren Adern aber ein beträchtlicher Schuss gelben, orangen und blauen Blutes floss. Trotz der Tatsache, dass Spuren anditischen Blutes Peru erreichten, waren diese Zivilisatio-nen evolutionäre Ergebnisse der Sangikrassen. Abgesehen von den Eskimos Nordamerikas und einiger weniger polynesischer Anditen Südamerikas hatten die Völker der westlichen Hemisphäre bis zum Ende des ersten Jahrtausends nach Christus mit dem Rest der Welt keinen Kontakt. Im ursprünglichen Plan der Melchisedeks zur Verbesserung der Rassen Urantias war festgelegt worden, dass eine Million reinrassiger Abkömmlinge Adams nach den beiden Amerika gehen sollte, um die roten Menschen biologisch zu heben. ***** 79.6 Die Morgenröte der chinesischen Zivilisation ***** Einige Zeit, nachdem die expandierenden Chinesen die roten Menschen nach Nordamerika abgedrängt hatten, säuberten sie die Flusstäler Ostasiens von den Andoniten, die sie im Norden nach Sibirien und im Westen nach Turkestan vertrieben, wo sie bald mit der überlegenen Kultur der Anditen in Berührung kommen sollten. In Burma und auf der Halbinsel Indochinas vermischten sich die Kulturen Indiens und Chinas, woraus die aufeinander folgenden Zivilisationen dieser Gebiete hervorgingen. Hier hat die verschwundene grüne Rasse in stärkerem Maße überdauert als irgendwo anders auf der Welt. Die pazifischen Inseln wurden von vielen verschiedenen Rassen besetzt. Im Allgemeinen wurden die südlichen und damals größeren Inseln von Völkern mit einem hohen Anteil an grünem und indigoblauem Blut bewohnt. Die nördlichen Inseln hielten Andoniten und später Rassen mit ausgesprochen gelbem und rotem Erbe besetzt. Die Vorfahren des japanischen Volkes wurden erst um 12 000 v. Chr. vom Festland vertrieben, als sie durch einen mächtigen Vorstoß der längs der Küste nach Süden stürmenden nördlichen chinesischen Stämme hinausgeworfen wurden. Ihr endgültiger Exodus ging weniger auf Bevölkerungsdruck zurück als auf die Initiative eines Anführers, den sie mit der Zeit als göttliches Wesen zu betrachten begannen. Wie die Völker Indiens und der Levante errichteten auch die siegreichen Stämme der gelben Menschen ihre frühesten Zentren entlang der Küste und flussaufwärts. Den Küstensiedlungen erging es in späteren Jahren schlecht, da die Städte des Tieflandes wegen der immer häufiger über die Ufer tretenden und ihren Lauf verändernden Flüsse unhaltbar wurden. Vor zwanzigtausend Jahren hatten die Vorfahren der Chinesen bereits ein Dutzend bedeutender Zentren primitiver Kultur und Gelehrsamkeit errichtet, hauptsächlich entlang dem Gelben Fluss und dem Jangtse. Und nun begann die Stärkung dieser Zentren durch den ständigen Zustrom höherer gemischter Volksgruppen aus Sinkiang und Tibet. Die Einwanderung aus Tibet ins Jangtsetal war nicht so bedeutend wie diejenige im Norden, und die tibetanischen Zentren waren nicht so fortgeschritten wie diejenigen des Tarimbeckens. Aber beide Menschenströme trugen einen gewissen Anteil anditischen Blutes nach Osten in die Flusssiedlungen. Die Überlegenheit der alten gelben Rasse beruhte auf vier großen Faktoren: 1. Der genetische Faktor. Im Gegensatz zu ihren blauen Vettern in Europa waren sowohl die rote wie die gelbe Rasse der Vermischung mit minderen menschlichen Rassen entgangen. Die Nordchinesen, die bereits in geringem Umfang durch die Aufnahme von höheren roten und andonischen Linien gestärkt worden waren, sollten nun bald einen beträchtlichen Zufluss anditischen Blutes empfangen. Den Südchinesen erging es diesbezüglich weniger gut, denn sie hatten lange unter der Absorption der grünen Rasse gelitten und sollten später noch eine weitere Schwächung erfahren durch das Einsickern jener Schwärme von niedrigeren Volksgruppen, die durch die drawidisch-anditische Invasion aus Indien abgedrängt wurden. Und heute besteht in China ein eindeutiger Unterschied zwischen der Rasse des Nordens und Südens. 2. Der soziale Faktor. Die gelbe Rasse begriff schon früh den Wert friedlichen Zusammenlebens. Ihre Friedfertigkeit im Innern trug so sehr zur Bevölkerungszunahme bei, dass sich ihre Zivilisation unter vielen Millionen ausbreiten konnte. Von 25 000 bis 5 000 v. Chr. befand sich die höchste Massenzivilisation Urantias in Zentral- und Nordchina. Die gelben Menschen brachten es als erste zu einer Rassensolidarität - als erste erreichten sie eine kulturelle, gesellschaftliche und politische Zivilisation großen Maßstabs. Die Chinesen von 15 000 v. Chr. waren dynamische Militaristen; sie waren nicht durch eine übergroße Ehrfurcht vor der Vergangenheit geschwächt worden, und da sie weniger als zwölf Millionen zählten, bildeten sie ein fest gefügtes Gemeinwesen mit einer gemeinsamen Sprache. Während jenes Zeitalters bauten sie eine richtige Nation auf, die viel geeinter und homogener war als ihre politischen Zusammenschlüsse in geschichtlichen Zeiten. 3. Der geistige Faktor. Zur Zeit der anditischen Wanderungen gehörten die Chinesen zu den geistigeren Völkern der Erde. Ihr langes Festhalten an der Verehrung der von Singlangton verkündigten Einen Wahrheit hielt ihren Vorsprung vor den meisten anderen Rassen aufrecht. Das Stimulans einer fortschrittlichen und vorgerückten Religion ist oft ein entscheidender Faktor in der kulturellen Entwicklung; während Indien darniederlag, kämpfte sich China unter dem kräftigenden Stimulans einer Religion voran, deren Herzstück die Wahrheit als höchste Gottheit war. Die Verehrung der Wahrheit trieb an zur Erforschung und furchtlosen Ergründung der Naturgesetze und der Potentiale der Menschheit. Vor sechstausend Jahren waren die Chinesen immer noch eifrige Forscher, die dynamisch nach der Wahrheit suchten. 4. Der geographische Faktor. China wird gegen Westen durch die Berge und gegen Osten durch den Pazifik geschützt. Einzig im Norden ist der Weg für Angriffe offen, und nach den Tagen der roten Menschen bis zum Erscheinen der späteren Nachfahren der Anditen lebte im Norden nie eine aggressive Rasse. Wären da nicht die Gebirgsbarrieren und der spätere Niedergang der geistigen Kultur gewesen, hätte die gelbe Rasse ohne Zweifel den größeren Teil der aus Turkestan auswandernden Anditen angezogen und fraglos in Kürze die Weltzivilisation beherrscht. ***** 79.7 Die Anditen dringen in China ein ***** Vor etwa fünfzehntausend Jahren überquerten die Anditen in beträchtlicher Zahl den Ti Tao-Pass und breiteten sich zwischen den chinesischen Siedlungen des Kansu am Oberlauf des Gelben Flusses aus. Bald drangen sie im östlich davon gelegenen Honan ein, wo sich die fortschrittlichsten Siedlungen befanden. Diese Infiltration von Westen her war etwa zur Hälfte andonitisch und anditisch. Die nördlichen, am Gelben Fluss gelegenen Kulturzentren waren schon immer fortschrittlicher gewesen als die südlichen Niederlassungen am Jangtse. Innerhalb einiger tausend Jahre nach der Ankunft auch nur dieser kleinen Zahl höherstehender Sterblicher hatten die Siedlungen längs des Gelben Flusses die Dörfer am Jangtse überflügelt und verglichen mit den Brüdern im Süden einen fortgeschritteneren Stand erreicht, der seither immer aufrechterhalten worden ist. Nicht dass die Anditen so zahlreich gewesen wären oder ihre Kultur so viel höher gestanden hätte, aber die Vermischung mit ihnen ergab eine vielseitigere Rasse. Die Nordchinesen erhielten gerade genug vom anditischen Erbe, um ihre von Natur aus fähigen Köpfe leicht zu stimulieren, aber doch nicht genug, um sie mit jener rastlosen, forschenden Neugier zu beflügeln, die für die weißen Rassen des Nordens so bezeichnend ist. Diese eher beschränkte Beimischung anditischen Erbes wirkte auf die angeborene Stabilität des Sangiktyps weniger störend. Die späteren Anditenwellen brachten einige der kulturellen Fortschritte Mesopotamiens mit sich; das trifft insbesondere auf die letzten Einwandererwellen aus dem Westen zu. Sie verbesserten die wirtschaftlichen und erzieherischen Praktiken der Nordchinesen in hohem Maße, und obwohl ihr Einfluss auf die religiöse Kultur der gelben Rasse nur von kurzer Dauer war, so trugen doch ihre Nachfahren viel zu einem späteren geistigen Erwachen bei. Hingegen beeinflussten die anditischen Überlieferungen von der Schönheit Edens und Dalamatias die chinesischen Traditionen; in den frühen chinesischen Legenden befindet sich "das Land der Götter" im Westen. Das chinesische Volk begann erst nach 10 000 v. Chr. mit dem Bau von Städten und mit der Herstellung von Fabrikaten infolge der klimatischen Veränderungen in Turkestan und der Ankunft der späteren anditischen Einwanderer. Die Zufuhr dieses neuen Blutes fügte der Zivilisation der gelben Menschen nicht sehr viel hinzu, aber sie stimulierte die weitere rasche Entwicklung der latenten Tendenzen der höheren chinesischen Erblinien. Vom Honan zum Shensi erblühten nun diese Potentiale in einer fortgeschrittenen Zivilisation. Die Metallbearbeitung und alle handwerklichen Techniken stammen aus diesen Tagen. Die Ähnlichkeiten zwischen bestimmten frühen chinesischen und mesopotamischen Methoden in Zeitrechnung, Astronomie und Regierungsverwaltung sind auf die Handelsbeziehungen zwischen diesen weit auseinander liegenden Zentren zurückzuführen. Chinesische Kaufleute reisten noch zur Zeit der Sumerer auf dem Landweg durch Turkestan nach Mesopotamien. Dieser Austausch war nicht etwa einseitig - das Euphrattal gewann dabei sehr viel, wie auch die Völker der Gangesebene. Aber die Klimawechsel und Nomadeninvasionen des dritten vorchristlichen Jahrtausends reduzierten das Volumen des Handels, der sich über die Karawanenpfade Zentralasiens abspielte, sehr stark. ***** 79.8 Die spätere chinesische Zivilisation ***** Während die roten Menschen an zu viel Krieg litten, ist es nicht ganz unzutreffend zu sagen, dass die Entwicklung der Staatlichkeit bei den Chinesen durch ihre völlige Inbesitznahme Asiens verzögert wurde. Sie besaßen ein großes Potential an Rassensolidarität, aber es konnte sich nicht richtig entfalten, weil ihm die ständige Stimulierung durch die immer drohende Gefahr eines äußeren Angriffs fehlte. Als die Eroberung Ostasiens abgeschlossen war, zerfiel der alte Militärstaat allmählich - die vergangenen Kriege wurden vergessen. Von der epischen Auseinandersetzung mit der roten Rasse blieb nur die verschwommene Überlieferung von einem Kampf gegen das Volk der Bogenschützen lebendig. Die Chinesen wandten sich früh der Landwirtschaft zu, was ihre friedlichen Neigungen noch verstärkte, während eine Bevölkerung, die weit unter dem kritischen Bevölkerung-Boden-Verhältnis für Landwirtschaft lag, noch mehr zu der wachsenden Friedfertigkeit des Landes beitrug. Das Bewusstsein vergangener Leistungen (heute etwas schwächer geworden), die konservative Einstellung eines in seiner überwältigenden Mehrheit dem Bauernstand angehörenden Volkes und ein gut entwickeltes Familienleben ließen die Ahnenverehrung entstehen, die darin gipfelte, dass man die Menschen der Vergangenheit in einer an Anbetung grenzenden Weise verehrte. Eine sehr ähnliche Geistesverfassung herrschte unter den weißen Rassen Europas während etwa fünfhundert Jahren nach dem Zerbrechen der griechisch-römischen Zivilisation. Der Glaube an die "Eine Wahrheit", wie Singlangton sie gelehrt hatte, und deren Verehrung starben nie ganz; aber im Lauf der Zeit wurde die Suche nach neuer und höherer Wahrheit überschattet durch die wachsende Tendenz, schon Bestehendes zu verehren. Langsam wandte sich der Genius der gelben Rasse von der Erforschung des Unbekannten ab und der Erhaltung des Bekannten zu. Und das ist der Grund für die Stagnation der einst am raschesten wachsenden Zivilisation der Welt. Zwischen 4000 und 500 v. Chr. wurde die politische Wiedervereinigung der gelben Rasse vollzogen, aber die kulturelle Vereinigung der Zentren am Jangtse und am Gelben Fluss war schon vorher hergestellt worden. Diese politische Wiedervereinigung der späteren Stammesgruppen ging nicht ohne Konflikte vor sich, aber die Gesellschaft hielt nach wie vor nicht viel von Krieg; Ahnenverehrung, zunehmende Dialekte und fehlende Anlässe zu Militäraktionen während vieler Jahrtausende hatten dieses Volk äußerst friedliebend werden lassen. Obwohl die gelbe Rasse das Versprechen einer frühen Entwicklung vorgerückter Staatlichkeit nicht zu halten vermochte, machte sie ständige Fortschritte bei der Verwirklichung kultureller Zivilisationsleistungen, hauptsächlich auf den Gebieten von Acker- und Gartenbau. Die Wasserprobleme, vor die sich die Bauern im Shensi und im Honan gestellt sahen, verlangten zu ihrer Lösung Zusammenarbeit in der Gruppe. Solche Bewässerungs- und Bodenerhaltungsschwierigkeiten trugen in nicht geringem Maße zur Entwicklung gegenseitiger Abhängigkeit bei, die den Frieden zwischen landwirtschaftlichen Gruppen förderte. Bald trugen Fortschritte im Schreiben und die Errichtung von Schulen zu einer Wissensverbreitung in einem nie dagewesenen Maßstab bei. Aber die schwerfällige Natur des ideographischen Schriftsystems setzte den gebildeten Klassen eine zahlenmäßige Grenze, obwohl schon früh mit Drucken begonnen wurde. Und mehr als alles andere beschleunigte sich der Prozess der gesellschaftlichen Standardisierung und der religiös-philosophischen Dogmatisierung. Die religiöse Entwicklung der Ahnenverehrung wurde noch kompliziert durch eine Flut von Aberglauben, welcher auch die Anbetung der Natur einschloss, aber fortbestehende Spuren einer wirklichen Gottesvorstellung blieben im Kaiserkult des Shang-ti erhalten. Die große Schwäche der Ahnenverehrung liegt darin, dass sie eine rückwärts gewandte Philosophie fördert. Wie weise es auch sein mag, Weisheit aus der Vergangenheit zusammenzutragen, ist es doch Torheit, die Vergangenheit als einzige Wahrheitsquelle zu betrachten. Wahrheit ist relativ und expandierend, sie lebt immer in der Gegenwart und findet in jeder Menschengeneration einen neuen Ausdruck - ja sogar in jedem Menschenleben. Die große Stärke des Ahnenkults liegt im Wert, den eine solche Haltung der Familie beimisst. Die erstaunliche Stabilität und Dauerhaftigkeit der chinesischen Kultur ist eine Folge der überragenden Stellung, die der Familie zukam; denn eine Zivilisation hängt direkt vom wirksamen Funktionieren der Familie ab. Und in China erreichte die Familie eine gesellschaftliche Wichtigkeit, ja sogar eine religiöse Bedeutung, der sich nur wenige andere Völker genähert haben. Die ehrerbietige Haltung der Kinder und die Treue in der Familie, vom wachsenden Ahnenkult verlangt, sicherten den Aufbau hochstehender Familienbeziehungen und dauernder Familiengruppen, und all das begünstigte die folgenden, für die Erhaltung der Zivilisation wichtigen Faktoren: 1. Bewahrung von Besitz und Reichtum. 2. Vereinigung der Erfahrungen von mehr als einer Generation. 3. Wirksame Erziehung der Kinder in Techniken und Wissenschaft der Vergangenheit. 4. Entwicklung eines starken Pflichtgefühls, Hebung der Sittlichkeit und Steigerung der ethischen Sensibilität. Die Periode der Bildung der chinesischen Zivilisation wird durch das Kommen der Anditen eröffnet und setzt sich bis zum großen ethischen, sittlichen und halbreligiösen Erwachen des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts fort. Und die chinesische Überlieferung bewahrt die verschwommene Beschreibung der evolutionären Vergangenheit: Den Übergang von der Mutter- zur Vaterfamilie, die Begründung des Ackerbaus, die Entwicklung der Architektur, die Anfänge der Industrie - all das berichtet sie eins nach dem anderen. Und diese Geschichte zeichnet mit größerer Genauigkeit als irgendeine andere vergleichbare Erzählung das Bild von einem höher stehenden Volk, das von der Stufe der Barbarei ausgehend einen großartigen Aufstieg vollzogen hat. In dieser Zeitspanne bewerkstelligten die Chinesen den Übergang von einer primitiven Gesellschaft von Ackerbauern zu einer höheren gesellschaftlichen Organisation mit Städten, Handwerk, Metallbearbeitung, Handelsaustausch, Regierung, Schrift, Mathematik, Kunst, Wissenschaft und Druck. Und so hat die alte Zivilisation der gelben Rasse die Jahrhunderte überdauert. Es ist fast vierzigtausend Jahre her, seit die chinesische Kultur ihre ersten wichtigen Fortschritte machte, und obwohl es manche Rückentwicklung gegeben hat, kommt doch von allen Zivilisationen diejenige der Söhne Hans dem Bild ununterbrochenen, beständigen Fortschreitens bis in die Tage des zwanzigsten Jahrhunderts am nächsten. Die Realisierungen der weißen Rassen auf mechanischem und religiösem Gebiet sind von hoher Art, aber nie haben sie die Chinesen an Familientreue, Gruppenethik oder persönlicher Sittlichkeit übertroffen. Diese alte Kultur hat viel zu menschlichem Glück beigetragen; Millionen menschlicher Wesen haben in ihrem Leben und Tod den Segen ihrer Errungenschaften empfangen. Während Jahrhunderten hat sich diese große Zivilisation auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht, aber sie ist eben jetzt am Erwachen, um erneut die transzendenten Ziele der sterblichen Existenz ins Auge zu fassen und einmal mehr den unablässigen Kampf für nimmer endenden Fortschritt aufzunehmen. [Dargeboten von einem Erzengel von Nebadon.] ****** Kapitel 80 Die Anditische Expansion im Abendland ****** OBWOHL die europäischen blauen Menschen es von sich aus zu keiner großen kulturellen Zivilisation brachten, lieferten sie doch jene biologische Grundlage, die nach der Vermischung ihrer adamisierten Linien mit den späteren anditischen Invasoren eine der zur Verwirklichung einer dynamischen Zivilisation fähigsten Rassen hervorbrachte, die seit den Zeiten der violetten Rasse und ihrer anditischen Nachfolger je auf Urantia erschienen war. Die modernen weißen Völker enthalten das fortlebende Erbe der adamischen Rasse, die sich mit den Sangikrassen - in geringerem Umfang mit der roten und gelben, aber vor allem mit der blauen - vermischte. Und in allen weißen Rassen lebt ein beträchtlicher Prozentsatz der ursprünglichen andonitischen Rasse und ein noch größeres Erbe der frühen Noditen weiter. ***** 80.1 Die Adamiten betreten Europa ***** Lange bevor die Anditen aus dem Euphrattal vertrieben wurden, waren viele ihrer Brüder als Abenteurer, Lehrer, Handelsleute und Krieger nach Europa gekommen. In den früheren Zeiten der violetten Rasse wurde das Mittelmeerbecken durch den Isthmus von Gibraltar und die Landbrücke von Sizilien geschützt. Ein Teil des sehr frühen maritimen Handels der Menschen entstand auf diesen Binnenseen, wo sich blaue Menschen aus dem Norden und Saharabewohner aus dem Süden mit Noditen und Adamiten aus dem Osten trafen. Am östlichen Mittelmeerbecken hatten die Noditen eine ihrer bedeutendsten Kulturen geschaffen, und von diesen Zentren aus waren sie ein Stück weit nach Südeuropa, aber insbesondere nach Nordafrika vorgedrungen. Diese breitschädeligen Noditisch-Andonitischen Syrer führten in ihren Siedlungen auf dem sich langsam hebenden Nildelta sehr früh Töpferei und Ackerbau ein. Sie importierten ebenfalls Schafe, Ziegen, Vieh und andere domestizierte Tiere und brachten stark verbesserte Methoden der Metallbearbeitung mit; denn Syrien war damals das Zentrum dieser Industrie. Mehr als dreißigtausend Jahre lang nahm Ägypten einen ständigen Strom von Mesopotamiern auf, die ihre Kunst und Kultur mitbrachten und diejenige des Niltals bereicherten. Aber der Zuzug von Saharabewohnern in großer Zahl zog die frühe Zivilisation am Nil arg in Mitleidenschaft, so dass Ägypten vor etwa fünfzehntausend Jahren seinen kulturellen Tiefpunkt erreichte. In früheren Zeiten gab es wenig, was die Adamiten hätte daran hindern können, westwärts zu wandern. Die Sahara war ein offenes, überall von Hirten und Ackerbauern bewohntes Weideland. Ihre Bewohner ergriffen nie ein Handwerk, noch wurden sie Städtebauer. Sie gehörten einer indigo-schwarzen Gruppe an, in deren Adern viel Blut der verschwundenen grünen und orangen Rassen floss. Aber sie empfingen einen sehr beschränkten Anteil an violettem Erbe, bevor die Hebung des Landes und das Abdrehen der regenbringenden Winde die Überreste dieser prosperierenden und friedlichen Zivilisation zerstreuten. Adams Blut wurde von den meisten Menschenrassen aufgenommen, aber einige erhielten davon mehr als andere. Die Mischrassen Indiens und die dunkleren Völker Afrikas zogen die Adamiten nicht an. Sie hätten sich bedenkenlos mit den roten Menschen vermischt, hätten diese nicht weitab in Amerika gelebt, und sie hegten freundliche Gefühle gegenüber den gelben Menschen, aber diese waren im fernen Asien schwer zu erreichen. Wenn sie deshalb von Abenteuerlust oder Altruismus ergriffen oder aus dem Euphrattal verjagt wurden, suchten sie ganz natürlich die Vereinigung mit den blauen Rassen Europas. Die damals Europa beherrschenden blauen Menschen hatten keine religiösen Praktiken, die auf die früheren adamitischen Auswanderer hätten abstoßend wirken können, und die sexuelle Anziehung zwischen violetter und blauer Rasse war sehr stark. Die Besten der blauen Menschen erachteten es als eine große Ehre, sich mit den Adamiten vermählen zu dürfen. Jeder blaue Mann war vom Ehrgeiz beseelt, so gewandt und künstlerisch zu werden, dass er die Liebe einer adamitischen Frau gewinnen konnte, und das höchste Verlangen einer höheren blauen Frau war, von einem Adamiten umworben zu werden. So vereinigten sich diese wandernden Söhne Edens ganz allmählich mit den höheren Vertretern der blauen Rasse, deren kulturelle Praktiken sie stärkten, während sie die Überreste der Neandertalrasse gnadenlos ausrotteten. Diese Technik der Rassenverschmelzung, verbunden mit der Eliminierung der niederen Erblinien, brachte ein gutes Dutzend männlicher und vorwärtsstrebender Gruppen höherer blauer Menschen hervor, welchen ihr den Namen Cromagnon gegeben habt. Aus diesen und anderen Gründen, deren nicht geringster die günstigeren Wanderrouten waren, bewegten sich die frühen Wellen mesopotamischer Kultur fast ausschließlich auf Europa zu. Und diese Gegebenheiten waren es, welche die Grundlagen der modernen europäischen Zivilisation schufen. ***** 80.2 Klimatische und geologische Veränderungen ***** Das frühe Eindringen der violetten Rasse in Europa nahm wegen gewisser eher plötzlicher klimatischer und geologischer Veränderungen ein jähes Ende. Mit dem Rückzug der nördlichen Eisfelder drehten die regenbringenden Westwinde nach Norden ab und verwandelten die großen offenen Weidegebiete der Sahara in eine öde Wüste. Diese Dürre hatte die Zerstreuung der kleiner gewachsenen, dunkelhäutigen und -äugigen, aber langköpfigen Bewohner des großen Saharaplateaus zur Folge. Die reineren Vertreter der Indigorasse strebten den Wäldern Zentalafrikas im Süden zu, wo sie seither immer geblieben sind. Die stärker gemischten Gruppen zerstreuten sich nach drei Richtungen hin: Die höheren Stämme des Westens wanderten nach Spanien und von dort in die anliegenden Gegenden Europas aus und bildeten den Kern der späteren mediterranen langköpfigen und dunkelhäutigen Rassen. Der am wenigsten fortschrittliche Teil im Osten des Saharaplateaus zog nach Arabien und von da über Nordmesopotamien und Indien nach dem fernen Ceylon. Die mittlere Gruppe wandte sich nach Norden und Osten ins Niltal und nach Palästina. Es ist dieses zugrunde liegende sekundäre Sangikblut, das einen gewissen Verwandtschaftsgrad zwischen den heutigen Völkern vom Dekan über Iran und Mesopotamien bis an beide Mittelmeerküsten nicht übersehen lässt. Ungefähr zur Zeit dieser klimatischen Veränderungen in Afrika trennte sich England vom Kontinent und tauchte Dänemark aus dem Meer auf, während die Landbrücke von Gibraltar, die bisher das westliche Mittelmeerbecken geschützt hatte, infolge eines Erdbebens einbrach, was den Wasserspiegel des Binnensees rasch zum Niveau des Atlantischen Ozeans aufsteigen ließ. Bald danach versank auch die sizilianische Landbrücke, was aus dem Mittelmeer ein einziges, mit dem Atlantischen Ozean verbundenes Meer machte. Diese Naturkatastrophe spülte Dutzende von menschlichen Siedlungen hinweg und verursachte den größten Verlust an Menschenleben durch Überflutung in der ganzen Weltgeschichte. Dieses Einsinken des Mittelmeerbeckens verringerte die Westwanderung der Adamiten augenblicklich, während der große Zustrom von Saharabewohnern sie veranlasste, für ihre wachsenden Scharen im Norden und Osten Edens nach Abflussmöglichkeiten Ausschau zu halten. Wenn die Nachkommen Adams aus den Tälern von Tigris und Euphrat nach Norden wanderten, stießen sie auf Gebirgsbarrieren und auf das damals ausgedehnte Kaspische Meer. Und viele Generationen lang lebten die Adamiten als Jäger, Hirten und Ackerbauern in ihren über ganz Turkestan verstreuten Siedlungen. Langsam dehnte dieses prächtige Volk sein Territorium bis nach Europa hin aus. Aber diesmal betreten die Adamiten Europa von Osten her und finden eine Kultur der blauen Menschen vor, die um Jahrtausende hinter derjenigen Asiens zurückgeblieben ist, denn dieses Gebiet ist kaum je mit Mesopotamien in Berührung gekommen. ***** 80.3 Die cromagnoiden blauen Menschen ***** Die einstigen Kulturzentren der blauen Menschen lagen an allen Flüssen Europas, aber einzig die Somme folgt heute noch demselben Lauf wie vor der Eiszeit. Zwar sprechen wir von den ganzen europäischen Kontinent überziehenden blauen Menschen, aber es gab Dutzende von Rassentypen. Sogar schon vor fünfunddreißigtausend Jahren waren die blauen Rassen Europas ein sehr stark gemischtes Volk mit roten wie gelben Erbanteilen, während sie an den atlantischen Küstenstrichen und in den Gebieten des heutigen Russland einen ansehnlichen Anteil andonitischen Blutes empfangen hatten und im Süden mit der Saharabevölkerung in Berührung standen. Aber ein Versuch, all die verschiedenen Rassengruppen aufzuzählen, wäre zwecklos. Die europäische Zivilisation dieser frühen nachadamischen Periode war eine einzigartige Verschmelzung der Kraft und Kunst der blauen Menschen mit der schöpferischen Imagination der Adamiten. Die blauen Menschen waren eine Rasse von großer Lebenskraft, aber der kulturelle und geistige Status der Adamiten büßte durch sie sehr viel ein. Diesen fiel es sehr schwer, die cromagnoiden Menschen zur Annahme ihrer Religion zu bewegen, da so viele von ihnen die jungen Mädchen betrogen und sittlich verdarben. Zehntausend Jahre lang befand sich Europas Religion verglichen mit den Entwicklungen in Indien und Ägypten auf einem Tiefstand. Die blauen Menschen waren in ihrem ganzen Handeln vollkommen ehrlich und völlig frei von den sexuellen Lastern der gemischten Adamiten. Sie respektierten die Jungfräulichkeit und praktizierten Polygamie nur, wenn Krieg einen Männermangel verursachte. Diese Cromagnonvölker waren eine mutige und weit blickende Rasse. Sie pflegten ein wirksames System der Kindererziehung. Beide Eltern beteiligten sich an dieser Aufgabe, und die Dienste der älteren Kinder wurden voll in Anspruch genommen. Jedes Kind wurde sorgfältig im Unterhalt der Höhle, in allerhand Fertigkeiten und in der Herstellung von Feuerstein unterwiesen. Schon in jungem Alter kannten sich die Frauen in den häuslichen Tätigkeiten und im primitiven Ackerbau gut aus, während die Männer gewandte Jäger und mutige Krieger waren. Die blauen Menschen waren Jäger, Fischer und Nahrungssammler; sie waren erfahrene Bootsbauer. Sie stellten Steinäxte her, fällten Bäume und errichteten Blockhütten, die teils in den Boden eingelassen und mit Tierhäuten überdacht waren. Und es gibt in Sibirien heute noch Ethnien, die ebensolche Hütten bauen. Die südlichen Cromagnoiden lebten gewöhnlich in Höhlen und Grotten. Es kam in der beißenden Winterkälte nicht selten vor, dass ihre am Höhleneingang Nachtwache haltenden Posten erfroren. Sie hatten Mut, aber vor allem waren sie Künstler, und die adamische Blutbeimischung beschleunigte auf einmal ihre schöpferische Imagination. Die Kunst der blauen Menschen erreichte ihren Höhepunkt etwa vor fünfzehntausend Jahren, bevor die dunkelhäutigeren Rassen von Afrika durch Spanien heraufkamen. Vor etwa fünfzehntausend Jahren nahmen die alpinen Wälder gewaltig zu. Unter demselben klimatischen Zwang, der die glücklichen Jagdgründe der Welt in trockene und öde Wüsten verwandelt hatte, wurden die europäischen Jäger in die Flusstäler und an die Meeresküsten getrieben. Als die Regenwinde nach Norden drehten, bedeckten sich die großen offenen Weidegebiete Europas mit Wäldern. Diese großen und relativ plötzlichen klimatischen Veränderungen zwangen die Rassen Europas, sich aus Jägern, die in offenen Gegenden herumschweiften, in Hirten und in gewissem Ausmaß in Fischer und Ackerbauer zu verwandeln. Zwar hatten diese Wechsel kulturelle Fortschritte zur Folge, aber sie bewirkten auch gewisse biologische Rückentwicklungen. In der vorausgehenden Jagdära hatten die Angehörigen höherstehender Stämme die edleren der Kriegsgefangenen geheiratet und stets all jene umgebracht, die sie als niedriger einstuften. Aber als sie sich in Siedlungen niederzulassen und Ackerbau und Handel zu treiben begannen, gingen sie dazu über, viele der mittelmäßigen Gefangenen als Sklaven zu behalten. Und es war die Nachkommenschaft dieser Sklaven, die später den gesamten Cromagnontyp so sehr schädigte. Diese Rückbildung der Kultur dauerte, bis ihr aus Osten ein frischer Impuls zuteil wurde, als die letzte und massenweise Invasion der Mesopotamier über Europa hinwegfegte, die den Cromagnontyp und seine Kultur rasch absorbierte und die Zivilisation der weißen Rassen begründete. ***** 80.4 Die anditischen Invasionen Europas ***** Obwohl die Anditen in ununterbrochenem Fluss nach Europa einströmten, gab es doch sieben Hauptinvasionen, wobei die letzten Ankömmlinge in drei großen Wellen zu Pferde anlangten. Einige drangen über die Inseln der Ägäis in Europa ein und bewegten sich das Donautal hinauf, aber die Mehrzahl der früheren und reineren Linien wanderte über die Nordroute durch die Weidegegenden der Wolga und des Dons nach Nordwesteuropa. Zwischen der dritten und vierten Invasion fiel eine Horde von Andoniten aus dem Norden in Europa ein. Sie stammte aus Sibirien und war über die russischen Flüsse und die baltischen Lande gekommen. Sofort erfolgte ihre Assimilierung durch die nördlichen Anditenstämme. Die früheren Invasionen der reineren violetten Rasse verliefen viel friedlicher als die ihrer späteren halbmilitärischen und eroberungslustigen anditischen Nachkommen. Die Adamiten waren friedliebend, die Noditen streitlustig. Die Vereinigung beider Rassen und ihre spätere Vermischung mit den Sangikrassen ergab die fähigen, dynamischen Anditen, die richtige militärische Eroberungen machten. Aber das Pferd war der evolutionäre Faktor, welcher für die beherrschende Stellung der Anditen im Abendland entscheidend war. Das Pferd verlieh den sich zerstreuenden Anditen den bis dahin nicht existierenden Vorteil der Mobilität und befähigte die letzten Gruppen berittener Anditen, den Weg um das Kaspische Meer herum rasch zurückzulegen und ganz Europa zu überrennen. Alle früheren Anditenwellen hatten sich so langsam fortbewegt, dass sie in mehr oder minder großer Entfernung von Mesopotamien zur Desintegration neigten. Aber diese späteren Wellen bewegten sich so rasch vorwärts, dass sie Europa als fest gefügte Gruppen erreichten, die immer noch ein gewisses Maß an höherer Kultur bewahrten. Zehntausend Jahre lang hatte die ganze bewohnte Welt, von China und der Euphratgegend abgesehen, nur sehr begrenzte kulturelle Fortschritte gemacht, bis im siebenten und sechsten Jahrtausend v. Chr. die zähen anditischen Reiter erschienen. Auf ihrem Vormarsch durch die russischen Ebenen absorbierten sie die besten und rotteten die schlechtesten der blauen Menschen aus und verschmolzen dabei zu einem einzigen Volk. Das waren die Vorfahren der so genannten nordischen Rassen, die Vorväter der skandinavischen, germanischen und angelsächsischen Völker. Es dauerte nicht lange, bis in ganz Nordeuropa die höheren blauen Linien völlig in den Anditen aufgegangen waren. Nur in Lappland (und bis zu einem gewissen Grad in der Bretagne) bewahrten die älteren Andoniten so etwas wie eine Identität. ***** 80.5 Die Eroberung Nordeuropas durch die Anditen ***** Die Stämme Nordeuropas wurden durch den unablässigen Zustrom von Mesopotamiern, die die Gegenden Turkestans und Südrusslands durchwandert hatten, ständig verstärkt und biologisch gehoben, und als die letzten anditischen Reiterwellen über Europa hinwegfegten, gab es in dieser Gegend schon mehr Menschen mit Anditischem Erbe als in der ganzen übrigen Welt. Dreitausend Jahre lang befand sich das militärische Hauptquartier der nördlichen Anditen in Dänemark. Von diesem zentralen Punkt aus wurden die aufeinander folgenden Eroberungswellen ausgelöst, wobei das anditische Element immer schwächer und das weiße immer stärker wurde, als sich mit dem Verstreichen der Jahrhunderte ein endgültiges Verschmelzen der mesopotamischen Eroberer mit den eroberten Völkern einstellte. Während die blauen Menschen im Norden absorbiert worden waren und im Süden schließlich dem Ansturm der einfallenden weißen Reiter unterlegen waren, stießen die vorrückenden Stämme der gemischten weißen Rasse auf den hartnäckigen und anhaltenden Widerstand der Cromagnons; aber ihre höhere Intelligenz und ständig zunehmenden biologischen Reserven befähigten sie, die ältere Rasse völlig zum Verschwinden zu bringen. Die entscheidenden Schlachten zwischen den weißen und blauen Menschen wurden im Tal der Somme geschlagen. Hier setzte die Blüte der blauen Rasse den südwärts strebenden Anditen erbitterten Widerstand entgegen, und über fünfhundert Jahre lang verteidigten diese Cromagnoiden ihre Stammlande mit Erfolg, bevor sie der überlegenen Militärstrategie der weißen Eindringlinge unterlagen. Thor, der siegreiche Befehlshaber der Armeen des Nordens in der letzten Schlacht an der Somme, wurde der Held der nördlichen weißen Stämme und später von einigen von ihnen als ein Gott verehrt. Die Bollwerke der blauen Menschen, die sich am längsten halten konnten, befanden sich in Südfrankreich, aber der letzte große militärische Widerstand wurde an der Somme gebrochen. Danach geschah die Eroberung über Handelsdurchdringung, Bevölkerungsdruck längs der Flüsse und fortlaufende Heiraten mit den höheren blauen Menschen bei gleichzeitiger gnadenloser Ausrottung der niedrigeren. Wenn der Stammesrat der anditischen Ältesten einen niedrigeren Gefangenen für untauglich befunden hatte, wurde dieser in einer umständlichen Zeremonie den Schamanen-Priestern übergeben, die ihn zum Fluss geleiteten und ihn mit den Riten der Einweihung in die "glückseligen Jagdgründe" - Tod durch Ertränken - versahen. Auf diese Weise rotteten die weißen Eroberer Europas alle unterwegs angetroffenen Volksgruppen aus, die sie sich nicht rasch einverleibten, und so nahm der blaue Mensch ein Ende - ein rasches Ende. Die cromagnoiden blauen Menschen bildeten die biologische Grundlage der modernen europäischen Rassen, aber sie haben nur in ihrer Absorbierung durch die späteren männlichen Eroberer ihrer Stammlande weitergelebt. Das blaue Erbe lieferte den weißen Rassen Europas manche robuste Charakterzüge und viel physische Kraft, aber Humor und Imagination der gemischten europäischen Völker stammen von den Anditen. Diese anditisch-blaue Verschmelzung, aus der die nördlichen weißen Rassen hervorgingen, bewirkte ein augenblickliches Absinken der anditischen Zivilisation, eine Verzögerung vorübergehender Natur. Schließlich kam die latente Superiorität dieser nördlichen Barbaren an den Tag und gipfelte in der heutigen europäischen Zivilisation. Um 5000 v. Chr. beherrschten die sich entwickelnden weißen Rassen ganz Nordeuropa einschließlich Norddeutschlands, Nordfrankreichs und der Britischen Inseln. Mitteleuropa befand sich eine Zeitlang in der Hand der blauen Menschen und der rundköpfigen Andoniten. Letztere bewohnten hauptsächlich das Donautal und wurden von den Anditen nie völlig verdrängt. ***** 80.6 Die Anditen am Nil ***** Von der Zeit der letzten anditischen Auswandererwellen an kam es im Euphrattal zu einem Niedergang der Kultur, und das unmittelbare Zivilisationszentrum verlagerte sich in das Niltal. Ägypten trat die Nachfolge Mesopotamiens als Sitz der am weitesten fortgeschrittenen Gruppe der Erde an. Das Niltal begann, kurz vor den Tälern Mesopotamiens von Überschwemmungen heimgesucht zu werden, litt aber weit weniger darunter. Dieser frühe Rückschlag wurde durch den ständigen Zustrom anditischer Einwanderer mehr als wettgemacht, so dass Ägyptens Kultur, obwohl sie tatsächlich aus der Euphratgegend stammte, sich an die Spitze vorzukämpfen schien. Um 5000 v. Chr., zur Zeit der Überschwemmungen in Mesopotamien, gab es in Ägypten sieben verschiedene Gruppen von menschlichen Wesen; alle außer einer einzigen waren aus Mesopotamien gekommen. Als es zum letzten Exodus aus dem Euphrattal kam, hatte Ägypten das Glück, eine große Zahl der geschicktesten Künstler und Handwerker aufzunehmen. Diese anditischen Handwerker fühlten sich hier ganz wie zu Hause, da sie mit dem Flussleben, seinen Überschwemmungen, Bewässerungsproblemen und Trockenzeiten völlig vertraut waren. Sie freuten sich über die geschützte Lage des Niltals, da sie hier viel weniger als am Euphrat feindlichen Überfällen und Angriffen ausgesetzt waren. Und sie trugen viel zu der Fertigkeit der Ägypter in der Metallbearbeitung bei. Sie arbeiteten hier mit erzhaltigem Gestein, das sie vom Berg Sinai statt aus der Schwarzmeergegend bezogen. Sehr früh vereinigten die Ägypter ihre Gemeindegottheiten in einem ausgeklügelten nationalen Göttersystem. Sie entwickelten eine weitläufige Theologie und besaßen eine ebenso weitläufige, aber drückende Priesterschaft. Mehrere Führer versuchten verschiedentlich, die Reste der frühen religiösen Lehren der Sethiter neu zu beleben, aber diese Bemühungen waren kurzlebig. Die Anditen errichteten Ägyptens erste Gebäude aus Stein. Der Erbauer der ersten und erlesensten aller Steinpyramiden war Imhotep, ein anditisches architektonisches Genie, der auch als erster Minister wirkte. Die früheren Bauten waren in Backstein erstellt worden, und obwohl man in verschiedenen Erdgegenden bereits viele Gebäude aus Stein errichtet hatte, war dies in Ägypten das erste. Aber mit der Baukunst ging es von den Tagen dieses großen Architekten an stets abwärts. Diese strahlende Kulturepoche nahm wegen innerer Kriege längs des Nils ein jähes Ende, und wie zuvor Mesopotamien wurde das Land von den niedrigeren Stämmen aus dem unwirtlichen Arabien und von den Schwarzen aus dem Süden überrannt. Demzufolge nahm die soziale Kultur mehr als fünfhundert Jahre lang stetig ab. ***** 80.7 Die Anditen der Mittelmeerinseln ***** Während des Niedergangs der Kultur Mesopotamiens konnte sich auf den Inseln des östlichen Mittelmeers eine Zeitlang eine höhere Zivilisation halten. Um 12 000 v. Chr. wanderte ein Stamm hervorragender Anditen nach Kreta aus. Dies war die einzige Insel, die so früh von einer solch hochstehenden Gruppe besiedelt wurde, und es dauerte fast zweitausend Jahre, bis sich die Nachkommen dieser Seefahrer auf den Nachbarinseln ausbreiteten. Diese Gruppe bestand aus den schmalköpfigen, kleiner gewachsenen Anditen, die sich mit der vanitischen Abteilung der nördlichen Noditen vermischt hatten. Sie waren alle weniger als 180 Zentimeter groß und von ihren größeren, aber tieferstehenden Gefährten buchstäblich vom Festland gestoßen worden. Diese nach Kreta emigrierten Anditen waren hocherfahren in der Herstellung von Geweben, in Metallbearbeitung, Töpferei, Bleiguss und in der Verwendung von Stein als Baumaterial. Sie begannen zu schreiben und lebten als Hirten und Ackerbauern. Etwa zweitausend Jahre nach der Besiedlung Kretas begab sich eine Gruppe der hochgewachsenen Nachkommen Adamsons, die fast direkt von ihrer heimatlichen Hochebene im Norden Mesopotamiens herkam, über die nördlichen Inseln nach Griechenland. Diese Väter der Griechen wurden von Sato, einem direkten Nachfahren Adamsons und Rattas, nach Westen geführt. Die Gruppe, die sich schließlich in Griechenland niederließ, bestand aus dreihundertfünfundsiebzig ausgewählten, höheren Menschen, die das Ende der zweiten Zivilisation der Adamsoniten verkörperten. Diese späten Söhne Adamsons besaßen die damals kostbarsten Erbanlagen der im Entstehen begriffenen weißen Rassen. Sie standen auf einer hohen intellektuellen Stufe und waren physisch betrachtet seit den Tagen des ersten Edens die schönsten Menschen. Bald lösten Griechenland und die ägäische Inselregion Mesopotamien und Ägypten als abendländische Handels-, Kunst- und Kulturzentren ab. Aber so wie in Ägypten stammte praktisch die ganze Kunst und Wissenschaft der ägäischen Welt aus Mesopotamien, wenn man von der Kultur der adamsonitischen Vorläufer der Griechen absieht. Alle Kunst und der ganze Genius dieser Griechen ist ein direktes Vermächtnis der Nachkommenschaft Adamsons, des ersten Sohnes Adams und Evas, und seiner außergewöhnlichen zweiten Gemahlin, einer in ununterbrochener Linie vom reinen noditischen Stab des Fürsten Caligastia abstammenden Tochter. Kein Wunder, dass die Griechen mythologische Überlieferungen besaßen, wonach sie direkt von Göttern und übermenschlichen Wesen abstammten. Die Ägäis durchlief fünf verschiedene kulturelle Stadien, von denen jedes immer weniger geistig wurde als das vorhergehende, und bald brach die letzte ruhmreiche Kunstära unter dem Gewicht des sich rasch vermehrenden mittelmäßigen Nachwuchses der Sklaven zusammen, die von den letzten Griechengenerationen aus dem Donauraum importiert worden waren. Während dieses Zeitalters erreichte der Mutterkult der Nachfahren Kains auf Kreta seine höchste Blüte. Dieser Kult verherrlichte Eva in der Anbetung der "großen Mutter". Darstellungen Evas waren allgegenwärtig. Tausende von öffentlichen Heiligtümern wurden überall auf Kreta und in Kleinasien errichtet. Und dieser Mutterkult hielt bis in die Zeiten Christi an und wurde später der frühen christlichen Religion unter dem Deckmantel der Verherrlichung und Anbetung von Maria, der irdischen Mutter Jesu, einverleibt. Bis um 6500 v. Chr. hatte das geistige Erbe der Anditen einen großen Niedergang erfahren. Die Nachfahren Adams hatten sich weit herum zerstreut und waren von den älteren und zahlreicheren menschlichen Rassen praktisch verschluckt worden. Und dieser Verfall der anditischen Zivilisation zusammen mit dem Verschwinden ihrer religiösen Standards ließ die geistig verarmten Rassen der Welt in einem beklagenswerten Zustand. Um 5000 v. Chr. lebten die reinsten Nachfahren Adams in Sumer, Nordeuropa und Griechenland. Ganz Mesopotamien erlitt durch den Strom gemischter und dunklerer Rassen, die aus Arabien einsickerten, einen langsamen Niedergang. Und die Ankunft dieser niedrigeren Volksgruppen trug noch mehr zur Zerstreuung des biologischen und kulturellen Rests der Anditen ins Ausland bei. Aus dem ganzen fruchtbaren Halbmond strömte die abenteuerlustigere Bevölkerung nach Westen auf die Inseln. Die Auswanderer bauten sowohl Getreide wie Gemüse an und führten gezähmte Tiere mit sich. Etwa um 5000 v. Chr. zog eine mächtige Schar fortschrittlicher Mesopotamier aus dem Euphrattal aus und ließ sich auf der Insel Zypern nieder; diese Zivilisation wurde etwa zweitausend Jahre später durch Barbarenhorden aus dem Norden vernichtet. Eine andere große Kolonie setzte sich am Mittelmeer in der Nähe des späteren Karthago fest. Und von Nordafrika aus betraten Anditen in großer Zahl Spanien und vermischten sich später in der Schweiz mit ihren Brüdern, die schon früher von den Ägäischen Inseln nach Italien gekommen waren. Als auf den kulturellen Niedergang Mesopotamiens der von Ägypten folgte, flohen viele der fähigeren und fortschrittlicheren Familien nach Kreta, wodurch dessen ohnehin schon fortgeschrittene Zivilisation stark verbessert wurde. Und als später die Ankunft niedrigerer Gruppen aus Ägypten Kretas Zivilisation bedrohte, begaben sich die kultivierteren Familien westwärts nach Griechenland. Die Griechen waren nicht nur große Lehrer und Künstler, sie waren auch der Welt größte Handelsleute und Kolonisatoren. Bevor sie der Flut von Inferiorität erlagen, die schließlich ihre Kunst und ihren Handel verschlang, gelang es ihnen, im Westen so viele Außenposten ihrer Kultur zu errichten, dass ein großer Teil der Fortschritte der frühen griechischen Zivilisation in den späteren Völkern Südeuropas weiterlebte, und viele der gemischten Abkömmlinge dieser Adamsoniten wurden in die Stämme des anliegenden Festlandes eingegliedert. ***** 80.8 Die Donau-Andoniten ***** Die Anditen des Euphrattals wanderten nordwärts nach Europa, um sich mit den blauen Menschen zu vermischen, und westwärts in die Mittelmeergegenden, um sich mit den Resten der durchmischten Saharabewohner und der südlichen blauen Menschen zu mischen. Und diese beiden Zweige der weißen Rasse wurden - und werden heute noch - weit auseinander gehalten durch die breitschädeligen Bergbewohner und Nachkommen der früheren andonitischen Stämme, die seit langem diese zentralen Gegenden bewohnten. Diese Nachkommen Andons lebten über die meisten Bergregionen Mittel- und Südosteuropas verstreut. Sie wurden oft durch Ankömmlinge aus Kleinasien verstärkt, welches sie in stattlicher Zahl bewohnten. Die alten Hethiter stammten direkt von der andonitischen Rasse ab; ihre blasse Haut und ihre breiten Schädel waren für diese Rasse typisch. Diese Linie war in Abrahams Ahnenschaft vertreten und trug viel zu den charakteristischen Gesichtszügen seiner späteren jüdischen Abkömmlinge bei, die, obwohl sie ihre Kultur und Religion von den Anditen bezogen hatten, eine völlig andere Sprache sprachen. Ihre Sprache war eindeutig andonitisch. Die Stämme, die an den Seen Italiens, der Schweiz und Südeuropas in Behausungen wohnten, die auf Pfählen oder Dämmen aus Holzpflöcken ruhten, waren die vorrückenden Ränder der afrikanischen und ägäischen Wanderbewegungen und insbesondere der Donaubewohner. Die Donaubewohner waren Andoniten, Bauern und Hirten, die über die Balkanhalbinsel nach Europa gekommen waren und sich, dem Lauf der Donau folgend, langsam nach Norden bewegten. Sie stellten Töpferware her, bebauten das Land und zogen es vor, in den Tälern zu leben. Ihre nördlichste Siedlung befand sich bei Lüttich in Belgien. Diese Stämme erlebten einen raschen Abstieg, während sie sich vom Zentrum und von der Quelle ihrer Kultur fortbewegten. Die beste Töpferei stammt aus den früheren Siedlungen. Die Donaubewohner wurden infolge der Tätigkeit der Missionare aus Kreta zu Mutteranbetern. Diese Stämme vermischten sich später mit Gruppen andonitischer Seeleute, die auf Schiffen von der Küste Kleinasiens herkamen und ebenfalls Mutteranbeter waren. So wurde ein großer Teil Mitteleuropas früh von diesen gemischten Typen breitschädeliger weißer Rassen besiedelt, die den Mutterkult und den religiösen Ritus der Einäscherung der Verstorbenen pflegten, denn es war Sitte dieser Mutteranbeter, ihre Toten in Steinhütten zu verbrennen. ***** 80.9 Die drei weißen Rassen ***** Gegen Ende der anditischen Wanderungen hatten die Rassenvermischungen in Europa im Großen und Ganzen zu den drei folgenden weißen Rassen geführt: 1. Die nördliche weiße Rasse. Diese so genannte nordische Rasse bestand hauptsächlich aus den blauen Menschen zuzüglich der Anditen, enthielt aber auch beträchtliche Anteile andonitischen Blutes nebst geringeren roten und gelben Sangikanteilen. Die nördliche weiße Rasse vereinigte also die vier wünschenswertesten menschlichen Rassen in sich. Aber das größte Erbe stammte von den blauen Menschen. Der typische frühe Nordländer war langköpfig, groß gewachsen und blond. Aber schon vor langer Zeit vermischte sich diese Rasse völlig mit allen anderen Zweigen der weißen Völker. Die primitive Kultur Europas, auf die die eindringenden Nordländer trafen, war diejenige der mit den blauen Menschen vermischten, sich zurückentwickelnden Donauvölker. Am Rhein begegneten und vermischten sich die nordisch-dänische Kultur und diejenige der Andonitischen Donaubewohner, wovon im heutigen Deutschland die Existenz zweier Rassengruppen zeugt. Die Nordländer setzten das Geschäft mit an der baltischen Küste gewonnenem Bernstein fort und entwickelten mit den Breitköpfen des Donautals einen sehr regen Handel, der sich über den Brennerpass abwickelte. Der intensive Kontakt mit den Donaubewohnern führte die Nordländer zu der Mutterverehrung, und während mehrerer Jahrtausende war die Verbrennung der Toten in fast ganz Skandinavien üblich. Das erklärt, weshalb man keine Überreste von Vertretern der früheren weißen Rassen finden kann, obwohl sie überall in Europa beerdigt wurden - außer ihre Aschen in Stein- und Tonurnen. Diese weißen Menschen bauten auch Behausungen; sie lebten nie in Höhlen. Und das erklärt wiederum, weshalb es nur so spärliche Zeugnisse von der frühen Kultur der weißen Menschen gibt, während der vorausgegangene Cromagnontyp dort gut erhalten blieb, wo er im sicheren Schutz von Höhlen und Grotten ruhte. Sozusagen über Nacht trat in Nordeuropa an die Stelle einer primitiven Kultur zurückfallender Donaubewohner und blauer Menschen jene von plötzlich erscheinenden, hoch überlegenen weißen Menschen. 2. Die zentrale weiße Rasse. Obwohl diese Gruppe auch ein blaues, gelbes und anditisches Erbe besitzt, ist sie doch vorwiegend andonitisch. Diese Menschen sind breitköpfig, dunkelhäutig und stämmig. Sie sind zwischen die nordische und die mediterrane Rasse wie ein Keil getrieben, dessen breite Basis in Asien ruht, während seine Spitze in Ostfrankreich eindringt. Fast zwanzigtausend Jahre lang waren die Andoniten von den Anditen immer tiefer in den Norden Zentralasiens geschoben worden. Um 3000 v. Chr. trieb zunehmende Aridität diese Andoniten wieder nach Turkestan zurück. Dieser Druck der Andoniten nach Süden hielt mehr als tausend Jahre lang an; sie spalteten sich am Kaspischen und am Schwarzen Meer auf und drangen in Europa sowohl über den Balkan als auch über die Ukraine ein. Unter den Invasoren befanden sich die restlichen Gruppen von Nachfahren Adamsons und - in der letzten Hälfte der Invasionsperiode - eine beträchtliche Zahl iranischer Anditen sowie viele Nachfahren der sethitischen Priester. Um 2500 v. Chr. erreichten die Andoniten auf ihrem westwärts gerichteten Vormarsch Europa. Und dieses Überrollen ganz Mesopotamiens, Kleinasiens und des Donaubeckens durch die Barbaren von den Hügeln Turkestans stellte den ernsthaftesten und dauerhaftesten aller bis dahin eingetretenen kulturellen Rückschläge dar. Die Invasoren andonisierten entschieden den Charakter der mitteleuropäischen Rassen, die seit damals immer in charakteristischer Weise alpin geblieben sind. 3. Die südliche weiße Rasse. Diese dunkelhäutige mediterrane Rasse bestand aus einer Mischung der Anditen mit den blauen Menschen und besaß eine geringere andonitische Beimischung als die nördliche. Über die Saharabewohner absorbierte diese Gruppe auch einen beträchtlichen Anteil sekundären Sangikblutes. In späterer Zeit wurden dieser südlichen Abteilung der weißen Rasse kräftige anditische Elemente aus dem östlichen Mittelmeerraum zugeführt. In die Küstengebiete des Mittelmeers drangen die Anditen indessen nicht vor den Zeiten der großen Nomadeninvasionen von 2500 v. Chr. ein. Während dieser Jahrhunderte, da die Nomaden in die östlichen Mittelmeergebiete einfielen, kamen Landverkehr und -handel beinahe zum Erliegen. Diese Behinderung des Landverkehrs hatte eine große Zunahme des Seeverkehrs und -handels zur Folge, so dass der auf dem Mittelmeer geborene Handel vor etwa viertausendfünfhundert Jahren in vollem Schwung war. Und dieser sich entwickelnde Seeverkehr hatte eine plötzliche Auswanderung der Nachkommen der Anditen in alle Küstengebiete des Mittelmeerbeckens zur Folge. Diese Rassenvermischungen legten das Fundament zu der südeuropäischen Rasse, der von allen am stärksten gemischten. Und seit jenen Tagen hat diese Rasse noch weitere Beimischungen erfahren, insbesondere von den blau-gelb-anditischen Völkern Arabiens. Die Mittelmeerrasse ist in Wahrheit so weitgehend mit den umliegenden Völkern vermischt, dass sie als selbständiger Typ praktisch nicht zu unterscheiden ist, aber im Allgemeinen sind ihre Vertreter kurz gewachsen, langköpfig und dunkelhäutig. Im Norden brachten die Anditen durch Kriege und Heiraten die blauen Menschen zum Verschwinden, aber im Süden überlebten diese in größerer Zahl. Die Basken und die Berber sind die Überlebenden von zwei Zweigen dieser Rasse, aber auch diese Völker haben sich völlig mit den Saharabewohnern vermischt. Dies war das Bild der Rassenvermischungen, das Mitteleuropa um 3000 v. Chr. bot. Trotz des teilweisen adamischen Scheiterns hat tatsächlich eine Vermischung mit den höheren Typen stattgefunden. Das war die Zeit des Übergangs von der Jungsteinzeit zur anhebenden Bronzezeit. In Skandinavien war bereits die mit Mutterkult einhergehende Bronzezeit angebrochen. In Südfrankreich und Spanien herrschte noch die mit Sonnenverehrung einhergehende Jungsteinzeit. In dieser Zeit wurden die kreisförmigen und unbedachten Sonnentempel errichtet. Die weißrassigen Europäer waren tatkräftige Bauleute, die ihre Freude daran hatten, als Geschenke an die Sonne gewaltige Steine aufzustellen, so wie ihre späteren Nachfahren es in Stonehenge taten. Die herrschende Sonnenverehrung ist ein Hinweis darauf, dass dies in Südeuropa eine große Zeit des Ackerbaus war. Der Aberglaube dieser relativ jungen Periode der Sonnenanbetung lebt heute noch in den Volksbräuchen der Bretagne weiter. Obwohl diese Bretonen seit über fünfzehnhundert Jahren christianisiert sind, verwenden sie immer noch Amulette der Jungsteinzeit, um den bösen Blick von sich abzuwenden. Sie besitzen in ihren Kaminen immer noch Donnersteine, um sich vor Blitzschlag zu schützen. Die Bretonen vermischten sich nie mit den nordischen Skandinaviern. Sie sind die Abkömmlinge der mit der mediterranen Rasse vermischten ursprünglichen andonitischen Einwohner Westeuropas. Aber es ist ein Irrtum, die weißen Völker in nordische, alpine und mediterrane einteilen zu wollen. Es hat alles in allem viel zu viel Vermischung stattgefunden, als dass eine solche Gruppierung noch erlaubt wäre. Zu einer bestimmten Zeit hat eine recht deutliche Trennung der weißen Rasse in diese Klassen bestanden, aber seither hat eine Durchmischung in so großem Umfang stattgefunden, dass es nicht mehr möglich ist, solche Unterscheidungen mit Klarheit vorzunehmen. Sogar schon um 3000 v. Chr. gehörten die damaligen sozialen Gruppen ebenso wenig einer einzigen Rasse an wie die gegenwärtigen Bewohner Nordamerikas. Diese europäische Kultur hat während fünftausend Jahren zu wachsen und sich bis zu einem gewissen Grad zu vermischen fortgefahren. Aber die Sprachbarrieren haben vollständige Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen abendländischen Nationen verhindert. Während des vergangenen Jahrhunderts hat diese Kultur in der kosmopolitischen Bevölkerung Nordamerikas ihre beste Gelegenheit zur Durchmischung erhalten, und die Zukunft dieses Kontinents wird ebenso sehr durch die Qualität der Rassenfaktoren bestimmt werden, denen man den Eintritt in seine gegenwärtige und zukünftige Bevölkerung gestattet, wie durch das Niveau der sozialen Kultur, das man aufrechterhält. [Verfasst durch einen Erzengel von Nebadon.] ****** Kapitel 81 Entwicklung der Modernen Zivilisation ****** UNABHÄNGIG vom Auf und Ab infolge des Fehlschlags der Missionen Caligastias und Adams, deren Pläne eine Verbesserung der Welt vorsahen, fuhr die grundlegende organische Evolution der menschlichen Gattung fort, die Rassen über die Stufen des menschlichen Fortschritts und der rassischen Entwicklung emporzutragen. Die Evolution kann wohl verzögert, jedoch nicht aufgehalten werden. Obwohl die violette Rasse zahlenmäßig nicht so stark wie geplant war, hat ihr Einfluss doch einen Zivilisationsfortschritt bewirkt, der seit Adams Tagen den von der Menschheit während ihrer gesamten vorausgegangenen Existenz von fast einer Million Jahren erzielten Fortschritt weit übertroffen hat. ***** 81.1 Die Wiege der Zivilisation ***** Nach den Tagen Adams lag die Wiege der Zivilisation rund fünfunddreissigtausend Jahre lang in Südwestasien. Sie erstreckte sich vom Niltal aus nach Osten und leicht nach Norden durch Nordarabien und Mesopotamien bis nach Turkestan. Das Klima war das ausschlaggebende Moment für die Errichtung der Zivilisation in dieser Ära. Die großen klimatischen und geologischen Veränderungen in Nordafrika und Westasien waren es, welche den frühen Wanderungen der Adamiten ein Ende setzten, indem diesen das angewachsene Mittelmeer den Weg nach Europa versperrte und damit den Auswandererstrom nord- und ostwärts nach Turkestan lenkte. Bis um das Jahr 15 000 v. Chr. die Landhebungen und damit verbundenen klimatischen Veränderungen abgeschlossen waren, war die Zivilisation weltweit in einer ausweglosen Situation erstarrt, außer was die kulturellen Fermente und die biologischen Reserven der Anditen anbelangte, die immer noch innerhalb der Grenzen lebten, die ihnen im Osten die Gebirge Asiens und im Westen die wachsenden Wälder Europas setzten. Die klimatische Evolution sollte jetzt vollbringen, was alle anderen Anstrengungen nicht vermocht hatten, nämlich die Menschen Eurasiens dazu bringen, die Jagd zugunsten der fortgeschritteneren Berufe von Hirten und Bauern aufzugeben. Die Evolution ist vielleicht langsam, aber sie ist ungeheuer wirksam. Da die früheren Bauern so ganz allgemein Sklaven verwendeten, blickten einst sowohl Jäger wie Hirten auf sie herab. Während ganzer Zeitalter galt es als niedrig, den Boden zu bestellen. Daher kommt die Idee, die Bodenbearbeitung sei ein Fluch, wo sie doch die größte aller Segnungen ist. Selbst noch in den Tagen Kains und Abels wurden die Hirtenopfer höher eingestuft als die Gaben der Landwirtschaft. Im Allgemeinen durchlief die Entwicklung der Menschen von Jägern zu Bauern eine Übergangszeit als Hirten, und das galt auch für die Anditen, aber noch häufiger veranlasste der evolutionäre Druck klimatischer Zwänge ganze Stämme, sich direkt aus Jägern in erfolgreiche Bauern zu verwandeln. Aber dieses Phänomen des sofortigen Übergangs von der Jagd zum Ackerbau fand nur in Regionen statt, wo es einen hohen Vermischungsgrad mit der violetten Rasse gab. Die evolutionären Völker (insbesondere die Chinesen) lernten früh, Samen zu pflanzen und Feldfrüchte anzubauen, weil sie beobachteten, wie zufällig befeuchtete oder als Nahrung für die Abgeschiedenen in Gräber gelegte Samen aufkeimten. Aber in ganz Südwestasien, längs der fruchtbaren Unterläufe der Flüsse und in den anschließenden Ebenen, wandten die Anditen die landwirtschaftlichen Techniken an, die sie von ihren Ahnen, die den Acker- und Gartenbau innerhalb der Grenzen des zweiten Gartens zu ihrer wichtigsten Beschäftigung gemacht hatten, übernommen und verbessert hatten. Während Jahrtausenden hatten die Nachkommen Adams in den an den oberen Rand Mesopotamiens angrenzenden Hochländern Weizen und Gerste angepflanzt, die einst im Garten veredelt worden waren. Und hier trafen sich die Nachkommen Adams und Adamsons, trieben Handel und pflegten gesellschaftliche Kontakte. Es waren diese aufgezwungenen Veränderungen der Lebensbedingungen, die einen so großen Teil der menschlichen Rasse dazu brachten, omnivore Essgewohnheiten anzunehmen. Und die Kombination von Weizen-, Reis- und Gemüsegerichten mit dem Fleisch der Herden bedeutete einen großen Schritt vorwärts für die Gesundheit und Kraft dieser alten Völker. ***** 81.2 Die Werkzeuge der Zivilisation ***** Das Wachstum der Kultur gründet auf der Entwicklung der Werkzeuge der Zivilisation. Und die Werkzeuge, derer sich der Mensch bei seinem Aufstieg aus der Wildheit bediente, waren im selben Maße wirksam, wie sie menschliche Kräfte für die Erfüllung höherer Aufgaben befreiten. Ihr, die ihr jetzt im modernen Umfeld einer sich entfaltenden Kultur und eines beginnenden gesellschaftlichen Fortschritts lebt und wirklich über ein wenig Freizeit verfügt, um über Gesellschaft und Zivilisation nachzudenken, dürft die Tatsache nicht übersehen, dass eure Altvorderen über wenig oder gar keine Muße verfügten, die sie besinnlicher Überlegung oder dem Nachdenken über Soziales hätten widmen können. Die ersten vier großen Fortschritte der menschlichen Zivilisation waren: 1. Die Beherrschung des Feuers. 2. Die Domestizierung der Tiere. 3. Die Versklavung von Gefangenen. 4. Privatbesitz. Das Feuer, die erste große Entdeckung, hat letzten Endes die Türen zu der wissenschaftlichen Welt aufgetan, aber unter diesem Gesichtswinkel hatte es für den primitiven Menschen kaum Wert. Er weigerte sich, als Erklärung für alltägliche Phänomene natürliche Ursachen anzuerkennen. Wenn man sich nach der Herkunft des Feuers fragte, wurde die einfache Geschichte von Andon und dem Feuerstein bald einmal durch die Legende von irgendeinem Prometheus ersetzt, der das Feuer aus dem Himmel entwendete. Die Alten suchten für alle natürlichen Phänomene, die außerhalb ihres persönlichen Verständnisses lagen, eine übernatürliche Erklärung; und viele heutige Menschen fahren damit fort. Die Entpersönlichung der so genannten natürlichen Phänomene hat ganze Zeitalter gebraucht und ist noch nicht abgeschlossen. Aber die unbefangene, ehrliche und furchtlose Suche nach wahren Ursachen hat die moderne Wissenschaft geboren: Sie hat aus der Astrologie die Astronomie, aus der Alchemie die Chemie und aus der Magie die Medizin gemacht. Im Vormaschinenzeitalter lag für den Menschen die einzige Möglichkeit, eine Arbeit auszuführen, ohne sie selbst zu tun, in der Verwendung eines Tiers. Die Domestizierung der Tiere legte in seine Hände lebendige Werkzeuge, deren intelligenter Gebrauch den Weg für Ackerbau und Transport ebnete. Ohne Tiere hätte sich der Mensch nicht von seinem primitiven Zustand auf die späteren Zivilisationsstufen erheben können. Die meisten Tiere, die sich am besten zur Zähmung eigneten, fanden sich in Asien, insbesondere in seinen mittleren und südwestlichen Regionen. Das war mit ein Grund, weshalb die Zivilisation in dieser Gegend rascher fortschritt als in anderen Teilen der Welt. Viele dieser Tiere waren schon zweimal zuvor domestiziert worden, und im Zeitalter der Anditen wurden sie von neuem gezähmt. Aber der Hund war immer an der Seite des Jägers geblieben, seit ihn die blauen Menschen vor langer, langer Zeit adoptiert hatten. Die Anditen Turkestans waren die ersten, die in großem Maßstab Pferde zähmten, und das ist ein weiterer Grund dafür, dass ihre Zivilisation so lang beherrschend blieb. Um 5000 v. Chr. hatten die Bauern Mesopotamiens, Turkestans und Chinas mit der Züchtung von Schafen, Ziegen, Kühen, Kamelen, Pferden, Geflügel und Elefanten begonnen. Als Lasttiere gebrauchten sie Ochsen, Kamele, Pferde und Jaks. Der Mensch war vordem selber das Lasttier gewesen. Ein Führer der blauen Rasse besaß einst einen Lastträgertrupp von hunderttausend Mann. Die Institutionen der Sklaverei und des privaten Landeigentums traten mit der Landwirtschaft auf. Die Sklaverei hob den Lebensstandard des Meisters und verschaffte ihm mehr Muße zu gesellschaftlicher Kultur. Der Wilde ist ein Sklave der Natur, aber die wissenschaftliche Zivilisation bringt der Menschheit langsam wachsende Freiheit. Durch die Tiere, das Feuer, den Wind, das Wasser, die Elektrizität - und noch andere unentdeckte - Energiequellen hat sich der Mensch von der Notwendigkeit unablässigen Sich-Abrackerns befreit und wird damit weiterfahren. Ungeachtet der vorübergehenden Störungen, die die massenhafte Erfindung von Maschinen verursacht, sind doch die letztendlichen Gewinne aus solchen mechanischen Erfindungen unschätzbar. Die Zivilisation kann nie blühen und noch viel weniger aufgebaut werden, solange die Menschen keine Muße haben zum Denken, Planen und Aushecken neuer und besserer Arten, die Dinge zu tun. Zuerst eignete sich der Mensch einfach ein Obdach an, lebte unter Felsvorsprüngen oder wohnte in Höhlen. Als Nächstes bearbeitete er natürliche Materialien wie Holz und Stein, um für die Familie eine Hütte zu errichten. Endlich trat er in das schöpferische Stadium des Hausbaus ein und lernte Backstein und andere Baumaterialien herstellen. Die Völker der Hochlande Turkestans waren die ersten der moderneren Rassen, die ihre Heime aus Holz erbauten, Behausungen, die den frühen Blockhütten der amerikanischen Pioniersiedler recht ähnlich sahen. In den Ebenen waren die menschlichen Behausungen überall aus Backstein, später aus gebrannten Ziegeln gebaut. Die älteren Rassen von Flussbewohnern bauten ihre Hütten, indem sie große Pfähle im Kreis in den Boden rammten, dann deren Spitzen miteinander verbanden und so das Skelett der Hütte erhielten. Dieses wurde nun quer mit Schilfrohr umschlungen, so dass die ganze Schöpfung einem riesigen, umgekehrten Korb glich. Diese Konstruktion wurde dann mit Lehm verputzt und ergab, nachdem dieser einmal an der Sonne getrocknet hatte, eine sehr zweckdienliche wetterfeste Behausung. Gerade von diesen frühen Hütten stammte die spätere unabhängige Idee aller Arten von Korbgeflechten. Einer Gruppe kam die Idee zu töpfern, nachdem sie die Wirkung beobachtet hatte, die das Beschmieren eines Pfahlgerüsts mit feuchtem Lehm hatte. Die Praxis, die Töpferware durch Backen zu härten, wurde entdeckt, als eine dieser mit Lehm verputzten Hütten zufälligerweise Feuer fing. Die Fertigkeiten der alten Zeiten gingen sehr oft auf zufällige Begebenheiten zurück, die sich im alltäglichen Leben der frühen Menschen abspielten. Wenigstens galt dies für den evolutionären Fortschritt der Menschheit fast ausschließlich bis zum Kommen Adams. Obwohl die Töpferei zum ersten Mal vor etwa einer halben Million Jahren durch den Stab des Fürsten eingeführt worden war, hatte die Herstellung von Tongefäßen über hundertfünfzigtausend Jahre lang praktisch aufgehört. Nur die vorsumerischen Noditen der Golfküste fuhren fort, Tongefäße herzustellen. Die Kunst der Töpferei erfuhr zur Zeit Adams eine Neubelebung. Ihre Verbreitung erfolgte gleichzeitig mit dem Überhandnehmen der Wüstengebiete Afrikas, Arabiens und Zentralasiens, und von Mesopotamien aus drang sie in sukzessiven Wellen verbesserter Technik in die ganze östliche Hemisphäre. Man kann die Zivilisationen des anditischen Zeitalters nicht immer zurückverfolgen, indem man von den Stadien ihrer Töpferei oder anderer Kunstfertigkeiten ausgeht. Der gerade Verlauf der menschlichen Evolution wurde durch die Einwirkung Dalamatias und Edens ungeheuer kompliziert. Es trifft oft zu, dass die späteren Vasen und Geräte den früheren Erzeugnissen der reineren Anditen unterlegen sind. ***** 81.3 Städte, Handwerk und Handel ***** Die durch das Klima bewirkte Zerstörung der reichen, offenen, grasbewachsenen Jagd- und Weidegründe Turkestans, die um 12 000 v. Chr. begann, zwang die Menschen dieser Gegenden, zu neuen Formen von Industrie und rohem Handwerk zu greifen. Einige wandten sich der Aufzucht domestizierter Herdentiere zu, andere wurden Bauern oder sammelten vom Wasser gelieferte Nahrung, aber die Anditen eines höheren Intelligenztyps entschieden sich für Handel und Handwerk. Es wurde sogar üblich, dass sich ganze Stämme der Entwicklung einer einzigen Industrie verschrieben. Vom Niltal zum Hindukusch und vom Ganges zum Gelben Fluss wurde die Bodenbestellung zur Hauptbeschäftigung der höheren Stämme, während der Handel eine Nebentätigkeit darstellte. Die Zunahme des Handels und der Verarbeitung von Rohstoffen zu verschiedenen Handelsartikeln trug direkt zur Entstehung jener frühen halbfriedlichen Gemeinschaften bei, die bei der Verbreitung von Kultur und Fertigkeiten der Zivilisation so einflussreich waren. Vor der Ära regen Welthandels gehorchten die sozialen Gemeinschaften dem Stammesmuster - es waren erweiterte Familiengruppen. Der Handel brachte verschieden geartete menschliche Wesen miteinander in Berührung, was zu einer rascheren wechselseitigen Befruchtung der Kulturen beitrug. Vor etwa zwölftausend Jahren brach die Ära der unabhängigen Städte an. Und diese primitiven Handels- und Gewerbestädte waren immer von Landwirtschafts-und Viehzuchtszonen umgeben. Es stimmt zwar, dass die Industrie durch die Hebung des Lebensstandards gefördert wurde, aber ihr solltet euch von den Verfeinerungen des frühen städtischen Lebens keine falschen Vorstellungen machen. Die frühen Rassen waren nicht übertrieben ordentlich und sauber, und eine durchschnittliche primitive Siedlung erhöhte sich alle fünfundzwanzig Jahre durch die bloße Anhäufung von Schmutz und Abfall um dreißig bis sechzig Zentimeter. Einige dieser alten Städte erhoben sich sehr rasch über das umliegende Gelände, weil ihre Hütten aus ungebranntem Lehm kurzlebig waren und man die neuen Behausungen direkt auf den Ruinen der alten zu errichten pflegte. Der weit verbreitete Gebrauch von Metall war für diese Ära der frühen Industrie- und Handelsstädte bezeichnend. Ihr seid in Turkestan bereits auf eine Bronzekultur gestoßen, die vor 9000 v. Chr. bestand, und die Anditen lernten schon früh, ebenfalls mit Eisen, Gold und Kupfer umzugehen. Aber abseits von den fortgeschritteneren Zivilisationszentren herrschten ganz andere Zustände. Es hat keine bestimmten Perioden gegeben wie das Stein-, Bronze- und Eisenzeitalter; alle drei existierten gleichzeitig an verschiedenen Orten. Gold war das erste Metall, das der Mensch begehrte; es war leicht zu bearbeiten und diente anfangs nur als Schmuck. Als Nächstes wurde Kupfer verwendet, aber in großem Maßstab erst, als es mit Zinn vermischt wurde, um die härtere Bronze zu erhalten. Die Entdeckung, dass die Mischung aus Kupfer und Zinn Bronze ergab, machte ein Adamsonit Turkestans, dessen im Hochland gelegene Kupfermine sich gerade neben einer Zinnablagerung befand. Mit dem Erscheinen roher Manufaktur und beginnender Industrie wurde der Handel rasch zum mächtigsten Einfluss bei der Verbreitung der kulturellen Zivilisation. Die Eröffnung der Handelsrouten zu Land und zu Wasser erleichterte das Reisen sowie die Verschmelzung der Kulturen und Zivilisationen in hohem Maße. Um 5000 v. Chr. war das Pferd in allen zivilisierten und halbzivilisierten Ländern in allgemeinem Gebrauch. Diese späteren Rassen verfügten nicht nur über das domestizierte Pferd, sondern auch über allerlei Fuhrwerke und Schubkarren. Das Rad war schon seit ganzen Zeitaltern in Gebrauch, aber jetzt fanden mit ihm ausgerüstete Fahrzeuge im Handel wie im Krieg überall Verwendung. Die reisenden Handelsleute und umherziehenden Erforscher taten mehr für die Förderung der historischen Zivilisation als alle anderen Einflüsse zusammen. Auch militärische Eroberungen, Kolonisierung und die durch die späteren Religionen ermutigten missionarischen Unternehmungen waren Faktoren der Kulturverbreitung; aber sie alle waren sekundär im Vergleich zu den Handelsbeziehungen, die aufgrund der sich rasch entwickelnden Techniken und Wissenschaften der Industrie ständig zunahmen. Das Einfließen adamischen Blutes in die menschlichen Rassen beschleunigte nicht nur den Gang der Zivilisation, sondern es stimulierte auch ihre Neigungen zu Abenteuer und Erforschung ganz außerordentlich, so dass bald der größte Teil Eurasiens und Nordafrikas von den sich rasch vermehrenden gemischten Nachkommen der Anditen besetzt war. ***** 81.4 Die gemischten Rassen ***** Im Morgengrauen der historischen Zeiten sind alle Gegenden Eurasiens, Nord-Afrikas und der Pazifischen Inseln von den Mischrassen der Menschheit bevölkert. Und diese heutigen Rassen sind das Ergebnis unablässiger Neuvermischung der fünf fundamentalen Menschenrassen Urantias. Jede Rasse Urantias ließ sich dank gewisser ihr eigener physischer Merkmale identifizieren. Die Adamiten und Noditen waren langschädelig; die Andoniten waren breitschädelig. Die Sangikrassen hatten mittlere Kopfformen, die gelben und blauen Menschen neigten indessen zu Breitschädeligkeit. Wenn sich die blauen Rassen mit den Andoniten vermischten, waren sie eindeutig breitschädelig. Die sekundären Sangikrassen waren mittel- bis langschädelig. Obwohl die Schädeldimensionen bei der Entschlüsselung rassischer Ursprünge hilfreich sind, ist das Skelett als Ganzes zuverlässiger. In der frühen Entwicklung der Rassen Urantias gab es ursprünglich die folgenden fünf verschiedenen Typen des Skelettbaus: 1. Die Andoniten, die Ureinwohner Urantias. 2. Die primären Sangikrassen, die rote, gelbe und blaue. 3. Die sekundären Sangikrassen, die orange, grüne und indigoblaue. 4. Die Noditen, die Nachfahren der Dalamatianer. 5. Die Adamiten, die violette Rasse. Als sich diese fünf großen Rassengruppen in großem Umfang vermischten, ließ im Laufe der ständigen Durchmischung die hereditäre Sangikdominanz den andonischen Typ in den Hintergrund treten. Die Lappen und Eskimos sind eine Mischung aus der andonischen und der blauen Sangikrasse. Ihr Skelettbau nähert sich dem andonischen Urtyp am stärksten. Die Adamiten und Noditen hingegen haben sich derart mit den anderen Rassen vermischt, dass man sie nur verallgemeinernd als kaukasoide Ordnung wahrnehmen kann. Es wird deshalb beim Zutagefördern menschlicher Reste der letzten zwanzigtausend Jahre im Allgemeinen nicht möglich sein, klar zwischen den fünf ursprünglichen Typen zu unterscheiden. Das Studium solcher Skelette wird ergeben, dass die Menschheit jetzt näherungsweise in drei Klassen zerfällt: 1. Die Kaukasoiden - das Anditische Gemisch aus den Rassen der Noditen und Adamiten, später modifiziert durch den Zufluss primären und (etwas) sekundären Sangikblutes und eine beträchtliche Kreuzung mit den Andoniten. In diese Gruppe gehören die abendländischen weißen Rassen und einige indische und turanische Volksgruppen. Was die Vertreter dieser Abteilung verbindet, ist ihr stärkerer oder schwächerer Anteil am anditischen Erbe. 2. Die Mongoloiden - der primäre Sangiktyp, der die rote, gelbe und blaue Rasse in sich vereinigt. Die Chinesen und Indianer gehören dieser Gruppe an. In Europa ist der mongoloide Typus verändert worden durch Beimischung andonischer und sekundärer Sangikelemente und noch stärker durch anditisches Blut. Auch die malaiischen und andere indonesische Völker sind in diese Gruppe einzuordnen, obwohl sie einen hohen Prozentsatz sekundären Sangikblutes besitzen. 3. Die Negroiden - der sekundäre Sangiktyp, der ursprünglich die orange, grüne und indigoblaue Rasse in sich vereinigte. Dieser Typ wird am besten durch den Neger repräsentiert, und man trifft ihn überall in Afrika, Indien und Indonesien, wo die sekundären Sangikrassen gelebt haben. In Nordchina gibt es eine gewisse Mischung aus kaukasoidem und mongoloidem Typ; in der Levante haben sich Kaukasoide und Negroide vermischt; in Indien sowie in Südamerika sind alle drei Typen vertreten. Und die Skelettmerkmale der drei überlebenden Typen bestehen immer noch und helfen, die spätere Ahnenschaft der heutigen menschlichen Rassen zu identifizieren. ***** 81.5 Die kulturelle Gesellschaft ***** Biologische Evolution und kulturelle Zivilisation stehen nicht notwendigerweise in Wechselbeziehung; in jedem Zeitalter kann die organische Evolution mitten in einem kulturellen Niedergang unbehindert weitergehen. Aber wenn man lange Perioden der menschlichen Geschichte überblickt, kann man beobachten, dass sich Evolution und Kultur zueinander immer mehr wie Ursache und Wirkung verhalten. Die Evolution kann auch in Abwesenheit von Kultur fortschreiten, aber keine kulturelle Zivilisation kann blühen ohne einen angemessenen Hintergrund vorausgehender rassischer Entwicklung. Adam und Eva führten kein dem Fortschritt der menschlichen Gesellschaft fremdes zivilisatorisches Element ein, hingegen steigerte Adams Blut die den Rassen innewohnenden Fähigkeiten und beschleunigte die Gangart der wirtschaftlichen Entwicklung und des industriellen Fortschritts. Adams Geschenk erhöhte die Hirnpotenz der Rassen und beschleunigte dadurch den Prozess der natürlichen Evolution ganz beträchtlich. Durch den Ackerbau, die Tierdomestizierung und eine verbesserte Architektur entrann die Menschheit allmählich dem Schlimmsten im unaufhörlichen Lebenskampf und begann, sich nach Dingen umzuschauen, die den Lebensprozess versüßen könnten; und das war der Beginn des Strebens nach immer höheren Standards von materiellem Komfort. Durch Handanfertigung und Industrie steigert der Mensch allmählich den Freudengehalt des irdischen Lebens. Aber die kulturelle Gesellschaft ist kein großer Wohltätigkeitsverein mit ererbten Privilegien, in den alle Menschen als freie Mitglieder mit völliger Gleichheit hineingeboren werden. Sie ist vielmehr eine hohe und stets vorwärtsstrebende Gilde von irdischen Arbeitern, die in ihre Reihen nur jene Edlen aufnehmen, die alles daran setzen, um aus der Welt einen besseren Ort zu machen, wo ihre Kinder und Kindeskinder in kommenden Zeiten leben und vorwärts gehen können. Und diese Gilde der Zivilisation erhebt hohe Zulassungsgebühren, auferlegt eine strikte und rigorose Disziplin und bestraft Abweicher und Nonkonformisten hart, gewährt aber nur wenig persönliche Freiheiten oder Privilegien außer denen erhöhter Absicherung gegen gemeinsame Gefahren und rassische Gefährdungen. Der soziale Zusammenschluss ist eine Art Überlebensversicherung, dessen Nützlichkeit die menschlichen Wesen erkannt haben; deshalb sind die meisten von ihnen gewillt, den Preis der Selbstaufopferung und Beschneidung persönlicher Freiheit zu bezahlen, den die Gesellschaft von ihren Mitgliedern im Austausch gegen diesen erhöhten Gruppenschutz verlangt. Kurz gesagt ist der gesellschaftliche Mechanismus von heute ein empirischer Versicherungsplan mit der Aufgabe, einen gewissen Grad an Sicherheit und Schutz gegen eine Rückkehr zu den schrecklichen antisozialen Bedingungen zu gewähren, welche die frühen Erfahrungen der menschlichen Rasse prägten. Auf diese Weise wird die Gesellschaft ein kooperativer Bau zur Sicherung der zivilen Freiheit durch Institutionen, der wirtschaftlichen Freiheit durch Kapital und Erfindungen, der gesellschaftlichen Freiheit durch Kultur und der Freiheit von Gewalt durch polizeiliche Regulierung. Macht schafft kein Recht, aber sie sorgt für die Durchsetzung der allgemein anerkannten Rechte jeder folgenden Generation. Die allererste Mission einer Regierung ist die Definition des Rechts, die gerechte und faire Regulierung von Klassenunterschieden und die Durchsetzung der Chancengleichheit im Rechtsstaat. Jedes menschliche Recht geht mit einer gesellschaftlichen Pflicht einher; ein Gruppenprivileg ist ein Versicherungsmechanismus, der unweigerlich die volle Bezahlung der aufreibenden Prämien des Dienstes an der Gruppe verlangt. Und ebenso wie die individuellen müssen auch die Gruppenrechte geschützt werden einschließlich der Regulierung der sexuellen Neigungen. Die der Regulierung durch die Gruppe unterworfene Freiheit ist das berechtigte Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung. Freiheit ohne Schranken ist der eitle Fantasietraum unstabiler und leichtsinniger menschlicher Köpfe. ***** 81.6 Die Bewahrung der Zivilisation ***** Während die biologische Evolution ohne Unterbrechung vorwärts gegangen ist, ist ein guter Teil der kulturellen Evolution in Wellen aus dem Euphrattal gekommen, welche mit dem Vergehen der Zeit an Kraft einbüßten, bis schließlich die ganze reinrassige Nachkommenschaft Adams ausgezogen war, um die Zivilisationen Asiens und Europas zu bereichern. Die Rassen haben sich nicht restlos vermischt, aber ihre Zivilisationen sind in ganz beträchtlichem Ausmaß miteinander verschmolzen. Die Kultur hat sich langsam über die ganze Welt ausgebreitet. Und diese Zivilisation muss aufrechterhalten und gepflegt werden, denn es gibt heute keine neuen Quellen der Kultur, keine Anditen mehr, die den langsamen Evolutionsfortschritt der Zivilisation kräftigen und stimulieren könnten. Die Zivilisation, die sich jetzt auf Urantia entwickelt, ist aus folgenden Faktoren herausgewachsen und gründet auf ihnen: 1. Natürliche Gegebenheiten. Natur und Ausmaß einer materiellen Zivilisation werden weitgehend durch die verfügbaren natürlichen Hilfsquellen bestimmt. Klima, Wetter und zahlreiche physische Bedingungen sind Faktoren der kulturellen Evolution. Zu Beginn der anditischen Ära gab es auf der ganzen Welt nur zwei ausgedehnte und fruchtbare offene Jagdgebiete. Das eine befand sich in Nordamerika und wurde von den Indianern bevölkert, das andere lag im Norden Turkestans und wurde zum Teil von einer andonisch-gelben Rasse bewohnt. Die entscheidenden Faktoren bei der Evolution einer höheren Kultur in Südwestasien waren Rasse und Klima. Die Anditen waren ein großes Volk, aber der ausschlaggebende, den Lauf ihrer Zivilisation bestimmende Faktor war die zunehmende Aridität Irans, Turkestans und Sinkiangs, der sie zwang, neue und fortschrittliche Methoden zu ersinnen und sich anzueignen, um ihrer immer weniger fruchtbaren Erde das Lebensnotwendige zu entreißen. Die Lage der Kontinente und andere geographische Gegebenheiten üben einen großen, über Krieg oder Frieden entscheidenden Einfluss aus. Sehr wenige Urantianer haben sich je so günstiger Voraussetzungen für eine kontinuierliche und ungestörte Entwicklung erfreut wie die Völker Nordamerikas, die praktisch allseits von weiten Meeren umgeben waren. 2. Investitionsgüter. Keine Kultur kann sich entwickeln, solange Armut herrscht; Muße ist wesentlich für den Fortschritt der Zivilisation. Auch in Abwesenheit materiellen Reichtums lässt sich ein sittlich und geistig wertvoller individueller Charakter erwerben, aber eine kulturelle Zivilisation kann sich nur unter Bedingungen materiellen Wohlstands entwickeln, welche zugleich Freizeit und Ambition fördern. In den primitiven Zeiten war das Leben auf Urantia eine ernste und nüchterne Angelegenheit. Und gerade um diesem unaufhörlichen Kampf und dieser nie enden wollenden Schinderei zu entrinnen, neigte die Menschheit immer dazu, sich zu den bekömmlichen Klimas der Tropen hintreiben zu lassen. Obwohl diese wärmeren Wohngebiete eine gewisse Linderung des harten Existenzkampfes gewährten, nutzten die diesen bequemen Weg einschlagenden Rassen und Stämme ihre unverdiente Muße nur selten zum Fortschritt der Zivilisation. Sozialer Fortschritt ist stets vom Denken und Planen jener Rassen hergekommen, die intelligent und hart arbeitend lernten, wie sie dem Boden bei kürzeren Arbeitstagen und geringerer Anstrengung ihren Lebensunterhalt abgewinnen konnten, und die dadurch in den Stand versetzt wurden, sich eines wohlverdienten und lohnenden Spielraums für Freizeitbeschäftigungen zu erfreuen. 3. Wissenschaftliche Kenntnisse. Die materiellen Aspekte einer Zivilisation müssen immer die Ansammlung wissenschaftlicher Grundlagen abwarten. Es verstrich viel Zeit nach der Entdeckung von Pfeil und Bogen und der Verwendung der Tiere als Kraftquelle, bevor der Mensch lernte, sich Wind und Wasser nutzbar zu machen und danach Dampf und Elektrizität zu gebrauchen. Aber langsam wurden die Instrumente der Zivilisation verbessert. Auf Weberei, Töpferei, Tierdomestizierung und Metallarbeit folgte ein Zeitalter des Schreibens und Druckens. Wissen ist Macht. Immer gehen Erfindungen einer Beschleunigung der kulturellen Entwicklung in weltweitem Maßstab voraus. Wissenschaft und Erfindungen zogen den größten Nutzen aus der Druckerpresse, und die Wechselwirkung all dieser kulturellen und erfinderischen Aktivitäten hat die Gangart des kulturellen Fortschritts gewaltig beschleunigt. Die Wissenschaft lehrt den Menschen, die neue Sprache der Mathematik zu sprechen, und sie schult sein Denken in der Anwendung anspruchsvoller Genauigkeit. Ebenso stabilisiert die Wissenschaft die Philosophie durch Eliminierung von Irrtümern und reinigt die Religion durch Zerstörung des Aberglaubens. 4. Menschliche Ressourcen. Entsprechendes Menschenpotential ist zur Verbreitung einer Zivilisation unerlässlich. Bei gleichen Voraussetzungen wird ein zahlreiches Volk die Zivilisation einer kleineren Rasse dominieren. Deshalb verhindert ein Volk, dem es nicht gelingt, sich bis zu einem gewissen Grad zu vermehren, die Verwirklichung seiner nationalen Bestimmung, aber bei der Bevölkerungszunahme kommt ein Punkt, an dem weiteres Wachstum Selbstmord bedeutet. Eine Vermehrung über das optimale Bevölkerungs-Boden-Verhältnis hinaus bedeutet entweder eine Senkung des Lebensstandards oder eine augenblickliche Sprengung der territorialen Grenzen durch friedliches Eindringen oder militärische Eroberung, gewaltsame Besetzung. Ihr entsetzt euch manchmal über Kriegsverheerungen, aber ihr solltet die Notwendigkeit anerkennen, Sterbliche in großer Zahl das Licht der Welt erblicken zu lassen, um viele Gelegenheiten zu sozialer und sittlicher Entwicklung zu schaffen; und bei so großer planetarischer Fruchtbarkeit stellt sich bald das ernsthafte Problem der Überbevölkerung ein. Die meisten bewohnten Welten sind klein. Urantia hat eine normale, vielleicht ein bisschen unterdurchschnittliche Größe. Eine optimale Stabilisierung der nationalen Bevölkerung erhöht die Kultur und verhindert Krieg. Und weise ist eine Nation, die weiß, wann sie zu wachsen aufhören muss. Aber der an Bodenschätzen reichste Kontinent und seine modernsten mechanischen Einrichtungen werden kaum Fortschritte bringen, wenn die Intelligenz seiner Bewohner im Niedergang begriffen ist. Wissen kann durch Erziehung erworben werden, aber Weisheit, die für wahre Kultur unerlässlich ist, kann nur durch Erfahrung und von Männern und Frauen erworben werden, die von Natur aus intelligent sind. Solche Menschen sind fähig, aus Erfahrung zu lernen; sie können wahrhaft weise werden. 5. Wirksamkeit materieller Hilfsquellen. Viel hängt von der Weisheit ab, die bei der Verwendung der Naturschätze, der wissenschaftlichen Erkenntnisse, der Investitionsgüter und des Menschenpotentials bewiesen wird. Das Hauptelement der frühen Zivilisation war die Kraft, die von weisen sozialen Meistern ausgeübt wurde; die Zivilisation wurde den primitiven Menschen durch ihre höher stehenden Zeitgenossen förmlich aufgedrängt. Diese Welt ist weitgehend von gut organisierten und überlegenen Minderheiten regiert worden. Macht schafft kein Recht, aber Macht schafft, was ist und was in der Geschichte gewesen ist. Erst kürzlich hat Urantia jenen Punkt erreicht, wo die Gesellschaft gewillt ist, die Ethik von Macht und Recht zu diskutieren. 6. Wirksamkeit der Sprache. Die Zivilisation muss auf die Sprache warten, um sich auszubreiten. Lebendige und wachsende Sprachen sichern die Verbreitung zivilisierten Denkens und Planens. Während der frühen Zeitalter wurden in der Sprache bedeutende Fortschritte erzielt. Heute besteht ein dringender Bedarf an zusätzlicher sprachlicher Erweiterung, um dem in Entwicklung begriffenen Denken den Ausdruck zu erleichtern. Die Sprache ging aus Gruppenzusammenschlüssen hervor, wobei jede Ortsgruppe ihr eigenes System des Wortaustausches entwickelte. Aus Gesten, Zeichen, Schreien, Imitationslauten, Tongebung und Akzenten wuchs die Sprache bis zu der Vokalisierung späterer Alphabete. Die Sprache ist des Menschen größtes und hilfreichstes Denkwerkzeug, aber sie blühte nie, solange soziale Gruppen nicht einen gewissen Grad an Freizeit erreicht hatten. Die Neigung, mit der Sprache zu spielen, bringt neue Wörter hervor - den Jargon. Wenn die Mehrheit den Jargon übernimmt, macht der Gebrauch daraus die Sprache. Wie Dialekte entstehen, wird deutlich am Beispiel einer Familiengruppe, in der eine "Bébé-Sprechweise" gepflegt wird. Sprachverschiedenheiten sind immer das große Hindernis für die Ausbreitung des Friedens gewesen. Zuerst müssen die Dialekte überwunden werden, bevor sich die Kultur in einer Rasse, auf einem Kontinent oder über die ganze Welt ausbreiten kann. Eine universelle Sprache fördert den Frieden, sichert die Kultur und vermehrt das Glück. Sogar schon eine Reduzierung der Weltsprachen auf einige wenige und ihre Beherrschung durch die führenden Kulturvölker übt einen mächtigen Einfluss auf die Herbeiführung weltweiten Friedens und Wohlstands aus. Obwohl Urantia bei der Entwicklung einer internationalen Sprache nur sehr geringe Fortschritte erzielt hat, ist durch die Entstehung des internationalen Handelsaustausches sehr viel erreicht worden. Und diese internationalen Beziehungen sollten sämtlich gefördert werden, ob sie nun Sprache, Handel, Kunst, Wissenschaft, Wettspiele oder Religion betreffen. 7. Wirksamkeit mechanischer Vorrichtungen. Der Fortschritt der Zivilisation steht in direkter Beziehung zu der Entwicklung und dem Besitz von Werkzeugen, Maschinen und Verteilungskanälen. Verbesserte Werkzeuge, geniale und wirksame Maschinen entscheiden über das Fortleben von rivalisierenden Gruppen auf dem Kampfplatz der fortschreitenden Zivilisation. In den frühen Zeiten war die einzige bei der Bodenbewirtschaftung eingesetzte Energie die menschliche Arbeitskraft. Es bedurfte eines langen Kampfes, um die Menschen durch Ochsen zu ersetzten, weil sie dadurch arbeitslos wurden. In neuerer Zeit haben die Maschinen begonnen, die Menschen zu verdrängen, und jeder derartige Fortschritt ist ein direkter Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft, weil er menschliche Arbeitskräfte zur Erfüllung höherer Aufgaben freisetzt. Wenn sich die Wissenschaft durch Weisheit leiten lässt, kann sie zur großen sozialen Befreierin der Menschheit werden. Ein mechanisches Zeitalter kann sich nur für eine Nation verheerend auswirken, deren intellektuelles Niveau zu tief ist, um weise Methoden und gesunde Techniken erfolgreicher Anpassung an die Übergangsschwierigkeiten zu entdecken, die sich aus dem plötzlichen Beschäftigungsverlust großer Arbeiterscharen nach der zu rasch erfolgten Erfindung neuer arbeitssparender Maschinentypen ergeben. 8. Eigenschaft von Fackelträgern. Das Erbe der Gesellschaft befähigt den Menschen, auf den Schultern all derer zu stehen, die ihm vorausgegangen sind und irgendetwas zu Kultur und Wissen beigetragen haben. Bei diesem Vorgang der kulturellen Fackelübergabe an die nächste Generation wird das Heim immer die grundlegende Institution bleiben. An nächster Stelle folgen Spiel und gesellschaftliches Leben und zuletzt, aber in einer komplexen und hochorganisierten Zivilisation ebenso unerlässlich, die Schule. Bei ihrer Geburt sind die Insekten bereits voll ausgebildet und für das Leben ausgerüstet - für eine allerdings sehr enge und rein instinktive Existenz. Der menschliche Säugling wird ohne Erziehung geboren; deshalb hat der Mensch die Macht, durch die Kontrolle von Erziehung und Schulung der jüngeren Generation den evolutionären Lauf der Zivilisation sehr stark zu verändern. Die Einflüsse, die im zwanzigsten Jahrhundert am stärksten zur Förderung der Zivilisation und zum Fortschritt der Kultur beigetragen haben, sind der markante Aufschwung weltweiten Reisens und die nie dagewesenen Verbesserungen in den Kommunikationsmitteln. Aber die Verbesserung der Erziehung hat mit der Expansion der gesellschaftlichen Struktur nicht Schritt gehalten; ebenso wenig hat sich die moderne Würdigung der Ethik in Übereinstimmung mit dem Wachstum auf rein intellektuellen und wissenschaftlichen Gebieten entwickelt. Und die moderne Zivilisation ist hinsichtlich ihrer geistigen Entwicklung und der Bewahrung der Institution der Familie an einem toten Punkt angelangt. 9. Die Rassenideale. Die Ideale einer Generation graben die Kanäle, in denen das Schicksal ihrer unmittelbaren Nachkommenschaft verlaufen wird. Die Qualität der gesellschaftlichen Fackelträger entscheidet darüber, ob eine Zivilisation vorwärts- oder rückwärtsschreiten wird. Die Familien, Kirchen und Schulen einer Generation bestimmen im Voraus die Richtungsart, welche die nächste Generation einschlagen wird. Die sittliche und geistige Triebkraft einer Rasse oder Nation bestimmt weitgehend die kulturelle Geschwindigkeit ihrer Zivilisation. Ideale verlegen die Quelle des gesellschaftlichen Stroms nach oben. Und kein Strom wird je höher steigen als seine Quelle, welche Technik des Drucks oder der Richtungskontrolle man auch immer anwendet. DieTriebkraft auch der materiellsten Aspekte einer kulturellen Zivilisation liegt in den am wenigsten materiellen Leistungen der Gesellschaft. Die Intelligenz mag die Mechanismen der Zivilisation kontrollieren, Weisheit sie leiten, aber der geistige Idealismus ist die Energie, welche tatsächlich die menschliche Kultur vorwärts bringt und von einer Stufe der Vollbringung auf die nächste hebt. Am Anfang war das Leben ein Kampf ums Dasein; jetzt ist es ein Kampf um den Lebensstandard; nächstens wird es ein Kampf um die Qualität des Denkens sein, das kommende irdische Ziel der menschlichen Existenz. 10. Koordination von Spezialisten. Die Zivilisation hat dank der frühen Arbeitsteilung und ihrem späteren Gegenstück der Spezialisierung gewaltige Fortschritte gemacht. Jetzt hängt die Zivilisation von der wirksamen Koordinierung von Spezialisten ab. Bei der laufenden Komplizierung der Gesellschaft muss irgendein Weg gefunden werden, um die verschiedenen Spezialisten zusammenzuführen. Spezialisten auf den Gebieten der Gesellschaft, Kunst, Technik und Industrie werden weiterhin immer zahlreicher und immer erfahrener und gewandter werden. Und diese Vervielfältigung von Fertigkeiten und andersgearteten Beschäftigungen wird am Ende die menschliche Gesellschaft schwächen und desintegrieren, wenn keine wirksamen Mittel der Koordination und Kooperation entwickelt werden. Aber solchen Erfindungsreichtums und solcher Spezialisierung fähige Intelligenz sollte auch durchaus kompetent sein, um für alle Probleme, die sich aus der raschen Zunahme der Erfindungen und aus der beschleunigten Gangart der kulturellen Expansion ergeben, neue Methoden der Kontrolle und Anpassung zu ersinnen. 11. Maßnahmen zur Stellenbeschaffung. Der nächste Zeitabschnitt sozialer Entwicklung wird sich in einer besseren und wirksameren Kooperation und Koordination der immer stärkeren und immer mehr um sich greifenden Spezialisierung äußern. Und da die Arbeit immer mannigfaltiger wird, muss eine Technik ersonnen werden, um die Einzelpersonen passenden Beschäftigungen zuzuführen. Die Maschinen sind nicht der einzige Grund der Arbeitslosigkeit unter den zivilisierten Völkern Urantias. Wirtschaftliche Komplexität und ständige Zunahme des industriellen und beruflichen Spezialistentums mehren die Probleme der Einstellung von Arbeitskräften. Es genügt nicht, die Menschen für eine Arbeit auszubilden; in einer komplexen Gesellschaft muss auch für wirksame Methoden der Stellenfindung gesorgt werden. Bevor man die Bürger zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in hochspezialisierten Techniken ausbildet, sollten sie als Arbeiter oder in Handel und Gewerbe in einer oder mehreren ganz alltäglichen Verdienstarten ausgebildet werden, auf die sie zurückgreifen können, wenn sie auf ihrem Spezialgebiet vorübergehend arbeitslos werden sollten. Keine Zivilisation kann überleben, wenn sie über lange Zeit große Massen Arbeitsloser unterhält. Mit der Zeit nehmen selbst die besten Bürger Schaden durch die Annahme von Unterstützungsgeldern aus der Staatskasse und lassen sich demoralisieren. Sogar private Wohltätigkeit wird zum Gift, wenn sie lange von rüstigen Bürgern empfangen wird. Eine solch hochspezialisierte Gesellschaft wird sich nicht mit den einstigen Gemeinschafts- und Feudalpraktiken der früheren Menschen anfreunden. Es ist wahr, dass viele Gemeinschaftsdienste auf annehmbare und nützliche Weise sozialisiert werden können, aber hochgebildete und hochspezialisierte Menschenwesen lassen sich am besten durch irgendeine Technik intelligenter Kooperation leiten. Koordination moderner Art und brüderliche Regelung werden eine dauerhaftere Kooperation hervorbringen als die älteren und primitiveren Methoden des Kommunismus oder diktatorischer Lenkungsmechanismen, die auf Zwang beruhen. 12. Die Bereitschaft zu Kooperation. Eine der großen Behinderungen des Fortschritts der menschlichen Gesellschaft ist der Konflikt zwischen den Interessen und dem Wohlergehen der größeren, stärker sozialisierten menschlichen Gruppen und den kleineren, oppositionell gesinnten und asozialen Vereinigungen der Menschheit, ganz zu schweigen von antisozial eingestellten Einzelpersonen. Keine nationale Zivilisation kann lange Dauer haben, wenn ihre Erziehungsmethoden und religiösen Ideale nicht eine hohe Art von intelligentem Patriotismus und nationaler Hingabe einflößen. Ohne einen intelligenten Patriotismus und eine kulturelle Solidarität dieser Art neigen alle Nationen dazu, unter der Wirkung von provinzieller Eifersucht und lokalem Eigennutz auseinanderzufallen. Die Aufrechterhaltung einer weltweiten Zivilisation hängt von menschlichen Wesen ab, die lernen, wie man miteinander in Frieden und Brüderlichkeit leben kann. Ohne eine wirksame Koordination wird die industrielle Zivilisation in Frage gestellt durch die Gefahren der Überspe-zialisierung: Monotonie, Engstirnigkeit und Neigung zu Misstrauen und Eifersucht. 13. Wirksame und weise Führerschaft. In einer Zivilisation hängt viel, sehr viel von einem die Dinge mit Enthusiasmus und Wirksamkeit anpackenden Geist ab. Um eine schwere Last zu heben, sind zehn Männer kaum von größerem Nutzen als ein einziger, außer sie heben sie gemeinsam hoch - alle im selben Augenblick. Und eine solche Teamarbeit - soziale Kooperation - hängt von der Führung ab. Die kulturellen Zivilisationen der Vergangenheit und Gegenwart gründeten und gründen auf der intelligenten Zusammenarbeit der Bürger unter weisen und fortschrittlichen Führern; und solange die menschliche Entwicklung nicht höhere Ebenen erreicht hat, wird die Zivilisation weiterhin von einer weisen und kräftigen Führung abhängen. Hohe Zivilisationen entstehen aus einer scharfsinnigen Verknüpfung von materiellem Reichtum mit intellektueller Größe, sittlichem Wert, sozialer Klugheit und kosmischer Schau. 14. Soziale Veränderungen. Die Gesellschaft ist keine göttliche Einrichtung; sie ist ein Phänomen fortschreitender Evolution; und die vorrückende Zivilisation wird immer gehemmt, wenn ihre Führer es unterlassen, an der gesellschaftlichen Organisation rechtzeitig jene Veränderungen vorzunehmen, die wesentlich sind, um mit den wissenschaftlichen Entwicklungen des Zeitalters Schritt zu halten. Aber bei alledem sollte man etwas nicht gering schätzen, nur weil es alt ist, noch sollte man eine Idee kritiklos übernehmen, nur weil sie überraschend und neu ist. Die Menschen sollten sich nicht davor scheuen, mit den Mechanismen der Gesellschaft zu experimentieren. Aber derartige Abenteuer in kultureller Neuausrichtung sollten immer von solchen überwacht werden, die mit der Geschichte der gesellschaftlichen Evolution eng vertraut sind; und die Neuerer sollten immer die Weisheit jener in Anspruch nehmen, die praktische Erfahrung auf dem Gebiet überdachten gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Experimentierens besitzen. Keine bedeutende gesellschaftliche oder wirtschaftliche Veränderung sollte je plötzlich versucht werden. Zeit ist wesentlich für alle Arten von menschlicher Neuausrichtung, seien sie physischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Natur. Nur sittliche und geistige Neuausrichtungen können spontan erfolgen, aber auch diese bedürfen der Zeit, damit ihr materieller und sozialer Widerhall volle Wirkung entfalten kann. Während der kritischen Zeiten des Übergangs einer Zivilisation von einer Stufe zur nächsten sind die Ideale einer Rasse die Hauptstütze und - absicherung. 15. Die Verhinderung von Zusammenbrüchen in Übergangszeiten. Die Gesellschaft ist das Ergebnis des Suchens und Irrens ganzer Zeitalter; sie ist das, was überlebt hat von den selektiven Anpassungen und Wiederanpassungen der aufeinander folgenden Stadien des jahrtausendelangen Aufstiegs der Menschheit von der tierischen zu der menschlichen planetarischen Statusebene. Die große Gefahr, die jeder Zivilisation - jederzeit - droht, ist ein Zusammenbruch während der Übergangszeit von den bestehenden Methoden der Vergangenheit zu den neuen und besseren, aber noch unerprobten Vorgehensweisen der Zukunft. Führerschaft ist lebenswichtig für den Fortschritt. Weisheit, Tiefblick und Voraussicht sind für das Überdauern der Nationen unerlässlich. Eine Zivilisation ist nie wirklich in Gefahr, solange sie nicht einer fähigen Führung ermangelt. Und solch weise Führernaturen haben nie mehr als ein Prozent der Bevölkerung ausgemacht. Über die Sprossen der Evolutionsleiter hat die Zivilisation jene Stelle erklommen, wo die mächtigen Einflüsse ausgelöst werden konnten, die in der rasch expandierenden Kultur des zwanzigsten Jahrhunderts gipfelten. Nur wenn die Menschen sich an diese wesentlichen Punkte halten, können sie hoffen, ihre heutigen Zivilisationen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig für deren ständige Fortentwicklung und sicheren Bestand zu sorgen. Dies ist das Wesentliche über das lange, lange Ringen der Völker der Erde zur Errichtung der Zivilisation seit Adams Zeiten. Die heutige Kultur ist der Reinertrag dieser mühsamen Evolution. Vor der Entdeckung des Druckens erfolgte der Fortschritt relativ langsam, da eine Generation nicht so rasch in den Genuss der Leistungen ihrer Vorgängerinnen gelangte. Aber jetzt stürmt die menschliche Gesellschaft voran, angetrieben von der Kraft und dem Schwung all der Zeitalter, durch die sich die Zivilisation hindurchgekämpft hat. [Dargeboten von einem Erzengel Nebadons.] ****** Kapitel 82 Die Evolution der Ehe ****** DIE Ehe - Paarung - resultiert aus der Zweigeschlechtigkeit. Die Ehe ist die menschliche Reaktion der Anpassung an diese Zweigeschlechtigkeit, während das Familienleben die Endsumme all solcher evolutionärer Anpassungen darstellt. Die Ehe ist dauerhaft; sie liegt nicht in der Natur der biologischen Evolution, aber sie ist die Basis aller gesellschaftlichen Evolution und deshalb ihrer Weiterexistenz in irgendeiner Form sicher. Die Ehe hat der Menschheit das Heim gegeben, und das Heim ist die glorreiche Krönung des ganzen langen und schwierigen evolutionären Kampfes. Wohl sind die religiösen, sozialen und erzieherischen Einrichtungen für das Fortleben der kulturellen Zivilisation allesamt unentbehrlich, aber die Familie übt den zivilisatorischen Haupteinfluss aus. Ein Kind lernt die meisten wesentlichen Dinge des Lebens in seiner Familie und von den Nachbarn. Die Menschen von einst besaßen keine besonders reiche gesellschaftliche Zivilisation, aber was sie hatten, gaben sie getreulich und sicher an die nächste Generation weiter. Und ihr solltet anerkennen, dass die meisten dieser vergangenen Zivilisationen sich bei einem baren Minimum an anderen institutionellen Einflüssen weiterentwickelten, weil die Familie wirksam funktionierte. Heutzutage besitzen die menschlichen Rassen ein reiches soziales und kulturelles Erbe, und es sollte weise und sicher an die folgenden Generationen weitergegeben werden. Die Familie als erzieherische Institution muss aufrechterhalten bleiben. ***** 82.1 Der Paarungstrieb ***** Trotz der Kluft zwischen den Persönlichkeiten von Mann und Frau genügt der Geschlechtstrieb, um ihr Zusammenkommen zur Fortpflanzung der Gattung sicherzustellen. Der Trieb funktionierte wirksam, lange bevor die Menschen viel von dem empfanden, was sie später Liebe, Hingabe und eheliche Treue nannten. Der Drang zur Paarung ist angeboren, und die Ehe ist seine evolutionäre gesellschaftliche Auswirkung. Sexuelles Interesse und Verlangen waren bei den primitiven Völkern keine beherrschenden Leidenschaften; sie nahmen sie einfach als selbstverständlich an. Das ganze Erleben der Fortpflanzung war frei von imaginativer Ausschmückung. Die alles verschlingende sexuelle Leidenschaft der Völker mit höherer Zivilisation hat ihren Grund hauptsächlich in der Rassenvermischung, insbesondere dort, wo die evolutionäre Natur durch die den Noditen und Adamiten eigene assoziative Vorstellungskraft und Würdigung der Schönheit stimuliert wurde. Aber die evolutionären Rassen haben eine so begrenzte Menge von diesem anditischen Erbe empfangen, dass es ihnen keine genügende Selbstdisziplin verleihen konnte, um der Leidenschaften Herr zu werden, die die Begabung mit wacherem sexuellem Bewusstsein und heftigerem Verlangen nach Begattung in ihnen wachrief und verstärkte. Von allen evolutionären Rassen besaßen die roten Menschen die höchststehenden sexuellen Regeln. Die Regelung der Sexualität in Verbindung mit der Ehe ist ein Gradmesser für: 1. Den relativen Fortschritt einer Zivilisation. Die Zivilisation hat immer bestimmter darauf bestanden, dass die Befriedigung des Geschlechtstriebes in nützlichen Bahnen und den Sitten gemäß zu erfolgen habe. 2. Das anditische Erbe irgendeines Volkes. In diesen Gemeinschaften ist das Geschlecht Ausdruck sowohl des Höchsten als auch des Niedrigsten der physischen und emotionalen Natur geworden. Die Sangikrassen hatten normale tierische Leidenschaften, aber ihre geringe Fantasie wusste die Schönheit und den physischen Reiz des anderen Geschlechts kaum zu würdigen. Was man Sex-Appeal nennt, ist auch bei heutigen primitiven Rassen praktisch abwesend; diese nicht gemischten Völker haben einen entschiedenen Paarungstrieb, aber ihre sexuelle Anziehung ist zu schwach, um ernsthafte Probleme zu schaffen, die einer Kontrolle durch die Gesellschaft bedürften. Der Paarungsdrang ist eine der beherrschendsten physischen Triebkräfte menschlicher Wesen; er ist jenes Gefühl, das den eigensüchtigen Menschen unter der Maske individueller Befriedigung tatsächlich dazu überlistet, das Wohl der Rasse und ihr Fortbestehen hoch über individuelles Behagen und persönliche Freiheit von Verantwortung zu stellen. Als Institution ist die Ehe seit ihrer frühesten Entstehung bis in die modernen Zeiten das getreue Abbild der sozialen Evolution des biologischen Verlangens nach dem eigenen Fortbestehen. Das Fortbestehen der sich entwickelnden menschlichen Gattung wird gesichert durch die Gegenwart dieses rassischen Paarungsimpulses, eines Triebes, den man wenig zutreffend sexuelle Anziehung genannt hat. Dieser mächtige biologische Antrieb wird zum Impulszentrum für alle möglichen mit ihm verbundenen Triebe, Gefühle und Anwendungen - auf physischem, intellektuellem, sittlichem und sozialem Gebiet. Bei den Wilden war die Nahrungsbeschaffung die motivierende, treibende Kraft; aber wenn die Zivilisation einmal Nahrung in Fülle bereitstellt, wird der Geschlechtstrieb oft zu einem beherrschenden Impuls und bedarf deshalb stets dringend einer sozialen Regelung. Bei den Tieren zügelt die instinktive Periodizität den Paarungsdrang, aber da der Mensch so weitgehend eigener Kontrolle untersteht, ist das sexuelle Verlangen nicht gänzlich periodisch; infolgedessen wird es nötig, dass die Gesellschaft den Einzelnen Selbstbeherrschung auferlegt. Kein Gefühl oder Impuls des Menschen kann, wenn man ihm zügellos nachgibt, so viel Leid und Kummer anrichten wie dieser mächtige Geschlechtstrieb. Seine intelligente Unterwerfung unter die Anordnungen der Gesellschaft ist der unbestechlichste Test auf die Gültigkeit einer Zivilisation. Der sich fortentwickelnden Menschheit tut Selbstbeherrschung not, mehr und immer noch mehr Selbstbeherrschung. Heimlichkeit, Unaufrichtigkeit und Heuchelei mögen die sexuellen Probleme verdecken, aber sie sorgen nicht für Lösungen, noch fördern sie die Ethik. ***** 82.2 Die einschränkenden Tabus ***** Die Evolutionsgeschichte der Ehe ist schlicht die Geschichte der sexuellen Kontrolle unter dem Druck gesellschaftlicher, religiöser und ziviler Einschränkungen. Die Natur kümmert sich kaum um Einzelwesen; sie nimmt die so genannte Moral nicht zur Kenntnis; sie ist einzig und allein an der Fortpflanzung der Gattung interessiert. Die Natur besteht mit Macht auf der Fortpflanzung, überlässt aber die Lösung der sich daraus ergebenden Probleme stets der Gesellschaft und schafft dadurch für die evolutionäre Menschheit ein immer gegenwärtiges, gewichtiges Problem. Dieser soziale Konflikt besteht in dem endlosen Krieg zwischen den Grundtrieben und der sich entwickelnden Ethik. Die frühen Rassen kannten eine Regelung der Beziehungen zwischen den Geschlechtern kaum oder überhaupt nicht. Wegen dieser sexuellen Freizügigkeit gab es keine Prostitution. Auch heute existiert die Institution der Ehe bei den Pygmäen und anderen rückständigen Gruppen nicht; eine Beobachtung dieser Völker zeigt die von primitiven Rassen geübten einfachen Fortpflanzungssitten. Aber man sollte alle alten Völker immer im Lichte der zu ihrer Zeit gültigen moralischen Maßstäbe des Sittenkodexes studieren und beurteilen. Freie Liebe stand indessen bei keinen Völkern, die sich über den Zustand von reinen Wilden erhoben hatten, in gutem Ruf. In dem Augenblick, als sich gesellschaftliche Gruppen zu bilden begannen, begannen sich auch Eheregeln und -beschränkungen herauszubilden. So hat sich die Paarung über unzählige Zwischenphasen aus einem Zustand fast völliger geschlechtlicher Freizügigkeit bis zu den im zwanzigsten Jahrhundert geltenden Normen relativ vollständiger sexueller Einschränkung weiterentwickelt. In den frühesten Stadien der Stammesentwicklung waren Sitten und einschränkende Tabus sehr barbarisch, aber sie bewerkstelligten eine Trennung der Geschlechter - was Ruhe, Ordnung und Handwerk förderte - und damit nahm die lange Evolution der Ehe und des Heims ihren Anfang. Die auf der Sexualität beruhenden Gepflogenheiten in Kleidung, Schmuck und religiösen Praktiken hatten ihren Ursprung in diesen frühen Tabus, die den Rahmen für die sexuellen Freiheiten bildeten und so schließlich die Vorstellungen von Laster, Verbrechen und Sünde schufen. Aber es war lange Zeit Sitte, an hohen Festtagen und insbesondere am ersten Maitag vorübergehend alle sexuellen Regelungen aufzuheben. Die Frauen waren immer einschneidenderen Tabus unterworfen als die Männer. Die frühen Sitten gewährten den unverheirateten Frauen denselben Grad an sexueller Freiheit wie den Männern, aber von den Ehefrauen wurde immer verlangt, ihren Ehemännern treu zu sein. Die primitive Ehe beschnitt die sexuellen Freiheiten des Mannes nicht besonders, hingegen war für die Frau außerehelicher Geschlechtsverkehr tabu. Verheiratete Frauen trugen immer irgendwelche Kennzeichen wie Haartracht, Kleidung, Schleier, Schmuck und Ringe, die sie als eine Klasse für sich sonderten, oder sie mussten zurückgezogen leben. ***** 82.3 Frühe Ehesitten ***** Die Ehe ist die institutionelle Antwort des Gesellschaftsorganismus auf die stets vorhandene biologische Spannung, die den Menschen unablässig zur Vermehrung - zur Selbst-Fortpflanzung - treibt. Die Paarung ist ein universelles Naturphänomen, und mit der Entwicklung der Gesellschaft vom Einfachen zum Komplexen ging eine entsprechende Entwicklung der Paarungsgebräuche einher - die Institution der Ehe wurde geboren. Wo immer eine gesellschaftliche Evolution das Stadium erreicht hat, an dem ein Sittenkodex entsteht, wird man die Ehe als eine sich entwickelnde Institution finden. Es hat immer zwei verschiedene Ehebereiche gegeben, und es wird sie immer geben: die sittlichen Normen, die die äußeren Aspekte der Paarung regelnden Gesetze einerseits, und die im Übrigen geheimen und persönlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau andererseits. Der Einzelne hat sich stets gegen die durch die Gesellschaft auferlegten sexuellen Regelungen aufgelehnt; und dies ist der Grund für dieses Jahrtausende alte sexuelle Problem: Die Selbst-Erhaltung ist individuell, wird aber durch die Gruppe gewährleistet, während die Selbst-Fortpflanzung eine soziale Angelegenheit ist, aber durch den individuellen Impuls gesichert wird. Wenn die sittlichen Normen respektiert werden, sind sie vollauf in der Lage, den Geschlechtstrieb zu zügeln und zu kontrollieren, wie es sich bei allen Rassen gezeigt hat. Die Ehenormen sind immer ein getreuer Gradmesser der herrschenden Macht der Sitten und des integren Funktionierens der Zivilregierung gewesen. Aber die frühen, Geschlecht und Paarung betreffenden Sitten waren eine Anhäufung von ungereimten und groben Regelungen. In diesen Eheregeln widersprachen sich die Interessen von Eltern, Kindern, Verwandten und Gesellschaft. Aber trotz alledem stiegen die Rassen, welche die Ehe hochhielten und pflegten, ganz natürlich zu höheren Ebenen auf und überlebten in größerer Zahl. In primitiven Zeiten war die Ehe der für die soziale Stellung bezahlte Preis; der Besitz einer Frau war ein Zeichen von Würde. Der Wilde betrachtete seinen Hochzeitstag als Eintrittstor in Verantwortung und Mannheit. In einem Zeitalter wurde die Ehe als gesellschaftliche Pflicht angesehen, in einem anderen als religiöse Verpflichtung und wieder in einem anderen als politisches Erfordernis, um dem Staat Bürger zu beschaffen. Viele frühe Stämme verlangten von den Eheanwärtern irgendwelche heldenhaften Diebstähle, um sich zu qualifizieren; spätere Völker ersetzten solche Raubzüge durch athletische Kämpfe und Wettspiele. Den Gewinnern in diesen Auseinandersetzungen wurde der erste Preis zugesprochen - sie durften unter den reifen Bräuten wählen. Bei den Kopfjägern durfte ein junger Mann nicht heiraten, bevor er nicht mindestens einen Kopf besaß, obwohl Schädel manchmal auch gekauft werden konnten. Als der Kauf von Frauen zurückging, wurden sie in Rätselturnieren gewonnen, ein Brauch, der noch in vielen Gruppen der schwarzen Menschen weiterlebt. Mit fortschreitender Zivilisation legten gewisse Stämme die harten Ehetests für männliches Durchhaltevermögen in die Hände der Frauen, was diese in die Lage versetzte, den Mann ihrer Wahl zu begünstigen. Diese Ehetests umfassten Gewandtheit in Jagd und Kampf und die Fähigkeit, für eine Familie zu sorgen. Während langer Zeit wurde vom Bräutigam verlangt, für mindestens ein Jahr in die Familie der Braut einzutreten, dort zu leben und zu arbeiten und zu beweisen, dass er der Gemahlin, die er begehrte, würdig war. Die Qualifikationen einer Frau waren ihre Fähigkeit, harte Arbeiten auszuführen und Kinder zu gebären. Man verlangte von ihr, eine bestimmte bäuerliche Arbeit in einer gegebenen Zeit auszuführen. Und wenn sie vor der Hochzeit ein Kind geboren hatte, war sie umso wertvoller; ihre Fruchtbarkeit war erwiesen. Die Tatsache, dass alte Völker es als Schande oder gar als Sünde betrachteten, unverheiratet zu sein, erklärt den Ursprung der Kinderehen; wenn man schon verheiratet sein muss, dann je früher umso besser. Es herrschte auch allgemein der Glaube, dass Unverheiratete keinen Zutritt zum Land der Geister hätten, und das war ein weiterer Ansporn, Kinder sogar schon bei der Geburt und - unter Vorbehalt ihres Geschlechtes - manchmal schon vorher zu verheiraten. Die Alten glaubten, dass auch die Toten verheiratet sein mussten. Die ersten Heiratsvermittler dienten dazu, Ehen zwischen Verstorbenen auszuhandeln. Ein Elternteil eines Toten kam mit diesen Zwischenträgern überein, die Heirat zwischen ihrem verstorbenen Sohn und der verstorbenen Tochter einer anderen Familie zu vollziehen. Bei späteren Völkern war die Pubertät das normale Heiratsalter, aber dieses wurde in direktem Verhältnis zum Fortschritt der Zivilisation immer weiter hinausgeschoben. Schon früh in der gesellschaftlichen Entwicklung entstanden besondere Orden von ledigen Männern und ledigen Frauen; sie wurden von Einzelnen ins Leben gerufen und unterhalten, denen ein normaler Geschlechtstrieb mehr oder weniger fehlte. Viele Stämme erlaubten Mitgliedern der herrschenden Gruppe, mit der Braut, unmittelbar bevor sie ihrem Gatten gegeben wurde, geschlechtlich zu verkehren. Jeder dieser Männer gab der jungen Frau ein Geschenk, und das war der Ursprung des Brauchs, Hochzeitsgeschenke zu machen. Einige Gruppen erwarteten von einer jungen Frau, dass sie ihre Mitgift verdiene, welche aus den Geschenken bestand, die sie als Belohnung für ihre sexuellen Dienste im bräutlichen Ausstellungsraum erhalten hatte. Einige Stämme verheirateten die jungen Männer mit Witwen und älteren Frauen, und wenn sie dann selber Witwer wurden, erlaubte man ihnen, junge Mädchen zu heiraten, um, wie sich die Leute ausdrückten, sicher zu gehen, dass nicht beide Eltern ganz verrückt nach einander würden, was ihrer Meinung nach der Fall gewesen wäre, wenn zwei jungen Leuten der Geschlechtsverkehr erlaubt worden wäre. Andere Stämme beschränkten den Geschlechtsverkehr auf Angehörige derselben Altersgruppen. Gerade auf diesen Umstand, dass die Ehe bestimmten Altersgruppen vorbehalten war, sind die ersten Gedanken an Inzest zurückzuführen. (In Indien gibt es auch heute noch keine die Ehe betreffenden Altersbeschränkungen.) Unter der Herrschaft gewisser Sitten war der Witwenstand etwas Schreckenerregendes, da die Witwen entweder getötet wurden oder die Erlaubnis erhielten, auf dem Grab ihres Ehemanns Selbstmord zu begehen, denn man nahm an, dass sie mit ihrem Lebensgefährten in das Geisterreich hinübergingen. Die überlebenden Witwen wurden fast ausnahmslos für den Tod ihrer Männer getadelt. Einige Stämme verbrannten sie lebendigen Leibes. Wenn eine Witwe am Leben blieb, führte sie ein Dasein fortwährenden Trauerns und unerträglicher gesellschaftlicher Einschränkung, da eine Wiederverheiratung im Allgemeinen missbilligt wurde. In alter Zeit wurden viele heute als unmoralisch geltende Praktiken ermutigt. Nicht selten erfüllte großer Stolz die primitiven Ehefrauen über ihrer Ehemänner Liebesabenteuer mit anderen Frauen. Keuschheit war für ein Mädchen ein großes Heiratshindernis, und die Tatsache, schon vor der Heirat ein Kind zur Welt gebracht zu haben, machte ein Mädchen umso begehrenswerter als Ehefrau, war doch der Mann sicher, eine fruchtbare Gefährtin zu erhalten. Viele primitive Stämme gestatteten Probe-Ehen, bis die Frau schwanger wurde, und dann schritt man zur ordentlichen Hochzeitszeremonie; andere Gruppen wiederum warteten mit der Hochzeitsfeier, bis das erste Kind geboren wurde. War eine Frau unfruchtbar, mussten ihre Eltern sie zurückkaufen, und die Ehe wurde aufgehoben. Die Sitten verlangten, dass jedes Paar Kinder habe. Diese primitiven Probe-Ehen hatten nicht das Geringste mit irgendwelcher Ausschweifung gemein; es waren ganz einfach ehrliche Fruchtbarkeitstests. Die vertragschließenden Partner heirateten für immer, sobald die Fruchtbarkeit feststand. Wenn moderne Paare bei ihrer Heirat Hintergedanken an eine bequeme Scheidung unterhalten, so ihr Eheleben sie nicht völlig zufrieden stellen sollte, gehen sie in Wirklichkeit eine Art Probe-Ehe ein, aber eine, die im Rang um vieles tiefer steht als die ehrlichen Eheabenteuer ihrer weniger zivilisierten Ahnen. ***** 82.4 Die Ehe und die den Besitz regelnden Gepflogenheiten ***** Die Ehe hat immer in enger Beziehung zu Besitz und Religion gestanden. Der Besitz hat zu ihrer Stabilität, die Religion zu ihrer Sittlichkeit beigetragen. Die primitive Ehe war eine Investition, eine wirtschaftliche Spekulation; sie glich eher einem Geschäft als einem Flirt. Die Alten heirateten zum Vorteil und zum Wohl der Gruppe; deshalb wurden ihre Heiraten durch die Gruppe, durch ihre Eltern und die Ältesten geplant und arrangiert. Dass diese auf Eigentum beruhenden Sitten wirksam zur Stabilisierung der Institution Ehe beitrugen, wird durch die Tatsache bekräftigt, dass die Ehe bei diesen frühen Stämmen dauerhafter war als bei vielen modernen Völkern. Als die Zivilisation Fortschritte machte und die Sitten das Privateigentum noch ausdrücklicher anerkannten, wurde Diebstahl das ganz große Verbrechen. Ehebruch wurde als eine Art Diebstahl betrachtet, als eine Verletzung der Besitzrechte des Ehegatten; er wird deshalb in den früheren Sitten- und Gesetzessammlungen gar nicht besonders erwähnt. Die Frau war zuerst Eigentum ihres Vaters, der sein Recht an ihren Mann weitergab, und alle legalisierten sexuellen Beziehungen gingen aus diesen vorausexistierenden Eigentumsrechten hervor. Das Alte Testament behandelt die Frauen wie eine Art Eigentum; der Koran lehrt ihre Minderwertigkeit. Der Mann hatte das Recht, seine Frau einem Freund oder Gast auszuleihen, und diese Sitte herrscht noch heute bei bestimmten Völkern. Die moderne sexuelle Eifersucht ist nicht angeboren; sie ist ein Ergebnis der sich entwickelnden Sitten. Der Primitive war auf seine Frau nicht eifersüchtig; er wachte nur über sein Eigentum. Man beschränkte das Geschlechtsleben der Ehefrau stärker als dasjenige des Ehemanns, weil ihre eheliche Untreue auch Nachkommenschaft und Erbe berührte. Schon im frühen Verlauf der Zivilisation kamen die illegitimen Kinder in Verruf. Zu Beginn wurde nur die Frau für Ehebruch bestraft, aber später verlangte die Sitte auch ihres Partners Züchtigung, und während langer Zeitalter besaßen der beleidigte Gatte oder der Beschützer-Vater volles Recht, den männlichen Rechtsverletzer zu töten. Moderne Völker behalten diese Sitte bei, indem sie unter dem ungeschriebenen Gesetz so genannte Ehrverletzungs-Verbrechen zulassen. Da das Keuschheitstabu seinen Ursprung in einer Phase der Eigentumssitten hatte, betraf es zuerst nur verheiratete Frauen, nicht aber ledige Mädchen. In späterer Zeit war es mehr der Vater als der Freier, der Keuschheit verlangte; eine Jungfrau bedeutete für den Vater einen wirtschaftlichen Vorteil - sie erzielte einen höheren Preis. Als Keuschheit immer gefragter wurde, pflegte man dem Vater in Anerkennung seines Verdienstes, in geziemender Weise eine keusche Braut für ihren künftigen Mann großgezogen zu haben, ein Brautgeld zu bezahlen. Als diese Idee von weiblicher Keuschheit einmal geboren war, ergriff sie von den Rassen derart Besitz, dass es gang und gäbe wurde, die Mädchen buchstäblich einzusperren, sie über Jahre hinweg richtiggehend gefangen zu halten, um ihre Jungfräulichkeit sicherzustellen. Und so ließen die Normen und Jungfräulichkeitstests jüngerer Zeit ganz automatisch die berufsmäßigen Prostituiertenklassen entstehen; diese bestanden aus den abgewiesenen Bräuten, aus jenen Frauen, die von den Bräutigamsmüttern als nicht jungfräulich befunden worden waren. ***** 82.5 Endogamie und Exogamie ***** Schon früh beobachtete der Wilde, dass Rassenmischung die Qualität des Nachwuchses verbesserte. Nicht dass Endogamie immer schlecht gewesen wäre, aber Exogamie war vergleichsweise immer besser; deshalb hatten die Sitten die Tendenz, sich auf eine Beschränkung sexueller Beziehungen zwischen nahen Verwandten festzulegen. Man erkannte, dass Exogamie die selektiven Gelegenheiten für evolutionären Variationenreichtum und Fortschritt bedeutend vermehrte. Die aus Exogamie Hervorgegangenen waren vielseitiger und fähiger, in einer feindlichen Welt zu überleben; diejenigen, die Inzucht ausübten, verschwanden allmählich zusammen mit ihren Sitten. All das war eine langsame Entwicklung; die Wilden dachten nicht bewusst über solche Probleme nach. Aber die späteren fortschrittlichen Völker taten es, und sie machten die Beobachtung, dass allgemeine Schwachheit manchmal das Resultat übermäßiger Inzucht war. Obwohl Inzucht unter Vertretern guter Erblinien manchmal den Aufbau von starken Stämmen bewirkte, so beeindruckten doch die Aufsehen erregenden Fälle von Inzucht unter erblich Belasteten die menschlichen Gemüter viel nachhaltiger. Die Folge war, dass die fortschreitenden Sitten alle Heiraten zwischen nahen Verwandten zunehmend mit Tabus belegten. Die Religion war lange Zeit eine wirksame Barriere gegen das Heiraten über die Grenzen hinaus; viele religiöse Lehren haben Ehen außerhalb des Glaubens verboten. Die Frau hat im Allgemeinen die Praxis der Heirat im engen Kreis begünstigt, der Mann war für grenzüberschreitendes Heiraten. Besitz hat immer einen Einfluss auf das Heiraten ausgeübt, und manchmal kam im Bestreben, den Besitz innerhalb eines Klans zu bewahren, der Brauch auf, die Frauen zu zwingen, sich ihren Ehemann in ihres Vaters Stamm auszusuchen. Anordnungen dieser Art führten zu einer starken Zunahme von Ehen unter Cousins. Inzucht wurde auch in dem Bestreben gepflegt, Handwerksgeheimnisse zu bewahren; erfahrene Arbeiter bemühten sich, ihr Handwerkswissen in der Familie zu behalten. Wenn höhere Gruppen isoliert waren, kehrten sie immer zur Paarung unter Blutsverwandten zurück. Über hundertfünfzigtausend Jahre lang waren die Noditen eine der großen endogamen Gruppen. Die endogamen Sitten späterer Tage standen unter dem mächtigen Einfluss der Überlieferungen der violetten Rasse, in welcher die Paarung am Anfang wohl oder übel zwischen Bruder und Schwester zu erfolgen hatte. Und Geschwisterehen waren gang und gäbe im frühen Ägypten, in Syrien, Mesopotamien und in den einst von den Anditen bewohnten Gegenden. Im Bestreben, das königliche Blut rein zu erhalten, pflegten die Ägypter lange Zeit die Geschwisterehe, und dieser Brauch hielt sich in Persien noch länger. Unter den Mesopotamiern waren vor den Tagen Abrahams Heiraten unter Cousins obligatorisch; Cousins besaßen gegenüber Cousinen ein eheliches Vortrittsrecht. Abraham selber heiratete seine Halbschwester, aber solche Verbindungen wurden von den späteren Sitten der Juden nicht mehr gestattet. Zum ersten Mal begann man von der Geschwisterehe abzurücken, als die Vielweiberei aufkam und die Schwester-Gemahlin ihre Mitgemahlin oder Mitgemahlinnen in arroganter Weise beherrschte. Einige Stammessitten verboten es, die Witwe eines verstorbenen Bruders zu heiraten, verlangten aber vom lebenden Bruder, anstelle seines abgeschiedenen Bruders Kinder zu zeugen. Es gibt keinen biologischen Instinkt gegen irgendwelchen Grad von Inzucht; solche Einschränkungen sind einzig und allein eine Sache von Tabus. Letzten Endes überwog die Exogamie, weil der Mann ihr den Vorzug gab; sich eine Frau von außen zu holen, gewährte größere Freiheit von den Schwiegereltern. Familiarität ruft Geringschätzung hervor; als nun das Element individueller Wahl den Geschlechtsverkehr zu beherrschen begann, wurde es Brauch, die Partner außerhalb des Stammes zu wählen. Viele Stämme verboten schließlich das Heiraten innerhalb des Klans; andere beschränkten es auf bestimmte Kasten. Das Tabu gegen die Heirat mit einer Frau seines eigenen Totems ließ den Brauch aufkommen, die Frauen bei den Nachbarstämmen zu stehlen. Später wurden Ehen mehr aufgrund des Wohnortes als nach verwandtschaftlichen Gesichtspunkten geschlossen. Die Entwicklung von der Endogamie zur modernen Praxis der Exogamie durchlief viele Stufen. Auch nachdem endogame Ehen für das einfache Volk mit dem Tabu belegt worden waren, war es Führern und Königen gestattet, enge Verwandte zu heiraten, damit das königliche Blut konzentriert und rein bliebe. Die Sitten haben den souveränen Herrschern gewöhnlich in sexueller Beziehung gewisse Freiheiten eingeräumt. Die Anwesenheit der späteren anditischen Völker hatte viel mit dem verstärkten Wunsch der Sangikrassen zu tun, über die Stammesgrenzen hinaus zu heiraten. Aber die Exogamie konnte sich unmöglich durchsetzen, solange die Nachbargruppen nicht lernten, miteinander in relativem Frieden zu leben. Die Exogamie war an sich ein Friedensförderer; die zwischen Stämmen geschlossenen Ehen setzten die Feindseligkeiten herab. Exogamie führte zu Stammeskoordination und zu Militärallianzen; sie wurde beherrschend, weil sie größere Macht verschaffte; sie war eine Erbauerin von Nationen. Auch die zunehmenden Handelskontakte begünstigten die Exogamie sehr stark; Abenteuerlust und Forscherdrang trugen zu einer Erweiterung der der Paarung gesetzten Grenzen bei und erleichterten die wechselseitige Befruchtung der Rassenkulturen beträchtlich. Die ansonsten unerklärlichen Ungereimtheiten in den rassischen Ehesitten sind weitgehend zurückzuführen auf diese Pflege der Exogamie mit dem sie begleitenden Frauendiebstahl und Frauenkauf von fremden Stämmen, was alles ein Verschmelzen der getrennten Stammessitten zur Folge hatte. Dass die gegen Inzucht gerichteten Tabus soziologischer und nicht biologischer Natur waren, zeigt sich sehr gut am Beispiel der Tabus, mit denen die Heiraten unter Verwandten belegt waren; denn diese Tabus schlossen viele Verwandtschaftsgrade mit Angeheirateten ein, Fälle, wo überhaupt keine Blutsverwandtschaft vorlag. ***** 82.6 Rassenmischungen ***** Es gibt heute in der Welt keine reinen Rassen mehr. Die frühen und ursprünglichen evolutio-nären farbigen Völker werden in der Welt nur durch zwei übrig gebliebene Rassen vertreten, durch die gelben und die schwarzen Menschen; und selbst diese beiden Rassen haben eine starke Beimischung vonseiten der erloschenen farbigen Völker erfahren. Während die so genannte weiße Rasse hauptsächlich von den alten blauen Menschen abstammt, sind ihr mehr oder weniger alle anderen Rassen beigemischt, was auch für die roten Menschen der beiden Amerika gilt. Von den sechs farbigen Sangikrassen waren drei primär und drei sekundär. Obwohl die primären Rassen - die blaue, rote und gelbe - in vieler Hinsicht höher standen als die drei sekundären Völker, sollte daran erinnert werden, dass diese sekundären Rassen viele erwünschte Züge besaßen, welche die primären Völker beträchtlich gehoben hätten, wenn sie die besseren Linien der sekundären hätten absorbieren können. Das heutige Vorurteil gegen "Mischlinge", "Kreuzungen" und "Hybride" kommt daher, dass die moderne Rassenvermischung zum größeren Teil zwischen den äußerst minderwertigen Linien der betroffenen Rassen stattfindet. Man erhält einen ebenso unbefriedigenden Nachwuchs, wenn unter degenerierten Linien ein und derselben Rasse geheiratet wird. Wenn die heutigen Rassen Urantias vom Fluch ihrer niedrigsten Schichten degenerierter, asozialer, schwachsinniger und ausgestoßener Individuen befreit werden könnten, gäbe es gegen eine begrenzte Rassenamalgamierung wenig einzuwenden. Und wenn solche Rassenmischungen zwischen den höchststehenden Typen der verschiedenen Rassen stattfinden könnten, gäbe es noch weniger einzuwenden. Die Kreuzung zwischen höheren und unähnlichen Rassenangehörigen ist das Geheimnis der Erschaffung neuer und kräftigerer Linien. Und das gilt ebenso sehr für Pflanzen und Tiere wie für die menschliche Gattung. Kreuzung steigert Kraft und Fruchtbarkeit. Rassenmischungen zwischen den mittleren oder oberen Schichten verschiedener Völker steigert das schöpferische Potential gewaltig, wie es sich am Beispiel der gegenwärtigen Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Nordamerika zeigt. Wenn solche Blutmischung zwischen den niedrigeren oder tieferstehenden Schichten stattfindet, geht die Kreativität zurück, wie es sich am Beispiel der gegenwärtigen Völker Südindiens zeigt. Die Rassendurchmischung trägt in hohem Maße zum plötzlichen Erscheinen neuer Merkmale bei, und wenn die Kreuzung in der Verbindung höherer Linien besteht, werden diese neuen Merkmale ebenfalls Wesenszüge höherer Art sein. Solange die heutigen Rassen an einem derartigen Übergewicht niedrigerer und degenerierter Linien leiden, wäre eine Rassendurchmischung im großen Maßstab äußerst nachteilig, aber die meisten Einwendungen gegen solches Experimentieren beruhen viel eher auf sozialen und kulturellen Vorurteilen als auf biologischen Erwägungen. Selbst unter tiefstehenden Rassenangehörigen stellen Hybride im Vergleich zu ihren Erzeugern oft eine Verbesserung dar. Kreuzung sorgt wegen der Rolle der dominanten Gene für eine Rassenverbesserung. Rassenvermischung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass im Hybriden die erwünschten dominanten Erbfaktoren in größerer Zahl vorhanden sind. In den letzten hundert Jahren hat auf Urantia unter den Rassen eine stärkere Kreuzung stattgefunden als während Jahrtausender von Jahren. Die Gefahr schwerer Disharmonien als Folge der Kreuzung von Menschenrassen ist stark übertrieben worden. Die Hauptschwierigkeiten im Zusammenhang mit "Halbblütigen" beruhen auf gesellschaftlichen Vorurteilen. Das Experiment der Vermischung der weißen mit der polynesischen Rasse auf Pitcairn erwies sich als ziemlicher Erfolg, weil die weißen Männer und die polynesischen Frauen ein recht gutes rassisches Erbe besaßen. Kreuzungen zwischen den höchsten Typen der weißen, roten und gelben Rasse würden augenblicklich viele neue und biologisch wirkungsvolle Merkmale zutage fördern. Diese drei Völker gehören zu den primären Sangikrassen. Mischungen zwischen der weißen und der schwarzen Rasse sind in ihren unmittelbaren Resultaten weniger wünschenswert; indessen ist solch mulattischer Nachwuchs nicht so sehr zu beanstanden, wie gesellschaftliche und Rassenvorurteile es glauben machen möchten. In physischer Hinsicht sind solch weiß-schwarze Mischlinge hervorragende Vertreter der Menschheit, ungeachtet ihrer leichten Unterlegenheit in einigen anderen Beziehungen. Wenn eine primäre Sangikrasse mit einer sekundären verschmilzt, wird diese auf Kosten jener beträchtlich verbessert. Im kleinen Maßstab - der lange Zeitabschnitte umfasst - kann man gegen eine solche Opferspende der primären Rassen zur Hebung der sekundären Gruppen keine ernsten Einwände erheben. Biologisch betrachtet, waren die sekundären Sangik den primären Rassen in einigen Beziehungen überlegen. Letzten Endes muss man die wahre Gefährdung der menschlichen Gattung viel mehr in der hemmungslosen Vermehrung der niederen und degenerierten Linien der verschiedenen zivilisierten Völker sehen als in irgendeiner vermuteten Gefahr der Rassenkreuzung. [Verfasst durch den Chef der auf Urantia stationierten Seraphim.] ****** Kapitel 83 Die Institution der Ehe ****** DIES ist die Geschichte der frühen Anfänge der Institution Ehe. Sie hat sich über viele Abwandlungen und Anpassungen stetig weiterentwickelt aus den losen und zufälligen Paarungen in der Herde bis zum Erscheinen von Ehenormen, die schließlich in der Verwirklichung des paarweisen Zusammenlebens gipfelten, in der Vereinigung eines einzigen Mannes mit einer einzigen Frau zur Gründung eines Heims der höchsten gesellschaftlichen Ordnung. Die Ehe ist viele Male gefährdet gewesen, und die Ehesitten haben sich zu ihrer Aufrechterhaltung sehr stark auf Besitz und Religion stützen müssen; aber der wahre Einfluss, der die Ehe und die aus ihr hervorgehende Familie für immer sichert, ist die einfache und angeborene biologische Tatsache, dass Mann und Frau eindeutig nicht ohne einander leben wollen, seien sie nun die primitivsten Wilden oder die kultiviertesten Sterblichen. Der Geschlechtstrieb ist schuld daran, dass der eigensüchtige Mensch dazu verlockt wird, aus sich etwas Besseres als ein Tier zu machen. Die aus Eigennutz und zum eigenen Vergnügen eingegangene sexuelle Verbindung hat mit Bestimmtheit Selbstverleugnung zur Folge und sichert die Übernahme von altruistischen Pflichten und zahlreichen der Rasse förderlichen Familienverantwortlichkeiten. Gerade darin war das Geschlecht der unerkannte und unvermutete Zivilisator des Wilden; denn dieser selbe Geschlechtstrieb zwingt den Menschen automatisch und unfehlbar zum Denken und führt ihn schließlich dahin, zu lieben. ***** 83.1 Die Ehe als gesellschaftliche Einrichtung ***** Die Ehe ist der Gesellschaftsmechanismus, der bestimmt ist, die vielen menschlichen Beziehungen zu regeln und zu kontrollieren, die aus der physischen Tatsache der Bisexualität hervorgehen. Als solche Einrichtung funktioniert die Ehe in zweierlei Richtung: 1. Zur Regelung der persönlichen sexuellen Beziehungen. 2. Zur Regelung von Nachkommenschaft, Erbschaft, Nachfolge und gesellschaftlicher Ordnung. Dies ist ihre ältere und ursprüngliche Funktion. Die Familie, die aus der Ehe hervorgeht, wirkt ihrerseits zusammen mit den Eigentumssitten stabilisierend auf die Eheinstitution. Andere mächtige, die Ehe stabilisierende Faktoren sind Stolz, Eitelkeit, Ritterlichkeit, Pflichtgefühl und religiöse Überzeugungen. Aber obwohl Ehen in der Höhe gebilligt oder missbilligt werden können, werden sie schwerlich im Himmel geschlossen. Die menschliche Familie ist eine ausgesprochen menschliche Einrichtung, eine evolutionäre Entwicklung. Die Ehe ist eine Institution der Gesellschaft und gehört nicht zum Zuständigkeitsbereich der Kirche. Allerdings sollte die Religion sie mächtig beeinflussen, aber nicht danach trachten, sie ausschließlich kontrollieren und regeln zu wollen. Die primitive Ehe war in erster Linie wirtschaftlicher Natur; und selbst in der Neuzeit ist sie oft eine soziale oder geschäftliche Angelegenheit. Unter dem Einfluss der Beimischung des anditischen Erbes und als Folge der in der fortschreitenden Zivilisation herrschenden Sitten wird die Ehe langsam wechselseitig, romantisch, elterlich, poetisch, innig, ethisch und gar idealistisch. Auswahl und so genannte romantische Liebe spielten indessen bei der primitiven Paarung eine verschwindend kleine Rolle. In frühen Zeiten waren Mann und Frau nicht viel zusammen; sehr oft aßen sie nicht einmal zusammen. Aber bei den Alten war persönliche Zuneigung nicht stark mit sexueller Anziehung verbunden; sie gewannen einander hauptsächlich lieb, weil sie zusammen lebten und arbeiteten. ***** 83.2 Werbung und Verlobung ***** Die primitiven Ehen wurden immer von den Eltern des Jungen und des Mädchens geplant. Die Periode des Übergangs von diesem Brauch zu den Zeiten der freien Wahl sah die Ehestifter oder professionellen Heiratsvermittler am Werk. Solche Heiratsvermittler waren zuerst die Barbiere und später die Priester. Die Ehe war zuerst Gruppensache, dann eine Familienangelegenheit, und erst kürzlich wurde sie zu einem individuellen Abenteuer. Zur primitiven Ehe wurde aufgrund von Zwang, nicht von Anziehung, geschritten. In frühen Zeiten kannten die Frauen keine sexuelle Zurückhaltung, bloß das ihnen von den Sitten eingeprägte Gefühl sexueller Minderwertigkeit. So wie Überfälle dem Handel vorausgingen, ging die Ehe durch Frauenraub der Ehe durch Vertrag voraus. Es gab Frauen, die der Entführung Vorschub leisteten, um der Beherrschung durch die älteren Männer ihres Stammes zu entrinnen; sie zogen es vor, Männern ihres Alters von einem anderen Stamm in die Hände zu fallen. Diese Pseudoentführungen waren das Übergangsstadium zwischen gewaltsamem Raub und der späteren Umwerbung durch Charme. Eine frühe Form der Hochzeitszeremonie bestand in einer gemimten Flucht, einer Art einstudierter Entführung, die einst allgemein Brauch war. Später wurde ein possenhafter Brautraub zum festen Bestandteil jeder ordnungsgemäßen Hochzeitsfeier. Die Anwandlungen eines modernen Mädchens, seinem "Raub" zu widerstehen, sich gegen die Heirat zu sträuben, sind alles Überreste einstiger Bräuche. Das Über-die-Schwelle-Tragen der Braut ist eine Erinnerung unter vielen an alte Gepflogenheiten aus den Tagen des Frauenraubs. Der Frau war es lange Zeit verwehrt, in der Ehe völlig frei über sich zu verfügen, aber die intelligenteren Frauen sind immer in der Lage gewesen, diese Beschränkung durch gescheiten Gebrauch ihres Verstandes zu umgehen. Der Mann hat beim Freien gewöhnlich die Führung übernommen, aber nicht immer. Manchmal ergreift die Frau in aller Form, oder auch versteckt, die Initiative zur Ehe. Und mit fortschreitender Zivilisation hatten die Frauen in wachsendem Maße an allen Phasen des Werbens und der Ehe teil. Zunehmende Liebe, Romantik und persönliche Wahl beim vorehelichen Werben sind ein anditischer Beitrag an die Weltrassen. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern entwickeln sich in günstigem Sinne; viele im Fortschritt begriffene Völker ersetzen allmählich jene älteren Motive von Nützlichkeit und Besitz durch einigermaßen idealisierte Vorstellungen von sexueller Anziehung. Sexuelle Leidenschaft und Gefühle der Zuneigung beginnen die kalte Berechnung bei der Wahl der Lebenspartner zu verdrängen. Ursprünglich war die Verlobung gleichbedeutend mit Heirat; und bei den frühen Völkern waren die sexuellen Beziehungen während der Verlobungszeit konventionelle Ehebeziehungen. In neuerer Zeit hat die Religion die Zeit zwischen Verlobung und Heirat mit einem sexuellen Tabu belegt. ***** 83.3 Kauf und Mitgift ***** Die Alten misstrauten der Liebe und den Versprechen; sie dachten, bleibende Verbindungen müssten durch irgendeine greifbare Sicherheit, durch Besitz, garantiert werden. Aus diesem Grunde betrachtete man den Kaufpreis einer Frau als ein Pfand, eine Kaution, welche der Gatte zu verlieren verurteilt war, wenn er seine Frau verließ oder sich von ihr scheiden ließ. Wenn einmal der Kaufpreis einer Frau bezahlt war, erlaubten viele Stämme, dass ihr das Zeichen des Gatten eingebrannt wurde. Die Afrikaner kaufen ihre Frauen immer noch. Sie vergleichen eine Frau, die aus Liebe heiratet, oder die Frau eines Weißen mit einer Katze, weil sie nichts kostet. Die Brautschauen waren Anlässe, um die Töchter öffentlich fein angezogen und geschmückt mit dem Hintergedanken vorzuzeigen, dass sie als Gattinnen einen höheren Preis einbringen würden. Aber sie wurden nicht wie Tiere verkauft - bei den späteren Stämmen konnte eine solche Frau nicht weitergegeben werden. Und ihr Kauf war nicht immer nur eine kaltblütige Geldangelegenheit; bei einem Frauenkauf hatten geleistete Dienste denselben Wert wie Geld. Wenn ein ansonsten erwünschter Mann nicht für seine Frau zu bezahlen imstande war, konnte er vom Vater der Braut an Sohnes Statt angenommen werden und dann heiraten. Und wenn ein armer Mann eine Frau begehrte und den von ihrem habgierigen Vater geforderten Preis nicht aufbringen konnte, übten seine Eltern auf den Vater oft Druck aus, um ihn zu einer Mäßigung seiner Forderungen zu bewegen; oder aber es konnte zu einer Entführung kommen. Mit fortschreitender Zivilisation mochten die Väter nicht mehr als solche dastehen, die ihre Töchter verkauften, und so nahmen sie zwar weiterhin den Kaufpreis für die Braut entgegen, führten aber gleichzeitig die Sitte ein, dem Paar kostbare Geschenke zu machen, die im Wert ungefähr der Kaufsumme entsprachen. Und als man später damit aufhörte, für die Braut zu bezahlen, wurde aus diesen Geschenken die Mitgift der Braut. Die Idee der Mitgift sollte den Eindruck von Unabhängigkeit der Braut erwecken, sollte zu verstehen geben, dass die Zeiten der als Sklavinnen behandelten Gattinnen und als Eigentum betrachteten Gefährtinnen in weiter Ferne lagen. Ein Mann konnte sich von einer Frau, die eine Mitgift besaß, nicht scheiden lassen, ohne die Mitgift in ihrer Gänze zurückzubezahlen. Bei einigen Stämmen wurden bei den Eltern der Braut wie des Bräutigams wechselseitig Werte hinterlegt, die im Falle, dass ein Partner den anderen verließ, verloren gingen; es war in Wahrheit eine Ehefessel. In der Übergangszeit vom Frauenkauf zur Mitgift gehörten die Kinder dem Vater, wenn die Frau gekauft worden war; war das nicht der Fall, gehörten sie der Familie der Frau. ***** 83.4 Die Hochzeitsfeier ***** Die Hochzeitsfeier ging aus der Tatsache hervor, dass Heiraten ursprünglich eine Angelegenheit der Gemeinschaft war, nicht nur der Gipfelpunkt einer Entscheidung von zwei Einzelwesen. Die Paarung war ebenso sehr eine Gruppensache wie eine persönliche Funktion. Magie, Ritual und Zeremonien umgaben das ganze Leben der Alten, und die Ehe machte dabei keine Ausnahme. Als die Zivilisation vorrückte und die Ehe ernster genommen wurde, wurde auch die Hochzeitsfeier immer anspruchsvoller. Die frühe Ehe berührte - ganz wie heute - die Besitzrechte und erforderte deshalb eine legale Zeremonie, während der soziale Status der künftigen Kinder größtmögliche Publizität verlangte. Die primitiven Menschen besaßen keine Aufzeichnungen; deshalb mussten viele Personen Zeugen der Hochzeitsfeier werden. Am Anfang glich die Hochzeitsfeier mehr einer Verlobung und bestand nur in einer öffentlichen Bekanntmachung der Absicht, zusammenleben zu wollen; später bestand sie in einem offiziellen gemeinsamen Essen. Bei einigen Stämmen pflegten die Eltern ihre Tochter einfach zum Gatten zu führen; in anderen Fällen war die einzige Zeremonie der feierliche Austausch von Geschenken, wonach der Vater der Braut diese dem Bräutigam vorstellte. Bei vielen Völkern der Levante war es üblich, auf alle Förmlichkeiten zu verzichten, da die Ehe aufgrund der sexuellen Beziehungen als vollzogen galt. Die roten Menschen entwickelten als erste eine kompliziertere Gestaltung von Hochzeitsfeierlichkeiten. Kinderlosigkeit war über alles gefürchtet, und da man Unfruchtbarkeit den Machenschaften der Geister zuschrieb, führten die Bemühungen zur Sicherung der Fruchtbarkeit auch zur Verknüpfung der Ehe mit einem bestimmten magischen oder religiösen Zeremoniell. Und in diesem Bemühen um Sicherstellung einer glücklichen und fruchtbaren Ehe setzte man viele Zaubermittel ein; man befragte sogar die Astrologen, um die Geburtssterne der vertragschließenden Parteien zu ermitteln. Zu einer gewissen Zeit gehörten Menschenopfer regelmäßig zu allen Hochzeiten wohlhabender Leute. Man wählte besonders Glück bringende Tage aus, wobei der Donnerstag in der höchsten Gunst stand, und bei Vollmond gefeierte Hochzeiten galten als außergewöhnlich verheißungsvoll. Bei vielen Völkern des nahen Ostens war es Sitte, die Neuvermählten mit Körnern zu bewerfen; das war eine magische Handlung, von der man annahm, dass sie die Fruchtbarkeit sichere. Einige orientalische Völker gebrauchten für denselben Zweck Reis. Immer betrachtete man Feuer und Wasser als die besten Mittel, um Gespenstern und bösen Geistern zu widerstehen; deshalb fehlten gewöhnlich an Hochzeiten weder Altarfeuer und brennende Kerzen noch das Versprengen von heiligem Wasser. Während langer Zeit herrschte der Brauch, einen falschen Hochzeitstag anzuberaumen und dann das Ereignis plötzlich zu verschieben, um Gespenster und Geister von der richtigen Fährte abzubringen. Die Neuvermählten bereiteten Ärgernisse und Flitterwöchnern gespielten Streiche sind alles Überbleibsel aus jenen weit zurückliegenden Tagen, als man es am besten fand, vor den Geistern möglichst beklagenswert und in misslicher Lage zu erscheinen, um nicht ihren Neid zu erwecken. Das Tragen des Brautschleiers ist ein Relikt aus der Zeit, als man es für nötig befand, die Braut zu verkleiden, damit die Geister sie nicht erkennen könnten, und auch um ihre Schönheit vor ihren Blicken zu verbergen, damit sie nicht auf sie neidisch und eifersüchtig würden. Unmittelbar vor der Zeremonie durften die Füße der Braut unter gar keinen Umständen den Boden berühren. Auch im zwanzigsten Jahrhundert ist es unter Christen immer noch üblich, zwischen der Ankunftsstelle des Wagens und dem Kirchenaltar Teppiche auszuspannen. Eine der ältesten Formen der Hochzeitszeremonie war die Segnung des Hochzeitsbettes durch einen Priester, um die Fruchtbarkeit der Verbindung zu garantieren; das tat man schon lange vor dem Aufkommen eines eigentlichen Hochzeitsrituals. In dieser Evolutionsphase der Heiratssitten erwartete man von den Hochzeitsgästen, dass sie in der Nacht der Reihe nach durch die Schlafkammer zögen, um so zu rechtmäßigen Zeugen des Ehevollzugs zu werden. Das Zufallselement, das trotz aller der Hochzeit vorausgegangenen Prüfungen gewisse Ehen scheitern ließ, führte die primitiven Menschen dazu, nach einem Versicherungsschutz gegen ein Schiefgehen der Ehe zu suchen - ließ sie nach Priestern und Magie Ausschau halten. Und diese Bewegung gipfelte direkt in der heutigen kirchlichen Trauung. Aber während langer Zeit war die Ehe allgemein als etwas anerkannt gewesen, das in der Entscheidung der elterlichen Kontrahenten - und später des Paars - bestand, während in den letzten fünfhundert Jahren Kirche und Staat die Rechtsprechung an sich gerissen haben und sich nun anmaßen, Eheschließungen vorzunehmen. ***** 83.5 Mehrfache Ehen ***** In der frühen Geschichte der Ehe gehörten die unverheirateten Frauen den Männern des Stammes. Später hatte eine Frau immer nur einen Ehemann. Diese Nur-ein-Mann-zu-einer-Zeit- Praxis war der erste Schritt weg von der Promiskuität der Herde. Während einer Frau nur ein Mann erlaubt war, konnte ihr Mann solche vorübergehenden Beziehungen beliebig abbrechen. Aber diese locker geregelten Verbindungen waren der erste Schritt zu paarweiser im Unterschied zu herdenmäßiger Lebensweise. In diesem Stadium der Eheentwicklung gehörten die Kinder üblicherweise der Mutter. Der nächste Schritt in der Paarungsentwicklung war die Gruppenehe. Diese Phase der Gemeinschaftsehe musste in dem sich entfaltenden Familienleben dazwischentreten, weil die Ehesitten noch nicht streng genug waren, um den Paarverbindungen Dauer zu verleihen. In diese Gruppe gehörten die Ehen zwischen Brüdern und Schwestern; fünf Brüder einer Familie heirateten zum Beispiel fünf Schwestern einer anderen. Überall auf der Welt gingen die loseren Formen der Gemeinschaftsehe schrittweise in die verschiedenen Formen von Gruppenehe über. Und diese Gruppenverbindungen wurden weitgehend durch die Totemsitten geregelt. Das Familienleben entwickelte sich langsam und sicher, weil die für Geschlecht und Ehe geltenden Regeln das Überleben des Stammes begünstigten, indem sie das Überleben einer größeren Zahl von Kindern sicherstellten. Allmählich wichen die Gruppenehen den Praktiken der Polygamie - Polygynie und Polyandrie - die bei den fortgeschritteneren Stämmen Einzug hielten. Aber es gab nie allgemeine Polyandrie; sie beschränkte sich gewöhnlich auf Königinnen und reiche Frauen; dazu war sie meistens eine Familienangelegenheit, eine Frau für mehrere Brüder. Kasten und wirtschaftliche Beschränkungen zwangen manchmal mehrere Männer, sich mit einer einzigen Frau zu bescheiden. Aber auch dann heiratete die Frau nur einen Mann, während die anderen lose als "Onkel" der gemeinsamen Nachkommenschaft geduldet wurden. Die jüdische Sitte, die forderte, dass ein Mann mit der Witwe seines verstorbenen Bruders Verkehr habe, um "für seinen Bruder Samen zu erwecken", war ein in mehr als der Hälfte der alten Welt verbreiteter Brauch. Er war ein Relikt aus der Zeit, als die Ehe mehr eine Familienangelegenheit als eine individuelle Verbindung war. Die Einrichtung der Polygamie kannte zu verschiedenen Zeiten vier Arten von Gattinnen: 1. Die zeremoniell angetrauten oder legalen Frauen. 2. Lieblings- und erlaubte Frauen. 3. Konkubinen, vertraglich gebundene Frauen. 4. Leibeigene Frauen. Wahre Vielweiberei, bei der alle Frauen gleichen Status besitzen und alle Kinder einander ebenbürtig sind, gab es nur sehr selten. In der Regel wurde das Heim auch bei mehrfacher Ehe von der Hauptfrau, der Statusgefährtin, beherrscht. Sie allein war durch die rituelle Heiratszeremonie gegangen, und nur die Kinder einer solch gekauften oder mit einer Mitgift versehenen Ehefrau konnten erben, es sei denn, es kam zu einer besonderen Übereinkunft mit ihr. Die Hauptfrau war nicht notwendigerweise die Lieblingsfrau; in früherer Zeit war sie es gewöhnlich nicht. Die geliebte Gattin, die süße Angebetete, erschien erst, als die Rassen beträchtlich fortgeschritten waren und insbesondere nach der Vermischung der evolutionären Stämme mit den Noditen und Adamiten. Die Tabufrau - eine einzige Gattin mit legalem Status - schuf die Sitten des Konkubinats. Unter der Herrschaft dieser Sitten konnte ein Mann nur eine Frau haben, aber mit einer beliebigen Anzahl von Konkubinen sexuelle Beziehungen unterhalten. Das Konkubinat war das Sprungbrett zur Monogamie, der erste Schritt weg von unverhohlener Vielweiberei. Die Konkubinen der Juden, Römer und Chinesen waren häufig die Mägde der Ehefrau. Wie bei den Juden galt später die gesetzliche Ehefrau als Mutter aller dem Ehemann geborenen Kinder. Die alten Tabus auf Geschlechtsverkehr mit einer schwangeren oder stillenden Ehefrau begünstigten die Polygynie sehr stark. Die primitiven Frauen alterten infolge ihrer häufigen, mit harter Arbeit einhergehenden Geburten sehr rasch. (Diese völlig überlasteten Frauen hielten sich nur aufgrund der Tatsache am Leben, dass man sie jeden Monat eine Woche lang isolierte, wenn sie kein Kind erwarteten.) Solch eine Frau wurde es oft müde, Kinder zur Welt zu bringen, und sie bat ihren Mann, sich eine zweite und jüngere Frau zu nehmen, die sowohl beim Gebären als auch bei den häuslichen Arbeiten mithelfen konnte. Deshalb wurden die neuen Frauen im Allgemeinen von den älteren Gemahlinnen freudig willkommen geheißen; es gab nichts Derartiges wie sexuelle Eifersucht. Die Zahl der Ehefrauen wurde nur durch die Fähigkeit des Mannes beschränkt, für ihren Unterhalt aufzukommen. Reiche und fähige Männer wünschten zahlreiche Kinder, und da die Kindersterblichkeit sehr hoch war, war eine ganze Schar von Ehefrauen erforderlich, um eine große Familie aufzustellen. Viele von diesen Nebenfrauen waren einfach Arbeiterinnen, Sklavengattinnen. Die menschlichen Sitten entwickeln sich, aber nur sehr langsam. Der Zweck eines Harems war es, eine starke und zahlreiche blutsverwandte Gruppe zur Stütze des Thrones aufzubauen. Irgendein Häuptling kam einmal zu der Überzeugung, er sollte keinen Harem haben, sondern sich mit einer einzigen Frau begnügen; also entließ er kurzerhand die Frauen aus seinem Harem. Unzufrieden kehrten diese zu ihren Familien zurück, worauf sich ihre beleidigten Verwandten wutentbrannt über den Häuptling hermachten und ihn an Ort und Stelle umbrachten. ***** 83.6 Wahre Monogamie - Die Ehe zu zweit ***** Die Monogamie hat Monopolcharakter; sie ist gut für jene, die diesen wünschenswerten Zustand erreichen, aber sie bedeutet für jene, die dieses Glück nicht haben, eher eine biologische Härte. Wenn man indessen von der Wirkung auf den Einzelnen absieht, ist die Monogamie für die Kinder entschieden das Beste. Die früheste Monogamie war der Macht der Umstände - der Armut - zuzuschreiben. Monogamie ist kulturell und gesellschaftlich bedingt, künstlich und unnatürlich, d. h. für den evolutionären Menschen unnatürlich. Sie war für die reineren Noditen und Adamiten völlig natürlich, und sie war für alle fortgeschrittenen Rassen von großem kulturellem Wert. Die chaldäischen Stämme erkannten einer Frau das Recht zu, ihrem Mann vor der Heirat die Verpflichtung aufzuerlegen, sich keine zweite Frau oder Konkubine zu nehmen. Sowohl Griechen wie Römer begünstigten die monogame Ehe. Der Ahnenkult hat die Monogamie stets gefördert, ganz wie der christliche Irrtum, die Ehe als ein Sakrament zu betrachten. Selbst die Hebung des Lebensstandards hat die Vielweiberei stetig zurückgedrängt. Zur Zeit der Ankunft Michaels auf der Erde hatte praktisch die ganze zivilisierte Welt die Stufe theoretischer Monogamie erreicht. Aber diese passive Monogamie bedeutete nicht, dass sich die Menschheit an die Praxis der wahren Ehe zu zweit gewöhnt hätte. Während die Gesellschaft das monogame Ziel der idealen Ehe zu zweit verfolgt, die im Grunde so etwas wie eine monopolistische sexuelle Verbindung ist, darf sie die wenig beneidenswerte Lage jener unglücklichen Männer und Frauen nicht übersehen, denen es nicht gelingt, in dieser neuen und verbesserten gesellschaftlichen Ordnung einen Platz zu finden, selbst nachdem sie ihr Bestes getan haben, um mit ihr zusammenzuarbeiten und ihren Ansprüchen gerecht zu werden. Das Unvermögen, im gesellschaftlichen Wettbewerbsfeld einen Lebensgefährten zu finden, kann auf unüberwindliche Schwierigkeiten zurückzuführen sein oder auf zahlreiche Beschneidungen, welche die geltenden Sitten durchgesetzt haben. Es ist wahr, dass Monogamie für diejenigen, die in ihr aufgehen, ideal ist, aber sie ist zwangsläufig sehr hart für all jene, die draußen gelassen werden in der Kälte einer einsamen Existenz. Immer haben die unglücklichen Wenigen leiden müssen, damit die Mehrheit unter der Herrschaft der sich entwickelnden Sitten der wachsenden Zivilisation vorangehen konnte; aber stets sollte die begünstigte Mehrheit freundlich und hochachtungsvoll auf ihre weniger glücklichen Mitmenschen schauen, die den Preis dafür bezahlen müssen, dass es ihnen nicht gelingt, in die Reihen jener idealen sexuellen Partnerschaften einzutreten, die die Befriedigung aller biologischen Triebe gewähren und die Billigung der höchsten geltenden Sitten der voranschreitenden gesellschaftlichen Evolution genießen. In Vergangenheit, Gegenwart und ewiger Zukunft ist Monogamie das idealistische Ziel der menschlichen sexuellen Entwicklung. Das Ideal einer wahren Ehe zu zweit erfordert Selbstverleugnung, und so oft wird es nicht erreicht, weil es einem oder beiden Partnern an jener höchsten aller menschlichen Tugenden, an solider Selbstbeherrschung, fehlt. Monogamie ist der Maßstab für die Fortgeschrittenheit einer gesellschaftlichen Zivilisation im Unterschied zu der rein biologischen Evolution. Monogamie ist nicht notwendigerweise biologisch oder natürlich, aber sie ist unerlässlich zur unmittelbaren Aufrechterhaltung und weiteren Entwicklung der gesellschaftlichen Zivilisation. Sie bringt eine Zartheit des Fühlens, eine Verfeinerung des sittlichen Charakters und ein geistiges Wachstum, die in der Polygamie völlig undenkbar sind. Eine Frau kann nie eine ideale Mutter werden, wenn sie alle Augenblicke gezwungen ist, mit Rivalinnen um die Liebe ihres Ehemanns zu ringen. Die Ehe zu zweit begünstigt und fördert jenes intime Verstehen und wirksame Zusammenspiel, das dem elterlichen Glück, dem Wohlergehen der Kinder und der gesellschaftlichen Effizienz zum Besten gereicht. Die Ehe, die unter rohem Zwang begann, entwickelt sich schrittweise zu einer wunderbaren Einrichtung für Selbstkultur, Selbstbeherrschung, Selbstausdruck und Selbstfortpflanzung. ***** 83.7 Die Auflösung der Ehe ***** In der frühen Entwicklung der Ehesitten war die Ehe eine lockere Vereinigung, die nach Belieben abgebrochen werden konnte, wobei die Kinder immer der Mutter folgten; die Mutter-Kind-Bindung ist instinktiv und hat immer ungeachtet der Entwicklungsstadien der Sitten funktioniert. Bei den primitiven Völkern erwies sich nur etwa die Hälfte aller Ehen als befriedigend. Der häufigste Trennungsgrund war Unfruchtbarkeit, die man stets der Frau anlastete; und man glaubte, dass kinderlose Frauen in der Geisterwelt zu Schlangen würden. Unter der Herrschaft primitiverer Sitten konnte nur der Mann die Scheidung verlangen, und einige Völker sind bis ins zwanzigste Jahrhundert auf diesem Stand geblieben. Im Laufe der Sittenentwicklung bildeten sich bei gewissen Stämmen zwei Formen von Ehe heraus: die gewöhnliche, die eine Scheidung erlaubte, und die vor dem Priester geschlossene, die eine Trennung verbot. Die aufkommenden Bräuche des Kaufs und der Mitgift der Gattinnen mit der begleitenden Einführung einer Besitzeseinbuße im Falle des Scheiterns der Ehe halfen sehr, die Trennungen zu vermindern. Und in der Tat werden auch viele moderne Verbindungen durch diesen alten Besitzfaktor stabilisiert. Der gesellschaftliche Druck der Stellung in der Gemeinschaft und der Besitzesprivilegien hat immer machtvoll für die Beibehaltung der Ehetabus und - sitten gewirkt. Im Laufe der Zeitalter hat die Ehe ständige Fortschritte gemacht und steht in der modernen Welt auf einem vorgerückten Posten, obwohl sie in bedrohlicher Weise angegriffen wird durch eine weit verbreitete Unzufriedenheit unter jenen Völkern, bei denen die individuelle Wahl - eine neue Freiheit - eine ganz große Rolle spielt. Während sich infolge der plötzlich beschleunigten gesellschaftlichen Entwicklung unter den fortgeschritteneren Rassen solche mit der Neuanpassung verbundene Umwälzungen einstellen, fährt die Ehe bei den weniger fortgeschrittenen Völkern fort zu gedeihen und sich unter der Führung der älteren Sitten langsam zu verbessern. Die neue und plötzliche Ersetzung des älteren, seit langem geltenden Eigentumsmotivs in der Ehe durch das idealere, aber extrem individualistische Liebesmotiv hat eine unvermeidliche, vorübergehende Instabilität der Institution Ehe verursacht. Was die Menschen zur Ehe bewegte, ging stets weit über die herrschende Eheethik hinaus, und im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert ist das abendländische Eheideal dem selbstsüchtigen und nur teilweise kontrollierten Geschlechtstrieb der Rassen weit vorausgeeilt. Das Vorhandensein unverheirateter Personen in großer Zahl in einer Gesellschaft weist auf einen vorübergehenden Zusammenbruch oder eine Übergangsphase der Sitten hin. In allen Zeitaltern ist der wahre Prüfstein der Ehe jener immerwährende vertrauliche Umgang gewesen, den jedes Familienleben unfehlbar mit sich bringt. Zwei verhätschelte und verwöhnte Jugendliche, die so erzogen wurden, dass sie jede Nachsicht und die volle Befriedigung ihrer Eitelkeit und ihres Ego erwarten, können kaum hoffen, in der Ehe und bei der Errichtung eines Heims sehr erfolgreich zu sein - in einer lebenslangen Partnerschaft bescheidenen Zurücktretens, Kompromisseschließens, Aufopferns und selbstloser Hingabe an die Kindererziehung. Der hohe Grad an Einbildungskraft und fantastischer Romantik, der beim Werben mitspielt, ist weitgehend für die wachsenden Scheidungstendenzen unter den westlichen Völkern verantwortlich. All das wird noch durch die größere persönliche Freiheit und gewachsene wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen kompliziert. Wenn infolge mangelnder Selbstbeherrschung oder wegen des Unvermögens einer Persönlichkeit, normale Anpassungen vorzunehmen, leicht geschieden werden kann, führt das nur wieder zurück zu jenen rohen Stadien der Gesellschaft, aus denen der Mensch sich erst so kürzlich und um den Preis von so viel persönlich ausgestandener Qual und rassischen Leidens erhoben hat. Aber solange es der Gesellschaft nicht gelingt, ihre Kinder und Jugendlichen angemessen zu erziehen, solange die soziale Ordnung keine passende voreheliche Schulung anbietet und solange man unweisen und unreifen jugendlichen Idealismus über den Eintritt in den Ehestand entscheiden lässt, genau so lange werden Scheidungen häufig bleiben. Und im selben Maße, wie es einer gesellschaftlichen Gruppe nicht gelingt, ihren Jugendlichen eine Vorbereitung auf die Ehe zu bieten, muss die Scheidung als gesellschaftliches Sicherheitsventil funktionieren, das in Zeiten raschen Wachstums der sich entwickelnden Sitten noch schlimmere Situationen verhütet. Die Alten scheinen die Ehe mit etwa ebenso großem Ernst betrachtet zu haben wie einige Menschen heutzutage. Und es sieht nicht so aus, als ob viele der hastig eingegangenen und erfolglosen Ehen der neuen Zeit gegenüber den einstigen Praktiken, welche junge Männer und Frauen zur Heirat qualifizierten, eine große Verbesserung darstellten. Die große Inkonsequenz der modernen Gesellschaft besteht darin, die Liebe zu verherrlichen und die Ehe zu idealisieren und es gleichzeitig abzulehnen, beide einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. ***** 83.8 Die Idealisierung der Ehe ***** Die Ehe, die ihre höchste Erfüllung in der Familie findet, ist in der Tat die sublimste Einrichtung des Menschen, aber sie ist ihrem ganzen Wesen nach menschlich, und man hätte sie nie ein Sakrament nennen sollen. Die sethitischen Priester machten aus der Ehe ein religiöses Ritual; aber nach Eden war das eheliche Zusammenleben jahrtausendelang eine rein soziale und zivile Einrichtung geblieben. Der Vergleich von menschlichen Vereinigungen mit göttlichen Vereinigungen ist höchst unglücklich. Die Verbindung eines Mannes mit einer Frau in der Ehe-Familie-Beziehung ist eine materielle Funktion der Sterblichen der evolutionären Welten. Es ist allerdings wahr, dass aus den ehrlichen menschlichen Anstrengungen von Mann und Frau, sich fortzuentwickeln, ein großer geistiger Fortschritt erwachsen kann, aber das bedeutet nicht, dass die Ehe notwendigerweise etwas Heiliges ist. Geistiger Fortschritt stellt sich bei aufrichtiger Hingabe auch auf anderen Bahnen menschlichen Strebens ein. Ebenso wenig kann die Ehe wirklich mit der zwischen Justierer und Mensch bestehenden Beziehung oder mit der Gemeinschaft von Christus Michael mit seinen menschlichen Brüdern verglichen werden. Kaum in einem einzigen Punkt lassen sich diese Beziehungen mit der Verbindung von Mann und Frau vergleichen. Und es ist sehr unglücklich, dass die falsche menschliche Vorstellung von diesen Beziehungen solche Verwirrung hinsichtlich des Ehestandes gestiftet hat. Es ist ebenfalls bedauerlich, dass bestimmte Gruppen von Sterblichen zu der Vorstellung gelangt sind, die Ehe werde durch göttliche Handlung vollzogen. Solche Anschauungen führten direkt zum Konzept von der Unauflöslichkeit der ehelichen Bande ohne Berücksichtigung der Umstände oder der Wünsche der Vertragspartner. Aber gerade die Tatsache, dass Ehen aufgelöst werden können, lässt erkennen, dass die Gottheit an solchen Gemeinschaften nicht mitbeteiligt ist. Wenn Gott einmal irgend zwei Dinge oder Personen zusammengegeben hat, werden sie in dieser Weise zusammenbleiben bis zu dem Zeitpunkt, da der göttliche Wille ihre Trennung anordnet. Aber was die Ehe, die eine menschliche Institution ist, angeht, wer wollte sich da anmaßen, Gericht zu halten und zu sagen, welche Ehen Verbindungen sind, die wohl von den Universumslenkern gebilligt werden, im Gegensatz zu jenen, die in Wesen und Ursprung rein menschlich sind? Dessen ungeachtet gibt es in den himmlischen Sphären ein Eheideal. In den Kapitalen jedes Lokalsystems sind die Materiellen Söhne und Töchter Gottes tatsächlich der höchste Ausdruck der idealen Verbindung von Mann und Frau im Bund der Ehe und zum Zwecke der Zeugung und Erziehung von Nachkommen. Man kann also sagen, dass die ideale irdische Ehe im menschlichen Sinne heilig ist. Die Ehe war immer und ist immer noch des Menschen höchster Traum von zeitlicher Idealität. Obwohl dieser schöne Traum selten ganz verwirklicht wird, dauert er als herrliches Ideal fort, das die fortschreitende Menschheit dazu verlockt, immer intensiver nach dem menschlichen Glück zu streben. Aber die jungen Männer und Frauen sollte man etwas über die Realitäten des Ehestandes lehren, bevor sie in die aufreibenden Anforderungen geworfen werden, die die zwischenmenschlichen Beziehungen des Familienlebens mit sich bringen; die jugendliche Idealisierung sollte durch ein gewisses Maß an vorehelicher Desillusionierung gedämpft werden. Die jugendliche Idealisierung der Ehe sollte indessen nicht entmutigt werden; derartige Träume sind die Visualisierung eines angestrebten künftigen Familienlebens. Eine solche Haltung ist zugleich stimulierend und hilfreich, vorausgesetzt, sie führt nicht zur Einbuße des Sinns für die Realitäten der praktischen und alltäglichen Erfordernisse der Ehe und des anschließenden Familienlebens. Die Eheideale haben in letzter Zeit große Fortschritte gemacht; bei einigen Völkern erfreuen sich die Frauen praktisch derselben Rechte wie ihre Ehegenossen. Wenigstens in der Vorstellung wird die Familie eine loyale Partnerschaft zum Aufziehen von Nachwuchs, begleitet von sexueller Treue. Aber diese neuere Eheversion sollte sich nicht erlauben, wiederum so weit in das andere Extrem zu verfallen, dass man sich gegenseitig das Monopol über alle Persönlichkeit und Individualität zugesteht. Die Ehe ist nicht einfach ein individualistisches Ideal; sie ist die sich entwickelnde soziale Partnerschaft eines Mannes und einer Frau, die unter den geltenden Sitten existiert und funktioniert, durch die Tabus eingeschränkt und durch die Gesetze und Regeln der Gesellschaft gestärkt wird. Die Ehen des zwanzigsten Jahrhunderts haben im Vergleich mit jenen vergangener Zeitalter einen hohen Stand erreicht, obwohl die Institution des Heims jetzt auf eine harte Probe gestellt wird; denn die gesellschaftliche Organisation wird so plötzlich von Problemen bedrängt, die durch die überstürzte Vermehrung der Freiheiten der Frau entstehen, jener Rechte, die ihr bei der schleppenden Entwicklung der Sitten vergangener Generationen so lange vorenthalten worden waren. [Dargeboten von dem auf Urantia stationierten Chef der Seraphim.] ****** Kapitel 84 Ehe und Familienleben ****** MATERIELLE Notwendigkeit begründete die Ehe, sexueller Hunger verschönerte sie, die Religion billigte und erhöhte sie, der Staat verlangte und regelte sie, während die sich in späterer Zeit entwickelnde Liebe beginnt, die Ehe als Ahnin und Schöpferin der nützlichsten und erhabensten Institution der Zivilisation, des Heims, zu rechtfertigen und zu verherrlichen. Und die Gründung eines Heims sollte Zentrum und Kern jeder erzieherischen Bemühung sein. Die Paarung ist ein reiner Akt der Selbst-Fortpflanzung, der mit wechselnden Graden der Selbst-Beglückung verbunden ist; die Ehe, die Heimgründung, ist weitgehend eine Angelegenheit der Selbst-Erhaltung und schließt die Evolution der Gesellschaft ein. Die Gesellschaft selbst ist die aus den Familieneinheiten zusammengesetzte Struktur. Individuen sind als planetarische Faktoren sehr vorübergehender Natur - nur die Familien sind die dauernden Organe der gesellschaftlichen Evolution. Die Familie ist der Kanal, durch den der Strom der Kultur und des Wissens von einer Generation zur nächsten fließt. Das Heim ist ganz grundlegend eine soziologische Institution. Die Ehe ging aus der Zusammenarbeit bei der Selbst-Erhaltung und aus der Partnerschaft zur Selbst-Fortpflanzung hervor, während das Element der Selbst-Beglückung weitgehend beiläufig war. Nichtsdestoweniger umfasst das Heim alle drei wesentlichen Funktionen der menschlichen Existenz, während die Weitergabe des Lebens aus ihm die grundlegende menschliche Institution macht und das Geschlechtsleben es von allen anderen gesellschaftlichen Aktivitäten abhebt. ***** 84.1 Primitive Paarverbindungen ***** Die Ehe wurde nicht auf den sexuellen Beziehungen aufgebaut; diese waren nebensächlich. Der primitive Mann brauchte die Ehe nicht; er ließ seinem sexuellen Hunger freien Lauf, ohne sich mit der Verantwortung für Frau, Kinder und Heim zu belasten. Wegen ihrer physischen und gefühlsmäßigen Bindung an ihre Kinder ist die Frau auf die Zusammenarbeit mit dem Mann angewiesen, und das drängt sie, Schutz und Geborgenheit in der Ehe zu suchen. Aber kein unmittelbarer biologischer Impuls trieb den Mann dazu, eine Ehe einzugehen - und hielt ihn noch viel weniger darin fest. Nicht etwa Liebe machte die Ehe für den Mann verlockend, sondern der Hunger war es, der den wilden Mann am Anfang zur Frau und unter das primitive Schutzdach zog, das sie mit ihren Kindern teilte. Die Ehe entstand nicht einmal aus der Bewusstwerdung der Verpflichtungen, die sich aus dem Geschlechtsverkehr ergaben. Der primitive Mensch begriff nicht, dass zwischen der Triebbefriedigung und der späteren Geburt eines Kindes eine Verbindung bestand. Es wurde einst allgemein geglaubt, dass eine Jungfrau schwanger werden konnte. Schon früh kam der Wilde auf die Idee, dass die Säuglinge im Geisterland erschaffen wurden; man glaubte, dass Schwangerschaft durch einen in die Frau gefahrenen Geist, einen sich entwickelnden Geist, verursacht werde. Auch eine bestimmte Ernährung und den bösen Blick hielt man für fähig, in einer Jungfrau oder unverheirateten Frau eine Schwangerschaft auszulösen, während spätere Vorstellungen den Beginn des Lebens mit dem Atem und dem Sonnenlicht in Verbindung brachten. Viele frühe Völker verbanden die Geister mit dem Meer; deshalb waren Jungfrauen in ihren Badegewohnheiten stark eingeschränkt; junge Frauen hatten viel größere Angst vor einem Bad im Meer bei Flut als vor sexuellen Beziehungen. Miss- oder Frühgeburten galten als Junge von Tieren, die infolge unachtsamen Badens oder durch böswillige Geisteraktivität ihren Weg in einen Frauenkörper gefunden hatten. Natürlich erwürgten die Wilden diese Kleinen bei ihrer Geburt bedenkenlos. Der erste aufklärende Schritt kam mit dem Glauben, dass Geschlechtsverkehr dem schwängernden Geist den Weg freimache, um in die Frau einzudringen. Der Mensch hat seither herausgefunden, dass Vater und Mutter die lebendigen Erbfaktoren, die das neue Wesen bilden, zu gleichen Teilen beisteuern. Aber selbst noch im zwanzigsten Jahrhundert versuchen viele Eltern, ihre Kinder über den Ursprung des menschlichen Lebens mehr oder weniger in Unwissenheit zu halten. Eine Familie einfacher Art wurde durch die Tatsache sichergestellt, dass die Fortpflanzungsfunktion die Mutter-Kind-Beziehung mit sich bringt. Mutterliebe ist instinktiv; sie hat ihren Ursprung nicht in den Sitten wie die Ehe. Die Mutterliebe aller Säuger ist eine angeborene Begabung durch die Mentalen Hilfsgeiste des Lokaluniversums, und ihre Stärke und Aufopferung stehen immer in direktem Verhältnis zur Länge der hilflosen Kindheit der Spezies. Die Mutter-Kind-Beziehung ist natürlich, stark und instinktiv und deshalb von einer Art, welche die primitiven Frauen zwang, sich vielen seltsamen Bedingungen zu unterwerfen und unsägliche Not zu erdulden. Diese zwingende Mutterliebe ist das behindernde Gefühl, das die Frau in all ihren Auseinandersetzungen mit dem Mann stets so ungeheuer benachteiligt hat. Aber auch so ist der mütterliche Instinkt in der menschlichen Gattung nicht übermächtig; Ehrgeiz, Eigensucht und religiöse Überzeugung können ihn zum Verstummen bringen. Zwar ist die Mutter-Kind-Gemeinschaft weder die Ehe noch das Heim, aber sie war der Kern, dem beide entsprungen sind. Der große Fortschritt in der Evolution der Paarung kam, als die vorübergehenden Partnerschaften lange genug bestanden, um den aus ihnen hervorgehenden Nachwuchs aufzuziehen, denn das war die Heimgründung. Ungeachtet aller Zwietracht dieser frühen Paare und trotz der Lockerheit ihrer Verbindung erhöhten sich durch diese Mann-Frau-Partnerschaften die Überlebenschancen ungemein. Ein Mann und eine Frau, die zusammenarbeiten - auch außerhalb von Familie und Nachwuchs - sind zwei Männern oder zwei Frauen fast in jeder Hinsicht weit überlegen. Dieses paarweise Zusammengehen der Geschlechter erhöhte die Überlebensrate und war der eigentliche Beginn der menschlichen Gesellschaft. Auch die Arbeitsteilung nach Geschlechtern sorgte für Wohlbefinden und mehr Glück. ***** 84.2 Die frühe Mutter-Familie ***** Die periodische Blutung der Frau und ihr Blutverlust beim Gebären legten bald die Vorstellung nahe, dass das Blut der Schöpfer des Kindes (und sogar der Sitz der Seele) sei, und ließen die Idee der Blutsbande in den menschlichen Beziehungen entstehen. In frühen Zeiten dachte man alle Abstammung über die weibliche Linie, denn das war der einzige wirklich sichere Teil des Erbes. Die primitive Familie, die aus den instinktiven biologischen Banden des Blutes zwischen Mutter und Kind hervorging, war zwangsläufig eine Mutterfamilie; und viele Stämme hielten lange an ihr fest. Die Mutterfamilie war der einzig mögliche Übergang vom Stadium der Gruppenehe in der Horde zum späteren verbesserten Familienleben der polygamen und monogamen Vaterfamilien. Die Mutterfamilie war natürlich und biologisch; die Vaterfamilie ist sozial, wirtschaftlich und politisch. Das Fortbestehen der Mutterfamilie bei den roten Menschen Nordamerikas ist einer der Hauptgründe, weshalb die ansonsten fortschrittlichen Iroquois nie ein richtiger Staat wurden. Unter den herrschenden Sitten der Mutterfamilie verfügte die Mutter der Ehefrau im Heim praktisch über höchste Autorität; sogar die Brüder der Ehefrau und deren Söhne waren bei der Leitung der Familie aktiver als der Ehemann. Oft wurden Väter nach ihren eigenen Kindern umbenannt. Die frühesten Rassen achteten den Vater gering; in ihren Augen stammte das Kind ganz und gar von der Mutter ab. Sie glaubten, dass die Kinder ihrem Vater infolge des Zusammenlebens glichen oder in dieser Weise "gezeichnet" waren, weil die Mutter wünschte, dass sie dem Vater ähnlich sähen. Als später der Umschwung von der Mutter- zur Vaterfamilie kam, nahm der Vater alles Verdienst am Kind an sich, und viele der Tabus, die eine schwangere Frau betrafen, wurden erweitert und schlossen nun auch den Ehemann ein. Der werdende Vater legte seine Arbeit nieder, wenn die Zeit der Entbindung nahte, und bei der Geburt legte er sich zu der Frau ins Bett und ruhte sich drei bis acht Tage lang aus. Die Frau mochte am nächsten Tag wieder aufstehen und hart arbeiten, wo hingegen der Gatte im Bett blieb, um die Glückwünsche entgegenzunehmen; all das war Teil der frühen Sitten, die das Recht des Vaters über das Kind bekräftigen sollten. Am Anfang wollte die Sitte, dass der Mann zu der Familie der Frau zog, aber in späterer Zeit konnte er, nachdem er den Brautpreis entrichtet oder durch Arbeit abbezahlt hatte, Frau und Kinder zu seinen eigenen Leuten zurückbringen. Der Übergang von der Mutter- zur Vaterfamilie erklärt die sonst sinnlosen Verbote bestimmter Heiraten unter Cousins, während andere trotz desselben Verwandtschaftsgrades erlaubt sind. Als die Jägersitten verschwanden und die Herdenhaltung dem Menschen die Kontrolle über die Beschaffung der wesentlichen Lebensmittel gab, kam die Mutterfamilie zu einem raschen Ende. Sie scheiterte einfach daran, dass sie mit der neueren Vaterfamilie nicht gleichziehen konnte. Die auf die männlichen Verwandten der Mutter verteilte Macht konnte den Wettbewerb mit der im Ehemann-Vater konzentrierten Macht nicht bestehen. Die Frau war den vereinigten Aufgaben des Gebärens und der Ausübung kontinuierlicher Autorität und zunehmender häuslicher Macht nicht mehr gewachsen. Aufkommender Frauenraub und späterer Frauenkauf beschleunigten das Verschwinden der Mutterfamilie. Der verblüffende Wechsel von der Mutter- zu der Vaterfamilie ist eine der radikalsten und vollständigsten Kehrtwendungen der Anpassung, welche die menschliche Rasse je vorgenommen hat. Dieser Wechsel führte sofort zu größerem sozialem Ausdruck und gesteigertem Familien-abenteuer. ***** 84.3 Die Familie unter der Herrschaft des Vaters ***** Es mag sein, dass der Instinkt der Mutterschaft die Frau in die Ehe führte, aber es war die überlegene Stärke des Mannes zusammen mit dem Einfluss der Sitten, die sie praktisch zwangen, im Ehestand zu verharren. Das Hirtenleben begünstigte die Schaffung eines neuen Sittensystems, den patriarchalischen Typus des Familienlebens; und die Grundlage der Einheit der Familie unter den herrschenden Sitten der Hirten- und frühen Ackerbauzeit war die unbestrittene und willkürliche Autorität des Vaters. Die ganze Gesellschaft, ob auf nationaler oder Familienebene, durchschritt das Stadium der autokratischen Autorität patriarchalischer Natur. Die geringe Liebenswürdigkeit, mit der man der Weiblichkeit in der Ära des Alten Testamentes begegnete, ist ein wahrer Spiegel der bei den Hirten herrschenden Sitten. Die hebräischen Patriarchen waren alles Hirten, wie der Ausspruch bezeugt: "Der Herr ist mein Hirte." Aber der Mann ist für seine Geringschätzung der Frau in vergangenen Zeitaltern nicht mehr zu tadeln als die Frau selber. Es gelang ihr während der primitiven Zeiten nicht, gesellschaftliche Anerkennung zu finden, weil sie in Notfällen nicht in Aktion trat; sie war keine spektakuläre oder Krisenheldin. Die Mutterschaft war eine ganz entschiedene Benachteiligung im Existenzkampf; Mutterliebe hinderte die Frauen an der Verteidigung des Stammes. Die primitiven Frauen verursachten auch ganz unabsichtlich ihre Abhängigkeit von den Männern durch ihren bewundernden Applaus für deren Kampfeslust und Männlichkeit. Diese Verherrlichung des Kriegers steigerte das männliche Ego, während sie gleichzeitig das der Frau unterdrückte und sie abhängiger machte; noch immer erregt eine Militäruniform die weiblichen Gefühle heftig. Bei den fortgeschritteneren Rassen sind die Frauen nicht so groß und stark wie die Männer. Deshalb wurde die Frau als die Schwächere taktvoller; früh lernte sie, die Reize ihres Geschlechts einzusetzen.Sie wurde wachsamer und konservativer als der Mann, wenn auch um ein Geringes weniger tief. Der Mann übertraf die Frau auf dem Schlachtfeld und auf der Jagd; aber zu Hause hat die Frau gewöhnlich auch den allerprimitivsten Mann ausmanövriert. Der Hirte zählte auf seine Herden als Nahrungsquelle, aber während dieses ganzen Hirtenzeitalters hatte die Frau noch immer für die pflanzliche Nahrung zu sorgen. Der primitive Mann wich der Bodenarbeit aus, da sie allzu friedlich und zu wenig abenteuerlich war. Es gab auch einen alten Aberglauben, dass die Pflanzen unter den Händen der Frauen besser gediehen; sie waren eben Mütter. Noch heute kochen bei vielen zurückgebliebenen Stämmen die Männer das Fleisch und die Frauen das Gemüse, und wenn die primitiven Stämme Australiens unterwegs sind, greifen die Frauen nie das Wild an, während ein Mann sich niemals soweit erniedrigen würde, eine Wurzel auszugraben. Die Frau musste immer arbeiten; wenigstens bis in die Neuzeit ist die Frau eine richtige Erzeugerin gewesen. Der Mann hat gewöhnlich den leichteren Weg beschritten, und diese Ungleichheit hat in der ganzen Geschichte der menschlichen Rasse bestanden. Die Frau war immer die Lastenträgerin, die den Familienbesitz unterhielt und sich um die Kinder kümmerte und damit dem Mann freie Hand für Kampf und Jagd ließ. Die erste Befreiung der Frau kam, als der Mann einwilligte, den Boden zu bearbeiten, gewillt war zu tun, was bis anhin als Frauenarbeit gegolten hatte. Ein großer Schritt vorwärts wurde getan, als man die männlichen Gefangenen nicht mehr umbrachte, sondern als Landarbeiter versklavte. Das befreite die Frau, die nun den häuslichen Arbeiten und der Kindererziehung mehr Zeit widmen konnte. Die Verfügbarkeit von Milch für die Kleinen führte zu einer früheren Entwöhnung der Säuglinge; das wiederum hatte zur Folge, dass die Mütter, die nun von manchmal zeitweiliger Unfruchtbarkeit befreit waren, mehr Kinder gebaren, während die Verwendung von Kuh- und Ziegenmilch die Kindersterblichkeit stark senkte. Vor dem Hirtenstadium der Gesellschaft pflegten die Mütter ihre Kleinen zu stillen, bis sie vier oder fünf Jahre alt waren. Mit abnehmender primitiver Kriegstätigkeit verminderte sich die Ungleichheit in der geschlechtsbedingten Arbeitsteilung wesentlich. Aber immer noch fiel den Frauen die eigentliche Arbeit zu, während die Männer Wache standen. Kein Lager oder Dorf konnte bei Tag oder Nacht unbewacht gelassen werden, aber auch diese Aufgabe wurde durch die Domestizierung des Hundes erleichtert. Im Allgemeinen stiegen mit dem Aufkommen der Landwirtschaft Ansehen und sozialer Rang der Frau; wenigstens war dem so bis zu der Zeit, da der Mann selber Ackerbauer wurde. Und sobald der Mann sich der Bodenbestellung zuwandte, erfolgte eine augenblickliche Verbesserung der landwirtschaftlichen Methoden, die sich in den folgenden Generationen fortsetzte. Auf der Jagd und im Krieg hatte der Mann den Wert der Organisation kennen gelernt; er führte nun diese Techniken im Gewerbe ein und verbesserte später, als er einen großen Teil der Frauenarbeit übernahm, deren lockere Arbeitsmethoden beträchtlich. ***** 84.4 Die Stellung der Frau in der frühen Gesellschaft ***** Im Allgemeinen ist die Stellung der Frau in irgendeinem Zeitalter ein recht gutes Kriterium für den evolutionären Fortschritt der Ehe als sozialer Institution, während der Fortschritt der Ehe selbst ein ziemlich genauer Gradmesser für die Höherentwicklung der menschlichen Zivilisation ist. Die Stellung der Frau ist immer ein gesellschaftliches Paradox gewesen; sie hat es immer verstanden, die Männer auf kluge Art zu lenken; sie hat immer aus den dringenderen sexuellen Bedürfnissen des Mannes für ihre eigenen Interessen und ihr eigenes Vorwärtskommen Kapital geschlagen. Durch subtilen Einsatz ihrer erotischen Reize war sie oft imstande, einen Mann ganz zu beherrschen, auch wenn sie von ihm in niedrigster Sklaverei gehalten wurde. Die frühe Frau war für den Mann keine Freundin, Liebste, Geliebte oder Partnerin, sondern vielmehr ein Stück Besitz, Dienerin oder Sklavin und später wirtschaftliche Partnerin, Spielzeug und Kindergebärerin. Trotzdem konnten angemessene und befriedigende geschlechtliche Beziehungen nicht ohne das Element der Wahl und Kooperation seitens der Frau auskommen, und das hat intelligenten Frauen allezeit eine beträchtliche Einflussnahme auf ihre unmittelbare persönliche Stellung verschafft, ungeachtet der gesellschaftlichen Stellung ihres Geschlechts. Aber Misstrauen und Argwohn der Männer erhielten immer neue Nahrung durch die Tatsache, dass die Frauen stets gezwungen waren, sich ihres Scharfsinns zu bedienen, um ihr Sklavendasein zu erleichtern. Die Geschlechter hatten große Schwierigkeiten, einander zu verstehen. Es fiel dem Mann sehr schwer, die Frau zu begreifen, und er betrachtete sie mit einer seltsamen Mischung aus unwissendem Misstrauen und furchtsamer Faszination, wenn nicht gar mit Argwohn und Verachtung. Viele Rassen- und Stammesüberlieferungen schreiben Eva, Pandora und anderen Vertreterinnen der Weiblichkeit Unheil zu. Diese Erzählungen wurden immer so verdreht, dass es danach aussah, als habe die Frau Unglück über den Mann gebracht; all das lässt das einst allgemein herrschende Misstrauen gegenüber der Frau erkennen. Unter den zur Verteidigung eines unverheirateten Priesterdaseins angeführten Gründen war der hauptsächlichste die Niederträchtigkeit der Frau. Die Tatsache, dass die meisten der angeblichen Hexen Frauen waren, verbesserte den alten Ruf des Geschlechts nicht. Die Männer haben die Frauen lange als seltsam, ja sogar als abnorm betrachtet. Sie haben sogar geglaubt, die Frauen hätten keine Seele; deshalb verwehrte man ihnen Namen. In früher Zeit herrschte große Furcht vor dem ersten Geschlechtsverkehr mit einer Frau; daher kam der Brauch auf, dass dem Priester der erste Verkehr mit einer Jungfrau zukam. Selbst den Schatten einer Frau empfand man als gefährlich. Das Gebären wurde einst ganz allgemein als etwas angesehen, das eine Frau gefährlich und unrein machte. Und viele Stammessitten schrieben vor, dass die Mutter nach der Geburt eines Kindes ausgiebige Reinigungszeremonien über sich ergehen lassen musste. Außer bei jenen Gruppen, wo der Ehemann am Wochenbett teilnahm, wurde die werdende Mutter gemieden, alleine gelassen. Die Alten vermieden es sogar, ein Kind im Hause zur Welt kommen zu lassen. Schließlich gestattete man es den alten Frauen, der Mutter während der Wehen beizustehen, und aus dieser Praxis ging der Ammenberuf hervor. Während des Gebärens wurden eine Menge ausgefallener Dinge gesagt und getan, um die Entbindung zu erleichtern. Man pflegte das Neugeborene mit heiligem Wasser zu besprengen, um das Eingreifen von Geistern zu verhindern. Bei den nicht gemischten Stämmen verliefen die Geburten relativ glatt und dauerten nur zwei oder drei Stunden; aber bei den Mischrassen geht es selten so leicht vonstatten. Wenn eine Frau bei der Geburt starb, und insbesondere bei der Entbindung von Zwillingen, glaubte man, sie habe sich des Ehebruchs mit einem Geist schuldig gemacht. Später betrachteten die höheren Stämme den Tod bei der Geburt als den Willen des Himmels, und von solchen Müttern dachte man, sie seien für eine edle Sache gestorben. Die so genannte Bescheidenheit der Frauen, was ihre Kleidung und die Entblößung ihrer Person anbelangt, kommt von der tödlichen Angst, zur Zeit der monatlichen Regel beobachtet zu werden. In diesem Zustand erblickt zu werden, war eine schwere Sünde, die Verletzung eines Tabus. Unter den in alten Zeiten geltenden Sitten war jede Frau von der Adoleszenz bis zur Menopause jeden Monat eine ganze Woche lang einer vollständigen familiären und gesellschaftlichen Quarantäne unterworfen. Was sie auch immer berühren, worauf sie sich setzen oder legen mochte, war "beschmutzt". Lange Zeit war es Sitte, die Mädchen nach jeder monatlichen Regel im Bestreben, den bösen Geist aus ihrem Körper zu jagen, brutal zu schlagen. Aber wenn eine Frau die Zeit des Kinderkriegens hinter sich gebracht hatte, wurde sie gewöhnlich mit mehr Respekt behandelt, und man gewährte ihr mehr Rechte und Privilegien. Wenn man sich all das vor Augen hält, verwundert es nicht, dass auf die Frauen herabgeschaut wurde. Sogar die Griechen hielten die menstruierende Frau für eine der drei großen Ursachen der Beschmutzung, wobei die anderen beiden Schweinefleisch und Knoblauch waren. Wie ausgefallen diese alten Vorstellungen auch immer waren, so bewirkten sie doch dadurch einiges Gute, dass sie den überarbeiteten Frauen, wenigstens solange sie jung waren, jeden Monat eine Woche willkommener Ruhe und nützlichen Nachdenkens verschafften. Es erlaubte ihnen, ihren Scharfsinn zu entwickeln, um mit ihren männlichen Gefährten in der restlichen Zeit zurechtzukommen. Diese Quarantäne der Frauen hielt die Männer auch von übertriebener sexueller Tätigkeit ab, was indirekt zur Bevölkerungsbeschränkung und zu vermehrter Selbstbeherrschung beitrug. Ein großer Schritt vorwärts wurde getan, als dem Mann das Recht abgesprochen wurde, seine Frau nach Belieben umzubringen. Ebenfalls ein Fortschritt war es, als die Hochzeitsgeschenke Eigentum der Frau wurden. Später gewann sie das gesetzliche Recht, Eigentum zu besitzen, zu verwalten und sogar darüber zu verfügen, aber sie entbehrte lange des Rechts, in Kirche oder Staat ein Amt auszuüben. Die Frau wurde immer mehr oder weniger als Eigentum behandelt, und das bis ins zwanzigste Jahrhundert nach Christus. Sie hat sich noch nicht weltweit von ihrer Absonderung unter der Bevormundung des Mannes befreit. Auch unter den fortgeschrittenen Völkern ist das Bestreben des Mannes, die Frau zu beschützen, immer eine unausgesprochene Bekräftigung seiner Überlegenheit gewesen. Aber die primitiven Frauen bemitleideten sich selber nicht, wie ihre kürzlich befreiten Schwestern es zu tun pflegen. Sie waren alles in allem recht glücklich und zufrieden; sie wagten nicht, sich eine bessere oder andere Existenzweise vorzustellen. ***** 84.5 Die Frau unter den sich entwickelnden Sitten ***** In der Selbst-Fortpflanzung ist die Frau dem Mann gleichgestellt, aber in der Partnerschaft zur Selbst-Erhaltung arbeitet sie mit einem entschiedenen Nachteil, und diese Behinderung durch die ihr aufgezwungene Mutterschaft kann nur wettgemacht werden durch die aufgeklärten Sitten der fortschreitenden Zivilisation und durch das wachsende Gefühl für Fairness vonseiten des Mannes. Als die Gesellschaft sich entwickelte, erreichten die sexuellen Maßstäbe der Frauen ein höheres Niveau, weil sie stärker unter den Folgen einer Übertretung der sexuellen Sitten zu leiden hatten. Die sexuellen Maßstäbe des Mannes verbessern sich erst spät einfach aufgrund des Gefühls für Fairness, das die Zivilisation verlangt. Die Natur kennt keine Fairness - sie lässt die Frau die Geburtsschmerzen ganz allein ausstehen. Die moderne Idee von der Gleichheit der Geschlechter ist sehr schön und steht einer wachsenden Zivilisation wohl an, aber sie findet sich in der Natur nicht. Wenn Gewalt Recht spricht, herrscht der Mann über die Frau; wenn mehr Gerechtigkeit, Frieden und Fairness walten, kommt sie allmählich aus Sklaverei und Dunkel heraus. Der soziale Rang der Frau in jeder Nation und zu jeder Zeit hat im Allgemeinen in umgekehrtem Verhältnis zum Grad an Militarismus gestanden. Aber der Mann bemächtigte sich nicht bewusst oder absichtlich der Rechte der Frau und gab sie ihr dann schrittweise und widerwillig wieder zurück; all das war eine unbewusste und nicht geplante Episode der gesellschaftlichen Evolution. Als die Zeit für die Frau wirklich gekommen war, sich zusätzlicher Rechte zu erfreuen, erhielt sie diese, und zwar völlig unabhängig von der bewussten Haltung des Mannes. Langsam aber sicher ändern sich die Sitten, so dass sie jene gesellschaftlichen Anpassungen erlauben, die Teil der ständigen Evolution der Zivilisation sind. Die sich weiterentwickelnden Sitten brachten langsam eine immer bessere Behandlung der Frauen mit sich; jene Stämme, die sich ihnen gegenüber weiterhin grausam verhielten, überlebten nicht. Die Adamiten und die Noditen gestanden den Frauen wachsende Anerkennung zu, und die Gruppen, die mit den wandernden Anditen in Berührung kamen, neigten dazu, sich von den edenischen Lehren über die Stellung der Frau in der Gesellschaft beeinflussen zu lassen. Die frühen Chinesen und die Griechen behandelten die Frauen besser als die meisten der sie umgebenden Völker. Aber die Hebräer misstrauten ihnen außerordentlich. Im Abendland hatten die Frauen unter der Herrschaft der paulinischen Lehren, die mit dem Christentum verknüpft worden waren, einen schwierigen Aufstieg, obwohl das Christentum die Sitten tatsächlich dadurch voranbrachte, dass es den Männern strengere sexuelle Verpflichtungen auferlegte. Ihre Lage ist nahezu hoffnungslos angesichts ihrer Erniedrigung, die für den Mohammedanismus bezeichnend ist, und es ergeht ihnen noch schlimmer unter den Lehren mehrerer anderer orientalischer Religionen. Es war die Wissenschaft und nicht die Religion, die die Frauen wirklich emanzipierte, und es war die moderne Fabrik, die sie weitgehend aus ihrer Beschränkung auf das Heim befreite. Die physischen Fähigkeiten des Mannes büßten im neuen Mechanismus des Lebensunterhalts ihre entscheidende Bedeutung ein, und die Wissenschaft veränderte die Lebensbedingungen derart, dass die Kraft des Mannes der Kraft der Frau nicht mehr so sehr überlegen war. Diese Veränderungen haben alle dahingewirkt, die Frau von der häuslichen Sklaverei zu befreien, und sie haben einen derartigen Wandel ihrer Stellung verursacht, dass sie sich jetzt eines Grades persönlicher Freiheit und sexuellen Über-Sich-Verfügens erfreut, der dem des Mannes praktisch gleichkommt. Einst wurde der Wert einer Frau an ihrer Fähigkeit, Nahrung zu produzieren, gemessen, aber Erfindung und Reichtum haben sie in den Stand versetzt, eine neue Welt ihres Wirkens zu erschaffen - Sphären der Anmut und des Reizes. So hat die Industrie ihren unbewussten und unbeabsichtigten Kampf für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Emanzipation der Frau gewonnen. Und einmal mehr hat Evolution erfolgreich geschafft, was sogar der Offenbarung zu vollbringen versagt war. Die Reaktion der aufgeklärten Völker auf die Ungerechtigkeit der Sitten, die den Platz der Frau in der Gesellschaft regieren, schlug wie eine Pendelbewegung ins andere Extrem aus. Unter den industrialisierten Rassen hat die Frau nahezu alle Rechte erhalten und ist von vielen Verpflichtungen wie z. B. dem Militärdienst ausgenommen worden. Jede Erleichterung des Existenzkampfes hat zu ihrer Befreiung beigetragen, und jeder Fortschritt in Richtung Monogamie hat ihr unmittelbar zum Vorteil gereicht. In der fortschreitenden Evolution der Gesellschaft macht bei jeder Neuanpassung der Sitten der Schwächere unverhältnismäßige Gewinne. In den Idealen der Ehe zu zweit hat die Frau schließlich Anerkennung, Würde, Unabhängigkeit, Gleichheit und Ausbildung gefunden; aber wird sie sich all dieser neuen und noch nie dagewesenen Errungenschaften auch würdig erzeigen? Wird die moderne Frau diese großartige Verwirklichung gesellschaftlicher Befreiung mit Trägheit, Indifferenz, Unfruchtbarkeit und Untreue beantworten? Heute, im zwanzigsten Jahrhundert, erlebt die Frau die Feuerprobe ihrer langen irdischen Existenz! Die Frau ist die ebenbürtige Partnerin des Mannes bei der Fortpflanzung der Rasse, also genau so wichtig bei der Entfaltung der rassischen Evolution; deshalb hat die Evolution immer vermehrt auf die Verwirklichung der Rechte der Frauen hingearbeitet. Aber die Rechte der Frauen sind keinesfalls die Rechte der Männer. Eine Frau, die die Rechte des Mannes beansprucht, kann nicht gedeihen, ebenso wenig wie ein Mann sich entfalten kann, der die Rechte der Frau beansprucht. Jedes Geschlecht hat seine eigene unterschiedliche Daseinssphäre und seine eigenen Rechte innerhalb dieser Sphäre. Wenn es die Frau danach verlangt, sich buchstäblich aller Rechte des Mannes zu erfreuen, dann wird mit Sicherheit früher oder später erbarmungsloser und gefühlloser Wettbewerb an die Stelle jener Ritterlichkeit und besonderen Hochachtung treten, die viele Frauen jetzt genießen und die sie von den Männern erst so kürzlich erlangt haben. Nie wird die Zivilisation die zwischen den Geschlechtern bestehende Kluft im Verhalten zum Verschwinden bringen können. Die Sitten ändern sich von Zeitalter zu Zeitalter, nie aber der Instinkt. Ihre angeborene Mutterliebe wird einer emanzipierten Frau nie erlauben, in der Industrie zu einer ernsthaften Rivalin des Mannes zu werden. Für immer wird jedes Geschlecht unbedingter Meister in seiner eigenen Domäne bleiben, die durch biologische Differenzierung und mentale Andersartigkeit bestimmt wird. Jedes Geschlecht wird stets seine eigene besondere Sphäre haben, obwohl hin und wieder das eine auf das andere übergreifen wird. Nur im gesellschaftlichen Bereich werden Männer und Frauen in ebenbürtigen Wettbewerb treten. ***** 84.6 Die Partnerschaft von Mann und Frau ***** Der Geschlechtstrieb führt Männer und Frauen unfehlbar zur Fortpflanzung zusammen, aber allein vermag er ihr Zusammenbleiben in wechselseitiger Kooperation - die Gründung eines Heims - nicht zu gewährleisten. In jeder erfolgreichen menschlichen Institution gibt es auf persönlichen Interessen beruhende Antagonismen, die durch Einstimmung zu einer praktisch arbeitenden Harmonie gelangt sind, und die Schaffung eines Heims macht darin keine Ausnahme. Die Ehe, die Grundlage der Heimbildung, ist der höchste Ausdruck dieser antagonistischen Kooperation, die so oft die Kontakte zwischen Natur und Gesellschaft charakterisiert. Der Konflikt ist unvermeidlich. Der Drang zur Paarung ist angeboren, er ist naturgegeben. Aber die Ehe ist nicht biologisch, sie ist soziologisch. Die Leidenschaft stellt sicher, dass Mann und Frau zusammenkommen, aber der schwächere elterliche Instinkt und die gesellschaftlichen Sitten sorgen für ihr Zusammenbleiben. Praktisch betrachtet, sind Mann und Frau zwei verschiedene Spielarten derselben Gattung, die in enger und inniger Gemeinschaft leben. Ihre Gesichtspunkte und gesamten Lebensreaktionen sind grundverschieden; sie sind ganz und gar unfähig, einander in vollem Umfang und wirklich zu verstehen. Vollkommenes gegenseitiges Verstehen der Geschlechter kann nicht erreicht werden. Die Frauen scheinen mehr Intuition als die Männer zu besitzen, aber auch ein bisschen weniger logisch zu sein. Indessen ist die Frau immer die sittliche Bannerträgerin und geistige Führerin der Menschheit gewesen. Immer noch fraternisiert die Hand, die die Wiege schaukelt, mit der Bestimmung. Die zwischen Mann und Frau in Wesen, Reaktion, Standpunkt und Denken bestehenden Unterschiede, weit davon entfernt, zu Beunruhigung Anlass zu geben, sollten als für die Menschheit in hohem Maße segensreich angesehen werden, sowohl individuell als auch kollektiv. Viele Ordnungen von Universumsgeschöpfen werden in zwei Phasen der Persönlichkeitsmanifestation erschaffen. Bei den Sterblichen, den Materiellen Söhnen und den Midsonitern nennt man diese Verschiedenheit männlich und weiblich; bei den Seraphim, Cherubim und Morontiellen Gefährten hat man sie als positiv oder dynamisch und negativ oder zurückhaltend bezeichnet. Solche Zweierbünde verstärken die Vielseitigkeit gewaltig und überwinden angeborene Beschränkungen, was auch für gewisse Dreierverbindungen im Paradies-Havona-System gilt. Männer und Frauen benötigen einander in ihrer morontiellen und geistigen ebenso wie in ihrer irdischen Laufbahn. Die verschiedene Sicht von Mann und Frau besteht über das erste Leben hinaus weiter und setzt sich während des Aufstiegs durch Lokal- und Superuniversum fort. Und selbst in Havona werden die Pilger, die einst Männer und Frauen gewesen waren, einander beim Aufstieg zum Paradies weiter behilflich sein. Niemals, auch im Korps der Finalität nicht, wird sich das Geschöpf derart verwandeln, dass die Persönlichkeitstendenzen, die die Menschen männlich und weiblich nennen, ausgelöscht werden. Immer werden die beiden grundlegenden Spielarten der Menschheit fortfahren, einander Rätsel aufzugeben, zu stimulieren, zu ermutigen und beizustehen. Immer werden sie in wechselseitiger Abhängigkeit bei der Lösung verzwickter Universumsprobleme und beim Überwinden mannigfaltiger kosmischer Schwierigkeiten zusammenarbeiten. Obgleich die Geschlechter nie hoffen können, einander völlig zu verstehen, sind sie tatsächlich komplementär, und obwohl ihre Zusammenarbeit oft mit mehr oder weniger persönlicher Gegnerschaft einhergeht, ist sie doch fähig, die Gesellschaft zu erhalten und fortzupflanzen. Die Institution der Ehe ist dazu bestimmt, die Geschlechtsunterschiede zu besänftigen und derweil für den Fortbestand der Zivilisation zu sorgen und die Fortpflanzung der Rasse zu gewährleisten. Die Ehe ist die Mutter aller menschlichen Institutionen, denn sie führt geradewegs zur Gründung und Aufrechterhaltung des Heims, das die strukturelle Grundlage der Gesellschaft ist. Die Familie ist in lebenswichtiger Weise mit dem Mechanismus der Selbst-Erhaltung verbunden. Die Ehe ist die einzige Hoffnung des Fortbestehens der Rasse unter der Herrschaft der Sitten der Zivilisation, während sie zugleich erfolgreich gewisse höchst befriedigende Formen der Selbst-Beglückung verschafft. Die Familie ist die größte rein menschliche Errungenschaft, schafft sie es doch, die Evolution der biologischen Beziehung zwischen Mann und Frau mit den sozialen Beziehungen von Ehemann und Ehefrau zu verbinden. ***** 84.7 Die Ideale des Familienlebens ***** Geschlechtsverkehr ist instinktiv, Kinder sind sein natürliches Ergebnis, und so entsteht automatisch die Familie. So wie die Familien einer Rasse oder Nation sind, so ist auch deren Gesellschaft. Sind die Familien gut, dann ist die Gesellschaft ebenfalls gut. Die große kulturelle Stabilität des jüdischen und chinesischen Volkes beruht auf dem festen Zusammenhalt ihrer Familiengruppen. Der Instinkt der Frau, der sie die Kinder lieben und umsorgen lässt, wirkte dahingehend, aus ihr den an der Förderung der Ehe und des primitiven Familienlebens interessierten Partner zu machen. Der Mann wurde erst unter dem Druck der späteren Sitten und gesellschaftlichen Konventionen zur Gründung des Heims gezwungen. Es dauerte lange, ehe er sich für Heirat und Heimgründung zu erwärmen begann, weil der Geschlechtsakt für ihn keine biologischen Folgen hat. Die sexuelle Vereinigung ist natürlich, aber die Ehe ist gesellschaftlicher Art und immer durch die Sitten geregelt worden. Die geltenden (religiösen, moralischen und ethischen) Sitten im Verein mit Besitz, Stolz und Ritterlichkeit stabilisieren die Institutionen der Ehe und Familie. Wann immer die Sitten in Bewegung geraten, wird davon auch die Stabilität der Heim-Ehe-Institution ergriffen. Die Ehe ist jetzt dabei, aus dem Eigentumsstadium in die persönliche Ära einzutreten. Früher beschützte der Mann die Frau, weil sie seine Leibeigene war, und sie gehorchte aus demselben Grunde. Ungeachtet seiner Verdienste, sorgte dieses Systems für Stabilität. Heute wird die Frau nicht mehr als Eigentum betrachtet, und neue Sitten sind im Kommen, dazu angetan, die Ehe-Heim-Institution zu stabilisieren: 1. Die neue Rolle der Religion - die Lehre, dass elterliche Erfahrung ganz wesentlich ist, die Idee, kosmische Bürger zu zeugen, das erweiterte Verständnis vom Privileg der Fortpflanzung - dem Vater Söhne zu schenken. 2. Die neue Rolle der Wissenschaft - die Fortpflanzung geschieht immer mehr aus freiem Entschluss, wird der Kontrolle des Menschen unterworfen. In alten Zeiten sicherte Unwissenheit die Geburt von Kindern, auch wenn kein Wunsch nach ihnen vorhanden war. 3. Die neue Funktion der Verlockung durch das Vergnügen - was einen neuen Faktor in das Überleben der Rasse einführt; die früheren Menschen pflegten unerwünschte Kinder auszusetzen; die modernen weigern sich, sie zur Welt zu bringen. 4. Die Hebung des elterlichen Instinktes. Jede Generation tendiert jetzt dazu, aus dem sich fortpflanzenden Strom der Rasse jene Einzelwesen zu eliminieren, in denen der elterliche Instinkt ungenügend entwickelt ist, um die Zeugung von Kindern - potentiellen Eltern der nächsten Generation - zu sichern. Aber das Heim als eine Institution, als eine Partnerschaft zwischen einem einzigen Mann und einer einzigen Frau, datiert genauer aus den Tagen Dalamatias, liegt etwa eine halbe Jahrmillion zurück, denn die monogamen Praktiken Andons und seiner unmittelbaren Nachkommen waren schon lange zuvor aufgegeben worden. Es gab indessen vor den Tagen der Noditen und der späteren Adamiten am Familienleben wenig zu bewundern. Adam und Eva übten auf die ganze Menschheit einen dauernden Einfluss aus; zum ersten Mal in der Geschichte der Welt konnte man beobachten, wie Männer und Frauen im Garten Seite an Seite arbeiteten. Das edenische Ideal einer ganzen Familie von Gärtnern war eine für Urantia neue Idee. Die frühe Familie umfasste eine miteinander verwandte Arbeitsgruppe, die auch die Sklaven einschloss, und sie lebten alle unter einem Dach. Ehe und Familienleben sind nicht immer identisch gewesen, haben aber zwangsläufig in enger Beziehung gestanden. Die Frau hat es stets nach der individuellen Familie verlangt, und sie hat schließlich ihr Ziel erreicht. Die Liebe zum Nachwuchs ist beinahe universell und hat einen ausgesprochenen Überlebenswert. Die Alten opferten immer die Interessen der Mutter dem Wohl des Kindes; noch heute lecken die Eskimomütter ihre Kinder, anstatt sie zu waschen. Aber die primitiven Mütter nährten und umsorgten ihre Kinder nur, solange sie sehr jung waren; gleich den Tieren wandten sie sich von ihnen ab, sobald sie heranwuchsen. Dauernde und ununterbrochene menschliche Verbindungen haben nie allein auf biologischer Zuneigung beruht. Die Tiere lieben ihre Kinder; der Mensch - der zivilisierte Mensch - liebt seine Kindeskinder. Je höher die Zivilisation, desto größer die Freude der Eltern am Vorwärtskommen und am Erfolg der Kinder; und damit erscheint als neue und höhere Verwirklichung der Stolz auf den Namen. In den Großfamilien der alten Völker herrschte nicht unbedingt Zuneigung. Man wünschte sich viele Kinder, weil 1. Sie als Arbeiter wertvoll waren. 2. Sie eine Altersversicherung darstellten. 3. Man die Töchter verkaufen konnte. 4. Der Familienstolz die Verbreitung des Namens verlangte. 5. Söhne Schutz und Verteidigung gewährleisteten. 6. Geisterfurcht große Angst vor dem Alleinsein erzeugte. 7. Gewisse Religionen Nachkommen forderten. Ahnenverehrer betrachten das Ausbleiben von Söhnen als das größte Unglück für alle Zeit und Ewigkeit. Sie wünschen sich über alles Söhne, damit diese bei den Totenzeremonien mitwirken und die erforderlichen Opfer für das Weiterkommen der Abgeschiedenen durch das Land der Geister darbringen können. Bei den einstigen Wilden wurde sehr früh mit der Disziplinierung der Kinder begonnen; und das Kind erkannte sehr bald, dass Ungehorsam Misserfolg, wenn nicht Tod bedeutete, ganz so wie für die Tiere. Es ist der von der Zivilisation gewährte Schutz des Kindes vor den natürlichen Folgen kopflosen Verhaltens, der so sehr zur modernen Aufsässigkeit beiträgt. Die Eskimokinder gedeihen einfach deshalb mit so wenig Disziplin und Bestrafung, weil sie von Natur aus gefügige Tierchen sind; die Kinder der roten sowie der gelben Menschen sind fast ebenso fügsam. Aber Kinder von Rassen, die ein anditisches Erbe besitzen, sind nicht so ruhig; diese phantasievolleren und abenteuerlustigeren jungen Menschen brauchen mehr Schulung und Disziplin. Die modernen Probleme der Kindererziehung werden immer schwieriger wegen: 1. des hohen Grades an Rassenvermischung. 2. der Künstlichkeit und Oberflächlichkeit der Erziehung. 3. der Unfähigkeit des Kindes, sich durch Nachahmung der Eltern Kultur anzueignen, da die Eltern die meiste Zeit von der Familienszene abwesend sind. Die alten Vorstellungen von Familiendisziplin waren biologisch, sie kamen aus dem Bewusstsein, dass die Eltern die Urheber des Daseins des Kindes sind. Die fortschreitenden Ideale des Familienlebens führen zu der Vorstellung, dass ein Kind zur Welt zu bringen nicht irgendwelche elterlichen Rechte verleiht, sondern der menschlichen Existenz die allerhöchste Verantwortung auferlegt. Die Zivilisation befindet, dass die Eltern alle Pflichten auf sich nehmen müssen und die Kinder alle Rechte haben. Der Respekt des Kindes vor seinen Eltern entsteht nicht aus dem Wissen darum, was man seinen Eltern und Erzeugern schuldet, sondern wächst natürlich als Antwort auf die dem Kind in Liebe gewährte Sorge, Schulung und Zuneigung, während man ihm hilft, den Lebenskampf zu bestehen. Wahre Eltern befinden sich in einem ständigen Dieneramt, das von weisen Kindern mit der Zeit erkannt und gewürdigt wird. In der gegenwärtigen industriellen und städtischen Ära entwickelt sich die Institution der Ehe nach neuen wirtschaftlichen Richtlinien. Das Familienleben ist immer kostspieliger geworden, während die Kinder, die immer einen Gewinn bedeutet hatten, zu einem wirtschaftlichen Passivposten geworden sind. Aber die Sicherheit der Zivilisation selber ruht immer noch auf der zunehmenden Bereitschaft einer Generation, in das Wohl der nächsten und zukünftiger Generationen zu investieren. Und jeder Versuch, die elterliche Verantwortung auf den Staat oder die Kirche abzuwälzen, wird sich auf das Wohl und den Fortschritt der Zivilisation zerstörerisch auswirken. Die Ehe, mit Kindern und sich daraus ergebendem Familienleben, stimuliert die höchsten Potentiale der menschlichen Natur und liefert zugleich den idealen Rahmen für den Ausdruck der so stimulierten Attribute der sterblichen Persönlichkeit. Die Familie sorgt für die biologische Fortpflanzung der menschlichen Gattung. Das Heim ist der natürliche soziale Ort der Begegnung, wo die heranwachsenden Kinder die Ethik der Bruderschaft unter Blutsverwandten erfassen können. Die Familie ist die fundamentale Einheit der Brüderlichkeit, in der Eltern wie Kinder jene Lektionen in Geduld, Selbstlosigkeit, Toleranz und Nachsicht lernen, die zur Verwirklichung der Brüderlichkeit unter allen Menschen so unentbehrlich sind. Die menschliche Gesellschaft würde sich gewaltig verbessern, wenn die zivilisierten Rassen ganz allgemein vermehrt zur Praxis des Familienrates der Anditen zurückkehrten. Jene behielten nicht die patriarchalische oder autokratische Form des Familienregiments bei. Sie waren sehr brüderlich und gesellig, und sie diskutierten in aller Freiheit und Offenheit jeden Vorschlag zur Regelung von Familienangelegenheiten. Sie waren in ihrer Familienführung auf ideale Weise brüderlich. In einer idealen Familie verstärkt sich die Liebe sowohl der Kinder als auch der Eltern unter der Wirkung brüderlicher Hingabe. Das Familienleben ist der Erzeuger wahrer Sittlichkeit, der Urheber des Bewusstseins von treuer Pflichterfüllung. Die vom Familienleben aufgezwungenen Personenverbindungen stabilisieren die Persönlichkeit und stimulieren ihr Wachstum durch den Druck notwendiger Anpassung an andere und verschiedenartige Persönlichkeiten. Aber das ist nicht alles: Eine wahre Familie - eine gute Familie - offenbart den elterlichen Erzeugern die Haltung des Schöpfers gegenüber seinen Kindern, während gleichzeitig solche wahren Eltern ihren Kindern die erste in einer langen Reihe von immer höheren Offenbarungen der Liebe des Paradies-Vaters aller Universumskinder geben. ***** 84.8 Die Gefahren der Selbst-Beglückung ***** Die große Bedrohung des Familienlebens kommt von der beängstigend anschwellenden Flut der Selbst-Beglückung, der modernen Vergnügungssucht. Der erste Anstoß zur Ehe war wirtschaftlicher Art; die sexuelle Anziehung kam erst an zweiter Stelle. Die Ehe, gegründet auf Selbst-Erhaltung, führte zur Selbst-Fortpflanzung und verschaffte zugleich eine der wünschenswertesten Formen von Selbst-Beglückung. Sie ist die einzige Institution der menschlichen Gesellschaft, die alle drei dieser großen Lebensmotivationen in sich vereinigt. Ursprünglich war der Besitz die grundlegende Institution der Selbst-Erhaltung, während die Ehe als einzige Institution der Selbst-Fortpflanzung funktionierte. Obwohl Gaumenfreuden, Spiel und Humor und die periodische sexuelle Befriedigung Mittel der Selbst-Beglückung waren, so bleibt doch die Tatsache bestehen, dass die sich entwickelnden Sitten es unterlassen haben, eine eigene Institution zur Selbst-Beglückung zu schaffen. Und es ist diesem Versagen bei der Entwicklung spezialisierter Techniken zu vergnüglichem Genießen zuzuschreiben, dass alle menschlichen Institutionen so vollständig von dieser Vergnügungssucht durchsetzt sind. Die Ansammlung von Gütern wird ein Instrument zur Vermehrung aller Arten von Selbst-Beglückung, und die Ehe wird oft bloß als ein Mittel zum Vergnügen betrachtet. Und diese Genusssucht, diese weit verbreitete Vergnügungswut stellt jetzt die größte Bedrohung dar, die sich je gegen die evolutionäre gesellschaftliche Institution des Familienlebens, das Heim, gerichtet hat. Die violette Rasse bereicherte die Erfahrung der Menschheit um ein neues, noch unvollkommen verwirklichtes Merkmal - den Spieltrieb zusammen mit dem Sinn für Humor. Beide waren bei den Sangikvölkern und Andoniten bis zu einem gewissen Grad bereits vorhanden, aber die adamische Blutzufuhr hob diese primitive Neigung zum Potential des Vergnügens empor, einer neuen und schöneren Form der Selbst-Beglückung. Der Grundtypus von Selbst-Beglückung neben der Stillung von Hunger ist die sexuelle Beglückung, und diese Form sinnlichen Vergnügens wurde durch die Vermischung der Sangikrassen mit den Anditen gewaltig gesteigert. Es liegt eine wirkliche Gefahr in der Kombination von Rastlosigkeit, Neugier, Abenteuerlust und Hingabe an das Vergnügen, die für die nachanditischen Rassen so charakteristisch ist. Der Hunger der Seele kann nicht durch physische Freuden gestillt werden; die Liebe zu Heim und Kindern wird durch eine unbesonnene Jagd nach dem Vergnügen nicht gesteigert. Solltet ihr auch alle Ressourcen von Kunst, Farbe, Klang, Rhythmus, Musik und persönlichem Schmuck erschöpfen, so könnt ihr dennoch nicht hoffen, dadurch eure Seele zu erheben oder euren Geist zu ernähren. Eitelkeit und Mode können nichts zum Aufbau eines Heims und zur Kindererziehung beitragen; Stolz und Rivalisieren sind machtlos, die Überlebensqualitäten der aufeinander folgenden Generationen zu steigern. Alle vorwärts strebenden himmlischen Wesen genießen gewisse Zeiten der Erholung und erfreuen sich des Wirkens der Leiter der Rückschau. Alle Bestrebungen, sich heilsame Abwechslung zu verschaffen und erbauendem Spiel hinzugeben, sind gesund; erfrischender Schlaf, Ruhe, Erholung und jeder Zeitvertreib, der vor langweiliger Monotonie schützt, sind lohnend. Wettspiele, Geschichtenerzählen und sogar gut schmeckendes Essen können als Formen der Selbst-Beglückung dienen. (Wenn ihr zum Würzen der Speisen Salz verwendet, dann sinnt einen Augenblick darüber nach, dass der Mensch während beinahe einer Million Jahren Salz nur erhalten konnte, indem er seine Nahrung in Asche tauchte.) Der Mensch freue sich; die menschliche Rasse finde ihr Vergnügen auf tausenderlei Art; die evolutionäre Menschheit erforsche alle Formen legitimer Selbst-Beglückung, Früchte ihres langen biologischen Emporkämpfens. Der Mensch hat einige seiner heutigen Freuden und Vergnügen wohl verdient. Aber verliert das Ziel eurer Bestimmung nicht aus den Augen! Die Vergnügungen sind in der Tat selbstmörderisch, wenn es ihnen gelingen sollte, das Eigentum, das zur Institution der Selbst-Erhaltung geworden ist, zu zerstören; und man hat für die Selbst-Beglückungen einen tödlichen Preis bezahlt, wenn sie den Zusammenbruch der Ehe, den Niedergang des Familienlebens und die Zerstörung des Heims bewirken sollten - der höchsten evolutionären Leistung des Menschen und einzigen Hoffnung für das Überleben der Zivilisation. [Dargeboten von dem Chef der auf Urantia stationierten Seraphim.] ****** Kapitel 85 Die Ursprünge der Anbetung ****** DIE primitive Religion hatte einen biologischen Ursprung und nahm eine natürliche evolutionäre Entwicklung, wenn man von moralischen Verbänden und allen geistigen Einflüssen absieht. Die höheren Tiere haben Ängste, aber keine Einbildungen, folglich auch keine Religion. Der Mensch schafft seine primitive Religion aus seinen Ängsten und mit seinen Einbildungen. In der Evolution der menschlichen Gattung erscheint die Anbetung in ihren primitiven Äußerungen, lange bevor der menschliche Verstand fähig ist, die komplexeren Vorstellungen vom hiesigen und jenseitigen Leben zu formulieren, die es verdienen, als Religion bezeichnet zu werden. Die frühe Religion war ihrem Wesen nach völlig intellektuell und fußte einzig auf den durch die Umstände geweckten Gedankenassoziationen. Die Gegenstände der Verehrung waren ganz und gar suggestiver Art; sie bestanden aus den Dingen der Natur, welche sich gerade in Reichweite befanden oder die den einfachen Gemütern der primitiven Urantianer in ihrer alltäglichen Erfahrung bedeutungsvoll erschienen. Als die Religion sich über die Anbetung der Natur hinausentwickelte, gewann sie Wurzeln geistigen Ursprungs, war aber trotzdem immer noch durch das soziale Umfeld bedingt. Mit fortschreitender Naturanbetung ersann sich die menschliche Vorstellungskraft eine Arbeitsteilung in der überirdischen Welt; es gab Naturgeister für Seen, Bäume, Wasserfälle, Regen und hundert andere gewöhnliche irdische Phänomene. Zu irgendeinem Zeitpunkt hat der Mensch alles angebetet, was es auf der Erdoberfläche gibt, sich selber mit eingeschlossen. Er hat auch so ziemlich alles verehrt, was sich im Himmel und unter dem Erdboden nur ausdenken lässt. Der primitive Mensch fürchtete alle Äußerungen von Gewalt; er verehrte jedes Naturphänomen, das er nicht verstehen konnte. Die Beobachtung mächtiger Naturgewalten wie Stürme, Überschwemmungen, Erdbeben, Erdrutsche, Vulkane, Feuer, Hitze und Kälte beeindruckte den wachsenden Verstand des Menschen gewaltig. Immer noch werden die unerklärlichen Dinge des Lebens als "Handlungen Gottes" und "geheimnisvolles Walten der Vorsehung" bezeichnet. ***** 85.1 Verehrung von Steinen und Bergen ***** Der erste Gegenstand, den der sich entwickelnde Mensch verehrte, war ein Stein. Noch heute verehrt das Volk der Kateri in Südindien einen Stein, und zahlreiche nordindische Stämme tun desgleichen. Jakob schlief auf einem Stein, weil er ihn verehrte; er salbte ihn sogar. Rahel verbarg eine Anzahl heiliger Steine in ihrem Zelt. Die Steine waren es, die die frühen Menschen zuerst als etwas Außerordentliches beeindruckten wegen ihrer Art, sich so plötzlich an der Oberfläche eines bebauten Feldes oder einer Weide zu zeigen. Die Menschen unterließen es, die Erosion oder die Folgen des Umwendens der Erde zu berücksichtigen. Steine beeindruckten frühe Völker auch so sehr, weil sie häufig Tieren glichen. In den Bergen lenken zahlreiche Gesteinsformationen die Aufmerksamkeit des zivilisierten Menschen auf sich, weil sie so stark Tier- oder sogar Menschenköpfen ähnlich sehen. Aber den tiefsten Eindruck übten Meteorsteine aus, die die primitiven Menschen in flammender Großartigkeit durch die Atmosphäre sausen sahen. Sternschnuppen erfüllten die frühen Menschen mit heiligem Schrecken, und sie glaubten mühelos, dass solche leuchtenden Spuren das Vorübergehen eines Geistes auf seinem Weg zur Erde anzeigten. Kein Wunder, dass die Menschen dazu kamen, solche Phänomene anzubeten, ganz besonders wenn sie danach die Meteore entdeckten. Und das führte zu noch größerer Verehrung aller übrigen Steine. In Bengalen verehren viele einen Meteoren, der im Jahr 1880 zur Erde fiel. Alle alten Klans und Stämme hatten ihre heiligen Steine, und die meisten modernen Völker bringen bestimmten Steinarten - ihren Juwelen - eine gewisse Verehrung entgegen. In Indien wurde eine Gruppe von fünf Steinen verehrt; in Griechenland war es eine Sammlung von deren dreißig; bei den roten Menschen war es gewöhnlich ein Kreis aus Steinen. Die Römer warfen immer einen Stein in die Luft, wenn sie Jupiter anriefen. In Indien kann sogar bis auf den heutigen Tag ein Stein als Zeuge benutzt werden. In einigen Gegenden kann man einen Stein als Talisman des Gesetzes verwenden und aufgrund seines Prestiges einen Übeltäter vor Gericht ziehen. Aber gewöhnliche Sterbliche identifizieren die Gottheit nicht immer mit einem verehrungswürdigen Kultobjekt. Solche Fetische sind oft nur Symbole des wirklichen Gegenstands der Anbetung. Die Alten hatten eine besondere Ehrfurcht vor in Steinen enthaltenen Hohlräumen. Man nahm an, dass solch poröses Gestein bei der Heilung von Krankheiten außerordentlich wirkungsvoll sei. Die Ohren wurden nicht durchbohrt, um Steine zu tragen, aber man legte Steine in sie, um die Ohrhöhlen offen zu halten. Auch heutzutage noch machen abergläubische Menschen Löcher in Münzen. In Afrika machen die Eingeborenen viel Aufheben um ihre Fetischsteine. Es ist eine Tatsache, dass bei allen zurückgebliebenen Stämmen und Völkern die Steine immer noch von abergläubischer Verehrung umgeben sind. Auch heute noch ist der Steinkult auf der ganzen Welt weit verbreitet. Der Grabstein ist ein symbolisches Überbleibsel der in Stein gemeißelten Stand- und Götzenbilder im Zusammenhang mit dem Glauben an Geistwesen und an die Geister verstorbener Gefährten. Auf die Anbetung der Steine folgte die Anbetung der Berge, und die ersten verehrten Berge waren große Gesteinsformationen. Rasch stellte sich der Glaube ein, dass die Götter auf den Bergen wohnten, so dass hohe Landerhebungen aus diesem zusätzlichen Grund verehrt wurden. Mit der Zeit verknüpfte man bestimmte Berge mit bestimmten Göttern, und sie wurden deshalb heilig. Die unwissenden und abergläubischen Ureinwohner glaubten, dass die Höhlen zur Unterwelt mit ihren bösen Geistern und Dämonen führten, im Gegensatz zu den Bergen, die mit den sich später herausbildenden Vorstellungen von guten Geistern und Gottheiten identifiziert wurden. ***** 85.2 Verehrung von Pflanzen und Bäumen ***** Die Pflanzen wurden wegen der berauschenden Flüssigkeiten, die man aus ihnen gewann, zuerst gefürchtet und dann angebetet. Die primitiven Menschen glaubten, dass man durch den Rausch göttlich wurde. Man nahm an, dass in einer solchen Erfahrung etwas Ungewöhnliches und Heiliges liege. Auch heutzutage noch bezeichnet man den Alkohol als "geistiges Getränk". Die frühen Menschen betrachteten keimende Samen mit abergläubischem und heiligem Schrecken. Der Apostel Paulus war nicht der erste, der aus dem Keimen von Samen tiefen geistigen Anschauungsunterricht zog und darauf religiöse Glaubensvorstellungen gründete. Die Kulte der Baumverehrung finden sich bei den ältesten religiösen Gruppen. Alle frühen Heiraten wurden unter Bäumen abgehalten, und wenn Frauen Kinder wünschten, fand man sie manchmal draußen im Wald, wo sie liebevoll eine starke Eiche umarmten. Viele Pflanzen und Bäume wurden wegen ihrer wirklichen oder eingebildeten Heilkräfte verehrt. Die Wilden glaubten, dass alle chemischen Vorgänge auf direkte Einwirkung übernatürlicher Kräfte zurückgingen. Die Vorstellungen von Baumgeistern waren bei den verschiedenen Stämmen und Rassen sehr verschieden. Einige Bäume wurden von freundlichen Geistern bewohnt, andere beherbergten irreführende und grausame Geister. Die Finnen glaubten, dass in den meisten Bäumen freundliche Geister hausten. Die Schweizer misstrauten den Bäumen lange Zeit, weil sie überzeugt waren, dass verschlagene Geister in ihnen lebten. Die Bewohner Indiens und Ostrusslands empfinden die Baumgeister als grausam. Die Patagonier verehren die Bäume immer noch, so wie einst die frühen Semiten. Lange nachdem die Hebräer mit der Anbetung der Bäume aufgehört hatten, fuhren sie fort, ihre verschiedenen Gottheiten in Hainen zu verehren. Mit Ausnahme Chinas gab es einst einen weltweiten Kult des Baums des Lebens. Der Glaube, dass Wasser oder kostbare Metalle unter der Erdoberfläche mittels einer hölzernen Wünschelrute ausgemacht werden können, ist ein Überrest der alten Baumkulte. Im Maibaum, im Weihnachtsbaum und in der abergläubischen Gewohnheit, Holz zu berühren, leben die einstigen Bräuche der Baumanbetung und der späteren Baumkulte fort. Viele dieser frühesten Formen der Naturverehrung vermengten sich mit sich später entwickelnden Techniken der Anbetung, aber die ersten durch die mentalen Hilfsgeiste aktivierten Arten der Anbetung funktionierten lange bevor die neu erwachende religiöse Natur der Menschheit für den Stimulus geistiger Einwirkungen voll empfänglich wurde. ***** 85.3 Tierverehrung ***** Der primitive Mensch besaß ein ganz besonderes und kameradschaftliches Gefühl für die höheren Tiere. Seine Ahnen hatten unter ihnen gelebt und sich sogar mit ihnen gepaart. In Südasien glaubte man schon früh, dass die menschliche Seele in Tierform auf die Erde zurückkehre. Dieser Glaube war ein Nachhall der noch früheren Praxis der Tierverehrung. Die frühen Menschen verehrten die Tiere wegen ihrer Kraft und Schlauheit. Sie dachten, der scharfe Geruchsinn und das in große Ferne reichende Auge gewisser Geschöpfe bewiesen die Lenkung durch Geister. Alle Tiere sind zu irgendeiner Zeit durch die eine oder andere Rasse angebetet worden. Objekte der Verehrung waren ebenfalls Kreaturen, die als halb menschlich und halb tierisch galten, wie Zentauren und Meerjungfrauen. Die Hebräer verehrten die Schlangen bis in die Tage des Königs Hiskija, und die Hindus unterhalten immer noch freundliche Beziehungen zu ihren Hausschlangen. Die chinesische Drachenverehrung ist ein Überbleibsel des Schlangenkults. Die Weisheit der Schlange war ein Symbol der griechischen Medizin, und die moderne Ärzteschaft verwendet die Schlange immer noch als Emblem. Die Kunst der Schlangenbeschwörung geht auf die Tage der weiblichen Schamanen des Schlangenliebeskults zurück, die infolge täglicher Schlangenbisse immun, tatsächlich aber nach diesem Gift süchtig wurden und nicht mehr ohne es leben konnten. Die Verehrung der Insekten und anderer Tiere verbreitete sich infolge einer späteren falschen Auslegung der Goldenen Regel - anderen (jeglicher Form des Lebens) zu tun, was man wünschte, sie täten es uns. Die Alten glaubten einst, dass alle Winde von den Vogelschwingen erzeugt würden, und deshalb fürchteten sie alle geflügelten Geschöpfe und beteten sie an. Die frühen Nordländer dachten, dass Sonnen- und Mondfinsternis durch einen Wolf, der einen Teil dieser Gestirne verzehrte, verursacht würden. Die Hindus stellen Vishnu oft mit einem Pferdekopf dar. Sehr oft steht ein Tiersymbol für irgendeinen vergessenen Gott oder einen verschwundenen Kult. Schon früh in der evolutionären Religion wurde das Lamm zum typischen Opfertier und die Taube zum Symbol für Frieden und Liebe. Symbolismus in der Religion ist in dem Maße gut oder schlecht, wie das Symbol die der Anbetung zugrunde liegende Idee bestehen lässt oder sich aber an ihre Stelle setzt. Und Symbolismus darf nicht mit offener Idolatrie verwechselt werden, welche tatsächlich den materiellen Gegenstand selber anbetet. ***** 85.4 Die Verehrung der Elemente ***** Die Menschheit hat Erde, Luft, Wasser und Feuer angebetet. Die primitiven Rassen verehrten die Quellen und beteten die Flüsse an. Noch jetzt blüht in der Mongolei ein bedeutender Flusskult. Die Taufe wurde in Babylon zu einem religiösen Zeremoniell, und die Griechen praktizierten das jährliche rituelle Bad. Es fiel den Alten leicht sich vorzustellen, dass die Geister in sprudelnden Quellen, emporschießenden Fontänen, strömenden Flüssen und tosenden Wildbächen wohnten. Fließendes Wasser rief in diesen einfachen Gemütern den Glauben an eine Belebung durch Geister und übernatürliche Kräfte hervor. Manchmal wurde einem ertrinkenden Menschen aus Furcht, irgendeinen Flussgott zu beleidigen, die Hilfe verweigert. Viele Dinge und zahlreiche Ereignisse haben in verschiedenen Zeitaltern auf verschiedene Völker als religiöse Stimuli gewirkt. Manche der Bergstämme Indiens verehren den Regenbogen bis auf den heutigen Tag. Sowohl in Indien als auch in Afrika wird geglaubt, der Regenbogen sei eine gewaltige Himmelsschlange; Hebräer und Christen betrachten ihn als "den Bogen des Versprechens". Ebenso können Einflüsse, die in einem Teil der Welt als wohltätig empfunden werden, in einer anderen Region als bösartig gelten. Der Ostwind ist in Südamerika ein Gott, weil er Regen verspricht; in Indien ist er ein Dämon, weil er Staub bringt und Dürre verursacht. Die alten Beduinen glaubten, ein Naturgeist bewirke die Sandwirbel, und sogar zu den Zeiten Mose war der Glaube an Naturgeister stark genug, um in der hebräischen Theologie ihr Fortleben als Engel des Feuers, des Wassers und der Luft sicherzustellen. Wolken, Regen und Hagel wurden von zahlreichen primitiven Stämmen und vielen frühen Naturkulten gefürchtet und angebetet. Von Donner und Blitz begleitete Stürme erschreckten die frühen Menschen bis ins Mark. Diese Störungen der Elemente beeindruckten sie dermaßen, dass man den Donner für die Stimme eines erzürnten Gottes hielt. Feueranbetung und Furcht vor dem Blitz gingen Hand in Hand und waren unter vielen frühen Gruppen sehr verbreitet. In den Gemütern der durch die Furcht tyrannisierten Sterblichen verband sich das Feuer mit Magie. Ein Anhänger der Magie wird sich lebhaft eines einzigen zufällig positiven Resultats bei der Anwendung seiner magischen Formeln erinnern, während er unbekümmert Dutzende negativer Resultate, hundertprozentiger Misserfolge, vergisst. Die Feueranbetung erreichte ihren Höhepunkt in Persien, wo sie sich lange hielt. Einige Stämme verehrten das Feuer als eine wirkliche Gottheit; andere verehrten es als das flammende Symbol des reinigenden und läuternden Geistes der Gottheiten, denen sie huldigten. Jungfräulichen Vestalinnen wurde das Amt anvertraut, über heilige Feuer zu wachen, und im zwanzigsten Jahrhundert brennen immer noch überall Kerzen als Teil des Rituals vieler religiöser Dienste. ***** 85.5 Anbetung der Himmelskörper ***** Die Anbetung von Felsen, Bergen, Bäumen und Tieren entwickelte sich über die furchtsame Verehrung der Elemente ganz natürlich hinauf zur Vergöttlichung von Sonne, Mond und Sternen. In Indien und anderswo sah man die Sterne als die verherrlichten Seelen großer Menschen an, die das irdische Leben abgelegt hatten. Die Anhänger des chaldäischen Sternkultes betrachteten sich selber als die Kinder des Himmelsvaters und der Erdenmutter. Die Mondanbetung ging der Sonnenanbetung voraus. Die Verehrung des Mondes erreichte ihren Höhepunkt in der Jagdära, während die Sonnenverehrung zur religiösen Hauptzeremonie des darauf folgenden landwirtschaftlichen Zeitalters wurde. Die Sonnenanbetung schlug zuerst in Indien tiefe Wurzeln und dauerte dort auch am längsten. In Persien ließ die Sonnenverehrung den späteren mithraischen Kult entstehen. Viele Völker betrachteten die Sonne als Ahnherrin ihrer Könige. Die Chaldäer setzten sie in den Mittelpunkt der "sieben Universumskreise". Spätere Zivilisationen ehrten sie, indem sie den ersten Wochentag auf ihren Namen tauften. Der Sonnengott galt als der mystische Vater der von Jungfrauen geborenen Söhne der Bestimmung, von denen man glaubte, sie würden von Zeit zu Zeit begünstigten Rassen als Retter geschenkt. Diese übernatürlichen Kinder wurden immer den Wellen irgendeines heiligen Flusses überantwortet, um dann auf außergewöhnliche Weise gerettet zu werden, worauf sie heranwuchsen und zu wunderbaren Persönlichkeiten und Befreiern ihrer Völker wurden. ***** 85.6 Die Anbetung des Menschen ***** Nachdem der Mensch auf dem Erdboden und droben im Himmel alles angebetet hatte, zögerte er nicht, nun auch sich selber mit solcher Anbetung zu ehren. Das einfache Gemüt des Wilden macht keine klaren Unterschiede zwischen Tieren, Menschen und Göttern. Der frühe Mensch betrachtete alle ungewöhnlichen Personen als übermenschlich, und er fürchtete sich vor solchen Wesen so sehr, dass er sie in heiliger Scheu verehrte; in gewissem Maße betete er sie buchstäblich an. Sogar Zwillinge zu bekommen, betrachtete man entweder als großes Glück oder aber als großes Unglück. Geisteskranke, Epileptiker und Schwachsinnige wurden von ihren normalen Gefährten oft angebetet, weil sie glaubten, dass in solchen abnormen Wesen Götter wohnten. Priester, Könige und Propheten wurden verehrt; die heiligen Menschen von einst galten als von den Gottheiten inspiriert. Die Stammeshäuptlinge wurden nach ihrem Tod deifiziert. Später wurden hervorragende Seelen nach ihrem Ableben geheiligt. Ohne Beihilfe hat die Evolution für Götter nie einen höheren Ursprung angenommen als den von verherrlichten, erhobenen und weiterentwickelten Geistern dahingegangener Menschen. In der frühen Evolution schafft die Religion ihre eigenen Götter; im Verlauf der Offenbarung formulieren die Götter die Religion. Die evolutionäre Religion erschafft sich ihre Götter nach dem Bilde und der Ähnlichkeit des sterblichen Menschen; die offenbarte Religion versucht, den sterblichen Menschen nach und nach in das Bild und die Ähnlichkeit Gottes zu verwandeln. Man sollte Geistergötter angeblich menschlichen Ursprungs und Naturgötter auseinander halten, denn die Anbetung der Natur brachte ein ganzes Pantheon hervor - Naturgeister, die in die Stellung von Göttern emporgehoben wurden. Die Naturkulte fuhren fort, sich neben den später erscheinenden Geisterkulten zu entwickeln, und beide beeinflussten einander. Viele religiöse Systeme besaßen eine doppelte Vorstellung von Gottheit - Naturgötter neben Geistergöttern. In einigen Theologien sind beide Vorstellungen eng verschlungen, wie das Beispiel Thors, eines Geisterhelden, belegt, der zugleich auch Herr des Blitzes war. Aber die Anbetung des Menschen durch den Menschen erreichte ihren Höhepunkt, als zeitliche Herrscher solche Verehrung von ihren Untertanen forderten und sich zur Unterstützung ihres Anspruchs auf ihre Abstammung von der Gottheit beriefen. ***** 85.7 Die Hilfsgeiste der Anbetung und Weisheit ***** Es mag scheinen, als sei die Anbetung der Natur in den Gemütern der primitiven Männer und Frauen ganz natürlich und spontan entstanden, und dem war auch so; aber in denselben primitiven Gemütern war all diese Zeit über der sechste Hilfsgeist am Werk, der in dieser menschlichen Evolutionsphase als richtungweisender Einfluss an die Völker verschenkt worden war. Und dieser Geist stimulierte beständig den in der menschlichen Gattung vorhandenen Trieb zur Anbetung, wie primitiv auch dessen erste Äußerungen sein mochten. Der Geist der Anbetung legte den definitiven Grund zum menschlichen Anbetungsdrang, auch wenn tierische Angst den Anlass zur Äußerung der Anbetung gab, und auch wenn sich deren frühe Praxis auf Gegenstände der Natur festlegte. Ihr müsst euch daran erinnern, dass Fühlen, und nicht Denken, in der ganzen evolutionären Entwicklung der führende und bestimmende Einfluss war. Das primitive Gemüt macht kaum einen Unterschied zwischen Fürchten, Ausweichen, Ehren und Anbeten. Wenn der Anbetungsdrang durch Weisheit - durch meditatives und sich auf Erfahrung stützendes Denken - zurechtgewiesen und geführt wird, beginnt er, in das Phänomen eigentlicher Religion überzugehen. Wenn der siebente Hilfsgeist, der Geist der Weisheit, wirksam in Aktion tritt, dann beginnt die Anbetung, sich von der Natur und den natürlichen Gegenständen weg- und dem Gott der Natur und dem ewigen Schöpfer aller natürlichen Dinge zuzuwenden. [Dargeboten von einem Leuchtenden Abendstern Nebadons.] ****** Kapitel 86 Die Frühe Evolution der Religion ****** DIE Evolution der Religion, ausgehend vom bereits vorhandenen primitiven Drang zur Anbetung, ist nicht von Offenbarung abhängig. Das normale Funktionieren des menschlichen Verstandes unter dem lenkenden Einfluss der universell ausgeteilten mentalen Hilfsgeiste sechs und sieben ist völlig ausreichend, um eine solche Entwicklung sicherzustellen. Des Menschen früheste vorreligiöse Furcht vor den Naturkräften verwandelte sich allmählich in demselben Maße in Religion, wie die Natur im menschlichen Bewusstsein verpersönlicht, vergeistigt und schließlich vergöttlicht wurde. Die Religion primitiver Art war deshalb eine natürliche biologische Folge der psychologischen Trägheit sich entwickelnder tierischer Gemüter, nachdem in diesen einmal Vorstellungen vom Übernatürlichen Fuß gefasst hatten. ***** 86.1 Der Zufall: Glück und Pech ***** Nebst dem natürlichen Drang zur Anbetung hatte die frühe evolutionäre Religion ihre Wurzeln in der menschlichen Erfahrung des Zufalls - im so genannten Glück, in ganz alltäglichen Geschehnissen. Der primitive Mensch war ein Nahrungsjäger. Die Jagdbeute fällt wohl oder übel immer anders aus, und das lässt mit Sicherheit jene Erfahrungen entstehen, die der Mensch als Glück oder Pech interpretiert. Pech war ein wichtiger Faktor im Leben von Männern und Frauen, die immer hart am Rande einer gefährdeten und bedrängten Existenz lebten. Der beschränkte intellektuelle Horizont des Wilden konzentriert seine Aufmerksamkeit so sehr auf den Zufall, dass Glück und Pech in seinem Leben zu einem ständigen Faktor werden. Die primitiven Urantianer kämpften um ihr nacktes Dasein und nicht für einen Lebensstandard; sie lebten ein sehr gefährliches Leben, in dem der Zufall eine wichtige Rolle spielte. Die ständige Bedrohung durch unbekanntes und unsichtbares Unheil hing über diesen Wilden wie eine Wolke der Verzweiflung, die sich wirksam vor jede Freude schob. Sie lebten in ständiger Angst davor, etwas zu tun, was Unglück über sie hätte bringen können. Die abergläubischen Wilden fürchteten sich immer vor einer Kette glücklicher Zufälle; sie sahen in einer solchen Glückssträhne einen sicheren Vorboten von Unheil. Diese unablässige Bedrohung durch Unglück wirkte lähmend. Wieso hart arbeiten, nur um Unglück zu ernten - nichts für etwas - während man sich doch treiben lassen und das Glück finden konnte - etwas für nichts? Gedankenlose Menschen vergessen ihr Glück - sie nehmen es als etwas Selbstverständliches an - aber sie behalten ihr Pech in schmerzlicher Erinnerung. Der frühe Mensch lebte in Unsicherheit und ständiger Furcht vor den Launen des Schicksals - vor Unglück. Das Leben war ein aufregendes Glücksspiel; die Existenz war ein Vabanquespiel. Es verwundert nicht, dass teilweise zivilisierte Menschen immer noch an den Zufall glauben und einen hartnäckigen Hang zum Spielen zeigen. Der primitive Mensch wurde zwischen zwei mächtigen Interessen hin- und hergerissen: zwischen der Leidenschaft, etwas im Austausch gegen nichts zu erhalten, und der Furcht, im Austausch gegen etwas nichts zu erhalten. Und dieses Glücksspiel der Existenz bildete das Hauptinteresse des frühen Wilden und faszinierte sein Gemüt mehr als alles andere. Die späteren Hirten hatten die gleichen Ansichten über Zufall und Glück, während die noch späteren Ackerbauern sich immer bewusster wurden, dass die Saaten durch vieles unmittelbar beeinflusst wurden, worüber der Mensch geringe oder gar keine Macht besaß. Der Ackerbauer wurde das Opfer von Dürre, Überschwemmungen, Hagel, Stürmen, Schädlingen und Pflanzenkrankheiten sowie von Hitze und Kälte. Und da sich all diese natürlichen Einflüsse auf das individuelle Wohlergehen auswirkten, wurden sie als Glück oder Pech betrachtet. Diese Vorstellung von Zufall und Glück durchdrang die Philosophie aller alten Völker. Selbst in neuerer Zeit liest man im Prediger Salomo: "Ich wandte mich um und sah, dass nicht der Schnelle den Wettlauf, noch der Starke die Schlacht gewinnt, dass der Weise ohne Brot und der Intelligente ohne Reichtum ist und dem Könner kein Beifall gezollt wird, dass aber allen Schicksal und Zufall widerfahren. Denn der Mensch kennt sein Los nicht; wie Fische in ein Unglücksnetz geraten oder Vögel sich in einer Schlinge verfangen, so tappen die Söhne der Menschen in die Falle einer Unglücksstunde, die plötzlich über sie hereinbricht." ***** 86.2 Die Personifizierung des Zufalls ***** Angst war die natürliche Gemütsverfassung des Wilden. Wenn Männer und Frauen Opfer übertriebener Angst werden, kehren sie ganz einfach zum natürlichen Zustand ihrer fernen Altvorderen zurück; und wenn Angst wirklich quälend wird, hemmt sie die Aktivität und löst unweigerlich evolutionäre Veränderungen und biologische Anpassungen aus. Schmerzen und Leiden sind für die fortschreitende Evolution unerlässlich. Der Lebenskampf ist so schmerzhaft, dass gewisse zurückgebliebene Stämme sogar heute noch jeden neuen Sonnenaufgang mit Heulen und Wehklagen begrüßen. Der primitive Mensch fragte sich ständig: "Wer quält mich?" Da er für seine Nöte keine materielle Ursache fand, verfiel er darauf, sie sich durch das Wirken von Geistern zu erklären. Und so wurde die Religion aus der Furcht vor dem Geheimnisvollen geboren, aus einem heiligen Schrecken vor dem Unsichtbaren und aus der Bedrohung durch das Unbekannte. Die Furcht vor der Natur wurde also zu einem Faktor im Lebenskampf, zuerst wegen des Zufalls und danach wegen des Geheimnisvollen. Der primitive Verstand war logisch, enthielt aber nur wenig Ideen, die sich intelligent mitein-ander verknüpfen ließen; der Verstand des Wilden war ungebildet, völlig unverbildet. Wenn auf ein Ereignis ein anderes folgte, betrachtete der Wilde sie wie Ursache und Wirkung. Was der zivilisierte Mensch als Aberglauben betrachtet, war beim Wilden nichts als schlichte Unwissenheit. Die Menschheit hat nur sehr langsam gelernt, dass zwischen verfolgten Zielen und Ergebnissen nicht notwendigerweise eine Beziehung besteht. Die menschlichen Wesen erwachen eben jetzt erst zu dem Bewusstsein, dass die Daseinsreaktionen zwischen den Handlungen und ihren Folgen auftreten. Der Wilde ist bestrebt, alles nicht Greifbare und Abstrakte zu personifizieren, und so verpersönlichen sich sowohl Natur wie Zufall als Phantome - Geister - und später als Götter. Der Mensch neigt ganz natürlich dazu, an das zu glauben, was ihm für sich das Beste scheint, was in seinem unmittelbaren oder ferneren Interesse liegt; Eigeninteresse verdunkelt die Logik weitgehend. Der Unterschied zwischen den Gemütern von Wilden und von zivilisierten Menschen besteht mehr im Inhalt als im Wesen, ist mehr ein gradueller als ein qualitativer Unterschied. Aber damit fortzufahren, schwer verständliche Dinge übernatürlichen Ursachen zuzuschreiben, ist nichts weniger als ein träger und bequemer Weg, allen Formen anstrengender Gedankenarbeit auszuweichen. Glück ist nur ein Wort, das geprägt wurde, um in jedem Zeitalter menschlicher Existenz das Unerklärliche zu verhüllen; es bezeichnet jene Phänomene , welche zu ergründen die Menschen unfähig oder nicht willens sind. Glück ist ein Ausdruck, der bedeutet, dass der Mensch zu unwissend oder zu träge ist, um die Ursachen zu bestimmen. Die Menschen betrachten ein natürliches Ereignis nur dann als bösen Zufall oder Pech, wenn sie ohne Neugier und Einfallsreichtum sind, wenn es den Rassen an Initiative und Abenteuergeist fehlt. Die Erforschung der Lebensphänomene zerstört früher oder später den Glauben der Menschen an Chance, Glück und so genannte Zufälle und setzt an ihre Stelle ein auf Gesetz und Ordnung beruhendes Universum, in dem allen Wirkungen ganz bestimmte Ursachen vorausgehen. Und damit tritt Lebensfreude an die Stelle von Daseinsangst. Der Wilde betrachtete die ganze Natur als etwas Belebtes, wovon irgendetwas Besitz ergriffen hatte. Immer noch räumt der zivilisierte Mensch unbelebte Gegenstände, die sich ihm in den Weg stellen oder ihn stoßen, mit einem Fußtritt beiseite und verwünscht sie. Für den primitiven Menschen gab es nie etwas Zufälliges; alles geschah immer absichtlich. Ihm kamen der Bereich des Schicksals, die Funktion des Zufalls und die Geisterwelt ebenso unorganisiert und willkürlich vor, wie es die primitive Gesellschaft selber war. In Glück und Pech sah man die willkürliche und temperamentvolle Reaktion der Geisterwelt und später die Launen der Götter. Aber nicht alle Religionen entwickelten sich aus dem Animismus. Es gab gleichzeitig mit Animismus andere Vorstellungen vom Übernatürlichen, und auch diese Glaubensvorstellungen führten zur Anbetung. Der Naturalismus ist keine Religion - er ist aus ihr hervorgegangen. ***** 86.3 Der Tod - der Unerklärliche ***** Der Tod war für den sich entwickelnden Menschen der allergrößte Schock, die verwirrendste Kombination aus Zufall und Geheimnis. Nicht die Heiligkeit des Lebens, sondern der Schock des Todes rief Furcht hervor und förderte damit die Religion wirksam. Unter den wilden Völkern trat der Tod meist durch Gewalt ein, so dass ein nicht gewaltsamer Tod immer mysteriöser wurde. Der Tod als natürliches und zu erwartendes Lebensende war dem Bewusstsein der Primitiven nicht klar, und der Mensch brauchte ganze Zeitalter, um die Unausweichlichkeit des Todes zu realisieren. Der frühe Mensch nahm das Leben als eine Tatsache hin, während er den Tod als irgendeine Heimsuchung betrachtete. Alle Rassen besitzen ihre Legenden von Menschen, die nicht starben, überlieferte Spuren der frühen Haltung gegenüber dem Tod. Schon gab es im menschlichen Verstand die neblige Vorstellung von einer schleierhaften, unorganisierten Geisterwelt, von einem Bereich, dem alles Unerklärliche des Menschenlebens entstammte, und der Tod wurde dieser langen Liste unerklärter Phänomene hinzugefügt. Am Anfang glaubte man, dass jede menschliche Krankheit und der natürliche Tod auf die Einwirkung von Geistern zurückgingen. Sogar noch heutzutage betrachten einige zivilisierte Rassen die Krankheit als etwas von "dem Feind" Verursachtes und verlassen sich für die Heilung auf religiöse Zeremonien. Auch spätere und komplexere theologische Systeme schreiben den Tod dem Wirken der Geisterwelt zu; all das hat zu Doktrinen wie Erbsünde und Fall des Menschen geführt. Es waren das Innewerden seiner Ohnmacht gegenüber den mächtigen Naturgewalten und die Erkenntnis der menschlichen Schwäche angesichts der Heimsuchungen durch Krankheit und Tod, die den Wilden nötigten, sich um Hilfe an die übermaterielle Welt zu wenden, in der er verschwommen die Quelle dieser geheimnisvollen Wechselfälle des Lebens erblickte. ***** 86.4 Die Vorstellung von einem Fortleben nach dem Tode ***** Die Vorstellung von einer übermateriellen Phase der sterblichen Persönlichkeit entstand aus der unbewussten und rein zufälligen Verknüpfung von Begebenheiten des täglichen Lebens mit dem Phantomtraum. Wenn mehrere Mitglieder eines Stammes gleichzeitig von ihrem verstorbenen Häuptling träumten, schien das ein überzeugender Beweis dafür, dass der alte Häuptling tatsächlich in irgendeiner Gestalt zurückgekehrt war. All das besaß für den Wilden, der aus solchen Träumen schweißgebadet, zitternd und schreiend aufwachte, große Wirklichkeit. Die Tatsache, dass der Glaube an eine künftige Existenz seine Wurzeln im Traum hat, erklärt die Neigung, sich nie erblickte Dinge stets in Gestalt bekannter Dinge vorzustellen. Und bald begann diese aus Phantomträumen hervorgegangene neue Vorstellung von einem zukünftigen Leben, ein wirksames Gegengift gegen die mit dem biologischen Instinkt der Selbsterhaltung einhergehende Todesangst zu liefern. Der frühe Mensch wurde auch sehr beunruhigt durch seinen Atem, besonders in kalten Klimas, wo dieser beim Ausatmen als Wolke erschien. Der Lebensatem wurde als jenes Phänomen angesehen, das Lebendiges von Totem unterschied. Der Primitive wusste, dass der Atem den Körper verlassen konnte, und seine Träume, in denen er allerlei wunderliche Dinge tat, überzeugten ihn davon, dass am menschlichen Wesen etwas Immaterielles war. Die primitivste Vorstellung von der menschlichen Seele, das Phantom, ging aus dem mit Atem und Traum verknüpften Ideensystem hervor. Schließlich sah der Wilde sich selbst als ein Doppelwesen - als Körper und Atem. Der Atem abzüglich des Körpers kam einem Geist, einem Phantom gleich. Obwohl die Phantome oder Geister einen eindeutig menschlichen Ursprung hatten, betrachtete man sie als übermenschlich. Und dieser Glaube an die Existenz entkörperlichter Geister schien das Eintreten alles Ungewöhnlichen, Außerordentlichen, Seltenen und Unbegreiflichen zu erklären. Die primitive Lehre von einem Fortleben nach dem Tode war nicht notwendigerweise ein Glaube an Unsterblichkeit. Wesen, die nicht weiter als bis zwanzig zählen konnten, waren schwerlich imstande, sich die Unendlichkeit oder Ewigkeit vorzustellen; sie dachten eher an wiederkehrende Inkarnationen. Ganz besonders die orange Rasse glaubte an Seelenwanderung und Reinkarnation. Die Idee der Reinkarnation entsprang der Beobachtung, dass Nachkommen in Erbmerkmalen und Wesenszügen oft ihren Ahnen glichen. Der Brauch, Kinder nach ihren Großeltern und anderen Vorfahren zu benennen, hatte seinen Grund im Glauben an die Reinkarnation. Einige spätere Rassen glaubten, der Mensch sterbe drei- bis siebenmal. Dieser Glaube (Überbleibsel der Lehren Adams über die Residenzwelten) und viele andere Überreste offenbarter Religion können unter den im Übrigen absurden Lehren von Barbaren des zwanzigsten Jahrhunderts gefunden werden. Der frühe Mensch dachte weder an Hölle noch an künftige Bestrafung. Der Wilde stellte sich das zukünftige Leben gerade so wie das hiesige vor, abzüglich des Pechs. Später kam man auf die Idee einer getrennten Bestimmung für gute Phantome und böse Phantome - Himmel und Hölle. Aber da viele primitive Rassen glaubten, dass der Mensch ganz so ins nächste Leben eintrete, wie er das gegenwärtige verließ, fanden sie keinen Geschmack an der Idee, alt und hinfällig zu werden. Die Betagten zogen es viel eher vor, getötet zu werden, bevor sie gebrechlich wurden. Fast jede Volksgruppe machte sich eine andere Vorstellung von der Bestimmung der Phantomseele. Die Griechen glaubten, dass schwache Menschen schwache Seelen besäßen; so erfanden sie den Hades als passenden Ort für die Aufnahme solch blutarmer Seelen; ihnen zufolge hatten diese schwächlichen Seelen auch kürzere Schatten. Die frühen Anditen dachten, dass ihre Phantome in die Stammlande ihrer Ahnen zurückkehrten. Die Chinesen und Ägypter glaubten einst, dass Körper und Seele zusammenblieben. Bei den Ägyptern führte dies zu sorgfältigen Grabkonstruktionen und zum Bemühen um Körperkonservierung. Sogar moderne Völker versuchen, den Zerfall der Toten zu verhindern. Die Hebräer stellten sich vor, dass ein Phantom-Ebenbild des Einzelnen in den Scheol hinuntersteige; es konnte nicht in das Land der Lebenden zurückkehren. Sie machten tatsächlich diesen wichtigen Fortschritt in der Lehre von der Evolution der Seele. ***** 86.5 Die Vorstellung von der Phantomseele ***** Der nichtmaterielle Teil des Menschen ist verschiedentlich als Phantom, Geist, Schatten, Gespenst und später als Seele bezeichnet worden. Die Seele war der Traum-Doppelgänger des frühen Menschen; sie glich in jeder Hinsicht genau dem Sterblichen selber, außer dass sie nicht auf Berührung reagierte. Dieser Glaube an Traum-Doppelgänger führte direkt zu der Vorstellung, dass gleich den Menschen alle lebendigen und leblosen Dinge Seelen hätten. Und diese Auffassung trug lange Zeit dazu bei, den Glauben an Naturgeister aufrechtzuerhalten; die Eskimos leben noch immer mit der Vorstellung, dass alles in der Natur einen Geist habe. Die Phantomseele konnte gehört und gesehen, nicht aber berührt werden. Allmählich entwickelte und erweiterte das Traumleben der Rasse die Aktivitäten der sich bildenden Geisterwelt dermaßen, dass der Tod schließlich als ein "Aufgeben des Geistes" angesehen wurde. Alle primitiven Stämme mit Ausnahme derer, die nur wenig über dem Tier standen, haben irgendeine Vorstellung von der Seele entwickelt. Mit fortschreitender Zivilisation wird diese abergläubische Vorstellung von der Seele zerstört, und der Mensch hängt nun völlig von Offenbarung und persönlicher religiöser Erfahrung ab für seine neue Idee von der Seele als einer gemeinsamen Schöpfung des Gott kennenden Verstandes des Menschen und des ihm innewohnenden göttlichen Geistes, des Gedankenjustierers. Den frühen Sterblichen gelang es gewöhnlich nicht, die beiden Konzepte eines innewohnenden Geistes und einer Seele evolutionärer Natur auseinanderzuhalten. Der Wilde war in großer Verwirrung wegen der Frage, ob die Phantomseele dem Körper eingeboren oder eine äußere, den Körper beherrschende Wirkkraft sei. Das Fehlen vernünftigen Denkens bei so viel Ratlosigkeit erklärt die krasse Unlogik, die der Wilde in seinen Ansichten über Seelen, Phantome und Geister bewies. Man dachte, die Seele verhalte sich zum Körper wie der Duft zur Blume. Die Alten dachten, die Seele könne den Körper bei verschiedenster Gelegenheit verlassen wie z. B.: 1. Bei gewöhnlicher, vorübergehender Ohnmacht. 2. Während des Schlafs und natürlichen Träumens. 3. Im Koma und bei Bewusstlosigkeit im Zusammenhang mit Krankheit und Unfällen. 4. Beim Tod, dem endgültigen Abschied. Der Wilde hielt Niesen für einen misslungenen Versuch der Seele, dem Körper zu entfliehen. Im Wachzustand war der Körper auf der Hut und in der Lage, einen Fluchtversuch der Seele zu vereiteln. Später begleitete man Niesen stets mit irgendeiner religiösen Redensart wie "Gott segne dich!" In der frühen Evolution wurde der Schlaf als Beweis dafür betrachtet, dass die Phantomseele vom Körper abwesend sein konnte, und man glaubte sie zurückrufen zu können, indem man den Namen des Schläfers aussprach oder laut rief. Bei anderen Formen der Bewusstlosigkeit nahm man an, die Seele sei weiter weggegangen und versuche vielleicht, für immer auszubrechen - drohender Tod. Die Träume hielt man für die Erlebnisse der Seele im Schlaf während ihrer vorübergehenden Abwesenheit vom Körper. Der Wilde hält seine Träume für genauso real wie irgendeinen Teil seiner Erfahrung im Wachzustand. Die Alten pflegten die Schlafenden allmählich aufzuwecken, um der Seele Zeit zu geben, in den Körper zurückzukehren. Durch alle Zeitalter hindurch hatten die Menschen große Ehrfurcht vor den nächtlichen Traumbildern, und die Hebräer machten dabei keine Ausnahme. Sie glaubten wirklich, Gott spreche zu ihnen durch Träume, obwohl sich Moses ausdrücklich gegen diese Idee wandte. Und Moses hatte Recht, denn die gewöhnlichen Träume sind nicht die von den Persönlichkeiten der geistigen Welt benutzte Methode, wenn sie mit materiellen Wesen in Verbindung zu treten wünschen. Die Alten glaubten, dass die Seelen in Tiere oder gar in leblose Objekte fahren konnten. Das gipfelte in den Werwolfideen der Tier-Identifikation. Jemand konnte bei Tage ein gesetzestreuer Bürger sein, aber einmal eingeschlafen, konnte seine Seele in einen Wolf oder in ein anderes Tier eindringen und nachts herumschleichen und Verwüstungen anrichten. Die primitiven Menschen glaubten, die Seele sei eng mit dem Atem verbunden und ihre Eigenschaften könnten durch den Atem verliehen oder übertragen werden. Der tapfere Häuptling pflegte auf das Neugeborene zu atmen und ihm dadurch Mut einzuhauchen. Unter frühen Christen ging die Zeremonie der Ausgießung des Heiligen Geistes einher mit einem Anhauchen der Anwärter. Der Psalmist sprach: "Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel erschaffen und all ihre Heerscharen durch den Atem seines Mundes." Lang lebte der Brauch, dass der älteste Sohn versuchte, den letzten Atemzug seines sterbenden Vaters zu erhaschen. Später entstand die Furcht vor dem Schatten, der ebenso sehr verehrt wurde wie der Atem. Das eigene Spiegelbild im Wasser wurde auch manchmal als Beweis des doppelten Selbst angesehen, und Spiegeln begegnete man mit abergläubischer Furcht. Auch heute noch drehen zivilisierte Personen den Spiegel bei einem Todesfall zur Wand. Einige zurückgebliebene Stämme glauben immer noch, dass die Anfertigung von Bildern, Zeichnungen, Modellen oder Statuen einen Teil der Seele aus dem Körper ziehe; deshalb ist all das verboten. Im Allgemeinen wurde die Seele mit dem Atem identifiziert, aber verschiedene Völker vermuteten ihren Sitz im Kopf, in den Haaren, im Herzen, in der Leber, im Blut oder im Fett. Das "Schreien des Blutes Abels vom Ackerboden" ist Ausdruck des einstigen Glaubens an die Anwesenheit der Seele im Blut. Die Semiten lehrten, dass die Seele im Körperfett wohne, und bei vielen von ihnen war das Verspeisen von Tierfett tabu. Die Kopfjägerei und auch das Skalpieren waren Methoden, um der Seele eines Feindes habhaft zu werden. In neuerer Zeit hat man die Augen als die Fenster der Seele angesehen. Diejenigen, welche die Lehre von drei oder vier Seelen vertraten, glaubten, dass der Verlust einer Seele Unbehagen, von zweien Krankheit und von dreien den Tod bedeutete. Eine der Seelen lebte im Atem, eine im Kopf, eine im Haar und eine im Herzen. Man riet den Kranken, an der frischen Luft spazieren zu gehen, um ihre herumstreunenden Seelen wieder einzufangen. Den größten Medizinmännern sagte man nach, sie tauschten die angeschlagene Seele einer erkrankten Person gegen eine neue, die "neue Geburt", aus. Die Kinder Badonans entwickelten einen Glauben an zwei Seelen, Atem und Schatten. Für die frühen Noditenrassen bestand der Mensch aus zwei Personen, aus Seele und Körper. Diese Philosophie der menschlichen Existenz fand später ihr Echo in der griechischen Anschauung. Die Griechen selber glaubten an drei Seelen; die pflanzliche wohnte im Magen, die tierische im Herzen und die intellektuelle im Kopf. Die Eskimos glauben, dass der Mensch aus drei Teilen besteht: aus Körper, Seele und Namen. ***** 86.6 Die Phantom-Geister-umwelt ***** Der Mensch erbte eine natürliche Umwelt, erwarb eine soziale Umwelt und ersann eine Phantomumwelt. Der Staat ist die Antwort des Menschen auf seine natürliche Umwelt, das Heim auf seine soziale Umwelt und die Kirche die Antwort auf seine illusorische Phantomumwelt. Schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte wurde allgemein an die Realität einer eingebildeten Welt von Phantomen und Geistern geglaubt, und diese neue Geister-Fantasiewelt wurde zu einer Macht in der primitiven Gesellschaft. Das mentale und sittliche Leben der ganzen Menschheit wurde für alle Zeiten verändert durch das Erscheinen dieses neuen Faktors im menschlichen Denken und Handeln. Auf diesem hauptsächlichen Nährboden von Illusion und Unwissenheit hat die menschliche Furcht allen späteren Aberglauben und alle Religion der primitiven Völker wachsen lassen. Diese waren bis zu den Zeiten der Offenbarung die einzige Religion des Menschen, und heutzutage haben viele Rassen der Welt nur diese rohe Evolutionsreligion. Als die Evolution fortschritt, wurde Glück mit guten Geistern und Pech mit bösen Geistern verbunden. Die Widerwärtigkeiten der erzwungenen Anpassung an eine sich verändernde Umwelt wurden als Mangel an Glück, als Missvergnügen der Phantomgeister angesehen. Der primitive Mensch entwickelte seine Religion langsam aus seinem angeborenen Verehrungsdrang und aus seiner irrigen Vorstellung vom Zufall. Der zivilisierte Mensch sorgt für Versicherungssysteme, um die zufälligen Ereignisse in den Griff zu bekommen; die moderne Wissenschaft setzt den Versicherungsstatistiker mit seinen mathematischen Berechnungen an die Stelle fiktiver Geister und launischer Götter. Jede vorbeigehende Generation lächelt über die läppischen abergläubischen Vorstellungen der Altvorderen, während sie in Denken und Religion an irrigen Vorstellungen festhält, die ihrerseits eine aufgeklärte Nachwelt zum Lächeln bringen werden. Aber zuguterletzt beschäftigte sich der Verstand des primitiven Menschen mit Gedanken, welche über all seine angeborenen biologischen Triebe hinausgingen; endlich war der Mensch dabei, eine Lebenskunst auszuarbeiten, die auf etwas Höherem beruhte als der Antwort auf materielle Reize. Ansätze einer primitiven philosophischen Lebenshaltung machten sich bemerkbar. Das Leben begann nach übernatürlichen Maßstäben zu funktionieren, denn wenn ein Phantomgeist Unglück brachte, wenn er aufgebracht war, und Glück, wenn er guter Laune war, dann hatte sich das menschliche Verhalten danach zu richten. Endlich hatte sich die Vorstellung von gut und böse entwickelt; und all das geschah, lange bevor auf Erden irgendeine Offenbarung gemacht wurde. Mit dem Auftauchen dieser Konzepte begann auch der lange und Kräfte verschleißende Kampf zur Besänftigung der stets missvergnügten Geister, die versklavende Knechtung durch die evolutionäre religiöse Angst, die lange Verschwendung menschlicher Anstrengungen an Gräber, Tempel, Opfer und Priestertum. Ein schrecklicher, entsetzlicher Preis musste bezahlt werden, aber er war das wert, was er gekostet hatte, denn der Mensch gewann dabei ein natürliches Bewusstsein vom relativen Guten und Bösen; die menschliche Ethik war geboren! ***** 86.7 Die Funktion primitiver Religion ***** Der Primitive empfand die Notwendigkeit einer Versicherung, und er bezahlte deshalb willig seine drückenden Prämien aus Angst, Aberglauben, Bedrohung und Priestergeschenken für seine magische Versicherungspolice gegen Pech. Die primitive Religion war nichts anderes als die Bezahlung von Versicherungsprämien gegen die Gefahren der Wälder; der zivilisierte Mensch bezahlt materielle Prämien, um sich gegen Industrieunfälle und die Risiken moderner Lebensweisen abzusichern. Die moderne Gesellschaft verlagert das Versicherungswesen aus dem Zuständigkeitsbereich der Priester und der Religion in den wirtschaftlichen Sektor. Die Religion selber beschäftigt sich immer mehr mit der Lebensversicherung jenseits des Grabes. Die modernen Menschen, oder wenigstens die denkenden unter ihnen, bezahlen keine kostspieligen Prämien mehr, um sich das Glück gefügig zu machen. Langsam erhebt sich die Religion zu höheren philosophischen Ebenen im Gegensatz zu ihrer früheren Rolle als Versicherungssystem gegen Pech. Aber diese alten Vorstellungen von Religion bewahrten die Menschen davor, fatalistisch oder hoffnungslos pessimistisch zu werden; sie glaubten, wenigstens etwas tun zu können, um ihr Schicksal zu beeinflussen. Die Religion der Phantomfurcht prägte den Menschen tief ein, dass sie ihr Verhalten regeln mussten, dass es eine übermaterielle Welt gab, die die menschliche Bestimmung in der Hand hatte. Die modernen zivilisierten Rassen sind gerade im Begriff, die Furcht vor den Phantomen als den Verantwortlichen für glückliche und unglückliche Zufälle und für die gewöhnlichen Ungleichheiten der Existenz abzustreifen. Die Menschheit befreit sich von der Knechtschaft, Unglück mit dem Wirken von Phantomgeistern zu erklären. Aber während die Menschen im Begriff sind, die irrige Vorstellung aufzugeben, dass die Wechselfälle des Lebens durch Geister verursacht werden, legen sie eine erstaunliche Bereitschaft an den Tag, eine fast ebenso trügerische Lehre anzunehmen, die sie einlädt, alle menschlichen Ungleichheiten politischen Fehlanpassungen, sozialer Ungerechtigkeit und industriellem Wettbewerb zuzuschreiben. Aber neue Gesetze, zunehmende Philanthropie und verstärkte industrielle Reorganisation, wie gut sie an sich auch immer sein mögen, werden die Tatsachen der Geburt und die Zwischenfälle des Lebens nicht wegräumen. Einzig das Verständnis der Tatsachen und weise Manipulation im Rahmen der Naturgesetze werden den Menschen befähigen, zu erhalten, was er wünscht, und zu vermeiden, was er nicht wünscht. Wissenschaftliche Kenntnisse, die zu wissenschaftlichem Handeln führen, sind das einzige Gegenmittel gegen so genannte zufällige Übel. Industrie, Krieg, Sklaverei und Zivilregierung entstanden als Antwort auf die gesellschaftliche Entwicklung des Menschen in seinem natürlichen Umfeld; in gleicher Weise entstand die Religion als seine Antwort auf das illusorische Umfeld einer eingebildeten Phantomwelt. Die Religion war eine evolutionäre Entwicklung der Selbsterhaltung, und sie hat funktioniert, obwohl sie ursprünglich von irrigen und völlig unlogischen Vorstellungen ausging. Durch die mächtige, überwältigende Kraft unbegründeter Furcht hat die primitive Religion den Boden des menschlichen Verstandes für das Geschenk einer wirklichen geistigen Kraft übernatürlichen Ursprungs, für den Gedankenjustierer, bereitet. Und seither haben sich die göttlichen Justierer stets bemüht, Gottesfurcht in Gottesliebe umzuwandeln. Die Evolution ist vielleicht langsam, aber sie ist von unfehlbarer Wirksamkeit. [Dargeboten von einem Abendstern Nebadons.] ****** Kapitel 87 Die Phantomkulte ****** DER Phantomkult entwickelte sich als Ausgleich zu den Risiken drohenden Unglücks; seine primitiven religiösen Gepflogenheiten waren die natürliche Folge der Angst vor Pech und einer maßlosen Furcht vor den Toten. Keine dieser frühen Religionen hatte viel mit der Anerkennung einer Gottheit oder mit Ehrfurcht vor Übermenschlichem zu tun; ihre Riten waren meist negativer Art, denn sie waren bestimmt, die Phantome zu meiden, zu vertreiben oder zu nötigen. Der Phantomkult war nichts mehr und nichts weniger als eine Versicherung gegen Unheil, er hatte nichts zu tun mit Investitionen für höhere, zukünftige Erträge. Der Mensch hat mit dem Phantomkult einen langen und erbitterten Kampf gefochten. Nichts in der ganzen Menschheitsgeschichte vermag mehr Mitleid zu erregen als dieses Bild des durch seine Furcht vor phantomatischen Geistern elendiglich geknechteten Menschen. Aber gerade mit der Geburt dieser Furcht leitete die Menschheit den Aufstieg der religiösen Evolution ein. Die menschliche Einbildungskraft hat die Küste des Selbst verlassen und wird nicht eher wieder einen Ankerplatz finden, als bis sie zum Konzept einer wahren Gottheit, eines wirklichen Gottes, gelangt. ***** 87.1 Furcht vor den Phantomen ***** Man fürchtete den Tod, weil er bedeutete, dass sich wieder ein Phantom aus seinem physischen Körper befreit hatte. Die Alten taten, was sie nur konnten, um dem Tod vorzubeugen, um der Schwierigkeit, mit einem neuen Phantom ringen zu müssen, aus dem Wege zu gehen. Sie waren immer ängstlich bemüht, das Phantom dazu zu bewegen, die Sterbeszene zu verlassen und sich auf die Reise ins Totenland zu begeben. Am meisten fürchtete man sich vor dem Phantom während der vermuteten Übergangsphase zwischen seiner Befreiung zum Zeitpunkt des Todes und seiner späteren Abreise in die Heimat der Phantome, dem einer verschwommenen und primitiven Vorstellung entsprungenen Pseudohimmel. Obwohl der Wilde die Phantome mit übernatürlichen Kräften ausstattete, billigte er ihnen kaum übernatürliche Intelligenz zu. Viele Tricks und Listen wurden angewandt, um die Phantome hereinzulegen und zu täuschen; der zivilisierte Mensch setzt immer noch großes Vertrauen in die Hoffnung, dass eine Zurschaustellung von Frömmigkeit irgendwie selbst eine allwissende Gottheit täuschen werde. Die Primitiven fürchteten die Krankheit, weil sie beobachteten, dass sie oft ein Vorbote des Todes war. Wenn der Medizinmann des Stammes einen Leidenden nicht zu heilen vermochte, wurde der Kranke gewöhnlich aus der Familienhütte entfernt und in eine kleinere gebracht oder im Freien gelassen, um allein sterben zu können. Ein Haus, in dem der Tod eingekehrt war, wurde gewöhnlich zerstört; wenn nicht, wurde es immer gemieden, und diese Furcht hinderte den frühen Menschen daran, feste Behausungen zu errichten. Sie wirkte auch der Gründung von bleibenden Dörfern und Städten entgegen. Die Wilden blieben die ganze Nacht auf und redeten miteinander, wenn ein Mitglied des Klans starb; sie befürchteten, selber zu sterben, wenn sie in der Nähe eines Leichnams einschliefen. Von einem Leichnam angesteckt zu werden, verlieh der Furcht vor den Toten Wirklichkeit, und alle Völker haben zu irgendeinem Zeitpunkt komplizierte Reinigungszeremonien angewandt, um jemanden nach dem Kontakt mit einem Toten zu reinigen. Die Alten glaubten, dass für einen Leichnam Licht beschafft werden müsse; ein toter Körper durfte nie im Dunkeln liegen bleiben. Im zwanzigsten Jahrhundert lässt man in den Totenzimmern immer noch Kerzen brennen, und die Menschen halten immer noch Totenwache. Der so genannte zivilisierte Mensch hat die Furcht vor Leichen kaum vollständig aus seiner Lebensphilosophie verbannt. Aber bei all ihrer Furcht versuchten die Menschen dennoch, die Phantome in die Irre zu führen. Sofern die Hütte des Toten nicht zerstört wurde, schaffte man den Leichnam durch ein Loch in der Wand weg, nie durch den Eingang. Diese Maßnahme sollte das Phantom verwirren, sein Verweilen verhindern und eine Sicherung gegen seine Rückkehr sein. Auch kehrten die Trauernden aus Angst, das Phantom folge ihnen nach, auf einem anderen Weg vom Begräbnis zurück. Rückzieher und Dutzende anderer Taktiken wurden angewendet, um sicherzustellen, dass das Phantom nicht aus dem Grab zurückkehrte. Die Geschlechter tauschten oft die Kleider aus, um das Phantom zu täuschen. Der Sinn von Trauergewändern war es, die Lebenden zu verkleiden, und später, die Toten zu ehren und damit ihre Phantome zu besänftigen. ***** 87.2 Die Besänftigung der Phantome ***** In der Religion ist das negative Programm der Phantombesänftigung dem positiven Programm der Geisterbezwingung und -anflehung lange vorausgegangen. Die ersten Regungen einer menschlichen religiösen Haltung waren Äußerungen der Verteidigung und nicht der Verehrung. Der moderne Mensch hält es für weise, sich gegen Feuer zu versichern, der Wilde hielt es für weiser, sich gegen von Phantomen verursachtes Unglück vorzusehen. Die Anstrengungen zur Erlangung dieses Schutzes ließen die Techniken und Rituale des Phantomkultes entstehen. Man dachte einst, dass es der größte Wunsch eines Phantoms sei, rasch "beruhigt" zu werden, damit es sich unbehelligt ins Totenland aufmachen konnte. Jeder Ausführungsfehler, der von den Lebenden während des Rituals zu einer solchen Besänftigung des Phantoms begangen wurde, jede Auslassung verzögerte mit Sicherheit seine Reise ins Land der Phantome. Man glaubte, dies missfalle ihm, und ein erzürntes Phantom galt als Quelle von Unheil, Missgeschick und Freudlosigkeit. Die Totenfeier entsprang dem menschlichen Bemühen, die Phantomseele zur Abreise in ihre künftige Heimat zu bewegen, und die Trauerrede hatte ursprünglich die Aufgabe, dem neuen Phantom Anweisungen zu geben, wie es dorthin gelangen konnte. Man pflegte dem Phantom auf seine Reise Nahrung und Kleidung mitzugeben, und man legte diese Dinge in oder neben das Grab. Der Wilde glaubte, drei Tage bis ein Jahr seien vonnöten, um "das Phantom zu beruhigen" - um es aus der Nachbarschaft des Grabes wegzukriegen. Die Eskimos glauben noch immer, dass die Seele drei Tage lang beim Körper verweilt. Nach einem Todesfall beobachtete man Schweigen oder Trauer, damit das Phantom nicht wieder nach Hause zurückkehre. Selbstpeinigung - Verwundung - war eine gängige Form des Trauerns. Viele fortschrittliche Lehrer versuchten, dem Einhalt zu gebieten, aber es war umsonst. Man dachte, Fasten und andere Arten der Selbstverleugnung gefielen den Phantomen, die sich am Ungemach der Lebenden weideten, während sie in der Übergangsphase vor ihrer endgültigen Abreise ins Totenland herumschlichen. Lange und häufige Perioden trauernden Nichtstuns waren eines der größten Hindernisse auf dem Wege der Zivilisation. Jedes Jahr wurden Wochen, ja sogar Monate mit diesem unproduktiven und nutzlosen Trauern buchstäblich verschwendet. Die Tatsache, dass berufsmäßige Trauernde für Begräbnisse angeworben wurden, macht deutlich, dass Trauern ein Ritual und nicht eine Kundgebung von Schmerz war. Heutige Menschen mögen um ihre Toten aus Hochachtung oder aus Schmerz über den Verlust klagen, aber die Alten taten es aus Furcht. Die Namen der Toten wurden nie ausgesprochen. Tatsächlich wurden sie oft aus der Sprache verbannt. Diese Namen wurden tabu, und auf diese Weise verarmten die Sprachen ständig. Das bewirkte schließlich ein Überhandnehmen symbolischer Sprechweise und bildlicher Ausdrücke wie "der Name oder der Tag, den man nie erwähnt". Den Alten war so sehr daran gelegen, ein Phantom loszuwerden, dass sie ihm alles darbrachten, was es sich im Leben gewünscht haben mochte. Die Phantome begehrten Gattinnen und Diener; ein begüterter Wilder erwartete, dass bei seinem Ableben wenigstens eine Sklavengattin lebendig mit ihm begraben wurde. Später wurde es Brauch, dass eine Witwe auf dem Grab ihres Gatten Selbstmord beging. Wenn ein Kind starb, erwürgte man oft seine Mutter, Tante oder Großmutter, damit ein erwachsenes Phantom das kindliche Phantom begleiten und für es sorgen konnte. Und wer so sein Leben gab, tat es meist freiwillig; denn in der Tat, hätten diese Menschen in Verletzung des Brauchs weitergelebt, dann hätte ihre Angst vor dem Zorn des Phantoms ihr Leben auch noch der wenigen Freuden beraubt, die den Primitiven vergönnt waren. Es war Sitte, eine große Zahl von Untertanen ins Jenseits zu befördern, um einen toten Häuptling zu begleiten; Sklaven wurden beim Tod ihres Herrn getötet, um ihn im Land der Phantome bedienen zu können. Die Ureinwohner Borneos sorgen immer noch für einen Reisebegleiter und Gefährten; sie durchbohren einen Sklaven mit einem Speer, damit er sich mit seinem verstorbenen Meister auf die Phantomreise begeben kann. Man glaubte, dass die Phantome ermordeter Personen sich daran ergötzten, die Phantome ihrer Mörder zu Sklaven zu haben; diese Idee motivierte die Menschen zur Kopfjägerei. Man sagte den Phantomen nach, dass sie sich am Duft von Nahrung erfreuten; Nahrungsopfer bei Begräbnisfeierlichkeiten waren einst allgemein verbreitet. Die primitive Art, das Tischgebet zu sagen, bestand darin, vor dem Essen ein Stück Fleisch ins Feuer zu werfen, um die Phantome zu besänftigen, und dabei eine magische Formel zu murmeln. Man glaubte, die Toten benutzten die Phantome von Werkzeugen und Waffen, die ihnen zu Lebzeiten gehört hatten. Einen Gegenstand zerbrechen, hieß "ihn töten" und damit sein Phantom befreien, damit es ins Phantomland hinübergehen und dort weiterdienen könne. Eigentumsopfer wurden auch durch Verbrennen oder Vergraben dargebracht. Die Verschwendung bei alten Begräbnissen war gewaltig. Spätere Rassen fertigten für diese Totenopfer Papiermodelle an und ersetzten wirkliche Objekte und Personen durch Zeichnungen. Die Zivilisation tat einen großen Schritt vorwärts, als Verbrennen und Vergraben von Eigentum durch die Vererbung an die Angehörigen ersetzt wurde. Die Indianer vom Stamm der Irokesen führten viele Reformen durch, die die Verschwendung bei Totenfeiern betrafen. Und diese Besitzeswahrung ließ sie zu den mächtigsten der nördlichen roten Menschen werden. Vom modernen Menschen wird angenommen, dass er sich nicht vor Phantomen fürchtet, aber die Bräuche sind zäh, und immer noch wird viel irdischer Reichtum für Begräbnisrituale und Totenfeierlichkeiten verschwendet. ***** 87.3 Ahnenverehrung ***** Der fortschreitende Phantomkult machte den Ahnenkult unausweichlich, da dieser zum Verbindungsglied zwischen gewöhnlichen Phantomen und höheren Geistern, den sich entwickelnden Göttern wurde. Die frühen Götter waren ganz einfach glorifizierte verstorbene Menschen. Der Ahnenkult war ursprünglich mehr von Furcht geprägt als von Verehrung, aber solche Glaubensinhalte trugen entscheidend zur weiteren Verbreitung von Phantomfurcht und -verehrung bei. Die Anhänger der frühen Ahnen-Phantomkulte wagten nicht einmal zu gähnen aus Furcht, ein böses Phantom dringe bei dieser Gelegenheit in ihren Körper ein. Die Sitte, Kinder zu adoptieren, sollte sicherstellen, dass jemand nach dem Tod für den Frieden und Fortschritt der Seele Opfer darbrachte. Der Wilde lebte in der Angst vor den Phantomen seiner Gefährten und verbrachte seine Mußestunden damit, Pläne für das sichere Geleit seines eigenen Phantoms nach dem Tode zu schmieden. Die meisten Stämme führten ein Allerseelenfest ein, das wenigstens einmal pro Jahr stattfand. Die Römer hatten jedes Jahr zwölf Geister-Feste mit begleitenden Zeremonien. Die Hälfte der Tage des Jahres waren irgendeiner mit diesen alten Kulten zusammenhängenden Zeremonie gewidmet. Einer der römischen Kaiser versuchte, eine Reform dieser Sitten durch Herabsetzen der Anzahl jährlicher Feiertage auf 135 vorzunehmen. Der Phantomkult war in ständiger Entwicklung. So wie von den Phantomen angenommen wurde, sie schritten von einer unvollkommenen zu einer höheren Existenzphase weiter, so entwickelte sich der Kult schließlich zur Verehrung von Geistern und sogar von Göttern. Aber ungeachtet des verschieden gearteten Glaubens an weiter fortgeschrittene Geister glaubten sämtliche Stämme und Rassen einmal an Phantome. ***** 87.4 Gute und böse höhere Phantomgeister ***** Die Furcht vor den Phantomen war der Urgrund aller Religion auf der Welt; und ganze Zeitalter lang hielten viele Stämme am alten Glauben an eine einzige Klasse von Phantomen fest. Sie lehrten, dass der Mensch Glück hatte, wenn das Phantom zufrieden war, und Pech, wenn es erzürnt war. Als der Kult der Phantomfurcht immer mehr um sich griff, geschah es, dass nun auch Geister einer höheren Art angenommen wurden, Geister, die sich nicht mit einem bestimmten sterblichen Einzelwesen identifizieren ließen. Es waren geprüfte oder glorifizierte Phantome, die aus den Gegenden des Phantomlandes in die höheren Reiche des Geisterlandes hinüber geschritten waren. Die Vorstellung von zwei Arten von Geisterphantomen machte auf der ganzen Welt langsame, aber sichere Fortschritte. Es war nicht nötig, dass dieser neue doppelte Geisterkult von einem Stamm auf den anderen übergriff; er erblühte überall auf der Welt ganz von selber und unabhängig. Wenn eine Idee die Macht hat, den sich entwickelnden evolutionären Verstand zu beeinflussen, so liegt das nicht an ihrer Wirklichkeit oder Vernünftigkeit, sondern vielmehr an ihrer Lebendigkeit und an ihrer allgemeinen raschen und einfachen Anwendbarkeit. Noch später schuf die menschliche Vorstellungskraft das Konzept guter und böser übernatürlicher Wirkkräfte; einige Phantome entwickelten sich nie bis zu der Stufe guter Geister. Die frühe Furcht vor einer einheitlichen Phantomart ging allmählich in einen doppelten Geisterkult über, in eine neue Vorstellung von der unsichtbaren Lenkung der irdischen Angelegenheiten. Die Vorstellung, dass Glück und Unglück jedes seine eigenen Gebieter besäßen, setzte sich durch. Und von den beiden Klassen galt die Gruppe, die Unglück brachte, als die aktivere und zahlreichere. Als die Lehre von den guten und bösen Geistern schließlich ausreifte, wurde sie zu dem am weitesten verbreiteten und dauerhaftesten religiösen Glauben überhaupt. Dieser Dualismus stellte einen großen religiös-philosophischen Fortschritt dar, weil er den Menschen in die Lage versetzte, sich sowohl Glück als auch Unglück zu erklären und zugleich an überirdische Wesen zu glauben, die in ihrem Verhalten einigermaßen folgerichtig waren. Man konnte sich auf die Güte oder auf die Bösartigkeit der Geister verlassen; man hielt sie nicht mehr für so völlig mutwillig, wie sich die meisten primitiven Religionen die frühen Phantome einer einzigen Art vorgestellt hatten. Der Mensch war endlich imstande, sich überirdische Kräfte vorzustellen, die in ihrem Verhalten konsequent waren, und das war eine der denkwürdigsten Wahrheitsentdeckungen in der ganzen Geschichte der Religionsentwicklung und im Wachstum der menschlichen Philosophie. Die evolutionäre Religion hat indessen für diese Vorstellung von einer doppelten Geisterrealität einen schrecklichen Preis bezahlt. Die frühe Philosophie des Menschen vermochte die Beständigkeit der Geisterwelt nur dann mit den Launen des zeitlichen Glücks in Einklang zu bringen, wenn sie zweierlei Geister voraussetzte, gute und böse. Aber wenn dieser Glaube den Menschen auch befähigte, das stets veränderliche Glück mit der Idee von unveränderlichen überirdischen Kräften zu versöhnen, so hat diese Lehre es doch seit damals religiösen Menschen schwer gemacht, sich eine kosmische Einheit vorzustellen. Die Götter der evolutionären Religion sind im Allgemeinen von den Kräften der Dunkelheit bekämpft worden. Die Tragik von alledem liegt in der Tatsache, dass es zu der Zeit, als diese Ideen in den primitiven menschlichen Gemütern Wurzeln schlugen, auf der ganzen Welt in Wahrheit keine bösen oder unharmonischen Geister gab. Eine so verhängnisvolle Situation entwickelte sich erst nach der Rebellion Caligastias und dauerte nur bis Pfingsten. Das Konzept von Gut und Böse als gleichwertigen kosmischen Gegenspielern ist in der menschlichen Philosophie auch im zwanzigsten Jahrhundert noch sehr lebendig; die meisten Religionen der Welt tragen noch immer dieses kulturelle Muttermal aus den längst entschwundenen Tagen des aufblühenden Phantomkults. ***** 87.5 Der fortschreitende Phantomkult ***** Die primitiven Menschen stellten sich vor, dass die Geister und Phantome nahezu unbeschränkte Rechte, aber keine Pflichten besäßen, hingegen die Menschen als mancherlei Pflichten unterworfen, aber rechtlos betrachteten. Die Menschen glaubten, die Geister sähen auf sie herab als auf solche, die bei der Erfüllung ihrer geistigen Pflichten dauernd versagten. Die Menschheit glaubte ganz allgemein, dass die Phantome einen ständigen Tribut von Diensten als Preis dafür erhöben, dass sie nicht in die menschlichen Angelegenheiten eingriffen, und jedes, auch das geringste Ungemach wurde dem Wirken von Phantomen zugeschrieben. Die frühen Menschen hatten eine derartige Angst, irgendeine den Göttern zustehende Ehre zu übersehen, dass sie, nachdem sie allen bekannten Geistern geopfert hatten, um ganz sicher zu gehen, auch noch eine weitere Opferung für die "unbekannten Götter" vornahmen. Und nun folgen auf den einfachen Phantomkult die Praktiken des fortgeschritteneren und vergleichsweise komplexeren Geister-Phantomkults, der Dienst an den höheren Geistern, die sich in der primitiven menschlichen Fantasie entwickelt haben, und ihre Verehrung. Das religiöse Zeremoniell muss mit geistigem Fortschritt und geistiger Entwicklung Schritt halten. Der erweiterte Kult war bloß die in Verbindung mit dem Glauben an übernatürliche Wesen geübte Kunst der Selbst-Erhaltung, der Selbst-Anpassung an die Geisterumwelt. Industrielle und militärische Organisationen waren Anpassungen an natürliche und gesellschaftliche Umfelder. Und so wie die Ehe langsam eine Wirklichkeit wurde, um den Forderungen der Doppelgeschlechtlichkeit zu genügen, entwickelte sich die religiöse Organisation als Antwort auf den Glauben an höhere Geisterkräfte und geistige Wesen. Religion verkörpert die Anpassung des Menschen an die Illusionen, die er sich über das Mysterium des Zufalls macht. Die Furcht vor den Geistern und ihre spätere Verehrung waren Haltungen, die als Versicherung gegen Unglück, als Politik des Wohlergehens angenommen wurden. In den Augen des Wilden kümmern sich die guten Geister um ihre eigenen Angelegenheiten und stellen an die menschlichen Wesen keine hohen Ansprüche. Die bösen Phantome und Geister sind es, die bei guter Laune gehalten werden müssen. Deshalb schenkten die primitiven Völker ihren übel wollenden Geistern größere Aufmerksamkeit als den gutmütigen. Insbesondere menschliche Prosperität erweckte den Neid der bösen Geister, und ihre Methode der Heimzahlung bestand darin, durch ein menschliches Werkzeug und die Technik des bösen Blicks zurückzuschlagen. Die Phase des Kults, die dem Vermeiden der Geister gewidmet war, beschäftigte sich intensiv mit den Machenschaften des bösen Blicks. Die Angst vor ihm breitete sich fast auf der ganzen Welt aus. Hübsche Frauen wurden verschleiert, um sie vor dem bösen Blick zu schützen; in der Folge wurde dieses Verfahren von vielen Frauen übernommen, die als schön gelten wollten. Aus dieser Furcht vor den bösen Geistern ließ man Kinder nach Einbruch der Dunkelheit selten draußen, und die frühen Gebete schlossen immer die Bitte "Befreie uns von dem bösen Blick" ein. Der Koran enthält ein vollständiges Kapitel, das dem bösen Blick und magischen Verzauberungen gewidmet ist, und die Juden glaubten fest daran. Der ganze Phalluskult entstand als Abwehr gegen den bösen Blick. Als einzige Fetische, die ihm seine Macht nehmen konnten, galten die Geschlechtsorgane. Der böse Blick gab Anlass zu den ersten abergläubischen Vorstellungen von vorgeburtlichem Gezeichnetsein von Kindern, von mütterlicher Abstempelung, und sein Kult herrschte einmal so gut wie überall. Neid ist ein tiefsitzender menschlicher Wesenszug; deshalb schrieb der primitive Mensch ihn auch seinen frühen Göttern zu. Und da der Mensch einst die Phantome getäuscht hatte, begann er bald auch die Geister zu hintergehen. Er sagte sich: "Da die Geister uns um unserer Schönheit und unseres Wohlstands willen beneiden, werden wir uns entstellen und unseren Erfolg herunterspielen." Die frühe Demut war deshalb nicht etwa eine Dämpfung des Ego, sondern vielmehr ein Versuch, eifersüchtige Geister in die Irre zu führen und zu betrügen. Die Methode, die verhindern sollte, dass menschlicher Wohlstand den Neid der Geister auf sich zöge, bestand darin, dass man irgendeine glückliche oder heißgeliebte Person oder Sache mit Verwünschungen überschüttete. Die Gewohnheit, schmeichelhafte Bemerkungen über sich selber oder seine Familie herabzumindern, hat hierin ihren Ursprung, und sie verwandelte sich schließlich in zivilisierte Bescheidenheit, Zurückhaltung und Höflichkeit. Aus demselben Grund nahm man die Gewohnheit an, hässlich auszusehen. Schönheit erweckte den Neid der Geister; sie zeugte von sündigem menschlichem Hochmut. Der Wilde suchte sich einen hässlichen Namen aus. Diese Seite des Kults war für den Fortschritt der Kunst ein großes Hemmnis und dafür verantwortlich, dass die Welt lange Zeit düster und hässlich aussah. Unter der Herrschaft des Geisterkults war das Leben bestenfalls ein Glücksspiel, ein Resultat des Geisterregiments. Die eigene Zukunft war nicht das Resultat von Anstrengung, Fleiß oder Talent, außer dass diese zur Beeinflussung der Geister eingesetzt werden konnten. Die Zeremonien zur Gnädigstimmung der Geister waren eine schwere Bürde und machten das Leben öde und ganz eigentlich unerträglich. Zeitalter auf Zeitalter und Generation auf Generation hat Rasse um Rasse versucht, diese Lehre von den Überphantomen zu verbessern, aber noch keine Generation hat es je gewagt, sie völlig zurückzuweisen. Absicht und Wille der Geister wurden mit Hilfe von Omen, Orakeln und Zeichen ergründet. Und diese Geisterbotschaften deutete man mittels Hellsehen, Wahrsagerei, Magie, Gottesurteilen und Astrologie. Der ganze Kult war darauf ausgerichtet, die Geister zu besänftigen, zufrieden zu stellen und durch diese verkappte Bestechung zu kaufen. Und so entstand eine neue und erweiterte Weltphilosophie mit folgenden Wesenszügen: 1. Pflicht - die Dinge, die getan werden müssen, damit die Geister einem gewogen bleiben oder sich zumindest neutral verhalten. 2. Das Richtige tun - korrektes Benehmen und korrekte Zeremonien, um die Geister aktiv für seine Interessen zu gewinnen. 3. Wahrheit - das richtige Verständnis der Geister und die richtige Haltung ihnen gegenüber, folglich auch gegenüber Leben und Tod. Nicht nur aus Neugier versuchten die Alten, die Zukunft zu kennen; sie wollten dem Unglück ausweichen. Hellseherei war ganz einfach ein Versuch, Schwierigkeiten zu vermeiden. In jener Zeit hielt man die Träume für prophetisch, und alles, was aus dem gewöhnlichen Rahmen fiel, wurde als Omen betrachtet. Und noch heute sind die zivilisierten Rassen mit dem Glauben an Zeichen, Symbole und andere abergläubische Überbleibsel aus dem einstigen fortschreitenden Phantomkult gestraft. Langsam, nur sehr langsam trennen sich die Menschen von den Methoden, mit deren Hilfe sie so allmählich und unter Schmerzen die evolutionäre Lebensleiter hinaufgestiegen sind. ***** 87.6 Nötigung und Exorzismus ***** Als die Menschen nur an Phantome glaubten, war das religiöse Ritual persönlicher, weniger organisiert, aber die Anerkennung höherer Geister machte die Anwendung "höherer geistiger Methoden" im Umgang mit ihnen nötig. Dieses Bemühen um Verbesserung und Verfeinerung der Technik zur Besänftigung der Geister führte direkt zur Erfindung von Verteidigungsmitteln gegen sie. Der Mensch fühlte sich tatsächlich hilflos gegenüber den unkontrollierbaren Kräften, die im irdischen Leben herrschten, und sein Gefühl der Unterlegenheit trieb ihn, nach irgendeiner kompensierenden Neuausrichtung zu suchen, nach einer Technik des Chancenausgleichs in diesem ungleichen Kampf des Menschen gegen den Kosmos. In den frühen Tagen des Kults beschränkten sich die menschlichen Bemühungen um Beeinflussung der Phantomtätigkeit auf Besänftigung, auf Versuche, durch Bestechung die Abwendung von Unheil zu erkaufen. Als die Entwicklung des Phantomkults zum Konzept von guten und bösen Geistern weiterging, verwandelten sich diese Zeremonien in Bemühungen einer positiveren Art, in Anstrengungen, sich Glück zu verschaffen. Die Religion des Menschen war nun nicht mehr gänzlich negativer Art, und er hielt in seinem Bemühen, das Glück herbeizuzwingen, nicht inne; er begann bald, Pläne zu schmieden, durch die er die Geister zur Zusammenarbeit nötigen könnte. Der religiöse Mensch steht nun den unablässigen Forderungen der Geisterphantasmen eigener Erfindung nicht mehr wehrlos gegenüber; der Wilde beginnt, Waffen zu erfinden, mittels derer er auf das Wirken der Geister Druck ausüben und sie zwingen kann, ihm beizustehen. Die ersten Verteidigungsanstrengungen richteten sich gegen die Phantome. Im Laufe der Zeitalter begannen die Lebenden, Methoden auszusinnen, um den Toten zu widerstehen. Viele Techniken, von denen die folgenden erwähnt werden mögen, wurden entwickelt, um die Phantome zu erschrecken und zu verscheuchen: 1. Abschneiden des Kopfes und Umschnüren des Leichnams im Grab. 2. Steinigung des Totenhauses. 3. Kastration der Leiche oder Brechen ihrer Beine . 4. Beerdigung unter Steinen, einer der Ursprünge des modernen Grabsteins. 5. Kremation, eine spätere Erfindung, um Schwierigkeiten mit Geistern vorzubeugen. 6. Ins-Meer-Werfen des Leichnams. 7. Aussetzen des Leichnams zum Fraß durch wilde Tiere. Man glaubte, Lärm störe und erschrecke die Phantome; mit Geschrei, Glocken und Trommeln scheuchte man sie von den Lebenden weg; und diese alten Methoden sind immer noch bei "Totenwachen" üblich. Man benutzte übel riechendes Gebräu, um unwillkommene Geister zu vertreiben. Scheußliche Darstellungen der Geister wurden angefertigt, so dass sie schleunigst flohen, wenn sie ihrer selbst ansichtig wurden. Man glaubte, dass die Hunde das Nahen von Geistern spürten und durch Heulen vor ihnen warnten und auch, dass die Hähne schrieen, wenn sie in der Nähe waren. Dieser Aberglaube hat in der Verwendung des Hahns als Wetterfahne überdauert. Wasser galt als der beste Schutz gegen Phantome. Heiliges Wasser, Wasser, in dem die Priester ihre Füße gewaschen hatten, war allen anderen Wasserarten überlegen. Sowohl Feuer als auch Wasser galten als Schranken, die von Phantomen nicht durchbrochen werden konnten. Die Römer gingen dreimal mit Wasser um einen Leichnam herum; im zwanzigsten Jahrhundert besprengt man die Toten mit heiligem Wasser, und Händewaschen auf dem Friedhof gehört immer noch zum jüdischen Ritual. Die Taufe war ein Charakteristikum des späteren Wasserrituals; primitives Baden war eine religiöse Zeremonie. Erst in neuerer Zeit ist Baden zu einer hygienischen Praxis geworden. Aber der Mensch machte nicht Halt bei der Bezwingung der Phantome; durch religiöse Rituale und andere Praktiken versuchte er bald, auch auf ihr Handeln Zwang auszuüben. Exorzismus bestand darin, einen Geist zu benutzen, um einen anderen zu lenken oder zu vertreiben, und diese Taktiken wurden auch angewandt, um Phantome und Geister zu erschrecken. Das doppelte Geisterkonzept mit guten und bösen Kräften bot den menschlichen Versuchen, eine Kraft gegen die andere auszuspielen, ein reiches Betätigungsfeld, denn wenn ein kräftiger Mann einen schwächeren besiegen konnte, dann konnte gewiss auch ein starker Geist ein niedrigeres Phantom beherrschen. Die primitive Verwünschung war das gebräuchliche Druckmittel zur Einschüchterung unbedeutender Geister. Später entwickelte sich aus diesem Brauch auch die Verfluchung von Feinden. Lange herrschte der Glaube, dass die Geister und Halbgötter durch eine Rückkehr zur Pflege älterer Sitten zu gewünschtem Handeln gezwungen werden könnten. Der moderne Mensch macht sich derselben Handlungsweise schuldig. Ihr sprecht miteinander in gewöhnlicher, alltäglicher Sprache, aber sobald ihr zu beten anfangt, nehmt ihr Zuflucht zum älteren Stil einer anderen Generation, zum so genannten feierlichen Stil. Diese Doktrin erklärt auch manche religiös-rituelle Rückfälle sexueller Natur wie die Tempelprostitution. Diese Rückgriffe auf primitive Sitten wurden als sichere Garantien gegen allerlei Unheil angesehen. Und in den einfachen Gemütern dieser Völker waren solche Vorgänge vollkommen frei von dem, was der moderne Mensch als Promiskuität bezeichnen würde. Als Nächstes erschien die Praxis ritueller feierlicher Versprechen, denen bald religiöse Gelübde und heilige Schwüre folgten. Die meisten dieser Schwüre gingen mit Selbstpeinigung und Selbstverstümmelung und später mit Fasten und Beten einher. In der Folge wurde Selbstverleugnung als sicheres Druckmittel betrachtet; das galt insbesondere für die Unterdrückung der Sexualität. Und so entwickelte der primitive Mensch in seinen religiösen Praktiken schon früh eine entschiedene Strenge, einen Glauben an die Wirksamkeit von Selbstmarterung und Selbstverleugnung, die als Rituale die Macht besäßen, die widerstrebenden Geister zu zwingen, auf all diese Leiden und Entbehrungen gnädig zu antworten. Der moderne Mensch versucht nicht mehr offen, die Geister zu nötigen, obwohl er immer noch eine gewisse Neigung zeigt, mit der Gottheit zu feilschen. Und er schwört immer noch, klopft auf Holz, kreuzt die Finger und lässt auf das Ausspucken irgendwelche platten Worte folgen; einst war es eine magische Formel. ***** 87.7 Das Wesen der Kultpraxis ***** Der vom Kult beherrschte Typus gesellschaftlicher Organisation hatte Bestand, weil er einen Symbolismus für die Erhaltung und Stimulierung sittlicher Gefühle und religiöser Treueverhältnisse lieferte. Der Kult wuchs aus den Überlieferungen "alter Familien" und wurde als feste Einrichtung weitergegeben; alle Familien besitzen einen irgendwie gearteten Kult. Jedes inspirierende Ideal verlangt nach einem es weitertragenden Symbolismus - sucht für seinen kulturellen Ausdruck eine Technik, die sein Fortleben garantiert und seine Verwirklichung steigert - und der Kult erreicht dieses Ziel, indem er die Empfindungen nährt und zufrieden stellt. Seit der Morgendämmerung der Zivilisation hat jede ansprechende Bewegung gesellschaftlicher Kultur oder religiösen Fortschritts ein Ritual, ein symbolisches Zeremoniell, hervorgebracht. Je unbewusster das Wachstum dieses Rituals vor sich gegangen ist, umso stärker hat es seine Gläubigen gepackt. Der Kult hat die Gefühle geschützt und die Empfindungen befriedigt, aber er ist immer das größte Hindernis gesellschaftlichen Umbaus und geistigen Fortschritts gewesen. Obwohl der Kult immer den gesellschaftlichen Fortschritt gebremst hat, ist es bedauerlich, dass so viele moderne Menschen, die an sittliche Normen und geistige Ideale glauben, keinen angemessenen Symbolismus - keinen Kult zu gegenseitiger Unterstützung - besitzen, nichts, dem sie angehören könnten. Aber einen religiösen Kult kann man nicht fabrizieren; er muss wachsen. Und keine zwei Gruppen werden einen identischen Kult besitzen, sofern ihre Rituale nicht willkürlich durch Autorität gleichgeschaltet werden. Der frühe christliche Kult war das wirksamste, ansprechendste und dauerhafteste aller je ersonnenen oder erfundenen Rituale, aber ein wissenschaftliches Zeitalter hat ihm viel von seinem Wert genommen durch die Zerstörung so vieler seiner ursprünglichen Grundsätze. Der christliche Kult ist durch den Verlust vieler fundamentaler Ideen devitalisiert worden. In der Vergangenheit ist Wahrheit immer dann schnell gewachsen und hat sich frei entfaltet, wenn der Kult elastisch und der Symbolismus dehnbar war. Reichlich vorhandene Wahrheit und ein anpassungsfähiger Kult haben die Schnelligkeit gesellschaftlicher Weiterentwicklung begünstigt. Ein bedeutungsloser Kult verdirbt die Religion, wenn er versucht, sich an die Stelle der Philosophie zu setzen und die Vernunft zu versklaven; ein echter Kult wächst. Ungeachtet aller Widerstände und Hindernisse hat jede neue Wahrheitsoffenbarung einen neuen Kult hervorgerufen, und sogar die neue Darstellung der Religion Jesu muss einen neuen und passenden Symbolismus entwickeln. Der moderne Mensch muss einen angemessenen Symbolismus für seine neuen und sich erweiternden Ideen, Ideale und Treueverhältnisse finden. Dieses höhere Symbol muss religiösem Leben, geistiger Erfahrung entsprießen. Und dieser höhere Symbolismus einer höheren Zivilisation muss auf der Vorstellung von der Vaterschaft Gottes gründen und vom mächtigen Ideal der Brüderlichkeit unter den Menschen erfüllt sein. Die alten Kulte waren zu egozentrisch; der neue muss Ausdruck angewandter Liebe sein. Der neue Kult muss, wie der alte, das Gefühl gedeihen lassen, die Empfindungen befriedigen und die Treue fördern, aber er muss noch mehr tun: Er muss den geistigen Fortschritt erleichtern, die kosmischen Bedeutungen erhöhen, die sittlichen Werte steigern, die gesellschaftliche Entwicklung ermutigen und eine hohe Art persönlichen religiösen Lebens stimulieren. Der neue Kult muss allerhöchste Lebensziele anbieten, die sowohl zeitlich als auch ewig - sowohl gesellschaftlich als auch geistig - sind. Kein Kult kann Dauer haben und zum Fortschritt der gesellschaftlichen Zivilisation und der individuellen geistigen Leistung beitragen, wenn er nicht auf der biologischen, soziologischen und religiösen Bedeutung des Heims beruht. Wenn ein Kult überleben will, muss er das symbolisieren, was in Gegenwart unaufhörlicher Veränderung unverrückbar bleibt, muss er das rühmen, was den Fluss der sich ewig wandelnden gesellschaftlichen Metamorphose eint. Er muss wahre Bedeutungen erkennen, schöne Beziehungen preisen und die guten Werte wahren Adels feiern. Aber die große Schwierigkeit, einen neuen und befriedigenden Symbolismus zu finden, besteht darin, dass die modernen Menschen als Gruppe eine wissenschaftliche Haltung einnehmen, sich gegen Aberglauben sträuben und Unwissenheit verabscheuen, während sie sich einzeln heftig nach dem Geheimnisvollen sehnen und das Unbekannte verehren. Kein Kult kann überleben, wenn er nicht ein gebieterisches Mysterium einschließt und ein lohnendes Unerreichbares birgt. Außerdem muss der neue Symbolismus nicht nur bedeutungsvoll für die Gruppe, sondern auch sinnvoll für den Einzelnen sein. Wenn ein Symbolismus nützlich sein will, muss er Formen haben, die der Einzelne aus eigener Initiative ausführen kann und an denen er sich ebenfalls mit seinen Mitmenschen erfreuen kann. Wenn der neue Kult dynamisch statt statisch sein könnte, würde er wirklich etwas Wertvolles zum zeitlichen wie zum geistigen Fortschritt der Menschheit beitragen. Aber ein Kult - ein Symbolismus von Riten, Schlagworten und Zielen - wird nicht funktio-nieren, wenn er zu komplex ist. Und es muss in ihm Aufforderung zur Hingabe und Antwort auf Treue geben. Jede wirksame Religion entwickelt unfehlbar einen wertvollen Symbolismus, und ihre Anhänger täten gut daran, die Kristallisierung eines solchen Rituals zu einem verkrampfenden, entstellenden und erstickenden stereotypen Zeremoniell zu verhindern, das allen sozialen, sittlichen und geistigen Fortschritt nur hemmen und verzögern kann. Kein Kult kann überleben, wenn er das sittliche Wachstum behindert und unfähig ist, den geistigen Fortschritt zu begünstigen. Der Kult ist die Skelettstruktur, um die herum der lebendige und dynamische Körper persönlicher geistiger Erfahrung - wahre Religion - wächst. [Dargeboten von einem Leuchtenden Abendstern Nebadons.] ****** Kapitel 88 Fetische, Zauber und Magie ****** DIE Vorstellung, dass ein Geist in einen leblosen Gegenstand, in ein Tier oder in ein menschliches Wesen eindringen kann, ist ein sehr alter und ehrwürdiger und seit dem Beginn der Evolution der Religion weit verbreiteter Glaube. Diese Lehre von der Besitzergreifung durch Geister ist nicht mehr und nicht weniger als Fetischismus. Der Wilde betet nicht notwendigerweise den Fetisch an; sehr folgerichtig betet er den darin wohnenden Geist an und verehrt ihn. Zuerst glaubte man, der einen Fetisch bewohnende Geist sei das Phantom eines verstorbenen Menschen; später nahm man an, dass die Fetische höhere Geister beherbergten. Und so vereinigte der Fetischkult am Ende alle primitiven Vorstellungen von Phantomen, Seelen, Geistern und dämonischer Besessenheit in sich. ***** 88.1 Der Glaube an Fetische ***** Die primitiven Menschen wollten immer aus allem Außerordentlichen einen Fetisch machen; deshalb hat der Zufall vieles entstehen lassen. Jemand ist krank, da geschieht etwas, und es geht ihm wieder gut. Dasselbe gilt für den guten Ruf vieler Heilmittel und für die mit dem Zufall arbeitenden Methoden der Krankheitsbehandlung. Mit Träumen verbundene Gegenstände hatten gute Aussicht, in Fetische verwandelt zu werden. Vulkane, aber nicht Berge wurden zu Fetischen gemacht; Kometen, aber nicht Sterne. Die frühen Menschen glaubten, dass Sternschnuppen und Meteore die Ankunft von besonderen Geisterbesuchern auf der Erde anzeigten. Die ersten Fetische waren Steine mit Besonderheiten, und "heilige Steine" sind seit damals etwas vom Menschen sehr Begehrtes geblieben; die Perlenkette war einst eine Sammlung heiliger Steine, eine Reihe von Amuletten. Viele Stämme hatten Steinfetische, aber nur wenige haben überdauert, wie die Kaaba oder der Stein von Scone. Auch Feuer und Wasser gehörten zu den frühen Fetischen, und Feueranbetung sowie der Glaube an heiliges Wasser sind immer noch lebendig. Baumfetische sind eine spätere Entwicklung, aber bei einigen Stämmen führte das Verharren in der Naturanbetung zum Glauben an Zauberpflanzen, die von irgendwelchen Naturgeistern bewohnt wurden. Wenn Pflanzen und Früchte zu Fetischen wurden, waren sie als Speisen tabu. Der Apfel fiel als einer der ersten in diese Kategorie; er wurde von den Völkern der Levante nie gegessen. Wenn ein Tier Menschenfleisch fraß, wurde es zu einem Fetisch. Auf diese Weise wurde der Hund zum heiligen Tier der Parsen. Wenn der Fetisch ein Tier ist und das Phantom dieses dauernd bewohnt, kann es zu einem Übergreifen von Fetischismus auf Reinkarnation kommen. In mancher Hinsicht beneideten die Wilden die Tiere; sie fühlten sich ihnen nicht überlegen, und sie trugen oft den Namen ihrer Lieblingstiere. Als Tiere zu Fetischen wurden, war die Folge davon die Tabuisierung des Genusses von Fetischtierfleisch. Bienen und Affen wurden wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Menschen früh zu Fetischtieren; später widerfuhr dasselbe auch Schlangen, Vögeln und Schweinen. Zu einer bestimmten Zeit war die Kuh ein Fetisch, wobei ihre Milch tabu war, während ihre Exkremente hoch geschätzt waren. Die Schlange wurde in Palästina insbesondere von den Phöniziern verehrt, die wie die Juden glaubten, sie sei das Sprachrohr böser Geister. Sogar viele moderne Menschen glauben an die Zauberkräfte der Reptilien. Von Arabien über Indien bis zu den roten Menschen vom Stamm der Moqui mit ihrem Schlangentanz ist die Schlange verehrt worden. Gewisse Wochentage waren Fetische. Während ganzer Zeitalter galt der Freitag als Unglückstag und die Dreizehn als schlecht. Die Glückszahlen drei und sieben kamen von späteren Offenbarungen; die Vier war die Glückszahl des primitiven Menschen, weil er schon früh die vier Himmelsrichtungen erkannt hatte. Man hielt es für unheilvoll, sein Vieh oder anderen Besitz zu zählen; die Alten lehnten sich immer gegen die Abhaltung eines Zensus, einer "Zählung des Volkes" auf. Der primitive Mensch machte aus dem Geschlecht keinen ungebührlichen Fetisch; der Fortpflanzungsfunktion wurde nur beschränkte Aufmerksamkeit geschenkt. Der Wilde hatte ein natürliches und kein obszönes oder laszives Empfinden. Der Speichel war ein mächtiger Fetisch; Teufel konnten ausgetrieben werden, indem man auf eine Person spuckte. Von einem Älteren oder Höheren angespuckt zu werden, galt als höchstes Kompliment. Teile des menschlichen Körpers wurden als mögliche Fetische betrachtet, insbesondere Haar und Nägel. Die langgewachsenen Fingernägel der Häuptlinge waren hoch geschätzt, und die Schnipsel davon waren ein machtvoller Fetisch. Der Glaube an Schädelfetische ist für vieles in der späteren Kopfjägerei verantwortlich. Die Nabelschnur war ein hoch geschätzter Fetisch, und er ist es in Afrika bis heute geblieben. Das erste Spielzeug der Menschheit war eine getrocknete Nabelschnur. Häufig mit Perlen besetzt, stellte sie die erste Halskette des Menschen dar. Bucklige und verkrüppelte Kinder wurden als Fetische betrachtet; von den Geisteskranken glaubte man, sie seien vom Mond befallen. Der Primitive wusste nicht zwischen Genie und Verrücktheit zu unterscheiden; Idioten wurden entweder zu Tode geprügelt oder als Fetisch-Persönlichkeiten verehrt. Hysterie gab dem Volksglauben an Hexerei immer mehr Nahrung; oft waren Priester und Medizinmänner Epileptiker. Betrunkenheit wurde als eine Form von Besessenheit durch Geister betrachtet; wenn ein Wilder sich betrinken ging, steckte er sich ein Blatt ins Haar, was bedeutete, dass er alle Verantwortung für sein Tun ablehnte. Gifte und Rauschmittel wurden zu Fetischen; man hielt sie für besessen. Bei vielen Völkern galten Genies als Fetisch-Persönlichkeiten, die von einem weisen Geist besessen waren. Und diese talentierten Menschen lernten bald, zur Förderung ihrer eigenen Interessen auf Betrug und Kniffe zurückzugreifen. Man dachte, ein Fetisch-Mensch sei mehr als menschlich; er war göttlich, ja sogar unfehlbar. Dadurch geboten Häuptlinge, Könige, Priester, Propheten und Kirchenoberhäupter schlieblich über große Macht und übten unbeschränkte Autorität aus. ***** 88.2 Die Evolution des Fetisches ***** Man nahm an, die Phantome bewohnten mit Vorliebe Gegenstände, die ihnen zu Lebzeiten gehört hatten. Dieser Glaube erklärt die Wirksamkeit vieler moderner Reliquien. Die Alten verehrten stets die Gebeine ihrer Führer, und die Skelettreste von Heiligen und Helden werden noch immer von vielen mit abergläubischer Ehrfurcht umgeben. Auch heute noch werden Pilgerfahrten zu den Gräbern grober Menschen unternommen. Der Reliquienglaube ist eine natürliche Folge des einstigen Fetischkults. Die Reliquien moderner Religionen stellen einen Versuch dar, die Fetische der Wilden zu rationalisieren und ihnen dadurch im modernen religiösen System einen hohen Platz der Würde und Respektabilität zuzuweisen. Es ist heidnisch, an Fetische und Magie zu glauben, aber angeblich durchaus in Ordnung, Reliquien und Mirakel zu akzeptieren. Der Herd - die Feuerstelle - wurde immer mehr zu einem Fetisch, zu einem heiligen Platz. Heilige Schreine und Tempel waren zuerst Fetischstellen, weil die Toten dort begraben lagen. Die Fetischhütte der Hebräer erhob Moses zu jenem Ort, der nun den Überfetisch, das damals existierende Konzept des Gesetzes Gottes, beherbergte. Aber die Israeliten gaben den den Kanaanitern eigenen Glauben an den Steinaltar nie auf: "Und dieser Stein, den ich als Säule aufgerichtet habe, soll das Haus Gottes sein." Sie glaubten aufrichtig, dass der Geist ihres Gottes in solchen Steinaltären wohne, die in Wahrheit Fetische waren. Die ersten Standbilder wurden angefertigt, um das Aussehen berühmter Toter und die Erinnerung an sie zu verewigen; es waren wirkliche Monumente. Die Idole waren eine Verfeinerung des Fetischismus. Die Primitiven glaubten, dass eine Weihezeremonie die Wirkung hatte, den Geist in das Bild eingehen zu lassen; in derselben Weise erwarben bestimmte Gegenstände, einmal gesegnet, Zauberkräfte. Als Moses dem alten Sittenkodex Dalamatias das zweite Gebot hinzufügte, geschah es in dem Bemühen, die Fetischverehrung der Hebräer in den Griff zu bekommen. Er verfügte mit Bedacht, dass sie keine Bilder herstellen sollten, die zu Fetischen hätten geweiht werden können. Er machte deutlich: "Du sollst dir kein Götzenbild und keine Darstellung von irgendetwas machen, was im Himmel oben oder auf der Erde hienieden oder im Wasser der Erde ist." Obwohl dieses Gebot beträchtlich zum Rückstand der Kunst unter den Juden beitrug, schwächte es tatsächlich den Fetischkult. Aber Moses war zu besonnen, als dass er versucht hätte, die alten Fetische plötzlich abzuschaffen, und er gestattete deshalb, dass man neben das Gesetz in die Bundeslade, die eine Mischung aus Kriegsaltar und religiösem Schrein war, auch gewisse Reliquien legte. Und schlieblich wurden die Worte zu Fetischen, insbesondere diejenigen, die als Gottes Worte betrachtet wurden; auf diese Weise wurden die heiligen Bücher vieler Religionen zu fetischistischen Gefängnissen, die für die geistige Einbildungskraft des Menschen zu Kerkern wurden. Ausgerechnet Mose Anstrengung gegen die Fetische wurde zu einem allerhöchsten Fetisch; sein Gebot wurde später dazu verwendet, die Kunst zu verdummen und die Freude am Schönen und seine Verehrung zu verzögern. In alten Zeiten war das mit Autorität ausgestattete Fetischwort eine Furcht einflöbende Doktrin, schrecklichster aller Tyrannen, die die Menschen versklaven. Ein doktrinärer Fetisch wird einen sterblichen Menschen unter Umständen dazu bringen, sich selbst zu verraten und sich der Macht von Frömmelei, Fanatismus, Aberglauben, Intoleranz und entsetzlichster barbarischer Grausamkeiten auszuliefern. Der moderne Respekt vor Weisheit und Wahrheit ist ein erst kürzlich entdeckter Fluchtweg aus der Neigung zu Fetischbildung und hinauf zu höheren Ebenen des Denkens und Folgerns. Was die angehäuften Fetischschriften betrifft, die die verschiedensten Gläubigen für heilige Bücher halten, so wird nicht nur geglaubt, dass, was im Buch steht, wahr ist, sondern auch, dass das Buch die ganze Wahrheit enthält. Wenn eines dieser heiligen Bücher die Erde zufällig als flach beschreibt, dann werden ansonsten vernünftige Männer und Frauen sich generationenlang weigern, eindeutige Beweise dafür, dass sie rund ist, zu akzeptieren. Die Praxis, eines dieser heiligen Bücher zu öffnen und den Blick auf einen zufälligen Abschnitt fallen zu lassen, dessen Befolgung vielleicht wichtige Lebensentscheidungen oder -projekte diktiert, ist nichts anderes als ausgesprochener Fetischismus. Auf ein "heiliges Buch" einen Eid zu leisten oder bei einem höchsten Verehrung geniebenden Gegenstand zu schwören, ist eine Form von verfeinertem Fetischismus. Aber tatsächlich bedeutet es einen wirklichen evolutionären Fortschritt, von der fetischistischen Angst vor den Schnipseln der Fingernägel eines wilden Häuptlings zur Verehrung einer grobartigen Sammlung von Briefen, Gesetzen, Legenden, Allegorien, Mythen, Gedichten und Chroniken fortzuschreiten, die letztlich das Beste der sittlichen Weisheit vieler Jahrhunderte widerspiegeln, wenigstens bis zu der Zeit, als sie zu einem "heiligen Buch" zusammengestellt wurden. Um zu Fetischen zu werden, mussten die Worte als inspiriert gelten, und die Berufung auf angeblich göttlich inspirierte Schriften führte direkt zur Begründung der Autorität der Kirche, während die Evolution ziviler Formen zur Herausbildung der Autorität des Staates führte. ***** 88.3 Der Totemismus ***** Der Fetischismus zog sich durch alle primitiven Kulte hindurch, vom frühesten Glauben an heilige Steine über Götzendienst, Kannibalismus und Naturanbetung bis zum Totemismus. Totemismus ist eine Kombination von sozialen und religiösen Bräuchen. Ursprünglich dachte man, dass Hochachtung vor dem Totemtier, von dem man biologisch abzustammen glaubte, die Nahrungsversorgung sicherstelle. Die Totems waren gleichzeitig Symbole der Gruppe und ihres Gottes. Ein solcher Gott war der personifizierte Klan. Der Totemismus war eine Phase des Versuchs einer Sozialisierung der an sich persönlichen Religion. Das Totem verwandelte sich schließlich in die Flagge, das Nationalsymbol der verschiedenen modernen Völker. Ein Fetisch- oder Medizinköfferchen war eine Tasche, die eine ehrwürdige Sammlung von phantomdurchdrungenen Artikeln enthielt, und der Medizinmann vergangener Zeiten erlaubte seiner Tasche, dem Symbol seiner Macht, nie, den Boden zu berühren. Im zwanzigsten Jahrhundert achten die zivilisierten Völker ebenso darauf, dass ihre Flaggen, die Embleme ihres Nationalbewusstseins, nie den Boden berühren. Die Insignien von Priester- und Königsamt wurden am Ende als Fetische betrachtet, und der Fetisch des höchsten Staates hat viele Entwicklungsstadien durchgemacht, vom Klan zum Stamm, von der Lehensherrschaft zur Souveränität, vom Totem zur Flagge. Die Fetischkönige haben mit "göttlichem Recht" geherrscht, und es hat viele andere Regierungsformen gegeben. Die Menschen haben auch aus der Demokratie einen Fetisch gemacht, die Verherrlichung und Anbetung der Ideen des Durchschnittsmenschen, wenn man sie insgesamt als "öffentliche Meinung" bezeichnet. Die Meinung eines Einzelnen wird, allein genommen, gering geachtet, aber wenn viele Menschen kollektiv als Demokratie funktionieren, macht man dasselbe mittelmäßige Urteil zum Schiedsrichter der Justiz und zur Norm der Rechtschaffenheit. ***** 88.4 Magie ***** Der Zivilisierte geht die Probleme seines wirklichen Umfeldes mittels seiner Wissenschaft an; der Wilde versuchte die wirklichen Probleme einer illusorischen Phantomumwelt durch Magie zu lösen. Magie war die Technik zur Beeinflussung des eingebildeten Geisterumfelds, dessen Machenschaften unaufhörlich das Unerklärliche erklärten; sie war die Kunst, durch die Benutzung von Fetischen oder anderer und mächtigerer unsichtbarer Wesen die Geister zu freiwilliger Zusammenarbeit zu gewinnen und unfreiwillige Geisterhilfe herbeizuzwingen. Das Ziel von Magie, Hexerei und Geisterbeschwörung war ein Doppeltes: 1. Einblick in die Zukunft zu gewinnen. 2. Das Umfeld günstig zu beeinflussen. Die Ziele der Wissenschaft sind mit denen von Magie identisch. Die Menschheit schreitet nicht durch Meditation und Verstand von Magie zu Wissenschaft fort, sondern vielmehr durch lange Erfahrung, allmählich und mühsam. Der Mensch findet nach und nach im Rückwärtsgehen zur Wahrheit; er beginnt im Irrtum, macht im Irrtum weiter und gelangt endlich an die Schwelle der Wahrheit. Erst mit dem Aufkommen der wissenschaftlichen Methode hat er sich nach vorne gewandt. Aber der Primitive musste experimentieren oder untergehen. Die durch den frühen Aberglauben ausgeübte Faszination war die Mutter der späteren wissenschaftlichen Neugier. Es lebte in diesem primitiven Aberglauben ein vorwärts gerichtetes, dynamisches Gefühl - eine Mischung aus Furcht und Neugier; es gab in der alten Magie eine fortschrittliche Antriebskraft. All dieser Aberglaube stellte das Erwachen des menschlichen Wunsches dar, die planetarische Umwelt zu verstehen und zu meistern. Die Magie gewann eine solche Macht über den Wilden, weil er die Vorstellung von einem natürlichen Tod nicht begreifen konnte. Die spätere Idee von der Erbsünde trug viel dazu bei, den Griff zu lockern, in dem Magie die Rasse hielt, weil sie eine Erklärung für den natürlichen Tod bot. Es war zu einer gewissen Zeit überhaupt nichts Ungewöhnliches, dass zehn unschuldige Personen hingerichtet wurden, weil sie angeblich für den natürlichen Tod eines Einzigen verantwortlich waren. Das ist einer der Gründe, weshalb die alten Völker nicht schneller zunahmen, und dies gilt immer noch für einige afrikanische Stämme. Der Angeklagte bekannte sich gewöhnlich für schuldig, selbst noch angesichts des Todes. Die Magie ist für einen Wilden natürlich. Er glaubt, dass ein Feind wirklich getötet werden kann, wenn über seinem Haarbüschel oder über Schnipseln seiner Fingernägel Hexerei betrieben wird. Die Tödlichkeit von Schlangenbissen wurde der Magie des Hexenmeisters zugeschrieben. Die Schwierigkeit, Magie zu bekämpfen, kommt von der Tatsache, dass Angst töten kann. Die primitiven Völker fürchteten sich derart vor Magie, dass diese tatsächlich tötete, und solche Resultate genügten, um sie in ihrem Irrglauben zu bestärken. Im Falle von Misserfolgen gab es immer irgendeine einleuchtende Erklärung; das Mittel bei versagender Magie war noch mehr Magie. ***** 88.5 Magische Zauberkräfte ***** Da alles, was mit dem Körper zusammenhing, zu einem Fetisch werden konnte, hatte die früheste Magie mit Haaren und Nägeln zu tun. Die Geheimhaltung, die Körperausscheidungen umgab, wuchs aus der Furcht, ein Feind könnte sich irgendeines Körperproduktes bemächtigen und es für schädliche Magie benutzen; alle Körperexkremente wurden deshalb sorgfältig vergraben. Man versagte sich öffentliches Spucken aus Angst, der Speichel könnte zu verderblicher Magie dienen; Ausgespucktes wurde immer zugedeckt. Sogar Speisereste, Kleidungs- und Schmuckstücke konnten zu Instrumenten der Magie werden. Der Wilde ließ nie irgendwelche Speisereste auf dem Tisch zurück. Und all das tat er aus Furcht, seine Feinde könnten diese Dinge in magischen Riten verwenden, und nicht etwa, weil er den hygienischen Wert solcher Gewohnheiten geschätzt hätte. Zaubertränke wurden aus einer großen Vielfalt von Dingen zusammengebraut: aus Menschenfleisch, Tigerklauen, Krokodilzähnen, Samen von Giftpflanzen, Schlangengift und Menschenhaar. Das Gebein von Toten war sehr magisch. Sogar der Staub von Fußspuren konnte in der Magie verwendet werden. Die Alten hatten einen starken Glauben an Liebestränke. Blut und andere Körpersekretionen waren imstande, den magischen Einfluss der Liebe sicherzustellen. Bildern wurde in der Magie eine große Wirksamkeit zugeschrieben. Man fertigte bildhafte Darstellungen an, und wenn diese in bösem oder gutem Sinne behandelt wurden, glaubte man, dieselben Wirkungen würden sich an der wirklichen Person zeigen. Wenn sie Einkäufe machten, kauten abergläubische Menschen auf einem harten Holzstück herum, um das Herz des Verkäufers zu erweichen. Die Milch einer schwarzen Kuh war in hohem Grade magisch ; ebenso schwarze Katzen. Ein Stock oder ein Stab waren magisch, und ebenso die Trommeln, Glocken und Knoten. Sämtliche alten Gegenstände besaßen Zauberkraft. Man sah mit Missfallen auf die Praktiken einer neuen oder höheren Zivilisation wegen ihrer angeblich bösartigen magischen Natur. Schreiben, Drucken und Abbildungen wurden lange so gesehen. Der Primitive glaubte, dass Namen, und insbesondere Namen von Göttern, mit Respekt behandelt werden müssten. Der Name wurde als eine Wesenheit empfunden, als ein von der physischen Persönlichkeit verschiedener Einfluss; er wurde ebenso sehr geachtet wie die Seele und der Schatten. Namen konnten gegen ein Darlehen verpfändet werden; jemand durfte seinen Namen nicht eher wieder gebrauchen, als bis er ihn durch Bezahlung des Darlehens eingelöst hatte. Heutzutage unterschreibt man auf einem Schuldschein mit seinem Namen. Der Name des Einzelnen wurde in der Magie bald wichtig. Der Wilde hatte zwei Namen; der wichtige wurde als zu heilig angesehen, um bei gewöhnlichen Gelegenheiten gebraucht zu werden ; deshalb hatte er einen zweiten Namen für den Alltag - einen Beinamen. Nie nannte er Fremden gegenüber seinen wirklichen Namen. Irgendeine außergewöhnliche Erfahrung konnte ihn veranlassen, seinen Namen zu wechseln; manchmal geschah es aus dem Bedürfnis heraus, von einer Krankheit geheilt zu werden oder Unglück aufzuhalten. Der Wilde konnte sich einen neuen Namen verschaffen, indem er ihn vom Stammeshäuptling kaufte; immer noch investieren die Menschen viel in Titel und Grade. Aber bei primitivsten Stämmen wie den afrikanischen Buschmännern existieren keine individuellen Namen. ***** 88.6 Die Praxis der Magie ***** Wer Magie praktizierte, gebrauchte Stäbe, "Medizin"-Rituale und Beschwörungen und arbeitete gewöhnlich unbekleidet. Unter den primitiven Magiern waren die Frauen zahlreicher als die Männer. In der Magie bedeutet "Medizin" Mysterium und nicht Behandlung. Der Wilde behandelte sich nie selber; er gebrauchte nie irgendwelche Heilmittel, außer auf Anraten von Spezialisten der Magie. Die Voodoo-Doktoren des zwanzigsten Jahrhunderts sind typisch für die Magier früherer Zeiten. Es gab zwei Arten von Magie, eine öffentliche und eine private. Die von Medizinmännern, Schamanen und Priestern geübte geschah angeblich zum Wohl des ganzen Stammes. Hexen, Hexer und Zauberer gewährten private Magie, persönliche und eigennützige Magie, die als Zwangsmittel angewendet wurde, um Unglück über seine Feinde zu bringen. Die Vorstellung von einer doppelten, aus guten und bösen Geistern bestehenden Geisterwelt ließ den späteren Glauben an weiße und schwarze Magie entstehen. Und als die Religion sich entwickelte, bezeichnete das Wort Magie das Wirken von Geistern, das sich außerhalb des eigenen Kultes abspielte, und es wies auch auf älteren Geisterglauben hin. Wortkombinationen, mit Gesängen und Beschwörungen einhergehende Rituale waren hochmagisch. Einige frühere Beschwörungen entwickelten sich schließlich zu Gebeten. Bald wurde auch imitative Magie geübt; Gebete wurden dargestellt; magische Tänze waren nichts anderes als dramatische Gebete. Allmählich trat das Gebet an die Stelle von Magie, um Opferhandlungen zu begleiten. Die Gestik ist älter als die Sprache, und sie war deshalb umso heiliger und magischer, und der Mimik schrieb man große magische Kraft zu. Die roten Menschen führten oft einen Büffeltanz auf, in welchem einer der ihren den Büffelpart spielte, und sein Fang stellte den Erfolg der bevorstehenden Jagd sicher. Die sexuellen Festlichkeiten des 1. Mai waren einfach imitative Magie, eine suggestive Anrufung der sexuellen Leidenschaften der Pflanzenwelt. Die Puppe wurde zuerst von unfruchtbaren Frauen als magischer Talisman gebraucht. Die Magie war jener Zweig am Baum der evolutionären Religion, der am Ende die Frucht des wissenschaftlichen Zeitalters trug. Der Glaube an Astrologie führte zur Entwicklung der Astronomie, der Glaube an den Stein der Weisen führte zur Beherrschung der Metalle, während der Glaube an magische Zahlen die Wissenschaft der Mathematik begründete. Aber eine derart mit Zauberkräften angefüllte Welt trug viel zur Zerstörung aller persönlichen Ambition und Initiative bei. Die Früchte besonderer Anstrengungen oder von Fleiß wurden auf Magie zurückgeführt. Wenn jemand mehr Korn auf seinem Feld stehen hatte als sein Nachbar, konnte es geschehen, dass er vor den Häuptling gerufen und angeklagt wurde, das Mehr an Korn vom Feld seines trägen Nachbarn weggelockt zu haben. In der Tat war es in den Tagen der Barbarei gefährlich, sehr viel zu wissen; es bestand immer die Möglichkeit, als Adept der Schwarzen Kunst hingerichtet zu werden. Schrittweise entfernt die Wissenschaft das Glücksspiel-Element aus dem Leben. Aber wenn die modernen Erziehungsmethoden scheitern sollten, gäbe es eine fast augenblickliche Rückkehr zum primitiven Glauben an Magie. Solcher Aberglaube verweilt immer noch in den Gemütern vieler sogenannter zivilisierter Leute. Die Sprache enthält viele Fossilien, die davon Zeugnis ablegen, dass die Rasse lange Zeit von magischem Aberglauben durchdrungen war; sie enthält Wörter wie: in seinen Bann schlagen, unter einem ungünstigen Stern stehen, Besessenheit, Inspiration, wegzaubern, Genialität, bezaubernd, wie vom Donner gerührt und erstaunt. Und intelligente Menschenwesen glauben immer noch an Glück, bösen Blick und Astrologie. Die alte Magie war der Kokon moderner Wissenschaft, zu ihrer Zeit unentbehrlich, aber jetzt nicht mehr von Nutzen. Und so bewegten die aus unwissendem Aberglauben geborenen Phantasmen die primitiven Gemüter der Menschen, bis die Konzepte der Wissenschaft geboren werden konnten. Heute befindet sich Urantia in einer zwielichtigen Zone seiner intellektuellen Entwicklung. Eine Hälfte der Welt strebt begierig nach dem Licht der Wahrheit und den Tatsachen wissenschaftlicher Entdeckung, während die andere Hälfte in den Stricken alten Aberglaubens und kaum verhüllter Magie schmachtet. [Dargeboten von einem Leuchtenden Abendstern Nebadons.] ****** Kapitel 89 Sünde, Opfer und Sühne ****** DER primitive Mensch sah sich den Geistern gegenüber als Schuldner, als jemand, der wieder gutzumachen hatte. In den Augen der Wilden hätte die Gerechtigkeit verlangt, dass die Geister sie mit noch viel mehr Unglück straften. Im Laufe der Zeit entwickelte sich diese Vorstellung zu der Doktrin von Sünde und Errettung. Man nahm an, dass die Seele schon schuldbeladen zur Welt kam - mit der Erbsünde beladen. Die Seele musste losgekauft werden; ein Sündenbock musste beschafft werden. Der Kopfjäger konnte sich zusätzlich zur Pflege des Kultes der Schädelverehrung einen Ersatzmann für sein eigenes Leben, einen "Sündenmann", verschaffen. Der Wilde war schon früh vom Gedanken besessen, dass sich die Geister am Anblick menschlichen Elends, Leidens und menschlicher Erniedrigung weideten. Zuerst plagten die Menschen nur Sünden, die sie begangen hatten, aber später beunruhigte sie auch die Sünde, gewisse Dinge unterlassen zu haben. Und das ganze spätere Opfersystem wuchs aus diesen beiden Ideen heraus. Dieses neue Ritual bestand aus der Begehung der Besänftigungszeremonien des Opferns. Der primitive Mensch glaubte, etwas Besonderes tun zu müssen, um die Gunst der Götter zu gewinnen; erst eine fortgeschrittene Zivilisation erkennt einen grundlegend freundlichen Gott ohne Gemütsschwankungen. Gnädigstimmen war eher eine Absicherung gegen unmittelbares Unglück als eine Investition in zukünftiges Glück. Und die Rituale des Abwendens von Unheil, der Geisteraustreibung, -zwingung und -gnädigstimmung gingen alle fließend ineinander über. ***** 89.1 Das Tabu ***** Die Beobachtung eines Tabus war das Bemühen des Menschen, einem Missgeschick aus dem Wege zu gehen - sich dadurch, dass er etwas zu tun vermied, davor zu bewahren, die Geisterphantome zu beleidigen. Die Tabus waren zuerst nichtreligiös, aber schon früh erwarben sie die Sanktionierung durch Phantome und Geister, und so verstärkt, wurden sie zu Gesetzgebern und Erbauern von Institutionen. Das Tabu ist die Quelle zeremonieller Normen und der Vater primitiver Selbstbeherrschung. Es war die früheste Form gesellschaftlicher Regulierung und während langer Zeit die einzige; es ist immer noch die grundlegende Baueinheit der gesellschaftlichen Regulierungsstruktur. Der Respekt, den diese Verbote dem Gemüt des Wilden einflößten, entsprach genau der Furcht vor den Mächten, die angeblich ihre Einhaltung verlangten. Die ersten Tabus entstanden aufgrund zufälliger unglücklicher Erfahrungen; später wurden sie von Häuptlingen und Schamanen vorgeschlagen - von Fetischmenschen, die man von einem Geistphantom oder sogar von einem Gott gelenkt glaubte. Die Furcht vor Vergeltung durch Geister ist im Gemüt des Primitiven derart mächtig, dass er manchmal vor Entsetzen stirbt, wenn er ein Tabu verletzt hat, und solch ein dramatisches Vorkommnis trägt gewaltig zur Verankerung des Tabus im Gemüt der Weiterlebenden bei. Unter den ersten Verboten befanden sich solche, die die Aneignung von Frauen und anderem Besitz einschränkten. Als die Religion in der Entwicklung des Tabus eine bedeutendere Rolle zu spielen begann, wurde ein mit einem Verbot belegter Gegenstand als unrein und später als unheilig betrachtet. Die Schriften der Hebräer sind voll von Erwähnungen von reinen und unreinen, heiligen und unheiligen Dingen, aber ihre diesbezüglichen Glaubensvorstellungen waren weit weniger beschwerlich und umfangreich als jene vieler anderer Völker. Die sieben Gebote Dalamatias und Edens ebenso wie die zehn Aufforderungen an die Hebräer waren eindeutige Tabus, und sie waren alle in derselben negativen Form abgefasst wie die meisten alten Verbote. Aber diese neueren Gesetzessammlungen brachten eine wahre Emanzipation, weil sie an die Stelle von Tausenden von früheren Tabus traten. Und noch mehr als das: Diese späteren Gebote versprachen eindeutig etwas als Gegenleistung für Gehorsam. Die frühen Nahrungstabus hatten ihre Wurzeln in Fetischismus und Totemismus. Den Phöniziern war das Schwein heilig, den Hindus die Kuh. Das ägyptische Tabu auf Schweinefleisch haben hebräischer und islamischer Glaube fortbestehen lassen. Eine Variante des Nahrungstabus war der Glaube, dass wenn es eine schwangere Frau heftig nach einer bestimmten Nahrung verlangte, das Kind als ein Echo dieser Nahrung zur Welt käme. Die betreffenden Nahrungsmittel waren dann für das Kind tabu. Bald wurden bestimmte Essensgewohnheiten mit Tabu belegt, und so entstanden alte und neue Tischetiketten. Kastensysteme und soziale Stufen sind Überreste alter Verbote. Die Tabus waren höchst wirksam bei der Organisation der Gesellschaft, aber sie waren eine schreckliche Bürde; das negative Verbotssystem behielt nicht nur nützliche und konstruktive Regulierungen bei, sondern auch veraltete, überholte und nutzlose Tabus. Keine zivilisierte Gesellschaft sollte indessen an den primitiven Menschen Kritik üben außer wegen dieser Unzahl mannigfaltiger Tabus, und die Tabus hätten sich ohne die Unterstützung und Gutheißung durch die primitive Religion nie gehalten. Viele wesentliche Faktoren der menschlichen Evolution haben einen sehr hohen Preis gefordert, haben ungeheure Schätze an Mühe, Opfern und Selbstverleugnung gekostet, aber all diese Siege in Selbstüberwindung sind in Wahrheit die Sprossen gewesen, über die der Mensch die Zivilisationsleiter hinaufgeklettert ist. ***** 89.2 Das Sünde-Konzept ***** Angst vor dem blinden Zufall und Bedrohung durch Unglück trieben den Menschen buchstäblich dazu, die primitive Religion zu erfinden, in der er eine Versicherung gegen all dieses Unheil sah. Die Entwicklung der Religion verlief von Magie und Phantomen über Geister und Fetische zu Tabus. Jeder primitive Stamm besaß seinen Baum mit der verbotenen Frucht, wörtlich dem Apfel, der aber nur ein Bild war für tausend Äste, auf welche die schwere Last aller Arten von Tabus drückte. Und der verbotene Baum sagte immer: "Du sollst nicht." Als der Verstand des Wilden sich bis zu dem Punkt entwickelt hatte, an dem er die Geister in gute und böse zu scheiden begann, und als das Tabu von der sich entwickelnden Religion feierlich bestätigt worden war, war der Rahmen für das Erscheinen der neuen Vorstellung von Sünde gegeben. Die Sünde-Idee war längst weltweit verbreitet, bevor die offenbarte Religion Einzug hielt. Nur das Sünde-Konzept konnte dem primitiven Verstand eine logische Erklärung für den natürlichen Tod liefern. Sünde war die Übertretung eines Tabus, und der Tod war die Bestrafung für die Sünde. Sünde war ritueller, nicht rationaler Natur; sie war ein Akt, kein Gedanke. Und dies ganze Sünde-Konzept wurde genährt durch die noch vorhandenen Erinnerungen an Dilmun und die Tage eines kleinen Paradieses auf Erden. Auch was die Überlieferung von Adam und vom Garten Eden berichtete, verlieh dem Traum von einem einstigen "goldenen Zeitalter" am Anfang der Rassen Substanz. Und all das bestärkte die Ideen, die sich später in dem Glauben ausdrückten, der Mensch habe seinen Ursprung in einer besonderen Schöpfung, er habe seine Laufbahn in Vollkommenheit begonnen und sei durch die Übertretung von Tabus - Sünde - in seine missliche Lage geraten. Die gewohnheitsmäßige Verletzung eines Tabus wurde zum Laster; das primitive Gesetz machte das Laster zu einem Verbrechen; die Religion machte es zu einer Sünde. Unter den frühen Stämmen galt die Verletzung eines Tabus zugleich als Verbrechen und Sünde. Kam ein Unglück über die Gemeinschaft, wurde es immer als Bestrafung für Stammessünde betrachtet. Jenen, die glaubten, dass Prosperität mit Rechtschaffenheit gekoppelt sei, bereitete das offensichtliche Wohlergehen der Bösen so viel Kopfzerbrechen, dass es nötig wurde, zur Bestrafung von Tabuverletzern Höllen zu erfinden; die Zahl dieser Orte zukünftiger Bestrafung schwankte zwischen einem und fünf. Die Idee von Beichte und Vergebung trat in der primitiven Religion schon früh auf. Die Menschen pflegten bei einer öffentlichen Versammlung um Vergebung für Sünden zu bitten, die sie in der darauf folgenden Woche zu begehen beabsichtigten. Die Beichte war nur ein Vergebungsritus, auch ein öffentliches Bekenntnis der Befleckung, ein Ritual, an dem "unrein, unrein!" geschrieen wurde. Dann folgte der ganze rituelle Ablauf der Reinigung. Alle alten Völker beobachteten diese sinnlosen Zeremonien. Viele anscheinend hygienische Sitten der frühen Stämme waren weitgehend zeremonieller Natur. ***** 89.3 Entsagung und Demütigung ***** Entsagung war der nächste Schritt in der religiösen Evolution; Fasten war eine allgemeine Praxis. Bald wurde es Brauch, auf viele Formen physischen Vergnügens, insbesondere sexueller Natur, zu verzichten. Das Fastenritual war in vielen alten Religionen tief verwurzelt, und von da ist es praktisch in alle modernen theologischen Gedankensysteme eingegangen. Gerade zu der Zeit, als der barbarische Mensch von der verschwenderischen Praxis abkam, mit den Toten auch deren Besitz zu verbrennen und zu vergraben, gerade als eine wirtschaftliche Struktur der Rassen Gestalt anzunehmen begann, erschien diese neue religiöse Lehre von der Entsagung, und Zehntausende ernster Seelen begannen, die Armut zu suchen. Besitz wurde als geistige Behinderung betrachtet. Diese Ansichten, wonach materieller Besitz eine Gefahr für das Geistige darstelle, waren zu der Zeit von Philo und Paulus weit verbreitet, und sie haben seither die europäische Philosophie immer stark beeinflusst. Armut war nur ein Teil des Rituals zur Kasteiung des Fleisches, das unglücklicherweise in die Schriften und Lehren vieler Religionen, insbesondere des Christentums, Eingang fand. Buße tun ist die negative Form dieses oft unsinnigen Entsagungsrituals. Aber all dies lehrte den Wilden Selbstbeherrschung, und das war ein lohnender Fortschritt in der gesellschaftlichen Evolution. Selbstverleugnung und Selbstbeherrschung waren zwei der größten gesellschaftlichen Gewinne aus der frühen evolutionären Religion. Selbstbeherrschung brachte dem Menschen eine neue Lebensphilosophie; sie lehrte ihn, den Wert des Lebensbruchs dadurch zu erhöhen, dass er den Nenner persönlicher Ansprüche senkte, anstatt immer den Zähler eigennütziger Befriedigungen erhöhen zu wollen. Diese alten Ideen der Selbstzucht schlossen Geißelung und alle Formen von physischer Marter ein. Die Priester des Mutterkults waren besonders aktive Lehrer der Tugenden physischen Leidens, und sie gingen mit dem Beispiel voran, indem sie sich der Kastration unterzogen. Die Hebräer, Hindus und Buddhisten waren ernsthafte Anhänger dieser Doktrin physischer Demütigung. Während des ganzen Altertums bemühten sich die Menschen in dieser Weise um Extrakredite in den Hauptbüchern der Selbstverleugnung, die ihre Götter führten. Wenn jemand unter starker gefühlsmäßiger Spannung stand, war es einst üblich, Selbstverleugnung und Selbstmarter zu geloben. Mit der Zeit nahmen diese Gelübde die Form von Verträgen mit den Göttern an, und in diesem Sinne stellten sie einen echten evolutionären Fortschritt dar, denn man ging davon aus, dass die Götter im Gegenzug gegen diese Selbstmarter und Kasteiung des Fleisches etwas ganz Bestimmtes tun würden. Die Gelübde waren sowohl negativ als auch positiv. Treueschwüre dieser schädlichen und extremen Art kann man heute am besten bei gewissen Gruppen in Indien beobachten. Es war nur natürlich, dass der Kult der Entsagung und Demütigung sein Augenmerk auf die geschlechtliche Befriedigung lenkte. Der Kult der Enthaltsamkeit entstand als Ritual unter Kriegern, bevor sie sich in den Kampf warfen; in späteren Zeiten wurde er zur Praxis von "Heiligen". Dieser Kult duldete die Ehe nur als ein Übel, das weniger schlimm war als Hurerei. Manche der großen Weltreligionen sind von diesem alten Kult zu ihrem Nachteil beeinflusst worden, aber keine deutlicher als das Christentum. Der Apostel Paulus war ein Anhänger dieses Kults, und seine persönlichen Ansichten spiegeln sich in den Lehren wider, die er fest mit der christlichen Theologie verknüpfte: "Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren." "Ich wünschte, alle Menschen wären wie ich." "Zu den Unverheirateten und Witwen sage ich deshalb: Es ist gut für sie, wenn sie so bleiben wie ich." Paulus wusste sehr wohl, dass solche Lehren nicht zu Jesu Evangelium gehörten, und sein Wissen darum kommt in seiner Erklärung zum Ausdruck: "Ich sage dies, weil es mir gestattet wurde, und nicht, weil es mir geboten wurde." Aber dieser Kult führte Paulus dazu, auf die Frauen herabzuschauen. Und das Bedauerliche an alledem ist, dass seine persönlichen Meinungen lange Zeit die Lehren einer großen Weltreligion beeinflusst haben. Wenn der Ratschlag des Zeltmacher-Lehrers buchstäblich und allgemein befolgt würde, käme die menschliche Rasse zu einem plötzlichen und unrühmlichen Ende. Überdies führt die Verquickung einer Religion mit dem alten Enthaltsamkeitskult direkt zu einem Feldzug gegen die Ehe und das Heim, die eigentliche Grundlage der Gesellschaft und fundamentale Institution des menschlichen Fortschritts. Und man muss sich nicht verwundern, dass all solche Ansichten in vielen Religionen bei verschiedenen Völkern die Bildung von Priesterschaften begünstigten, die dem Zölibat verpflichtet waren. Eines Tages sollte der Mensch lernen, sich seiner Freiheit ohne Zügellosigkeit zu erfreuen, seiner Speisen ohne Unersättlichkeit und seines Vergnügens ohne Ausschweifung. Selbstbeherrschung ist eine bessere Politik zur Steuerung des menschlichen Verhaltens als extreme Selbstverleugnung. Und nie hat Jesus seine Anhänger solch unvernünftige Ansichten gelehrt. ***** 89.4 Die Ursprünge des Opfers ***** Wie viele andere Anbetungsrituale hatte das Opfer als Teil religiöser Glaubensübungen nicht einen einfachen und einzigen Ursprung. Die Tendenz, sich vor der Macht zu verbeugen und sich in Gegenwart des Geheimnisvollen in ehrfürchtiger Anbetung zu Boden zu werfen, lässt sich schon im Wedeln des Hundes vor seinem Herrn erahnen. Es ist nur ein Schritt vom Impuls der Anbetung zum Akt des Opferns. Der primitive Mensch beurteilte den Wert seines Opfers nach dem Schmerz, den er dabei ausstand. Als die Opferidee sich zum ersten Mal mit dem religiösen Zeremoniell verband, wurde kein Opfer in Betracht gezogen, das nicht Schmerz bereitete. Die ersten Opfer bestanden in Haarausraufen, Schnittwunden, Verstümmelungen, Einschlagen von Zähnen und Fingerabschneiden. Mit fortschreitender Zivilisation wurden diese rohen Opfervorstellungen auf die Stufe der Rituale der Selbstverleugnung, der Askese, des Fastens, der Entbehrungen und der späteren christlichen Doktrin von der Heiligung durch Kummer, Leiden und Kasteiung des Fleisches erhoben. Früh in der Evolution der Religion gab es zwei Opfervorstellungen: die Idee vom Geschenkopfer, das eine dankende Haltung zum Ausdruck brachte, und vom Schuldopfer, das die Vorstellung von einem Freikauf beinhaltete. Später entwickelte sich der Gedanke der Substituierung. Noch später kam der Mensch auf die Idee, sein wie auch immer geartetes Opfer könnte als Überbringer einer Botschaft an die Götter funktionieren; es könnte wie ein süßer Geruch in den Nasenlöchern der Gottheit sein. Das führte zu Weihrauch und anderen ästhetischen Charakteristiken des Opferrituals, das sich nun auf ein Opferfest hinentwickelte und mit der Zeit stets komplizierter und mit immer reicherem Schmuck ausgestattet wurde. Als die Religion sich weiterentwickelte, ersetzten die Opferriten, die eine Versöhnung und Gnädigstimmung bezweckten, die älteren Methoden des Abwendens von Unheil, der Besänftigung und des Exorzismus. Die früheste Idee des Opfers war die einer Steuer, die von den Ahnengeistern zur Erlangung ihrer Neutralität erhoben wurde; erst später entwickelte sich die Idee von Sühne. Während sich der Mensch immer mehr von dem Wissen um den evolutionären Ursprung der Rasse entfernte und während die Überlieferungen aus den Tagen des Planetarischen Fürsten und die Erinnerung an Adams Aufenthalt durch die Zeiten sickerten, erfuhr die Vorstellung von Sünde und Erbsünde weite Verbreitung, so dass das Opfern für zufällige und persönliche Sünde sich in die Lehre vom Opfern zur Sühne für die Sünde der Rasse verwandelte. Das Sühneopfer diente als Kollektivversicherung, die sogar den Groll und die Eifersucht eines unbekannten Gottes abdeckte. Umringt von so vielen empfindlichen Geistern und habgierigen Göttern, sah sich der primitive Mensch einem solchen Heer von Gläubigergottheiten gegenüber, dass es ein Leben lang all der Priester, Rituale und Opferhandlungen bedurfte, um ihn von geistiger Schuld zu befreien. Die Lehre von der Erbsünde oder Rassenschuld versetzte jeden Einzelnen den geistigen Mächten gegenüber in schwere Schuld. Geschenke und Bestechungsgelder gibt man Menschen; aber wenn sie den Göttern dargereicht werden, beschreibt man sie als geweiht, geheiligt oder nennt sie Opfer. Entsagung war die negative Form des Gnädigstimmens; das Opfer wurde seine positive Form. Der Vorgang der Gnädigstimmung enthielt Lobpreisung, Verherrlichung, Schmeichelei und sogar Unterhaltung. Und es sind die Überbleibsel dieser positiven Praktiken des alten Kults der Gnädigstimmung, welche die modernen Formen göttlicher Anbetung bilden. Diese sind ganz einfach die Ritualisierung dieser alten Opfertechniken positiver Gnädigstimmung. Tieropfer bedeuteten für die primitiven Menschen viel mehr, als was sie je für moderne Rassen darstellen könnten. Diese Barbaren sahen in den Tieren wirklich ihre nahen Verwandten. Mit der Zeit wurde der Mensch beim Opfern schlauer und hörte auf, seine Arbeitstiere darzubringen. Am Anfang hatte er immer das Beste von allem einschließlich seiner domestizierten Tiere geopfert. Es war keine leere Prahlerei, als ein bestimmter ägyptischer Herrscher erklärte, er habe geopfert: 493 368 Stück Vieh, 88 Schiffe, 2 756 goldene Standbilder, 331 702 Honig- und Ölkrüge, 228 380 Weinkrüge, 680 714 Gänse, 6 744 428 Brotlaibe und 5 740 352 mit Münzen gefüllte Säcke. Um das zu vollbringen, muss er seine hart arbeitenden Untertanen notwendigerweise arg strapaziert haben. Bare Notwendigkeit bewog diese Halbwilden endlich, den materiellen Teil ihrer Opfer zu verspeisen, nachdem sich die Götter an deren Seelen gelabt hatten. Und man fand eine Rechtfertigung für diese Sitte unter dem Vorwand des einstigen heiligen Mahls, eines religiösen Zusammenseins nach heutigem Brauch. ***** 89.5 Opfer und Kannibalismus ***** Die modernen Ideen über den frühen Kannibalismus sind völlig falsch; er war ein Teil der Sitten der frühen Gesellschaft. Obwohl Menschenfresserei für die moderne Zivilisation traditionell etwas Entsetzliches ist, war sie ein Teil der gesellschaftlichen und religiösen Struktur der primitiven Gesellschaft. Gruppeninteressen diktierten die Praxis des Kannibalismus. Er entstand unter dem Druck der Notwendigkeit und hielt sich infolge der Sklaverei durch Aberglauben und Unwissenheit. Er war eine gesellschaftliche, wirtschaftliche, religiöse und militärische Sitte. Der frühe Mensch war Kannibale; er liebte Menschenfleisch und brachte es deshalb den Geistern und seinen primitiven Göttern als Nahrungsgabe dar. Da die Phantomgeister nur etwas abgeänderte Menschen waren und Nahrung des Menschen größtes Bedürfnis ist, musste Nahrung auch das größte Bedürfnis eines Geistes sein. Kannibalismus war einst unter den sich entwickelnden Rassen nahezu allgemein verbreitet. Die Sangik waren alle Kannibalen, aber die Andoniten waren es anfangs nicht, noch waren es die Noditen und Adamiten. Die Anditen wurden es erst, nachdem sie sich außerordentlich stark mit den evolutionären Rassen vermischt hatten. Der Geschmack an Menschenfleisch nimmt zu. Nachdem das Verzehren von Menschenfleisch aufgrund von Hunger, Freundschaft, Rache oder religiösem Ritual begonnen hat, geht es nun in gewohnheitsmäßigen Kannibalismus über. Menschenfresserei ist aus Nahrungsmangel entstanden, obwohl dieser selten der wirkliche Grund war. Eskimos und frühe Andoniten waren indessen selten Kannibalen außer in Zeiten der Hungersnot. Die roten Menschen, insbesondere diejenigen Mittelamerikas, waren Kannibalen. Es war einst unter den primitiven Müttern allgemein üblich, ihre eigenen Kinder zu töten und zu verzehren, um die Kraft, die sie beim Gebären verloren hatten, wiederzugewinnen, und in Queensland kommt es noch häufig vor, dass das erste Kind getötet und verspiesen wird. In neuerer Zeit haben viele afrikanische Stämme vom Kannibalismus als einer Kriegsmaßnahme, einer Art Schreckgespenst, Gebrauch gemacht, um ihre Nachbarn zu terrorisieren. Es gab zwar Kannibalismus, der von der Degeneration einst höherer Gruppen herrührte, aber im Wesentlichen herrschte er unter allen evolutionären Rassen. Die Menschenfresserei kam zu einer Zeit auf, als die Menschen die Erfahrung intensiver und erbitterter Gefühle gegenüber ihren Feinden machten. Das Verspeisen von Menschenfleisch wurde Teil einer feierlichen Rachezeremonie; man glaubte, dass das Phantom eines Feindes auf diese Weise zerstört oder mit demjenigen des Essenden vereinigt werden konnte. Es war ein einst weit verbreiteter Glaube, dass Zauberer ihre Kräfte durch das Verspeisen von Menschenfleisch erwarben. Gewisse Gruppen von Menschenfressern verzehrten nur Mitglieder ihres eigenen Stammes. Es war eine pseudogeistige Inzucht, die in ihrer Vorstellung die Stammessolidarität verstärkte. Aber sie verspeisten zur Vergeltung auch Feinde mit dem Gedanken, sich deren Kraft anzueignen. Man betrachtete es als eine Ehre für die Seele eines Freundes oder Stammesbruders, seinen Körper zu essen, während es für einen Feind nur gerechte Bestrafung war, wenn man ihn verzehrte. Der Verstand des Wilden machte keine Ansprüche auf Folgerichtigkeit. Bei einigen Stämmen begehrten alte Eltern, von ihren Kindern gegessen zu werden, während bei anderen die Sitte gebot, sich des Verzehrens von nahen Verwandten zu enthalten; man verkaufte deren Körper oder tauschte sie gegen solche von Fremden ein. Es gab einen beträchtlichen Handel mit Frauen und Kindern, die man mästete, um sie dann zu schlachten. Wenn weder Krankheit noch Krieg die Bevölkerung in Grenzen zu halten vermochten, wurden die Überschüssigen ohne viel Federlesens verzehrt. Unter folgenden Einflüssen ist der Kannibalismus allmählich verschwunden: 1. Er wurde manchmal zu einer gemeinschaftlich begangenen Zeremonie, zum Ausdruck der Übernahme einer kollektiven Verantwortung bei der Verhängung der Todesstrafe über einen Stammesangehörigen. Die Blutschuld hört auf, ein Verbrechen zu sein, wenn alle - die Gesellschaft - daran teilnehmen. Die letzten Fälle von Kannibalismus in Asien waren solche von hingerichteten und verzehrten Verbrechern. 2. Er wurde sehr früh zu einem religiösen Ritual, aber die zunehmende Furcht vor Phantomen bewirkte nicht immer einen Rückgang der Menschenfresserei. 3. Der Kannibalismus entwickelte sich mit der Zeit bis zu dem Punkt, wo nur noch jene bestimmten Körperteile oder -organe gegessen wurden, von denen man glaubte, dass sie die Seele oder Anteile des Geistes enthielten. Bluttrinken wurde üblich, und man pflegte die "essbaren" Körperteile mit Heilmitteln zu vermischen. 4. Der Kannibalismus wurde auf Männer beschränkt; den Frauen war es verboten, Menschenfleisch zu essen. 5. Als Nächstes wurde er auf Häuptlinge, Priester und Schamanen beschränkt. 6. Dann wurde er unter den höheren Stämmen tabu. Das Tabu auf Menschenfresserei hatte seinen Ursprung in Dalamatia, von wo es sich langsam über die ganze Welt ausbreitete. Die Noditen förderten die Kremation als Mittel zur Bekämpfung des Kannibalismus, denn es war einst allgemeiner Brauch, beerdigte Leichen wieder auszugraben und zu verspeisen. 7. Mit den Menschenopfern kam das Ende des Kannibalismus. Da Menschenfleisch zur Nahrung von höheren Menschen, den Häuptlingen, geworden war, wurde es schließlich den noch höheren Geistern vorbehalten; und so setzte die Darbringung von menschlichen Opfern dem Kannibalismus in wirksamer Weise ein Ende außer bei den niedrigsten Stämmen. Als das Menschenopfer eine feste Einrichtung geworden war, wurde Menschenfresserei mit dem Tabu belegt; Menschenfleisch war nur eine Speise für Götter; die Menschen hatten bloß Anrecht auf einen kleinen zeremoniellen Bissen, ein Sakrament. Endlich kamen Tiersubstitute zu Opferzwecken in allgemeinen Gebrauch, und auch bei den rückständigeren Stämmen verringerte der Genuss von Hundefleisch denjenigen von Menschenfleisch sehr stark. Der Hund war das erste gezähmte Tier und wurde als solches und als Speise hochgeschätzt. ***** 89.6 Die Evolution des Menschenopfers ***** Das Menschenopfer war eine indirekte Folge des Kannibalismus und zugleich das Mittel, um von ihm geheilt zu werden. Auch das Liefern von Geistereskorten in die Geisterwelt führte zu einer Abnahme der Menschenfresserei, da es nie Sitte war, diese Totenopfer zu essen. Keine Rasse war zu irgendeiner Zeit frei von der Praxis der Menschenopfer in irgendeiner Form, auch wenn die Andoniten, Noditen und Adamiten dem Kannibalismus am wenigsten frönten. Menschenopfer gab es praktisch überall; sie wurden beibehalten im religiösen Brauchtum der Chinesen, Hindus, Ägypter, Hebräer, Mesopotamier, Griechen, Römer und vieler anderer Völker, und es gab sie sogar bis vor kurzem bei den rückständigen Stämmen Afrikas und Australiens. Die späteren amerikanischen Indianer hatten eine Zivilisation, die eben aus dem Kannibalismus heraustrat und sich deshalb tief in die Menschenopferung verstrickte, besonders in Mittel-und Südamerika. Die Chaldäer waren unter den ersten, die die Opferung von Menschen bei gewöhnlichen Anlässen aufgaben und statt ihrer Tiere verwendeten. Vor etwa zweitausend Jahren führte ein weichherziger japanischer Kaiser als Ersatz für die geopferten Menschen Tonstatuetten ein, aber es ist noch nicht tausend Jahre her, seit diese Opfer in Nordeuropa aufgehört haben. Bei gewissen rückständigen Stämmen opfern sich Freiwillige immer noch in einer Art religiösen oder rituellen Selbstmordes. Ein Schamane eines gewissen Stammes ordnete einst die Opferung eines hoch geachteten alten Mannes an. Das Volk rebellierte dagegen und weigerte sich zu gehorchen, worauf sich der alte Mann von seinem eigenen Sohn ins Jenseits befördern ließ; die Alten glaubten wirklich an diesen Brauch. Es gibt keine bewegendere überlieferte menschliche Tragödie, Ausdruck des herzzerreißenden Widerstreits zwischen den altehrwürdigen religiösen Bräuchen und den gegensätzlichen Forderungen der fortschreitenden Zivilisation, als die hebräische Erzählung von Jephthah und seiner einzigen Tochter. Wie es allgemein Sitte war, hatte dieser wohlmeinende Mann gedankenlos ein Gelübde abgelegt, hatte mit dem "Gott der Schlachten" einen Tauschhandel abgeschlossen und in die Bezahlung eines bestimmten Preises für den Sieg über seine Feinde eingewilligt. Und dieser Preis bestand darin, bei seiner Heimkehr das als Opfer darzubringen, was ihm zuerst aus seinem Hause entgegenkäme. Jephthah dachte, einer seiner treuen Sklaven würde zur Stelle sein, um ihn zu begrüßen, aber es fand sich, dass seine Tochter, sein einziges Kind, heraustrat, um ihn zu Hause willkommen zu heißen. Und so wurde zu einem so späten Zeitpunkt und in einem angeblich zivilisierten Volk diese schöne junge Frau, nachdem sie ihr Los zwei Monate lang beweint hatte, tatsächlich von ihrem Vater unter Zustimmung seiner Stammesgefährten als menschliches Opfer dargebracht. Und all das geschah trotz der strengen Vorschriften Mose gegen die Darbringung von Menschenopfern. Aber Männer und Frauen sind darauf versessen, unüberlegte und unnütze Gelübde abzulegen, und die Menschen von einst betrachteten alle derartigen Verpflichtungen als hochheilig. Wenn in alter Zeit mit dem Bau eines wichtigeren neuen Gebäudes begonnen wurde, pflegte man ein menschliches Wesen als "Fundamentopfer" zu töten. Damit verschaffte man sich einen Phantomgeist, der über dem Gebäude wachte und es beschützte. Wenn sich die Chinesen an den Guss einer Glocke machten, verlangte der Brauch, dass mindestens ein Mädchen geopfert wurde, um den Klang der Glocke zu verschönern; das auserwählte Mädchen wurde lebendig in das geschmolzene Metall geworfen. Es war lange Zeit bei vielen Gruppen üblich, Sklaven bei lebendigem Leibe in wichtiges Mauerwerk einzumauern. In späterer Zeit ersetzten die nordeuropäischen Stämme die Sitte, Menschen lebendig in den Mauern neuer Bauwerke zu begraben, durch das Einmauern des Schattens eines Vorübergehenden. Die Chinesen beerdigten in einer Mauer die Arbeiter, die während des Baus gestorben waren. Als ein kleiner König Palästinas die Mauern Jerichos baute, "legte er ihre Fundamente auf Abiram, seinen Erstgeborenen, und errichtete ihre Tore über seinem jüngsten Sohn, Segub". Zu einem so späten Zeitpunkt brachte dieser Vater nicht nur seine Söhne tatsächlich lebendig in die Gruben für die Fundamente des Stadttors, sondern es wurde auch schriftlich festgehalten, dass diese Handlung "gemäß dem Wort des Herrn" geschehen war. Moses hatte diese Fundamentopfer verboten, aber die Israeliten kehrten kurz nach seinem Tod wieder zu ihnen zurück. Die Zeremonie des zwanzigsten Jahrhunderts, bei der in den Grundstein eines neuen Gebäudes allerlei Kram und Andenken gelegt werden, ist eine Erinnerung an die primitiven Fundamentopfer. Es war bei vielen Völkern lange Zeit Brauch, den Geistern die ersten Früchte zu weihen. Und diese Sitten, die jetzt mehr oder weniger symbolisch geworden sind, sind alles Überbleibsel der frühen Zeremonien, die Menschenopfer einschlossen. Die Idee, das Erstgeborene als Opfer darzubringen, war bei den Alten weit verbreitet; sie war besonders stark bei den Phöniziern, die sie als letzte aufgaben. Man pflegte beim Opfern zu sagen: "Leben für Leben". Jetzt sagt ihr beim Tod: "Staub zu Staub". Der auf den feinfühligen Zivilisierten schockierend wirkende Anblick Abrahams, der gezwungen ist, seinen Sohn Isaak zu opfern, hatte für die Menschen jener Tage nichts Neues oder Befremdliches. Es war für Väter lange Zeit eine gängige, gelegentlich mit einer gefühlsmäßigen Zerreißprobe einhergehende Praxis, ihre erstgeborenen Söhne zu opfern. Viele Völker besitzen eine dieser Geschichte entsprechende Überlieferung, denn es existierte einst ein weltweiter und tiefer Glaube an die Notwendigkeit, ein Menschenopfer darzubringen, wenn sich etwas Außerordentliches oder Ungewöhnliches ereignete. ***** 89.7 Umgestaltungen des Menschenopfers ***** Moses versuchte, den Menschenopfern ein Ende zu bereiten, indem er als Ersatz den Loskauf einführte. Er stellte eine systematische Liste zusammen, die es seinen Leuten erlaubte, den schlimmsten Folgen ihrer vorschnellen und unsinnigen Gelübde zu entgehen. Land, Besitz und Kinder konnten gemäß den geltenden Gebühren, die an die Priester zu bezahlen waren, losgekauft werden. Die Gruppen, die aufhörten, ihre erstgeborenen Söhne zu opfern, besaßen große Vorteile gegenüber ihren weniger fortgeschrittenen Nachbarn, die an diesen entsetzlichen Praktiken festhielten. Manche dieser rückständigen Stämme wurden durch den Verlust ihrer Söhne nicht nur sehr geschwächt, sondern oft wurde dadurch auch die Führungsnachfolge unterbrochen. Eine Nebenerscheinung des zu Ende gehenden Kinderopfers war der Brauch, zum Schutz des Erstgeborenen die Türpfosten der Häuser mit Blut zu beschmieren. Das tat man häufig in Verbindung mit einem der heiligen Jahresfeste, und diese Zeremonie wurde einst im überwiegenden Teil der Welt, von Mexiko bis Ägypten, befolgt. Sogar noch nachdem die meisten Gruppen den rituellen Kindermord aufgegeben hatten, war es Sitte, einen Säugling draußen in der Wildnis auszusetzen oder ihn in einem kleinen Boot dem Wasser zu übergeben. Wenn das Kind überlebte, dachte man, die Götter hätten eingegriffen, um es zu retten, wie in den Überlieferungen von Sargon, Moses, Kyrus und Romulus. Danach kam die Praxis auf, die erstgeborenen Söhne als Geheiligte oder Geopferte zu weihen; man ließ sie aufwachsen und schickte sie dann ins Exil, anstatt sie zu töten; und das war der Beginn der Kolonisation. Die Römer bedienten sich dieser Sitte in ihrem Kolonisierungsplan. Viele der seltsamen Verbindungen zwischen sexueller Lockerheit und primitivem Kult entstanden im Zusammenhang mit Menschenopfern. Wenn in alter Zeit eine Frau Kopfjägern begegnete, konnte sie ihr Leben durch sexuelle Preisgabe freikaufen. Später hatte eine den Göttern als Opfer geweihte junge Frau die Möglichkeit, ihr Leben dadurch loszukaufen, dass sie ihren Körper lebenslänglich dem geheiligten sexuellen Tempeldienst verschrieb; auf diese Weise konnte sie ihr Geld für den Loskauf verdienen. Die Alten betrachteten es als höchst erhebend, Geschlechtsverkehr mit einer Frau zu haben, die ihr Leben in dieser Weise freikaufte. Der Verkehr mit diesen heiligen Töchtern war eine religiöse Zeremonie, und zusätzlich bot dieses ganze Ritual einen annehmbaren Vorwand für ganz gewöhnliche sexuelle Befriedigung. Das war eine subtile Art der Selbsttäuschung, der sich sowohl die Töchter als auch ihre Gefährten mit Wonne hingaben. Die Sitten hinken immer hinter dem evolutionären Fortschritt der Zivilisation nach und sorgen dadurch für eine Billigung der frühen, eher den Wilden angemessenen sexuellen Praktiken der evolutionären Rassen. Die Tempelprostitution breitete sich mit der Zeit in ganz Südeuropa und Asien aus. Alle Völker betrachteten das von den Tempelprostituierten verdiente Geld als heilig, als ein edles Geschenk, das den Göttern dargebracht wurde. Frauen des höchsten Typs drängten sich in den Sexmärkten der Tempel und widmeten ihre Verdienste allen möglichen heiligen Diensten und wohltätigen öffentlichen Werken. Viele Frauen der besseren Klassen sammelten ihre Mitgift durch vorübergehenden sexuellen Dienst in den Tempeln, und die meisten Männer gaben solchen Frauen als Gattinnen den Vorzug. ***** 89.8 Loskauf und Bünde ***** Durch Opferung erwirkter Loskauf und Tempelprostitution waren in Wirklichkeit Umwandlungen des Menschenopfers. Als nächstes kam die Scheinopferung von Töchtern. Diese Zeremonie bestand aus einem Aderlass, der mit einer Verpflichtung zu lebenslänglicher Jungfräulichkeit einherging, und sie war eine sittliche Reaktion auf die ältere Tempelhurerei. In näher zu uns liegenden Zeiten weihten sich Jungfrauen dem Dienst, die heiligen Tempelfeuer zu unterhalten. Die Menschen kamen schließlich auf die Idee, dass man anstelle des älteren vollständigen Menschenopfers ebenso gut irgendeinen Körperteil opfern konnte. Auch physische Verstümmelung wurde als annehmbarer Ersatz betrachtet. Haare, Nägel, Blut und sogar Finger und Zehen wurden geopfert. Der ältere und so gut wie universelle Ritus der Beschneidung erwuchs aus diesem Kult des partiellen Opfers; er war eine reine Opferhandlung, kein Gedanke an Hygiene war damit verbunden. Die Männer wurden beschnitten, den Frauen wurden die Ohren durchbohrt. Später wurde es Brauch, anstatt die Finger abzuschneiden, sie zusammenzubinden. Auch Rasieren des Kopfes und Abschneiden der Haare waren Formen religiöser Hingabe. Die Kastrierung war am Anfang eine Abwandlung der Idee vom Menschenopfer. Das Durchbohren von Nase und Lippen wird in Afrika immer noch praktiziert, und das Tätowieren ist eine künstlerische Entwicklung der früheren Sitte, den Körper mit rohen Narben zu überziehen. Dank fortschrittlicher Lehren wurde der Opferbrauch endlich mit der Idee verknüpft, einen Bund zu schließen. Man war endlich zu der Vorstellung gelangt, dass die Götter mit den Menschen richtige Übereinkünfte schließen konnten; und das war ein ganz großer Schritt in der Stabilisierung der Religion. Gesetz, ein Bund, tritt jetzt an die Stelle von Zufall, Furcht und Aberglauben. Der Mensch konnte nie auch nur davon träumen, mit der Gottheit in ein Vertragsverhältnis zu treten, solange seine Gottesvorstellung nicht die Stufe erreicht hatte, auf der er sich die Universumslenker als verlässlich denken konnte. Die Idee, die sich der frühe Mensch von Gott machte, war derart anthropomorphisch, dass er unfähig war, sich eine verlässliche Gottheit vorzustellen, bevor er selber einigermaßen verlässlich, sittlich und ethisch geworden war. Aber letzten Endes brach die Idee durch, mit den Göttern einen Bund zu schließen. Der evolutionäre Mensch erwarb schließlich soviel sittliche Würde, dass er es wagte, mit seinen Göttern zu verhandeln. Und so verwandelte sich das Geschäft des Darbringens von Opfern allmählich in das Spiel eines philosophischen Feilschens des Menschen mit Gott. Und all das stellte ein neues Mittel dar, sich gegen Unglück abzusichern, oder vielmehr eine verbesserte, eindeutigere Technik zum Erwerb von Prosperität. Macht euch nicht die falsche Vorstellung, diese frühen Opfer seien ein freiwilliges Geschenk an die Götter gewesen, ein spontaner Ausdruck von Dankbarkeit oder ein Dankgebet; es waren keine Äußerungen echter Anbetung. Die primitiven Gebetsformen waren nicht mehr und nicht weniger als ein Feilschen mit den Geistern, eine Auseinandersetzung mit den Göttern. Es war eine Art Tauschgeschäft, bei dem man, anstatt etwas Greifbareres und Kostbareres zu spenden, plädierte und zu überzeugen suchte. Der sich entwickelnde Handel unter den Rassen hatte den Handelsgeist eingeimpft und die Schlauheit im Tauschhandel gefördert; und nun begannen diese Züge in den Anbetungsmethoden der Menschen zu erscheinen. Und so wie einige Menschen bessere Händler waren als andere, so galten einige als bessere Beter als andere. Das Gebet eines gerechten Mannes stand in hohem Ansehen. Ein gerechter Mann war einer, der den Geistern sämtliche Rechnungen bezahlt hatte, der all seinen rituellen Verpflichtungen gegenüber den Göttern nachgekommen war. Das frühe Gebet war kaum Anbetung; es war ein feilschendes Gesuch um Gesundheit, Reichtum und Leben. Und in vieler Hinsicht haben sich die Gebete im Laufe der Zeitalter nicht stark verändert. Sie werden immer noch aus Büchern gelesen, förmlich aufgesagt oder abgeschrieben, um an Räder geheftet und an Bäumen aufgehängt zu werden, wo das Blasen des Windes den Menschen der Mühe enthebt, dafür seinen eigenen Atem zu verausgaben. ***** 89.9 Opfer und Sakramente ***** Im Laufe der Evolution der urantianischen Rituale ist das menschliche Opfer von der blutigen Angelegenheit der Menschenfresserei zu höheren, symbolischeren Ebenen aufgestiegen. Aus den frühen Opferritualen gingen die späteren sakramentalen Zeremonien hervor. In jüngerer Zeit nahm nur noch der Priester einen Bissen vom kannibalistischen Opfer oder einen Tropfen menschlichen Blutes zu sich, wonach sich alle anderen an einem tierischen Ersatz gütlich taten. Die frühen Ideen von Lösegeld, Freikauf und Bünden haben sich zu den sakramentalen Diensten späterer Tage weiterentwickelt. Und diese ganze Entwicklung der Zeremonien hat eine machtvolle sozialisierende Wirkung ausgeübt. In Verbindung mit dem Kult der Mutter Gottes benutzte man in Mexiko und anderswo schließlich ein Sakrament aus Kuchen und Wein anstelle von Fleisch und Blut wie beim älteren Menschenopfer. Die Hebräer befolgten dieses Ritual lange als Teil ihrer Passahzeremonien, und aus diesem Zeremoniell ist die spätere christliche Version des Sakramentes hervorgegangen. Die alten sozialen Bruderschaften gründeten auf dem Ritus des Bluttrinkens; die frühe jüdische Bruderschaft war eine blutige Opferangelegenheit. Paulus begann, auf dem "Blut des ewigen Bundes" einen neuen christlichen Kult aufzubauen. Und obwohl er das Christentum vielleicht unnötigerweise mit Lehren über Blut und Opfer belastet hat, so hat er doch den Lehren vom Freikauf durch Menschen- oder Tieropfer ein für alle Male ein Ende gesetzt. Seine theologischen Kompromisse lassen erkennen, dass sogar die Offenbarung sich der stufenweisen Herrschaft der Evolution fügen muss. Paulus zufolge wurde Christus das letzte und allem genügende Menschenopfer; der göttliche Richter ist jetzt völlig und für immer befriedigt. Und so hat sich nach langen Zeitaltern der Opferkult zum Sakramentenkult entwickelt. Die Sakramente der modernen Religionen sind also die rechtmäßigen Nachfolger jener frühen schockierenden Zeremonien mit Menschenopfern und der noch früheren kannibalistischen Rituale. Viele sind für ihre Errettung immer noch vom Blut abhängig, aber dieses ist wenigstens bildlich, symbolisch und mystisch geworden. ***** 89.10 Sündenvergebung ***** Der einstige Mensch gelangte nur durch das Opfer zum Bewusstsein, Gottes Gunst zu genießen. Der moderne Mensch muss neue Techniken entwickeln, um zur inneren Gewissheit der Errettung zu kommen. Das Bewusstsein von Sünde ist im Verstand des Sterblichen weiterhin vorhanden, aber die Gedankenmodelle für die Befreiung davon sind überlebt und veraltet. Die Realität des geistigen Verlangens besteht weiter, aber der intellektuelle Fortschritt hat die alten Wege, auf denen man zu Frieden und Tröstung für Verstand und Seele gelangte, zerstört. Die Sünde muss neu definiert werden als vorsätzliche Illoyalität gegenüber der Gottheit. Es gibt verschiedene Grade der Illoyalität: die teilweise Loyalität der Unentschiedenheit; die geteilte Loyalität in Konflikten; die sterbende Loyalität aus Indifferenz; und der Tod der Loyalität, der sich in der Hingabe an gottlose Ideale zeigt. Das Gefühl von Schuld ist das Wissen um die Verletzung der Sitten; es ist nicht notwendigerweise Sünde. Es gibt keine wirkliche Sünde in Abwesenheit bewusster Illoyalität gegenüber der Gottheit. Die Möglichkeit, in sich Schuldgefühle zu entdecken, ist ein Kennzeichen, das die Menschheit in transzendenter Weise auszeichnet. Sie stempelt den Menschen nicht zu etwas Gemeinem. Sie sondert ihn vielmehr ab als ein Geschöpf von potentieller Größe und ewig aufsteigender Herrlichkeit. Das Gefühl der Nichtswürdigkeit ist der anfängliche Anstoß, der rasch und sicher zu jenen Eroberungen des Glaubens führen sollte, die den Verstand des Sterblichen auf die großartigen Ebenen sittlichen Adels, kosmischer Schau und geistiger Lebensweise versetzen; dadurch verwandeln sich alle zeitlichen Bedeutungen der menschlichen Existenz in ewige, und alle Werte steigen vom Menschlichen zum Göttlichen auf. Sich zu seinen Sünden bekennen ist eine beherzte Distanzierung von Illoyalität, schwächt indessen in keiner Weise die zeitlich-räumlichen Folgen dieser Illoyalität ab. Aber das Eingeständnis der Sünde - die aufrichtige Erkenntnis des Wesens der Sünde - ist unabdingbar für religiöses Wachstum und geistigen Fortschritt. Die Sündenvergebung durch die Gottheit ist die Wiederherstellung der auf Loyalität gründenden Beziehungen nach einer Zeit, während der sich der Mensch des Aufhörens dieser Beziehungen infolge wissentlicher Auflehnung bewusst war. Man braucht Vergebung nicht zu suchen, sondern nur zu empfangen als das Wissen darum, dass die Loyalitätsbeziehungen zwischen Geschöpf und Schöpfer wiederhergestellt worden sind. Und alle loyalen Gottessöhne sind glücklich, lieben ihren Dienst und machen ohne Unterlass Fortschritte bei ihrem Aufstieg zum Paradies. [Dargeboten von einem Leuchtenden Abendstern Nebadons.] ****** Kapitel 90 Schamanismus - Medizinmäner und Priester ****** DIE Evolution der religiösen Gebräuche führte von Besänftigen, Abwenden von Unheil, Exorzisieren, Zwingen, Versöhnen und Gnädigstimmen zu Opfer, Sühne und Loskauf. Die Technik des religiösen Rituals entwickelte sich aus den primitiven Kultformen über Fetische zu Magie und Wunderglauben; und als das Ritual entsprechend der immer komplexeren Vorstellung des Menschen von den übermateriellen Reichen stets komplizierter wurde, geriet es unweigerlich unter die Herrschaft der Medizinmänner, Schamanen und Priester. Der primitive Mensch gelangte in seinen sich fortentwickelnden Vorstellungen schließlich zu der Überzeugung, dass die Welt der Geister dem gewöhnlichen Sterblichen nicht antworte. Nur ein aus der Menge herausragender Mensch konnte sich bei den Göttern Gehör verschaffen; nur einer außergewöhnlichen Männer-oder Frauengestalt liehen die Geister ihr Ohr. Die Religion tritt jetzt in eine neue Phase ein, in ein Stadium, wo sie schrittweise aus zweiter Hand bezogen wird; denn immer tritt jetzt ein Medizinmann, ein Schamane oder ein Priester zwischen den Glaubenden und den Gegenstand seiner Anbetung. Und heute durchlaufen auf Urantia die meisten Systeme organisierten religiösen Glaubens diese Stufe evolutionärer Entwicklung. Die evolutionäre Religion ist aus einer einfachen, übermächtigen Furcht hervorgegangen, aus der Furcht, die im menschlichen Gemüt aufwallt, wenn es sich dem Unbekannten, Unerklärlichen und Unverständlichen gegenüber sieht. Der Religion gelingt am Ende die zutiefst einfache Verwirklichung einer übermächtigen Liebe, die die menschliche Seele unwiderstehlich durchflutet, wenn sie zum Erfassen der grenzenlosen Zuneigung erwacht, die der Universale Vater für die Söhne des Universums empfindet. Aber zwischen den Beginn und die Vollendung der evolutionären Religion schieben sich die langen Zeitalter der Schamanen, die sich als Mittler, Interpreten und Fürsprecher eine Zwischenstellung zwischen Mensch und Gott anmaßen. ***** 90.1 Die ersten Schamanen - Die Medizinmänner ***** Der Schamane war der höchste Medizinmann, der Fetischmann der Zeremonien und die Persönlichkeit, die im Mittelpunkt aller Praktiken der evolutionären Religion stand. Bei vielen Gruppen nahm der Schamane einen höheren Rang ein als der Kriegschef, was den Beginn der Herrschaft der Kirche über den Staat bedeutete. Der Schamane wirkte manchmal als Priester oder gar als Priesterkönig. Einige der späteren Stämme besaßen sowohl die früheren Schamanen-Medizinmänner (Seher) als auch die später erscheinenden Schamanen-Priester. Und in vielen Fällen wurde das Amt des Schamanen erblich. Da in alten Zeiten alles Abnormale der Besessenheit durch Geister zugeschrieben wurde, konnte jede beliebige auffallende mentale oder physische Abnormität jemanden als Medizinmann qualifizieren. Viele dieser Männer waren Epileptiker, viele dieser Frauen Hysterikerinnen, und diese beiden Typen sind zu einem guten Teil für einstige Inspiration sowie Besessenheit durch Geister und Dämonen verantwortlich. Recht viele dieser frühesten Priester gehörten einer Klasse an, die man seither als paranoid bezeichnet hat. Auch wenn sie vielleicht in kleineren Dingen zu Täuschungen griffen, so glaubten die Schamanen doch in ihrer großen Mehrheit an die Tatsache ihrer Besessenheit durch Geister. Frauen, die fähig waren, sich in eine Trance oder in einen kataleptischen Zustand zu versetzen, wurden mächtige Schamaninnen; später wurden solche Frauen Prophetinnen und Geistermedien. Ihre kataleptischen Trancen gingen immer mit angeblichen Verbindungen zu den Geistern der Toten einher. Viele Schamaninnen waren auch professionelle Tänzerinnen. Aber nicht alle Schamanen unterlagen einer Selbsttäuschung; viele waren gerissene und geschickte Schwindler. Als sich der Beruf entwickelte, verlangte man von einem Novizen zehn Lehrjahre der Entbehrungen und Selbstverleugnung, um sich als Medizinmann zu qualifizieren. Die Schamanen entwickelten eine besondere Berufstracht und hatten ein geheimnisvolles Gehabe. Sie gebrauchten oft Drogen, um gewisse physische Zustände herbeizuführen, die die Stammesangehörigen beeindruckten und hinters Licht führten. Taschenspielerkunststücke wurden vom einfachen Volk als übernatürlich empfunden, und Bauchrednerei wurde zuerst von gerissenen Priestern angewandt. Viele der alten Schamanen entdeckten ungewollt den Hypnotismus; andere versetzten sich durch lang dauerndes Anstarren ihres Bauchnabels selber in Hypnose. Obwohl viele zu solchen Tricks und Täuschungen Zuflucht nahmen, beruhte ihr Ruf als Klasse letztlich auf ihrer scheinbaren Leistung. Wenn ein Schamane bei seinen Unternehmungen erfolglos war, wurde er, sofern er keine einleuchtende Ausrede vorbringen konnte, entweder degradiert oder getötet. So gingen die ehrlichen Schamanen schon früh zugrunde; nur die durchtriebenen Schauspieler überlebten. Der Schamanismus war es, der den Händen der Alten und Starken die ausschließliche Führung der Stammesangelegenheiten entriss und sie in die Hände der Gerissenen, Scharfsinnigen und Weitblickenden legte. ***** 90.2 Schamanische Praktiken ***** Geisterbeschwörung war ein sehr präziser und hochkomplizierter Vorgang, der mit den heutigen, in einer alten Sprache abgehaltenen Kirchenritualen verglichen werden kann. Die menschliche Rasse suchte schon sehr früh nach übermenschlicher Hilfe, nach Offenbarung; und die Menschen glaubten, dass der Schamane tatsächlich solche Offenbarungen empfing. Zwar verwendeten die Schamanen in ihrer Arbeit die große Macht der Suggestion, aber es war fast immer negative Suggestion; erst in jüngster Zeit ist die Technik positiver Suggestion angewendet worden. Am Anfang der Entwicklung ihres Berufs begannen die Schamanen, sich auf Gebieten wie Regenmachen, Heilung von Krankheiten und Aufklärung von Verbrechen zu spezialisieren. Krankheitsheilung war indessen nicht die Hauptfunktion des schamanischen Medizinmannes; diese war vielmehr, die Zufälle des Lebens zu kennen und zu beherrschen. Die einstige Schwarze Kunst, ob religiös oder weltlich, wurde Weiße Kunst genannt, wenn sie durch Priester, Seher, Schamanen oder Medizinmänner ausgeübt wurde. Wer Schwarze Kunst trieb, wurde Hexenmeister, Magier, Zauberer, Hexe, Nekromant, Geisterbeschwörer und Wahrsager genannt. Mit der Zeit wurde all solch angeblicher Kontakt mit der übernatürlichen Welt als Hexerei oder Schamanismus eingestuft. Die Hexerei umfasste die Magie, die durch frühere, irreguläre und nicht anerkannte Geister betrieben wurde; der Schamanismus befasste sich mit den Wundern, die von regulären Geistern und anerkannten Stammesgöttern bewirkt wurden. In späterer Zeit wurden die Hexen mit dem Teufel in Verbindung gebracht, und damit war die Voraussetzung für die relativ jungen Manifestationen religiöser Intoleranz geschaffen. Die Hexerei war die Religion vieler primitiver Stämme. Die Schamanen glaubten sehr stark an die Mission des Zufalls, in dem sich ihnen der Wille der Geister offenbarte; sie zogen häufig Lose, um zu Entscheidungen zu gelangen. Beispiele für die fortlebende Neigung, Lose entscheiden zu lassen, sind nicht nur die vielen Glücksspiele, sondern auch die wohlbekannten "Abzählreime". Einst musste der Ausgezählte sterben; heute ist er es nur in irgendeinem kindischen Spiel. Was für den primitiven Menschen eine ernste Angelegenheit war, hat als Zeitvertreib des modernen Kindes überlebt. Die Medizinmänner setzten großes Vertrauen in Zeichen und Vorzeichen wie: "Wenn du es in den Wipfeln der Maulbeerbäume rascheln hörst, dann beeile dich!" Sehr früh in der Geschichte der Rasse wandten die Schamanen ihre Aufmerksamkeit den Sternen zu. Weltweit glaubte man an primitive Astrologie und pflegte sie; auch Traumdeutung breitete sich stark aus. All dem folgte bald das Erscheinen jener leicht erregbaren Schamaninnen, die beteuerten, mit den Geistern der Verstorbenen kommunizieren zu können. Obwohl ihr Ursprung weit zurückliegt, haben sich die Regenmacher oder Wetterschamanen durch alle Zeitalter hindurch bis heute gehalten. Eine schlimme Dürre bedeutete für den frühen Ackerbauer Tod; ein von der alten Magie verfolgtes Ziel war die Herrschaft über das Wetter. Immer noch ist das Wetter unter zivilisierten Menschen gängiges Gesprächsthema. Die alten Völker glaubten alle an die Macht des Schamanen als eines Regenmachers, aber man pflegte ihn zu töten, wenn er scheiterte, es sei denn, er war in der Lage, für seinen Misserfolg eine glaubhafte Entschuldigung vorzubringen. Immer wieder verbannten die Cäsaren die Astrologen, aber sie kehrten stets wieder zurück, weil das Volk an ihre Kräfte glaubte. Sie konnten nicht hinausgeschafft werden, und selbst noch im sechzehnten Jahrhundert nach Christus waren die kirchlichen und weltlichen Fürsten des Abendlandes die Schirmherren der Astrologie. Tausende vermeintlich intelligenter Menschen glauben immer noch, dass man unter der Herrschaft eines glücklichen oder unglücklichen Sterns geboren werden kann und dass das Nebeneinander der Himmelskörper den Eintritt verschiedener irdischer Ereignisse bestimmt. Immer noch sind die Leichtgläubigen die Schirmherren der Wahrsager. Die Griechen glaubten an die Wirksamkeit der Orakelsprüche, die Chinesen benutzten die Magie als Schutz vor Dämonen, der Schamanismus blühte in Indien und wird in Zentralasien immer noch in aller Offenheit ausgeübt. Seine Praxis ist in den meisten Teilen der Welt erst kürzlich aufgegeben worden. Von Zeit zu Zeit erhoben sich wahre Propheten und Lehrer, um den Schamanismus anzuklagen und bloßzustellen. Sogar die sterbenden roten Menschen hatten im letzten Jahrhundert einen solchen Propheten, den Shawnee Tenskwatawa, der die Sonnenfinsternis von 1808 voraussagte und die Laster des weißen Mannes anprangerte. Viele wahre Lehrer sind im Verlauf der langen Zeitalter evolutionärer Geschichte unter den verschiedenen Stämmen und Rassen erschienen. Und sie werden sich auch in Zukunft immer wieder erheben, um die Schamanen und Priester irgendeines Zeitalters herauszufordern, die der allgemeinen Erziehung entgegenarbeiten und den wissenschaftlichen Fortschritt zu vereiteln versuchen. Auf manche Weise und durch abwegige Methoden bauten die einstigen Schamanen ihren Ruf als Stimmen Gottes und Hüter der Vorsehung auf. Sie besprengten die Neugeborenen mit Wasser, sie verliehen ihnen Namen und beschnitten die männlichen unter ihnen. Sie leiteten alle Begräbniszeremonien und gaben in aller Form die wohlbehaltene Ankunft der Verstorbenen im Lande der Geister bekannt. Die schamanischen Priester und Medizinmänner wurden oft sehr reich durch ihre verschiedenen sich ansammelnden Honorare, die angeblich Opfergaben an die Geister waren. Nicht selten nahm ein Schamane nach und nach praktisch den ganzen materiellen Reichtum seines Stammes an sich. Nach dem Tod eines reichen Mannes war es üblich, seinen Besitz zu gleichen Teilen unter dem Schamanen und irgendeinem öffentlichen oder wohltätigen Werk aufzuteilen. Dieser Brauch herrscht immer noch in einigen Teilen Tibets, wo die Hälfte der männlichen Bevölkerung zu dieser unproduktiven Klasse gehört. Die Schamanen kleideten sich gut und hatten gewöhnlich eine ganze Anzahl Frauen; sie waren die ursprüngliche Aristokratie, die von allen Stammesbeschränkungen befreit war. Sehr oft hatten sie sehr niedrige Gesinnung und Sitten. Sie schalteten ihre Rivalen aus, indem sie sie als Hexer und Zauberer bezeichneten, und stiegen sehr häufig zu derart einflussreichen und mächtigen Stellungen auf, dass sie Häuptlinge oder Könige zu beherrschen vermochten. Die primitiven Menschen betrachteten den Schamanen als notwendiges Übel; sie fürchteten sich vor ihm, aber sie liebten ihn nicht. Die frühen Menschen achteten das Wissen hoch; sie verehrten und belohnten die Weisheit. Die Schamanen waren zwar meist Schwindler, aber die dem Schamanismus entgegengebrachte Verehrung zeigt gut, wie hoch man in der Entwicklung der Rasse die Weisheit bewertete. ***** 90.3 Die schamanische Theorie von Krankheit und Tod ***** Da der ehemalige Mensch glaubte, er und seine materielle Umgebung reagierten direkt auf die Launen der Phantome und die Grillen der Geister, ist es nicht verwunderlich, dass sich seine Religion so ausschließlich mit materiellen Angelegenheiten befasste. Der moderne Mensch geht seine materiellen Probleme direkt an; er erkennt, dass die Materie auf intelligente Handhabung durch den Verstand reagiert. Der primitive Mensch wünschte ebenso sehr, das Leben und die Energien der physischen Bereiche zu verändern und sogar zu beherrschen; und da sein beschränktes Verständnis vom Kosmos ihn glauben machte, dass Phantome, Geister und Götter sich unmittelbar und in allen Einzelheiten mit der Kontrolle des Lebens und der Materie befassten, richtete er sein Bemühen folgerichtig darauf , die Gunst und Unterstützung dieser übermenschlichen Wirkkräfte zu gewinnen. In diesem Lichte gesehen, wird viel Unverständliches und Irrationales der alten Kulte verständlich. Die Zeremonien des Kults waren der Versuch des primitiven Menschen, die materielle Welt, in der er sich befand, zu kontrollieren. Und viele seiner Anstrengungen verfolgten das Ziel, das Leben zu verlängern und sich Gesundheit zu sichern. Da alle Krankheiten und selbst der Tod ursprünglich als durch Geister ausgelöste Phänomene angesehen wurden, war es unvermeidlich, dass die Schamanen, die die Funktion von Medizinmännern und Priestern wahrnahmen, auch als Ärzte und Chirurgen arbeiteten. Der primitive Verstand mag durch mangelnde Tatsachenkenntnis benachteiligt sein, aber er ist trotz allem logisch. Wenn denkende Menschen Krankheit und Tod beobachten, dann gehen sie daran, die Ursachen dieser Heimsuchungen herauszufinden, und im Lichte ihres Verständnisses haben Schamanen und Wissenschaftler darüber folgende Theorien vorgeschlagen: 1. Phantome - direkter Einfluss von Geistern. Nach der frühesten Hypothese, die zur Erklärung von Krankheit und Tod aufgestellt wurde, verursachten die Geister Krankheit dadurch, dass sie die Seele aus dem Körper lockten; wenn es ihr nicht gelang zurückzukehren, trat der Tod ein. Die Alten fürchteten sich dermaßen vor dem bösartigen Tun von Krankheit bringenden Geistern, dass Leidende oft sogar ohne Nahrung und Wasser sich selbst überlassen wurden. Trotz der irrigen Grundlage, auf der solcher Glaube beruhte, isolierte er Leidende auf wirksame Weise und verhinderte die Ausbreitung ansteckender Krankheiten. 2. Gewalt - offensichtliche Ursachen. Die Ursachen gewisser Unfälle und Tode waren so leicht auszumachen, dass sie schon früh aus der Kategorie der Geisteraktion entfernt wurden. Tod und Verwundungen im Krieg, Kampf gegen Tiere und andere ohne weiteres erkennbare Wirkkräfte wurden als natürliche Geschehnisse betrachtet. Aber man glaubte noch lange, dass die Geister für zögernde Heilungen oder für Wundinfektionen, auch wenn diese "natürliche" Ursachen hatten, verantwortlich waren. Wenn man keine beobachtbare natürliche Kraft entdecken konnte, machte man immer noch die Geisterphantome für Krankheit und Tod verantwortlich. Heute kann man in Afrika und anderswo noch primitive Völker finden, die jedes Mal, wenn ein nicht gewaltsamer Tod eintritt, jemanden umbringen. Ihre Medizinmänner bezeichnen jeweils die schuldigen Teile. Wenn eine Mutter bei der Geburt stirbt, wird das Kind unmittelbar erwürgt - Leben für Leben. 3. Magie - der Einfluss von Feinden. Die Ursache vieler Krankheiten sah man in Behexung, in der Kraft des bösen Blicks oder des magisch auf jemanden gerichteten Bogens. Zu einer bestimmten Zeit war es wirklich gefährlich, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen; das zu tun, gilt noch heute als ungezogen. Bei undurchsichtigen Krankheits- und Todesfällen stellten die Alten eine förmliche Untersuchung an, sezierten den Leichnam und entschieden sich nach irgendeinem Befund für die Todesursache; waren sie dazu nicht fähig, wurde der Tod auf Hexerei zurückgeführt, was die Hinrichtung der verantwortlichen Hexe erforderlich machte. Diese Untersuchungen zur Feststellung der Todesursache retteten manch einer vermutlichen Hexe das Leben. Einige Stämme glaubten, jemand könne durch eigene Hexerei umkommen; in einem solchen Falle wurde niemand angeklagt. 4. Sünde - Bestrafung für Tabuverletzung. In vergleichsweise junger Zeit glaubte man, dass Krankheit eine Bestrafung für Sünde sei, für persönlich begangene oder Rassensünde. Bei Völkern, die dieses Evolutionsstadium durchlaufen, lautet die vorherrschende Theorie, dass man nicht leiden kann, solange man kein Tabu verletzt hat. Krankheit und Leiden als "die Pfeile des Allmächtigen in seinem Inneren" zu betrachten, ist für solche Anschauungen typisch. Chinesen und Mesopotamier sahen in der Krankheit lange Zeit das Resultat des Wirkens böser Dämonen, obwohl die Chaldäer auch die Sterne als Verursacher von Leiden ansahen. Diese Theorie von der Krankheit als Folge göttlichen Zorns ist bei vielen angeblich zivilisierten Gruppen von Urantianern noch sehr verbreitet. 5. Natürliche Verursachung. Nur sehr langsam hat die Menschheit die materiellen Geheimnisse der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung in den physischen Bereichen von Energie, Materie und Leben erkannt. Die alten Griechen, die die überlieferten Lehren Adamsons bewahrt hatten, waren unter den ersten, die erkannten, dass alle Krankheit ein Resultat natürlicher Ursachen ist. Langsam aber sicher zerstört die sich entfaltende wissenschaftliche Ära die Jahrtausende alten Theorien des Menschen über Krankheit und Tod. Das Fieber war eine der ersten menschlichen Unpässlichkeiten, die aus der Kategorie der übernatürlichen Störungen entfernt wurden, und allmählich hat die wissenschaftliche Ära die Ketten der Unwissenheit zerrissen, die den menschlichen Verstand so lange gefangen hielten. Das Verständnis von Alterungsprozess und Ansteckung bringt allmählich die Furcht des Menschen vor Phantomen, Geistern und Göttern als den persönlichen Urhebern menschlichen Elends und Leidens zum Verschwinden. Die Evolution gelangt unfehlbar an ihr Ziel: Sie durchdringt den Menschen mit jener abergläubischen Furcht vor dem Unbekannten und mit jenem Grauen vor dem Unsichtbaren, die das Gerüst für das Gotteskonzept sind. Und wenn sie - dank dem koordinierten Wirken der Offenbarung - die Geburt eines fortgeschrittenen Gottheitsverständnisses feststellt, dann setzt dieselbe Evolutionstechnik unfehlbar jene Gedankenkräfte in Bewegung, die das Gerüst, das seinen Zweck erfüllt hat, unerbittlich vernichten werden. ***** 90.4 Die Medizin unter den Schamanen ***** Das ganze Leben der alten Menschen war prophylaktisch; ihre Religion war in nicht geringem Maße eine Technik zur Krankheitsverhütung. Und ungeachtet der Irrtümer ihrer Theorien wandten sie diese aus voller Überzeugung an; sie hatten grenzenloses Vertrauen in ihre Behandlungsmethoden, und das ist an sich ein mächtig wirkendes Heilmittel. Der Glaube, den es brauchte, um dank den unsinnigen Handlungen eines dieser alten Schamanen zu genesen, unterschied sich letztlich nicht wesentlich von dem Glauben, der erforderlich ist, um sich von einem seiner Nachfolger späterer Zeiten, der Krankheiten in nichtwissenschaftlicher Weise behandelt, heilen zu lassen. Die primitiveren Stämme fürchteten sich sehr vor den Kranken, und diese wurden während langer Zeitalter peinlichst gemieden und schändlich vernachlässigt. Es bedeutete einen großen humanitären Fortschritt, als die Evolution des Schamanismus Priester und Medizinmänner hervorbrachte, die sich zur Behandlung von Krankheiten bereit fanden. Da wurde es Sitte, dass der ganze Klan sich im Krankenraum zusammendrängte, um dem Schamanen zu helfen, die Krankheit bringenden Phantome durch Geheul zu verjagen. Nicht selten war der die Diagnose stellende Schamane eine Frau, während ein Mann die Behandlung durchführte. Die übliche Methode zur Diagnostizierung von Krankheiten bestand in der Untersuchung der Eingeweide eines Tieres. Die Krankheitsbehandlung geschah durch Singsang, Heulen, Handauflegen, Anhauchen des Patien-ten und viele andere Techniken. Später wandte man weltweit den Tempelschlaf an, währenddessen angeblich die Heilung erfolgte. Schließlich versuchten sich die Medizinmänner in Verbindung mit dem Tempelschlummer in wirklicher Chirurgie; unter den ersten Operationen befand sich eine Schädeltrepanation, die einem Geist, der Kopfschmerzen verursachte, das Entwischen erlauben sollte. Die Schamanen lernten, Knochenbrüche und Verrenkungen zu behandeln, Furunkel und Abszesse zu öffnen; die Schamaninnen wurden erfahrene Hebammen. Eine übliche Behandlungsmethode bestand darin, eine infizierte oder geschädigte Körperstelle mit einem magischen Gegenstand zu reiben, diesen dann wegzuwerfen und dadurch angeblich geheilt zu werden. Wenn jemand zufälligerweise das weggeworfene Zauberding aufhob, zog er sich nach der herrschenden Vorstellung augenblicklich dieselbe Infektion oder Schädigung zu. Es dauerte lange, bis Heilpflanzen und andere wirkliche Heilmittel eingeführt wurden. Massage entwickelte sich in Verbindung mit Geisterbeschwörung, Ausreiben des Geistes aus dem Körper; ihr waren Anstrengungen vorausgegangen, Heilmittel einzureiben, gerade wie moderne Menschen Einreibemittel handhaben. Schröpfen und Saugen der erkrankten Körperstellen hielt man zusammen mit dem Aderlass für wertvolle Mittel, um einen Krankheit stiftenden Geist loszuwerden. Da Wasser ein mächtiger Fetisch war, verwendete man es zur Behandlung vieler Leiden. Lange glaubte man, dass der die Krankheit verursachende Geist durch Schwitzen beseitigt werden könne. Dampfbäder genossen hohes Ansehen; bald blühten um natürliche heiße Quellen herum primitive Kurorte auf. Die frühen Menschen entdeckten, dass Wärme schmerzlindernd wirkte; sie benutzten Sonnenlicht, frische Tierorgane, heißen Lehm und heiße Steine, und viele dieser Methoden werden noch heute angewendet. Man pflegte den Rhythmus, um auf die Geister einzuwirken; die Tamtams waren über die ganze Erde verbreitet. Einige Völker nahmen an, dass Krankheit aus einer bösartigen Verschwörung von Geistern mit Tieren hervorging. Das ließ den Glauben entstehen, dass für jede von Tieren verursachte Krankheit ein wohltuendes pflanzliches Heilmittel existierte. Insbesondere die roten Menschen vertraten die Theorie, dass Pflanzen universale Heilmittel seien; sie ließen immer einen Blutstropfen in das Wurzelloch fallen, wenn sie eine Pflanze ausgerissen hatten. Fasten, Diät und Gegenreizmittel wurden oft als Heilmaßnahmen gebraucht. Die als ausgesprochen magisch geltenden menschlichen Sekretionen waren hochgeschätzt; so waren Blut und Urin unter den ersten Heilmitteln, und sie wurden bald durch Wurzeln und verschiedene Salze verstärkt. Die Schamanen glaubten, dass die Krankheitsgeister durch übel riechende und schlechtschmeckende Medizin aus dem Körper vertrieben werden konnten. Purgieren wurde sehr früh zu einer Routinebehandlung, und eine der allerfrühesten pharmazeutischen Entdeckungen war der Wert des rohen Kakaos und Chinins. Die Griechen entwickelten als erste wirklich rationale Methoden der Krankenbehandlung. Griechen wie Ägypter hatten ihr medizinisches Wissen aus dem Euphrattal empfangen. Öl und Wein waren sehr frühe Heilmittel zur Wundbehandlung; Rizinusöl und Opium waren bei den Sumerern in Gebrauch. Viele dieser alten und wirksamen geheimen Heilmittel verloren ihre Kraft, als sie bekannt wurden; Geheimhaltung ist immer wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Praxis von Betrug und Aberglauben gewesen. Nur Tatsachen und Wahrheit streben nach dem vollen Licht des Verständnisses und freuen sich, wenn wissenschaftliche Forschung sie durchleuchtet und erhellt. ***** 90.5 Priester und Rituale ***** Das Wesentliche des Rituals ist die Vollkommenheit seiner Ausführung; unter Wilden muss es mit peinlichster Genauigkeit eingehalten werden. Nur wenn das Ritual richtig durchgeführt worden ist, besitzt die Zeremonie zwingende Macht über die Geister. Wenn es fehlerhaft ist, erregt es nur den Ärger und Groll der Götter. Da der sich langsam entwickelnde Verstand des Menschen der Anschauung war, dass die Technik des Rituals der entscheidende Faktor seiner Wirksamkeit sei, war es unvermeidlich, dass die frühen Schamanen sich früher oder später zu einer Priesterschaft entwickelten, die in der Leitung des peinlich genau beobachteten Rituals geschult war. Und so haben während Zehntausenden von Jahren endlose Rituale die Gesellschaft behindert und sich wie ein Fluch auf die Zivilisation gelegt, haben als unerträgliche Bürde auf jedem Lebensakt, jedem Unternehmen der Rasse gelastet. Das Ritual ist die Technik, durch welche ein Brauch geheiligt wird; das Ritual schafft Mythen und verewigt sie, und es trägt zur Bewahrung gesellschaftlichen und religiösen Brauchtums bei. Und das Ritual ist seinerseits aus Mythen hervorgegangen. Rituale sind oft zuerst gesellschaftlich, werden später wirtschaftlich und erlangen endlich die Heiligkeit und Würde religiösen Zeremoniells. Die Ausübung des Rituals kann persönlich oder kollektiv - oder beides in einem - sein, wie Gebet, Tanz und Drama veranschaulichen. Wörter wurden zu Bestandteilen des Rituals; Beispiele dafür sind der Gebrauch von Ausdrücken wie Amen und Sela. Die Gewohnheit des Fluchens, des Gebrauchs gotteslästerlicher Kraftausdrücke ist eine Herabwürdigung einer früheren rituellen Wiederholung heiliger Namen. Pilgerfahrten zu Heiligtümern ist ein sehr altes Ritual. Die Rituale wuchsen sich später zu umständlichen Zeremonien der Reinigung, Läuterung und Heiligung aus. Die Einweihungszeremonien der Geheimgesellschaften primitiver Stämme waren in Wirklichkeit ein roher religiöser Ritus. Die Andachtstechnik der alten Mysterienkulte war nichts weiter als eine lange Abfolge angehäufter religiöser Rituale. Das Ritual entwickelte sich schließlich zu den modernen Ausprägungen gesellschaftlichen Zeremoniells und religiöser Anbetung weiter, in Gottesdienste mit Gebet, Gesang, wechselseitigen Lesungen und anderen individuellen oder kollektiven geistigen Andachtsübungen. Die Priester entwickelten sich aus den Schamanen über Weissager, Wahrsager, Sänger, Tänzer, Wettermacher, Hüter religiöser Reliquien, Tempelwächter und Künder kommender Ereignisse bis zum Rang von richtigen Leitern der religiösen Verehrung. Schließlich wurde das Priesteramt erblich; eine dauernde Priesterkaste entstand. Als sich die Religion entwickelte, begannen die Priester, sich gemäß ihren angeborenen Talenten oder besonderen Vorlieben zu spezialisieren. Die einen wurden Sänger, die anderen Beter und noch andere Opferer; später gesellten sich die Redner - die Prediger - zu ihnen. Und als die Religion zu einer Institution wurde, erhoben die Priester den Anspruch, "die Schlüssel zum Himmel zu besitzen". Die Priester versuchten das einfache Volk immer dadurch zu beeindrucken und mit heiliger Scheu zu erfüllen, dass sie das religiöse Ritual in einer alten Sprache und mit allerlei magischen Kunstgriffen zelebrierten, womit sie die Gläubigen hinters Licht führten und ihren eigenen Ruf der Frömmigkeit und ihre Autorität verstärkten. Die große Gefahr bei alledem ist, dass das Ritual die Tendenz hat, zu einem Ersatz für die Religion zu werden. Die Priesterschaften haben viel getan, um die wissenschaftliche Entwicklung zu verzögern und den geistigen Fortschritt zu behindern, aber sie haben zur Stabilisierung der Zivilisation und zur Bereicherung gewisser Aspekte der Kultur beigetragen. Aber viele moderne Priester haben aufgehört, als Lenker des Rituals der Gottesverehrung zu fungieren, und ihre Aufmerksamkeit der Theologie zugewandt - dem Versuch, Gott zu definieren. Es kann nicht bestritten werden, dass die Priester ein Mühlstein am Nacken der Rassen gewesen sind, aber die wahren religiösen Führer hatten einen unschätzbaren Wert, weil sie den Weg zu höheren und besseren Realitäten wiesen. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 91 Die Evolution des Gebets ****** DAS Gebet als wirkende Kraft der Religion entwickelte sich aus vorausgehenden, nichtreligiösen monologischen und dialogischen Ausdrucksformen. Als der primitive Mensch zum Selbstbewusstsein erwachte, trat auch das unvermeidliche Begleitphänomen des Bewusstseins vom anderen ein, das zweifache Potential zu sozialer Antwort und Gotteserkenntnis. Die frühesten Gebetsformen richteten sich nicht an die Gottheit. Es waren Äußerungen, die etwa dem glichen, was ihr zu einem Freund sagen würdet, bevor ihr etwas Wichtiges unternehmt: "Wünsch mir Glück!" Der primitive Mensch war ein Sklave der Magie; Glück und Pech durchwirkten alle Angelegenheiten des Lebens. Zuerst waren diese Bitten um Glück Monologe - einfach ein lautes Denken des Dieners der Magie. In einem nächsten Schritt zogen diese Zufallgläubigen ihre Freunde und Familien zur Unterstützung heran, und bald wurden Formen von Zeremonien abgehalten, die den ganzen Klan oder Stamm einbezogen. Als sich die Vorstellungen von Phantomen und Geistern herausbildeten, wurden die Bitten an übermenschliche Instanzen gerichtet, und mit dem Bewusstsein von Göttern erreichten solche Äußerungen die Ebene echter Gebete. Am Beispiel gewisser australischer Stämme sieht man, dass primitive religiöse Gebete ihrem Glauben an Geister und übermenschliche Persönlichkeiten vorausgegangen waren. Der Stamm der Toda in Indien pflegt noch heute zu niemand Bestimmtem zu beten, so wie es die frühen Völker vor den Zeiten religiösen Bewusstseins taten. Nur bedeutet dies bei den Todas eine Rückentwicklung ihrer degenerierenden Religion auf diese primitive Stufe. Die heutigen Rituale der Milchpriester der Todas stellen keine religiöse Zeremonie dar, da diese unpersönlichen Gebete nichts zur Erhaltung oder Hebung irgendwelcher sozialer, sittlicher oder geistiger Werte beitragen. Das vorreligiöse Beten gehörte zu den Mana-Praktiken der Melanesier, zum Udah-Glauben der afrikanischen Pygmäen und zum Manitu-Aberglauben der nordamerikanischen Indianer. Die Baganda-Stämme Afrikas haben erst vor kurzem die Mana-Gebetsstufe verlassen. Die Gebete der Menschen richten sich in der frühen evolutionären Konfusion an Götter - lokale und nationale -, an Fetische, Amulette, Phantome, Herrscher und an gewöhnliche Menschen. ***** 91.1 Das primitive Gebet ***** Die frühe evolutionäre Religion hat die Funktion, die wesentlichen gesellschaftlichen, sittlichen und geistigen Werte, die langsam Gestalt annehmen, zu erhalten und zu steigern. Dieser Auftrag der Religion wird von der Menschheit nicht bewusst wahrgenommen, aber sie wird hauptsächlich durch die Funktion des Gebetes erfüllt. Die Gebetspraxis stellt das unabsichtliche, aber nichtdestoweniger persönliche und kollektive Bemühen einer Gruppe dar, diese Bewahrung höherer Werte sicherzustellen (zu verwirklichen). Ohne die Sicherung durch das Gebet würden alle heiligen Festtage rasch wieder zu gewöhnlichen Feiertagen werden. Die Religion und ihre Wirkkräfte, deren hauptsächlichstes das Gebet ist, sind nur mit jenen Werten verbunden, die die allgemeine gesellschaftliche Anerkennung, die Billigung durch die Gruppe, besitzen. Deshalb musste der primitive Mensch des Trostes der Religion und der Hilfe des Gebets entbehren, wenn er versuchte, seine niedrigeren Empfindungen zu befriedigen oder in ungezügelter Weise selbstsüchtige Ziele zu verfolgen. Wenn jemand etwas Asoziales im Schilde führte, musste er zu nichtreligiöser Magie Zuflucht nehmen, sich an Hexenmeister wenden und dadurch der Hilfe des Gebets verlustig gehen. Deshalb wurde das Gebet schon sehr früh zu einem mächtigen Förderer gesellschaftlicher Entwicklung, sittlichen Fortschritts und geistigen Vollbringens. Aber der primitive Verstand war weder logisch noch konsequent. Die frühen Menschen erkannten nicht, dass materielle Dinge nicht zum Reich des Gebets gehören. Diese einfachen Gemüter sagten sich, dass Nahrung, Obdach, Regen, Spiele und andere materielle Güter das gesellschaftliche Wohl fördern, und begannen deshalb, für diese physischen Segnungen zu beten. Das war zwar eine Verfälschung des Gebets, aber es ermutigte Anstrengungen zur Verwirklichung dieser materiellen Zielsetzungen durch soziale und ethische Aktionen. Obwohl eine solche Herabwürdigung des Gebets die geistigen Werte eines Volkes minderte, hob es direkt dessen wirtschaftliche, gesellschaftliche und ethische Sitten. Das Gebet ist nur bei den primitivsten Verstandestypen ein Monolog. Es wird schon früh zu einem Dialog und geht rasch weiter zur Ebene der Anbetung im Gruppenverband. Das Gebet bedeutet, dass die vormagischen Beschwörungen der primitiven Religion sich bis zu jener Ebene entwickelt haben, wo der menschliche Verstand die Wirklichkeit wohltätiger Mächte oder Wesen erkennt, die imstande sind, gesellschaftliche Werte zu erhöhen und sittliche Ideale zu verstärken, und wo ihm auch klar wird, dass diese Einflüsse übermenschlicher Natur und verschieden sind vom Ego des selbstbewussten Menschen und seiner sterblichen Gefährten. Wahres Gebet kann daher erst erscheinen, wenn man sich die wirkende Kraft des religiösen Beistands als persönlich vorstellt. Gebet hat wenig mit Animismus gemein, aber dessen Glaubensinhalte können neben erwachenden religiösen Gefühlen existieren. Oft haben Animismus und Religion völlig getrennte Ursprünge gehabt. All jene Sterblichen, die noch nicht von den Fesseln primitiver Angst befreit sind, befinden sich in wirklicher Gefahr, dass all ihr Beten zu einem morbiden Gefühl von Sünde, zu ungerechtfertigten Vorstellungen von wirklicher oder eingebildeter Schuld führt. Es ist indessen in der heutigen Zeit unwahrscheinlich, dass viele Menschen genug Zeit im Gebet verbringen, um zu diesem schädlichen Brüten über ihre Nichtswürdigkeit oder Sündhaftigkeit zu gelangen. Die Gefahren einer Entstellung und Pervertierung des Gebets liegen in Unwissenheit, Aberglauben, Kristallisierung, Devitalisierung, Materialismus und Fanatismus. ***** 91.2 Das sich entwickelnde Gebet ***** Die ersten Gebete waren lediglich in Worte gefasste Begehren, sie waren Ausdruck aufrichtiger Wünsche. Danach wurde das Gebet eine Technik, um die Zusammenarbeit der Geister zu erwirken. Und dann erreichte es jene höhere Funktion, die der Religion hilft, alle der Erhaltung würdigen Werte zu bewahren. Sowohl Gebet wie Magie entstanden aus den menschlichen Anpassungsreaktionen auf das Umfeld Urantias. Aber außer dieser allgemeinen Beziehung haben sie kaum etwas gemein. Das Gebet hat immer eine positive Handlung des betenden Ichs verraten; es ist immer psychisch und manchmal geistig gewesen. Die Magie hat gewöhnlich einen Versuch bedeutet, die Realität zu manipulieren, ohne dass dies sich indessen auf das Ego des Manipulators, des Magie Treibenden, ausgewirkt hätte. Trotz ihrer unabhängigen Ursprünge haben Magie und Gebet in ihren späteren Entwicklungsstadien oft in Wechselbeziehung zueinander gestanden. Die Magie ist manchmal aufgrund höher gesteckter Ziele von Formeln über Ritual und Beschwörungen bis an die Schwelle wahren Gebets aufgestiegen. Das Gebet ist manchmal so materialistisch geworden, dass es zu einer pseudomagischen Technik verkommen ist, welche die zur Lösung urantianischer Probleme erforderliche Anstrengung zu vermeiden sucht. Als die Menschen erkannten, dass das Gebet die Götter nicht zu zwingen vermochte, wurde es mehr zu einem Gesuch, zu einer Bitte um Gunsterweisung. Aber das wahrste Gebet ist in Wirklichkeit eine Verbindung zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. Das Erscheinen der Opferidee in einer beliebigen Religion tut der höheren Wirksamkeit wahren Betens unfehlbar Abbruch, indem die Menschen, anstatt ihren eigenen, der Ausführung des Willens Gottes geweihten Willen darzubringen, danach trachten, materielles Eigentum darzubringen. Nimmt man der Religion einen persönlichen Gott, so werden ihre Gebete auf die Ebene von Theologie und Philosophie versetzt. Wenn das höchste Gotteskonzept einer Religion - wie im pantheistischen Idealismus - das einer unpersönlichen Gottheit ist, wirkt es sich, auch wenn es die Grundlage für gewisse Formen mystischer Verbindung liefert, verhängnisvoll auf die Macht wahren Gebets aus, welches immer für die Verbindung des Menschen mit einem persönlichen und höheren Wesen steht. Während der früheren Zeiten der Rassenevolution und auch heutzutage in der täglichen Erfahrung des Durchschnittssterblichen ist das Gebet hauptsächlich ein Phänomen des Austauschs des Menschen mit seinem eigenen Unterbewussten. Aber es gibt auch einen Gebetsbereich, in dem der intellektuell Wache und geistig Fortschreitende mehr oder weniger mit den überbewussten Ebenen des menschlichen Verstandes, mit dem Bereich des innewohnenden Gedankenjustierers, in Kontakt tritt. Zusätzlich gibt es eine ganz bestimmte geistige Phase wahren Gebets, die seinen Empfang und seine Anerkennung durch die geistigen Kräfte des Universums betrifft und die von allen menschlichen und intellektuellen Verbindungen völlig verschieden ist. Das Gebet trägt sehr stark zum Wachsen des religiösen Gefühls eines sich entwickelnden menschlichen Gemütes bei. Es übt einen mächtigen Einfluss aus, der einer Isolierung der Persönlichkeit entgegenwirkt. Das Gebet ist eine der mit den natürlichen Religionen der Rassenevolution verknüpften Techniken, die ebenfalls einen Teil der erfahrungsmäßigen Werte der höheren sich durch Ethik auszeichnenden Religionen, der Offenbarungsreligionen, bildet. ***** 91.3 Das Gebet und das Alter Ego ***** Wenn die Kinder anfangen, die Sprache zu gebrauchen, neigen sie dazu, laut zu denken, ihre Gedanken in Worten auszudrücken, auch wenn niemand da ist, um ihnen zuzuhören. Mit dem Erwachen ihrer schöpferischen Imagination zeigen sie eine Tendenz, sich mit eingebildeten Gefährten zu unterhalten. Auf diese Art versucht das sich entfaltende Ego, eine enge Verbindung mit einem fiktiven Alter Ego zu unterhalten. Dank dieser Technik lernt das Kind schon früh, seine monologischen Unterhaltungen in Pseudodialoge zu verwandeln, in denen das Alter Ego auf sein gesprochenes Denken und auf seine ausgedrückten Wünsche Antworten gibt. Ein großer Teil des Denkens eines Erwachsenen geht in Form einer Unterhaltung vor sich. Die frühe und primitive Gebetsform glich stark den halbmagischen Rezitationen des heutigen Stammes der Toda, Gebeten, die an niemanden im Besonderen gerichtet sind. Aber diese Gebetstechnik hat die Tendenz, beim Erwachen der Idee eines Alter Ego in eine dialogische Kommunikationsform überzugehen. Mit der Zeit wird das Alter-Ego-Konzept auf einen höheren Stand göttlicher Würde hinaufgehoben, und damit tritt das Gebet als eine wirkende Kraft der Religion auf. Dieser primitive Gebetstyp ist dazu bestimmt, sich durch viele Phasen und während langer Zeitalter weiterzuentwickeln, bevor die Stufe intelligenten und wahrhaft ethischen Betens erreicht ist. In der Vorstellung der aufeinander folgenden Generationen betender Sterblicher entwickelt sich das Alter Ego hinauf über Phantome, Fetische und Geister zu polytheistischen Göttern und endlich zum Einen Gott, einem göttlichen Wesen, das die höchsten Ideale und die erhabensten Sehnsüchte des betenden Ego in sich schließt. Und so funktioniert das Gebet als mächtigste Kraft der Religion zur Erhaltung der höchsten Werte und Ideale der Betenden. Vom Augenblick der Idee eines Alter Ego an bis zum Erscheinen des Konzeptes eines göttlichen und himmlischen Vaters ist Beten stets eine sozialisierende, versittlichende und vergeistigende Praxis. Das einfache, aus dem Glauben gesprochene Gebet beweist, dass in der menschlichen Erfahrung eine gewaltige Evolution vor sich gegangen ist, welche die alten, der primitiven Religion angehörenden Dialoge mit dem fiktiven Symbol des Alter ego emporgehoben hat auf die Ebene der Verbindung mit dem Geist des Unendlichen und auf jene eines echten Bewusstseins von der Realität des ewigen Gottes und Paradies-Vaters der gesamten intelligenten Schöpfung. Abgesehen von alldem, was in der Gebetserfahrung dem Überselbst angehört, sollte daran erinnert werden, dass ethisches Beten ein großartiger Weg ist, um sein Ego emporzuheben und das Selbst für eine bessere Lebensweise und höheres Vollbringen zu stärken. Das Gebet veranlasst das menschliche Ego, sich von zwei Seiten Hilfe zu erbitten: materielle Hilfe aus dem unterbewussten Reservoir irdischer Erfahrung und Inspiration und Führung aus den überbewussten Zonen, wo das Materielle sich mit dem Geistigen, mit dem Unergründlichen Mentor, berührt. Das Gebet ist immer eine doppelte menschliche Erfahrung gewesen und wird es immer bleiben: Ein psychologischer Vorgang, der mit einer geistigen Technik verbunden ist. Und diese beiden Gebetsfunktionen können nie völlig auseinander gehalten werden. Erleuchtetes Beten muss nicht nur einen äußeren und persönlichen Gott anerkennen, sondern auch eine innere und unpersönliche Göttlichkeit, den innewohnenden Justierer. Es ist durchaus angebracht, dass der Mensch, wenn er betet, danach trachten sollte, das Konzept des Universalen Vaters im Paradies zu erfassen; aber für die meisten praktischen Zwecke wird die wirksamere Technik darin bestehen, zur Vorstellung von dem in nächster Nähe befindlichen Alter ego zurückzukehren, gerade wie es die Gewohnheit des primitiven Verstandes gewesen war, aber dann zu erkennen, dass die Idee von diesem Alter ego sich aus einer bloßen Fiktion in die Wahrheit verwandelt hat, dass Gott dem sterblichen Menschen in der tatsächlichen Gegenwart des Justierers innewohnt, so dass der Mensch sozusagen von Angesicht zu Angesicht mit einem wirklichen und authentischen und göttlichen Alter Ego sprechen kann, das ihn bewohnt und die Gegenwart und Essenz des lebendigen Gottes, des Universalen Vaters, selber ist. ***** 91.4 Ethisches Beten ***** Kein Gebet kann ethisch sein, wenn der Bittsteller auf selbstsüchtigen Vorteil gegenüber seinen Gefährten sinnt. Selbstsüchtiges und materialistisches Beten ist unvereinbar mit den ethischen Reli- gionen, die auf selbstloser und göttlicher Liebe gründen. All solch unethisches Beten ist eine Rückkehr zu primitiven Stufen von Pseudomagie und ist fortschrittlicher Zivilisationen und erleuchteter Religionen unwürdig. Selbstsüchtiges Beten verstößt gegen alle Ethik, die auf liebender Gerechtigkeit beruht. Das Gebet darf nie so herabgewürdigt werden, dass es zu einem Ersatz für Handeln wird. Jedes ethische Gebet ist ein Ansporn zum Handeln und ein Führer in dem nach vorn gewandten Streben nach idealistischen Zielen, die im Überselbst liegen. Seid fair in all euren Gebeten; erwartet nicht, dass Gott irgendwelche Parteilichkeit zeige, euch mehr liebe als seine anderen Kinder, eure Freunde, Nachbarn und sogar Feinde. Aber das Gebet der natürlichen oder evolutionären Religionen ist in den Anfängen nicht ethisch wie in den späteren offenbarten Religionen. Alles Beten, ob individuell oder gemeinsam, kann egoistisch oder altruistisch sein, d. h. dass in seinem Mittelpunkt entweder das Selbst oder aber andere stehen können. Wenn der Betende nichts für sich selber noch für seine Gefährten sucht, dann nähert sich eine solche Seelenhaltung den Ebenen wahrer Anbetung. Egoistische Gebete enthalten Geständnisse und Bitten und bestehen oft aus Gesuchen um materielle Gunsterweisungen. Das Gebet ist schon etwas ethischer, wenn es sich um Vergebung bemüht und um Weisheit für verstärkte Selbstbeherrschung bittet. Während das Gebet des selbstlosen Typs stärkt und tröstet, ist materialistisches Beten dazu verurteilt, nur Enttäuschung und Desillusionierung zu bringen, je mehr der Fortschritt der wissenschaftlichen Entdeckungen vor Augen führt, dass der Mensch in einem physischen Universum von Gesetz und Ordnung lebt. Die Kindheit eines Einzelnen oder einer Rasse wird durch primitives, selbstsüchtiges und materialistisches Beten charakterisiert. Und in einem gewissen Ausmaß sind all solche Bittstellungen wirksam, indem sie stets zu jenen Bemühungen und Anstrengungen führen, die dazu beitragen, die Antworten auf solche Gebete herbeizuführen. Das wahre aus dem Glauben kommende Gebet trägt stets zur Verbesserung der Lebenstechnik bei, auch wenn solche Bittstellungen geistiger Anerkennung nicht würdig sein sollten. Aber eine geistig fortgeschrittene Person sollte bei dem Versuch, primitive oder unreife Gemüter bezüglich solcher Gebete zu entmutigen, äußerste Vorsicht walten lassen. Erinnert euch, dass das Gebet, auch wenn es Gott nicht ändert, so doch in demjenigen, der im Glauben und in vertrauensvoller Erwartung betet, sehr oft große und bleibende Veränderungen auslöst. Das Gebet ist der Urheber von viel Seelenfrieden, Fröhlichkeit, Gelassenheit, Mut, Selbstbeherrschung und Aufrichtigkeit in Männern und Frauen der sich entwickelnden Rassen gewesen. ***** 91.5 Gesellschaftliche Auswirkungen des Gebetes ***** In der Ahnenverehrung führt das Gebet zur Kultivierung von Idealen der Altvorderen. Aber als wesentliche Äußerung der Gottheitsverehrung geht das Gebet weit über alle anderen Praktiken hinaus, da es zur Kultivierung göttlicher Ideale führt. In demselben Maße, wie die Gebetsvorstellung vom Alter Ego erhaben und göttlich wird, werden auch die Ideale des Menschen von bloß menschlichen auf himmlische und göttliche Ebenen gehoben, und das Ergebnis all solchen Betens ist die Veredlung des menschlichen Charakters und die tief greifende Einigung der menschlichen Persönlichkeit. Aber das Gebet braucht nicht immer individuell zu sein. Beten in Gruppen oder Kirchengemeinschaften ist dadurch sehr wirksam, dass es in seinen Auswirkungen in hohem Maße sozialisierend wirkt. Wenn eine Gruppe gemeinsam um sittliche Läuterung und geistige Erhebung betet, wirken diese Andachtsübungen auf die Einzelnen in der Gruppe zurück; durch ihre Beteiligung werden sie alle besser. Sogar einer ganzen Stadt oder einer ganzen Nation kann durch solche Gebetsandachten geholfen werden. Geständnis, Reue und Gebet haben Einzelne, Städte, Nationen und ganze Rassen zu mächtigen Reformanstrengungen, zu mutigen Taten und heldenhaftem Verhalten geführt. Wenn ihr wirklich den Wunsch habt, die Gewohnheit zu besiegen, einen Freund zu kritisieren, dann besteht der rascheste und sicherste Weg, einen derartigen Haltungswechsel herbeizuführen, darin, dass ihr die Gewohnheit annehmt, jeden Tag eures Lebens für diese Person zu beten. Aber die sozialen Rückwirkungen solcher Gebete hängen weitgehend von zwei Bedingungen ab: 1. Die Person, für die man betet, sollte wissen, dass man für sie betet. 2. Die betende Person sollte in engen gesellschaftlichen Kontakt mit der Person kommen, für die sie betet. Das Gebet ist die Technik, durch die jede Religion früher oder später zur Institution wird. Und mit der Zeit verbindet sich das Gebet mit zahlreichen sekundären Wirkkräften, von denen einige hilfreich, andere dagegen entschieden schädlich sind, wie Priester, heilige Bücher, Gottesdienstrituale und Zeremoniell. Aber die Menschen, deren Gemüt größere geistige Erleuchtung empfing, sollten geduldig und tolerant gegenüber jenen sein, deren weniger begabter Intellekt sich nach Symbolik sehnt, um ihre schwache geistige Erkenntnis anzuregen. Der Starke darf nicht mit Verachtung auf den Schwachen blicken. Diejenigen, die ohne Symbolik gottesbewusst sind, dürfen jenen, denen die Anbetung Gottes und die Verehrung von Wahrheit, Schönheit und Güte ohne Form und Ritual schwer fällt, den Gnadendienst des Symbols nicht verwehren. Im Zustand andächtiger Verehrung stellen sich die meisten Sterblichen irgendein Symbol für den Gegenstand und das Ziel ihrer Anbetung vor. ***** 91.6 Der Bereich des Gebets ***** Kein Gebet, das nicht in Verbindung mit dem Willen und den Handlungen der persönlichen geistigen Kräfte und der materiellen Lenker einer Welt geschieht, kann auf die physische Umwelt eine direkte Wirkung haben. Während der Bereich der im Gebet vorgebrachten Bitten ganz eindeutige Grenzen besitzt, kennt der Glaube der Betenden keine derartigen Schranken. Das Gebet ist keine Technik zum Heilen wirklicher organischer Krankheiten, aber es hat viel zum Besitz überquellender Gesundheit und zur Heilung zahlreicher mentaler, emotionaler und nervöser Leiden beigetragen. Und selbst bei tatsächlicher bakterieller Erkrankung hat das Gebet viele Male die Wirksamkeit anderer Heilmaßnahmen erhöht. Das Gebet hat manchen reizbaren und klagenden Kranken in ein Muster an Geduld verwandelt und aus ihm eine Inspiration für alle anderen leidenden Menschen gemacht. Bei aller Schwierigkeit, die wissenschaftlichen Zweifel an der Wirksamkeit des Gebets mit dem stets vorhandenen Drang, bei göttlichen Quellen Hilfe und Führung zu suchen, in Einklang zu bringen, vergesst nie, dass ein aus aufrichtigem Glauben kommendes Gebet eine mächtige Kraft zur Förderung persönlichen Glücks, individueller Selbstbeherrschung, sozialer Harmonie, sittlichen Fortschritts und geistigen Vollbringens ist. Sogar als rein menschliche Übung, als Dialog mit seinem Alter Ego, bildet die Gebetstechnik die wirksamste Herangehensweise zur Befreiung jener Reservekräfte der menschlichen Natur, die in den unbewussten Reichen des menschlichen Gemüts gespeichert sind und aufbewahrt werden. Das Gebet ist, abgesehen von seinen religiösen Konsequenzen und seiner geistigen Bedeutung, eine gesunde psychologische Praxis. Es ist eine Tatsache menschlicher Erfahrung, dass die meisten Personen, wenn sie hart genug bedrängt werden, auf irgendeine Weise zu irgendeiner Quelle der Hilfe beten. Seid nicht so träge, Gott um die Lösung eurer Schwierigkeiten zu bitten, aber zögert nie, ihn um Weisheit und geistige Kraft anzugehen, um euch zu führen und zu stützen, während ihr selber die Probleme, die sich euch stellen, entschieden und mutig anpackt. Das Gebet ist ein für den Fortschritt und die Aufrechterhaltung der religiösen Zivilisation unerlässlicher Faktor gewesen, und es hat noch mächtige Beiträge an die weitere Hebung und Vergeistigung der Gesellschaft zu leisten, wenn nur diejenigen, die beten, es im Lichte wissenschaftlicher Fakten, philosophischer Weisheit, intellektueller Aufrichtigkeit und geistigen Glaubens tun wollen. Betet, wie Jesus es seine Jünger lehrte - ehrlich, selbstlos, mit Fairness und ohne Zweifel. Aber die Wirksamkeit des Gebets in der persönlichen geistigen Erfahrung des Betenden ist in keiner Weise abhängig von seinem intellektuellen Verständnis, philosophischen Scharfsinn, sozia-len Niveau, kulturellen Status oder anderen irdischen Aneignungen. Die psychischen und geistigen Begleiterscheinungen des aus dem Glauben kommenden Gebets sind augenblicklich, persönlich und erfahrungsmäßig. Es gibt keine andere Technik, die jeden Menschen, unabhängig von all seinen anderen irdischen Leistungen, befähigte, sich so wirksam und unmittelbar der Schwelle jenes Reichs zu nähern, wo er mit seinem Schöpfer in Verbindung treten kann, wo das Geschöpf mit der Realität des Schöpfers, mit dem innewohnenden Gedankenjustierer, Kontakt aufnehmen kann. ***** 91.7 Mystizismus, Ekstase und Inspiration ***** Wenn Mystizismus die Technik der Kultivierung des Bewusstseins von der Gegenwart Gottes bedeutet, ist er ganz und gar lobenswert, aber wenn solche Praktiken zu gesellschaftlicher Isolierung führen und in religiösem Fanatismus gipfeln, sind sie nahezu tadelnswert. Nur allzu oft ist das, was der überreizte Mystiker für göttliche Inspiration hält, etwas, was aus seiner eigenen psychischen Tiefe aufsteigt. Obwohl der Kontakt des menschlichen Verstandes mit seinem innewohnenden Justierer durch hingebungsvolles Meditieren oft begünstigt wird, wird er noch häufiger erleichtert durch liebenden, selbstlosen und von ganzem Herzen geleisteten Dienst an seinen Mitmenschen. Die großen religiösen Lehrer und Propheten vergangener Zeitalter waren keine extremen Mystiker. Es waren Gott kennende Männer und Frauen, die ihrem Gott dadurch am besten dienten, dass sie sich ihren sterblichen Brüdern selbstlos widmeten. Jesus führte seine Apostel oft für eine kurze Zeit der Meditation und des Gebets abseits, aber meist hielt er sie in dienendem Kontakt mit der Menge. Die Seele des Menschen braucht sowohl geistige Übung als auch geistige Nahrung. Religiöse Ekstase ist statthaft, wenn sie auf gesunden Voraussetzungen beruht, aber häufig sind solche Erlebnisse eher das Ergebnis rein emotionaler Einflüsse als ein Beweis für einen tiefgeistigen Charakter. Religiöse Personen sollten nicht jede lebhafte psychologische Vorahnung und jede mit intensiven Gefühlen verbundene Erfahrung als eine göttliche Offenbarung oder geistige Mitteilung betrachten. Echte geistige Ekstase ist gewöhnlich mit großer äußerer Ruhe und fast vollkommener emotionaler Kontrolle verbunden. Aber eine wahre prophetische Vision ist eine überpsychologische Vorahnung. Solche Gesichte sind weder Pseudohalluzinationen noch tranceähnliche Ekstasen. Der menschliche Verstand kann in Reaktion auf so genannte Inspiration aktiv werden, wenn er entweder auf das aus dem Unterbewussten Aufsteigende oder aber auf den Stimulus des Überbewussten anspricht. In beiden Fällen erscheinen dem Betreffenden solche Erweiterungen des Bewusstseinsinhaltes als etwas mehr oder weniger Fremdes. Zügelloser mystischer Enthusiasmus und wilde religiöse Ekstase sind keine Zeugnisse für Inspiration, sind keine angeblich göttlichen Zeugnisse. Der praktische Test für all diese seltsamen religiösen Erfahrungen von Mystizismus, Ekstase und Inspiration besteht in der Beobachtung, ob diese Phänomene eine Person so verändern, dass sie: 1. Sich besserer und vollständigerer Gesundheit erfreut. 2. In ihrem mentalen Leben wirksamer und praktischer funktioniert. 3. Ihre religiöse Erfahrung stärker und freudiger sozialisiert. 4. Ihr alltägliches Leben vollständiger vergeistigt, während sie getreulich die gewöhnlichen Pflichten einer normalen irdischen Existenz erfüllt. 5. Ihre Liebe zu Wahrheit, Schönheit und Güte sowie deren Würdigung steigert. 6. Die geltenden und anerkannten gesellschaftlichen, sittlichen, ethischen und geistigen Werte bewahrt. 7. Ihre geistige Schau - ihr Gottesbewusstsein - erweitert. Aber das Gebet steht in keiner wirklichen Beziehung zu diesen religiösen Ausnahmeerfahrungen. Wenn des Gebet allzu ästhetisch wird, wenn es fast ausschließlich aus einer wunderbaren und glückseligen Betrachtung paradiesischer Göttlichkeit besteht, verliert es viel von seiner sozia-lisierenden Kraft und tendiert zu Mystizismus und zu einer Isolierung derer, die es pflegen. Es liegt eine gewisse Gefahr in allzu häufigem privatem Beten; sie kann durch Beten in der Gruppe, durch gemeinsame Andacht, ausgeglichen und vermieden werden. ***** 91.8 Beten als eine persönliche Erfahrung ***** Es gibt einen wahrhaft spontanen Aspekt des Gebets, denn der primitive Mensch betete, lange bevor er irgendeine klare Vorstellung von einem Gott besaß. Der frühe Mensch pflegte in zwei verschiedenen Situationen zu beten: Wenn er sich in höchster Not befand, fühlte er sich getrieben, seine Hand nach Hilfe auszustrecken; und wenn er überglücklich war, ließ er dem spontanen Ausdruck seiner Freude freien Lauf. Das Beten ist nicht aus Magie hervorgegangen; beide entstanden unabhängig voneinander. Magie war ein Versuch, die Gottheit an Bedingungen anzupassen; Gebet ist das Bemühen, die Persönlichkeit dem Willen der Gottheit anzupassen. Wahres Beten ist sowohl sittlich als auch religiös; Magie ist keines von beiden. Beten kann zu einer festen Sitte werden; viele beten, weil andere es auch tun. Wieder andere beten, weil sie befürchten, etwas Schreckliches könnte passieren, wenn sie nicht regelmäßig ihre Bittgebete darbringen. Für einige ist das Gebet der stille Ausdruck von Dankbarkeit; für andere ein Ausdruck von Lob in der Gruppe, von gemeinschaftlicher Andacht; manchmal ist es die Nachahmung der Religion eines anderen, aber das wahre Gebet ist der aufrichtige und vertrauensvolle Austausch, den die geistige Natur des Geschöpfes mit der Allgegenwart des Geistes des Schöpfers pflegt. Das Gebet kann spontaner Ausdruck von Gottesbewusstsein oder ein sinnloses Hersagen theologischer Formeln sein. Es kann ekstatischer Lobpreis einer Gott kennenden Seele oder sklavischer Gehorsam eines von Furcht gepeinigten Sterblichen sein. Es ist manchmal der ergreifende Ausdruck geistiger Sehnsucht und manchmal das angeberische Ausposaunen frommer Phrasen. Das Gebet kann ein freudiges Lob oder eine demütige Bitte um Vergebung sein. Das Gebet kann eine kindische Bitte um das Unmögliche oder das reife Flehen für sittliches Wachstum und geistige Macht sein. Eine Bitte kann das tägliche Brot betreffen oder eine von ganzem Herzen kommende Sehnsucht in sich schließen, Gott zu finden und seinen Willen zu tun. Es kann ein ganz und gar eigensüchtiges Verlangen oder eine wahre und großartige Geste zur Verwirklichung selbstloser Brüderlichkeit sein. Das Gebet kann ein wütender Schrei nach Vergeltung oder ein erbarmungsvolles Eintreten für seine Feinde sein. Es kann die Hoffnung ausdrücken, Gott zu ändern, oder die machtvolle Technik sein, sich selber zu ändern. Es kann die unterwürfige Bitte eines verlorenen Sünders vor einem angeblich unerbittlichen Richter oder die Freudenkundgebung eines befreiten Sohnes des lebendigen und erbarmenden himmlischen Vaters sein. Den modernen Menschen befremdet der Gedanke, mit Gott auf eine rein persönliche Weise Dinge zu besprechen. Viele haben das regelmäßige Gebet aufgegeben; sie beten nur, wenn sie unter außergewöhnlichem Druck stehen - in Notfällen. Der Mensch sollte sich nicht scheuen, mit Gott zu sprechen, aber nur, wer geistig noch ein Kind ist, würde es wagen, Gott überzeugen zu wollen, oder sich unterfangen, ihn umstimmen zu wollen. Aber wahres Beten erreicht tatsächlich die Realität. Auch bei aufsteigenden Luftströmungen kann kein Vogel sich erheben, wenn er nicht die Flügel ausbreitet. Das Gebet erhebt den Menschen, weil es eine Technik des Fortschritts ist, die sich die aufsteigenden geistigen Strömungen des Universums zunutze macht. Wahres Beten fördert das geistige Wachstum, ändert die Einstellung und gewährt die Befriedigung, die aus der Verbindung mit der Göttlichkeit fließt. Es ist ein spontaner Ausbruch von Gottesbewusstsein. Gott beantwortet die Gebete des Menschen, indem er ihn mit einer erweiterten Offenbarung von Wahrheit, mit einer gesteigerten Würdigung von Schönheit und mit einer wachsenden Vorstellung von Güte beschenkt. Das Gebet ist eine subjektive Gebärde, aber es schafft Kontakt zu mächtigen objektiven Realitäten auf den geistigen Ebenen menschlicher Erfahrung; es ist ein bedeutungsvolles Ausgreifen des Menschen nach übermenschlichen Werten. Es ist das mächtigste Stimulans für geistiges Wachstum. Worte sind ohne Bedeutung für das Gebet; sie sind nur der intellektuelle Kanal, in den sich der Strom geistigen Flehens ergießen kann. Der Wert von Gebetsworten ist rein autosuggestiv bei individueller Andacht und soziosuggestiv bei Gruppenandacht. Gott antwortet auf die Haltung der Seele und nicht auf Worte. Das Gebet ist keine Technik, um Konflikten aus dem Wege zu gehen, sondern vielmehr ein Stimulans, um zu wachsen, wenn man sich einem Konflikt gegenübersieht. Betet nur für Werte, nicht für Dinge; für Wachstum, nicht für Belohnungen. ***** 91.9 Die Bedingungen wirksamen Betens ***** Wenn ihr in wirksamer Weise beten möchtet, solltet ihr euch die Gesetze erfolgreicher Bitten vergegenwärtigen: 1. Ihr müsst euch dadurch als einen überzeugenden Beter qualifizieren, dass ihr euch den Problemen der Universumsrealität aufrichtig und mutig stellt. Ihr müsst kosmisches Stehvermögen besitzen. 2. Ihr müsst die menschliche Fähigkeit zu menschlicher Anpassung in aller Ehrlichkeit ausgeschöpft haben. Ihr müsst fleißig gewesen sein. 3. Ihr müsst jeden mentalen Wunsch und jede Sehnsucht der Seele der transformierenden Umarmung geistigen Wachstums überlassen. Ihr müsst eine Steigerung der Bedeutungen und eine Hebung der Werte erfahren haben. 4. Ihr müsst euch von ganzer Seele für den göttlichen Willen entscheiden. Ihr müsst das tote Zentrum der Unentschiedenheit zum Verschwinden bringen. 5. Ihr begnügt euch nicht damit, den Willen des Vaters anzuerkennen und euch dafür zu entscheiden, ihn zu tun, sondern ihr habt euch mit einem bedingungslosen Ja und in dynamischer Hingabe dazu verpflichtet, den Willen des Vaters auch wirklich auszuführen. 6. Euer Gebet wird ausschließlich auf göttliche Weisheit zielen, um die spezifisch menschlichen Probleme zu lösen, denen ihr beim Aufstieg zum Paradies - dem Erreichen göttlicher Vollkommenheit - begegnet. 7. Und ihr müsst Glauben - lebendigen Glauben - haben. [Dargeboten vom Chef der Mittler Urantias.] ****** Kapitel 92 Die Spätere Evolution der Religion ****** DER Mensch besaß als Teil seiner evolutionären Erfahrung eine Religion natürlichen Ursprungs, lange bevor auf Urantia irgendwelche systematischen Offenbarungen gemacht wurden. Aber diese Religion natürlichen Ursprungs war an sich das Produkt der übertierischen Begabungen des Menschen. Die evolutionäre Religion entstand langsam während der jahrtausendelangen erfahrungsmäßigen Laufbahn der Menschheit unter der Einwirkung folgender Einflüsse, die im Inneren des wilden, des barbarischen und des zivilisierten Menschen arbeiteten und von außen auf ihn einwirkten: 1. Der Hilfsgeist der Anbetung - das Erscheinen im tierischen Bewusstsein von übertierischen Potentialen für die Wahrnehmung der Realität. Man könnte es den menschlichen Urinstinkt für die Gottheit nennen. 2. Der Hilfsgeist der Weisheit - die in einem andachtsvollen Gemüt auftretende Tendenz, seine Anbetung in höhere Kanäle des Ausdrucks zu leiten und sie auf sich ständig erweiternde Konzepte der Gottheitsrealität zu richten. 3. Der Heilige Geist - dies ist die anfängliche übermentale Begabung, und sie erscheint unfehlbar in allen aufrichtigen menschlichen Persönlichkeiten. Dieser Beistand eines sich nach Anbetung sehnenden und nach Weisheit dürstenden Verstandes schafft in ihm die Fähigkeit, aus sich heraus das menschliche Fortleben als gegeben vorauszusetzen, sowohl als theologisches Konzept wie auch als tatsächliche, echte persönliche Erfahrung. Das koordinierte Funktionieren dieser drei göttlichen Beistände genügt vollauf, um das Wachstum der evolutionären Religion auszulösen und zu unterhalten. Diese Einflüsse werden später verstärkt durch die Gedankenjustierer, die Seraphim und den Geist der Wahrheit, die alle die Gangart der religiösen Entwicklung beschleunigen. Diese Wirkkräfte funktionieren seit langem auf Urantia und werden damit fortfahren, solange dieser Planet eine bewohnte Sphäre bleibt. Ein großer Teil des Potentials dieser göttlichen Wirkkräfte hat noch nie Gelegenheit gefunden, sich auszudrücken; vieles wird in den kommenden Zeitaltern offenbart werden, wenn die Religion der Sterblichen sich von Ebene zu Ebene zu den himmlischen Höhen morontieller Werte und geistiger Wahrheit erheben wird. ***** 92.1 Die evolutionäre Natur der Religion ***** Wir haben die Evolution der Religion von früher Furcht und Phantomkult über viele sukzessive Entwicklungsstadien einschließlich jener Bemühungen nachgezeichnet, zuerst die Geister zu zwingen und ihnen dann zu schmeicheln. Stammesfetische entwickelten sich zu Totems und Stammesgöttern; aus magischen Formeln wurden moderne Gebete. Die Beschneidung, zuerst ein Opfer, wurde zu einer hygienischen Maßnahme. Die Religion schritt während der ganzen wilden Kindheit der Rassen von der Naturanbetung über den Phantomkult zum Fetischismus fort. Mit dem Erwachen der Zivilisation wandte sich die menschliche Rasse mystischeren und symbolischeren Glaubensvorstellungen zu, aber jetzt, mit nahender Reife, wächst die Menschheit langsam zur Würdigung wahrer Religion, sogar eines Beginns von Offenbarung der Wahrheit selber, heran. Religion entsteht als eine biologische mentale Reaktion auf geistige Glaubensvorstellungen und die Umwelt; sie ist in einer Rasse das Letzte, was untergeht oder sich ändert. Religion ist in jedem Zeitalter die Anpassung der Gesellschaft an das Geheimnisvolle. Als eine gesellschaftliche Institution umfasst sie Riten, Symbole, Kulte, Schriften, Altäre, Heiligtümer und Tempel. Heiliges Wasser, Reliquien, Fetische, Talismane, Ornat, Glocken, Trommeln und Priesterschaften sind allen Religionen gemeinsam. Und es ist unmöglich, aus reiner Evolution hervorgegangene Religion völlig von Magie oder Hexerei loszulösen. Geheimnis und Macht haben stets die religiösen Gefühle und Ängste stimuliert, während Emotion bei deren Entwicklung immer als mächtiger, bestimmender Faktor wirkte. Furcht ist immer der grundlegende religiöse Stimulus gewesen. Furcht formt die Götter der evolutionären Religion und ist der Beweggrund des religiösen Rituals der primitiven Gläubigen. Mit fortschreitender Zivilisation wird die Furcht durch Ehrerbietung, Bewunderung, Respekt und Sympathie umgestaltet und überdies durch Gewissensbisse und Reue geprägt. Ein asiatisches Volk lehrte: "Gott ist eine große Furcht"; das ist ein natürliches Ergebnis rein evolutionärer Religion. Jesus, Offenbarung der höchsten Art religiösen Lebens, verkündete: "Gott ist Liebe". ***** 92.2 Religion und die Sitten ***** Die Religion ist die starrste, unnachgiebigste aller menschlichen Institutionen, aber sie passt sich jeweils mit Verspätung der sich verändernden Gesellschaft an. Letztenendes ist die evolutio-näre Religion ein Spiegel der sich verändernden Sitten, die ihrerseits unter Umständen durch offenbarte Religion beeinflusst worden sind. Langsam, sicher, aber nur sehr ungern schwimmt die Religion (der Kult) im Kielwasser der Weisheit - dem Wissen, das von einer aus Erfahrung schöpfenden Vernunft gelenkt und von göttlicher Offenbarung erleuchtet wird. Die Religion hält an den Sitten fest; alles, was war, ist altehrwürdig und angeblich heilig. Aus diesem und keinem anderen Grunde fanden noch bis weit in die Bronze- und Eisenzeit hinein Steinwerkzeuge Verwendung. Folgende Erklärung steht in euren Schriften: "Und wenn du mir einen Steinaltar errichten willst, sollst du ihn nicht aus behauenem Stein erbauen, denn wenn du dazu deine Werkzeuge gebrauchst, hast du ihn entweiht." Noch heute benutzen die Hindus zum Anzünden ihrer Altarfeuer einen primitiven Feuerbohrer. Im Laufe der Religionsevolution sind Neuerungen stets als Gotteslästerung empfunden worden. Das Sakrament darf nicht aus neuen und zubereiteten Speisen, sondern nur aus primitivster Nahrung bestehen: "Auf Feuer geröstetes Fleisch und mit bitteren Kräutern dargebrachtes ungesäuertes Brot." Alle Arten von sozialen Bräuchen und sogar Gerichtsverfahren hängen an den alten Formen. Wenn sich der moderne Mensch darüber wundert, dass in den Schriften verschiedener Religionen so vieles steht, was man als obszön ansehen könnte, sollte er darüber nachsinnen, dass die aufeinander folgenden Generationen sich davor fürchteten zu beseitigen, was ihre Ahnen als heilig hochgehalten hatten. Sehr vieles, was eine Generation vielleicht als obszön empfinden würde, haben frühere Generationen als einen Bestandteil ihrer gängigen Bräuche, ja sogar als allgemein gebilligte religiöse Rituale, betrachtet. Eine beträchtliche Anzahl religiöser Kontroversen ist durch die nie endenden Versuche entstanden, alte, aber verwerfliche Praktiken mit neuen Fortschritten der Vernunft aussöhnen zu wollen, glaubwürdige Theorien zu finden, um die andächtige Verewigung alter und überlebter Gepflogenheiten zu rechtfertigen. Aber es ist reine Torheit, eine zu plötzliche Beschleunigung des religiösen Wachstums versuchen zu wollen. Eine Rasse oder Nation kann von einer fortgeschrittenen Religion nur das assimilieren, was ihrem gegenwärtigen evolutionären Stand einigermaßen entspricht und sich mit ihm vereinbaren lässt, zusätzlich ihres Anpassungsvermögens. Gesellschaftliche, klimatische, politische und wirtschaftliche Bedingungen üben alle einen bestimmenden Einfluss auf den Lauf und Fortschritt der religiösen Entwicklung aus. Die Sittlichkeit einer Gesellschaft wird nicht durch die Religion, d. h. die evolutionäre Religion bestimmt; eher werden die Formen der Religion von der Sittlichkeit der Rasse diktiert. Die Menschenrassen akzeptieren eine fremde und neue Religion nur oberflächlich; tatsächlich passen sie sie ihren Sitten und alten Glaubensgewohnheiten an. Das zeigt sich schön am Beispiel eines gewissen neuseeländischen Stammes, dessen Priester, nachdem sie das Christentum dem Namen nach angenommen hatten, behaupteten, von Gabriel direkte Offenbarungen des Inhalts erhalten zu haben, dass dieser Stamm das auserwählte Volk Gottes geworden sei und ihm erlaubt sei, in aller Freiheit lockeren sexuellen Beziehungen und zahlreichen anderen seiner alten und tadelnswerten Sitten zu frönen. Und augenblicklich traten all die frischgebackenen Christen zu dieser neuen und weniger anspruchsvollen Version des Christentums über. Die Religion hat zu irgendeinem vergangenen Zeitpunkt alle möglichen widersprüchlichen und inkonsequenten Verhaltensweisen gebilligt, hat irgendwann einmal praktisch all das gutgeheißen, was jetzt als unmoralisch und sündhaft gilt. Sofern nicht Erfahrung das Gewissen lehrt und Vernunft ihm nicht hilft, ist es nie ein sicherer und unfehlbarer Lenker des menschlichen Verhaltens gewesen und kann es nie sein. Das Gewissen ist keine göttliche Stimme, die zu der menschlichen Seele spricht. Es ist nur die Summe des sittlichen und ethischen Inhalts der Sitten einer laufenden Existenzphase; es stellt nur gerade die vom Menschen erdachte ideale Reaktionsweise unter irgendwelchen gegebenen Umständen dar. ***** 92.3 Die Natur der evolutionären Religion ***** Das Studium menschlicher Religion ist die Untersuchung fossilienhaltiger gesellschaftlicher Schichten vergangener Zeitalter. Die Sitten der anthropomorphischen Götter sind eine wahrheitsgetreue Widerspiegelung der Sittlichkeit der Menschen, die zuerst solche Gottheiten ersonnen haben. Die alten Religionen und die Mythologie geben getreulich Glaubensvorstellungen und Brauchtum von Völkern wieder, die seit langem im Dunkel verschwunden sind. Diese alten Kultpraktiken überdauern neben neueren wirtschaftlichen Gepflogenheiten und gesellschaftlichen Entwicklungen und fallen dann natürlich völlig aus dem Rahmen. Die Kultüberreste liefern ein wahres Bild der rassischen Religionen der Vergangenheit. Vergesst nie, dass Kulte nicht entstehen, um die Wahrheit zu entdecken, sondern vielmehr, um ihre Kredos zu verbreiten. Religion ist immer weitgehend eine Angelegenheit von Riten, Ritualen, Observanzen, Zeremonien und Dogmen gewesen. Sie ist gewöhnlich mit jenem hartnäckigen, Unheil stiftenden Irrtum, mit der Illusion des auserwählten Volkes, behaftet gewesen. Die religiösen Grundideen von Beschwörung, Inspiration, Offenbarung, Gnädigstimmen, Buße, Sühne, Fürbitte, Opfer, Gebet, Beichte, Anbetung, Fortleben nach dem Tode, Sakrament, Ritual, Loskauf, Errettung, Erlösung, Bund, Unreinheit, Reinigung, Prophetie, Erbsünde - sie alle gehen zurück auf die frühen Zeiten uranfänglicher Furcht vor den Phantomen. Primitive Religion ist nichts anderes als der Kampf um die materielle Existenz, so erweitert, dass er auch die Existenz jenseits des Grabes einschließt. Die einem solchen Kredo entspringenden Bräuche bedeuteten das Übergreifen des Selbsterhaltungskampfes auf den Bereich einer imaginären Phantom- und Geisterwelt. Aber seid auf der Hut, wenn ihr versucht sein solltet, die evolutionäre Religion zu kritisieren. Vergegenwärtigt euch, dass all das stattgefunden hat; es ist eine historische Tatsache. Und ruft euch des Weiteren in Erinnerung, dass die Macht einer Idee nicht in ihrer Sicherheit oder Wahrheit liegt, sondern vielmehr in der Lebhaftigkeit ihrer auf die Menschen ausgeübten Anziehung. Evolutionäre Religion sieht keine Veränderungen oder Revisionen vor; im Gegensatz zur Wissenschaft trifft sie keine Vorkehrungen für ihre eigene fortlaufende Korrektur. Die aus der Evolution hervorgegangene Religion gebietet Respekt, weil ihre Anhänger glauben, dass sie Die Wahrheit ist; "der einst den Heiligen übergebene Glaube" muss der Theorie zufolge zugleich endgültig und unfehlbar sein. Der Kult widersetzt sich jeglicher Entwicklung, weil wirklicher Fortschritt ihn mit Sicherheit verändern oder zerstören würde; deshalb muss ihm eine Erneuerung stets aufgezwungen werden. Nur zwei Einflüsse vermögen die Dogmen der natürlichen Religion zu verändern und zu heben: der Druck der langsam fortschreitenden Sitten und die periodische Erleuchtung durch epochale Offenbarungen. Und es ist nicht verwunderlich, dass der Fortschritt langsam war; fortschrittlich oder erfinderisch zu sein, bedeutete in alter Zeit, als Hexer getötet zu werden. Der Kult schreitet nur langsam in Generationen umfassenden Epochen und ganze Zeitalter währenden Zyklen voran. Aber er bewegt sich tatsächlich vorwärts. Der evolutionäre Glaube an Phantome legte das Fundament zu einer Philosophie offenbarter Religion, die letzten Endes den Aberglauben, dem sie entsprungen war, zerstören wird. Die Religion hat die gesellschaftliche Entwicklung auf manche Weise behindert, aber ohne Religion hätte es weder dauerhafte Sittlichkeit noch Ethik, hätte es keine gültige Zivilisation gegeben. Die Religion war die Mutter vieler nichtreligiöser Kultur: die Skulptur entstand aus der Herstellung von Idolen, die Architektur aus dem Tempelbau, die Poesie aus den Beschwörungen, die Musik aus den Kultgesängen, das Drama aus den Bittspielen zur Führung durch die Geister und der Tanz aus den jahreszeitlichen Festlichkeiten der Anbetung. Aber bei allem Insistieren auf der Tatsache, dass die Religion für die Entwicklung und Erhaltung der Zivilisation unerlässlich war, sollte man doch daran erinnern, dass die natürliche Religion auch vieles getan hat, um dieselbe Zivilisation, die sie andererseits förderte und stützte, zu verkrüppeln und zu behindern. Die Religion hat die industriellen Aktivitäten und die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt; sie hat Arbeitskraft verschwendet und Kapital verschleudert; sie war der Familie nicht immer eine Hilfe; sie hat Frieden und guten Willen nicht angemessen gefördert; sie hat manchmal die Erziehung vernachlässigt und die Wissenschaft gehemmt; sie hat das Leben übermäßig verarmt zugunsten der angeblichen Bereicherung des Todes. Die evolutionäre Religion, die menschliche Religion, hat sich tatsächlich all dieser und vieler weiterer Fehler, Irrtümer und grober Versehen schuldig gemacht; dessen ungeachtet hat sie die kulturelle Ethik, zivilisierte Sittlichkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufrechterhalten und es der späteren, offenbarten Religion ermöglicht, diese vielen evolutionären Unzulänglichkeiten zu kompensieren. Die evolutionäre Religion ist des Menschen kostspieligste, aber eine unvergleichlich wirksame Institution gewesen. Die menschliche Religion kann nur im Lichte der evolutionären Zivilisation gerechtfertigt werden. Wäre der Mensch nicht das aufsteigende Produkt tierischer Evolution, dann gäbe es für einen derartigen Verlauf religiöser Entwicklung keine Rechtfertigung. Die Religion erleichterte die Anhäufung von Kapital; sie ermutigte bestimmte Arten von Arbeiten; die Muße der Priester förderte Kunst und Wissen; im Endresultat zog die Rasse großen Gewinn aus all diesen frühen Irrtümern in ethischer Technik. Die Schamanen, ob ehrlich oder unehrlich, kosteten schrecklich viel, aber sie waren den für sie bezahlten Preis wert. Die akademischen Berufe und die Wissenschaft selber gingen aus den parasitären Priesterschaften hervor. Die Religion nährte die Zivilisation und sorgte für die Kontinuität der Gesellschaft; sie ist die sittliche Polizeimacht aller Zeiten gewesen. Die Religion brachte jene menschliche Zucht und Selbstbeherrschung hervor, welche die Weisheit ermöglichte. Die Religion ist die wirksame Geißel der Evolution, die die indolente und leidende Menschheit unbarmherzig aus ihrer natürlichen Verfassung intellektueller Trägheit vorwärts und hinauf zu höheren Ebenen der Vernunft und Weisheit treibt. Und dieses heilige Erbe des Aufstiegs vom Tier, die evolutionäre Religion, muss immer fortfahren, sich zu verfeinern und zu veredeln unter der ständigen Zensur offenbarter Religion und in der Feuerglut wahrer Wissenschaft. ***** 92.4 Das Geschenk der Offenbarung ***** Offenbarung ist evolutionär, aber immer fortschrittlich. Durch alle Zeitalter der Geschichte einer Welt hindurch werden die Religionsoffenbarungen immer umfassender und erleuchtender. Es ist die Sendung der Offenbarung, die aufeinander folgenden evolutionären Religionen zu sichten und zu zensieren. Aber wenn Offenbarung die evolutionären Religionen heiligen und um eine Stufe anheben soll, dann müssen solch göttliche Visitationen Lehren verkörpern, die nicht zu weit vom Denken und von den Reaktionen des Zeitalters entfernt sind, in dem sie präsentiert werden. Offenbarung hat also immer mit der Evolution in Fühlung zu bleiben, und sie tut es auch. Immer muss offenbarte Religion sich durch das menschliche Aufnahmevermögen beschränken lassen. Aber ungeachtet offensichtlicher Verknüpfungen oder Herleitungen sind die Offenbarungsreligionen stets charakterisiert durch den Glauben an irgendeine Gottheit mit endgültigem Wert und an irgendein Konzept der nach dem Tode fortlebenden Persönlichkeitsidentität. Die evolutionäre Religion ist gefühlsbetont, nicht logisch. Sie ist die Reaktion des Menschen auf seinen Glauben an eine hypothetische Phantom- und Geisterwelt - der menschliche Glaubensreflex, der durch das Innewerden des Unbekannten und die Furcht vor ihm hervorgerufen wird. Die offenbarte Religion wird von der wirklichen geistigen Welt dargeboten; sie ist die Antwort des überintellektuellen Kosmos auf den menschlichen Hunger, an die universalen Gottheiten zu glauben und von ihnen abzuhängen. Die evolutionäre Religion ist Ausdruck der sich auf Umwegen vortastenden Menschheit auf der Suche nach Wahrheit; die Offenbarungsreligion ist diese Wahrheit selbst. Es hat viele religiöse Offenbarungen gegeben, aber nur fünf von ihnen haben epochale Bedeutung. Es waren dies: 1. Die dalamatianischen Lehren. Das wahre Konzept des Ersten Zentralen Ursprungs wurde auf Urantia zum ersten Mal von den hundert Mitgliedern des körperlichen Stabs von Fürst Caligastia verkündet. Diese wachsende Offenbarung der Gottheit dauerte über dreihunderttausend Jahre, bis sie durch den planetarischen Abfall und den Zusammenbruch des Unterrichtssystems zu einem jähen Ende kam. Von Vans Werk abgesehen war der Einfluss der dalamatianischen Offenbarung auf der ganzen Welt praktisch tot. Sogar die Noditen hatten diese Wahrheit bis zur Zeit von Adams Ankunft vergessen. Von all denen, die die Lehren der Hundert empfangen hatten, hielten die roten Menschen sie am längsten hoch, aber die Idee vom Großen Geist der Indianerreligion war nur noch ein verschwommenes Konzept, als der Kontakt mit dem Christentum es bedeutend klärte und verstärkte. 2. Die edenischen Lehren. Adam und Eva erklärten den evolutionären Völkern das Konzept des Vaters aller von neuem. Der Zusammenbruch des ersten Edens brachte die adamische Offenbarung zum Stillstand, noch bevor sie voll in Gang gekommen war. Aber die an ihrer Verbreitung verhinderten Lehren Adams wurden von den sethitischen Priestern weitergegeben, und einige dieser Wahrheiten sind der Welt nie ganz abhanden gekommen. Die ganze Richtung der religiösen Evolution der Levante ist durch die Lehren der Sethiter verändert worden. Aber um 2500 v. Chr. hatte die Menschheit die in den Tagen Edens gemachte Offenbarung weitgehend aus den Augen verloren. 3. Melchisedek von Salem. Dieser Nothelfersohn Nebadons eröffnete die dritte Wahrheitsoffenbarung auf Urantia. Die Hauptgebote seiner Unterweisung waren Vertrauen und Glauben. Er lehrte das Vertrauen in die allmächtige Wohltätigkeit Gottes und verkündete, dass der Mensch Gottes Gunst durch den Akt des Glaubens gewinne. Seine Lehren vermischten sich allmählich mit den Vorstellungen und Praktiken der verschiedenen evolutionären Religionen und entwickelten sich schließlich zu den theologischen Systemen, die auf Urantia zu Beginn des ersten nachchristlichen Millenniums vorhanden waren. 4. Jesus von Nazareth. Christus Michael bot Urantia zum vierten Mal das Konzept Gottes als des Universalen Vaters dar, und seine Lehre hat im Allgemeinen seit damals überdauert. Die Essenz seiner Lehre war Liebe und Dienst, eines Geschöpfessohnes freiwillige liebevolle Verehrung Gottes, seines Vaters, in Anerkennung und Beantwortung von dessen liebender Zuwendung; der Dienst, den solche Geschöpfessöhne ihren Brüdern aus freien Stücken und in der freudigen Erkenntnis erweisen, dass sie in diesem Dienst zugleich Gott dem Vater dienen. 5. Die Urantia-Schriften. Die Schriften, zu denen auch diese gehört, sind die jüngste Darlegung von Wahrheit an die Sterblichen Urantias. Diese Schriften unterscheiden sich von allen vorhergehenden Offenbarungen, denn sie sind nicht das Werk einer einzelnen Universumspersönlichkeit, sondern eine zusammengesetzte Darstellung, an der viele Wesen gearbeitet haben. Aber keine Offenbarung kann jemals vollständig sein, es sei denn, man hat den Universalen Vater erreicht. Alle anderen himmlischen Zuwendungen sind lediglich partiell, vorübergehend und lokalen Bedingungen von Zeit und Raum praktisch angepasst. Obwohl Eingeständnisse wie dieses vielleicht der unmittelbaren Kraft und Autorität aller Offenbarungen Abbruch tun, ist doch für Urantia jetzt die Zeit gekommen, da solch eine offene Sprache ratsam erscheint, auch auf das Risiko hin, den zukünftigen Einfluss und die Autorität dieser jüngsten Wahrheitsoffenbarung an die sterblichen Rassen Urantias zu schwächen. ***** 92.5 Die großen religiösen Führer ***** In der evolutionären Religion stellt man sich die Götter als den Menschen in Dasein und Gestalt ähnlich vor; in der offenbarten Religion werden die Menschen gelehrt, dass sie Gottes Söhne sind, ja dass sie dem endlichen Bild der Göttlichkeit nachgestaltet sind; in Glaubenssystemen, die eine Synthese darstellen, weil sie aus den Lehren der Offenbarung und den Produkten der Evolution zusammengesetzt sind, ist das Gotteskonzept eine Mischung aus: 1. Den zuvor existierenden Ideen der evolutionären Kulte. 2. Den sublimen Idealen offenbarter Religion. 3. Den persönlichen Anschauungen der großen religiösen Führer, Propheten und Lehrer der Menschheit. Die meisten großen religiösen Epochen sind durch das Leben und die Lehren irgendeiner überragenden Persönlichkeit eingeweiht worden; Führerschaft hat die Mehrzahl der nennenswerten sittlichen Bewegungen der Geschichte ausgelöst. Und die Menschen haben immer dazu geneigt, den Führer zu verehren, sogar auf Kosten seiner Lehren, und seine Persönlichkeit zu beweihräuchern, auch wenn sie dabei die Wahrheiten, die er verkündete, aus den Augen verloren. Und das geschah nicht ohne Grund; denn es gibt im Herzen des evolutionären Menschen eine instinktive Sehnsucht nach Hilfe von oben und aus dem Jenseits. Dieses Sehnen hat die Bestimmung, das Erscheinen des Planetarischen Fürsten und später des Materiellen Paares auf Erden herbeizurufen. Auf Urantia sind die Menschen dieser übermenschlichen Führer und Herrscher beraubt worden, und deshalb versuchen sie ständig, diesen Verlust wettzumachen, indem sie ihre menschlichen Führer mit Legenden umranken, die von ihrem übernatürlichen Ursprung und ihrer wunderbaren Laufbahn berichten. Viele Rassen haben sich vorgestellt, dass ihre Führer von Jungfrauen geboren wurden; sie übersäten ihren Lebensweg großzügig mit wunderbaren Episoden, und immer wird ihre Rückkehr von den jeweiligen Gruppen erwartet. In Zentralasien warten die Stammesleute immer noch auf die Wiederkehr von Dschingis Khan; in Tibet, China und Indien ist es Buddha; im Islam ist es Mohammed; bei den Indianern war es Hesunanin Onamonalonton; bei den Hebräern war es im Allgemeinen Adams Rückkehr als physischer Herrscher. In Babylon war der Gott Marduk ein Fortdauern der Adamslegende, die Sohn-Gottes-Idee, das Bindeglied zwischen Mensch und Gott. Nach dem Erscheinen Adams auf Erden waren die so genannten Söhne Gottes allen Rassen der Welt gemein. Aber ungeachtet der abergläubischen Ehrfurcht, mit der diese Lehrer oft umgeben wurden, bleibt die Tatsache bestehen, dass sie die zeitlichen persönlichen Stützpunkte für die Hebel der offenbarten Wahrheit waren, um Sittlichkeit, Philosophie und Religion der Menschheit voranzubringen. Es hat in der eine Million Jahre alten Geschichte Urantias von Onagar bis zu Guru Nanak Hunderte und Aberhunderte religiöser Lehrer gegeben. In diesem Zeitraum hat es in den Gezeiten religiöser Wahrheit und geistigen Glaubens manche Ebbe und Flut gegeben, und jede Renaissance der urantianischen Religion ist in der Vergangenheit mit dem Leben und der Lehre eines religiösen Führers identifiziert worden. Bei der Betrachtung der Lehrer der neueren Zeit erweist es sich wohl als hilfreich, sie nach den sieben religiösen Hauptepochen des postadamischen Urantia einzuteilen: 1. Die Sethitische Periode. Nach ihrer Erneuerung unter Führung von Amosad wurden die sethitischen Priester die großen postadamischen Lehrer. Sie wirkten in allen Ländern der Anditen, und ihr Einfluss hielt sich am längsten bei den Griechen, Sumerern und Hindus. Bei letzteren haben sie sich als die Brahmanen des Hinduglaubens bis in die Gegenwart fortgesetzt. Den Sethitern und ihren Nachfolgern ging das von Adam offenbarte Trinitätskonzept nie ganz verloren. 2. Die Ära der Missionare Melchisedeks. Die Religion Urantias wurde in nicht geringem Maße durch die Anstrengungen jener Lehrer regeneriert, die von Machiventa Melchisedek beauftragt wurden, als er fast zweitausend Jahre vor Christus in Salem lebte und lehrte. Diese Missionare verkündeten, dass Glaube der für die Gunst Gottes zu bezahlende Preis sei, und obwohl ihre Unterweisungen kein unmittelbares Erscheinen von Religionen zur Folge hatten, bildeten sie doch die Grundlage, auf der spätere Wahrheitslehrer die Religionen Urantias aufbauen sollten. 3. Die Nach-Melchisedek-Ära. Obwohl Amenope und Echnaton beide in dieser Periode lehrten, war der überragende religiöse Genius der Nach-Melchisedek-Ära der Führer einer levantinischen Beduinengruppe und Begründer der hebräischen Religion - Moses. Moses lehrte den Monotheismus. Er sagte: "Höre, oh Israel, der Herr unser Gott ist ein Gott." "Er, der Herr, ist Gott. Es gibt keinen neben ihm." Hartnäckig versuchte er, in seinem Volk die Reste des Phantomkults auszurotten, indem er sogar die Todesstrafe für jene, die ihn pflegten, anordnete. Der Monotheismus des Moses wurde von seinen Nachfolgern verwässert, aber in späterer Zeit kehrten sie zu vielen seiner Lehren zurück. Die Größe von Moses liegt in seiner Weisheit und in seinem Scharfsinn. Andere Menschen besaßen größere Gotteskonzepte, aber nie war ein einzelner Mensch darin so erfolgreich, Menschen in großer Zahl dazu zu bewegen, so fortschrittliche Glaubensvorstellungen anzunehmen. 4. Das sechste Jahrhundert vor Christus. Viele Wahrheitsverkünder erhoben sich in diesem Jahrhundert religiösen Erwachens, einem der größten dieser Art, die Urantia je erlebt hat. Unter diesen sollten Gautama, Konfuzius, Laotse, Zarathustra und die Dschainistischen Lehrer erwähnt werden. Die Lehren Gautamas haben in Asien weite Verbreitung gefunden, und er wird als Buddha von Millionen verehrt. Konfuzius war für die chinesische Sittlichkeit, was Plato für die griechische Philosophie war, und obwohl beider Lehren religiöse Auswirkungen hatten, war genau genommen weder der eine noch der andere ein religiöser Lehrer; Laotse erfasste im Tao mehr von Gott als Konfuzius in der Humanität oder Plato im Idealismus. Obwohl Zarathustra stark unter dem Einfluss des herrschenden Konzepts einer doppelten Geisterwelt, des Guten und des Bösen, stand, feierte er zugleich entschieden die Idee einer einzigen ewigen Gottheit und des letztendlichen Sieges des Lichtes über die Finsternis. 5. Das erste Jahrhundert nach Christus. Als religiöser Lehrer begann Jesus mit dem Kult, den Johannes der Täufer eingeführt hatte, und er entfernte sich, soweit er nur konnte, von Fasten und Formen. Von Jesus abgesehen waren Paulus von Tarsus und Philo von Alexandrien die größten Lehrer dieser Ära. Ihre religiösen Vorstellungen haben bei der Entwicklung des Glaubens, der den Namen von Christus trägt, eine beherrschende Rolle gespielt. 6. Das sechste Jahrhundert nach Christus. Mohammed gründete eine Religion, die vielen Kredos seiner Zeit überlegen war. Es war ein Protest gegen die sozialen Forderungen, die die fremden Religionen stellten, und gegen die Zusammenhangslosigkeit des religiösen Lebens seines eigenen Volkes. 7. Das fünfzehnte Jahrhundert nach Christus. Diese Periode wurde Zeuge von zwei religiösen Bewegungen: dem Zerbrechen der Einheit des Christentums im Abendland und der Synthese einer neuen Religion im Orient. In Europa hatte das institutionalisierte Christentum einen solchen Grad von Starrheit erreicht, dass sich weiteres Wachstum nicht mehr mit Einheit vereinbaren ließ. Im Orient fassten Nanak und seine Nachfolger die kombinierten Lehren von Islam, Hinduismus und Buddhismus in der Sikhreligion zusammen, einer der fortgeschrittensten Religionen Asiens. Die Zukunft Urantias wird ohne Zweifel durch das Auftreten von Lehrern religiöser Wahrheit gekennzeichnet sein - Lehrern der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft aller Geschöpfe. Aber man kann nur hoffen, dass die glühenden und ehrlichen Anstrengungen dieser künftigen Propheten sich weniger auf die Verstärkung der Barrieren zwischen den Religionen richten werden und mehr auf das Wachsen religiöser Bruderschaft in geistiger Anbetung unter den vielen Anhängern der verschiedenen intellektuellen Theologien, die für Urantia in Satania so bezeichnend sind. ***** 92.6 Die zusammengesetzten Religionen ***** Die Religionen Urantias des zwanzigsten Jahrhunderts sind ein interessantes Studienobjekt für die soziale Entwicklung des menschlichen Anbetungsimpulses. Manch ein Glaube hat seit den Tagen des Phantomkultes nur ganz geringe Fortschritte gemacht. Die Pygmäen Afrikas zeigen als Gemeinschaft keine religiösen Reaktionen, obwohl einzelne von ihnen schwach an eine Umgebung von Geistern glauben. Sie befinden sich heute genau dort, wo der primitive Mensch war, als die Evolution der Religion begann. Der grundlegende Glaube der primitiven Religion war das Fortleben nach dem Tode. Die Idee, einen persönlichen Gott anzubeten, verrät schon ein fortgeschrittenes Stadium der Evolution, ja sogar die erste Phase der Offenbarung. Die Dyaks haben nur die allerprimitivsten religiösen Praktiken entwickelt. Die relativ jungen Eskimos und Indianer hatten sehr dürftige Gottesvorstellungen; sie glaubten an Phantome und hatten nur eine sehr unbestimmte Idee von einem irgendwie gearteten Fortleben nach dem Tode. Die heutigen Eingeborenen Australiens kennen nur die Furcht vor Phantomen, das Entsetzen vor der Dunkelheit und eine rudimentäre Ahnenverehrung. Die Zulus sind gerade dabei, eine Religion der Phantomfurcht und des Opferns zu entwickeln. Viele vom Missionswerk der Christen und Mohammedaner unberührte afrikanische Stämme sind noch nicht über das Fetischstadium religiöser Evolution hinausgelangt. Aber einige Gruppen haben die Idee des Monotheismus lange hochgehalten, wie die Thrazier, die auch an die Unsterblichkeit glaubten. Auf Urantia schreiten evolutionäre und offenbarte Religion Seite an Seite fort, vermischen sich und verschmelzen zu den verschiedenartigen theologischen Systemen, die man auf der Welt zur Zeit der Abfassung dieser Schriften findet. Diese Religionen, Urantias Religionen des zwanzigsten Jahrhunderts, können wie folgt aufgezählt werden: 1. Hinduismus - die älteste. 2. Die hebräische Religion. 3. Buddhismus. 4. Die konfuzianischen Lehren. 5. Die taoistischen Glaubensvorstellungen. 6. Zoroastrismus. 7. Schintoismus. 8. Dschainismus. 9. Christentum. 10. Islam. 11. Sikhismus - die jüngste. Die fortgeschrittensten Religionen der alten Zeiten waren Judaismus und Hinduismus, und beide haben jeweils den Lauf der religiösen Entwicklung im Morgen- und Abendland gewaltig beeinflusst. Sowohl Hindus wie Hebräer glaubten, dass ihre eigene Religion inspiriert und offenbart sei, und dachten, dass alle anderen entartete Formen des einzigen wahren Glaubens seien. Indien ist unter Hindus, Sikhs, Mohammedanern und Dschainisten aufgeteilt, und jede dieser Religionen macht sich ihre eigenen Vorstellungen von Gott, Mensch und Universum. China folgt den taoistischen und konfuzianistischen Lehren; Schinto wird in Japan verehrt. Die großen internationalen, verschiedenen Rassen gemeinsamen Bekenntnisse sind die hebräische, buddhistische, christliche und islamische Religion. Der Buddhismus erstreckt sich von Ceylon und Burma über Tibet und China bis Japan. Er hat eine Anpassungsfähigkeit an die Sitten vieler Völker an den Tag gelegt, dem nur das Christentum gleichgekommen ist. Die hebräische Religion schließt den philosophischen Übergang vom Polytheismus zum Monotheismus in sich; sie ist ein evolutionäres Bindeglied zwischen den aus Evolution hervorgegangenen Religionen und den offenbarten Religionen. Die Hebräer waren das einzige westliche Volk, das seine frühen evolutionären Götter in gerader Linie bis zum Gott der Offenbarung weiterentwickelt hat. Aber diese kulminierende Wahrheit fand nie breite Annahme vor den Tagen Jesajas, der einmal mehr die Mischidee von einem mit einer rassischen Gottheit kombinierten Universalen Schöpfer lehrte: "Oh Herr der Heerscharen, Gott Israels, du bist Gott, und nur du allein; du hast Himmel und Erde erschaffen." Zu einer bestimmten Zeit ruhte die Hoffnung für das Überleben der westlichen Zivilisation auf den sublimen hebräischen Konzepten von Güte und auf den fortgeschrittenen hellenischen Konzepten von Schönheit. Die christliche Religion ist die Religion über Leben und Lehren Christi, basierend auf der Theologie des Judaismus, modifiziert durch die Einverleibung gewisser zoroastrischer Lehren und griechischer Philosophie, und in der Hauptsache formuliert durch drei Persönlichkeiten: Philo, Petrus und Paulus. Das Christentum hat seit der Zeit des Paulus viele Evolutionsphasen durchgemacht und ist so durch und durch verwestlicht worden, dass viele nichteuropäische Völker es ganz natürlich als eine seltsame Offenbarung eines seltsamen Gottes für Fremde empfinden. Der Islam ist das religiös-kulturelle Bindeglied zwischen Nordafrika, der Levante und Südostasien. Es war die jüdische Theologie in Verbindung mit den späteren christlichen Lehren, die den Islam monotheistisch machte. Die Jünger Mohammeds stolperten über die fortgeschrittenen Lehren der Trinität; sie konnten die Doktrin von drei göttlichen Persönlichkeiten und einer einzigen Gottheit nicht begreifen. Es ist immer schwierig, evolutionäre Gemüter dazuzubringen, fortgeschrittene offenbarte Wahrheit plötzlich anzunehmen. Der Mensch ist ein evolutionäres Geschöpf und muss seine Religion über evolutionäre Techniken erwerben. Die Ahnenverehrung stellte einst einen entschiedenen Fortschritt in der religiösen Evolution dar, aber es ist zugleich erstaunlich und bedauerlich, dass dieses primitive Konzept in China, Japan und Indien inmitten von vielem weiterlebt, was wie Buddhismus und Hinduismus im Vergleich dazu fortschrittlicher ist. Im Westen entwickelte sich der Ahnenkult zur Verehrung nationaler Götter und zur Hochachtung vor Helden der Rasse. Im zwanzigsten Jahrhundert erscheint diese heldenverehrende nationalistische Religion im Gewand der verschiedenen radikalen und nationalistischen Säkularismen, die für viele Rassen und Nationen des Westens charakteristisch sind. Viel von dieser Haltung findet sich auch in den großen Universitäten und bedeutenderen industriellen Gemeinschaften der englisch sprechenden Völker. Von diesen Konzepten nicht sehr verschieden ist die Idee, dass Religion nur "eine gemeinsame Suche nach rechtschaffenem Leben" ist. Die "nationalen Religionen" sind weiter nichts als eine Rückkehr zum einstigen römischen Kaiserkult und zu Schinto - Anbetung des Staates in der kaiserlichen Familie. ***** 92.7 Die weitere Evolution der Religion ***** Religion kann nie eine wissenschaftliche Tatsache werden. Philosophie kann allerdings auf einer wissenschaftlichen Grundlage ruhen, aber Religion wird immer entweder evolutionär oder geoffenbart oder aber, wie in der heutigen Welt, eine mögliche Kombination von beiden sein. Neue Religionen können nicht erfunden werden; sie sind entweder aus der Evolution hervorgegangen, oder sie werden plötzlich offenbart. Alle neuen evolutionären Religionen sind nur fortschreitender Ausdruck alter Glaubensvorstellungen, sind Neuanpassungen und Neuausrichtungen. Das Alte hört nicht auf zu existieren; es verschmilzt mit dem Neuen, gerade so wie der Sikhismus aus dem Boden und aus den Formen des Hinduismus, Buddhismus, Islams und anderer zeitgenössischer Kulte wuchs, Knospen trieb und blühte. Die primitive Religion war sehr demokratisch; die Wilden zögerten nicht zu entlehnen und zu leihen. Erst mit der offenbarten Religion erschien autokratische und unduldsame theologische Selbstüberhebung. Die vielen Religionen Urantias sind alle in dem Maße gut, wie sie den Menschen zu Gott führen und dem Menschen das Vaterbewusstsein bringen. Jede Gruppe von Gläubigen, die ihr eigenes Kredo als Die Wahrheit betrachtet, begeht einen Trugschluss; solche Haltungen zeugen eher von theologischer Arroganz als von sicherem Glauben. Es gibt keine einzige Religion Urantias, die nicht mit Vorteil das Beste der in jedem anderen Glauben enthaltenen Wahrheiten studieren und assimilieren würde, denn alle enthalten Wahrheit. Die Gläubigen täten besser daran, dem lebendigen geistigen Glauben ihrer Nachbarn das Beste zu entlehnen, als das Schlimmste in deren fortbestehendem Aberglauben und überlebten Ritualen anzuprangern. Die Entstehung all dieser Religionen ist das Ergebnis der verschiedenen intellektuellen Reaktionen der Menschen auf ihre identische geistige Führung. Die Religionen können nie hoffen, eine Uniformität der Kredos, Dogmen und Rituale zu erreichen - diese sind intellektueller Natur; aber sie können und werden eines Tages zu einer Einheit in der wahren Anbetung des Vaters aller gelangen, denn diese ist geistiger Natur, und es ist für immer wahr, dass im Geiste alle Menschen gleich sind. Die primitive Religion war weitgehend ein Bewusstsein materieller Werte, aber die Zivilisation erhöht die religiösen Werte, denn wahre Religion ist die Hingabe des Selbst an den Dienst bedeutungsvoller und höchster Werte. Mit sich entwickelnder Religion wird die Ethik zur Philosophie sittlichen Verhaltens, und Sittlichkeit wird zur Selbstdisziplin nach den Kriterien höchster Bedeutungen und Werte - göttlicher und geistiger Ideale. Und so wird die Religion zu einer spontanen und hohen Hingabe, zu der lebendigen Erfahrung unverbrüchlicher Liebe. Gradmesser für die Qualität einer religiösen Erfahrung sind: 1. Verlässlichkeits-Werte - Treueverhältnisse. 2. Tiefe der Bedeutungen - die Sensiblisierung des Einzelnen für die idealistische Würdigung dieser höchsten Werte. 3. Intensität der Hingabe - der Grad der Aufopferung für diese göttlichen Werte. 4. Der keine Hindernisse kennende Fortschritt der Persönlichkeit auf diesem kosmischen Pfad idealistischen geistigen Lebens, Verwirklichung der Sohnesbeziehung zu Gott und nimmer-endende fortschreitende Bürgerschaft im Universum. Das Kind wird sich der religiösen Bedeutungen stärker bewusst, wenn es seine Vorstellungen von Allmacht von seinen Eltern auf Gott überträgt. Und die ganze religiöse Erfahrung eines solchen Kindes ist weitgehend davon abhängig, ob die Eltern-Kind-Beziehung von Furcht oder Liebe geprägt war. Sklaven ist es immer sehr schwer gefallen, ihre Furcht vor dem Meister in Konzepte der Liebe zu Gott umzuwandeln. Zivilisation, Wissenschaft und fortgeschrittene Religionen müssen die Menschheit von jenen Ängsten befreien, die aus dem Grauen vor natürlichen Phänomenen hervorgegangen sind. Und so sollte eine größere Erleuchtung die gebildeten Sterblichen von aller Abhängigkeit von Vermittlern bei der Verbindung mit der Gottheit befreien. Die Zwischenstadien götzendienerischen Zögerns bei der Übertragung der Verehrung von der menschlichen und sichtbaren auf die göttliche und unsichtbare Ebene sind unvermeidlich, aber sie sollten abgekürzt werden durch das Bewusstsein vom erleichternden Wirken des innewohnenden göttlichen Geistes. Dennoch ist der Mensch nicht nur durch seine Gottheitskonzepte tief beeinflusst worden, sondern auch durch den Charakter der Helden, die er sich zu Vorbildern genommen hat. Es ist sehr bedauerlich, dass jene, die zur Verehrung des göttlichen und auferstandenen Christus gekommen sind, dabei den Menschen übersehen haben - den tapferen und mutigen Helden - Josua ben Joseph. Der moderne Mensch ist sich in angemessener Weise der Religion bewusst, aber seine Andachtsgewohnheiten sind wirr und durch den beschleunigten gesellschaftlichen Wandel und die nie dagewesenen wissenschaftlichen Entwicklungen in Misskredit geraten. Denkende Männer und Frauen wollen eine Neuformulierung der Religion, und diese Forderung wird die Religion zwingen, eine neue Selbstbeurteilung vorzunehmen. Der moderne Mensch ist vor die Aufgabe gestellt, im Verlauf einer einzigen Generation bei den menschlichen Werten mehr Neuanpassungen vorzunehmen, als in zweitausend Jahren geschehen sind. Und all das beeinflusst die gesellschaftliche Haltung gegenüber der Religion, denn Religion ist ebenso sehr eine Lebensweise als eine Technik des Denkens. Wahre Religion muss immer zugleich ewige Grundlage und Leitstern jeder dauerhaften Zivilisation sein. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 93 Machiventa Melchisedek ****** DE Melchisedeks sind überall als Nothelfersöhne bekannt, da sie sich auf den Welten eines Lokaluniversums einem erstaunlich breiten Fächer von Aktivitäten widmen. Wenn irgendein außergewöhnliches Problem entsteht, oder wenn etwas Unübliches versucht werden muss, ist es sehr oft ein Melchisedek, der die Aufgabe übernimmt. Die Fähigkeit der Melchisedek-Söhne, in Notsituationen und auf sehr verschiedenen Universumsebenen zu wirken - sogar auf der physischen Ebene der Persönlichkeitsmanifestation - ist eine Besonderheit ihrer Ordnung. Nur die Lebensbringer teilen mit ihnen bis zu einem gewissen Grade diese große Verwandlungsfähigkeit der Persönlichkeitsfunktion. Die Melchisedek-Sohnesordnung des Universums ist auf Urantia überaus aktiv gewesen. Ein Zwölferkorps diente in Zusammenarbeit mit den Lebensbringern. Die Melchisedeks eines späteren Zwölferkorps wurden kurz nach Caligastias Abfall Treuhänder für eure Welt und übten die Autorität bis zur Zeit von Adam und Eva aus. Dieselben zwölf Melchisedeks kehrten nach der Verfehlung von Adam und Eva nach Urantia zurück und wirkten hierauf als planetarische Treuhänder bis zu dem Tag, da Jesus von Nazareth als der Menschensohn nomineller Planetarischer Fürst Urantias wurde. ***** 93.1 Die Inkarnation Machiventas ***** Die offenbarte Wahrheit drohte während der auf den Fehlschlag der adamischen Sendung auf Urantia folgenden Millennien zu erlöschen. Obwohl die menschlichen Rassen intellektuell Fortschritte machten, verloren sie geistig immer mehr den Boden unter den Füßen. Bis um 3000 v. Chr. war das Gotteskonzept in den Gedanken der Menschen sehr verschwommen geworden. Die zwölf Melchisedek-Treuhänder wussten um Michaels bevorstehende Selbsthingabe auf ihrem Planeten, aber sie wussten nicht, wie bald diese stattfinden würde; deshalb kamen sie zu einer feierlichen Beratung zusammen und richteten ein Gesuch an die Allerhöchsten Edentias, damit etwas unternommen werde, um das Licht der Wahrheit auf Urantia am Leben zu erhalten. Die Bitte wurde mit der Begründung abgewiesen, dass "die Leitung der Angelegenheiten von Nummer 606 in Satania völlig in den Händen der Melchisedek-Vormunde liege". Darauf wandten sich die Treuhänder an den Melchisedek-Vater um Hilfe, erhielten aber nur den Bescheid, sie sollten weiterfahren, die Wahrheit nach ihrem eigenen Ermessen aufrechtzuerhalten "bis zu der Ankunft eines sich selbst hingebenden Sohnes", der "die planetarischen Titel aus Verwirkung und Ungewissheit retten werde". Und nachdem man sie so völlig auf ihre eigenen Mittel zurückverwiesen hatte, erklärte sich Machiventa Melchisedek, einer der zwölf planetarischen Treuhänder, bereit zu tun, was in der ganzen Geschichte Nebadons erst sechsmal unternommen worden war: sich auf der Erde vorübergehend als ein Mensch dieser Welt zu personifizieren, sich als Nothelfersohn im Dienste der Welt hinzugeben. Die Behörden Salvingtons gaben zu diesem Abenteuer die Erlaubnis, worauf die effektive Inkarnation von Machiventa Melchisedek in der Nähe des Ortes vorgenommen wurde, aus dem die Stadt Salem in Palästina werden sollte. Die ganze Durchführung der Materialisierung dieses Melchisedek-Sohnes geschah durch die planetarischen Treuhänder in Zusammenarbeit mit den Lebensbringern, gewissen physischen Hauptüberwachern und anderen auf Urantia ansässigen himmlischen Persönlichkeiten. ***** 93.2 Der Weise von Salem ***** Es war 1 973 Jahre vor Jesu Geburt, als Machiventa sich an die menschlichen Rassen Urantias hingab. Sein Kommen war ganz unauffällig; kein menschliches Auge wurde Zeuge seiner Materialisierung. Zum ersten Mal erblickte ein Sterblicher ihn an jenem denkwürdigen Tag, als er das Zelt Amdons, eines chaldäischen Hirten sumerischer Abstammung, betrat. Und die Ankündigung seiner Sendung war in der einfachen Erklärung enthalten, die er diesem Schäfer gegenüber abgab: "Ich bin Melchisedek, Priester El Elyons, des Allerhöchsten, des einen und einzigen Gottes." Nachdem sich der Hirte von seiner Bestürzung erholt und dem Fremden mit vielen Fragen zugesetzt hatte, bat er Melchisedek, mit ihm das Abendbrot zu teilen, und das war das erste Mal in seiner langen Universumslaufbahn, dass Machiventa materielle Speisen aß, die Nahrung, die ihn während seiner ganzen vierundneunzig als materielles Wesen zugebrachten Lebensjahre aufrecht erhalten sollte. Und als sie an jenem Abend unter den Sternen miteinander redeten, begann Melchisedek mit seiner Mission, der Offenbarung der Wahrheit von der Realität Gottes, als er sich Amdon mit einer weit ausladenden Armbewegung zuwandte und sagte: "El Elyon, der Allerhöchste, ist der göttliche Schöpfer der Sterne des Firmaments und sogar dieser Erde, auf der wir leben, und er ist auch der höchste Gott des Himmels." Innerhalb weniger Jahre hatte Melchisedek eine Gruppe von Schülern, Jüngern und Gläubigen um sich geschart, die den Kern der späteren Gemeinde von Salem bildeten. Man kannte ihn bald in ganz Palästina als den Priester El Elyons, des Allerhöchsten, und als den Weisen von Salem. Unter den Stämmen der Umgebung wurde er oft Scheich oder König von Salem genannt. Salem war der Ort, aus dem nach dem Verschwinden Melchisedeks die Stadt Jebus wurde und der in der Folge Jerusalem hieß. Seiner persönlichen Erscheinung nach glich Melchisedek den aus der Vermischung von Noditen und Sumerern hervorgegangenen Menschen von damals. Er war etwa 180 Zentimeter groß, und seine Gegenwart hatte etwas Gebieterisches. Er sprach Chaldäisch und ein halbes Dutzend anderer Sprachen. Er kleidete sich wie die Priester Kanaans, außer dass er auf seiner Brust ein Emblem mit drei konzentrischen Kreisen trug, das Symbol Satanias für die Trinität des Paradieses. Im Laufe seines Wirkens wurde dieses Abzeichen mit den drei konzentrischen Kreisen von seinen Anhängern als so heilig betrachtet, dass sie nie wagten, es zu gebrauchen, und es geriet nach wenigen Generationen in Vergessenheit. Obwohl Machiventa wie die Menschen der Welt lebte, heiratete er nie und hätte auf der Erde keine Nachkommen zurücklassen können. Während sein physischer Körper demjenigen eines männlichen Menschen glich, war er in Wirklichkeit von der Art jener eigens gebauten Körper, die von den hundert materialisierten Stabsmitgliedern des Fürsten Caligastia benutzt wurden, außer dass er kein Lebensplasma irgendeiner sterblichen Rasse enthielt. Ebenso wenig war auf Urantia ein Baum des Lebens vorhanden. Wäre Machiventa während langer Zeit auf der Erde geblieben, hätte sich der Zustand seines physischen Apparates allmählich verschlechtert; aber unter den gegebenen Umständen schloss er seine Selbsthingabemission lange vor einem beginnenden Zerfall seines materiellen Körpers nach vierundneunzig Jahren ab. Der inkarnierte Melchisedek erhielt einen Gedankenjustierer, der seine übermenschliche Persönlichkeit als Führer in der Zeit und irdischer Mentor bewohnte und dadurch jene Erfahrung und praktische Einführung in die Probleme Urantias gewann, die diesen Geist des Vaters befähigten, so mutig im menschlichen Verstand des späteren Gottessohnes Michael zu wirken, als dieser in Menschengestalt auf Erden erschien. Und er ist der einzige Gedankenjustierer, der je auf Urantia in zwei verschiedenen Verstandeswesen wirkte, aber beider Verstand war sowohl göttlich als auch menschlich. Während seiner Inkarnation in Menschengestalt blieb Machiventa in vollem Kontakt mit seinen elf Gefährten vom Korps der planetarischen Vormunde, aber er konnte mit keinen anderen Ordnungen himmlischer Persönlichkeiten kommunizieren. Abgesehen von den Melchisedek-Treuhändern hatte er nicht mehr Kontakt mit übermenschlichen Intelligenzen als jedes andere gewöhnliche Menschenwesen. ***** 93.3 Die Lehren Melchisedeks ***** Im Laufe eines Jahrzehnts organisierte Melchisedek in Salem seine Schulen, wobei er sich auf das Vorbild des alten Systems stützte, das von den frühen sethitischen Priestern des zweiten Edens entwickelt worden war. Selbst die Idee des auf der Bezahlung des Zehnten beruhenden Systems, das durch den später bekehrten Abraham eingeführt wurde, entstammte den noch vorhandenen überlieferten Methoden der alten Sethiten. Melchisedek lehrte die Vorstellung von dem einen Gott, einer universalen Gottheit, aber er erlaubte den Menschen, diese Lehre mit dem Vater der Konstellation von Norlatiadek zu verbinden, dem er den Namen El Elyon - der Allerhöchste - gab. Melchisedek schwieg sich über die Stellung Luzifers und den Stand der Dinge auf Jerusem praktisch aus. Lanaforge, der Souverän des Systems, hatte bis zum Abschluss der Selbsthingabe Michaels wenig mit Urantia zu tun. Für die Mehrheit der Studenten Salems war Edentia der Himmel, und der Allerhöchste war Gott. Das Symbol der drei konzentrischen Kreise, das Melchisedek als Emblem seiner Selbsthingabe gewählt hatte, deuteten die meisten Menschen als Sinnbild für die drei Reiche der Menschen, der Engel und Gottes. Und man ließ sie in diesem Glauben; nur sehr wenige seiner Anhänger erfuhren jemals, dass die drei Kreise bedeuteten: Unendlichkeit, Ewigkeit und Universalität der Paradies-Trinität göttlicher Stützung und Lenkung; sogar Abraham dachte, dieses Symbol stehe eher für die drei Allerhöchsten Edentias, da er gelehrt worden war, dass die drei Allerhöchsten wie ein einziger funktionierten. Soweit Melchisedek das durch dieses Emblem symbolisierte Trinitätskonzept lehrte, brachte er es gewöhnlich mit den drei Vorondadek-Lenkern der Konstellation von Norlatiadek in Verbindung. Er unternahm keine Anstrengungen, um seinen einfachen Anhängern Lehren vorzulegen, die über die Tatsache der Herrschaft der Allerhöchsten Edentias - der Götter Urantias - hinausgingen. Aber einige wenige lehrte Melchisedek fortgeschrittene Wahrheit, welche auch Führung und Organisation des Lokaluniversums in sich schloss, während er seinen glänzenden Schüler Nordan den Keniten und seine Gruppe ernster Studenten die Wahrheiten des Superuniversums und sogar Havonas lehrte. Die Mitglieder der Familie Katros, bei dem Melchisedek über dreißig Jahre lang lebte, kannten viele dieser höheren Wahrheiten und gaben sie innerhalb ihrer Familie weiter, sogar bis auf die Tage ihres illustren Nachfahren Moses, der damit über eine starke Tradition aus der Zeit Melchisedeks verfügte, welche von dieser seiner Vaterseite auf ihn gekommen war, und ebenfalls aus anderen Quellen mütterlicherseits. Melchisedek lehrte seine Schüler alles, was sie zu empfangen und assimilieren in der Lage waren. Sogar viele moderne religiöse Ideen über Himmel und Erde, Mensch, Gott und die Engel sind nicht weit von diesen Lehren Melchisedeks entfernt. Aber dieser große Lehrer ordnete alles der Doktrin eines einzigen Gottes unter, einer Universumsgottheit, eines himmlischen Schöpfers, eines göttlichen Vaters. Das Schwergewicht wurde auf diese Lehre gelegt, um die Anbetung der Menschen wachzurufen und den Weg für das spätere Erscheinen Michaels als eines Sohnes ebendesselben Universalen Vaters zu bereiten. Melchisedek lehrte, dass irgendwann in der Zukunft ein anderer Gottessohn in Menschengestalt kommen werde, wie er selber gekommen war, aber dass er von einer Frau geboren werde; und das war der Grund, weshalb zahlreiche spätere Lehrer die Meinung vertraten, Jesus sei ein Priester oder Geistlicher "für ewig nach der Ordnung Melchisedeks". Und so ebnete Melchisedek den Weg und schuf den monotheistischen Hintergrund allgemeiner Welttendenz für die Selbsthingabe eines wirklichen Paradies-Sohnes dieses einen Gottes, den er so lebendig als den Vater aller schilderte und von dem er zu Abraham als von einem Gott sprach, der die Menschen bloß aufgrund ihres persönlichen Glaubens annahm. Und als Michael auf Erden erschien, bestätigte er alles, was Melchisedek über den Paradies-Vater gelehrt hatte. ***** 93.4 Die Religion von Salem ***** Die Gottesdienstzeremonien Salems waren sehr einfach. Jede Person, die sich mit ihrer Unterschrift oder mit einem Zeichen in die aus Tontafeln bestehenden Namenslisten eintrug, lernte die folgenden Glaubenssätze auswendig und erklärte sich mit ihnen einverstanden: 1. Ich glaube an El Elyon, den Allerhöchsten Gott, den einzigen Universalen Vater und Schöpfer aller Dinge. 2. Ich nehme den Bund Melchisedeks mit dem Allerhöchsten an, der seinen Gefallen an meinem Glauben und nicht an Opfern und verbrannten Gaben hat. 3. Ich gelobe, den sieben Geboten Melchisedeks zu gehorchen und allen Menschen die gute Nachricht von diesem Bund mit dem Allerhöchsten mitzuteilen. Und das war das ganze Kredo der Kolonie von Salem. Aber sogar ein so kurzes und einfaches Glaubensbekenntnis war für die Menschen jener Tage eindeutig zu viel und zu fortgeschritten. Sie konnten ganz einfach die Idee, göttliche Gunst umsonst - nur durch den Glauben - zu empfangen, nicht fassen. Zu tief saß ihr Glaube, der Mensch sei in der Schuld der Götter geboren. Zu lange und mit zu großem Ernst hatten sie geopfert und den Priestern Geschenke dargebracht, als dass sie die gute Nachricht hätten begreifen können, Errettung, göttliche Gunst werde all jenen als unentgeltliches Geschenk zuteil, die an den Bund Melchisedeks glauben wollten. Aber Abraham glaubte tatsächlich halben Herzens, und sogar das wurde ihm "als Rechtschaffenheit angerechnet". Die sieben von Melchisedek verkündeten Gebote folgten dem Muster des alten höchsten Gesetzes von Dalamatia und glichen sehr stark den sieben Geboten, die im ersten und zweiten Eden gelehrt wurden. Und diese waren die Gebote der Religion von Salem: 1. Du sollst keinem Gott dienen außer dem Allerhöchsten Schöpfer von Himmel und Erde. 2. Du sollst nicht daran zweifeln, dass der Glaube das Einzige ist, was es für das ewige Heil braucht. 3. Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen. 4. Du sollst nicht töten. 5. Du sollst nicht stehlen. 6. Du sollst nicht ehebrechen. 7. Du sollst deine Eltern und die Älteren nicht respektlos behandeln. In der Kolonie waren zwar keine Opfer erlaubt, aber Melchisedek wusste sehr wohl, wie schwierig es ist, tiefeingewurzelte Sitten plötzlich auszurotten, und so hatte er diesen Menschen als Ersatz für das ältere Opfer aus Fleisch und Blut ein Sakrament aus Brot und Wein gegeben. Es steht geschrieben: "Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus." Aber auch diese vorsichtige Neuerung war nicht sehr erfolgreich; die verschiedenen Stämme unterhielten in der nahen Umgebung Salems Hilfszentren, wo sie Opfer darbrachten und Gaben verbrannten. Sogar Abraham wandte diese barbarische Sitte nach seinem Sieg über Kedor-Laomer an; er fühlte sich einfach nicht ganz wohl, solange er kein konventionelles Opfer dargebracht hatte. Und es gelang Melchisedek nie, diese Neigung zu Opfern aus den religiösen Praktiken seiner Anhänger und selbst Abrahams zu entfernen. Wie Jesus hielt sich Melchisedek strikt an die Erfüllung seiner Sendung der Selbsthingabe. Er versuchte nicht, die Sitten zu reformieren, die Gewohnheiten der Welt zu verändern und ebenso wenig, fortgeschrittene sanitäre Praktiken oder wissenschaftliche Wahrheiten zu verbreiten. Er kam, um zwei Aufgaben zu erfüllen: auf der Erde die Wahrheit des alleinigen Gottes lebendig zu erhalten und den Weg für die spätere irdische Selbsthingabe eines Paradies-Sohnes dieses Universalen Vaters zu ebnen. Vierundneunzig Jahre lang lehrte Melchisedek in Salem elementare offenbarte Wahrheit, und im Laufe dieser Zeit besuchte Abraham die Schule von Salem zu drei verschiedenen Malen. Er bekannte sich schließlich zu den Lehren Salems und wurde einer der glänzendsten Schüler und eine der hauptsächlichsten Stützen Melchisedeks. ***** 93.5 Die Wahl Abrahams ***** Obgleich man wohl einen Irrtum begeht, von einem "auserwählten Volk" zu sprechen, ist es kein Fehler, Abraham als einen auserwählten Einzelnen zu bezeichnen. Tatsächlich lud Melchisedek Abraham die Verantwortung auf, die Wahrheit eines einzigen Gottes im Gegensatz zu dem herrschenden Glauben an mehrfache Gottheiten lebendig zu erhalten. Die Wahl Palästinas als Ort des Wirkens Melchisedeks gründete zum Teil auf dem Wunsch, mit einer menschlichen Familie Kontakt aufzunehmen, die über ein Führerpotential verfügte. Zu der Zeit der Inkarnation Melchisedeks gab es auf Erden viele Familien, die ebenso gute Voraussetzungen zum Empfang der Doktrin von Salem besaßen wie diejenige Abrahams. Es gab ebenso begabte Familien unter den roten und den gelben Menschen und unter den Nachkommen der Anditen im Westen und im Norden. Aber keines dieser Gebiete war für Michaels späteres Erscheinen auf Erden so günstig gelegen wie die Ostküste des Mittelmeers. Melchisedeks Sendung in Palästina und Michaels späteres Erscheinen unter dem hebräischen Volk wurden in nicht geringem Maße durch die Geographie bestimmt, durch die Tatsache der zentralen Lage Palästinas in Handel, Reiseverkehr und Zivilisation der damaligen Welt. Seit geraumer Zeit hatten die Melchisedek-Treuhänder die Vorfahren Abrahams beobachtet, und vertrauensvoll erwarteten sie in einer bestimmten Generation Nachkommen, die sich durch Intelligenz, Initiative, Scharfsinn und Ehrlichkeit auszeichnen würden. Die Kinder Terahs, des Vaters Abrahams, erfüllten diese Erwartungen in jeder Hinsicht. Die Möglichkeit eines Kontaktes mit den vielseitig begabten Kindern Terahs war ein gewichtiger Grund für das Erscheinen Machiventas zu Salem anstatt in Ägypten, China, Indien oder unter den nördlichen Stämmen. Terah und seine ganze Familie bekehrten sich halbherzig zu der Religion von Salem, die in Chaldäa gepredigt worden war; sie hörten von Melchisedek durch die Predigt Ovids, eines phönizischen Lehrers, der die Lehren von Salem in Ur verkündete. Sie verließen Ur in der Absicht, sich direkt nach Salem zu begeben, aber Nahor, Abrahams Bruder, der Melchisedek nie gesehen hatte, zeigte wenig Eifer und überzeugte sie, in Haran zu verweilen. Und nachdem sie in Palästina angelangt waren, dauerte es noch lange, bevor sie gewillt waren, alle Götter, die sie mit sich gebracht hatten, zu zerstören; nur sehr langsam gaben sie die vielen Götter Mesopotamiens für den einen Gott von Salem auf. Wenige Wochen nach Terahs, Abrahams Vaters, Tod schickte Melchisedek einen seiner Studenten, Jaram den Hethiter, mit folgender Einladung zu Abraham und Nahor: "Kommt nach Salem, wo ihr unsere Lehren über die Wahrheit des ewigen Schöpfers vernehmen werdet, und in den erleuchteten Nachkommen von euch zwei Brüdern soll die ganze Welt gesegnet sein." Nun verhielt es sich so, dass Nahor das Evangelium Melchisedeks nicht ganz angenommen hatte; er blieb zurück und baute einen starken Stadtstaat auf, der seinen Namen trug; aber Lot, Abrahams Neffe, beschloss, mit seinem Onkel nach Salem zu ziehen. Nach ihrer Ankunft in Salem wählten Abraham und Lot eine nahe der Stadt gelegene Hügelfestung zu ihrem Aufenthaltsort, wo sie sich gegen die vielen überraschenden Einfälle von Angreifern aus dem Norden verteidigen konnten. Zu dieser Zeit fielen Hethiter, Assyrer, Philister und andere Gruppen ständig über die Stämme Zentral- und Südpalästinas her. Von ihrer Festung auf der Anhöhe aus unternahmen Abraham und Lot häufige Pilgergänge nach Salem. Nicht lange nachdem sie sich bei Salem niedergelassen hatten, reisten Abraham und Lot ins Niltal, um sich Lebensmittel zu beschaffen, da damals in Palästina eine Dürre herrschte. Während dieses kurzen Aufenthaltes in Ägypten fand Abraham auf dessen Thron einen entfernten Verwandten, und er diente diesem König als Befehlshaber in zwei sehr erfolgreichen Militärexpeditionen. Während des letzten Teils seines Aufenthaltes am Nil lebten er und seine Frau Sarah am Hof, und als er Ägypten verließ, erhielt er als Geschenk einen Teil der Kriegsbeute seiner Feldzüge. Es kostete Abraham große Selbstüberwindung, auf die Ehren des ägyptischen Hofes zu verzichten und zu dem geistigeren Werk zurückzukehren, dem Melchisedek vorstand. Aber Melchisedek wurde sogar in Ägypten verehrt, und als man dem Pharao die ganze Geschichte darlegte, drang er in Abraham, doch zurückzukehren und an die Ausführung seiner gegenüber der Sache Salems gemachten Versprechen zu gehen. Abraham hatte königliche Ambitionen, und auf seinem Rückweg aus Ägypten unterbreitete er Lot seinen Plan, ganz Kanaan zu unterwerfen und seine Bewohner unter die Herrschaft von Salem zu bringen. Lots Neigungen waren eher geschäftlicher Natur; so begab er sich nach einer anschließenden Meinungsverschiedenheit nach Sodom, um sich mit Handel und Viehwirtschaft zu befassen. Lot liebte weder das Kriegshandwerk noch das Hirtenleben. Nachdem Abraham mit seiner Familie nach Salem zurückgekehrt war, begann er, seine Militärprojekte voranzutreiben. Er wurde bald als ziviler Gebieter über die Gegend von Salem anerkannt, und in Kürze hatte er sieben nahe Stämme unter seiner Führung zu einem Bund zusammengeschlossen. Nur mit größter Mühe konnte Melchisedek Abraham zurückhalten, der mit Feuereifer ausziehen wollte, die Nachbarstämme durch das Schwert zusammenzutreiben, damit sie die Wahrheiten Salems umso rascher kennenlernten. Melchisedek unterhielt zu allen Stämmen der Umgebung friedliche Beziehungen; er war nicht militaristisch gesinnt und wurde nie von einer der sich vor- und rückwärts bewegenden Armeen angegriffen. Er war durchaus damit einverstanden, dass Abraham für Salem eine Verteidigungspolitik ersann, wie sie dann später auch in Kraft trat, aber die ehrgeizigen Eroberungspläne seines Schülers billigte er nicht; so gingen denn ihre Beziehungen im Frieden zu Ende, und Abraham zog nach Hebron, um dort seinen militärischen Hauptsitz zu errichten. Wegen seiner engen Beziehung zu dem berühmten Melchisedek besaß Abraham einen großen Vorteil über die kleinen Könige der Umgebung; alle verehrten Melchisedek und fürchteten sich übermäßig vor Abraham. Abraham wusste um diese Furcht und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um seine Nachbarn anzugreifen, und dieser Vorwand fand sich, als sich einige dieser Herrscher anmaßten, in das Grundstück seines Neffen Lot, der in Sodom wohnte, einzufallen. Als er davon erfuhr, zog Abraham an der Spitze seiner sieben konföderierten Stämme gegen den Feind los. Seine eigene dreihundertachtzehnköpfige Leibgarde befehligte die mehr als viertausend Mann starke Armee, die nun zum Angriff überging. Als Melchisedek von Abrahams Kriegserklärung hörte, machte er sich auf, um ihn davon abzuhalten. Aber er holte seinen ehemaligen Schüler erst ein, als dieser siegreich von der Schlacht zurückkehrte. Abraham pochte darauf, dass der Gott von Salem ihm den Sieg über seine Feinde gegeben habe, und bestand darauf, dem Schatzhaus Salems ein Zehntel seiner Beute zu schenken. Die übrigen neunzig Prozent überführte er an seinen Hauptsitz in Hebron. Nach dieser Schlacht bei Siddim wurde Abraham der Führer einer zweiten Konföderation von elf Stämmen, und er begnügte sich nicht damit, Melchisedek den Zehnten zu bezahlen, sondern sah zu, dass auch alle anderen in der Nachbarschaft desgleichen taten. Sein diplomatisches Verhalten gegenüber dem König von Sodom zusammen mit der Furcht, die er so allgemein einflößte, hatten zum Ergebnis, dass der König von Sodom und andere der militärischen Konföderation von Hebron beitraten; Abraham war wirklich auf dem besten Weg, in Palästina einen mächtigen Staat zu errichten. ***** 93.6 Melchisedeks Bund mit Abraham ***** Abraham beabsichtigte die Eroberung ganz Kanaans. Seine Entschlossenheit wurde nur durch die Tatsache geschwächt, dass Melchisedek den Plan nicht gutheißen wollte. Aber Abraham hatte sich so gut wie entschlossen, sich in das Unternehmen zu stürzen, als der Gedanke, dass er keinen Sohn hatte, der seine Nachfolge als Herrscher über das ins Auge gefasste Königreich hätte antreten können, ihn zu beunruhigen begann. Er vereinbarte eine weitere Unterredung mit Melchisedek; und im Verlauf dieser Aussprache überzeugte der Priester von Salem, der sichtbare Sohn Gottes, Abraham davon, seinen Plan einer materiellen Eroberung und zeitlichen Herrschaft zugunsten des geistigen Konzepts des himmlischen Königreichs fallen zu lassen. Melchisedek setzte Abraham die Sinnlosigkeit eines Krieges gegen die Konföderation der Amoriter auseinander, aber er machte ihm ebenfalls klar, dass diese rückständigen Klane wegen ihrer unsinnigen Praktiken mit Sicherheit Selbstmord begehen würden, so dass sie nach einigen Generationen derart geschwächt sein würden, dass die inzwischen bedeutend zahlreicheren Nachkommen Abrahams sie mit Leichtigkeit überwältigen würden. Und Melchisedek schloss mit Abraham in Salem in aller Form einen Bund. Er sagte zu Abraham: "Schau nun zum Himmel hinauf und zähle die Sterne, wenn du kannst; so zahlreich soll dein Same sein." Und Abraham glaubte Melchisedek, "und es wurde ihm als Rechtschaffenheit angerechnet". Und dann erzählte Melchisedek Abraham die Geschichte von der zukünftigen Besetzung Kanaans durch seine Nachkommen nach ihrem Aufenthalt in Ägypten. Der Bund Melchisedeks mit Abraham stellt das große urantianische Abkommen zwischen Göttlichkeit und Menschheit dar, wobei Gott sich bereit erklärt, alles zu tun; der Mensch erklärt sich nur bereit, an Gottes Versprechen zu glauben und seine Anweisungen zu befolgen. Zuvor hatte man geglaubt, Errettung sei nur durch Werke - Opfer und Gaben - zu haben; jetzt brachte Melchisedek Urantia wiederum die gute Nachricht, dass Errettung, Gottes Gunst, durch Glauben erlangt werden kann. Aber dieses Evangelium vom einfachen Glauben an Gott war zu fortgeschritten; die semitischen Stammesangehörigen zogen es danach wieder vor, zu den älteren Opfern und zur Sühne für Sünde durch Blutvergießen zurückzukehren. Es dauerte nach dem Schluss dieses Bundes nicht lange, bis Isaak, der Sohn Abrahams, gemäß dem Versprechen Melchisedeks geboren wurde. Nach Isaaks Geburt wurde Abrahams Haltung gegenüber seinem Bund mit Melchisedek sehr feierlich, und er ging nach Salem, um ihn schriftlich festzuhalten. Und während dieser öffentlichen und förmlichen Annahme des Bundes änderte er seinen Namen von Abram in Abraham. Die meisten Gläubigen Salems hatten die Beschneidung praktiziert, obwohl Melchisedek diese nie für obligatorisch erklärt hatte. Abraham, der sich der Beschneidung immer widersetzt hatte, entschied nun bei dieser Gelegenheit, dem Ereignis dadurch Feierlichkeit zu verleihen, dass er diesen Ritus als Zeichen der Besiegelung des Bundes von Salem übernahm. Nach diesem tatsächlichen, öffentlichen Verzicht auf seine persönlichen Ambitionen zugunsten der weiter gesteckten Ziele Melchisedeks geschah es, dass ihm die drei himmlischen Wesen in der Ebene von Mamre erschienen. Dies war eine wirkliche Erscheinung trotz ihrer Verknüpfung mit den später frei erfundenen Erzählungen, die sich auf die natürliche Zerstörung von Sodom und Gomorrha bezogen. Die Legenden über die Vorgänge jener Tage lassen erkennen, wie rückständig Sittlichkeit und Ethik in einer so jungen Vergangenheit noch waren. Nachdem der feierliche Bund geschlossen war, war die Versöhnung zwischen Melchisedek und Abraham vollständig. Abraham übernahm wieder die zivile und militärische Führung der Kolonie von Salem, die auf ihrem Höhepunkt mehr als einhunderttausend regelmäßige, im Verzeichnis der Melchisedek-Bruderschaft eingetragene Entrichter des Zehnten zählte. Abraham verbesserte den Tempel Salems bedeutend und besorgte für die gesamte Schule neue Zelte. Er dehnte nicht nur das System des Zehnten aus, sondern führte auch viele verbesserte Methoden zur Führung des Schulbetriebs ein. Daneben trug er viel zu einer besseren Handhabung des Bereichs der missionarischen Propaganda bei. Er unternahm auch vieles zur Verbesserung der Herden und zur Neuorganisierung der die Milchwirtschaft betreffenden Projekte Salems. Abraham war ein scharfsinniger und effizienter Geschäftsmann, ein für seine Zeit reicher Mann; er war nicht allzu fromm, aber er war grundehrlich, und er glaubte wirklich an Machiventa Melchisedek. ***** 93.7 Die Missionare Melchisedeks ***** Melchisedek fuhr noch einige Jahre fort, seine Studenten auszubilden und die Missionare Salems zu schulen, die sich danach zu allen Stämmen der Umgebung begaben, insbesondere nach Ägypten, Mesopotamien und Kleinasien. Und während Jahrzehnt um Jahrzehnt verging, entfernten sich diese Lehrer auf ihren Reisen immer weiter von Salem und trugen Machiventas Evangelium des Glaubens und Vertrauens in Gott mit sich hinaus. Die Nachfahren Adamsons, die in Siedlungen an den Ufern des Vansees lebten, hörten den hethitischen Lehrern des Salemkultes willig zu. Von diesem einstigen anditischen Zentrum aus wurden Lehrer in die entlegensten Gegenden Europas und Asiens entsandt. Missionare aus Salem drangen überall in Europa ein und stießen bis zu den Britischen Inseln vor. Eine Gruppe gelangte über die Färöer bis zu den Andoniten Islands, während eine andere China durchquerte und die Japaner auf den östlichen Inseln erreichte. Leben und Erfahrungen der Männer und Frauen, die von Salem, Mesopotamien und vom Vansee aus zum Abenteuer aufbrachen, um den Stämmen der östlichen Hemisphäre das Licht zu bringen, sind ein heroisches Kapitel in den Annalen der menschlichen Rasse. Aber die Aufgabe war so groß und die Stämme waren so rückständig, dass die Resultate fraglich und unbestimmt waren. Von einer Generation zur anderen fand das Evangelium da und dort Aufnahme, aber außer in Palästina vermochte die Idee von einem einzigen Gott nie einen ganzen Stamm oder eine ganze Rasse dauerhaft für sich zu gewinnen. Lange vor Jesu Kommen waren die Lehren der Missionare von Salem im Allgemeinen in den älteren und weiter verbreiteten abergläubischen Vorstellungen untergegangen. Das ursprüngliche Evangelium Melchisedeks war fast völlig im Glauben an die Große Mutter und an die Sonne und in anderen alten Kulten aufgegangen. Ihr Heutigen, die ihr euch der Vorteile der Druckkunst erfreut, könnt euch kaum vorstellen, wie schwierig es in jenen frühen Zeiten war, die Wahrheit weiterzugeben; wie leicht es war, eine neue Lehre von einer Generation zur nächsten aus den Augen zu verlieren. Eine neue Lehre neigte immer dazu, in der älteren Anhäufung von religiösen Lehren und magischer Praxis aufzugehen. Eine neue Offenbarung wird immer durch die älteren evolutionären Glaubensinhalte infiziert. ***** 93.8 Melchisedeks Weggang ***** Kurz nach der Zerstörung von Sodom und Gomorrha beschloss Machiventa, seine Not-Hingabe auf Urantia zu beenden. Melchisedeks Entscheidung, seinen irdischen Aufenthalt abzubrechen, wurde durch zahlreiche Umstände beeinflusst, von denen der hauptsächlichste die wachsende Neigung der benachbarten Stämme und selbst seiner unmittelbaren Mitarbeiter war, ihn als einen Halbgott zu betrachten, auf ihn als ein übernatürliches Wesen zu blicken, das er ja auch war; aber sie begannen, ihn über Gebühr und mit einer höchst abergläubischen Furcht zu verehren. Zu diesen Gründen kam, dass Melchisedek den Schauplatz seiner irdischen Aktivitäten lange genug vor Abrahams Tod verlassen wollte, um sicherzustellen, dass sich die Wahrheit des einen und einzigen Gottes in den Gemütern seiner Gefolgsleute fest verankern konnte. Also zog sich Machiventa eines Abends in sein Zelt zurück, nachdem er seinen Gefährten gute Nacht gesagt hatte, und als sie ihn am Morgen wecken kamen, war er nicht mehr da, denn die Seinen hatten ihn weggenommen. ***** 93.9 Nach Melchisedeks Weggang ***** Das plötzliche Verschwinden Melchisedeks war für Abraham eine große Prüfung. Obwohl Machiventa seine Anhänger sehr deutlich vorgewarnt hatte, dass er eines Tages werde gehen müssen, wie er gekommen sei, kamen sie über den Verlust ihres wunderbaren Führers nicht hinweg. Die große in Salem aufgebaute Organisation verschwand nahezu, obwohl es die Überlieferungen dieser Tage waren, auf die sich Moses stützte, als er die hebräischen Sklaven aus Ägypten hinausführte. Der Verlust Melchisedeks rief in Abrahams Herzen eine Traurigkeit hervor, die er nie ganz überwand. Er hatte Hebron verlassen, als er den Ehrgeiz, ein materielles Königreich zu errichten, aufgegeben hatte; und jetzt, nach dem Verlust seines Mitarbeiters bei dem Bau des geistigen Königreichs, verließ er Salem und zog nach Süden, um in Gerar in der Nähe seiner Besitzungen zu leben. Unmittelbar nach dem Verschwinden Melchisedeks wurde Abraham furchtsam und scheu. Als er in Gerar ankam, verheimlichte er seine Identität, so dass Abimelech sich seine Gattin aneignete. (Kurz nach seiner Heirat mit Sarah hatte Abraham eines Nachts Komplizen belauscht, die ihn umbringen wollten, um sich seiner strahlenden Gattin zu bemächtigen. Diese Drohung verfolgte den im Übrigen tapferen und wagemutigen Anführer zeitlebens; stets befürchtete er, jemand könnte ihn heimlich beseitigen, um in Sarahs Besitz zu gelangen. Und das erklärt, weshalb dieser tapfere Mann sich bei drei verschiedenen Gelegenheiten richtiggehend feige verhielt.) Aber Abraham ließ sich nicht lange von seiner Mission als Nachfolger Melchisedeks abhalten. Bald gelang es ihm, unter den Philistern und im Volk Abimelechs Einzelne zu bekehren und mit ihnen ein Abkommen zu schließen. Im Gegenzug wurde er von vielen ihrer abergläubischen Vorstellungen infiziert, insbesondere von ihrem Brauch, die erstgeborenen Söhne zu opfern. So wurde Abraham wieder zu einem großen Führer in Palästina. Er genoss die Hochachtung aller Gruppen, und alle Könige ehrten ihn. Er war der geistige Führer aller Stämme in der Umgebung, und sein Einfluss wirkte noch einige Zeit nach seinem Tode weiter. Während seiner letzten Lebensjahre kehrte er einmal mehr nach Hebron zurück, dem Schauplatz seiner früheren Aktivitäten und dem Ort, wo er mit Melchisedek zusammengearbeitet hatte. Abrahams letzter Akt war, vertrauenswürdige Diener nach Nahor, der Stadt seines Bruders an der Grenze zu Mesopotamien zu schicken, um für seinen Sohn Isaak eine Frau aus seiner eigenen Familie als Gattin heimzuholen. Es war in Abrahams Familie seit langem Sitte gewesen, unter Cousins zu heiraten. Und Abraham starb vertrauensvoll im Glauben an Gott, den Melchisedek ihn in Salems verschwundenen Schulen gelehrt hatte. Es fiel der nächsten Generation schwer, die Geschichte Melchisedeks zu verstehen; fünfhundert Jahre später sahen viele die ganze Erzählung als einen Mythos an. Isaak hielt sich ziemlich genau an die Lehren seines Vaters und pflegte das Evangelium der Kolonie von Salem, aber Jakob fiel es schon schwerer, die Bedeutung des Überlieferten zu erfassen. Joseph glaubte fest an Melchisedek und wurde hauptsächlich deswegen von seinen Brüdern für einen Träumer gehalten. Die Joseph in Ägypten erwiesene Ehre war in erster Linie dem Gedenken an seinen Urgroßvater Abraham zu verdanken. Joseph wurde der Oberbefehl über die ägyptischen Armeen angetragen, aber da er so fest an das von Melchisedek Überlieferte und an die späteren Lehren Abrahams und Isaaks glaubte, entschied er sich für den Dienst als ziviler Verwalter; er glaubte, auf diese Weise mehr für die Förderung des himmlischen Königreichs tun zu können. Melchisedeks Lehre war voll und überreich, aber das aus diesen Tagen Erinnerte erschien den späteren hebräischen Priestern unmöglich und fantastisch, obwohl viele von ihnen diese Vorgänge einigermaßen verstanden, wenigstens bis zu der Zeit, als in Babylon die Schriften des Alten Testaments als Ganzes überarbeitet wurden. Was die alttestamentlichen Schriften als Gespräche zwischen Abraham und Gott beschreiben, waren in Wirklichkeit Besprechungen zwischen Abraham und Melchisedek. Spätere Schriftgelehrte sahen den Ausdruck Melchisedek als ein Synonym für Gott an. Die Beschreibung so vieler Kontakte Abrahams und Sarahs mit "dem Engel des Herrn" bezieht sich auf ihre zahlreichen Gespräche mit Melchisedek. Die hebräischen Mitteilungen über Isaak, Jakob und Joseph sind viel zuverlässiger als jene über Abraham, obwohl auch sie viele Abweichungen von den Tatsachen enthalten, absichtliche und unabsichtliche Änderungen, die zur Zeit der Zusammenstellung dieser Schriften durch die hebräischen Priester in der babylonischen Gefangenschaft vorgenommen wurden. Keturah war keine Gattin Abrahams; wie Hagar war auch sie nur eine Konkubine. Der gesamte Besitz Abrahams ging an Isaak, den Sohn Sarahs, der Statusfrau. Abraham war nicht so alt, wie die Schriften angeben, und seine Frau war viel jünger. Beider Alter wurde vorsätzlich verändert, um die angeblich mirakulöse Geburt Isaaks zu untermauern. Das nationale Ego der Juden litt furchtbar unter der babylonischen Gefangenschaft. In ihrer Reaktion gegen nationale Unterlegenheit verfielen sie in das andere Extrem nationaler und rassischer Selbstüberhebung, in der sie ihre Überlieferungen verzerrten und verfälschten, um sich als das auserwählte Volk Gottes über alle Rassen zu erheben; demzufolge überarbeiteten sie ihre sämtlichen Schriften sorgfältig mit dem Ziel, Abraham und ihre anderen nationalen Führer hoch über alle anderen Personen zu stellen und nahmen davon nicht einmal Melchisedek aus. Deshalb zerstörten die hebräischen Schriftgelehrten alle Berichte über diese denkwürdigen Zeiten, die sie finden konnten, und bewahrten nur die Erzählung der nach der Schlacht von Siddim erfolgten Begegnung Abrahams mit Melchisedek, von der sie dachten, sie gereiche Abraham zu großer Ehre. Und indem sie Melchisedek aus den Augen verloren, verloren sie auch die Lehre dieses Nothelfersohnes bezüglich der geistigen Sendung des versprochenen Sohnes der Selbsthingabe aus den Augen, verloren sie die Natur dieser Sendung so vollständig aus den Augen, dass nur sehr wenige von ihren Nachkommen fähig oder gewillt waren, Michael zu erkennen und zu empfangen, als dieser auf der Erde und in Menschengestalt erschien, wie Machiventa es vorausgesagt hatte. Aber einer der Autoren des Briefs an die Hebräer begriff die Sendung Melchisedeks, denn es steht geschrieben: "Dieser Melchisedek, Priester des Allerhöchsten, war auch ein König des Friedens; ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum, ohne Anfang seiner Tage und ohne Ende seines Lebens, aber geschaffen wie ein Sohn Gottes, bleibt er auf immer ein Priester." Dieser Autor bezeichnet Melchisedek als einen von der Art des sich später hingebenden Michael, wenn er betont, dass Jesus "ein Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks" war. Obwohl dieser Vergleich nicht ganz glücklich war, stimmte es doch buchstäblich, dass Christus den provisorischen Titel eines Planetarischen Fürsten Urantias "auf Befehl der zwölf Melchisedek-Treuhänder" empfing, die zur Zeit seiner Hingabe an die Welt Dienst taten. ***** 93.10 Gegenwärtiger Status Machiventa Melchisedeks ***** Während der Jahre der Inkarnation Machiventas funktionierten die Melchisedek-Treuhänder Urantias zu elft. Als Machiventa befand, seine Mission als Nothelfersohn sei zu Ende, setzte er seine elf Mitarbeiter davon in Kenntnis, und sie stellten sofort die erforderliche Technik bereit, um ihn vom Körper zu befreien und sicher in seinen ursprünglichen Status eines Melchisedeks zurückzuversetzen. Und am dritten Tag nach seinem Verschwinden aus Salem erschien er unter seinen elf auf Urantia wirkenden Gefährten und nahm seine unterbrochene Laufbahn als einer der planetarischen Treuhänder der 606 Satanias wieder auf. Machiventa beendete seine Selbsthingabe als ein Geschöpf aus Fleisch und Blut ebenso plötzlich und unzeremoniell, wie er sie angetreten hatte. Weder sein Erscheinen noch sein Weggang waren von irgendwelchen außergewöhnlichen Ankündigungen oder äußeren Zeichen begleitet. Weder eine Auferstehung mit Namensaufruf noch das Ende einer planetarischen Dispensation kennzeichneten sein Erscheinen auf Urantia; seine Selbsthingabe war eine Notmaßnahme. Aber Machiventa beendete seinen Aufenthalt in Gestalt eines menschlichen Wesens nicht, bevor ihn der Melchisedek-Vater förmlich entlassen hatte und er darüber informiert worden war, dass seine Nothingabe die Billigung des Regierungschefs Nebadons, Gabriels von Salvington, gefunden hatte. Machiventa fuhr fort, die Angelegenheiten der Nachkommen jener Menschen, die während seines irdischen Aufenthaltes an seine Lehren geglaubt hatten, mit großem Interesse zu verfolgen. Aber die einzige Linie, die lange Zeit eine klare Vorstellung von den Lehren Salems aufrechterhielt, waren die über Isaak von Abraham abstammenden Nachfahren, die mit den Keniten Heiraten eingingen. Derselbe Melchisedek fuhr fort, während der folgenden neunzehn Jahrhunderte mit den vielen Propheten und Sehern in dem Bemühen zusammenzuarbeiten, die Wahrheiten von Salem lebendig zu erhalten, bis die Zeit, da Michael auf Erden erschien, erfüllt war. Machiventa setzte seine Tätigkeit als planetarischer Treuhänder bis zur Zeit von Michaels Triumph auf Urantia fort. In der Folgezeit war er auf Jerusem dem Urantiadienst als einer der vierundzwanzig Leiter zugeteilt. Erst vor kurzem wurde ihm die hohe Stellung eines persönlichen Botschafters des Schöpfersohnes auf Jerusem mit dem Titel eines Stellvertretenden Planetarischen Fürsten von Urantia zuerkannt. Wir glauben, dass solange Urantia eine bewohnte Sphäre bleibt, Machiventa Melchisedek nicht voll zu den Aufgaben seiner Sohnesordnung zurückkehren wird, sondern, zeitlich gesprochen, für immer ein Christus Michael repräsentierender planetarischer Diener bleiben wird. Da es sich auf Urantia um eine Not-Hingabe handelte, geht aus den Annalen nicht hervor, welche Zukunft Machiventa bevorstehen mag. Es könnte sich herausstellen, dass das Melchisedek-Korps Nebadons eines seiner Mitglieder auf immer verloren hat. Von den Allerhöchsten Edentias ausgehende Weisungen jüngeren Datums, die später von den Ältesten der Tage Uversas bestätigt worden sind, lassen sehr stark vermuten, dass dieser Melchisedek der Selbsthingabe dazu ausersehen ist, den Platz des gefallenen Planetarischen Fürsten Caligastia einzunehmen. Wenn unsere diesbezüglichen Vermutungen stimmen, ist es durchaus möglich, dass Machiventa Melchisedek wieder persönlich auf Urantia erscheinen und in irgendeiner veränderten Weise die Rolle des entthronten Planetarischen Fürsten übernehmen wird, oder dass er auf der Erde erscheint, um als stellvertretender Planetarischer Fürst zu wirken, als Statthalter von Christus Michael, der ja jetzt den Titel eines Planetarischen Fürsten Urantias trägt. Obwohl wir über Machiventas Bestimmung alles andere als Klarheit besitzen, so deuten doch vor ganz kurzer Zeit eingetretene Ereignisse sehr stark darauf hin, dass obige Vermutungen wahrscheinlich nicht weit von der Wahrheit entfernt sind. Wir verstehen sehr wohl, wie Michael durch seinen Triumph auf Urantia Nachfolger sowohl Caligastias als auch Adams wurde; wie er der planetarische Fürst des Friedens und der zweite Adam wurde. Und jetzt sehen wir, wie Machiventa der Titel eines Stellvertretenden Planetarischen Fürsten verliehen wird. Wird er ebenfalls zum Stellvertretenden Materiellen Sohn Urantias gemacht werden? Oder besteht die Möglichkeit, dass ein unerwartetes und unerhörtes Ereignis eintritt, die Rückkehr - irgendwann in der Zukunft - Adams und Evas oder bestimmter ihrer Nachkommen auf die Erde als Repräsentanten Michaels mit den Titeln von Stellvertretern des zweiten Adams Urantias? All diese Spekulationen, verbunden mit der Gewissheit des künftigen Erscheinens von Richtersöhnen und Lehrersöhnen der Trinität sowie dem ausdrücklichen Versprechen des Schöpfersohnes, eines Tages zurückzukehren, machen Urantia zu einem Planeten mit unbestimmter Zukunft und zu einer der interessantesten und rätselhaftesten Sphären im ganzen Universum von Nebadon. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass wir in einem künftigen Zeitalter, wenn sich Urantia der Ära des Lichts und Lebens nähert und in den Angelegenheiten der Rebellion Luzifers und des Abfalls Caligastias endgültige Urteile vorliegen, zu Zeugen der gleichzeitigen Anwesenheit auf Urantia von Machiventa, Adam, Eva und Christus Michael sowie eines Richtersohnes oder gar von Lehrersöhnen der Trinität werden. Seit langem ist man in unserer Ordnung der Ansicht, dass Machiventas Anwesenheit auf Jerusem im Korps der Leiter Urantias, der vierundzwanzig Ratgeber, Beweis genug ist, um den Glauben zu rechtfertigen, dass es seine Bestimmung ist, den Sterblichen Urantias während des ganzen Universumsplans von Fortschritt und Aufstieg sogar bis zum Paradies-Korps der Finalität zu folgen. Wir wissen, dass Adam und Eva in dieser Weise bestimmt sind, ihre irdischen Gefährten während des Paradies Abenteuers zu begleiten, wenn Urantia einmal im Licht und Leben beheimatet sein wird. Vor weniger als tausend Jahren war derselbe Machiventa Melchisedek, der einstige Weise von Salem, während einer Periode von hundert Jahren unsichtbar auf Urantia anwesend und versah auf dem Planeten das Amt des residierenden Generalgouverneurs; und wenn das gegenwärtige System der Führung der planetarischen Angelegenheiten beibehalten wird, kann man ihn in etwas mehr als tausend Jahren in derselben Eigenschaft zurückerwarten. Das ist die Geschichte Machiventa Melchisedeks, eines der einzigartigsten Charaktere, die je mit Urantias Geschichte in Verbindung kamen, einer Persönlichkeit, die wohl bestimmt ist, im künftigen Leben eurer besonderen und ungewöhnlichen Welt eine wichtige Rolle zu spielen. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 94 Melchisedeks Lehren im Orient ****** Die frühen Lehrer der Religion von Salem drangen bis zu den abgelegensten Stämmen Afrikas und Eurasiens vor und predigten unablässig Machiventas Evangelium vom Glauben des Menschen an den einen universalen Gott und von seinem Vertrauen in ihn als einzigem zu bezahlenden Preis, um göttliche Gunst zu erlangen. Melchisedeks Bund mit Abraham war der Leitfaden der gesamten frühen Propaganda, die von Salem und anderen Zentren ausging. Keine Religion Urantias hat je enthusiastischere und dynamischere Missionare gehabt als diese edlen Männer und Frauen, die die Lehren Melchisedeks in die ganze östliche Hemisphäre hinaustrugen. Die Missionare stammten aus vielen Völkern und Rassen, und sie verbreiteten ihre Lehren großenteils durch einheimische Bekehrte. Sie errichteten an verschiedenen Orten der Welt Schulungszentren, wo sie die Einheimischen die Religion von Salem lehrten und dann den Schülern den Auftrag erteilten, unter ihren eigenen Leuten als Lehrer zu wirken. ***** 94.1 Die Lehren von Salem im vedischen Indien ***** In den Tagen Melchisedeks war Indien ein kosmopolitisches Land, das kurz zuvor unter die politische und religiöse Herrschaft der aus Norden und Westen einfallenden arisch-anditischen Eroberer geraten war. Zu diesem Zeitpunkt waren nur die nördlichen und westlichen Teile der Halbinsel stark von Ariern durchdrungen. Die vedischen Neuankömmlinge hatten ihre vielen Stammesgottheiten mit sich gebracht. Ihre religiösen Formen der Verehrung hielten sich eng an die zeremoniellen Praktiken ihrer anditischen Vorfahren, indem der Vater immer noch als Priester und die Mutter als Priesterin wirkten und der Familienherd als Altar diente. Der vedische Kult befand sich damals in einem Wachstums- und Umwandlungsprozess unter der Leitung der brahmanischen Kaste der Lehrer- Priester, die allmählich die Kontrolle über das wachsende Anbetungsritual übernahm. Die Durchmischung der einst dreiunddreißig arischen Gottheiten war in vollem Gang, als die Missionare aus Salem den Norden Indiens betraten. Der Polytheismus dieser Arier stellte eine Degeneration ihres früheren Monotheismus dar, der durch ihre Aufsplitterung in Stammeseinheiten verursacht worden war, wobei jeder Stamm seinen eigenen Gott verehrte. Dieser entartete ursprüngliche Monotheismus und Trinitarismus des anditischen Mesopotamien durchlief in den ersten Jahrhunderten des zweiten Millenniums vor Christus einen Prozess neuer Synthese. Die vielen Götter wurden zu einem Pantheon organisiert unter der dreieinigen Führung von Dyaus Pitar, dem Herrn des Himmels, Indra, dem Sturmherrn der Atmosphäre und Agni, dem dreiköpfigen Feuergott und Herrn der Erde und Restsymbol eines früheren Trinitätskonzepts. Ausgesprochen henotheistische Tendenzen ebneten den Weg für einen entwickelten Monotheismus. Agni, die älteste Gottheit, wurde oft als väterliches Oberhaupt des gesamten Pantheons gefeiert. Das Gottheit-Vater-Prinzip, manchmal Prajapati genannt, manchmal als Brahma bezeichnet, ging in der theologischen Schlacht unter, welche die brahmanischen Priester später den Lehrern aus Salem lieferten. Das Brahman wurde als das göttliche Energieprinzip begriffen, welches das ganze vedische Pantheon aktivierte. Die Missionare aus Salem predigten den einen Gott Melchisedeks, den Allerhöchsten des Himmels. Dieses Gottesbild war nicht völlig unvereinbar mit dem im Entstehen begriffenen Vater-Brahma-Konzept als dem Ursprung aller Götter, aber die Salem-Doktrin kannte keine Rituale und lief deshalb den Dogmen, Traditionen und Lehren der brahmanischen Priesterschaft direkt zuwider. Nie wollten die brahmanischen Priester die Lehre aus Salem annehmen, wonach der Glaube allein rettet und Gottes Gunst ohne rituelle Praktiken und Opferzeremonien erlangt werden kann. Die Zurückweisung des Evangeliums Melchisedeks vom Vertrauen in Gott und von der Errettung durch den Glauben stellte für Indien einen entscheidenden Wendepunkt dar. Die Missionare aus Salem hatten viel zum Verschwinden des Glaubens an all die vedischen Götter beigetragen, aber die führenden vedischen Priester weigerten sich, die Lehre von einem einzigen Gott und einem einfachen Glauben anzunehmen. In dem Bemühen, die Lehrer aus Salem zu bekämpfen, trafen die Brahmanen unter den heiligen Schriften jener Tage eine Auswahl, und diese Zusammenstellung, die später noch überarbeitet wurde, hat sich als Rigweda, als eines der ältesten heiligen Bücher, bis in die heutige Zeit erhalten. Ihm folgten die zweite, dritte und vierte Veda, mit denen die Bramanen versuchten, ihre Anbetungs- und Opferrituale für die Völker jener Tage zwingend zu kristallisieren, zu formalisieren und zu fixieren. Im Besten, was sie enthalten, kommen diese Schriften an Schönheit des Konzepts und an Wahrheit der Erkenntnis jeder anderen Sammlung ähnlichen Charakters gleich. Aber immer mehr wurde diese hoch stehende Religion durch die Tausende und Abertausende von abergläubischen Vorstellungen, Kulten und Ritualen Südindiens infiziert und verwandelte sich allmählich in das buntscheckigste aller jemals von Sterblichen entwickelten theologischen Systeme. Beim Durchgehen der Veden wird man einige der höchsten und einige der allerniedrigsten jemals konzipierten Gottesvorstellungen entdecken. ***** 94.2 Der Brahmanismus ***** Als die Missionare aus Salem nach Süden in den drawidischen Dekhan vorstießen, begegneten sie einem zunehmenden Kastensystem, jener von den Ariern getroffenen Maßnahme, die den Verlust der rassischen Identität angesichts der anschwellenden Flut sekundärer Sangikvölker verhindern sollte. Da die brahmanische Priesterkaste die Essenz dieses Systems war, verzögerte diese gesellschaftliche Ordnung den Fortschritt der Lehrer aus Salem beträchtlich. Das Kastensystem vermochte die arische Rasse nicht zu retten, hingegen gelang es ihm, die Brahmanen fortbestehen zu lassen, die ihre religiöse Hegemonie in Indien bis auf den heutigen Tag aufrechterhalten haben. Jetzt wurde mit der Schwächung des Vedismus durch die Ablehnung höherer Wahrheit der Kult der Arier anfälliger für die immer mächtigeren Einflüsse aus dem Dekhan. In ihrem verzweifelten Bemühen, sich der Woge entgegenzustemmen, die sie mit rassischem Verlöschen und religiöser Ausradierung bedrohte, versuchte die Kaste der Brahmanen, sich über alles andere zu erheben. Sie lehrten, dass das der Gottheit dargebrachte Opfer in sich selbst allwirksam sei, dass seine Macht allbezwingend sei. Sie verkündeten, dass von den beiden wesentlichen göttlichen Prinzipien des Universums das eine die Gottheit Brahman und das andere die Priesterschaft Brahmans sei. In keinen anderen urantianischen Völkern maßten die Priester sich an, sich sogar über ihre Götter zu stellen, die ihren Göttern zustehenden Ehren an sich selber weiterzuleiten. Aber sie trieben ihre anmaßenden Ansprüche in so absurder Weise auf die Spitze, dass das ganze zweifelhafte System bei der Begegnung mit den verderblichen Kulten, die von den weniger fortgeschrittenen Zivilisationen der Umgebung hereinströmten, zusammenbrach. Die riesige vedische Priesterschaft wusste nicht mehr weiter und versank in den schwarzen Fluten der Trägheit und des Pessimismus, den ihre eigene selbstsüchtige und unweise Anmaßung über ganz Indien gebracht hatte. Die ungebührliche Selbstbezogenheit führte zwangsläufig zu der Furcht vor einem nichtevolutionären Fortdauern des Selbst in einem endlosen Kreis aufeinanderfolgender Inkarnationen als Mensch, Tier oder Unkraut. Und von allen verseuchenden Glaubensvorstellungen, die sich dem anhefteten, was vielleicht ein erwachender Monotheismus war, war keine verdummender als der Glaube an Seelenwanderung - die Lehre von der Reinkarnation der Seelen - die aus dem drawidischen Dekhan kam. Dieser Glaube an den müden und monotonen Kreislauf wiederholter Seelenwanderungen beraubte die kämpfenden Sterblichen ihrer lange gehegten Hoffnung, im Tod jene Erlösung und geistige Beförderung zu finden, die ein Teil des früheren vedischen Glaubens gewesen war. Auf diese philosophisch entkräftende Lehre folgte bald die Erfindung der Doktrin, nach welcher man dem Selbst auf ewig entrinnen kann, indem man in die universale Ruhe und den universalen Frieden der absoluten Einheit mit Brahman, der Überseele der gesamten Schöpfung, eintaucht. Irdisches Wünschen und menschlicher Ehrgeiz wurden wirkungsvoll erdrosselt und praktisch zerstört. Über zweitausend Jahre lang haben die besseren Geister Indiens danach getrachtet, jeglichem Wünschen zu entrinnen, und so wurden die Türen für den Eintritt jener späteren Kulte und Lehren weit geöffnet, welche die Seelen vieler Hinduvölker praktisch in die Ketten geistiger Hoffnungslosigkeit gelegt haben. Von allen Zivilisationen bezahlte die vedisch-arische den schrecklichsten Preis für ihre Zurückweisung des Evangeliums von Salem. Die Kaste allein konnte das arische religiös-kulturelle System nicht am Leben erhalten, und mit dem Vordringen der tieferstehenden Religionen des Dekhans in den Norden entwickelte sich dort ein Zeitalter der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. In diesen dunklen Tagen entstand der Kult, kein Leben zu vernichten, und er hat sich seit damals immer gehalten. Viele der neuen Kulte waren klar atheistisch, indem sie erklärten, dass die einzige dem Menschen mögliche Rettung in seinen eigenen, durch nichts unterstützten Anstrengungen läge. Aber in einem Großteil all dieser unglückseligen Philosophie kann man verzerrte Überreste der Lehren Melchisedeks und sogar Adams nachweisen. Das waren die Zeiten, in denen die späteren Schriften des Hinduglaubens, die Brahmanas und Upanischaden, zusammengestellt wurden. Nachdem die brahmanische Priesterschaft die Lehren einer persönlichen Religion durch die persönliche Glaubenserfahrung mit dem einen Gott zurückgewiesen hatte und nachdem sie mit der Flut erniedrigender und entkräftender Kulte und Kredos aus dem Dekhan mit ihren Anthropomorphismen und Reinkarnationen infiziert worden war, reagierte sie auf einmal mit Heftigkeit gegen diese verderblichen Glaubensvorstellungen; es gab eine entschiedene Anstrengung, wahre Wirklichkeit zu finden. Die Brahmanen gingen daran, das indische Gottheitskonzept von der Vermenschlichung zu befreien, aber dabei stolperten sie in den schweren Fehler, die Gottesvorstellung zu entpersönlichen, und kamen schließlich nicht auf ein erhabenes und geistiges Ideal vom Paradies-Vater, sondern auf eine distanzierte und metaphysische Idee eines allumfassenden Absoluten. In ihren Bemühungen um Selbsterhaltung hatten die Brahmanen den einen Gott Melchisedeks zurückgewiesen, und jetzt fanden sie sich der Hypothese vom Brahman gegenüber, jenem unbestimmten und illusorischen philosophischen Selbst, jenem unpersönlichen und ohnmächtigen Es, das das geistige Leben Indiens von jenem unglücklichen Tag an bis ins zwanzigste Jahrhundert in einem hilflos darniederliegenden Zustand belassen hat. Zur Zeit der Niederschrift der Upanischaden blühte in Indien der Buddhismus auf. Aber trotz seiner tausend Jahre währenden Erfolge konnte er gegen den späteren Hinduismus nicht aufkommen; trotz seiner höheren Sittlichkeit war sein Gottesbild noch weniger scharf gezeichnet als das des Hinduismus, der geringere und persönliche Gottheiten anbot. Der Buddhismus musste in Nordindien schließlich dem Ansturm eines militanten Islam mit seiner klaren Vorstellung von Allah als höchstem Gott des Universums weichen. ***** 94.3 Die brahmanische Philosophie ***** Obwohl kaum eine Religion, war die höchste Form des Brahmanismus wahrhaft einer der edelsten Vorstöße menschlichen Denkens in die Bereiche von Philosophie und Metaphysik. Nachdem sich indisches Denken einmal zu der Entdeckung letztendlicher Realität aufgemacht hatte, hielt es nicht mehr inne, bis es über fast jeden Aspekt der Theologie nachgesonnen hatte, außer über das wesentliche doppelte Konzept der Religion: die Existenz des Universalen Vaters aller Universumsgeschöpfe und die Tatsache der aufsteigenden Universumserfahrung ebendieser Geschöpfe auf der Suche nach dem ewigen Vater, der ihnen geboten hat, ebenso vollkommen zu sein, wie er selber vollkommen ist. Mit dem Konzept des Brahman strebten die Denker jener Tage aufrichtig nach der Idee eines alles durchdringenden Absoluten, da dieses Postulat zugleich mit der schöpferischen Energie und mit der kosmischen Reaktion identifiziert wurde. Sie stellten sich Brahman als jenseits jeglicher Definition vor, erfassbar einzig durch die sukzessive Negation aller endlichen Eigenschaften. Es war eindeutig ein Glaube an ein absolutes, sogar an ein unendliches Wesen, aber dieses Konzept entbehrte weitgehend persönlicher Attribute und war deshalb durch individuelle Gläubige nicht erfahrbar. Brahman-Narayana war gedacht als das Absolute, als das unendliche ES IST, als anfängliches schöpferisches Urvermögen des potentiellen Kosmos, als das Universelle Selbst, das statisch und potentiell in aller Ewigkeit existiert. Wären die Philosophen jener Tage fähig gewesen, den nächsten Durchbruch in der Gottheitsvorstellung zu vollziehen, wären sie fähig gewesen, sich das Brahman als assoziativ und schöpferisch vorzustellen, als eine Persönlichkeit, der sich erschaffene und sich entwickelnde Wesen nähern können, dann wäre eine solche Lehre wohl zur fortgeschrittensten Darstellung der Gottheit auf Urantia geworden, da sie die fünf ersten Ebenen der gesamten Gottheitsfunktion in sich geschlossen und möglicherweise die restlichen zwei ins Auge gefasst hätte. In gewissen Phasen führte das Konzept der Einen Universalen Überseele als der Gesamtheit oder Summe aller Geschöpfesexistenz die indischen Philosophen sehr nahe an die Wahrheit des Supremen Wesens heran, aber diese Wahrheit half ihnen nicht weiter, weil es ihnen nicht gelang, irgendeinen gangbaren oder vernünftigen Weg zu entwickeln, auf dem ihr theoretisches monotheistisches Ziel des Brahman-Narayana hätte erreicht werden können. Auch das Karma-Prinzip der Kontinuität in der Kausalität kommt der sich in der Gottheitsgegenwart des Supremen vollziehenden Synthese aller sich in Zeit und Raum abspielenden und aufeinander einwirkenden Handlungen sehr nahe; aber dieses Postulat sah nie ein koordiniertes persönliches Erreichen der Gottheit durch den einzelnen Gläubigen vor, nur ein letztendliches Aufgehen aller Persönlichkeit in der Universalen Überseele. Die Philosophie des Brahmanismus kam der Einsicht in die innewohnende Gegenwart der Gedankenjustierer ebenfalls sehr nahe; nur wurde diese durch das falsche Verständnis der Wahrheit entstellt. Die Lehre, dass die Seele das Innewohnen des Brahman ist, hätte einer fortgeschrittenen Religion den Weg geebnet, wäre diese Vorstellung nicht durch den Glauben, dass es außer dieser innewohnenden Gegenwart des Universalen Einen keine menschliche Individualität gebe, so vollständig verdorben worden. Die Doktrin der Auflösung der Eigenseele in der Überseele hinderte die Theologen Indiens daran, das Fortleben von etwas Menschlichem, etwas Neuem und Einzigem, von etwas aus der Vereinigung des menschlichen Willens mit dem Willen Gottes Hervorgegangenem, ins Auge zu fassen. Die Lehre von der Rückkehr der Seele in das Brahman steht in enger Parallele zu der Wahrheit der Rückkehr des Justierers in den Schoß des Universalen Vaters, aber es gibt noch etwas vom Justierer Verschiedenes, das ebenfalls fortlebt: das morontielle Gegenstück zur sterblichen Persönlichkeit. Diese entscheidende Vorstellung fehlte aber verhängnisvollerweise in der brahmanischen Philosophie. Die brahmanische Philosophie ist zu einer Approximation von vielen Universumstatsachen gelangt und zahlreichen kosmischen Wahrheiten nahe gekommen, aber sie wurde allzu oft Opfer des Irrtums, zwischen den verschiedenen Realitätsebenen wie der absoluten, der transzendenten und der endlichen nicht unterscheiden zu können. Es misslang ihr zu berücksichtigen, dass etwas, was auf der absoluten Ebene als endliche Illusion erscheinen mag, auf der endlichen Ebene ganz und gar wirklich sein kann. Und ebenso wenig hat sie die wesentliche Persönlichkeit des Universalen Vaters erkannt, mit dem auf allen Ebenen persönlicher Kontakt aufgenommen werden kann, von der begrenzten Erfahrung des evolutionären Geschöpfes mit Gott an bis zu der grenzenlosen Erfahrung des Ewigen Sohnes mit dem Paradies-Vater. ***** 94.4 Die Hindureligion ***** Mit dem Vergehen der Jahrhunderte kehrte die Masse des indischen Volkes in einem gewissen Ausmaß zu den alten Ritualen der Veden zurück, wie sie durch die Lehren der Missionare Melchisedeks verändert und durch die spätere brahmanische Priesterschaft kristallisiert worden waren. Diese älteste und kosmopolitischste aller Weltreligionen hat als Reaktion auf Buddhismus und Dschainismus und auf die späteren Einflüsse von Mohammedanismus und Christentum weitere Verwandlungen durchgemacht. Aber bis Jesu Lehren nach Indien gelangten, waren sie derart verwestlicht worden, dass sie als eine "Religion des weißen Mannes" betrachtet wurden und dem Hindugeist als etwas Seltsames und Fremdes erschienen. Heute beschreibt die Hindutheologie vier absteigende Ebenen der Gottheit und Göttlichkeit: 1. Das Brahman, das Absolute, das Unendliche Eine, das ES IST. 2. Die Trimurti, die höchste Trinität des Hinduismus. Brahma, das erste Mitglied dieser Verbindung, wird gedacht als selbsterschaffen aus dem Brahman - aus der Unendlichkeit. Gäbe es da nicht die enge Identifizierung mit dem pantheistischen Unendlichen Einen, könnte Brahma die Grundlage für ein Konzept des Universalen Vaters bilden. Brahma wird auch mit dem Schicksal identifiziert. Die Verehrung des zweiten und des dritten Mitglieds, Schiwas und Wischnus, entstand im ersten Jahrtausend nach Christus. Schiwa ist Herr über Leben und Tod, Gott der Fruchtbarkeit und Meister der Zerstörung. Wischnu ist außerordentlich populär wegen des Glaubens, dass er sich periodisch in Menschengestalt inkarnierte. Dadurch wird Wischnu in der Vorstellung der Inder wirklich und lebendig. Sowohl Schiwa als auch Wischnu werden von manchen als Höchste über allem gesehen. 3. Vedische und Nachvedische Gottheiten. Viele der alten Götter der Arier wie Agni, Indra und Soma haben als sekundäre Götter neben der Trimurti weiterbestanden. Zahlreiche zusätzliche Götter sind seit den frühen Tagen des vedischen Indien erschienen, und sie sind alle dem Hindu-Pantheon einverleibt worden. 4. Die Halbgötter: Übermenschen, Halbgötter, Helden, Dämonen, Phantome, böse Geister, Elfen, Monster, Kobolde und Heilige der Kulte jüngerer Zeit. Obwohl es dem Hinduismus seit langem nicht gelingt, das indische Volk zu beleben, ist er zugleich meist eine tolerante Religion gewesen. Seine große Stärke liegt in der Tatsache, dass er sich als die anpassungsfähigste und amorphste Religion erwiesen hat, die je auf Urantia erschienenen ist. Er ist eines beinah unbeschränkten Wandels fähig und besitzt eine ungewöhnliche Breite flexibler Anpassungsmöglichkeiten von den hohen und halbmonotheistischen Spekulationen des intellektuellen Brahmanen bis zum ausgesprochenen Fetischismus und den primitiven Kultpraktiken der erniedrigten und unterdrückten Klassen unwissender Gläubiger. Der Hinduismus hat überlebt, weil er seinem Wesen nach ein integrierender Bestandteil des grundlegenden gesellschaftlichen Gewebes Indiens ist. Er kennt keine große Hierarchie, die gestört oder vernichtet werden könnte; er ist in das Lebensmuster des Volkes eingewoben. Er besitzt eine Anpassungsfähigkeit an wechselnde Bedingungen, die alle anderen Kulte übertrifft, und er zeigt vielen anderen Religionen gegenüber eine tolerante und aufnahmebereite Haltung; von Gautama Buddha und sogar von Christus wird behauptet, sie seien Inkarnationen Vischnus gewesen. Was Indien heute nottut, ist eine Darstellung des Evangeliums Jesu - der Vaterschaft Gottes und der Sohnschaft mit der sich daraus ergebenden Bruderschaft aller Menschen, die persönlich durch liebende Zuwendung und sozialen Dienst verwirklicht werden. In Indien existiert das philosophische Gerüst, und die Strukturen des Kultes sind vorhanden; was allein fehlt, ist der vitalisierende Funke der dynamischen Liebe, wie sie uns im ursprünglichen Evangelium des Menschensohns entgegentritt, befreit von den westlichen Dogmen und Doktrinen, die dazu neigten, aus Michaels Lebenshingabe eine Religion des weißen Mannes zu machen. ***** 94.5 Das Ringen um Wahrheit in China ***** Während die Missionare aus Salem durch Asien zogen und die Lehre vom Allerhöchsten Gott und von der Errettung durch den Glauben verbreiteten, nahmen sie auch vieles vom philosophischen und religiösen Denken der verschiedenen Länder an, durch die sie kamen. Aber die von Melchisedek beauftragten Lehrer und ihre Nachfolger verrieten ihren Auftrag nicht; sie gingen tatsächlich zu allen Völkern des eurasischen Kontinents, und um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends gelangten sie nach China. Über hundert Jahre lang unterhielten die Salemiten ihr Hauptquartier in Si Fuch und schulten dort chinesische Lehrer, die danach in allen von der gelben Rasse bewohnten Gebieten lehrten. Eine direkte Folge dieser Lehrtätigkeit war die früheste Form des in China entstehenden Tao-ismus, einer Religion, die von derjenigen, die heute diesen Namen trägt, sehr verschieden war. Der frühe oder Prototaoismus war eine Mischung aus folgenden Faktoren: 1. Die Überreste der Lehren Singlangtons, die im Konzept von Shang-ti, dem Gott des Himmels, weiterlebten. Zu der Zeit Singlangtons wurde das chinesische Volk praktisch monotheistisch; es konzentrierte seine Anbetung auf die Eine Wahrheit, die man später den Geist des Himmels, den Herrscher des Universums, nannte. Und die gelbe Rasse verlor dieses frühe Gottheitskonzept nie ganz, obwohl sich in späteren Jahrhunderten viele untergeordnete Götter und Geister heimtückisch in ihre Religion einschlichen. 2. Die Religion Salems von einer Allerhöchsten Schöpferischen Gottheit, die der Menschheit als Antwort auf den menschlichen Glauben ihre Gunst schenkt. Aber es ist nur allzu wahr, dass bis zu der Zeit, als die Missionare Melchisedeks ins Land der gelben Rasse vordrangen, sich ihre ursprüngliche Botschaft von den einfachen Lehren Salems der Tage Machiventas beträchtlich entfernt hatte. 3. Das Konzept eines Brahman-Absoluten der indischen Philosophen in Verbindung mit dem Wunsch, allem Übel zu entfliehen. Wohl den größten fremden Einfluss bei der Verbreitung der Religion von Salem im Osten übten die indischen Lehrer des vedischen Glaubens aus, die dem errettenden Denken der Salemiten ihre Vorstellung vom Brahman - dem Absoluten - einpflanzten. Dieser zusammengesetzte Glaube verbreitete sich in den von der gelben und braunen Rasse bewohnten Ländern als ein grundlegender Einfluss ihres religiös-philosophischen Denkens. In Japan hieß dieser Prototaoismus Schinto, und in diesem vom palästinensischen Salem weit entfernten Land erfuhren die Menschen von der Inkarnation Machiventa Melchisedeks, der auf Erden weilte, damit die Menschheit den Namen Gottes nicht vergäße. In China wurden später all diese Glaubensvorstellungen mit dem immer mehr überhand nehmenden Ahnenkult durcheinander gebracht und vermischt. Aber seit den Zeiten Singlangtons haben sich die Chinesen nie hilflos in die Sklaverei einer Priesterschaft begeben. Die gelbe Rasse war die erste, die sich aus barbarischer Hörigkeit erhob und zu einer geordneten Zivilisation fand, weil sie als erste zu einer gewissen Freiheit von der erbärmlichen Furcht vor den Göttern gelangte und sich nicht einmal wie andere Rassen vor den Phantomen der Toten fürchtete. China erlitt seine Niederlage, weil es ihm nicht gelang, in seiner Entwicklung über die frühe Emanzipation von den Priestern hinauszukommen; es fiel einem fast ebenso unheilvollen Irrtum, der Ahnenverehrung, zum Opfer. Aber die Salemiten hatten sich nicht umsonst abgemüht. Denn auf den Grundlagen ihres Evangeliums bauten die großen chinesischen Philosophen des sechsten Jahrhunderts ihre Lehren auf. Sittliche Atmosphäre und geistige Gefühle der Zeit von Lao-tse und Konfuzius wuchsen aus den in einem früheren Zeitalter gesäten Lehren der Missionare Salems. ***** 94.6 Lao-Tse und Konfuzius ***** Etwa sechshundert Jahre vor Michaels Ankunft schien es Melchisedek, der seinen sterblichen Körper längst abgelegt hatte, dass die Reinheit seiner Lehre auf Erden durch allgemeines Aufgehen in älteren urantianischen Glaubensvorstellungen stark bedroht sei. Es sah eine Zeitlang so aus, als laufe seine Sendung als eines Vorläufers von Michael Gefahr zu scheitern. Und durch eine außergewöhnliche Koordination geistiger Wirkkräfte, die nicht einmal von den planetarischen Überwachern in allem verstanden wurde, erlebte Urantia im sechsten vorchristlichen Jahrhundert eine einzigartige Verkündigung mannigfaltiger religiöser Wahrheit. Durch das Wirken mehrerer menschlicher Lehrer wurde das Evangelium Salems in neue Worte gefasst und mit neuem Leben erfüllt, und viel von dem, wie es damals dargestellt wurde, hat sich bis in die Zeit dieser Niederschrift zu halten vermocht. Dieses einzigartige Jahrhundert geistigen Fortschritts war in der ganzen zivilisierten Welt charakterisiert durch große religiöse, sittliche und philosophische Lehrer. In China waren die beiden überragenden Lehrer Lao-tse und Konfuzius. Lao-tse stützte sich direkt auf die Konzepte der Überlieferungen Salems, wenn er erklärte, Tao sei die Einzige Erste Ursache der ganzen Schöpfung. Lao war ein Mann mit einer sehr großen geistigen Vision. Er lehrte, dass "des Menschen ewige Bestimmung die nie endende Vereinigung mit Tao, dem Höchsten Gott und Universalen König sei". Sein Verständnis von der letzten Ursache war äußerst scharfsichtig, denn er schrieb: "Die Einheit geht aus dem Absoluten Tao hervor, und die Einheit gebiert die kosmische Dualität, und aus dieser Dualität springt die Trinität ins Dasein, und die Trinität ist die Urquelle aller Realität." "Alle Realität ist stets im Gleichgewicht zwischen den Potentialen und den Verwirklichungen des Kosmos, und diese werden ewig harmonisiert durch den Geist der Göttlichkeit." Lao-tse verkündete auch als einer der ersten die Lehre, Böses mit Gutem zu vergelten: "Güte erzeugt wiederum Güte, aber im wahrhaft Gütigen erzeugt auch Böses Güte." Er lehrte die Rückkehr des Geschöpfes zum Schöpfer, und er stellte das Leben als das Erwachen der Persönlichkeit aus den kosmischen Potentialen dar, während der Tod wie die Heimkehr dieser Geschöpfespersönlichkeit war. Seine Vorstellung vom wahren Glauben war ungewöhnlich, und auch er verglich ihn mit dem "Verhalten eines kleinen Kindes". Sein Verständnis vom ewigen Vorhaben Gottes war klar, denn er sagte: "Die Absolute Gottheit kämpft nicht, sondern ist immer siegreich; sie zwingt die Menschheit nicht, sondern hält sich stets bereit, deren wahre Wünsche zu beantworten; Gottes Wille ist ewig geduldig und sein Ausdruck auf ewig unvermeidlich." Und damit die Wahrheit ausdrückend, dass es seliger ist zu geben als zu nehmen, sagte er vom wahrhaft religiösen Menschen: "Der gute Mensch versucht nicht, die Wahrheit für sich selber zu behalten, sondern trachtet vielmehr danach, solche Reichtümer seinen Gefährten weiterzugeben, denn das ist die Verwirklichung der Wahrheit. Der Wille des Absoluten Gottes ist immer wohltätig, nie zerstörerisch; der wahre Gläubige nimmt sich stets vor zu handeln, hingegen nie, Zwang auszuüben." Laos Lehre von der Widerstandslosigkeit und der Unterschied, den er zwischen Handeln und Zwingen machte, wurden später zum Glauben des "nichts sehen, nichts tun und nichts denken" pervertiert. Aber Lao lehrte nie einen solchen Irrtum; seine Darlegung der Widerstandslosigkeit war vielmehr ein Faktor in der Weiterentwicklung der Vorliebe der chinesischen Völker für den Frieden. Aber der volkstümliche Taoismus des zwanzigsten Jahrhunderts Urantias hat sehr wenig gemein mit den erhabenen Gefühlen und kosmischen Konzepten des alten Philosophen, der die Wahrheit lehrte, wie er sie wahrnahm, nämlich dass der Glaube an den Absoluten Gott die Quelle jener göttlichen Energie ist, die die Welt neu machen wird und durch welche der Mensch hinaufgelangt zur geistigen Vereinigung mit Tao, der Ewigen Gottheit und dem Absoluten Schöpfer der Universen. Konfuzius (Kung Fu-tze) war ein jüngerer Zeitgenosse Laos im China des sechsten Jahrhunderts. Konfuzius gründete seine Lehren auf die besseren sittlichen Traditionen der langen Geschichte der gelben Rasse, und er war auch etwas beeinflusst durch die Reste des von den Missionaren Salems Überlieferten. Seine Hauptarbeit bestand in der Sammlung der weisen Sprüche alter Philosophen. Er wurde zu seinen Lebzeiten als Lehrer abgelehnt, aber seine Schriften und Lehren haben seitdem in China und Japan immer einen großen Einfluss ausgeübt. Konfuzius gab den Schamanen ein neues Tempo an, indem er Magie durch Sittlichkeit ersetzte. Aber er baute zu solide; er machte aus der Ordnung einen neuen Fetisch und begründete einen Respekt vor althergebrachter Lebensweise, an dem die Chinesen zur Zeit dieser Niederschrift immer noch stark festhalten. Die konfuzianische Predigt der Sittlichkeit gründete auf der Theorie, dass der irdische Weg der verzerrte Schatten des himmlischen Weges ist; dass das wahre Modell einer zeitlichen Zivilisation die ewige Ordnung des Himmels widerspiegelt. Das im Konfuzianismus potentiell vorhandene Gotteskonzept trat fast vollständig hinter der starken Betonung zurück, die auf den Pfad des Himmels, auf das Urmuster des Kosmos, gelegt wurde. Die Lehren Laos sind im Orient für alle mit Ausnahme von wenigen verloren gegangen, aber die Schriften des Konfuzius haben seither immer die Grundlage der sittlichen Struktur der Kultur von fast einem Drittel der Bewohner Urantias gebildet. Obwohl die konfuzianischen Vorschriften das Beste der Vergangenheit verewigten, waren sie gerade dem chinesischen Forschergeist, der jene so sehr verehrten Leistungen hervorgebracht hatte, ziemlich feind. Der Einfluss dieser Lehren wurde erfolglos bekämpft durch die Anstrengungen des Kaisers Ch'in Shih Huang Ti sowie durch die Lehren von Mo Ti, der eine nicht auf ethischer Pflicht, sondern auf der Liebe zu Gott beruhende Bruderschaft verkündete. Er versuchte, die alte Suche nach neuer Wahrheit wieder anzufachen, aber seine Lehren scheiterten am heftigen Widerstand der Jünger des Konfuzius. Wie viele andere geistige und sittliche Lehrer wurden sowohl Konfuzius als auch Lao-tse von ihren Anhängern schließlich vergöttlicht in jenen geistig verdunkelten Zeitaltern Chinas, die sich zwischen Niedergang und Entstellung des taoistischen Glaubens und das Kommen der buddhistischen Missionare aus Indien schoben. Während dieser Jahrhunderte geistiger Dekadenz artete die Religion der gelben Rasse in eine erbärmliche Theologie aus, in der es von Teufeln, Drachen und bösen Geistern nur so wimmelte, die alle von den zurückkehrenden Ängsten des unaufgeklärten menschlichen Gemütes zeugten. Und China, einst dank einer fortgeschrittenen Religion an der Spitze der menschlichen Gesellschaft, fiel damals zurück, weil es ihm vorübergehend misslang, sich auf dem wahren Pfad der Entwicklung jenes Gottesbewusstseins voranzubewegen, das für den wahren Fortschritt unerlässlich ist - nicht nur des einzelnen Sterblichen, sondern auch der verwickelten und komplexen Zivilisationen, welche die fortschreitende Kultur und Gesellschaft eines evolutionären Planeten von Zeit und Raum prägen. ***** 94.7 Gautama Siddharta ***** Zugleich mit Lao-tse und Konfuzius in China trat in Indien ein anderer großer Lehrer auf. Gautama Siddharta wurde im sechsten Jahrhundert vor Christus in der nordindischen Provinz Nepal geboren. Seine Anhänger ließen ihn später als den Sohn eines märchenhaft reichen Herrschers erscheinen, aber in Wirklichkeit war er der gesetzliche Thronfolger eines unbedeutenden Stammesfürsten, der mit stillschweigender Duldung über ein kleines und abgelegenes Bergtal im südlichen Himalaja herrschte. Nach sechs Jahren vergeblicher Yogapraxis formulierte Gautama die Theorien, aus denen sich die Philosophie des Buddhismus entwickelte. Siddharta kämpfte entschlossen aber fruchtlos gegen das wachsende Kastenwesen. Man spürte an diesem jungen Propheten-Fürsten eine erhabene Aufrichtigkeit und einzigartige Selbstlosigkeit, die auf die Menschen jener Tage eine große Anziehungskraft ausübte. Er wandte sich von der Praxis ab, das individuelle Heil in physischer Peinigung und persönlichem Schmerz zu suchen. Und er forderte seine Anhänger auf, sein Evangelium in alle Welt hinauszutragen. Mitten in die Wirrnis und extremen Kultpraktiken Indiens kamen die gesünderen und gemäßigteren Lehren Gautamas wie ein erleichtertes Aufatmen. Er brandmarkte die Götter, die Priester und ihre Opferungen, aber auch ihm gelang es nicht, die Persönlichkeit des Universalen Einen zu erkennen. Da Gautama nicht an die Existenz individueller menschlicher Seelen glaubte, kämpfte er natürlich tapfer gegen den altehrwürdigen Seelenwanderungsglauben. Er unternahm eine edle Anstrengung, die Menschen von Furcht zu befreien und dafür zu sorgen, dass sie sich im großen Universum wohl und wie zu Hause fühlten, aber er war nicht in der Lage, ihnen den Pfad zu jenem realen und himmlischen Zuhause der aufsteigenden Sterblichen - dem Paradies - und zum wachsenden Dienst in einer ewigen Existenz zu weisen. Gautama war ein wirklicher Prophet, und hätte er die Anweisungen des Eremiten Godad beachtet, hätte er vielleicht ganz Indien durch das inspirierende Wiederaufleben des Salem-Evangeliums vom rettenden Glauben wachgerüttelt. Godad war der Nachkomme einer Familie, in der die Überlieferungen der Missionare Melchisedeks nie verloren gegangen waren. In Benares gründete Gautama seine Schule, und es begab sich im zweiten Jahr ihres Bestehens, dass ein Schüler, Bautan, seinem Lehrer eröffnete, was er von der Überlieferung der Missionare Salems über den Bund Melchisedeks mit Abraham wusste; und obwohl Siddharta keine sehr klare Vorstellung vom Universalen Vater hatte, vertrat er nun einen fortschrittlichen Standpunkt in Bezug auf die Errettung durch den Glauben - durch einfaches Vertrauen. Er erklärte sich in diesem Sinne vor seinen Anhängern und begann, seine Schüler in Sechzigergruppen auszusenden, um dem Volk Indiens "die gute Nachricht von dem umsonst gewährten Heil" zu verkünden - "dass alle Menschen, hohe und niedrige, durch den Glauben an Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit Glückseligkeit erreichen können". Gautamas Gattin glaubte an das Evangelium ihres Ehemannes und wurde die Begründerin eines Nonnenordens. Sein Sohn wurde sein Nachfolger und baute den Kult sehr stark aus; er erfasste die neue Idee von der Errettung durch den Glauben, aber in seinen späteren Jahren wurde er gegenüber dem Evangelium Salems von der göttlichen Gunst durch den alleinigen Glauben wankend, und als er in hohem Alter verstarb, waren seine letzten Worte: "Arbeitet an eurem eigenen Heil." Wenn es in seiner besten Form verkündet wurde, war Gautamas Evangelium von der universalen Errettung, frei von Opfern, Marter, Ritual und Priestern, für seine Zeit eine revolutionäre und erstaunliche Doktrin. Und es kam einem Wiederaufleben des Evangeliums von Salem erstaunlich nahe. Es brachte Millionen von verzweifelnden Seelen Hilfe, und trotz seiner in späteren Jahrhunderten erfolgten grotesken Entstellung bleibt es immer noch die Hoffnung von Millionen menschlicher Wesen. Siddharta lehrte viel mehr an Wahrheit als in den modernen Kulten, die seinen Namen tragen, überlebt hat. Der moderne Buddhismus ist nicht mehr die Lehre Gautama Siddhartas, als das Christentum die Lehre Jesu von Nazareth ist. ***** 94.8 Der buddhistische Glaube ***** Um Buddhist zu werden, legte man nur ein öffentliches Glaubensbekenntnis durch Aufsagen der Zuflucht ab: "Ich nehme Zuflucht zum Buddha; ich nehme Zuflucht zu der Doktrin; ich nehme Zuflucht zur Bruderschaft." Der Buddhismus hatte seinen Ursprung in einer historischen Person, nicht in einem Mythos. Gautamas Anhänger nannten ihn Sasta, was Meister oder Lehrer bedeutet. Obwohl er weder von sich noch von seinen Lehren behauptete, übermenschlicher Herkunft zu sein, begannen seine Jünger schon früh, ihn den Erleuchteten, Buddha und später Sakyamuni Buddha zu nennen. Das ursprüngliche Evangelium Gautamas gründete auf den vier edlen Wahrheiten: 1. Die edlen Wahrheiten des Leidens. 2. Die Ursprünge des Leidens. 3. Die Vernichtung des Leidens. 4. Der Weg zu der Vernichtung des Leidens. Eng verbunden mit der Lehre vom Leiden und der Flucht daraus war die Philosophie des Achtfachen Pfades: rechte Ansichten, rechte Ziele, rechte Rede, rechtes Verhalten, rechtes Auskommen, rechte Anstrengung, rechte Aufmerksamkeit und rechte Betrachtung. Es lag nicht in Gautamas Absicht, jede Anstrengung, jeden Wunsch und jede Zuneigung zerstören zu wollen, um dem Leiden zu entrinnen; seine Lehre sollte dem sterblichen Menschen vielmehr die Sinnlosigkeit vor Augen führen, alles Hoffen und Sehnen allein auf zeitliche und materielle Ziele zu richten. Es ging viel weniger darum, sich der Liebe zu seinen Mitmenschen zu enthalten, als darum, dass der wahre Gläubige über alles mit dieser materiellen Welt Verbundene hinaus auch auf die Realitäten der ewigen Zukunft blicken sollte. Die sittlichen Gebote der Predigt Gautamas waren fünf an der Zahl: 1. Du sollst nicht töten. 2. Du sollst nicht stehlen. 3. Du sollst nicht unkeusch sein. 4. Du sollst nicht lügen. 5. Du sollst keine berauschenden Flüssigkeiten trinken. Es gab noch mehrere zusätzliche oder sekundäre Gebote, deren Beobachtung den Gläubigen freigestellt war. Siddharta glaubte kaum an die Unsterblichkeit der menschlichen Persönlichkeit; seine Philosophie gewährte nur eine Art funktioneller Kontinuität. Er definierte nie klar, was die Lehre vom Nirwana für ihn beinhaltete. Die Tatsache, dass es theoretisch schon während der irdischen Existenz erfahren werden konnte, könnte ein Hinweis darauf sein, dass es nicht als ein Zustand der vollständigen Auslöschung gesehen wurde. Es beinhaltete einen Zustand höchster Erleuchtung und himmlischer Seligkeit, in dem alle Ketten, die den Menschen an die materielle Welt banden, gesprengt waren; in ihm herrschte Freiheit von allen Wünschen des menschlichen Lebens und Erlösung von aller Gefahr, je wieder eine Inkarnation durchmachen zu müssen. Den ursprünglichen Lehren Gautamas zufolge wird das Heil durch menschliche Anstrengung und ohne göttliche Hilfe erreicht; es gibt keinen Raum für einen rettenden Glauben an übermenschliche Mächte und an sie gerichtete Gebete. Um den Aberglauben Indiens möglichst abzubauen, wollte Gautama die Menschen veranlassen, sich von denen abzuwenden, die lauthals Errettung durch Magie verkündeten. Aber gerade dieses Bemühen öffnete seinen Nachfolgern die Tür, um nun seine Lehre falsch auszulegen und zu verkünden, dass alles menschliche Streben nach höherer Verwirklichung widerlich und schmerzhaft sei. Seine Nachfolger übersahen die Tatsache, dass das höchste Glück mit der intelligenten und enthusiastischen Verfolgung lohnender Ziele einhergeht und dass auf diesem Wege Vollbrachtes einen wahren Fortschritt in kosmischer Selbstverwirklichung darstellt. Die große Wahrheit in Siddhartas Lehre war seine Verkündigung eines Universums absoluter Gerechtigkeit. Er lehrte die beste je von sterblichen Menschen erfundene Philosophie ohne Gott; sie war der ideale Humanismus, und sie entzog Aberglauben, magischen Ritualen und der Furcht vor Phantomen und Dämonen sehr wirksam allen Grund. Die große Schwäche des ursprünglichen Evangeliums des Buddhismus war, dass er keine Religion selbstlosen sozialen Dienstes hervorbrachte. Die buddhistische Bruderschaft war während langer Zeit keine Bruderschaft von Gläubigen, sondern vielmehr eine Gemeinschaft von studierenden Lehrern. Gautama verbot ihnen, Geld anzunehmen, und suchte dadurch dem Wachsen hierarchischer Tendenzen vorzubeugen. Gautama selber war höchst sozial; tatsächlich war sein Leben viel größer als seine Predigt. ***** 94.9 Die Ausbreitung des Buddhismus ***** Der Buddhismus gedieh, weil er das Heil durch den Glauben an Buddha, den Erleuchteten, anbot. Er verkörperte die Wahrheiten Melchisedeks besser als jedes andere religiöse System in ganz Ostasien. Aber der Buddhismus breitete sich als Religion nicht stark aus, bis der einer niederen Kaste entstammende Monarch Aschoka ihn zum Selbstschutz annahm. Nach Echnaton in Ägypten war Aschoka in der Zeit zwischen Melchisedek und Michael einer der bemerkenswertesten zivilen Herrscher. Dank der Propaganda seiner buddhistischen Missionare baute Aschoka ein großes indisches Kaiserreich auf. Während eines Zeitraums von fünfundzwanzig Jahren schulte er mehr als siebzehntausend Missionare und sandte sie bis an die entlegensten Grenzen der ganzen bekannten Welt. In einer einzigen Generation machte er aus dem Buddhismus die beherrschende Religion von einer Hälfte der Welt. Bald fasste der Buddhismus Fuß in Tibet, Kaschmir, Ceylon, Burma, Java, Siam, Korea, China und Japan. Und im Allgemeinen war er eine Religion, die den Religionen, die er verdrängte oder veredelte, weit überlegen war. Die Ausbreitung des Buddhismus von seiner indischen Heimat über ganz Asien ist eine der aufregenden Geschichten von geistiger Hingabe und missionarischer Hartnäckigkeit von aufrichtig glaubenden Menschen. Während sie ihre Sendung auf dem asiatischen Kontinent erfüllten und allen Völkern die Botschaft ihres Glaubens brachten, trotzten die Lehrer des Evangeliums Gautamas nicht nur den Gefahren der Karawanenstraßen, sondern sie stellten sich auch den Bedrohungen der chinesischen Meere. Aber dieser Buddhismus war nicht mehr die einfache Lehre Gautamas; es war das mit Wundern ausgestattete Evangelium, das aus ihm einen Gott machte. Und je weiter von seiner Heimat im indischen Hochland weg der Buddhismus sich ausbreitete, umso weniger glich er den Lehren Gautamas und umso mehr nahm er die Züge der Religionen an, die er verdrängte. Später geriet der Buddhismus in China stark unter den Einfluss des Taoismus, in Japan des Schinto und in Tibet des Christentums. Nach tausend Jahren verwelkte er in Indien ganz einfach und starb. Er wurde brahmanisiert und kapitulierte später elendiglich vor dem Islam, während er in einem großen Teil des übrigen Orients zu einem Ritual entartete, das Gautama Siddharta nicht wiedererkannt hätte. Im Süden überdauerte die fundamentalistische stereotype Ausprägung der Lehren Siddhartas auf Ceylon, in Burma und auf der indochinesischen Halbinsel. Dies ist die Hinayana-Richtung des Buddhismus, die der frühen oder asozialen Lehre anhängt. Aber bereits vor dem Zusammenbruch in Indien hatten die chinesischen und nordindischen Gruppen der Anhänger Gautamas mit der Enwicklung der Mahayana-Lehre von der "Großen Straße" zum Heil begonnen im Gegensatz zu den Puristen im Süden, die an Hinayana oder der "Kleineren Straße", festhielten. Die Mahayanisten befreiten sich von den der buddhistischen Lehre eigenen sozialen Beschränkungen, und seitdem hat sich dieser nördliche Zweig des Buddhismus in China und Japan fortwährend weiterentwickelt. Der Buddhismus ist heute eine lebendige, wachsende Religion, weil es ihm gelingt, viele der höchsten sittlichen Werte seiner Anhänger zu bewahren. Er fördert innere Ruhe und Selbstbeherrschung, erhöht Heiterkeit und Glück und trägt viel dazu bei, Schmerz und Trauer vorzubeugen. Wer an diese Philosophie glaubt, lebt ein besseres Leben als manche, die nicht daran glauben. ***** 94.10 Die Religion in Tibet ***** In Tibet kann man die seltsamste Verknüpfung der Lehren Melchisedeks mit Buddhismus, Hinduismus, Taoismus und Christentum finden. Als die buddhistischen Missionare Tibet betraten, stießen sie auf einen Zustand primitiver Rohheit, der stark demjenigen glich, den die frühen christlichen Missionare bei den nördlichen Stämmen Europas antrafen. Diese einfachen tibetanischen Gemüter wollten sich nicht völlig von ihrer alten Magie und ihren Zaubermitteln lösen. Eine Betrachtung des religiösen Zeremoniells der heutigen tibetanischen Rituale zeigt eine übermäßig angeschwollene Bruderschaft von Priestern mit rasierten Köpfen, die ein ausgeklügeltes Ritual befolgen mit Glocken, Gesängen, Weihrauch, Prozessionen, Rosenkränzen, Statuen, magischen Gegenständen, Bildern, heiligem Wasser, prächtigen Gewändern und kunstvollen Chören. Sie haben starre Dogmen und kristallisierte Kredos, mystische Riten und besondere Fastenregeln. Ihre Hierarchie umfasst Mönche, Nonnen, Äbte und den Großen Lama. Sie beten zu Engeln, Heiligen, zu einer Heiligen Mutter und zu den Göttern. Sie pflegen die Beichte und glauben an das Fegefeuer. Ihre Klöster sind riesig und ihre Kathedralen prachtvoll. Sie sind unermüdlich beim endlosen Wiederholen heiliger Rituale und glauben, dass solche Zeremonien das Heil schenken. Sie befestigen ihre Gebete an einem Rad und sind überzeugt, dass ihre Bitten durch sein Drehen wirksam werden. Bei keinem anderen Volk der Jetztzeit kann die Befolgung von so vielem aus so verschiedenen Religionen gefunden werden; eine derartige liturgische Anhäufung musste unweigerlich maßlos beschwerlich und unerträglich drückend werden. Die Tibeter haben von allen führenden Weltreligionen etwas, außer von den einfachen Lehren des Evangeliums Jesu: Gotteskindschaft, menschliche Bruderschaft und nie endendes aufsteigendes Bürgerrecht im ewigen Universum. ***** 94.11 Die buddhistische Philosophie ***** Der Buddhismus drang im ersten Jahrtausend nach Christus in China ein, und er passte gut zu den religiösen Gewohnheiten der gelben Rasse. Im Ahnenkult hatten die Chinesen lange zu den Toten gebetet; jetzt konnten sie auch für sie beten. Der Buddhismus verschmolz bald mit den übrig gebliebenen rituellen Praktiken des zerbröckelnden Taoismus. Diese neue, eine Synthese darstellende Religion mit ihren Andachtstempeln und ihrem klaren religiösen Zeremoniell wurde bald zum allgemein akzeptierten Kult der Völker Chinas, Koreas und Japans. Obwohl es in gewisser Hinsicht bedauerlich ist, dass der Buddhismus erst in die Welt hinausgetragen wurde, als die Überlieferungen und Lehren des Kults durch Gautamas Nachfolger so umgebogen worden waren, dass aus ihm ein göttliches Wesen wurde, sollte es sich doch erweisen, dass der mit einer Unzahl von Wundern ausgeschmückte Mythos von seinem irdischen Leben auf die Menschen, die dem nördlichen oder Mahayana-Evangelium des Buddhismus zuhörten, eine große Faszination ausübte. Einige seiner späteren Nachfolger lehrten, dass Sakyamuni Buddhas Geist periodisch als lebender Buddha zur Erde zurückkehre, und gaben damit den Weg frei für eine unbegrenzte Fortdauer von Buddhastatuen, -tempeln, -ritualen und falschen "lebenden Buddhas". Und so fand sich die Religion des großen indischen Protestanten schließlich gerade durch jene zeremoniellen Praktiken und rituellen Beschwörungen gefesselt, die er so furchtlos bekämpft und so unerschrocken verurteilt hatte. Der große Fortschritt, den die buddhistische Philosophie brachte, lag im Verständnis der Relativität aller Wahrheit. Dank dem Mechanismus dieser Hypothese waren die Buddhisten imstande, die divergierenden Aussagen ihrer eigenen religiösen Schriften miteinander zu versöhnen und zu korrelieren, desgleichen die Unterschiede zwischen den eigenen und vielen anderen Schriften. Es wurde gelehrt, die kleine Wahrheit sei für kleine Intelligenzen, die große Wahrheit für große Intelligenzen. Diese Philosophie vertrat auch die Ansicht, dass die (göttliche) Buddhanatur in allen Menschen wohne, dass der Mensch durch eigene Anstrengung sich seiner inneren Göttlichkeit bewusst werden könne. Und diese Lehre ist eine der klarsten Beschreibungen der Wahrheit des innewohnenden Justierers, die je von einer urantianischen Religion gemacht wurde. Aber die große Beschränkung des ursprünglichen Evangeliums Siddhartas, wie es von seinen Anhängern ausgelegt wurde, lag darin, dass es die vollständige Befreiung des menschlichen Selbst von allen Begrenzungen der sterblichen Natur durch die Technik der Isolierung des Selbst von der objektiven Realität anstrebte. Wahre kosmische Selbstverwirklichung ist das Resultat der Identifikation mit der kosmischen Realität und mit dem raumgebundenen und zeitbedingten endlichen Kosmos aus Energie, Verstand und Geist. Aber obwohl die Zeremonien und äußeren Gepflogenheiten des Buddhismus durch das Brauchtum der Länder, die er durchquerte, arg in Mitleidenschaft gezogen wurden, betraf diese Degeneration weniger das philosophische Leben der großen Denker, die dieses Gedanken- und Glaubenssystem von Zeit zu Zeit zu dem ihren machten. Während über zweitausend Jahren haben sich viele der besten Denker Asiens auf das Problem konzentriert, die absolute Wahrheit und die Wahrheit des Absoluten zu ermitteln. Die Entwicklung eines hohen Konzeptes des Absoluten vollzog sich durch viele Gedankenkanäle und über Umwege in der Beweisführung. Die Aufwärtsbewegung dieser Unendlichkeitsdoktrin trat nicht so klar hervor wie die Evolution des Gotteskonzepts in der hebräischen Theologie. Nichtsdestoweniger gab es gewisse umfassende Ebenen, die vom Denken der Buddhisten erreicht wurden, auf welchen sie verweilten und die sie auf ihrem Weg zu einer Vorstellung vom Urquell des Universums durchliefen. 1. Die Legende von Gautama. Den Grund des Konzeptes bildete die historische Tatsache des Lebens und der Lehren Siddhartas, des Propheten-Fürsten von Indien. Während diese Legende die Jahrhunderte und die weiten Länder Asiens durchwanderte, wuchs sie sich zu einem Mythos aus, bis sie endlich den Rahmen der Idee von Gautama als dem Erleuchteten überschritt und sich mit zusätzlichen Attributen zu schmücken begann. 2. Die vielen Buddhas. Man überlegte sich, dass wenn Gautama zu den Völkern Indiens gekommen war, die Rassen der Menschheit in ferner Vergangenheit ebenfalls mit anderen Wahrheitslehrern gesegnet sein mussten und es in einer fernen Zukunft unzweifelhaft auch wieder sein würden. Das ließ die Lehre entstehen, dass es viele Buddhas gebe, eine unbeschränkte und unendliche Zahl, dass sogar jeder danach streben könne, ein solcher zu werden - die Göttlichkeit eines Buddhas zu erreichen. 3. Der absolute Buddha. Als die Zahl der Buddhas ins Unendliche zu gehen begann, verspürten die Denker jener Tage die Notwendigkeit, dieses unhandliche Konzept zu vereinheitlichen. Also begannen sie zu lehren, dass alle Buddhas nur die Manifestation einer höheren Essenz seien, eines Einen Ewigen unendlicher und uneingeschränkter Existenz, einer absoluten Quelle aller Realität. Von hier an scheidet sich das Gottheitskonzept des Buddhismus in seiner höchsten Form von der menschlichen Person Gautama Siddhartas und entledigt sich der anthropomorphischen Begrenzungen, die es im Zaume gehalten hatten. Diese letztendliche Konzeption des Ewigen Buddhas kann als das Absolute, manchmal sogar als das unendliche ICH BIN identifiziert werden. Obwohl diese Idee einer absoluten Gottheit bei den Völkern Asiens nie große Popularität genoss, befähigte sie die Intellektuellen dieser Länder, ihre Philosophie zu vereinheitlichen und ihre Kosmologie zu harmonisieren. Das Konzept des Absoluten Buddha ist manchmal beinah-persönlich, manchmal völlig unpersönlich - sogar eine unendliche schöpferische Kraft. Solche Konzepte sind zwar in der Philosophie hilfreich, aber für die religiöse Entwicklung nicht wesentlich. Selbst ein anthropomorpher Jahwe besitzt größeren religiösen Wert als ein unendlich fernes Absolutes des Buddhismus oder Brahmanismus. Manchmal wurde das Absolute sogar als im unendlichen ICH BIN enthalten gedacht. Aber diese Spekulationen waren nur ein kühler Trost für die hungrigen Mengen, die danach lechzten, Worte des Versprechens zu hören, das einfache Evangelium von Salem zu hören, dass der Glaube an Gott die göttliche Gunst und das ewige Fortleben sicherstelle. ***** 94.12 Das Gotteskonzept des Buddhismus ***** Die große Schwäche der Kosmologie des Buddhismus war zweifacher Natur: seine Verunreinigung durch viele abergläubische Vorstellungen Indiens und Chinas und seine Sublimierung Gautamas, zuerst als des Erleuchteten und dann als des Ewigen Buddhas. So wie das Christentum unter der Aufnahme von viel irriger menschlicher Philosophie gelitten hat, trägt auch der Buddhismus sein menschliches Muttermal. Aber die Lehren Buddhas haben sich während der vergangenen zweieinhalb Jahrtausende immer weiterentwickelt. Das Konzept Buddhas ist für einen aufgeklärten Buddhisten ebenso wenig die menschliche Persönlichkeit Gautamas, wie für einen aufgeklärten Christen das Konzept Jehovas mit dem Geist-Dämon vom Berg Horeb identisch ist. Armut der Terminologie zusammen mit gefühlsbedingter Beibehaltung alter Ausdrücke ist oft daran schuld, dass die wahre Bedeutung der Evolution religiöser Konzepte nicht verstanden wird. Allmählich begann im Buddhismus das Gotteskonzept, als Gegensatz zu dem Absoluten, zu erscheinen. Seine Wurzeln gehen auf jene frühen Tage zurück, als sich die Anhänger der Kleineren Straße von jenen der Großen Straße trennten. Und es geschah in diesem zweiten Zweig des Buddhismus, dass schließlich die doppelte Vorstellung von Gott und dem Absoluten heranreifte. Schritt für Schritt, Jahrhundert um Jahrhundert entwickelte sich das Gotteskonzept, bis es mit den Lehren Ryonins, Honen Shonins und Shinrans in Japan im Glauben an Amida Buddha endlich zum Blühen kam. Unter diesen Gläubigen wird gelehrt, dass die Seele nach der Todeserfahrung die Wahl hat, sich an einem Aufenthalt im Paradies zu erfreuen, bevor sie ins Nirwana, den letzten Existenzzustand, eintritt. Es wird verkündet, dass diese neue Errettung erworben wird durch den Glauben an das göttliche Erbarmen und an die liebende Fürsorge Amidas, des Gottes des Paradieses im Westen. In ihrer Philosophie vertreten die Amidisten die Existenz einer unendlichen Realität, die jenseits jedes menschlichen Verständnisses liegt; in ihrer Religion glauben sie an den allerbarmenden Amida, der die Welt so sehr liebt, dass er es nicht zuließe, dass auch nur ein einziger Sterblicher, der seinen Namen aufrichtig glaubend und reinen Herzens anruft, dabei scheitern würde, die himmlische Glückseligkeit des Paradieses zu erreichen. Die große Stärke des Buddhismus liegt darin, dass seine Anhänger frei sind, aus allen Religionen Wahrheit zu beziehen; selten hat eine derartige Freiheit der Wahl einen urantianischen Glauben ausgezeichnet. In dieser Beziehung ist die japanische Shinsekte eine der fortschrittlichsten religiösen Gruppen der Welt geworden; sie hat den einstigen missionarischen Geist der Anhänger Gautamas wieder aufleben lassen und damit begonnen, Lehrer zu anderen Völkern auszusenden. Diese Bereitschaft, sich Wahrheit aus den verschiedensten Quellen anzueignen, ist wirklich eine empfehlenswerte Tendenz, die sich in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts nach Christus unter religiösen Menschen bemerkbar macht. Der Buddhismus selber erlebt im zwanzigsten Jahrhundert eine Renaissance. Durch den Kontakt mit dem Christentum haben die sozialen Aspekte des Buddhismus große Fortschritte gemacht. Der Wunsch zu lernen ist in den Herzen der Mönchspriester der Bruderschaft wieder entfacht worden, und die sich in der buddhistischen Glaubensgemeinschaft ausbreitende Bildung wird bestimmt zu neuen Durchbrüchen in religiöser Entwicklung führen. Zur Zeit dieser Niederschrift setzt ein großer Teil Asiens seine Hoffnung auf den Buddhismus. Wird dieser edle Glaube, der sich durch die dunklen Zeitalter der Vergangenheit so tapfer gehalten hat, einmal mehr die Wahrheiten erweiterter kosmischer Realitäten empfangen, gerade so wie die Jünger des großen indischen Lehrers einst seiner Verkündigung neuer Wahrheit gelauscht haben? Wird dieser alte Glaube einmal mehr auf den stärkenden Stimulus der Eröffnung neuer Konzepte von Gott und dem Absoluten ansprechen, nach denen er so lange gesucht hat? Ganz Urantia wartet auf die Verkündigung der veredelnden Botschaft Michaels, befreit von den angehäuften Lehren und Dogmen eines neunzehnhundertjährigen Kontaktes mit den Religionen evolutionären Ursprungs. Die Stunde schlägt, da dem Buddhismus, dem Christentum, dem Hinduismus und sogar den Völkern aller Bekenntnisse nicht das Evangelium über Jesus, sondern die lebendige, geistige Wahrheit des Evangeliums Jesu darzubringen ist. [Dargeboten von einem Melchisedek Nebadons.] ****** Kapitel 95 Die Lehren Melchisedeks in der Levante ****** GERADE so wie Indien viele der Religionen und Philosophien Ostasiens gebar, war die Levante das Heimatland der Bekenntnisse der abendländischen Welt. Die Missionare aus Salem verteilten sich über ganz Südwestasien, Palästina, Mesopotamien, Ägypten, Iran und Arabien und verkündeten überall die gute Nachricht Machiventa Melchisedeks. In einigen dieser Länder trugen ihre Lehren Früchte; in anderen hatten sie unterschiedlichen Erfolg. Manchmal ging ihr Scheitern auf einen Mangel an Weisheit zurück, manchmal auf Umstände, die sich ihrer Einflussnahme entzogen. ***** 95.1 Die Religion Salems in Mesopotamien ***** Um 2000 v. Chr. hatten die Religionen Mesopotamiens die Lehren der Sethiten so ziemlich verloren und standen weitgehend unter dem Einfluss der primitiven Glaubensvorstellungen von zwei Invasorengruppen, der aus der westlichen Wüste eingesickerten semitischen Beduinen und der berittenen Barbaren, die aus dem Norden herabgekommen waren. Aber die Sitte der frühen adamitischen Völker, den siebenten Wochentag zu ehren, war in Mesopotamien nie ganz verschwunden. Nur galt der siebente Tag in der Ära Melchisedeks als der unheilvollste. Er war mit Tabus überhäuft; es verstieß gegen das Gesetz, an diesem schlimmen siebenten Tag eine Reise anzutreten, Speisen zu kochen oder ein Feuer zu machen. Die Juden brachten viele dieser mesopotamischen Tabus, die auf der babylonischen Innehaltung des siebenten Tages, des Sabattum, beruhten, nach Palästina zurück. Obwohl die Lehrer aus Salem viel taten, um die Religionen Mesopotamiens zu verfeinern und zu heben, gelang es ihnen nicht, die verschiedenen Völker zu dauernden Bekennern des einen Gottes zu machen. Ihre Lehre gewann während über hundertfünfzig Jahren die Oberhand und wich dann schrittweise dem früheren Glauben an eine Vielzahl von Gottheiten. Die Lehrer aus Salem reduzierten die Zahl der Götter Mesopotamiens sehr stark. Zu einer gewissen Zeit hatten sie die Hauptgottheiten auf sieben reduziert: Bel, Schamasch, Nabu, Anu, Ea, Marduk und Sin. Auf dem Höhepunkt der neuen Lehre erhoben sie drei dieser Götter zu Herrschern über alle anderen; das war die babylonische Trias: Bel, Ea und Anu, die Götter der Erde, des Meeres und des Himmels. An verschiedenen Orten entstanden noch andere Dreiheiten, die alle ein Nachhall der Trinitätslehren der Anditen und Sumerer waren und sich auf den Glauben der Salemiten an das Emblem Melchisedeks mit den drei Kreisen stützten. Es gelang den Lehrern aus Salem nie ganz, die Popularität Ischtars, Mutter von Göttern und Geist sexueller Fruchtbarkeit, zu besiegen. Sie unternahmen viel, um den Kult dieser Göttin zu verfeinern, aber die Babylonier und ihre Nachbarn waren ihren verhüllten Formen der Geschlechtsverehrung nie ganz entwachsen. Es war in ganz Babylonien allgemeiner Brauch geworden, dass sich alle Frauen in jungen Jahren wenigstens einmal von Fremden umarmen ließen; das galt als eine von Ischtar geforderte Hingabe, und man glaubte, dass Fruchtbarkeit weitgehend von diesem sexuellen Opfer abhänge. Die anfänglichen Fortschritte der Lehre Melchisedeks waren höchst erfreulich, bis sich Nabodad, der Leiter der Schule von Kisch, entschloss, einen konzertierten Angriff auf die herrschenden Praktiken der Tempelprostitution zu machen. Aber die Anstrengungen der Missionare aus Salem zur Durchsetzung dieser sozialen Reform schlugen fehl, und alle ihre viel wichtigeren geistigen und philosophischen Lehren wurden unter dem Trümmerhaufen dieses Misserfolgs begraben. Auf diese Niederlage des Evangeliums von Salem folgte unmittelbar eine bedeutende Zunahme des Ischtarkultes, ein Ritual, das bereits in die umliegenden Länder eingedrungen war: In Palästina wurde Ischtar als Aschtoreth verehrt, in Ãgypten als Isis, in Griechenland als Aphrodite und bei den nördlichen Stämmen als Astarte. Und in Verbindung mit dieser von neuem aufblühenden Verehrung Ischtars kehrten die babylonischen Priester zu der Sternguckerei zurück; die Astrologie erfuhr in Mesopotamien ihr letztes großes Wiederaufleben, Wahrsagerei kam in Schwang, und es folgte ein jahrhunderte langer Niedergang der Priesterschaft. Melchisedek hatte seine Jünger ermahnt, die Lehre von dem einen Gott, dem Vater und Erschaffer aller Dinge, zu verkünden und einzig das Evangelium der göttlichen Gunst durch den alleinigen Glauben zu predigen. Aber die Lehrer neuer Wahrheit sind oft dem Irrtum verfallen, zu viel zu wollen, zu versuchen, die langsame Evolution durch plötzliche Revolution zu ersetzen. Die Missionare Melchisedeks in Mesopotamien stellten einen für das Volk zu hohen sittlichen Maßstab auf; sie nahmen sich zu viel vor, und ihre edle Sache erlitt eine Niederlage. Sie hatten den Auftrag erhalten, ein ganz bestimmtes Evangelium zu predigen, die Wahrheit von der Realität des Universalen Vaters zu verkünden, aber sie verstrickten sich in der vermeintlich würdigen Aufgabe, die Sitten zu reformieren, und so wurde ihre große Sendung auf ein Nebengeleise geschoben und versank praktisch in Enttäuschung und Vergessen. In einer einzigen Generation nahm das Hauptquartier Salems in Kisch ein Ende, und die Verkündigung des Glaubens an einen einzigen Gott hörte praktisch in ganz Mesopotamien auf. Aber Reste der Schulen Salems bestanden weiter. Kleine da und dort verstreute Gruppen erhielten ihren Glauben an einen einzigen Schöpfer aufrecht und kämpften gegen den Götzendienst und die Unsittlichkeit der mesopotamischen Priester. Die Missionare Salems der Periode, die auf die Zurückweisung ihrer Lehre folgte, waren es, die viele der Psalmen des alten Testamentes schrieben und sie in Steine gravierten, auf denen sie die späteren hebräischen Priester während ihrer Gefangenschaft fanden und anschließend ihrer Sammlung von Hymnen einverleibten, welche jüdischen Autoren zugeschrieben wurden. Diese wunderschönen Psalmen aus Babylon wurden nicht in den Tempeln Bel-Marduks geschrieben; sie waren das Werk von Nachkommen der früheren Missionare Salems, und sie stehen in frappantem Gegensatz zu den magischen Sammelwerken der babylonischen Priester. Das Buch Hiob widerspiegelt recht gut die Lehren der Schule Salems in Kisch und ganz Mesopotamien. Vieles von der religiösen Kultur Mesopotamiens fand über Ägypten Eingang in die hebräische Literatur und Liturgie dank dem Wirken von Amenemope und Echnaton. In bemerkenswerter Weise bewahrten die Ägypter die Lehren über soziale Verpflichtungen, die von den früheren anditischen Mesopotamiern stammten und die den späteren Babyloniern, die das Euphrattal besetzten, so weitgehend abhanden gekommen waren. ***** 95.2 Die frühe ägyptische Religion ***** Die ursprünglichen Lehren Melchisedeks schlugen tatsächlich ihre tiefsten Wurzeln in Ägypten, von wo sie sich in der Folge nach Europa ausbreiteten. Die evolutionäre Religion des Niltals wurde periodisch durch die Ankunft höherer Linien von Noditen, Adamiten und später von Anditen aus dem Euphrattal verbessert. Von Zeit zu Zeit waren viele der zivilen Verwalter Ägyptens Sumerer. So wie Indien in jenen Tagen das stärkste Gemisch der Weltrassen beherbergte, so brachte Ägypten den am vollständigsten verschmolzenen Typus religiöser Philosophie hervor, den man auf Urantia finden konnte, und vom Niltal aus breitete sich diese in vielen Teilen der Welt aus. Die Juden bezogen ihre Idee von der Schöpfung der Welt zu einem guten Teil von den Babyloniern, aber ihr Konzept der göttlichen Vorsehung leitet sich von den Ägyptern her. Es waren eher politische und sittliche als philosophische oder religiöse Tendenzen, die Ägypten für die Lehre aus Salem empfänglicher machten als Mesopotamien. Jeder ägyptische Stammesführer, der sich bis zum Thron durchgekämpft hatte, suchte seine Dynastie dadurch zu verewigen, dass er seinen Stammesgott zur ursprünglichen Gottheit und zum Schöpfer aller anderen Götter erklärte. Dadurch gewöhnten sich die Ägypter allmählich an die Idee eines Übergottes, dem Sprungbrett zur späteren Doktrin einer universalen Schöpfergottheit. Die monotheistische Idee machte in Ägypten viele Jahrhunderte lang Vor- und Rückwärtsbewegungen, wobei der Glaube an einen einzigen Gott immer mehr an Boden gewann, ohne jedoch die sich entwickelnden Konzepte des Polytheismus je ganz zu beherrschen. Während ganzer Zeitalter hatten die Ägypter dem Kult der Naturgötter gefrönt; im Einzelnen besaß jeder der rund vierzig getrennten Stämme einen besonderen Gruppengott, wobei der eine den Stier, der andere den Löwen, ein dritter den Widder u.s.f. verehrte. Noch früher waren sie ganz wie die Indianer Amerikas Totemstämme gewesen. Mit der Zeit stellten die Ägypter fest, dass Leichname, die in Gräbern ohne Ziegelstein lagen, unter der Wirkung des sodahaltigen Sandes erhalten - konserviert - blieben, während die in Ziegelgruften bestatteten verfaulten. Diese Beobachtungen führten zu den Experimenten, die die spätere Praxis der Einbalsamierung der Toten zum Ergebnis hatten. Die Ägypter glaubten, dass die Konservierung der Leiche das Durchschreiten des künftigen Lebens erleichtere. Damit der Einzelne in ferner Zukunft nach dem Zerfall des Körpers richtig identifiziert werden könnte, brachten sie zusammen mit dem Leichnam eine Totenstatue in das Grab, wobei sie das Bildnis des Toten aus dem Sarg schnitzten. Die Herstellung dieser Totenstatuen führte zu einem großen Fortschritt in der ägyptischen Kunst. Jahrhundertelang setzten die Ägypter ihr Vertrauen in die Gräber als Garanten der Erhaltung des Körpers und eines darauf folgenden angenehmen Lebens nach dem Tode. Die spätere Herausbildung magischer Praktiken, obwohl von der Wiege bis zur Bahre schwer auf dem Leben lastend, befreite die Ägypter sehr wirksam von der Religion der Gräber. Die Priester beschrieben die Särge mit Zaubersprüchen, die als Schutz dagegen galten, dass"dem Menschen in der Unterwelt das Herz entrissen würde". Bald wurde eine bunte Auswahl dieser magischen Texte zusammengestellt und im Buch der Toten aufbewahrt. Aber im Niltal verflocht sich magisches Ritual schon früh mit den Bereichen des Gewissens und des Charakters in einem von den Ritualen jener Tage selten erreichten Ausmaß. Und später verließ man sich für sein Heil viel mehr auf diese ethischen und sittlichen Ideale als auf komplizierte Gräber. Ein gutes Beispiel für den Aberglauben dieser Zeiten ist der allgemeine Glaube an die Wirksamkeit des Speichels als Heilmittel, eine Idee, die ihren Ursprung in Ägypten hatte und von dort auf Arabien und Mesopotamien übergriff. In der legendären Schlacht zwischen Horus und Set verlor der junge Gott ein Auge, aber nachdem Set besiegt worden war, schenkte ihm der weise Gott Thoth wieder das Augenlicht, indem er auf die Wunde spuckte und sie heilte. Die Ägypter glaubten lange Zeit, die am Nachthimmel funkelnden Sterne seien die fortlebenden Seelen verdienter Toter. Von anderen Fortlebenden dachten sie, sie seien in die Sonne eingegangen. Eine Zeitlang wurde die Sonnenverehrung zu einer Art Ahnenkult. Die schräge Eingangsrampe der großen Pyramide war direkt auf den Polarstern hin ausgerichtet, damit die Seele des Königs, wenn sie dem Grab entstieg, geradewegs zu den unverrückbar ruhenden Konstellationen der Fixsterne, den angeblichen Wohnstätten der Könige, gehen konnte. Wenn die Menschen beobachteten, wie die Sonnenstrahlen durch eine Wolkenöffnung schräg auf die Erde herabfielen, glaubten sie, das bedeute das Herablassen einer Himmelsleiter, über die der König und andere rechtschaffene Seelen aufsteigen konnten. "König Pepi hat sein Strahlen wie eine Treppe unter seine Füße gebreitet, um darauf zu seiner Mutter aufzusteigen." Als Melchisedek in Menschengestalt erschien, hatten die Ägypter eine Religion, die weit über derjenigen der umliegenden Völker stand. Sie glaubten, dass eine entkörperlichte und gebührend mit magischen Formeln ausgestattete Seele den dazwischentretenden bösen Geistern entrinnen und zur Halle des Gerichts Osiris' weitergehen könne, wo sie, hatte sie sich nicht "des Mordes, des Raubs, der Falschheit, des Ehebruchs, des Diebstahls und der Selbstsucht" schuldig gemacht, in die Reiche der Seligkeit aufgenommen wurde. Aber wenn diese Seele auf den Waagen gewogen und als mangelhaft befunden worden war, wurde sie der Hölle, der Verschlingerin, überantwortet. Und das war ein relativ fortgeschrittenes Konzept eines zukünftigen Lebens im Vergleich zu den Glaubensvorstellungen vieler umliegender Völker. Die Vorstellung von einem jenseitigen Gericht für die im irdischen Leben begangenen Sünden gelangte aus Ägypten in die hebräische Theologie. Das Wort Gericht erscheint im gesamten Buch der hebräischen Psalmen nur ein einziges Mal, und gerade der betreffende Psalm wurde von einem Ägypter geschrieben. ***** 95.3 Die Evolution sittlicher Vorstellungen ***** Obwohl Kultur und Religion Ägyptens hauptsächlich aus dem anditischen Mesopotamien stammten und den späteren Zivilisationen weitgehend durch Hebräer und Griechen weitergegeben wurden, entstand ein großer, sehr großer Teil des sozialen und ethischen Idealismus der Ägypter im Tal des Nils als eine rein evolutionäre Entwicklung. Trotz der Importierung von viel Wahrheit und Kultur anditischen Ursprungs wuchs in Ägypten als eine rein menschliche Entwicklung mehr an sittlicher Kultur, als vor Michaels Selbsthingabe in irgendeiner anderen Erdengegend durch vergleichbare natürliche Techniken erschien. Sittliche Entwicklung hängt nicht völlig von Offenbarung ab. Hohe sittliche Vorstellungen können aus den eigenen Erfahrungen des Menschen hervorgehen. Der Mensch kann sogar aus seinen persönlichen Lebenserfahrungen geistige Werte entwickeln und eine kosmische Schau gewinnen, weil ihm ein göttlicher Geist innewohnt. Solche Bewusstseins- und Charakterentwicklungen wurden auch durch die periodische Ankunft von Lehrern der Wahrheit gefördert, in alten Zeiten aus dem zweiten Eden, später aus dem Hauptquartier Melchisedeks in Salem. Jahrtausende vor dem Einzug des Evangeliums von Salem in Ägypten lehrten dessen sittliche Führer Gerechtigkeit, Fairness und Vermeiden des Geizes. Dreitausend Jahre vor der Verfassung der hebräischen Schriften war der Leitspruch der Ägypter: "Fest ruht der Mann, der sich die Rechtschaffenheit zum Vorbild nimmt, der ihr nachlebt." Sie lehrten Liebenswürdigkeit, Mäßigung und Verschwiegenheit. Die Botschaft eines der großen Lehrer dieser Epoche lautete: "Tue recht und handle gerecht gegen alle." Die ägyptische Trias dieses Zeitalters war Wahrheit-Gerechtigkeit-Rechtschaffenheit. Von allen rein menschlichen Religionen Urantias übertraf keine die gesellschaftlichen Ideale und die sittliche Größe dieses ehemaligen Humanismus im Niltal. Auf dem Boden dieser sich entwickelnden ethischen Ideen und sittlichen Ideale blühten die fortlebenden Lehren der Religion Salems. Die Vorstellungen von Gut und Böse fanden in den Herzen eines Volkes willige Aufnahme, das glaubte, dass "das Leben den Friedfertigen gegeben ist und der Tod den Schuldigen". "Der Friedfertige ist der, welcher das Liebenswerte tut; der Schuldige der, welcher das Hassenswerte tut." Jahrhundertelang hatten die Bewohner des Niltals diesen erwachenden ethischen und gesellschaftlichen Maßstäben nachgelebt, bevor sie sich die späteren Vorstellungen von richtig und falsch - von gut und böse - zu Eigen machten. Ägypten war intellektuell und sittlich, aber nicht übertrieben geistig. Innerhalb von sechstausend Jahren erhoben sich unter den Ägyptern nur vier große Propheten. Amenemope folgten sie eine Zeitlang; Okhban ermordeten sie; Echnaton nahmen sie nur halbherzig während einer kurzen Generation an; Moses wiesen sie zurück. Und wiederum waren es mehr politische als religiöse Umstände, die es Abraham und später Joseph leicht machten, in Ägypten zugunsten der Lehren Salems von dem einen Gott einen großen Einfluss auszuüben. Aber als die Missionare aus Salem zum ersten Mal nach Ägypten kamen, fanden sie diese hochethische, mit den abgeänderten sittlichen Maßstäben der mesopotamischen Einwanderer vermischte Evolutionskultur vor. Diese frühen Lehrer des Niltals waren die ersten, die verkündeten, das Gewissen sei das Gebot Gottes, die Stimme der Gottheit. ***** 95.4 Die Lehren Amenemopes ***** Zu gegebener Zeit wuchs in Ägypten ein Lehrer heran, den viele den "Menschensohn" und andere Amenemope nannten. Dieser Seher hob das Gewissen in die allerhöchste Schiedsrichterposition zwischen richtig und falsch, lehrte Bestrafung für Sünden und verkündete das Heil durch Anrufung der Sonnengottheit. Amenemope lehrte, Reichtümer und Vermögen seien ein Geschenk Gottes, und diese Vorstellung durchdrang die später erscheinende hebräische Philosophie vollkommen. Dieser edle Lehrer glaubte, dass in allem Tun der entscheidende Faktor das Gottesbewusstsein sei; dass jeder Augenblick im Bewusstsein der Gegenwart Gottes und der Verantwortung ihm gegenüber gelebt werden sollte. Die Lehren dieses Weisen wurden in der Folge ins Hebräische übersetzt und wurden lange vor der Niederschrift des Alten Testamentes zum heiligen Buch dieses Volkes. Die hauptsächliche Predigt dieses guten Menschen betraf die Unterweisung seines Sohnes in Geradheit und Ehrlichkeit in Vertrauensstellungen der Regierung, und diese edlen Gefühle längst vergangener Zeiten würden jedem modernen Staatsmann zur Ehre gereichen. Dieser Weise des Nils lehrte, dass "die Reichtümer sich Flügel verschaffen und wegfliegen" - dass alle irdischen Dinge vergehen. Sein großes Gebet war, "von Furcht befreit" zu werden. Er ermahnte alle, sich von "den Worten der Menschen" ab- und "den Taten Gottes" zuzuwenden. Im Wesentlichen lehrte er: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Seine ins Hebräische übersetzten Lehren bestimmten die Philosophie des alttestamentlichen Buches der Sprichwörter. Ins Griechische übersetzt, färbten sie auf die gesamte folgende hellenische religiöse Philosophie ab. Der spätere alexandrinische Philosoph Philo besaß ein Exemplar vom Buch der Weisheit. Amenemope wirkte im Sinne der Bewahrung von evolutionärer Ethik und offenbarter Sittlichkeit und gab beide in seinen Schriften an die Hebräer und Griechen weiter. Er war nicht der größte der religiösen Lehrer dieses Zeitalters, aber er wurde dadurch zum einflussreichsten, dass er auf das spätere Denken der beiden für das Wachstum der abendländischen Zivilisation entscheidenden Bindeglieder abfärbte - der Hebräer, unter denen der abendländische religiöse Glaube seinen Gipfelpunkt erreichte, und der Griechen, die das rein philosophische Denken zu seinen höchsten europäischen Höhen führten. Im Buch der hebräischen Sprichwörter sind Kapitel fünfzehn, siebzehn, zwanzig und Kapitel zweiundzwanzig, Vers siebzehn, bis Kapitel vierundzwanzig, Vers zweiundzwanzig, fast wörtlich dem Buch der Weisheit Amenemopes entnommen. Der erste Psalm des hebräischen Buches der Psalmen hat Amenemope zum Verfasser und bildet das Herzstück der Lehren Echnatons. ***** 95.5 Der außergewöhnliche Echnaton ***** Die Lehren Amenemopes ließen in ihrer Wirkung auf das ägyptische Denken langsam nach, als eine Frau aus der königlichen Familie unter dem Einfluss eines ägyptischen salemitischen Arztes die Lehren Melchisedeks annahm. Diese Frau bewegte ihren Sohn Echnaton, Pharao von Ägypten, dazu, die Lehren vom Einen Gott anzunehmen. Seit dem Verschwinden des Mensch gewordenen Melchisedek hatte bis zu dieser Zeit kein menschliches Wesen eine so erstaunlich klare Vorstellung von der offenbarten Religion Salems besessen wie Echnaton. In einiger Hinsicht ist dieser junge ägyptische König eine der bemerkenswertesten Personen der Menschheitsgeschichte. In dieser Zeit beschleunigten geistigen Niedergangs Mesopotamiens hielt er die Lehre von El Elyon, dem Einen Gott, in Ägypten lebendig und sorgte so dafür, dass der philosophische monotheistische Kanal offen blieb, der für den religiösen Hintergrund der damals in der Zukunft liegenden Selbsthingabe Michaels unerlässlich war. Nebst anderen Gründen geschah es in Anerkennung dieser großen Leistung, dass das Kind Jesus nach Ägypten gebracht wurde, wo einige der geistigen Nachfolger Echnatons es sahen und gewisse Aspekte seiner göttlichen Sendung auf Urantia einigermaßen begriffen. Moses, der größte Charakter zwischen Melchisedek und Jesus, war das gemeinsame Geschenk der hebräischen Rasse und der ägyptischen königlichen Familie an die Welt; und hätte Echnaton Moses Vielseitigkeit und Geschick besessen und einen politischen Genius gezeigt, der auf der Höhe seiner erstaunlichen religiösen Führerschaft gestanden hätte, wäre Ägypten die große monotheistische Nation jenes Zeitalters geworden; und wäre dies geschehen, ist es durchaus denkbar, dass Jesus den größeren Teil seines irdischen Lebens in Ägypten verbracht hätte. Nie in der ganzen Geschichte ging ein König derart methodisch vor, um eine ganze Nation die Schwenkung vom Polytheismus zum Monotheismus vollziehen zu lassen, wie es der außerordentliche Echnaton tat. Mit der erstaunlichsten Entschlossenheit brach dieser junge Herrscher mit der Vergangenheit, änderte seinen Namen, verließ seine Hauptstadt, erbaute eine vollkommen neue Stadt und schuf für ein ganzes Volk eine neue Kunst und Literatur. Aber er ging zu schnell voran; er baute zu viel auf, mehr als nach seinem Weggang bestehen konnte. Dazu kam, dass er es unterließ, für die materielle Stabilität und das Gedeihen seines Volkes zu sorgen, was sich alles ungünstig auf seine religiösen Lehren auswirkte, als später die Fluten der Not und Unterdrückung über Ägypten fegten. Hätte dieser Mann mit seiner erstaunlich klaren Vision und außerordentlichen Zielstrebigkeit den politischen Scharfsinn des Moses besessen, dann hätte er die ganze Geschichte der Religionsentwicklung und Wahrheitsoffenbarung in der abendländischen Welt verändert. Zu seinen Lebzeiten war er imstande, die Aktivitäten der Priester, die er im Allgemeinen in Misskredit brachte, im Zaum zu halten, aber sie hielten im Verborgenen an ihren Kulten fest und traten in Aktion, sobald der junge König nicht mehr an der Macht war; und zögerten nicht, alle folgenden Schwierigkeiten Ägyptens mit der Einführung des Monotheismus unter seiner Herrschaft in Verbindung zu bringen. Es war sehr weise von Echnaton, den Monotheismus unter der Maske des Sonnengottes einzuführen. Diese Entscheidung, die Anbetung des Universalen Vaters durch das Aufgehen aller Götter in der Anbetung der Sonne ins Auge zu fassen, ging auf den Rat des salemitischen Arztes zurück. Echnaton bediente sich der verbreiteten Lehren des damals existierenden Atonglaubens bezüglich der Vater- und Mutterschaft der Gottheit und schuf eine Religion, die sich zu einer innigen Beziehung in der Anbetung zwischen Mensch und Gott bekannte. Echnaton war weise genug, nach außen hin an der Anbetung Atons, des Sonnengottes, festzuhalten, während er seine Vertrauten im Geheimen in die Verehrung des Einen Gottes, des Schöpfers Atons und höchsten Vaters aller Dinge und Wesen, einführte. Dieser junge Lehrer-König war ein fruchtbarer Schriftsteller, Verfasser der mit "Der Eine Gott" betitelten Abhandlung, eines Buches von einunddreißig Kapiteln, das die Priester völlig vernichteten, als sie wieder an der Macht waren. Echnaton schrieb ebenfalls hundertsiebenunddreißig Hymnen, von denen jetzt zwölf im alttestamentlichen Buch der Psalmen erhalten sind und hebräischen Verfassern zugeschrieben werden. Das beherrschende Wort für das tägliche Leben in Echnatons Religion war "Rechtschaffenheit", und er weitete das Konzept rechtschaffenen Tuns rasch aus, so dass es die internationale Ethik ebenso sehr einschloss wie die nationale. Dies war eine Generation von erstaunlicher persönlicher Frömmigkeit, und sie zeichnete sich durch ein echtes Verlangen der intelligenteren Männer und Frauen aus, Gott zu finden und ihn zu kennen. In jenen Tagen verschafften gesellschaftliche Stellung oder Reichtum keinem Ägypter vor dem Gesetz irgendwelche Vorteile. Das Familienleben Ägyptens trug viel zur Bewahrung und Hebung der sittlichen Kultur bei und inspirierte das spätere großartige Familienleben der Juden in Palästina. Die verhängnisvolle Schwäche des Evangeliums Echnatons war seine größte Wahrheit, die Lehre, dass Aton nicht nur der Erschaffer Ägyptens, sondern auch "der ganzen Welt ist, der Menschen und Tiere und aller fremden Länder, sogar Syriens und Kuschs, nebst diesem Land Ägypten. Er stellt alle an ihren Platz und sorgt für all ihre Bedürfnisse." Das waren hohe und erhabene Gottheitsvorstellungen, aber sie waren nicht nationalistisch. Solch internationale Gefühle der Religion waren nicht dazu angetan, die Moral der ägyptischen Armee auf dem Schlachtfeld zu heben, und gaben den Priestern wirksame Waffen in die Hand, um sie gegen den jungen König und seine neue Religion einzusetzen. Er hatte ein Gottheitskonzept, das weit über demjenigen der späteren Hebräer stand, aber es war zu fortgeschritten, um den Plänen des Erbauers einer Nation dienen zu können. Obwohl das monotheistische Ideal beim Ableben Echnatons Schaden nahm, lebte die Idee von dem einen Gott im Denken vieler Gruppen weiter. Der Schwiegersohn Echnatons machte mit den Priestern gemeinsame Sache, kehrte zur Anbetung der alten Götter zurück und änderte seinen Namen in Tutanchamon. Theben wurde wieder Hauptstadt, die Priester wurden auf Kosten des Landes immer fetter und besaßen schließlich einen Siebentel ganz Ägyptens; und bald erkühnte sich ein Mitglied derselben Priesterordnung, nach der Krone zu greifen. Aber die Priester vermochten die monotheistische Welle nicht ganz zu besiegen. Sie sahen sich immer mehr gezwungen, ihre Götter miteinander zu kombinieren und zu verbinden; die Götterfamilie zog sich immer mehr zusammen. Echnaton hatte die flammende Scheibe des Himmels mit dem Schöpfergott zusammengebracht, und diese Idee brannte in den Herzen der Menschen und sogar der Priester weiter, als der junge Reformer schon längst tot war. Nie starb die Idee des Monotheismus in den Herzen der Menschen Ägyptens und der Welt aus. Sie überdauerte sogar bis zur Ankunft des Schöpfersohnes jenes selben göttlichen Vaters, des einen Gottes, den Echnaton mit so großem Eifer verkündet hatte, auf dass ganz Ägypten ihn anbete. Die Schwäche der Lehre Echnatons lag in der Tatsache, dass er eine so fortgeschrittene Religion vorschlug, dass nur die gebildeten Ägypter seine Lehren ganz verstehen konnten. Die Masse der Landarbeiter erfasste sein Evangelium nie wirklich und war deshalb bereit, mit den Priestern zur althergebrachten Verehrung von Isis und ihrem Gemahl Osiris zurückzukehren, der angeblich auf wunderbare Weise von einem grausamen Tod auferstanden war, den ihm Set, der Gott der Finsternis und des Bösen, bereitet hatte. Die Lehre von der Unsterblichkeit für alle Menschen war für die Ägypter zu fortgeschritten. Eine Auferstehung war nur Königen und Reichen versprochen; deshalb wurden deren Körper in Erwartung des Tages des Gerichts so sorgfältig einbalsamiert und in Gräbern konserviert. Aber die Demokratie der Errettung und Auferstehung, wie Echnaton sie lehrte, setzte sich schließlich durch, sogar in einem solchen Ausmaß, dass die Ägypter später an ein Fortleben der Tiere glaubten. Obwohl die Bemühungen dieses ägyptischen Herrschers, seinem Volk die Anbetung des einen Gottes aufzuzwingen, offenbar fehlschlugen, sollte daran erinnert werden, dass sein Werk während Jahrhunderten sowohl in Palästina als auch in Griechenland nachhallte und dass Ägypten dadurch zum Werkzeug der Weitergabe der Mischung aus evolutionärer Kultur des Nils und offenbarter Religion des Euphrats an alle späteren Völker des Abendlandes wurde. Der Glanz dieser großen Ära sittlicher Entwicklung und geistigen Wachstums im Niltal war ungefähr zu der Zeit rasch am Verblassen, als das nationale Leben der Hebräer begann, und am Ende ihres ägyptischen Aufenthaltes nahmen die hebräischen Beduinen viel von diesen Lehren mit und verliehen mancher Unterweisung Echnatons in ihrer rassischen Religion Dauer. ***** 95.6 Die Lehren Salems im Iran ***** Von Palästina aus gingen einige Missionare Melchisedeks durch Mesopotamien bis zur großen iranischen Hochebene. Über fünfhundert Jahre lang machten die Lehrer aus Salem im Iran Fortschritte, und die ganze Nation war dabei, sich der Religion Melchisedeks zuzuneigen, als ein Herrscherwechsel eine erbitterte Verfolgung auslöste, die den monotheistischen Lehren des Salemkults praktisch ein Ende setzte. Die Lehre vom Bund mit Abraham war in Persien praktisch erloschen, als in jenem großen Jahrhundert sittlicher Renaissance, dem sechsten vor Christus, Zarathustra auftrat und die schwelende Glut des Evangeliums Salems neu anfachte. Dieser Begründer einer neuen Religion war ein viriler und abenteuerlustiger junger Mann, der während seiner ersten Pilgerreise nach Ur in Mesopotamien - nebst vielen anderen Überlieferungen - von der Rebellion Caligastias und Luzifers erfuhr, was alles stark an seine religiöse Natur appellierte. Und auf einen Traum hin, den er während seines Aufenthaltes in Ur hatte, entwarf er nun den Plan, in seine Heimat im Norden zurückzukehren und sich daran zu machen, die Religion seines Volkes umzugestalten. Er hatte die hebräische Idee von einem Gott der Gerechtigkeit, das mosaische Konzept der Göttlichkeit, in sich aufgenommen. Er hatte eine klare Vorstellung von einem höchsten Gott, und er setzte alle anderen Götter auf die Stufe von Teufeln herab, verwies sie in die Ränge der Dämonen, von denen er in Mesopotamien gehört hatte. Er hatte von den sieben Hauptgeisten erfahren, von denen die Überlieferung Urs noch zu berichten wusste, und folglich schuf er eine Galaxie von sieben höchsten Göttern mit Ahura-Mazda an ihrer Spitze. Diese untergeordneten Götter verknüpfte er mit der Idealisierung des Gerechten Gesetzes, des Guten Gedankens, der Edlen Regierung, des Heiligen Charakters, der Gesundheit und der Unsterblichkeit. Und diese neue Religion war eine Religion des Handelns - der Arbeit - nicht der Gebete und Rituale. Ihr Gott war ein Wesen von höchster Weisheit und der Schutzherr der Zivilisation; es war eine militante religiöse Philosophie, die es wagte, den Kampf gegen das Üble, gegen Untätigkeit und Rückständigkeit aufzunehmen. Zarathustra lehrte nicht die Anbetung des Feuers, aber er wollte die Flamme als Sinnbild des reinen und weisen Geistes universaler und höchster Herrschaft verwenden. (Es ist nur allzu wahr, dass seine späteren Anhänger dieses symbolische Feuer sowohl verehrten als auch anbeteten.) Nach der Bekehrung eines iranischen Fürsten wurde diese neue Religion schließlich durch das Schwert verbreitet. Und Zarathustra fiel heroisch im Kampf für das, woran er als die "Wahrheit des Herrn des Lichts" glaubte. Der Zoroastrismus ist das einzige urantianische Glaubensbekenntnis, in dem die dalamatianischen und edenischen Lehren von den Sieben Hauptgeisten überdauert haben. Obwohl es ihm nicht gelang, das Trinitätskonzept zu entwickeln, näherte er sich in gewissem Sinne demjenigen des Siebenfachen Gottes. Der ursprüngliche Zoroastrismus war nicht ein reiner Dualismus. Auch wenn die frühen Lehren das Böse tatsächlich als ein der Güte in der Zeit Zugeordnetes darstellten, ging es in der Ewigkeit endgültig in der letztendlichen Realität des Guten auf. Erst in späterer Zeit schenkte man der Vorstellung Glauben, dass das Gute und das Böse gleichberechtigt miteinander kämpften. Die jüdischen Überlieferungen von Himmel und Hölle und die Vorstellung von Dämonen in den hebräischen Schriften, obwohl auf dem Rest des über Luzifer und Caligastia Überlieferten beruhend, stammten indessen hauptsächlich von den Zoroastriern der Zeit, als die Juden unter der politischen und kulturellen Herrschaft der Perser standen. Wie die Ägypter lehrte auch Zarathustra den "Tag des Gerichts", aber er verband dieses Ereignis mit dem Ende der Welt. Sogar die Religion, die in Persien auf den Zoroastrismus folgte, war stark von ihm geprägt. Als die iranischen Priester versuchten, die Lehren Zarathustras umzustürzen, ließen sie den alten Mithraskult neu aufleben. Und der Mithraismus breitete sich über die ganze Levante und die Mittelmeergegenden aus und existierte eine Zeitlang gleichzeitig mit Juden- und Christentum. Zarathustras Lehren prägten somit nacheinander drei große Religionen: Judentum und Christentum und durch sie den Mohammedanismus. Aber es liegen Meilen zwischen den erhabenen Lehren und edlen Psalmen Zarathustras und den modernen Entstellungen seines Evangeliums durch die Parsen mit ihrer großen Furcht vor den Toten, verbunden mit ihrem Glauben an Sophistereien, die zu ermuntern Zarathustra sich nie herabgelassen hätte. Dieser große Mann gehörte zu jener einzigartigen Gruppe, die sich im sechsten Jahrhundert vor Christus erhob, um das Licht Salems davor zu bewahren, völlig und endgültig zu verlöschen, als es nur noch so schwach brannte, um dem Menschen in seiner verdunkelten Welt den Pfad zu weisen, der zum ewigen Leben führt. ***** 95.7 Die Lehren Salems in Arabien ***** Die Lehren Melchisedeks vom einen Gott wurden in der arabischen Wüste erst in relativ junger Zeit heimisch. Wie in Griechenland scheiterten die Missionare Salems auch in Arabien wegen ihres falschen Verständnisses der Anweisungen Melchisedeks hinsichtlich Überorganisation. Hingegen ließen sie sich nicht in derselben Weise hindern, als sie seine Ermahnung gegen alle Anstrengungen, das Evangelium durch militarische Gewalt oder zivilen Zwang verbreiten zu wollen, interpretierten. Nicht einmal in China oder Rom scheiterten die Lehren Melchisedeks vollständiger als in dieser so nahe bei Salem gelegenen Wüstengegend. Lange nachdem die Mehrheit der Völker im Morgen- und Abendland Buddhisten beziehungsweise Christen geworden waren, lebte man in der arabischen Wüste wie vor Jahrtausenden weiter. Jeder Stamm verehrte seinen althergebrachten Fetisch, und viele einzelne Familien hatten ihre eigenen Hausgötter. Lange dauerte der Kampf zwischen der babylonischen Ischtar, dem hebräischen Jahwe, dem iranischen Ahura und dem christlichen Vater des Herrn Jesus Christus. Nie vermochte eines der Konzepte die anderen ganz zu verdrängen. Da und dort gab es in Arabien Familien und Klane, die eine verschwommene Idee vom einen Gott behalten hatten. Solche Gruppen hielten die Überlieferungen von Melchisedek, Abraham, Moses und Zarathustra in Ehren. Es gab zahlreiche Zentren, die auf Jesu Evangelium hätten ansprechen können, aber die christlichen Missionare dieser Wüstenländer waren eine gestrenge und unbeugsame Gruppe, ganz im Gegensatz zu den kompromissfreudigen Neuerern, die als Missio-nare in den Mittelmeerländern tätig waren. Hätten Jesu Anhänger seine Weisung, "in alle Welt zu gehen und das Evangelium zu predigen", ernster genommen und wären sie bei dieser Predigt freundlicher und in den damit einhergehenden gesellschaftlichen Ansprüchen eigener Erfindung weniger streng gewesen, dann hätten viele Länder einschließlich Arabiens glücklich das einfache Evangelium des Zimmermannssohnes angenommen. Trotz der Tatsache, dass es den großen Monotheismen der Levante misslang, in Arabien Fuß zu fassen, war dieses Wüstenland fähig, einen Glauben hervorzubringen, der, obwohl geringere gesellschaftliche Ansprüche stellend, nichtsdestoweniger monotheistisch war. Es gab im Zusammenhang mit den primitiven und unorganisierten Glaubensvorstellungen der Wüste nur einen einzigen Faktor stammverwandter, rassischer oder nationaler Natur, und das war der ganz besondere und allgemeine Respekt, den beinahe alle arabischen Stämme gewillt waren, einem bestimmten Fetisch aus schwarzem Stein in einem bestimmten Tempel in Mekka zu bezeugen. Dieser gemeinsame Punkt des Kontaktes und der Verehrung führte in der Folge zur Errichtung der islamischen Religion. Was Jahwe, der Geist des Vulkans, für die jüdischen Semiten war, sollte der Stein der Kaaba für ihre arabischen Cousins werden. Die Stärke des Islams ist seine scharf gezeichnete und klar definierte Darstellung Allahs als der einen und einzigen Gottheit gewesen, seine Schwäche, militärische Gewalt mit seiner Verkündigung zu verbinden, und seine Herabwürdigung der Frau. Aber er hat standhaft an seiner Darstellung der Einen Universalen Gottheit aller festgehalten, des Gottes, "der das Unsichtbare und das Sichtbare kennt. Er ist der Erbarmende und der Mitleidvolle." "Gott ist wahrhaft voller Güte zu allen Menschen." "Und wenn ich krank bin, ist er es, der mich heilt." "Denn wann immer drei miteinander reden, ist Gott als vierter gegenwärtig", denn ist er nicht "der Erste und der Letzte und auch der Sichtbare und der Verborgene"? [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 96 Jahve - Der Gott der Hebräer ****** WENN der Mensch sich die Gottheit vorstellt, schließt er zuerst alle Götter ein, ordnet darauf alle fremden Götter seiner Stammesgottheit unter und schließt am Ende außer dem einen Gott letzten und höchsten Wertes alle anderen aus. Die Juden fassten alle Götter in ihrer erhabeneren Vorstellung vom Herrn Gott Israels zusammen. Desgleichen vereinigten die Hindus ihre mannigfaltigen Götter zu der im Rigweda beschriebenen "einen Geistigkeit der Götter", während die Mesopotamier ihre Götter auf das zentralere Konzept Bel-Marduks reduzierten. Diese monotheistischen Ideen reiften überall auf der Welt nicht lange nach dem Erscheinen Machiventa Melchisedeks zu Salem in Palästina heran. Aber Melchisedeks Gottheitskonzept war verschieden von demjenigen der evolutionären Philosophie von Einschluss, Unterordnung und Ausschluss; es gründete einzig auf schöpferischer Macht und beeinflusste sehr bald die höchsten Gottheitskonzepte Mesopotamiens, Indiens und Ägyptens. Die Religion Salems wurde von den Keniten und mehreren anderen kanaanitischen Stämmen als eine Tradition verehrt. Und das war ja eine der Zielsetzungen der Inkarnation Melchisedeks gewesen: eine Religion des einen Gottes zu fördern, um der irdischen Selbsthingabe eines Sohnes dieses einen Gottes den Weg zu ebnen. Michael konnte schwerlich nach Urantia kommen, bevor es hier ein an den Universalen Vater glaubendes Volk gab, in dessen Mitte er erscheinen konnte. Die Religion Salems lebte in Palästina als Glaubensbekenntnis der Keniten weiter, und diese Religion in ihrer später von den Hebräern übernommenen Gestalt geriet zuerst unter den Einfluss von ägyptischen Sittenlehren, später von babylonischem theologischem Gedankengut und endlich von iranischen Vorstellungen von Gut und Böse. Von den Tatsachen her gründet die hebräische Religion auf dem Bund zwischen Abraham und Machiventa Melchisedek, evolutionsmäßig ist sie das Resultat vieler einmaliger Gegebenheiten und Umstände, aber kulturell hat sie großzügige Anleihen bei Religion, Sittlichkeit und Philosophie der gesamten Levante gemacht. Und die hebräische Religion ist es, durch die vieles von der Sittlichkeit und vom religiösen Denken Ägyptens, Mesopotamiens und Irans an die abendländischen Völker weitergegeben worden ist. ***** 96.1 Die Gottheitskonzepte der Semiten ***** Die frühen Semiten dachten, allem und jedem wohne ein Geist inne. Es gab Geister der Tier- und Pflanzenwelt; Geister der Jahreszeiten, den Herrn des Nachwuchses; Feuer-, Wasser- und Luftgeister; ein richtiges Pantheon von Geistern, die gefürchtet und angebetet werden wollten. Und die Lehre Melchisedeks von einem Universalen Schöpfer konnte den Glauben an diese untergeordneten Geister oder Naturgötter nie ganz zerstören. Der Fortschritt der Hebräer von Polytheismus über Henotheismus zu Monotheismus war keine ununterbrochene, geradlinige konzeptuelle Entwicklung. Die Evolution ihrer Gottheitskonzepte machte viele rückläufige Bewegungen durch, und in jeder Epoche gab es unter den verschiedenen Gruppen gläubiger Semiten unterschiedliche Gottesvorstellungen. Sie gebrauchten zu verschiedenen Zeiten zahlreiche Ausdrücke für ihre Gotteskonzepte, und um Verwirrung zu vermeiden, definieren wir im Folgenden die verschiedenen Namen der Gottheit in ihrer Beziehung zu der Entwicklung der jüdischen Theologie: 1. Jahve war der Gott der Stämme Südpalästinas, die dieses Gottheitskonzept mit dem Berg Horeb, dem Vulkan des Sinai, verbanden. Jahve war nur einer von Hunderten, ja Tausenden von Naturgöttern, die die semitischen Stämme und Völker in ihren Bann schlugen und Anbetung verlangten. 2. El Elyon. Nach Melchisedeks Aufenthalt in Salem hielt sich seine Gottheitsdoktrin während Jahrhunderten in verschiedenen Versionen, aber man verwendete dafür im Allgemeinen den Ausdruck El Elyon, Allerhöchster Gott des Himmels. Viele Semiten einschließlich der unmittelbaren Nachkommen Abrahams beteten zu verschiedenen Zeiten sowohl Jahve als auch El Elyon an. 3. El Schaddai. Es ist schwierig zu erklären, was El Schaddai genau bedeutete. Diese zusammengesetzte Gottesidee leitete sich aus den in Amenemopes Buch der Weisheit enthaltenen Lehren her, die dann durch Echnatons Aton-Doktrin verändert und ferner durch die im El Elyon-Konzept enthaltenen Lehren Melchisedeks beeinflusst wurden. Aber als das El Schaddai-Konzept in hebräisches Denken eindrang, nahm es ganz die Züge der Jahve-Glaubensvorstellungen der Wüste an. Eine der beherrschenden Ideen der Religion dieser Periode war das ägyptische Konzept der göttlichen Vorsehung, die Lehre, dass materielles Wohlergehen eine Belohnung für den Dienst an El Schaddai sei. 4. El. Inmitten dieser ganzen terminologischen Verwirrung und konzeptuellen Verschwommenheit bemühten sich viele hingebungsvolle Gläubige aufrichtig darum, diese sich entwickelnden Göttlichkeitsideen insgesamt zu verehren, und so entstand die Gewohnheit, diese zusammengesetzte Gottheit mit El zu bezeichnen. Und dieser Ausdruck schloss noch andere Naturgötter der Beduinen ein. 5. Elohim. In Kisch und Ur bestanden lange Zeit sumerisch-chaldäische Gruppen, die das auf den Überlieferungen aus den Tagen Adams und Melchisedeks beruhende Gotteskonzept des Drei-in-Einem lehrten. Diese Doktrin gelangte nach Ägypten, wo die Trinität unter dem Namen Elohim oder, in der Einzahl, als Eloah angebetet wurde. Die philosophischen Zirkel Ägyptens und spätere alexandrinische Lehrer hebräischer Herkunft lehrten diese Einheit mehrerer Götter, und zu der Zeit des Exodus glaubten viele der Berater Mose an diese Trinität. Aber das Konzept der trinitären Elohim wurde nie wirklich ein Teil der Theologie der Hebräer, bevor sie unter den politischen Einfluss der Babylonier gerieten. 6. Verschiedene Namen. Es widerstrebte den Semiten, den Namen ihrer Gottheit auszusprechen, und sie griffen deshalb zu verschiedenen Zeiten zu zahlreichen Benennungen wie: Der Geist Gottes, Der Herr, Der Engel des Herrn, Der Allmächtige, Der Heilige, Der Allerhöchste, Adonai, Der Älteste der Tage, Der Herr Gott Israels, Der Schöpfer von Himmel und Erde, Kyrios, Jah, Der Herr der Heerscharen und Der Vater im Himmel. Jehova ist ein Ausdruck, der erst in junger Zeit gebraucht wurde, um das vervollständigte Konzept Jahves zu bezeichnen, das sich am Ende der langen hebräischen Erfahrung herausgebildet hatte. Aber der Name Jehova kam erst fünfzehnhundert Jahre nach Jesu Zeiten in Gebrauch. Bis ungefähr 2 000 v. Chr. war der Berg Sinai ein intermittierend aktiver Vulkan, und gelegentliche Eruptionen ereigneten sich noch bis in die Zeit, als die Israeliten sich in der Gegend aufhielten. Feuer und Rauch vereint mit den donnernden Explosionen, die die Eruptionen dieses vulkanischen Berges begleiteten, beeindruckten und schüchterten die Beduinen der umliegenden Gegenden ein und waren der Grund, weshalb sie Jahve gewaltig fürchteten. Der Geist des Bergs Horeb wurde später zum Gott der hebräischen Semiten, und sie glaubten schließlich, er stehe weit über allen anderen Göttern. Lange Zeit verehrten die Kanaaniten Jahve, und obwohl viele der Keniten mehr oder weniger an El Elyon, den Übergott der Religion Salems, glaubten, hielt die Mehrheit der Kanaaniten locker an ihrer Anbetung der alten Stammesgottheiten fest. Sie waren wenig gewillt, ihre nationalen Gott-heiten zugunsten eines internationalen, wenn nicht gar interplanetarischen Gottes, aufzugeben. Ihr Sinn stand nicht nach einer universalen Gottheit, und deshalb fuhren diese Stämme fort, ihre Stammesgottheiten anzubeten, einschließlich Jahves und des silbernen und goldenen Kalbes, beides Symbole für die Vorstellung, die sich die Beduinenhirten vom Geist des Sinaivulkans machten. Die Syrer verehrten ihre eigenen Götter, aber sie glaubten auch an den Jahve der Hebräer, denn ihre Propheten sagten zu dem syrischen König: "Ihre Götter sind Götter der Berge; deshalb waren sie stärker als wir; aber lasst uns in der Ebene gegen sie kämpfen, und wir werden be-stimmt stärker sein als sie." Mit zunehmender Kultur ordnet der Mensch die geringeren Götter einer höchsten Gottheit unter; der große Zeus lebt nur noch als Ausruf weiter. Die Monotheisten behalten ihre untergeordneten Gottheiten bei als Geister, Dämonen, Schicksalsgötter, Meerjungfrauen, Feen, Heinzelmännchen, Zwerge, Todesfeen und bösen Blick. Die Hebräer gingen durch den Henotheismus und glaubten lange an die Existenz anderer Götter als Jahve, wurden aber immer überzeugter, dass diese fremden Gottheiten Jahve untergeordnet seien. Sie anerkannten die Wirklichkeit Chemoschs, des Gottes der Amoriter, bestanden aber darauf, dass er Jahve untergeordnet sei. Von allen menschlichen Theorien über Gott hat die Jahve-Idee die weitaus größte Ent-wicklung durchgemacht. Ihre schrittweise Evolution kann nur mit der Metamorphose des Buddha-Konzeptes in Asien verglichen werden, das am Ende zur Vorstellung vom Universalen Absoluten geführt hat, gerade so wie das Jahve-Konzept letztenendes zur Idee vom Universalen Vater geführt hat. Aber man sollte die historische Tatsache würdigen, dass die Juden, während sie ihr Gottheitsbild vom Stammesgott des Bergs Horeb in den liebenden und erbarmenden Schöpfer-Vater späterer Zeiten umgestalteten, seinen Namen unverändert ließen; sie fuhren unbeirrt fort, dieses sich entwickelnde Gottheitskonzept Jahve zu nennen. ***** 96.2 Die semitischen Völker ***** Die Semiten des Ostens waren gut organisierte und straff geführte Reiter, die in die östlichen Regionen des fruchtbaren Halbmondes einfielen und sich dort mit den Babyloniern vereinigten. Die Chaldäer in der Nähe von Ur gehörten zu den fortgeschrittensten der östlichen Semiten. Die Phönizier waren eine höherstehende und gut organisierte Gruppe gemischter Semiten, die den westlichen Abschnitt Palästinas entlang der Mittelmeerküste besetzt hielt. Rassenmäßig gehörten die Semiten zu den gemischtesten Völkern Urantias, da sie Erbfaktoren fast sämtlicher neun Weltrassen besaßen. Immer und immer wieder kämpften sich die arabischen Semiten bis in das nördliche Verheißene Land durch, das Land, wo "Milch und Honig floss", aber jedes Mal wurden sie durch die besser organisierten und höher zivilisierten nördlichen Semiten und Hethiter wieder hinausgeworfen. Später, während einer außergewöhnlich schweren Hungersnot, betraten diese herumschweifenden Beduinen in großer Zahl ägyptischen Boden als vertraglich verpflichtete Arbeiter für die staatlichen Bauvorhaben, nur um dann als Sklaven wie die gewöhnlichen und unterdrückten Arbeiter des Niltals durch die bittere Erfahrung harter täglicher Fron zu gehen. Erst nach den Tagen Machiventa Melchisedeks und Abrahams wurden gewisse Semitenstämme wegen ihres besonderen religiösen Glaubens Kinder Israels und später Hebräer, Juden und "auserwähltes Volk" genannt. Abraham war nicht der rassische Vater aller Hebräer; er war nicht einmal der Erzeuger aller semitischen Beduinen, die in Ägypten gefangen gehalten wurden. Es ist indessen wahr, dass seine Nachkommen, die Ägypten verließen, den Kern des späteren jüdischen Volkes bildeten; aber die große Mehrheit der Männer und Frauen, die in die Klane Israels aufgenommen wurden, hatte sich nie in Ägypten aufgehalten. Es waren nur Nomadengefährten, die sich dafür entschlossen, Mose Führung zu folgen, als die Kinder Abrahams und ihre semitischen Gefährten von Ägypten kommend durch Nordarabien zogen. Die Lehre Melchisedeks, die El Elyon, den Allerhöchsten, und den Bund der göttlichen Gunst durch den Glauben betraf, war zur Zeit der ägyptischen Versklavung der semitischen Völker, die in Kürze die hebräische Nation bilden sollten, weitgehend der Vergessenheit anheim gefallen. Aber während der ganzen Dauer ihrer Gefangenschaft hielten diese arabischen Nomaden einen Rest traditionellen Glaubens an Jahve als ihre Rassengottheit aufrecht. Jahve wurde von über hundert getrennten arabischen Stämmen verehrt, und abgesehen von dem in Spuren vorhandenen El Elyon-Konzept Melchisedeks, das in den gebildeteren Klassen Ägyptens einschließlich der gemischten hebräisch-ägyptischen Linien überdauerte, war die Religion der großen Masse der gefangenen hebräischen Sklaven eine abgeänderte Version des alten Jahve-Rituals mit Magie und Opfern. ***** 96.3 Der unvergleichliche Moses ***** Die Entwicklung der hebräischen Konzepte und Ideale von einem Höchsten Schöpfer beginnt mit dem Auszug der Semiten aus Ägypten unter dem großen Führer, Lehrer und Organisator Moses. Seine Mutter gehörte der königlichen Familie Ägyptens an; sein Vater war ein semiti-scher Verbindungsoffizier zwischen der Regierung und den gefangenen Beduinen. Moses besaß also Eigenschaften aus höheren rassischen Quellen; seine Ahnenschaft war in so hohem Grade vermischt, dass es unmöglich ist, ihn irgendeiner rassischen Gruppe zuzurechnen. Wäre er nicht ein solcher Mischtyp gewesen, hätte er nie die außergewöhnliche Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit an den Tag gelegt, welche ihn zur Führung jener buntscheckigen Horde befähigte, die sich schließlich den unter seinem Kommando aus Ägypten in die arabische Wüste geflohenen semitischen Beduinen zugesellte. Den Verlockungen der Kultur des Königreichs am Nil zum Trotz entschloss sich Moses, sein Los mit dem Volk seines Vaters zu teilen. Zu der Zeit, als dieser große Organisator seine Pläne für die schließliche Befreiung des Volkes seines Vaters schmiedete, besaßen die gefangenen Beduinen kaum eine dieses Namens würdige Religion ; sie waren praktisch ohne wahre Gottesvorstellung und ohne Hoffnung in der Welt. Kein Führer hat es je unternommen, eine verlorenere, niedergeschlagenere, hoffnungslosere und unwissendere Schar menschlicher Wesen zu reformieren und aufzurichten. Aber diese Sklaven besaßen in ihren Erbanlagen verborgene Entwicklungsmöglichkeiten, und es fanden sich unter ihnen gebildete Führer in genügender Zahl, die von Moses in Vorbereitung auf den Tag der Erhebung und die Stunde der Freiheit eingearbeitet worden waren, so dass sie ein Korps fähiger Organisatoren bildeten. Man hatte sich dieser höher stehenden Männer als einheimischer Aufseher ihres Volkes bedient; sie hatten einige Bildung erhalten dank Moses Einfluss bei den Herrschenden Ägyptens. Moses bemühte sich, die Freiheit seiner semitischen Brüder auf diplomatischem Wege zu erreichen. Er und sein Bruder gelangten mit dem König Ägyptens zu einer Übereinkunft, laut welcher sie die Erlaubnis erhielten, das Niltal friedlich zu verlassen und in die arabische Wüste zu ziehen. Sie sollten als Abschiedsgeschenk für ihren langen Dienst in Ägypten eine bescheidene Bezahlung in Geld und Gütern erhalten. Die Hebräer verpflichteten sich ihrerseits, zu den Pharaonen freundliche Beziehungen zu unterhalten und sich keiner Allianz gegen Ägypten anzu-schließen. Aber der König hielt es später für angebracht, den Vertrag umzustoßen, wobei er als Beweggrund vorschob, seine Spione hätten unter den Beduinensklaven Illoyalität entdeckt. Er behauptete, sie wollten die Freiheit nur, um in die Wüste zu gehen und dort die Nomaden gegen Ägypten zu organisieren. Aber Moses ließ sich nicht entmutigen; er wartete den richtigen Augenblick ab, und nach weniger als einem Jahr, als die militärischen Kräfte Ägyptens voll damit beschäftigt waren, gleichzeitig dem Ansturm von aus dem Süden vorstoßenden Lybiern und einer griechischen Schiffsinvasion aus dem Norden zu widerstehen, führte dieser unerschrockene Organisator seine Landsleute in einer spektakulären nächtlichen Flucht aus Ägypten. Dieser kühne Sprung in die Freiheit wurde sorgfältig geplant und gewandt ausgeführt. Und sie waren erfolgreich, obwohl ihnen der Pharao und eine kleine Abteilung von Ägyptern dicht auf den Fersen folgten, dabei aber von den sich verteidigenden Flüchtlingen sämtlich vernichtet wurden und eine große Beute zurückließen, die noch vermehrt wurde durch die Plünderungen der vorrückenden Scharen befreiter Sklaven auf ihrem Weg nach ihrer angestammten Heimat in der Wüste. ***** 96.4 Die Verkündigung Jahves ***** Die Entwicklung und Erhabenheit der mosaischen Lehre hat fast die Hälfte der ganzen Welt beeinflusst und tut es im zwanzigsten Jahrhundert immer noch. Während Moses mit der fortgeschritteneren ägyptischen religiösen Philosophie vertraut war, wussten die Beduinensklaven kaum etwas von solchen Lehren, aber sie hatten den Gott des Berges Horeb, den ihre Vorfahren Jahve genannt hatten, nie ganz vergessen. Moses hatte von den Lehren Machiventa Melchisedeks sowohl durch seinen Vater wie durch seine Mutter erfahren, denn der beiden gemeinsame religiöse Glaube war die Erklärung für diese ungewöhnliche Verbindung zwischen einer Frau königlichen Blutes und einem einer gefangenen Rasse angehörenden Mann. Mose Schwiegervater war ein kenitischer Verehrer El Elyons, aber die Eltern des Befreiers glaubten an El Schaddai. Moses wurde also als ein El Schaddaist aufgezogen; unter dem Einfluss seines Schwiegervaters wurde er El Elyonist; und bis zu der Zeit, als die Hebräer nach ihrer Flucht aus Ägypten am Berg Sinai lagerten, hatte er sich ein neues und erweitertes (aus all seinen vorhergehenden Glaubensvorstellungen bezogenes) Gottheitskonzept ausgedacht, das er sich weise entschloss, seinem Volk als erweitertes Konzept seines alten Stammesgottes Jahve zu verkünden. Moses hatte versucht, diese Beduinen die Idee El Elyons zu lehren, aber noch vor dem Auszug aus Ägypten war er zu der Überzeugung gelangt, dass sie diese Vorstellung nie recht verstehen würden. Deshalb entschied er sich vorsätzlich für die Kompromisslösung, ihren Stammesgott der Wüste zu übernehmen und ihn zu dem einen und einzigen Gott seiner Gefolgsleute zu machen. Moses lehrte nicht ausdrücklich, dass andere Völker und Nationen nicht auch andere Götter haben könnten, aber er hielt, insbesondere gegenüber den Juden, entschieden daran fest, dass Jahve über allen anderen stehe. Aber immer litt er unter der misslichen Lage, dass er versuchen musste, diesen unwissenden Sklaven seine neue und höhere Gottheitsidee unter der Maske der alten Bezeichnung Jahve darzubieten, der immer im goldenen Kalb der Beduinenstämme symbolisiert worden war. Die Tatsache, dass Jahve der Gott der fliehenden Hebräer war, erklärt, weshalb sie so lange vor dem heiligen Berg des Sinai verweilten und weshalb sie dort die zehn Gebote erhielten, die Moses im Namen Jahves, des Gottes des Horeb, verkündete. Während dieses langen Aufenthaltes vor dem Sinai wurde das religiöse Zeremoniell des sich neu entwickelnden hebräischen Kultes weiter vervollkommnet. Es scheint nicht, dass es Moses jemals gelungen wäre, seine ziemlich fortschrittliche zeremonielle Gottesverehrung einzuführen und seine Gefolgsleute während eines Vierteljahrhunderts zusammenzuhalten, wenn es nicht zu einem heftigen Ausbruch des Horebs in der dritten Woche ihres andächtigen Aufenthaltes an seinem Fuße gekommen wäre. "Der Berg Jahves verzehrte sich in Feuer und der Rauch stieg auf wie Rauch aus einem Schmelzofen, und der ganze Berg bebte gewaltig." Angesichts dieser Naturkatastrophe ist es nicht verwunderlich, dass Moses seinen Brüdern die Lehre einhämmern konnte, ihr Gott sei "mächtig, schrecklich, ein verzehrendes Feuer, furchterregend und allmächtig". Moses verkündete, dass Jahve der Herr Gott Israels sei, der die Hebräer als sein auserwähltes Volk ausgesucht habe; er war dabei, eine neue Nation aufzubauen, und er gab seinen religiösen Lehren wohlweislich einen nationalistischen Anstrich, wobei er seinen Anhängern sagte, dass Jahve ein harter Arbeitgeber, ein "eifersüchtiger Gott", sei. Aber nichtdestoweniger versuchte er, ihre Vorstellung von Göttlichkeit zu erweitern, wenn er sie lehrte, dass Jahve der "Gott der Geiste alles Fleisches" sei, und wenn er sagte: "Der ewige Gott ist eure Zuflucht, und unter euch sind seine ewigen Arme." Moses lehrte, dass Jahve ein Gott sei, der Verträge einhalte; dass er "euch nicht verlassen, noch euch vernichten oder den Bund eurer Väter vergessen wird, denn der Herr liebt euch und wird den Eid nicht vergessen, den er euren Vätern geschworen hat". Moses unternahm eine heroische Anstrengung, Jahve zu der Würde einer höchsten Gottheit zu erheben, wenn er ihn darstellte als den "Gott der Wahrheit und ohne Falsch, gerecht und gerade in all seinem Tun". Und doch machte es trotz dieser erhabenen Lehre das begrenzte Verständnis seiner Anhänger nötig, von Gott als von einem Wesen nach dem Bilde des Menschen zu sprechen, das Anfällen von Unmut, Zorn und Strenge unterworfen war, das sogar rachsüchtig und durch menschliches Verhalten leicht beeinflussbar war. Durch Mose Lehrtätigkeit wurde aus Jahve, diesem Naturgott eines Stammes, der Herr Gott Israels, der ihnen durch die Wüste und schließlich sogar ins Exil folgte, wo man sich ihn sehr bald als den Gott aller Völker dachte. Die spätere Gefangenschaft, die die Juden in Babylon versklavte, befreite endlich das sich entwickelnde Konzept Jahves, der nun die monotheistische Rolle des Gottes aller Nationen übernahm. Der ganz einmalige und erstaunliche Aspekt der religiösen Geschichte der Hebräer ist diese ununterbrochene Entwicklung des Gottheitskonzeptes vom primitiven Gott des Bergs Horeb über die Lehren ihrer aufeinander folgenden geistigen Führer bis zu der hohen Entwicklungsstufe, die in den Gottheitsvorstellungen der beiden Jesajas zum Ausdruck kommt, die das wundervolle Konzept des liebenden und erbarmenden Schöpfer-Vaters verkündeten. ***** 96.5 Mose Lehren ***** Moses war eine außergewöhnliche Kombination aus militärischem Führer, sozialem Organisator und religiösem Lehrer. Er war der wichtigste einzelne Lehrer und Führer der Welt zwischen Machiventa und Jesus. Moses versuchte, in Israel viele Reformen einzuführen, von denen es keine Kunde mehr gibt. Im Laufe eines einzigen Menschenlebens führte er die vielsprachige Horde der so genannten Hebräer hinaus aus Sklaverei und unzivilisiertem Herumziehen und legte den Grund zu der späteren Geburt einer Nation und zum Fortdauern einer Rasse. Von Mose großem Werk ist deshalb so wenig überliefert, weil die Hebräer zur Zeit des Exodus keine geschriebene Sprache besaßen. Der Bericht über die Zeit Mose und seine Taten wurde den Überlieferungen entnommen, die mehr als tausend Jahre nach dem Tod des großen Führers noch vorhanden waren. Viele der Fortschritte, die Moses gegenüber der Religion der Ägypter und der levantinischen Nachbarstämme machte, waren den kenitischen Überlieferungen aus der Zeit Melchisedeks zu verdanken. Ohne das, was Machiventa Abraham und seine Zeitgenossen gelehrt hatte, hätten die Hebräer Ägypten in hoffnungsloser Finsternis verlassen. Moses und sein Schwiegervater Jethro sammelten die Reste des aus den Tagen Melchisedeks Überlieferten, und diese Lehren verbunden mit dem Wissen der Ägypter leiteten Moses, als er für die Israeliten eine verbesserte Religion mit verbesserten Riten schuf. Moses war ein Organisator; er wählte in Religion und Sitten Ägyptens und Palästinas das Beste aus, und indem er diese Praktiken mit den überlieferten Lehren Melchisedeks verband, schuf er das zeremonielle Anbetungssystem der Hebräer. Moses glaubte an die Vorsehung; er war vollkommen durchdrungen von den ägyptischen Lehren betreffend die übernatürliche Lenkung des Nils und der anderen Naturkräfte. Er hatte eine großartige Sicht Gottes, aber er war vollkommen aufrichtig, wenn er die Hebräer lehrte, dass wenn sie Gott gehorchten, "Er euch lieben, segnen und vermehren wird. Er wird vermehren die Frucht eures Schoßes und die Frucht eures Landes - Korn, Wein, Öl und eure Herden. Ihr sollt über alle anderen Völker gesegnet sein, und der Herr euer Gott wird alle Krankheit von euch nehmen und keine der schlimmen Leiden Ägyptens über euch bringen." Er sagte sogar: "Denkt an den Herrn euren Gott, denn er ist es, der die Macht gibt, Reichtum zu gewinnen." "Ihr sollt vielen Nationen leihen, aber ihr sollt nicht borgen. Ihr werdet über viele Nationen regieren, aber sie sollen nicht über euch regieren." Aber es war wirklich mitleiderregend, zusehen zu müssen, wie Moses, dieser große Geist, versuchte, seine erhabene Auffassung von El Elyon, dem Allerhöchsten, dem Verständnis der unwissenden und analphabetischen Hebräer anzupassen. Die um ihn versammelten Führer donnerte er an: "Der Herr euer Gott ist ein einziger Gott; es gibt keinen anderen neben ihm", während er der bunten Menge gegenüber erklärte: "Welcher unter allen Göttern gleicht eurem Gott?" Moses bezog tapfer und teilweise erfolgreich Stellung gegen Fetische und Götzendienerei; er erklärte: "Ihr saht keine Gestalt am Tage, da euer Gott am Horeb mitten aus dem Feuer zu euch sprach." Er verbot auch die Anfertigung von Standbildern jeglicher Art. Moses hatte Bedenken, Jahves Barmherzigkeit zu verkünden. Er zog es vor, sein Volk mit heiliger Furcht vor der Gerechtigkeit Gottes zu erfüllen, und er sagte: "Der Herr euer Gott ist der Gott der Götter und der Herr der Herrn, ein gewaltiger Gott, ein mächtiger und schrecklicher Gott, der des Menschen nicht achtet." Und wiederum versuchte er, die turbulenten Klane unter Kontrolle zu behalten, wenn er erklärte: "Euer Gott tötet, wenn ihr ihm nicht gehorcht; er heilt und schenkt Leben, wenn ihr ihm gehorcht." Aber Moses lehrte diese Stämme, dass sie das auserwählte Volk Gottes nur unter der Bedingung werden würden, "dass sie all seine Gebote hielten und all seinen Gesetzen gehorchten". In dieser frühen Zeit wurden die Hebräer kaum etwas über Gottes Barmherzigkeit gelehrt. Sie hörten von Gott als "dem Allmächtigen; der Herr ist ein Mann des Krieges, ein Gott der Schlachten, herrlich an Macht, der seine Feinde in Stücke haut." "Der Herr euer Gott geht mitten im Heerlager umher, um euch zu befreien." Die Israeliten dachten sich ihren Gott als einen, der sie liebte, aber auch als einen, der "Pharaos Herz verhärtete" und "ihre Feinde verfluchte". Obwohl Moses die Kinder Israels flüchtige Blicke auf eine universale und wohltätige Gottheit werfen ließ, war ihr alltägliches Jahvebild im Ganzen dasjenige eines Gottes, der nur wenig besser als die Stammesgötter der umliegenden Völker war. Ihr Gotteskonzept war primitiv, roh und anthropomorph; als Moses verschied, kehrten diese Beduinenstämme rasch zu den halbbarbarischen Ideen von ihren alten Göttern des Horeb und der Wüste zurück. Die erweiterte und erhabene Gottesvision, die Moses seinen Führern dann und wann vorlegte, wurde rasch aus den Augen verloren, während sich das Volk überwiegend wieder der Anbetung seiner goldenen Fetischkälber, dem Jahvesymbol der palästinensischen Hirten, zuwandte. Als Moses Josua die Führung der Hebräer übertrug, hatte er bereits Tausende von indirekten Nachkommen Abrahams, Nahors, Lots und anderer aus verwandten Stämmen um sich geschart und sie mit der Peitsche zu einer Nation von Hirtenkriegern gemacht, die fähig war, sich selbst zu erhalten und sich teilweise selbst zu regieren. ***** 96.6 Das Gotteskonzept nach Mose Tod ***** Nach Mose Tod verkümmerte sein erhabenes Jahve-Konzept rasch. Josua und die Führer Israels fuhren fort, die mosaische Tradition vom allweisen, wohltätigen und allmächtigen Gott zu bewahren, aber das gemeine Volk kehrte rasch zur älteren Jahve-Idee der Wüste zurück. Und diese rückläufige Tendenz des Gottheitskonzepts beschleunigte sich unter der Herrschaft der verschiedenen aufeinander folgenden Stammesscheichs, der so genannten Richter. Der Zauber der außergewöhnlichen Persönlichkeit des Moses hatte in den Herzen seiner Gefolgsleute die Inspiration einer sich erweiternden Gottesvorstellung lebendig erhalten; aber als sie einmal die fruchtbaren Landstriche Palästinas erreicht hatten, verwandelten sie sich rasch aus nomadisierenden Hirten in sesshafte und einigermaßen ruhige Ackerbauern. Und diese Entwicklung der Lebensgewohnheiten und diese Veränderung des religiösen Standpunktes verlangten einen mehr oder weniger vollständigen Wechsel in ihrer Art, sich das Wesen ihres Gottes Jahve vorzustellen. Während der Zeiten der beginnenden Verwandlung des unnahbaren, groben, anspruchsvollen und donnernden Wüstengottes vom Sinai in das später erscheinende Konzept eines Gottes der Liebe, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit verloren die Hebräer Mose erhabene Lehren fast aus den Augen. Sie waren nahe daran, jede Idee von Monotheismus zu verlieren; sie begaben sich beinah ihrer Chance, das Volk zu werden, das in der geistigen Evolution Urantias als unentbehrliches Bindeglied dienen sollte, die Gruppe, die Melchisedeks Lehre vom einen Gott bis in die Tage der Inkarnation eines sich selbst hingebenden Sohnes des Vaters aller bewahren sollte. Verzweifelt versuchte Josua, in den Stammesangehörigen die Vorstellung von einem höch-sten Gott am Leben zu halten, weshalb er verkündigen ließ: "Wie ich mit Mose war, will ich auch mit euch sein; ich lasse euch nicht im Stich und verlasse euch nicht." Josua fand es nötig, seinem ungläubigen Volk ein strenges Evangelium zu predigen, da es nur allzu willig war, an seine alte, angestammte Religion zu glauben, aber unwillig, in der Religion des Glaubens und der Rechtschaffenheit voranzugehen. Das Leitmotiv der Unterweisung Josuas wurde: "Jahve ist ein heiliger Gott; er ist ein eifersüchtiger Gott; er wird weder eure Übertretungen, noch eure Sünden vergeben." Das höchste Konzept dieser Zeit stellte Jahve als einen "Gott der Macht, des Gerichts und der Gerechtigkeit" dar. Aber auch in diesem dunklen Zeitalter erhob sich dann und wann ein einsamer Lehrer, der das mosaische Konzept der Göttlichkeit verkündete: "Ihr Kinder der Gottlosigkeit könnt dem Herrn nicht dienen, denn er ist ein heiliger Gott." "Sollte der sterbliche Mensch gerechter sein als Gott? Sollte ein Mensch reiner sein als sein Schöpfer?" "Könnt ihr Gott durch Suchen ausfindig machen? Könnt ihr den vollkommenen Allmächtigen ergründen? Siehe da! Gott ist groß, und wir kennen ihn nicht. Was den Allmächtigen betrifft, so können wir ihn nicht ausfindig machen." ***** 96.7 Die Psalmen und das Buch Hiob ***** Unter der Führung ihrer Scheichs und Priester wurden die Hebräer in Palästina einigermaßen sesshaft. Aber sie glitten bald wieder in den verdunkelten Glauben der Wüste zurück und wurden durch die weniger fortgeschrittenen religiösen Praktiken der Kanaaniten angesteckt. Sie wurden götzendienerisch und ausschweifend, und ihre Gottheitsidee fiel tief unter die ägyptischen und mesopotamischen Gotteskonzepte hinab, die von bestimmten überlebenden Gruppen Salems aufrechterhalten wurden und in einigen Psalmen und im so genannten Buch Hiob festgehalten sind. Die Psalmen sind das Werk von etwa zwanzig oder mehr Verfassern; ägyptische und mesopotamische Lehrer haben viele von ihnen geschrieben. In jenen Zeiten, als man in der Levante die Naturgötter verehrte, gab es immer noch eine stattliche Anzahl von Menschen, die an die alles überragende Stellung El Elyons, des Allerhöchsten, glaubten. Keine Sammlung religiöser Schriften drückt solch einen Reichtum an Hingabe und inspirierenden Ideen über Gott aus wie das Buch der Psalmen. Und es wäre sehr hilfreich, wenn man sich beim sorgfältigen Durchlesen dieser wundervollen Sammlung andächtiger Literatur die Quelle und die zeitliche Stellung jeder einzelnen Hymne des Lobes und der Anbetung eingedenk dessen vergegenwärtigen könnte, dass keine andere einzelne Sammlung sich über einen derart langen Zeitraum erstreckt. Das Buch der Psalmen ist die Niederschrift der verschiedenen Vorstellungen, die sich die überall in der Levante an die Religion Salems Glaubenden von Gott machten, und es umfasst den ganzen Zeitraum von Amenemope bis Jesaja. In den Psalmen wird Gott in allen Auffassungsphasen dargestellt, von der kruden Idee einer Stammesgottheit bis zu dem gewaltig erweiterten Ideal der späteren Hebräer, worin Jahve als ein liebender Herrscher und erbarmungsvoller Vater geschildert wird. Und wenn man sie unter diesem Blickwinkel betrachtet, bildet diese Psalmensammlung die wertvollste und hilfreichste Auswahl hingebungsvoller Gefühle, die von Menschen bis hinab ins zwanzigste Jahrhundert je zusammengetragen wurde. Der andachtsvolle Geist dieser Hymnensammlung übersteigt den aller anderen heiligen Bücher der Welt. Das im Buch Hiob gezeigte vielgesichtige Bild der Gottheit war die Frucht einer sich über fast dreihundert Jahre erstreckenden Arbeit von mehr als zwanzig religiösen Lehrern Mesopota-miens. Und wenn ihr beim Lesen der erhabenen Auffassung der Göttlichkeit begegnet, die man in dieser Sammlung mesopotamischer Glaubensvorstellungen findet, werdet ihr erkennen, dass die Idee eines wirklichen Gottes während Palästinas dunklen Tagen am reinsten in der Nähe von Ur in Chaldäa bewahrt wurde. Gottes Weisheit und alles durchdringende Gegenwart wurden in Palästina oft erfasst, aber nur selten seine Liebe und Barmherzigkeit. Der Jahve dieser Zeiten "sendet böse Geister aus, damit sie die Seelen seiner Feinde beherrschten"; er lässt seine eigenen und gehorsamen Kinder gedeihen, während er alle anderen verwünscht und entsetzliches Gericht über sie bringt. "Er macht die Pläne der Schlauen zunichte; die Klugen verfängt er in ihrer eigenen Arglist." In Ur allein ließ sich eine Stimme vernehmen, die Gottes Barmherzigkeit mit den Worten hinausrief: "Er wird zu Gott beten und bei ihm Gnade finden und mit Freude sein Angesicht sehen, denn Gott wird dem Menschen göttliche Rechtschaffenheit geben." So wird nun von Ur aus die Errettung, die göttliche Gunst durch den Glauben, gepredigt: "Er ist dem Reuevollen gnädig und sagt: `Befreie ihn vom Gang zur Hölle, denn ich habe ein Lösegeld gefunden.' Wenn jemand sagt: `Ich habe gesündigt und verdreht, was gerade war, und es hat mir nichts gebracht', wird Gott seine Seele vom Gang zur Hölle befreien, und er wird das Licht sehen." Nie seit Melchisedeks Zeiten hatte die levantinische Welt eine solch vibrierende und ermutigende Botschaft menschlicher Errettung gehört wie diese außergewöhnlichen Lehren Elihus, des Propheten von Ur und Priesters der Salemgläubigen, d. h. des Rests der einstigen Kolonie Melchisedeks in Mesopotamien. Auf diese Weise unterhielten die Überreste der Missionare Salems in Mesopotamien während der Periode der Desorganisation der hebräischen Völkerschaften das Licht der Wahrheit bis zum Erscheinen des ersten in jener langen Reihe von Lehrern Israels, die unermüdlich Konzept um Konzept aufbauten, bis sie das Ideal vom Universalen und Schöpfervater aller, den Gipfel in der Evolution des Jahvekonzeptes, erreicht hatten. [Dargeboten von einem Melchisedek Nebadons.] ****** Kapitel 97 Die Evolution des Gotteskonzeptes bei den Hebräern ****** DIE geistigen Führer der Hebräer taten, was keinen anderen vor ihnen je gelungen war - sie nahmen ihrem Gotteskonzept die menschlichen Züge, ohne es indessen in eine nur Philosophen verständliche Gottheitsabstraktion zu verwandeln. Auch gewöhnliche Leute waren imstande, dieses gereifte Konzept Jahves als eines Vaters - wenn auch nicht des Einzelnen, so doch wenigstens der Rasse - zu erfassen. Obwohl das Konzept der Persönlichkeit Gottes in den Tagen Melchisedeks zu Salem klar gelehrt worden war, lebte es zur Zeit der Flucht aus Ägypten unbestimmt und verschwommen fort und entwickelte sich im hebräischen Denken von Generation zu Generation nur allmählich als Antwort auf die Lehrtätigkeit der geistigen Führer. Die Wahrnehmung der Persönlichkeit Jahves war in ihrer steten Entwicklung viel kontinuierlicher als die vieler anderer Gottheitsattribute. Von Moses bis Maleachi fand im hebräischen Gemüt ein fast ununterbrochenes Wachstum der Idee von der Persönlichkeit Gottes statt, und dieses Konzept wurde schließlich in Jesu Lehren über den Vater im Himmel gesteigert und verherrlicht. ***** 97.1 Samuel - der erste der hebräischen Propheten ***** Der feindliche Druck der Palästina umringenden Völkerschaften lehrte die hebräischen Scheichs bald einmal, dass sie keine Überlebenschance hatten, sofern sie ihre Stammesorganisatio-nen nicht zu einem Bund mit zentraler Regierung zusammenschlossen. Und diese Zentralisierung der Verwaltungsautorität bot Samuel eine bessere Gelegenheit für sein Wirken als Lehrer und Reformator. Samuel war der Spross einer langen Linie von Lehrern Salems, die stets an den Wahrheiten Melchisedeks als einem Teil ihrer Andachtsformen festgehalten hatten. Dieser Lehrer war von männlicher und entschlossener Art. Nur seine große Hingabe im Verein mit seiner außerordentlichen Entschlossenheit befähigte ihn, der beinahe universalen Opposition zu widerstehen, welcher er begegnete, als er damit begann, ganz Israel zur Anbetung des höchsten Jahve der mosaischen Zeiten zurückzubringen. Und auch so hatte er nur teilweise Erfolg; er gewann nur die intelligentere Hälfte der Hebräer zum Dienst am höheren Jahvekonzept zurück; die andere Hälfte verharrte in der Anbetung der Stammesgötter der ländlichen Gebiete und in der niedrigeren Vorstellung von Jahve. Samuel war von rauher Art, ein praktischer Reformer, der mit seinen Gefährten ausziehen und an einem einzigen Tag an die zwanzig Baalstätten niederreißen konnte. Seine Fortschritte erzielte er durch die nackte Gewalt des Zwangs; er predigte wenig und lehrte noch weniger, aber er handelte. An einem Tag machte er sich über den Baalpriester lustig; am nächsten hieb er einen gefangenen König in Stücke. Er glaubte mit Hingabe an den einen Gott, und er besaß eine klare Vorstellung von diesem einen Gott als dem Schöpfer von Himmel und Erde: "Die Säulen der Erde sind des Herrn, und er hat die Erde auf sie gestellt." Aber der große Beitrag, den Samuel zur Entwicklung des Gottheitskonzeptes leistete, war die Aufsehen erregende Erklärung, dass Jahve unveränderlich sei, für ewig dieselbe Verkörperung unfehlbarer Vollkommenheit und Göttlichkeit. In diesen Zeiten stellte man sich Jahve als einen launenhaften Gott mit Eifersuchtsanfällen vor, der immer bereute, dieses und jenes getan zu haben. Aber jetzt hörten die Hebräer zum ersten Mal seit ihrem Auszug aus Ägypten diese erstaunlichen Worte: "Die Kraft Israels wird weder lügen noch etwas bereuen, denn er ist kein Mensch, der etwas zu bereuen hätte." Im Umgang mit der Göttlichkeit wurde jetzt Stabilität verkündet. Samuel kam immer wieder auf den Bund Melchisedeks mit Abraham zurück und erklärte, der Herr Gott Israels sei die Quelle aller Wahrheit, Stabilität und Beständigkeit. Die Hebräer hatten ihren Gott immer als einen Menschen, einen Übermenschen oder erhöhten Geist unbekannten Ursprungs angesehen; aber jetzt vernahmen sie, wie der einstige Geist des Horebs zu einem unveränderlichen Gott mit der Vollkommenheit eines Schöpfers emporgehoben wurde. Samuel half dem sich entwickelnden Gottes-konzept, zu Höhen aufzusteigen, die über den veränderlichen Zuständen des menschlichen Gemüts und den Wechselfällen der irdischen Existenz lagen. Unter dem Einfluss seines Lehrens begann der Gott der Hebräer seinen Aufstieg von einer Idee in der Art der Stammesgötter zum Ideal eines allmächtigen und unveränderlichen Schöpfers und Überwachers der gesamten Schöpfung. Und wieder predigte er über Gottes Aufrichtigkeit und seine sich an den Bund haltende Verlässlichkeit. Samuel sagte: "Der Herr wird sein Volk nicht verlassen." "Er hat mit uns einen ewigen Bund geschlossen, der in jeder Hinsicht geregelt und sicher ist." Und so erschallte in ganz Palästina der Ruf, zur Anbetung des höchsten Jahve zurückzukehren. Unermüdlich verkündete dieser energische Lehrer: "Du bist groß, oh Herr Gott. Denn es gibt keinen wie dich, und es gibt keinen Gott außer dir." Bis dahin waren die Hebräer der Ansicht gewesen, Jahves Gunst äußere sich hauptsächlich in materiellem Wohlstand. Es war ein großer Schock für Israel und hätte Samuel beinahe das Leben gekostet, als er zu verkünden wagte: "Der Herr schickt Reichtum und Armut; er erniedrigt und erhöht. Er zieht die Armen aus dem Staub und hebt die Bettler auf, um sie unter die Fürsten zu setzen und ihnen den Thron der Herrlichkeit zum Erbe zu geben." Nie seit Moses waren den bescheidenen und weniger begüterten Menschen so trostreiche Versprechen verkündet worden, und unter den Armen begannen Tausende von Verzweifelnden Hoffnung zu schöpfen, sie könnten ihren geistigen Rang verbessern. Aber Samuel ging nicht sehr weit über das Konzept eines Stammesgottes hinaus. Er verkündete einen Jahve, der zwar alle Menschen erschuf, aber hauptsächlich mit den Hebräern, seinem auserwählten Volk, beschäftigt war. Aber auch so gab das Gotteskonzept wiederum wie in den Tagen Moses das Bild einer heiligen und geraden Gottheit wieder. "Es gibt niemanden, der so heilig ist wie der Herr. Wer kann mit diesem heiligen Herrn und Gott verglichen werden?" Als er in die Jahre kam, machte der ergraute alte Führer in seinem Gottesverständnis Fortschritte, denn er erklärte: "Der Herr ist ein wissender Gott, und die Handlungen werden von ihm gewogen. Der Herr wird die Enden der Welt richten, und er wird sich der Barmherzigen erbarmen, und mit dem geraden Mann wird er auch gerade verfahren." Eben hier dämmert Barmherzigkeit herauf, obwohl sie sich auf die Barmherzigen beschränkt. Später ging er noch einen Schritt weiter, als er sein Volk, das sich in Not befand, aufforderte: "Lassen wir uns jetzt in die Hände des Herrn fallen, denn sein Erbarmen ist groß." "Nichts hindert den Herrn daran, viele oder wenige zu retten." Und diese allmähliche Entwicklung der Vorstellung von Jahves Charakter setzte sich im Wirken von Samuels Nachfolgern fort. Sie versuchten, Jahve als einen Gott darzustellen, der seinem Bund treu blieb, aber sie vermochten das von Samuel angeschlagene Tempo nicht zu halten; sie versäumten es, die Idee der Barmherzigkeit, wie Samuel sie später konzipiert hatte, zu entwickeln. Es fand eine stete Rückwärtsbewegung in Richtung auf die Anerkennung anderer Götter statt, obwohl daran festgehalten wurde, dass Jahve über allen stehe. "Dein ist das Königreich, oh Herr, und du stehst als Haupt über allen." Der Grundton dieser Ära war göttliche Macht, die Propheten dieses Zeitalters predigten eine Religion, die bestimmt war, den König auf dem hebräischen Thron zu festigen. "Dein, oh Herr, ist die Größe und die Macht und der Ruhm und der Sieg und die Majestät. In deiner Hand liegen Kraft und Macht, und du vermagst alle groß zu machen und ihnen Kraft zu verleihen." Dies war der Stand des Gotteskonzeptes zur Zeit Samuels und seiner unmittelbaren Nachfolger. ***** 97.2 Elia und Elisa ***** Im zehnten Jahrhundert vor Christus spaltet sich die hebräische Nation in zwei Königreiche. In beiden politisch getrennten Gebieten versuchten viele Lehrer der Wahrheit, sich gegen die reaktionäre Flut geistigen Zerfalls zu stemmen, der eingesetzt hatte und nach dem Trennungskrieg in verheerender Weise weiterging. Aber diese Anstrengungen zur Förderung der hebräischen Religion waren wenig erfolgreich bis zu dem Tag, als der entschiedene und furchtlose Kämpfer für Rechtschaffenheit Elia zu lehren begann. Elia stellte im nördlichen Königreich wieder ein Gotteskonzept her, das dem in den Tagen Samuels erreichten vergleichbar war. Elia fand wenig Gelegenheit, ein fortgeschrittenes Gotteskonzept vorzustellen; er war, wie vor ihm schon Samuel, vollauf damit beschäftigt, Baalaltäre umzustürzen und Standbilder falscher Götter zu zerstören. Und er musste seine Reformen gegen den Widerstand eines götzendienerischen Monarchen vorantreiben; seine Aufgabe war sogar noch gigantischer und schwieriger als die, welcher Samuel gegenübergestanden hatte. Als Elia hinweggerufen wurde, führte sein getreuer Gefährte Elisa sein Werk weiter und hielt in Palästina mit der unschätzbaren Hilfe des kaum bekannten Michaja das Licht der Wahrheit am Leben. Aber das war keine Zeit, in der das Gotteskonzept Fortschritte machte. Die Hebräer waren nicht einmal wieder bis zum mosaischen Ideal aufgestiegen. Die Ära Elias und Elisas endete mit der Rückkehr der besseren Klassen zur Anbetung des höchsten Jahve und sah die Wiederherstellung der Idee vom Universalen Schöpfer etwa auf der Stufe, wo Samuel sie gelassen hatte. ***** 97.3 Jahve und Baal ***** Die sich lange hinziehende Auseinandersetzung zwischen den Jahvegläubigen und den Anhängern Baals war vielmehr ein sozioökonomischer, ideologischer Zusammenprall als ein religiöser Glaubensstreit. Die Bewohner Palästinas hatten eine verschiedene Einstellung zum Privatbesitz. Die südlichen oder wandernden arabischen Stämme (die Jahveiten) betrachteten das Land als etwas Unveräußerliches - als ein Geschenk Gottes an den Klan. Sie waren der Ansicht, dass Land weder verkauft noch verpfändet werden könne. "Jahve sprach: `Das Land darf nicht verkauft werden, denn das Land gehört mir.' " Die nördlichen und sesshafteren Kanaaniten (die Baaliten) kauften, verkauften und verpfändeten ihren Boden bedenkenlos. Das Wort Baal heißt Besitzer. Der Baalkult fußte auf zwei Hauptideen: erstens auf der Gültigkeit von Besitzesaustausch, Verträgen und Abkommen - auf dem Recht, Land zu kaufen und zu verkaufen. Zweitens galt Baal als Regenbringer - er war ein Gott der Fruchtbarkeit des Bodens. Eine gute Ernte hing von der Gunst Baals ab. Der Kult betraf weitgehend den Boden, dessen Besitz und Fruchtbarkeit. Im Allgemeinen besaßen die Baaliten Häuser, Land und Sklaven. Sie waren die aristokratischen Landbesitzer und lebten in den Städten. Jeder Baal hatte seine heilige Stätte, seine Priesterschaft und seine "heiligen Frauen", die rituellen Prostituierten. Aus dieser grundverschiedenen Einstellung zum Land entwickelten sich die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den von Kanaaniten und Hebräern eingenommenen sozialen, wirtschaftlichen, sittlichen und religiösen Haltungen. Diese sozioökonomische Kontroverse wurde erst zur Zeit Elias zu einer eindeutig religiösen Angelegenheit. Von den Tagen dieses dynamischen Propheten an wurde der Kampf ausgesprochener nach religiösen Gesichtspunkten geführt - Jahve contra Baal - und er endete mit dem Sieg Jahves und der nachfolgenden Tendenz zum Monotheismus. Elia verlagerte die Jahve-Baal-Kontroverse von der Bodenfrage nach dem religiösen Aspekt der hebräischen und kanaanitischen Ideologien hin. Als Ahab Nabot und seine Söhne umbringen ließ, um sich ihr Land anzueignen, machte Elia aus den alten Bodengepflogenheiten eine sittliche Angelegenheit und löste seinen kraftvollen Feldzug gegen die Baaliten aus. Dies war auch ein Kampf des Landvolks gegen die Beherrschung durch die Städte. Es geschah hauptsächlich unter Elia, dass Jahve zu Elohim wurde. Der Prophet begann als Agrarreformer und endete als Verherrlicher der Gottheit. Der Baals waren viele, aber es gab nur einen Jahve - der Monotheismus siegte über den Polytheismus. ***** 97.4 Amos und Hosea ***** Den großen Schritt im Übergang vom Stammesgott - dem Gott, dem so lange mit Opfern und Zeremonien gedient worden war, dem Jahve der früheren Hebräer - zu einem Gott, der Verbrechen und Unsittlichkeit sogar bei seinem eigenen Volk bestrafte, tat Amos, der von den Bergen des Südens herkam, um Kriminalität, Trunksucht, Unterdrückung und Unsittlichkeit der nördlichen Stämme anzuprangern. Nie seit den Zeiten Mose waren in Palästina mit so machtvoller Stimme verkündete Wahrheiten erschallt. Amos war nicht lediglich ein Wiederhersteller oder Reformator; er war ein Entdecker von neuen Gottheitskonzepten. Er sagte vieles über Gott, was von seinen Vorgängern angekündigt worden war, und wandte sich mutig gegen den Glauben an ein Göttliches Wesen, das Sünde in seinem sogenannten auserwählten Volk gutheißen würde. Zum ersten Mal seit den Tagen Melchisedeks hörten menschliche Ohren die Verurteilung der doppelten Moral von nationaler Justiz und Sittlichkeit. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte vernahmen die Hebräer, dass ihr Gott, Jahve, Verbrechen und Sünde in ihrem Leben nicht mehr als bei irgendeinem anderen Volk duldete. Amos stellte sich Gott ebenso streng und gerecht vor wie Samuel und Elia, aber er erblickte auch einen Gott, der über die Hebräer nicht anders dachte als über jede andere Nation, wenn es um die Bestrafung von Übeltaten ging. Das war ein direkter Angriff auf die egoistische Lehre vom "auserwählten Volk", und viele Hebräer jener Tage fühlten sich dadurch bitter gekränkt. Amos sagte: "Sucht ihn, der die Berge gestaltet und die Winde erschaffen hat, der das Siebengestirn und Orion gebildet hat, der den Schatten des Todes in Morgen verwandelt und den Tag in die Nacht verfinstert." Und während er seine nur halbreligiösen, opportunistischen und manchmal unsittlichen Mitbürger anklagte, versuchte er, ein Bild von der unerbittlichen Gerechtigkeit eines unveränderlichen Jahve zu entwerfen, wenn er von den Übeltätern sagte: "Und sollten sie sich in der Hölle vergraben, ich werde sie herausholen; und sollten sie den Himmel erklimmen, ich werde sie herabholen." "Und sollten sie vor ihren Feinden in die Gefangenschaft ziehen, so werde ich mein Schwert der Gerechtigkeit gegen sie zücken, und es wird sie töten." Amos bestürzte seine Zuhörer noch mehr, wenn er mit einem tadelnden und anklagenden Finger auf sie zeigte und in Jahves Namen erklärte: "Ich werde mit Sicherheit nie eines eurer Werke vergessen." "Und ich werde das Haus Israel unter allen Nationen durchsieben, wie man Weizen durch ein Sieb schüttelt." Amos verkündete Jahve als den "Gott aller Nationen" und ermahnte die Israeliten, das Ritual nicht an die Stelle von Rechtschaffenheit zu setzen. Und bevor dieser mutige Lehrer zu Tode gesteinigt wurde, hatte er genug Sauerteig der Wahrheit verteilt, um die Lehre vom höchsten Jahve zu retten; er hatte die Weiterentwicklung der Offenbarung Melchisedeks sichergestellt. Hosea folgte Amos und seiner Lehre von einem universalen Gott der Gerechtigkeit, indem er das mosaische Konzept eines Gottes der Liebe wieder aufleben ließ. Hosea predigte Vergebung durch Reue und nicht durch Opfer. Er verkündete ein Evangelium der Gnade und des göttlichen Erbarmens und sagte: "Ich will mich auf ewig mit euch verloben; ja, ich will mich mit euch in Rechtschaffenheit und Gericht und in Gnade und Barmherzigkeit verloben. Ich will mich mit euch sogar in Treue verloben." "Ich will sie freigebig lieben, denn mein Zorn hat sich abgewandt." Hosea setzte Amos' sittliche Warnungen getreu fort und sagte von Gott: "Es ist mein Wunsch, sie zu züchtigen." Aber die Israeliten empfanden es als an Verrat grenzende Grausamkeit, als er sagte: "Ich werde zu denen sagen, die nicht mein Volk waren: `Ihr seid mein Volk.' Und sie werden sagen: `Du bist unser Gott.' " Er fuhr fort, Reue und Vergebung zu predigen, indem er sagte: "Ich werde ihre Rückfälle heilen; ich will sie großzügig lieben, denn mein Zorn hat sich abgewendet." Immer verkündete Hosea Hoffnung und Vergebung. Der Kern seiner Botschaft war stets: "Ich werde mich meines Volkes erbarmen. Sie sollen keinen anderen Gott kennen als mich, denn es gibt keinen Retter außer mir." Amos belebte das Nationalbewusstsein der Hebräer, indem er sie erkennen ließ, dass Jahve ihnen weder Verbrechen noch Sünde nachsehen würde, nur weil sie angeblich das auserwählte Volk seien, während Hosea die ersten Töne der erbarmungsvollen Weisen göttlichen Mitleidens und göttlicher Gnade anschlug, die später von Jesaja und seinen Gefährten in so bezaubernder Weise gesungen wurden. ***** 97.5 Der erste Jesaja ***** Das waren die Zeiten, als in den nördlichen Klanen einige Stimmen drohende Strafen für persönliche Sünden und nationale Verbrechen ankündigten, während andere als Vergeltung für die Vergehen des südlichen Königreichs Katastrophen voraussagten. Es geschah während dieses Erwachens von Gewissen und Bewusstheit in den hebräischen Nationen, dass der erste Jesaja erschien. Jesaja fuhr fort, die ewige Natur Gottes, seine unendliche Weisheit, seine unveränderliche Vollkommenheit und Verlässlichkeit zu predigen. Er legte dem Gott Israels die Worte in den Mund: "Ich werde mein Urteil genau bemessen und meine Gerechtigkeit wird gerade sein wie das Lot." "Der Herr wird euch ruhen lassen von eurem Leid und eurer Angst und von der harten Fron, worin zu dienen der Mensch erschaffen worden ist." "Und eure Ohren werden hinter euch ein Wort vernehmen, das spricht: `Dies ist der Weg, gehe ihn.' " "Siehe, der Herr ist meine Rettung; ich will vertrauen und keine Angst haben, denn der Herr ist meine Kraft und mein Gesang." "`Komm jetzt und lass uns miteinander reden', spricht der Herr, `mögen deine Sünden auch rot sein wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee; mögen sie auch rot sein wie Karmesin, sie sollen werden wie Wolle.' " Indem er sich an die furchtgeplagten Hebräer und ihre hungrigen Seelen wandte, sagte dieser Prophet: "Erhebt euch und strahlt, denn euer Licht ist gekommen und die Herrlichkeit des Herrn ist über euch aufgegangen." "Der Geist des Herrn ist über mir, denn er hat mich gesalbt, um den Sanftmütigen die gute Nachricht zu predigen; er hat mich gesandt, um die Wunden derer zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freiheit und den Gebundenen die Öffnung ihres Kerkers zu verkünden." "Ich will mich grenzenlos freuen im Herrn, meine Seele soll jauchzen in meinem Gott, denn er hat mich in die Gewänder des Heils gekleidet und in den Talar seiner Rechtschaffenheit gehüllt." "In all ihrer Betrübnis war er betrübt, und der Engel seiner Gegenwart rettete sie. In seiner Liebe und in seinem Erbarmen erlöste er sie." Auf diesen Jesaja folgten Micha und Obadia, die sein die Seele beglückendes Evangelium bestätigten und verschönerten. Und diese beiden tapferen Botschafter prangerten kühn das Ritual an, mit dem die Priester die Hebräer bedrückten, und griffen unerschrocken das gesamte Opfersystem an. Micha brandmarkte "die Regierenden, die gegen Entgelt richten, und die Priester, die um Lohn lehren, und die Propheten, die um Geld wahrsagen." Mit diesen Worten sprach er von einem Tag der Freiheit von Aberglauben und Priestertum: "Aber jeder wird unter seinem eigenen Weinstock sitzen, und niemand soll ihm mehr Furcht einjagen, denn alle Menschen werden leben, ein jeder nach seinem eigenen Verständnis Gottes." Der Leitgedanke der Botschaft Michas war stets: "Soll ich mit verbrannten Opfern vor Gott treten? Wird sich der Herr über tausend Widder oder über zehntausend Flüsse Öl freuen? Soll ich für meine Verfehlungen mein Erstgeborenes hingeben, die Frucht meines Körpers für die Sünde meiner Seele? Er hat mir gezeigt, oh Mensch, was gut ist; und was mehr verlangt der Herr von dir, als gerecht zu handeln und die Barmherzigkeit zu lieben und demütig mit deinem Gott zu wandeln?" Das war eine große Zeit; es waren wirklich aufregende Zeiten, als die Sterblichen vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren solch befreiende Botschaften hörten und einige sogar daran glaubten. Und wäre da nicht der hartnäckige Widerstand der Priester gewesen, hätten diese Lehrer das ganze blutige Zeremoniell des hebräischen Anbetungsrituals umgestoßen. ***** 97.6 Der furchtlose Jeremia ***** Während mehrere Lehrer fortfuhren, das Evangelium Jesajas auszulegen, blieb es Jeremia vorbehalten, den nächsten kühnen Schritt auf die Internationalisierung Jahves, des Gottes der Hebräer, hin zu tun. Jeremia erklärte unerschrocken, dass Jahve in ihren militärischen Auseinandersetzungen mit anderen Nationen nicht auf der Seite der Hebräer stehe. Er versicherte, dass Jahve der Gott der ganzen Erde, aller Nationen und aller Völker sei. Jeremias Lehre war ein Crescendo in der Welle wachsender Internationalisierung des Gottes Israels; endgültig, ein für allemal verkündigte dieser unerschrockene Prediger, dass Jahve der Gott aller Nationen sei und dass es weder einen Osiris für die Ägypter oder einen Bel für die Babylonier, noch einen Assur für die Assyrer oder einen Dagon für die Philister gäbe. Und so machte die Religion der Hebräer die um diese Zeit und danach weltweit stattfindende Renaissance des Monotheismus mit; endlich hatte das Jahvekonzept ein Gottheitsniveau planetarischen, wenn nicht kosmischen Ranges erklommen. Aber manchen von Jeremias Gefährten fiel es schwer, sich Jahve losgelöst von der hebräischen Nation vorzustellen. Jeremia predigte auch über den von Jesaja beschriebenen gerechten und liebenden Gott, indem er erklärte: "Ja, ich habe euch mit ewiger Liebe geliebt; deshalb habe ich euch in Barmherzigkeit an mich gezogen." "Denn er betrübt die Kinder der Menschen nicht gern." Der furchtlose Prophet sagte: "Rechtschaffen ist unser Herr, gewaltig an Rat und mächtig an Werken. Alle Wege aller Menschensöhne liegen offen vor seinen Augen, damit er einem jeden gemäß seiner Lebensweise und entsprechend den Früchten seiner Taten geben kann." Aber es wurde als gotteslästerlicher Verrat empfunden, als er während der Belagerung Jerusalems sagte: "Und jetzt habe ich dieses Land in die Hände Nebukadnezars gegeben, des Königs von Babylon meines Dieners." Und als Jeremia zu der Übergabe der Stadt riet, warfen ihn die Priester und zivilen Führer in den schlammigen Schacht eines finsteren Turms hinab. ***** 97.7 Der zweite Jesaja ***** Die Vernichtung ihrer Nation und die Gefangenschaft der Hebräer in Mesopotamien hätten sich für ihre aufstrebende Theologie als große Wohltat erwiesen, wäre da nicht das entschlossene Handeln ihrer Priesterschaft gewesen. Ihre Nation war den Armeen Babylons unterlegen, und ihr nationalistischer Jahve hatte unter der internationalen Predigt der geistigen Führer gelitten. Es war der Groll über den Verlust ihres nationalen Gottes, der die jüdischen Priester in der Erfindung von Legenden und in der Vermehrung von anscheinend wunderbaren Geschehnissen der hebräischen Geschichte so weit gehen ließ, und all dies im Bemühen, die Juden in der Rolle des auserwählten Volkes auch angesichts dieser neuen und erweiterten Idee von einem internationalisierten Gott aller Nationen wiederherzustellen. Während ihrer Gefangenschaft standen die Juden stark unter dem Einfluss babylonischer Überlieferungen und Legenden, obwohl festgehalten werden muss, dass sie sittliches Niveau und geistige Bedeutung der von ihnen übernommenen chaldäischen Geschichten jedes Mal verbesserten, auch wenn sie diese Legenden stets so umbogen, dass auf Ahnenschaft und Geschichte Israels Ehre und Ruhm fiel. Diese hebräischen Priester und Schriftgelehrten hatten nur eine einzige Idee im Sinn, und das war die Rehabilitierung der jüdischen Nation, die Glorifizierung der hebräischen Traditionen und die Verherrlichung der Geschichte ihrer Rasse. Wenn ob der Tatsache Groll aufkommen sollte, dass diese Priester ihre irrigen Ideen einem so großen Teil der westlichen Welt mitgegeben haben, sollte doch daran erinnert werden, dass sie dies nicht absichtlich taten; sie behaupteten nicht, unter Inspiration zu schreiben; sie erhoben nicht den Anspruch, ein heiliges Buch zu schreiben. Sie stellten nur eine Textsammlung zusammen, die bestimmt war, den schwindenden Mut ihrer Brüder in der Gefangenschaft neu zu beleben. Sie verfolgten entschieden das Ziel, den nationalen Geist und die Moral ihrer Landsleute zu heben. Es blieb Menschen späterer Zeiten vorbehalten, diese und andere Schriften in einem Führer mit angeblich unfehlbaren Lehren zu vereinigen. Nach der Gefangenschaft machte die jüdische Priesterschaft ausgiebigen Gebrauch von diesen Schriften, aber in ihrem Einfluss auf ihre Mitgefangenen wurde sie stark gestört durch die Gegenwart eines jungen und unbezähmbaren Propheten, des zweiten Jesaja, der voll zum Gott der Gerechtigkeit, Liebe, Rechtschaffenheit und Barmherzigkeit des älteren Jesaja bekehrt war. Und mit Jeremia glaubte er, dass Jahve der Gott aller Nationen geworden war. Er predigte diese Theorien über die Natur Gottes so eindrücklich und wirkungsvoll, dass er sowohl unter den Juden als auch unter denen, die sie gefangen hielten, Menschen bekehrte. Und der junge Prediger hinterließ seine Lehren schriftlich. Zwischen diesen und ihm selber suchten die ihm feindlichen, unversöhnlichen Priester jeden Zusammenhang zu tilgen, obwohl bloßer Respekt vor ihrer Schönheit und Erhabenheit dafür sorgte, dass sie den Schriften des früheren Jesaja einverleibt wurden. Und so findet man jetzt die Schriften des zweiten Jesaja im Buch dieses Namens, wo sie Kapitel vierzig bis und mit fünfundfünfzig umfassen. Von Machiventa bis zurzeit Jesu erreichte kein Prophet oder religiöser Lehrer das hohe Gotteskonzept, das der zweite Jesaja in diesen Tagen der Gefangenschaft verkündete. Es war kein kleiner, anthropomorpher, von Menschen geschaffener Gott, den dieser geistige Führer verkündete. "Seht, er hebt die Inseln auf, als wären sie winzige Dinger." "Denn soviel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken." Endlich konnte Machiventa Melchisedek menschliche Lehrer erblicken, die den Sterblichen einen wirklichen Gott verkündeten. Wie der erste Jesaja predigte dieser Führer einen Gott universaler Schöpfung und Aufrechterhaltung. "Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf sie gestellt. Ich habe sie nicht umsonst erschaffen; ich habe sie gebildet, auf dass sie bewohnt werde." "Ich bin der erste und der letzte; es gibt keinen Gott außer mir." Im Namen des Herrn Gottes Israels sprechend, sagte dieser neue Prophet: "Die Himmel mögen vergehen und die Erde altern, aber meine Rechtschaffenheit wird ewig währen und mein Heil von Generation zu Generation dauern." "Fürchtet euch nicht, denn ich bin mit euch; seid unbeirrt, denn ich bin euer Gott." "Außer mir - einem gerechten Gott und Retter - gibt es keinen Gott." Und es tröstete die jüdischen Gefangenen, wie es seither immer wieder Tausende und Abertausende getröstet hat, Worte wie diese zu hören: "So spricht der Herr: `Ich habe dich erschaffen, ich habe dich losgekauft, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du gehörst mir.' " "Wenn du durch das Wasser gehst, werde ich bei dir sein, denn du bist mir kostbar." "Kann eine Frau ihren Säugling vergessen, ohne sich ihres Sohnes zu erbarmen? Ja, sie mag ihn vergessen, aber ich werde meine Kinder nicht vergessen, denn siehe, ich habe ihre Namen in meine Handflächen eingegraben, ich habe sie sogar mit dem Schatten meiner Hände bedeckt." "Der Gottlose lasse ab von seinen Wegen und der Unaufrichtige von seinen Gedanken und kehre zurück zum Herrn, und er wird sich seiner erbarmen; er kehre zurück zu unserem Gott, denn er wird reichlich verzeihen." Hört weiter dem Evangelium dieser neuen Offenbarung des Gottes von Salem zu: "Er wird seine Herde weiden wie ein Schäfer; er wird die Lämmer in seine Arme nehmen und sie an seiner Brust tragen. Er verleiht dem Schwachen Macht, und er steigert die Kraft der Erschlafften. Die Kraft derer, die des Herrn harren, wird sich erneuern; sie werden sich wie auf Adlerschwingen erheben; sie werden laufen und nicht müde werden; sie werden wandern und nicht schwach werden." Dieser Jesaja machte eine weit ausholende Propaganda für das Evangelium vom sich erweiternden Konzept eines höchsten Jahve. Er wetteiferte mit Moses an Eloquenz, mit welcher er den Herrn Gott Israels als Universalen Schöpfer darstellte. Er war poetisch in seiner Schilderung der unendlichen Attribute des Universalen Vaters. Keine schöneren Beschreibungen des himmlischen Vaters wurden je gemacht. Wie die Psalmen befinden sich die Schriften Jesajas unter den sublimsten und wahrsten Darstellungen des geistigen Gotteskonzeptes, die vor Michaels Ankunft auf Urantia an menschliche Ohren gedrungen sind. Hört dieses Porträt der Gottheit: "Ich bin der Hohe und Erhabene, der in der Ewigkeit wohnt." "Ich bin der erste und der letzte, und außer mir gibt es keinen Gott." "Und des Herrn Hand ist nicht zu kurz, um zu retten, noch ist sein Ohr zu schwer, um zu hören." Und es war eine neue Lehre im Judentum, als dieser gütige, aber imponierende Prophet in seiner Predigt immer auf die göttliche Beständigkeit, auf Gottes Treue zurückkam. Er erklärte, dass "Gott weder vergessen, noch im Stich lassen werde". Dieser wagemutige Lehrer verkündete, der Mensch stehe in sehr enger Beziehung zu Gott, und sagte: "Ich habe alle, die nach meinem Namen genannt sind, zu meinem Ruhm erschaffen, und sie werden überall mein Lob singen. Ich, ja ich, bin derjenige, der ihre Verfehlungen sich zuliebe auswischt, und ich werde mich nicht an ihre Sünden erinnern." Hört diesen großen Hebräer das Konzept eines Nationalgottes niederreißen, während er in Herrlichkeit die Göttlichkeit des Universalen Vaters verkündet, von dem er sagt: "Die Himmel sind mein Thron, und die Erde ist mein Fußschemel." Und Jesajas Gott war nichtsdestoweniger heilig, majestätisch, gerecht und unergründlich. Die Vorstellung vom zornigen, auf Rache sinnenden und eifersüchtigen Jahve der Wüstenbeduinen ist beinahe verblasst. Ein neues Konzept des höchsten und universalen Jahve ist im Denken der Sterblichen erschienen, um von ihnen nie wieder aus den Augen verloren zu werden. Mit dem Bewusstwerden göttlicher Gerechtigkeit hat die Zerstörung von primitiver Magie und biologischer Furcht begonnen. Endlich wird der Mensch mit einem Universum von Gesetz und Ordnung und mit einem universalen Gott bekannt gemacht, der verlässliche und endgültige Attribute besitzt. Und dieser Prediger eines himmlischen Gottes wurde nicht müde, diesen Gott der Liebe zu ver-künden. "Ich wohne an einer hohen und heiligen Stätte, aber auch bei dem, der reuevollen und demütigen Geistes ist." Und dieser große Lehrer sprach noch mehr Worte des Trostes zu seinen Zeitgenossen: "Und der Herr wird euch beständig führen und eure Seele zufrieden stellen. Und ihr werdet wie ein bewässerter Garten sein und wie ein Springquell, dessen Wasser nie versiegen. Und sollte der Feind wie eine Flut heranstürmen, so wird der Geist des Herrn gegen ihn eine Schranke errichten." Und das Furcht zerstörende Evangelium Melchisedeks und die Vertrauen gebärende Religion von Salem leuchteten einmal mehr weithin zum Segen der Menschheit. Der weit blickende und mutige Jesaja verdunkelte mit Erfolg den nationalistischen Jahve durch seine sublime Darstellung der Majestät und universalen Allmacht des höchsten Jahve, des Gottes der Liebe, des Lenkers des Universums und liebenden Vaters der ganzen Menschheit. Seit jenen denkwürdigen Tagen waren im höchsten Gotteskonzept des Abendlandes stets universale Gerechtigkeit, göttliche Barmherzigkeit und ewige Rechtschaffenheit mit eingeschlossen. In wunderbarer Sprache und mit unvergleichlichem Zauber schilderte dieser große Lehrer den allmächtigen Schöpfer als allliebenden Vater. Dieser Prophet der Gefangenschaft predigte zu den Angehörigen seines Volkes und vieler Nationen, die ihm am Fluss in Babylon lauschten. Und der zweite Jesaja tat viel, um den vielen falschen und rassisch egoistischen Vorstellungen von der Sendung des versprochenen Messias entgegenzuwirken. Aber bei diesem Bemühen war er nicht ganz erfolgreich. Hätten die Priester sich nicht der Aufgabe verschrieben, einen falsch verstandenen Nationalismus aufzubauen, dann hätten die Lehren der beiden Jesajas den Weg für die Anerkennung und Annahme des versprochenen Messias geebnet. ***** 97.8 Heilige und weltliche Geschichte ***** Die Gewohnheit, die Berichte über die Erfahrungen der Hebräer als heilige Geschichte und die Geschehnisse der restlichen Welt als profane Geschichte zu betrachten, ist für einen guten Teil der Verwirrung verantwortlich, die im menschlichen Gemüt hinsichtlich der Interpretation der Geschichte herrscht. Und diese Schwierigkeit entsteht, weil es keine weltliche Geschichte der Juden gibt. Nachdem die Priester im babylonischen Exil ihre neue Version vom angeblich mirakulösen Umgang Gottes mit den Hebräern fertig gestellt hatten - die heilige Geschichte Israels, wie sie im Alten Testament dargestellt wird - zerstörten sie die existierenden Berichte über die hebräischen Angelegenheiten sorgfältig und vollständig - Bücher wie "Die Taten der Könige Israels" und "Die Taten der Könige Judas" nebst mehreren anderen mehr oder weniger genauen Beschreibungen der hebräischen Geschichte. Um zu verstehen, wie es kam, dass der von der weltlichen Geschichte ausgehende zerstörerische Druck und unentrinnbare Zwang die gefangenen und von Fremden regierten Juden derart terrorisieren konnten, dass sie eine vollständige Neuschreibung und Neufassung ihrer Geschichte versuchten, sollten wir rasch durch die Stationen ihrer erstaunlichen nationalen Erfahrung gehen. Es muss daran erinnert werden, dass es den Juden nicht gelang, eine angemessene nichttheologische Lebensphilosophie zu entwickeln. Sie schlugen sich mit ihrem ursprünglichen ägyptischen Konzept göttlicher Belohnungen für Rechtschaffenheit, verbunden mit grässlichen Strafen für Sünde, herum. Hiobs Drama war so etwas wie ein Protest gegen diese irrige Philosophie. Der unverhohlene Pessimismus des Predigers Salomo war eine weise weltliche Reaktion auf diesen übertrieben optimistischen Glauben an die Vorsehung. Aber fünfhundert Jahre fremder Oberherrschaft waren selbst für die geduldigen und langmütigen Juden zu viel. Die Propheten und Priester begannen auszurufen: "Wie lange, oh Herr, wie lange noch?" Wenn ein ehrlicher Jude die Schriften durchforschte, wurde seine Verwirrung nur noch schlimmer. Ein alter Seher hatte versprochen, dass Gott sein "auserwähltes Volk" beschützen und befreien werde. Amos hatte gedroht, dass Gott Israel verlassen werde, wenn es nicht zu seinen Kriterien nationaler Rechtschaffenheit zurückkehre. Der Verfasser des Deuteronomiums hatte das Bild der Großen Wahl entworfen - zwischen Gut und Böse, zwischen Segen und Fluch. Der erste Jesaja hatte einen wohltätigen Befreier-König gepredigt. Jeremia hatte eine Ära innerer Rechtschaffenheit verkündet - den auf die Tafeln des Herzens geschriebenen Bund. Der zweite Jesaja sprach vom Heil durch Opfer und Erlösung. Hesekiel verkündete Befreiung durch hingebungsvollen Dienst, und Esra versprach Wohlstand durch Gesetzestreue. Aber trotz alledem schmachteten sie weiter in Sklaverei, und die Befreiung schob sich hinaus. Da entrollte Daniel sein Drama von der unmittelbar bevorstehenden "Krise"- die Zerschmetterung der großen Statue und unverzügliche Errichtung der ewigen Herrschaft der Rechtschaffenheit, des messianischen Königreichs. Und all diese falschen Hoffnungen führten zu einem derartigen Grad rassischer Enttäuschung und Frustration, dass die Führer der Juden in ihrer großen Verwirrung die Sendung und das Wirken eines göttlichen Sohnes des Paradieses verkannten und zurückwiesen, als dieser in Men-schengestalt - inkarniert als der Menschensohn - auf sie zukam. Alle modernen Religionen haben beim Versuch, gewisse Epochen der menschlichen Geschichte auf mirakulöse Weise zu deuten, grobe Fehler begangen. Obwohl es zutrifft, dass Gott oftmals mit väterlicher Hand schicksalhaft in den Strom menschlicher Angelegenheiten eingegriffen hat, ist es falsch, theologische Dogmen und religiösen Aberglauben als übernatürliche Sedimentierung aufzufassen, die im Lauf der menschlichen Geschichte durch wunderbares Wirken auftritt. Die Tatsache, dass die "Allerhöchsten in den Königreichen der Menschen regieren", verwandelt die weltliche Geschichte nicht in eine so genannte heilige Geschichte. Die Verfasser des Neuen Testamentes und spätere christliche Schriftsteller haben die Verdrehung der hebräischen Geschichte durch ihre gut gemeinten Versuche, die jüdischen Propheten ins Transzendente zu deuten, nur noch kompliziert. So ist die hebräische Geschichte sowohl durch jüdische wie christliche Autoren auf verheerende Weise ausgebeutet worden. Die weltliche hebräische Geschichte ist vollständig dogmatisiert worden. Sie ist in eine Fiktion heiliger Geschichte übergeführt und unentwirrbar mit den sittlichen Konzepten und religiösen Lehren der so genannten christlichen Nationen verknüpft worden. Eine kurze Darstellung der Hauptpunkte der hebräischen Geschichte soll illustrieren, wie die jüdischen Priester in Babylon die schriftlich überlieferten Tatsachen so abänderten, dass sich die alltägliche weltliche Geschichte ihres Volkes in eine fiktive heilige Geschichte verwandelte. ***** 97.9 Die hebräische Geschichte ***** Es hat nie zwölf Israelitenstämme gegeben - nur drei oder vier in Palästina sesshafte Stämme. Die hebräische Nation entstand infolge der Vereinigung der so genannten Israeliten mit den Kanaaniten. "Und die Kinder Israels wohnten unter den Kanaaniten. Und sie nahmen deren Töchter zu Frauen und gaben ihre Töchter den Söhnen der Kanaaniten." Die Hebräer verjagten die Kanaaniten nie aus Palästina, obwohl die Priesterberichte ohne zu zögern das Gegenteil behaupteten. Das israelitische Bewusstsein entstand in der bergigen Landschaft von Ephraim; das spätere jüdische Bewusstsein nahm seinen Ursprung im südlichen Klan Judas. Die Juden (Judaiten) trachteten immer danach, die Geschichte der nördlichen Israeliten (Ephraimiten) zu verleumden und anzuschwärzen. Die anmaßende hebräische Geschichte beginnt damit, dass Saul die nördlichen Klane um sich schart, um sich einem Angriff der Ammoniten auf ihre Stammesfreunde - die Gileaditen - im Osten des Jordans zu widersetzen. Mit einer Armee von etwas mehr als dreitausend Mann schlug er den Feind, und diese Kriegstat bewegte die Gebirgsstämme, ihn zum König zu machen. Als die exilierten Priester diese Geschichte neu schrieben, erhöhten sie Sauls Armee auf 330 000 Mann und fügten der Liste der an der Schlacht beteiligten Stämme "Juda" an. Unmittelbar nach der Niederlage der Ammoniten wurde Saul durch Volkswahl von seinen Truppen zum König gemacht. Weder ein Priester noch ein Prophet war an diesem Vorgang beteiligt. Aber die Priester setzten später in die Annalen, dass Saul durch den Propheten Samuel gemäß göttlichen Anweisungen zum König gekrönt worden sei. Das taten sie, um eine "göttliche Stammlinie" für Davids judäisches Königtum zu schaffen. Die größte aller Verdrehungen der jüdischen Geschichte geschah im Zusammenhang mit David. Nach Sauls Sieg über die Ammoniten (den er Jahve zuschrieb) gerieten die Philister in Harnisch und begannen, die nördlichen Klane anzugreifen. David und Saul konnten sich nie vertragen. David, der sechshundert Mann befehligte, schloss mit den Philistern ein Bündnis und marschierte der Küste entlang hinauf nach Esdraelon. Bei Gat befahlen die Philister David, das Schlachtfeld zu verlassen, da sie befürchteten, er könnte zu Saul übergehen. David zog sich zurück; die Philister gingen zum Angriff über und bereiteten Saul eine Niederlage. Sie wären dazu nicht fähig gewesen, wenn David Israel treu geblieben wäre. Davids Armee war eine vielsprachige Ansammlung Unzufriedener, die zum größten Teil aus sozialen Außenseitern und solchen, die vor der Justiz flohen, bestand. Die tragische Niederlage, die die Philister Saul bei Gilboa bereiteten, ließ in den Augen der umliegenden Kanaaniten Jahves Ansehen im Kreis der Götter tief sinken. Gewöhnlich wäre Sauls Niederlage einer Abkehr von Jahve zugeschrieben worden, aber diesmal lasteten die judäischen Verfasser es rituellen Fehlern an. Sie brauchten die Tradition Sauls und Samuels als Hintergrund für Davids Königtum. Mit seiner kleinen Armee errichtete David sein Hauptquartier in der nichthebräischen Stadt Hebron. Bald riefen ihn seine Landsleute zum König des neuen Königtums Juda aus. Juda bestand zum größten Teil aus nichthebräischen Elementen - aus Keniten, Kalebiten, Jebusiten und anderen Kanaaniten. Es waren Nomaden - Hirten - sie hingen also der hebräischen Idee über Landbesitz an. Sie besaßen die Ideologien der Wüstenklane. Der Unterschied zwischen heiliger und weltlicher Geschichte kommt schön zum Ausdruck am Beispiel der beiden voneinander abweichenden Erzählungen über Davids Wahl zum König, wie man sie im Alten Testament findet. Einen Teil der weltlichen Darstellung der Art, wie seine unmittelbaren Anhänger (seine Armee) ihn zum König machten, hatten die Priester aus Unachtsamkeit in ihrem Bericht stehen lassen. Danach fertigten sie die langatmige und prosaische Version der heiligen Geschichte an, worin beschrieben wird, wie der Prophet Samuel auf göttliche Weisung David aus seinen Brüdern auswählte und daran ging, ihn förmlich und in komplizierten, feierlichen Zeremonien zum König über die Hebräer zu salben, um ihn dann zum Nachfolger Sauls auszurufen. So oft versäumten es die Priester, nachdem sie ihre fiktiven Erzählungen über Gottes mirakulösen Umgang mit Israel ausgearbeitet hatten, die klaren und prosaischen Aussagen, die sich bereits in den Annalen befanden, völlig auszumerzen. David ging daran, sich politisch zu festigen, indem er zuerst Sauls Tochter heiratete, darauf die Witwe Nabals, des reichen Edomiten, und danach die Tochter Talmais, des Königs von Gesur. Er nahm sich sechs Gattinnen unter den Frauen von Jebus, ganz zu schweigen von Batseba, der Frau des Hetiters. Mit solchen Methoden und mit Hilfe solcher Leute baute David die Fiktion eines göttlichen Königreichs Juda auf, das die Nachfolge von Erbe und Traditionen des sterbenden nördlichen Königreichs des ephraimitischen Israels antrat. Davids kosmopolitischer Stamm Juda war mehr nichtjüdisch als jüdisch; trotzdem kamen die unterdrückten Ältesten Ephraims zu ihm herab und "salbten ihn zum König Israels". Nach einer militärischen Drohung schloss David mit den Jebusiten einen Vertrag in Jebus (Jerusalem), das eine von starken Mauern umgebene Stadt halbwegs zwischen Juda und Israel war. Die Philister wurden aufgerüttelt und griffen David bald an. In einer wilden Schlacht wurden sie geschlagen, und einmal mehr war Jahve als "Der Herr Gott der Heerscharen" gefestigt. Aber Jahve musste gezwungenermaßen etwas von seinem Ruhm mit den kanaanitischen Göttern teilen, weil das Gros von Davids Armee nichthebräisch war. Und so erscheint in eurer Schrift diese verräterische (von den judäischen Herausgebern übersehene) Aussage: "Jahve hat vor mir eine Bresche in meine Feinde geschlagen. Deshalb hat er diesen Ort Baal-Perazim genannt." Und das geschah, weil achtzig Prozent von Davids Soldaten Anhänger Baals waren. David erklärte Sauls Niederlage bei Gilboa damit, dass Saul eine kanaanitische Stadt, Gibeon, angegriffen hatte, deren Einwohner mit den Ephraimiten einen Friedensvertrag abge-schlossen hatten. Aus diesem Grunde habe Jahve ihn verlassen. Schon zu Sauls Lebzeiten hatte David die kanaanitische Stadt Keila gegen die Philister verteidigt, und dann errichtete er seine Hauptstadt in einer kanaanitischen Stadt. Getreu seiner Politik der Kompromisse mit den Kanaaniten lieferte David sieben Nachkommen Sauls an die Gibeoniten aus, damit sie sie erhängten. Nach der Niederlage der Philister gelangte David in den Besitz der "Lade Jahves", brachte sie nach Jerusalem und machte die Verehrung Jahves zum offiziellen Kult seines Königreichs. Als Nächstes auferlegte er den Nachbarstämmen - den Edomiten, Moabiten, Ammoniten und Syrern - schwere Tribute. Davids korrupter politischer Apparat begann, sich in Verletzung der hebräischen Sitten im Norden persönlichen Landbesitz anzueignen, und legte bald Hand auf die Zollgebühren für die Karawanen, die zuvor von den Philistern erhoben worden waren. Und dann folgte eine Serie von Abscheulichkeiten, die in der Ermordung Urias gipfelten. Alle Justizappelle wurden in Jerusalem entschieden; "die Ältesten" durften nicht mehr Recht sprechen. Kein Wunder, dass eine Rebellion ausbrach. Heute würde man Absolom wohl einen Demagogen nennen; seine Mutter war eine Kanaanitin. Es gab ein halbes Dutzend Thronanwärter nebst dem Sohn Batsebas - Salomo. Nach Davids Tod reinigte Salomo den politischen Apparat von allen nördlichen Einflüssen, setzte aber die ganze Tyrannei und Besteuerung des väterlichen Regimes fort. Salomo ruinierte die Nation durch seinen verschwenderischen Hofstil und seine anspruchsvollen Bauvorhaben: Da gab es das Haus Libanon, den Palast der Tochter des Pharao, den Tempel Jahves, den Königspalast und die Erneuerung der Mauern zahlreicher Städte. Salomo schuf eine bedeutende hebräische Flotte, die von syrischen Schiffsleuten betrieben wurde und mit der ganzen Welt Handel trieb. Sein Harem zählte an die tausend Frauen. Zu dieser Zeit hatte der Tempel Jahves in Silo sein Ansehen eingebüßt, und die ganze Anbetung der Nation konzentrierte sich in der prachtvollen königlichen Kapelle in Jebus. Das nördliche Königreich kehrte mehrheitlich zur Verehrung Elohims zurück. Es genoss die Gunst der Pharaonen, die später Juda versklavten, indem sie dem südlichen Königreich einen Tribut auferlegten. Es gab Höhen und Tiefen - Kriege zwischen Israel und Juda. Nach vier Jahren Bürgerkrieg und drei Dynastien fiel Israel unter die Herrschaft von Städtedespoten, die begannen, mit Land zu handeln. Sogar König Omri versuchte, die Besitzung Semers zu kaufen. Aber das Ende nahte rasch, als Salmanassar III sich entschloss, die Mittelmeerküste zu kontrollieren. König Ahab von Ephraim scharte noch zehn andere Gruppen um sich und stellte sich ihm bei Karkar entgegen; die Schlacht endete mit einem Unentschieden. Der Assyrer wurde zwar aufgehalten, aber die Verbündeten wurden stark dezimiert. Diese gewaltige Schlacht findet im Alten Testament nicht einmal Erwähnung. Neue Wirren begannen, als König Ahab von Nabot Land kaufen wollte. Seine phönizische Gattin fälschte Ahabs Namen auf Schreiben, welche die Konfiskation des Landes Nabots aufgrund der Anklage befahlen, Nabot habe die Namen "Elohims und des Königs" geschmäht. Nabot und seine Söhne wurden auf der Stelle hingerichtet. Da trat der kraftvolle Elia auf und klagte Ahab des Mordes an der Familie Nabots an. So begann Elia, einer der größten Propheten, seine Lehrtätigkeit als Verteidiger der alten Bodensitten gegen die den Landverkauf befürwortende Einstellung der Baalisten, gegen den Versuch der Städte, das Land zu beherrschen. Aber die Reform hatte erst Erfolg, als der ländliche Gutsbesitzer Jehu seine Kräfte mit denen des Zigeunerchefs Jonadab verband, um in Samaria die Propheten Baals (Grundstückmakler) umzubringen. Neues Leben kam mit Joasch und seinem Sohn Jerobeam, die Israel von seinen Feinden befreiten. Aber zu dieser Zeit regierte in Samaria ein Gangsteradel, dessen Räubereien mit denen der davidschen Dynastie vergangener Tage wetteiferten. Staat und Kirche gingen Hand in Hand. Der Versuch, die Redefreiheit zu unterdrücken, bewegte Elia, Amos und Hosea dazu, insgeheim mit Schreiben zu beginnen, und das war der tatsächliche Anfang der jüdischen und christlichen Bibel. Aber das nördliche Königreich verschwand erst aus der Geschichte, als der König von Israel sich mit dem König von Ägypten verschwor und sich weigerte, Assyrien weiterhin Tribut zu zahlen. Da begann eine dreijährige Belagerung, die mit der völligen Auflösung des nördlichen Königreichs endete. So ging Ephraim (Israel) unter. In Juda - bei den Juden, dem "Rest Israels" - hatte die Landkonzentration in den Händen einiger weniger begonnen, indem diese - mit den Worten Jesajas - "Haus zu Haus und Feld zu Feld fügten". Bald stand in Jerusalem neben dem Tempel Jahves ein Tempel Baals. Diese Schreckensherrschaft wurde durch einen monotheistischen Aufstand unter Führung des Knabenkönigs Joasch beendet, der fünfunddreißig Jahre lang für Jahve kämpfte. Der nächste König, Amazja, bekam Schwierigkeiten mit den sich erhebenden steuerpflichtigen Edomiten und ihren Nachbarn. Nach einem eklatanten Sieg wandte er sich gegen seine nördlichen Nachbarn und erlebte eine ebenso eklatante Niederlage. Darauf erhoben sich die Landbewohner; ermordeten den König und setzten seinen sechzehn Jahre alten Sohn auf den Thron. Das war Asarja, den Jesaja Usja nannte. Nach Usja verschlimmerte sich die Lage immer mehr, und Juda existierte hundert Jahre lang, indem es den Königen von Assyrien Tribut bezahl- te. Der erste Jesaja sagte seinen Zuhörern, dass Jerusalem - die Stadt Jahves - nie fallen werde. Aber Jeremia zögerte nicht, seinen Untergang anzukündigen. Der eigentliche Ruin Judas wurde durch einen korrupten und reichen Politikerkreis herbeigeführt, der unter der Regierung eines Knabenkönigs, Manasse, wirkte. Ein wirtschaftlicher Umschwung begünstigte die Rückkehr des Baalkultes, dessen privater Handel mit Land der Ideologie Jahves zuwiderlief. Der Fall Assyriens und der Aufstieg Ägyptens brachten Juda eine Zeitlang Befreiung, und die Landbevölkerung übernahm die Macht. Unter Josja beseitigte sie den korrupten Politikerring Jerusalems. Aber diese Ära nahm ein tragisches Ende, als sich Josja unterfing, der mächtigen Armee Nechos entgegenzuziehen und ihr den Weg abzuschneiden, als sie von Ägypten her die Küste entlang her-aufzog, um Assyrien gegen Babylon zu Hilfe zu eilen. Er wurde vernichtend geschlagen, und Juda wurde Ägypten gegenüber tributpflichtig. Die politische Baalpartei gelangte in Jerusalem wiederum an die Macht, und die wirkliche ägyptische Versklavung begann jetzt. Darauf folgte eine Periode, während welcher die Baal-Politiker das Rechtswesen und die Priesterschaft beherrschten. Der Baalkult war ein wirtschaftliches und gesellschaftliches System, das ebenso sehr mit Besitzrechten wie mit Bodenfruchtbarkeit zu tun hatte. Mit Nebukadnezars Sieg über Necho geriet Juda unter die Herrschaft Babylons und bekam zehn Jahre der Gnade zugestanden, erhob sich aber schon bald. Als Nebukadnezar gegen die Judaiten heranzog, schritten sie zu sozialen Reformen wie Sklavenbefreiung, um Jahve zu beeinflussen. Als die babylonische Armee sich vorübergehend zurückzog, frohlockten die Hebräer darüber, dass ihre reformerische Magie sie befreit habe. Zu dieser Zeit war es, dass Jeremia ihnen das bevorstehende Verhängnis ankündigte, und bald darauf kehrte Nebukadnezar zurück. Und damit kam das jähe Ende Judas. Die Stadt wurde zerstört und die Menschen wurden nach Babylon verschleppt. Der Kampf zwischen Jahve und Baal endete in der Gefangenschaft. Und der Schock der Gefangenschaft trieb den Rest Israels in den Monotheismus. In Babylon kamen die Juden zu der Überzeugung, dass sie als kleine Gruppe mit ihren besonderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gepflogenheiten in Palästina nicht existieren konnten und dass sie, sollten sich ihre Ideologien behaupten, die Nichtjuden bekehren mussten. So entstand die neue Vorstellung von ihrer Bestimmung - die Idee, dass die Juden die auserwählten Diener Jahves werden mussten. Die jüdische Religion des Alten Testamentes entwickelte sich ganz eigentlich in der babylonischen Gefangenschaft. Auch die Lehre von der Unsterblichkeit nahm in Babylon Gestalt an. Die Juden hatten bisher gedacht, dass die Beschäftigung mit einem zukünftigen Leben von dem auf sozialer Gerechtigkeit liegenden Schwerpunkt ihres Evangeliums ablenke. Zum ersten Mal verdrängte jetzt die Theologie Soziologie und Wirtschaft. Religion bildete sich mehr und mehr als ein von Politik, Soziologie und Wirtschaft getrenntes System menschlichen Denkens und Verhaltens heraus. Und so lässt die Wahrheit über das jüdische Volk erkennen, dass vieles, was als heilige Geschichte betrachtet worden ist, sich als kaum mehr als die Chronik gewöhnlicher weltlicher Geschichte herausstellt. Der Judaismus war der Boden, dem das Christentum entwuchs, aber die Juden waren kein mirakulöses Volk. ***** 97.10 Die hebräische Religion ***** Ihre Führer hatten die Israeliten gelehrt, sie seien ein auserwähltes Volk, nicht aufgrund besonderen Wohlwollens oder eines Monopols göttlicher Gunst, sondern aufgrund des besonderen Dienstes, allen Nationen die Wahrheit von dem einen und allerhöchsten Gott zu bringen. Und sie hatten den Juden versprochen, dass sie, sollten sie diese Bestimmung erfüllen, zu den geistigen Führern aller Völker werden würden, und dass der kommende Messias über sie und alle Welt als der Friedensfürst herrschen würde. Als die Juden von den Persern freigelassen wurden, kehrten sie nach Palästina zurück, nur um sich in die Knechtschaft ihrer eigenen, ihnen von den Priestern aufgezwungenen Gesetzessamm-lungen, Opfer und Rituale zu begeben. Und gleich wie die hebräischen Klane die wundervolle Geschichte Gottes in der Abschiedsrede des Moses für die Opfer- und Bußrituale zurückgewiesen hatten, so wiesen auch diese Reste der hebräischen Nation das großartige Konzept des zweiten Jesaja für die Gesetze, Regelungen und Rituale ihrer wachsenden Priesterschaft zurück. Nationale Eigensucht, das trügerische Vertrauen in einen falsch verstandenen versprochenen Messias und wachsende Knechtung durch die tyrannische Priesterschaft brachten die Stimmen der geistigen Führer (mit Ausnahme Daniels, Hesekiels, Haggais und Maleachis) für immer zum Verstummen; und von diesem Tag an bis zur Zeit von Johannes dem Täufer machte ganz Israel eine zunehmende geistige Regression durch. Aber nie verloren die Juden das Konzept des Universalen Vaters aus den Augen; selbst bis ins zwanzigste Jahrhundert nach Christus haben sie stets an dieser Vorstellung von der Gottheit festgehalten. Von Moses bis zu Johannes dem Täufer erstreckt sich eine ununterbrochene Kette treuer Leh-rer, die die Fackel des monotheistischen Lichts von einer Generation zur anderen weitergaben, während sie ohne Unterlass skrupellose Herrscher in die Schranken wiesen, geschäftstüchtige Priester anprangerten und das Volk unermüdlich aufforderten, sich der Verehrung des höchsten Jahve, des Herrn Gottes Israels, zuzuwenden. Die Juden haben schließlich ihre politische Identität als eine Nation verloren, aber die hebräische Religion des aufrichtigen Glaubens an den einen und universalen Gott lebt in den Herzen der versprengten Exilierten weiter. Und diese Religion überlebt, weil sie in wirksamer Weise dafür gesorgt hat, die höchsten Werte ihrer Anhänger zu erhalten. Die jüdische Religion hat die Ideale eines Volkes bewahrt, aber sie hat es unterlassen, den Fortschritt zu begünstigen und philosophische schöpferische Entdeckungen in den Reichen der Wahrheit zu ermutigen. Die jüdische Religion hatte viele Fehler - es mangelte ihr an Philosophie und sie entbehrte ästhetischer Qualitäten fast völlig - aber sie bewahrte sittliche Werte; deshalb hat sie überdauert. Der höchste Jahve war im Vergleich zu anderen Gottheitskonzepten scharf umrissen, lebendig, persönlich und sittlich. Die Juden liebten Gerechtigkeit, Weisheit, Wahrheit und Rechtschaffenheit wie nur wenige Völker, aber sie haben von allen Völkern am wenigsten zum intellektuellen Erfassen und geistigen Verständnis dieser göttlichen Qualitäten beigesteuert. Obwohl die hebräische Theologie sich eine Erweiterung verwehrte, spielte sie eine wichtige Rolle in der Entwicklung zweier anderer Weltreligionen - des Christentums und des Mohammedanismus. Die jüdische Religion überdauerte auch dank ihren Institutionen. Es ist für eine Religion schwer, als private Praxis getrennter Individuen zu überleben. Hierin haben sich die religiösen Führer stets geirrt: Angesichts der Übel institutionalisierter Religion suchen sie die Technik des Funktionierens in Gruppen zu zerstören. Statt alles Ritual zu zerstören, täten sie besser daran, es zu reformieren. In dieser Hinsicht war Hesekiel weiser als seine Zeitgenossen. Obwohl er im großen Gewicht, das er auf die persönliche sittliche Verantwortung legte, mit ihnen einig ging, unternahm er es auch, die getreue Beobachtung eines höher stehenden und gereinigten Rituals durchzusetzen. Und so vollbrachten die aufeinander folgenden Lehrer Israels in der Evolution der Religion die hervorragendste Leistung, die auf Urantia je stattgefunden hat: die schrittweise, aber kontinuierliche Umwandlung der barbarischen Vorstellung von dem wilden Dämon Jahve, dem eifersüchtigen und grausamen Geistergott des fauchenden Sinaivulkans, in das spätere erhabene und himmlische Konzept des höchsten Jahve, Schöpfers aller Dinge und liebenden und erbarmenden Vaters der ganzen Menschheit. Und dieses hebräische Gotteskonzept war die höchste menschliche Sicht des Universalen Vaters bis zu der Zeit, als es durch die persönlichen Lehren und das gelebte Beispiel seines Sohnes, Michaels von Nebadon, erweitert und auf so einnehmende Weise verstärkt wurde. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 98 Die Lehren Melchisedeks im Abendland ****** MELCHISEDEKS Lehren gelangten über viele Wege nach Europa, aber hauptsächlich kamen sie über Ägypten und wurden nach ihrer vollständigen Hellenisierung und späteren Christianisierung der abendländischen Philosophie einverleibt. Die Ideale der westlichen Welt waren grundlegend sokratisch, und ihre spätere religiöse Philosophie wurde diejenige von Jesus in ihrer durch den Kontakt mit der sich entwickelnden westlichen Philosophie und Religion veränderten und beeinträchtigten Gestalt. Und all das gipfelte in der christlichen Kirche. Während langer Zeit waren die Missionare Salems in Europa tätig, und allmählich gingen sie in den vielen periodisch entstehenden Kulten und rituellen Gruppen auf. Von denen, die die Lehren Salems in ihrer reinsten Form bewahrten, müssen die Kyniker genannt werden. Diese Prediger des Glaubens und Vertrauens in Gott waren im römischen Europa des ersten nachchristlichen Jahrhunderts immer noch tätig und wurden später in die sich neu bildende christliche Religion eingegliedert. Vieles von der Lehre Salems wurde in Europa durch die jüdischen Söldner verbreitet, die in so vielen militärischen Auseinandersetzungen des Abendlandes mitkämpften. In alten Zeiten waren die Juden ebenso sehr für ihre Tapferkeit im Kampf wie für ihre theologischen Besonderheiten bekannt. Die Grundlehren griechischer Philosophie, jüdischer Theologie und christlicher Ethik waren im Wesentlichen Auswirkungen der früheren Unterweisungen Melchisedeks. ***** 98.1 Die Religion Salems bei den Griechen ***** Die Missionare Salems hätten bei den Griechen eine große religiöse Struktur aufbauen können, wären sie nicht so eng gewesen in ihrer Auslegung des von ihnen anlässlich ihrer Weihe abgelegten Eides, eines ihnen von Machiventa auferlegten Gelöbnisses, das ihnen die Organisation von ausschließlich der Anbetung geweihten Kongregationen verbot und von jedem Lehrer das Versprechen verlangte, nie als Priester zu wirken und nie Honorare für religiöse Dienste entgegenzunehmen, allein Nahrung, Kleidung und Obdach. Als die Lehrer Melchisedeks das vorhellenische Griechenland betraten, fanden sie ein Volk vor, das immer noch die Überlieferungen von Adamson und der Zeit der Anditen pflegte. Aber diese Lehren hatten großen Schaden genommen durch Vorstellungen und Glauben von Horden niedriger Sklaven, die in wachsender Zahl an die griechischen Küsten gebracht worden waren. Diese Verderbnis hatte einen Rückfall in rohen Animismus mit blutigen Riten zur Folge, wobei die niedrigeren Klassen aus der Hinrichtung verurteilter Verbrecher sogar Zeremonien machten. Der frühe Einfluss der Lehrer aus Salem wurde fast zunichte gemacht durch die so genannte arische Invasion aus Südeuropa und aus dem Osten. Diese hellenischen Invasoren brachten anthropomorphe Gotteskonzepte ähnlich denen mit, die ihre arischen Verwandten nach Indien getragen hatten. Mit dieser Einfuhr begann die Entwicklung der griechischen Familie von Göttern und Göttinnen. Diese neue Religion beruhte teilweise auf den Kulten der einfallenden hellenischen Barbaren, aber sie enthielt auch die Mythen der älteren Bewohner Griechenlands. Die hellenischen Griechen fanden eine weitgehend vom Mutterkult beherrschte Mittelmeerwelt vor, und sie zwangen diesen Völkerschaften ihren Mann-Gott, Diaus-Zeus, auf, der wie Jahve bei den henotheistischen Semiten bereits zum Haupt des ganzen griechischen Pantheons untergeordneter Götter geworden war. Und die Griechen wären schließlich mit dem Zeuskonzept zu einem richtigen Monotheismus gelangt, hätten sie nicht an der Idee von einer höchsten Kontrolle durch das Schicksal festgehalten. Ein Gott mit endgültigem Wert muss selber der Gebieter des Schicksals und der Schöpfer der Bestimmung sein. Aufgrund dieser Faktoren religiöser Evolution entstand bald der Volksglaube an die unbekümmerten Götter des Berges Olymp, an mehr menschliche als göttliche Götter, und an Götter, die von den intelligenten Griechen nie sehr ernst genommen wurden. Und weder liebten noch fürchteten sie diese Götter ihrer eigenen Erfindung über die Maßen. Sie empfanden für Zeus und seine Familie von halbmenschlichen und halbgöttlichen Wesen ein patriotisches und rassisches Gefühl, aber sie brachten ihnen kaum Verehrung oder Anbetung entgegen. Die Hellenen waren durch die priesterfeindlichen Lehren der früheren Lehrer aus Salem so sehr geprägt worden, dass in Griechenland nie eine Priesterschaft von etwelcher Bedeutung ent-stand. Selbst die Anfertigung von Götterbildern geschah mehr im Geiste einer Kunstübung als einer andächtigen Verehrung. Die olympischen Götter illustrieren den typischen Anthropomorphismus des Menschen. Aber die griechische Mythologie war mehr ästhetisch als ethisch. Die griechische Religion war insofern hilfreich, als sie ein Universum entwarf, das von einer Gruppe von Gottheiten regiert wurde. Aber Sittlichkeit, Ethik und Philosophie der Griechen eilten ihrem Gotteskonzept bald weit voraus, und dieses Ungleichgewicht zwischen intellektuellem und geistigem Wachstum war für Griechenland ebenso riskant, wie es sich für Indien erwiesen hatte. ***** 98.2 Das philosophische Denken der Griechen ***** Eine leicht genommene und oberflächliche Religion kann nicht von langer Dauer sein, insbesondere wenn sie keine Priesterschaft besitzt, um ihre Formen zu pflegen und die Herzen der Gläubigen mit Furcht und heiliger Scheu zu erfüllen. Weder versprach die olympische Religion Rettung, noch löschte sie den geistigen Durst der an sie Glaubenden, und deshalb war sie zum Untergang verurteilt. Tausend Jahre nach ihrem Entstehen war sie beinahe erloschen, und die Griechen fanden sich ohne nationale Religion, da die Götter des Olymp ihre Macht über die besseren Intelligenzen verloren hatten. So lagen die Dinge, als Orient und Levante im sechsten vorchristlichen Jahrhundert eine Erweckung geistigen Bewusstseins und eine neu erwachende Anerkennung des Monotheismus erlebten. Aber der Westen teilte diese Entwicklung nicht; weder Europa noch Nordafrika nahmen an dieser religiösen Renaissance nennenswerten Anteil. Die Griechen indessen unternahmen einen großartigen intellektuellen Vorstoß. Sie hatten begonnen, die Furcht in den Griff zu bekommen, und sie suchten deren Gegengift nicht mehr in der Religion. Aber sie erkannten nicht, dass wahre Religion den Hunger der Seele stillt und sie von geistiger Unrast und sittlicher Verzweiflung heilt. Sie suchten in tiefem Denken - in Philosophie und Metaphysik - Trost für die Seele. Sie wandten sich vom Nachsinnen über die Selbstbewahrung - Errettung - ab und der Selbstverwirklichung und Selbsterkenntnis zu. Durch strenges Denken versuchten die Griechen zu jenem Bewusstsein von Sicherheit zu gelangen, das als Ersatz für den Glauben an das Fortleben dienen sollte, aber sie scheiterten dabei vollkommen. Nur die intelligenteren Angehörigen der höheren Klassen des hellenischen Volkes konnten die neue Lehre erfassen; die große Masse der Nachkommen der Sklaven früherer Generationen besaß keine Fähigkeit zur Aufnahme dieses neuen Religionsersatzes. Die Philosophen verachteten alle Formen von Anbetung, obwohl sie praktisch alle lose an einem im Hintergrund vorhandenen Glauben an die Salem-Lehre von "der Intelligenz des Universums", "der Idee Gottes" und "dem Großen Ursprung" festhielten. Insofern als die griechischen Philosophen das Göttliche und Überendliche anerkannten, waren sie klar monotheistisch; sie schenkten der ganzen Galaxie olympischer Götter und Göttinnen kaum Beachtung. Die griechischen Dichter des fünften und sechsten Jahrhunderts, insbesondere Pindar, unternahmen eine Erneuerung der griechischen Religion. Sie steigerten deren Ideale, aber sie waren mehr Künstler als religiöse Menschen. Es gelang ihnen nicht, eine Technik zur Förderung und Bewahrung höchster Werte zu entwickeln. Xenophanes lehrte einen einzigen Gott, aber sein Gottheitskonzept war zu pantheistisch, um dem sterblichen Menschen ein persönlicher Vater sein zu können. Anaxagoras war ein Mechanist, außer dass er eine Erste Ursache, einen Ursprünglichen Verstand, anerkannte. Sokrates und seine Nachfolger Plato und Aristoteles lehrten, dass Tugend gleich Wissen ist; Güte gleich seelischer Gesundheit; dass es besser ist, Unrecht zu erleiden als sich seiner schuldig zu machen, dass es falsch ist, Böses mit Bösem zu vergelten, und dass die Götter weise und gut sind. Ihre Haupttugenden waren: Weisheit, Mut, Mäßigkeit und Gerechtigkeit. Die Evolution religiöser Philosophie im hellenischen und hebräischen Volk liefert eine kontrastreiche Illustrierung der Funktion der Kirche als einer den kulturellen Fortschritt gestaltenden Institution. In Palästina war das menschliche Denken dermaßen von den Priestern kontrolliert und von den Schriften gelenkt, dass Philosophie und Ästhetik vollständig in Religion und Sittlichkeit untergingen. In Griechenland ließ die fast vollständige Abwesenheit von Priestern und "heiligen Schriften" den menschlichen Verstand frei und ungebunden, und die Folge davon war eine staunenswerte Entwicklung der Gedankentiefe. Aber die Religion als eine persönliche Erfahrung vermochte mit dem intellektuellen Eindringen in Natur und Realität des Kosmos nicht Schritt zu halten. In Griechenland war der Glaube dem Denken untergeordnet; in Palästina blieb das Denken dem Glauben unterworfen. Ein guter Teil der Kraft des Christentums kommt daher, dass es sowohl bei hebräischer Sittlichkeit als auch bei griechischem Denken ausgiebige Anleihen gemacht hat. In Palästina nahm das religiöse Dogma derart starre Formen an, dass jedes weitere Wachstum in Frage gestellt wurde; in Griechenland wurde menschliches Denken so abstrakt, dass das Gotteskonzept sich in einem nebligen Dunst pantheistischer Spekulation auflöste, die gar nicht so weit von der unpersönlichen Unendlichkeit der brahmanischen Philosophen entfernt war. Aber die gewöhnlichen Menschen jener Zeiten konnten die griechische Philosophie der Selbstverwirklichung und einer abstrakten Gottheit weder erfassen, noch interessierten sie sich besonders dafür; sie sehnten sich vielmehr nach Heilsversprechen, verbunden mit einem persönlichen Gott, der ihre Gebete hören konnte. Sie verbannten die Philosophen, verfolgten die letzten Vertreter des Salemkultes - beide Denkrichtungen hatten sich stark vermischt - und bereiteten sich auf jenes fürchterliche orgiastische Untertauchen in die Mysterienkulte vor, die sich damals in allen Mittelmeerländern ausbreiteten. Im olympischen Pantheon entwickelten sich die eleusinischen Mysterien, eine griechische Version des Fruchtbarkeitskultes; die dionysische Naturanbetung blühte; der beste der Kulte war derjenige der orphischen Bruderschaft, deren sittliche Predigten und Heilsversprechen an viele mächtig appellierten. Ganz Griechenland wurde von diesen neuen Methoden, zum Heil zu gelangen, von diesen emotionalen und glühenden Riten ergriffen. Keine Nation hat je in so kurzer Zeit solche Höhen künstlerischer Philosophie erklommen; keine hat je ein so fortgeschrittenes ethisches System praktisch ohne Gottheit und in gänzlicher Ermangelung des Versprechens menschlicher Errettung geschaffen; und keine Nation ist je so rasch, tief und heftig in solche Tiefen intellektueller Stagnation, sittlicher Verderbtheit und geistiger Armut hinabgetaucht wie diese selben griechischen Völker, als sie sich in den verrückten Wirbel der Mysterienkulte stürzten. Religionen haben ohne philosophische Unterstützung lange zu dauern vermocht, aber nur wenige Philosophien haben als solche ohne irgendwelche Identifikation mit Religion lange bestanden. Philosophie verhält sich zu Religion wie Idee zu Aktion. Aber der ideale menschliche Zustand ist jener, in dem Philosophie, Religion und Wissenschaft durch Zusammenwirken von Weisheit, Glauben und Erfahrung zu einer bedeutungsvollen Einheit zusammengeschweißt werden. ***** 98.3 Die Lehren Melchisedeks in Rom ***** Da sich die nachmalige Religion der Lateiner aus den früheren Formen der Anbetung von Familiengöttern zum Stammeskult des Kriegsgottes Mars entwickelt hatte, war sie ganz natürlich viel politischer geprägt als die intellektuellen Systeme der Griechen und Brahmanen oder die mehr geistigen Religionen mehrerer anderer Völker. Während der großen monotheistischen Renaissance des Evangeliums Melchisedeks im sechsten Jahrhundert vor Christus betraten allzu wenige Missionare aus Salem Italien, und diese wenigen waren unfähig, den Einfluss der sich rasch ausbreitenden etruskischen Priesterschaft mit ihrer neuen Galaxie von Göttern und Tempeln zu überwinden, was alles in die Organisation der römischen Staatsreligion einmündete. Diese Religion der lateinischen Stämme war nicht trivial und korrupt wie diejenige der Griechen, noch war sie streng und tyrannisch wie diejenige der Hebräer; sie bestand größtenteils aus der Beobachtung von Formen, Gelübden und Tabus. Die römische Religion geriet stark unter den Einfluss umfangreicher kultureller Importe aus Griechenland. Schließlich wurden die meisten olympischen Götter verpflanzt und dem lateinischen Pantheon einverleibt. Die Griechen hatten lange Zeit das Feuer des Familienherdes verehrt - Hestia war ihre jungfräuliche Göttin des Herdes; nun wurde Vesta zu der römischen Göttin des Heims. Zeus wurde zu Jupiter, Aphrodite zu Venus, und dasselbe widerfuhr vielen anderen olympischen Gottheiten. Die religiöse Initiation der römischen Jugendlichen war der Anlass ihrer feierlichen Verpflichtung auf den Dienst am Staat. Gelübde und Aufnahme in die Staatsbürgerschaft waren in Wirklichkeit religiöse Zeremonien. Die lateinischen Völker unterhielten Tempel, Altäre und heilige Schreine und befragten in Krisenzeiten die Orakel. Sie bewahrten die Gebeine von Helden und später diejenigen der christlichen Heiligen. Diese förmliche und nichtemotionale Art von pseudoreligiösem Patriotismus war zum Untergang verurteilt, geradeso wie die hochintellektuelle und künstlerische Verehrung der Griechen vor der glühenden und tief emotionalen Anbetung der Mysterienkulte abgedankt hatte. Der mächtigste dieser zerstörerischen Kulte war die Mysterienreligion der Mutter-Gottes-Sekte, die ihren Hauptsitz in jenen Tagen genau an der Stelle der heutigen St. Peterskirche in Rom hatte. Der aufstrebende römische Staat machte politische Eroberungen, wurde aber seinerseits durch die Kulte, Riten, Mysterien und Gotteskonzepte Ägyptens, Griechenlands und der Levante erobert. Diese importierten Kulte blühten im Ganzen römischen Staatswesen weiter bis zu der Zeit des Augustus, der aus rein politischen und staatsbürgerlichen Gründen eine heroische und einigermaßen erfolgreiche Anstrengung unternahm, die Mysterien zu zerstören und die ältere politische Religion neu zu beleben. Einer der Priester der Staatsreligion berichtete Augustus von den früheren Bestrebungen der Lehrer aus Salem, die Lehre von dem einen Gott, von einer endgültigen, über allen übernatürlichen Wesen stehenden Gottheit zu verbreiten; und diese Idee setzte sich im Kaiser so stark fest, dass er viele Tempel erbaute, sie mit schönen Statuen versah, die staatliche Priesterschaft reorganisierte, die Staatsreligion wiederherstellte, sich zum amtierenden höchsten Priester aller ernannte und als Kaiser nicht zögerte, sich selbst zum höchsten Gott auszurufen. Diese neue Religion der Augustus-Verehrung blühte und wurde zu seinen Lebzeiten im ganzen Reich mit Ausnahme Palästinas, der Heimat der Juden, befolgt. Und diese Ära menschlicher Götter setzte sich so lange fort, bis der offizielle römische Kult eine Liste von über vierzig selbsternannten menschlichen Gottheiten enthielt, die alle auf mirakulöse Geburt und andere übermenschliche Attribute Anspruch erhoben. Den letzten Widerstand der schrumpfenden Gruppe von Salemgläubigen leistete die ernste Predigerschar der Kyniker, die die Römer aufforderten, ihre wilden und sinnlosen religiösen Rituale aufzugeben und zu einer Form der Anbetung zurückzukehren, die das durch den Kontakt mit der Philosophie der Griechen veränderte und infizierte Evangelium Melchisedeks enthielt. Aber das Volk als Ganzes lehnte die Kyniker ab; es zog vor, sich in die Rituale der Mysterien zu stürzen, die ihm nicht nur Hoffnung auf persönliche Errettung anboten, sondern auch seinem Wunsch nach Abwechslung, Erregung und Unterhaltung entgegenkamen. ***** 98.4 Die Mysterienkulte ***** Da die Menschen der griechisch-römischen Welt in ihrer Mehrheit ihre angestammte Familien- und Staatsreligion verloren hatten und nicht fähig oder willens waren, die Bedeutung der griechischen Philosophie zu erfassen, wandten sie ihre Aufmerksamkeit den spektakulären und erregenden Mysterienkulten aus Ägypten und der Levante zu. Die einfachen Leute sehnten sich nach Heilsversprechen - nach religiösem Trost für das Heute und nach Bekräftigung der Hoffnung auf Unsterblichkeit nach dem Tode. Die drei Mysterienkulte, die am populärsten wurden, waren: 1. Der phrygische Kult der Kybele und ihres Sohnes Attis. 2. Der ägyptische Kult des Osiris und seiner Mutter Isis. 3. Der iranische Kult der Verehrung Mithras als des Retters und Erlösers der sündigen Menschheit. Die phrygischen und ägyptischen Mysterien lehrten, dass der göttliche Sohn (Attis bzw. Osiris) durch den Tod gegangen und durch göttliche Macht auferweckt worden sei, und ferner, dass alle, die geziemend in das Mysterium eingeweiht waren und seinen Todestag und den Tag seiner Auferstehung mit Ehrfurcht feierten, dadurch an seiner göttlichen Natur und Unsterblichkeit teilhaben würden. Die phrygischen Zeremonien waren beeindruckend, aber entwürdigend; ihre blutigen Feiern lassen erkennen, wie heruntergekommen und primitiv diese levantinischen Mysterien geworden waren. Der heiligste Tag war der Schwarze Freitag, der "Tag des Blutes", an dem man des selbst-auferlegten Todes Attis' gedachte. Nach drei Tagen der feierlichen Begehung des Opfers und Todes von Attis schlug die Feier zu Ehren seiner Auferstehung in Freude um. Die Rituale des Isis- und Osiriskultes waren raffinierter und eindrücklicher als jene des phrygischen Kultes. Dieses ägyptische Ritual rankte sich um die Sage des alten Nilgottes, eines Gottes, der starb und auferweckt wurde. Diese Vorstellung war aus der Beobachtung des jährlich wiederkehrenden Stillstandes des Pflanzenwuchses hervorgegangen, auf den im Frühling die Rückkehr aller lebenden Pflanzen folgt. Die Raserei bei der Befolgung der Mysterienkulte und die Orgien ihres Zeremoniells, die angeblich zum "Enthusiasmus" göttlicher Verwirklichung führten, waren manchmal höchst widerlich. ***** 98.5 Der Mithraskult ***** Die phrygischen und ägyptischen Mysterien mussten schließlich dem größten aller Mysterienkulte, der Verehrung Mithras, weichen. Der mithraische Kult sprach die verschiedensten Menschentypen an und verdrängte allmählich seine beiden Vorgänger. Der Mithraismus verbreitete sich über das ganze Römische Reich durch die Propaganda der in der Levante - wo diese Religion im Schwang war - rekrutierten römischen Legionen; denn sie trugen diesen Glauben mit sich in alle Gegenden, wo sie hinkamen. Und dieses neue religiöse Ritual bedeutete gegenüber den früheren Mysterienkulten eine große Verbesserung. Der Mithraskult entstand in Iran und hielt sich in seiner Heimat lange Zeit trotz der militanten Opposition der Anhänger Zarathustras. Bis der Mithraismus Rom erreichte, war er durch die Aufnahme vieler Lehren Zarathustras bedeutend verbessert worden. Und es geschah hauptsächlich über den mithraischen Kult, dass Zarathustras Religion das später erscheinende Christentum beeinflusste. Der mithraische Kult schilderte einen kämpferischen Gott, der aus einem großen Felsen geboren wurde, zu Heldentaten auszog und dessen Pfeile beim Aufprall auf einem Felsen aus diesem Wasser hervorschießen ließen. Es gab eine Sintflut, welcher nur ein einziger in einem besonders gebauten Boot entging, und ein letztes Abendmahl, das Mithras mit dem Sonnengott feierte, bevor er zum Himmel aufstieg. Dieser Sonnengott oder Sol Invictus war eine Entartung des Ahura-Mazda-Gottheitkonzeptes des Zoroastrismus. Man stellte sich Mithras als den überlebenden Vorkämpfer des Sonnengottes in dessen Kampf gegen den Gott der Finsternis vor. Und in Anerkennung dafür, dass er den mythischen heiligen Stier tötete, wurde Mithras unsterblich gemacht und in die Stellung eines Fürsprechers der menschlichen Rasse bei den Göttern in der Höhe erhoben. Die Anhänger dieses Kultes trafen sich zur Anbetung in Höhlen und an anderen geheimen Orten, wobei sie Hymnen sangen, magische Formeln murmelten, das Fleisch der Opfertiere aßen und deren Blut tranken. Sie hielten dreimal am Tag Andacht, mit einem besonderen wöchentlichen Zeremoniell am Tage des Sonnengottes und mit der anspruchsvollsten aller Feiern am jährlichen Fest Mithras, dem fünfundzwanzigsten Dezember. Man glaubte, dass die Teilnahme am Sakrament das ewige Leben, das unverzügliche Weitergehen nach dem Tode an den Busen Mithras zusichere, um dort bis zum Tage des Gerichts in Seligkeit zu verharren. Am Tage des Gerichts würden Mithras' Himmelsschlüssel die Pforten des Paradieses zum Empfang der Gläubigen aufschließen. Danach würden bei Mithras' Rückkehr zur Erde alle Ungetauften unter den Lebenden und Toten vernichtet. Es wurde gelehrt, dass ein Mensch bei seinem Tode vor Mithras trete, um von ihm gerichtet zu werden, und dass dieser am Ende der Welt alle Toten zum ewigen Gericht aus ihren Gräbern rufe. Die Gottlosen kämen im Feuer um, und die Rechtschaffenen würden für immer mit Mithras herrschen. Zuerst war es nur eine Religion für Männer, und es gab sieben verschiedene Grade, in die die Gläubigen nacheinander eingeweiht werden konnten. Später wurden die Frauen und Töchter von Gläubigen in die Tempel der Großen Mutter aufgenommen, die an die mithraischen Tempel stießen. Der Kult der Frauen war eine Mischung aus mithraischem Ritual und den Zeremonien des phrygischen Kultes Kybeles, der Mutter von Attis. ***** 98.6 Mithraismus und Christentum ***** Vor dem Kommen der Mysterienkulte und des Christentums entwickelte sich in den zivilisierten Ländern Nordafrikas und Europas kaum eine persönliche Religion als unabhängige Institution; Religion war mehr eine Angelegenheit der Familie, des Stadtstaates, eine politische, eine kaiserliche Sache. Die hellenischen Griechen entwickelten nie ein zentralisiertes System religiöser Praxis; das Ritual war lokal; sie hatten weder Priesterschaft noch "heiliges Buch". Wie den religiösen Institutionen der Römer fehlte auch den ihren ein mächtiger Motor zur Bewahrung der höheren sittlichen und geistigen Werte. Zwar stimmt es, dass die Institutionalisierung einer Religion gewöhnlich ihrer geistigen Qualität abträglich gewesen ist, aber es ist auch eine Tatsache, dass es bisher keiner Religion gelungen ist, ohne die Hilfe einer institutionellen Organisation größeren oder geringeren Umfanges zu überleben. So siechte die abendländische Religion bis zu den Tagen der Skeptiker, Kyniker, Epikuräer und Stoiker dahin, aber wichtiger noch als alles andere, bis zu der Zeit der großen Auseinandersetzung zwischen dem Mithraismus und der neuen christlichen Religion des Paulus. Während des dritten Jahrhunderts nach Christus waren sich die mithraischen und christlichen Kirchen sowohl in ihrer äußeren Erscheinung als auch im Charakter ihres Rituals sehr ähnlich. Die Mehrzahl dieser Stätten der Anbetung war unterirdisch, und beide besaßen Altäre, in deren Hintergrund auf manche Weise die Leiden des Retters dargestellt waren, welcher der von Sünde heimgesuchten menschlichen Rasse das Heil gebracht hatte. Schon immer war es Sitte der mithraischen Gläubigen gewesen, ihre Finger beim Betreten des Tempels in heiliges Wasser einzutauchen. Und da es in vielen Gegenden Menschen gab, die eine Zeitlang beiden Religionen angehörten, führte man diesen Brauch in der Mehrzahl der christlichen Kirchen der Umgebung Roms ein. Beide Religionen wandten die Taufe an und nahmen am Sakrament des Brotes und Weines teil. Abgesehen von den Charakteren von Mithras und Jesus war einer der Hauptunterschiede zwischen Mithraismus und Christentum, dass jener den Militarismus ermutigte, während dieses extrem pazifistisch war. Die Toleranz des Mithraismus gegenüber anderen Religionen (außer dem späteren Christentum) führte zu seinem schließlichen Untergang. Aber der ausschlaggebende Faktor im Kampf zwischen den beiden war die Aufnahme der Frauen als vollwertige Mitglieder in die christliche Glaubensgemeinschaft. Am Ende beherrschte der nominelle christliche Glaube das Abendland. Die griechische Philosophie steuerte die ethischen Wertvorstellungen bei, der Mithraismus die den Kult begleitenden Rituale und das Christentum als solches die Technik zur Erhaltung sittlicher und sozialer Werte. ***** 98.7 Die christliche Religion ***** Nicht um einen zornigen Gott zu versöhnen, inkarnierte sich ein Schöpfersohn in der Gestalt eines Sterblichen und gab sich an die Menschheit Urantias hin, sondern um die ganze Menschheit dahin zu bringen, des Vaters Liebe zu erkennen und sich ihrer Sohnesbeziehung zu Gott bewusst zu werden. Im Grunde erkannte selbst der große Anwalt der Sühnedoktrin etwas von dieser Wahrheit, denn er erklärte, dass "Gott in Christus die Welt mit sich versöhnte". Es ist nicht Aufgabe dieser Schrift, auf Ursprung und Verbreitung der christlichen Religion einzugehen. Begnügen wir uns damit festzuhalten, dass sie um die Person Jesu von Nazareth, den als Menschen inkarnierten Michael-Sohn von Nebadon herum aufgebaut ist, den Urantia als den Christus, den Gesalbten, kennt. Das Christentum wurde in der Levante und im Abendland durch die Jünger dieses Galiläers verbreitet, und ihr missionarischer Eifer kam dem ihrer illu-stren Vorgänger, der Sethiter und Salemiten, und dem ihrer ernsten asiatischen Zeitgenossen, der buddhistischen Lehrer, gleich. Die christliche Religion als urantianisches Glaubenssystem entstand aus der Vermengung folgender Lehren, Einflüsse, Glaubensvorstellungen, Kulte und individueller persönlicher Haltungen: 1. Die Lehren Melchisedeks. Sie bilden den Grundfaktor aller Religionen von Okzident und Orient, die in den letzten viertausend Jahren entstanden sind. 2. Das hebräische System der Sittlichkeit, Ethik, Theologie und des Glaubens an die Vorsehung sowie an den höchsten Jahve. 3. Die zoroastrische Auffassung vom Kampf zwischen dem kosmischen Guten und Bösen, die ihren Stempel bereits dem Judaismus und dem Mithraismus aufgedrückt hatte. Durch den lang währenden Kontakt, den die Kämpfe zwischen Mithraismus und Christentum mit sich brachten, wurden die Lehren des iranischen Propheten zu einem mächtigen und bestimmenden Faktor in der theologischen und philosophischen Art und Bauweise der Dogmen, Lehrsätze und der Kosmologie der hellenisierten und latinisierten Versionen von Jesu Lehren. 4. Die Mysterienkulte, insbesondere der Mithraismus, aber auch die Verehrung der Großen Mutter im phrygischen Kult. Selbst auf die Legenden über Jesu Geburt auf Urantia färbte die römische Version von der wunderbaren Geburt des iranischen Retters und Helden Mithras ab, bei dessen Ankunft auf Erden nur eine Handvoll Hirten zugegen waren, die Geschenke darbrachten und denen Engel das unmittelbar bevorstehende Ereignis bekannt gegeben hatten. 5. Die historische Tatsache des menschlichen Lebens Josua ben Josephs, die Realität Jesu von Nazareth als des verherrlichten Christus, des Sohnes Gottes. 6. Der persönliche Gesichtspunkt von Paulus von Tarsus. Und es sollte daran erinnert werden, dass während seiner Adoleszenz die dominierende Religion von Tarsus der Mithraismus war. Paulus hätte sich nie träumen lassen, dass seine in guter Absicht verfassten Briefe an seine Bekehrten eines Tages von späteren Christen als "Wort Gottes" betrachtet würden. Man darf solche wohlmeinenden Lehrer nicht für den Gebrauch verantwortlich machen, den spätere Nachfolger von ihren Schriften machen. 7. Das philosophische Denken der hellenistischen Völker, von Alexandrien und Antiochien über Griechenland bis nach Syrakus und Rom. Die Philosophie der Griechen stand mehr in Harmonie mit der paulinischen Version des Christentums als mit jedem anderen der damaligen religiösen Systeme und wurde zu einem wichtigen Faktor des Erfolges des Christentums im Abendland. Immer noch bildet die griechische Philosophie im Verein mit der Theologie des Paulus die Grundlage der europäischen Ethik. Während die ursprünglichen Lehren Jesu im Abendland eindrangen, wurden sie verwestlicht, und mit ihrer Verwestlichung begannen sie, ihre potentiell universale Anziehungskraft auf alle Rassen und Arten von Menschen einzubüßen. Das heutige Christentum ist zu einer Religion geworden, die den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Sitten der weißen Rassen gut angepasst ist. Es hat seit langem aufgehört, Jesu Religion zu sein, obwohl es Einzelnen, die aufrichtig seiner Unterweisung nachzuleben trachten, immer noch mutig eine schöne Religion über Jesus bietet. Es hat Jesus als den Christus, den messianischen Gesalbten Gottes verherrlicht, aber es hat weitgehend des Meisters persönliches Evangelium vergessen: die Vaterschaft Gottes und die universale Bruderschaft aller Menschen. Das ist die lange Geschichte der Lehren Machiventa Melchisedeks auf Urantia. Es ist fast viertausend Jahre her, seit sich dieser Nothelfersohn Nebadons auf Urantia hingab, und in diesem Zeitraum sind die Lehren des "Priesters El Elyons, des Allerhöchsten Gottes", zu allen Rassen und Völkern gedrungen. Und Machiventa erfüllte das Ziel seiner außergewöhnlichen Selbsthingabe; denn als Michael sich anschickte, auf Urantia zu erscheinen, existierte das Gotteskonzept in den Herzen von Männern und Frauen, dasselbe Gotteskonzept, das in der lebendigen geistigen Erfahrung der mannigfaltigen Kinder des Universalen Vaters immer wieder neu aufflammt, während sie ihr fesselndes zeitliches Leben auf den durch den Raum wirbelnden Planeten leben. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 99 Die Sozialen Probleme der Religion ****** DIE Religion leistet der Gesellschaft dann ihren höchsten Dienst, wenn sie mit deren weltlichen Einrichtungen die geringste Verbindung hat. Da sich soziale Reformen in vergangenen Zeiten weitgehend auf den sittlichen Bereich beschränkten, hatte es die Religion nicht nötig, ihre Haltung bedeutenden Veränderungen der wirtschaftlichen und politischen Systeme anzupassen. Das Hauptproblem der Religion bestand in dem Bestreben, innerhalb der existierenden gesellschaftlichen Ordnung politischer und wirtschaftlicher Kultur Übles durch Gutes zu ersetzen. Deshalb hatte die Religion die Neigung, indirekt die bestehende Gesellschaftsordnung zu verewigen, die Fortdauer der existierenden Zivilisationsart zu begünstigen. Aber die Religion sollte sich nicht direkt mit der Schaffung von neuen oder mit der Bewahrung von alten gesellschaftlichen Ordnungen beschäftigen. Wahre Religion stellt sich der Gewalt als einer Technik sozialer Evolution entgegen, aber sie stemmt sich nicht gegen intelligente Anstrengungen der Gesellschaft zur Anpassung ihrer Bräuche und zur Abstimmung ihrer Institutionen auf veränderte wirtschaftliche Bedingungen und kulturelle Bedürfnisse. Die Religion billigte die gelegentlichen Gesellschaftsreformen vergangener Jahrhunderte, aber im zwanzigsten Jahrhundert ist sie wohl oder übel genötigt, eine Anpassung an einen umfassenden, unablässigen gesellschaftlichen Umbau ins Auge zu fassen. Die Lebensbedingungen wechseln so rapide, dass die institutionellen Veränderungen stark beschleunigt werden müssen, und die Religion muss sich dieser neuen und dauerndem Wandel unterworfenen Gesellschaftsordnung entsprechend schneller anpassen. ***** 99.1 Religion und soziale Rekonstruktion ***** Mechanische Erfindungen und Verbreitung des Wissens verändern die Zivilisation; gewisse wirtschaftliche Neuausrichtungen und soziale Wandlungen sind dringend nötig, wenn ein kulturelles Desaster vermieden werden soll. Die neue kommende Ordnung wird sich nicht selbstzufrieden für ein ganzes Jahrtausend einrichten können. Die menschliche Rasse muss sich mit einer Reihe von Veränderungen, Anpassungen und Neuanpassungen anfreunden. Die Menschheit befindet sich auf dem Weg zu einer neuen, nicht offenbarten planetarischen Bestimmung. Die Religion muss zu einem kraftvollen Einfluss für sittliche Stabilität und geistigen Fortschritt werden, der auf dynamische Weise inmitten dieser ständig wechselnden Bedingungen und unaufhörlichen wirtschaftlichen Neuanpassungen wirkt. Die Gesellschaft Urantias kann nie mehr hoffen, sich wie in vergangenen Zeiten gemütlich niederzulassen. Das Schiff der Gesellschaft hat die geschützten Buchten der althergebrachten Tradition verlassen und mit seiner Kreuzfahrt auf der hohen See evolutionärer Bestimmung begonnen; und wie nie zuvor in der Weltgeschichte muss die Seele des Menschen ihre Karten der Sittlichkeit sorgfältig studieren und den Kompass der religiösen Führung peinlich genau beobachten. Die oberste Sendung der Religion als eines sozialen Einflusses ist die Stabilisierung der Menschheitsideale während dieser gefährlichen Übergangszeiten von einer Zivilisationsphase zur nächsten, von einer Kulturstufe zur anderen. Die Religion hat keine neuen Pflichten zu übernehmen, aber sie ist dringend aufgerufen, in all diesen neuen und rasch wechselnden menschlichen Situationen als weise Führerin und erfahrene Ratgeberin zu wirken. Die Gesellschaft wird mechanischer, kompakter, komplexer und auf gefährlichere Art wechselseitiger Abhängigkeit unterworfen. Die Religion muss dahin wirken, dass diese neuen und engen Verflechtungen nicht zu gegenseitigem Rückschritt oder gar gegenseitiger Vernichtung führen. Die Religion muss als kosmisches Salz wirken, das die Fermente des Fortschritts daran hindert, den kulturellen Geschmack der Zivilisation zu zerstören. Die neuen gesellschaftlichen Beziehungen und wirtschaftlichen Umwälzungen können nur durch den Dienst der Religion zu dauernder Brüderlichkeit führen. Ein Humanitarismus ohne Gott ist menschlich gesprochen eine edle Geste, aber wahre Religion ist die einzige Macht, die das Empfinden einer sozialen Gruppe für die Bedürfnisse und Leiden anderer Gruppen auf Dauer zu verstärken vermag. In der Vergangenheit konnte die institutionelle Religion passiv bleiben, während die oberen Schichten der Gesellschaft für die Leiden und die Unterdrückung der hilflosen niedrigeren Schichten taub blieben, aber in moderner Zeit sind diese niedrigeren sozialen Ordnungen nicht mehr so schrecklich unwissend und politisch hilflos. Die Religion darf sich am weltlichen Werk gesellschaftlichen Umbruchs und wirtschaftlicher Umorganisierung nicht organisch beteiligen. Aber sie muss mit all diesen Fortschritten der Zivilisation aktiv Schritt halten durch eindeutige und kräftige Neuformulierungen ihres sittlichen Auftrags und ihrer geistigen Unterweisung, ihrer fortschrittlichen Philosophie menschlicher Lebensweise und transzendenter Fortexistenz. Der Geist der Religion ist ewig, aber die Form, in der sie sich ausdrückt, muss bei jeder Revision des Wörterbuchs der menschlichen Sprache erneuert werden. ***** 99.2 Die Schwäche der institutionellen Religion ***** Die institutionelle Religion kann bei der weltweit unmittelbar bevorstehenden gesellschaftlichen Umstrukturierung und wirtschaftlichen Reorganisation weder eine Inspiration liefern noch für Führung sorgen, da sie unglücklicherweise mehr oder weniger ein organischer Bestandteil ebendieser Gesellschaftsordnung und dieses Wirtschaftssystems geworden ist, die beide eine Umbildung zu erfahren bestimmt sind. Einzig die wirkliche Religion persönlicher geistiger Erfahrung kann in der gegenwärtigen Zivilisationskrise hilfreich und schöpferisch wirken. Die institutionelle Religion ist jetzt in einer Sackgasse, in einem Teufelskreis gefangen. Sie kann die Gesellschaft nicht neu bauen, ohne zuerst sich selber neu zu bauen; aber da sie so sehr integrierender Bestandteil der bestehenden Ordnung ist, kann sie sich nicht neu bauen, solange die Gesellschaft nicht einen radikalen Umbau erfahren hat. Gläubige Menschen müssen in Gesellschaft, Industrie und Politik als Einzelne und nicht als Gruppen, Parteien oder Institutionen wirken. Eine religiöse Gruppe, die sich anmaßt, als solche unabhängig von religiösen Aktivitäten zu funktionieren, wird augenblicklich zu einer politischen Partei, wirtschaftlichen Organisation oder sozialen Institution. Religiöser Kollektivismus muss seine Bestrebungen auf die Förderung religiöser Anliegen beschränken. Gläubige sind bei den Aufgaben des gesellschaftlichen Umbaus nicht wertvoller als Ungläubige außer insofern, als ihre Religion ihnen erhöhten kosmischen Weitblick verliehen und sie mit jener höheren sozialen Weisheit begabt hat, die aus dem aufrichtigen Wunsch hervorgeht, Gott über alles zu lieben und jeden Menschen wie einen Bruder im himmlischen Königreich zu lieben. Eine ideale Gesellschaftsordnung ist eine, in der jeder Mensch seinen Nachbarn ebenso sehr liebt wie sich selber. Es ist wohl schon so, dass die institutionalisierte Kirche in der Vergangenheit manchmal zur Dienerin der Gesellschaft wurde, indem sie die bestehenden politischen und wirtschaftlichen Ordnungen verherrlichte, aber will sie überleben, muss sie solches Handeln schleunigst aufgeben. Die einzige ihr zustehende Haltung besteht im Lehren der Gewaltlosigkeit, in der Doktrin friedlicher Evolution anstelle gewalttätiger Revolution - Friede auf Erden und guter Wille unter allen Menschen. Die moderne Religion findet es nur deshalb so schwierig, ihre Haltung den sich rasch vollziehenden gesellschaftlichen Wechseln anzupassen, weil sie es sich erlaubt hat, so vollständig in Tradition, Dogma und Institutionalisierung zu erstarren. Die auf lebendiger Erfahrung beruhende Religion hat keine Schwierigkeit, all diese gesellschaftlichen Entwicklungen und wirtschaftlichen Umwälzungen vorauszunehmen, um stets als sittlicher Stabilisator, gesellschaftlicher Führer und geistiger Pilot in ihrer Mitte zu wirken. Von einem Zeitalter zum anderen überträgt wahre Religion jene Kulturanteile, die es wert sind, und jene Weisheit, die aus der Erfahrung hervorgegangen ist, Gott zu kennen und danach zu streben, ihm zu gleichen. ***** 99.3 Die Religion und der religiöse Mensch ***** Das frühe Christentum war völlig frei von allen zivilen Verstrickungen, sozialen Engagements und wirtschaftlichen Allianzen. Erst später wurde das institutionalisierte Christentum zu einem organischen Teil der politischen und gesellschaftlichen Struktur der abendländischen Zivilisation. Das Königreich des Himmels ist weder eine gesellschaftliche noch eine wirtschaftliche Ordnung; es ist eine ausschließlich geistige Bruderschaft von Gott kennenden Einzelpersonen. Zugegeben, eine solche Bruderschaft ist an sich ein neues und erstaunliches gesellschaftliches Phänomen, das verblüffende politische und wirtschaftliche Auswirkungen hat. Der religiöse Mensch ist nicht unempfindlich für soziales Leid, nicht blind für zivile Ungerechtigkeit, wirtschaftlichem Denken nicht unzugänglich noch gefühllos gegenüber politischer Tyrannei. Die Religion hat einen direkten Einfluss auf den gesellschaftlichen Neubau, weil sie den einzelnen Bürger vergeistigt und mit Idealen erfüllt. Indirekt wird die kulturelle Zivilisation durch die Haltung dieser individuellen Gläubigen in dem Maße beeinflusst, wie diese zu aktiven und einflussreichen Mitgliedern verschiedener sozialer, sittlicher, wirtschaftlicher und politischer Gruppen werden. Um zu einer hohen kulturellen Zivilisation zu gelangen, braucht es erstens den idealen Bürgertyp und zweitens ideale und adäquate gesellschaftliche Mechanismen, mittels welcher eine derartige Bürgerschaft die wirtschaftlichen und politischen Institutionen solch einer fortgeschrittenen menschlichen Gesellschaft lenken kann. Aus übergroßem falschem Gefühl heraus hat sich die Kirche lange Zeit den Unterprivilegierten und Elenden zugewandt, und das war alles recht und gut, aber dasselbe Gefühl hat zu einer unklugen Fortpflanzung rassisch degenerierter Linien geführt, die den Zivilisationsfortschritt auf erschreckende Weise verzögert haben. Viele Einzelmenschen, die am Neubau der Gesellschaft arbeiten, aber die institutionalisierte Religion vehement ablehnen, sind im Grunde bei der Propagierung ihrer gesellschaftlichen Reformen von religiösem Eifer erfüllt. Und so spielt diese persönliche und mehr oder weniger nicht anerkannte religiöse Motivation im gegenwärtigen Programm gesellschaftlichen Umbaus eine sehr große Rolle. Die große Schwäche all dieser nicht anerkannten und unbewussten Art religiöser Aktivität liegt darin, dass sie nicht aus offener religiöser Kritik Nutzen ziehen und dadurch zu segensreichen Ebenen der Selbstkorrektur gelangen kann. Es ist eine Tatsache, dass Religion nicht wächst, solange sie nicht durch einen konstruktiven kritischen Geist diszipliniert, durch Philosophie verstärkt, durch Wissenschaft gereinigt und durch treue Kameradschaft genährt wird. Es besteht immer die große Gefahr, dass die Religion durch Verfolgung falscher Ziele verunstaltet und verdorben wird, wie wenn in Kriegszeiten jede kämpfende Nation ihre Religion zu militärischen Propagandazwecken herabwürdigt. Eifer ohne Liebe ist der Religion stets abträglich, während Verfolgungen die Aktivitäten der Religion auf Nebengeleise lenken, um irgendeinem soziologischen oder theologischen Impuls zu gehorchen. Religion kann von unheiligen weltlichen Allianzen nur freigehalten werden durch: 1. Eine kritisch korrigierende Philosophie. 2. Freiheit von allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Allianzen. 3. Schöpferische, stärkende und der Liebe förderliche Gemeinschaften. 4. Wachsende Vertiefung der geistigen Schau und Würdigung kosmischer Werte. 5. Verhinderung von Fanatismus durch eine ausgleichende wissenschaftliche Geisteshaltung. Gläubige als Gruppe dürfen sich nie mit anderen Dingen als mit Religion beschäftigen, was aber keinen dieser Gläubigen daran hindern sollte, als individueller Bürger in irgendeiner gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Reformbewegung zu einem hervorragenden Führer zu werden. Aufgabe der Religion ist es, im einzelnen Bürger eine derartige kosmische Loyalität wachzurufen, zu unterhalten und zu inspirieren, dass sie ihn bei der Ausübung all dieser schwierigen, aber wünschenswerten Dienste an der Gesellschaft erfolgreich werden lässt. ***** 99.4 Übergangsschwierigkeiten ***** Echte Religion macht den Gläubigen anziehend im Umgang und verleiht ihm ein Gespür für menschliche Kameradschaft. Aber das Förmlichwerden einer religiösen Gruppe zerstört oftmals gerade die Werte, zu deren Förderung sie geschaffen wurde. Menschliche Freundschaft und göttliche Religion helfen und erleuchten einander gegenseitig in bedeutungsvoller Weise, wenn sich beider Wachstum ausgeglichen und harmonisch vollzieht. Religion bringt neue Bedeutungen in alle Gruppenzusammenschlüsse - in Familien, Schulen und Klubs. Sie verleiht dem Spiel neue Werte und verschönert allen wahren Humor. Soziale Führerschaft wird durch geistige Erkenntnis verwandelt; Religion bewahrt alle kollektiven Bewegungen davor, ihre wahren Ziele aus den Augen zu verlieren. Unter der Voraussetzung lebendigen und wachsenden Glaubens ist die Religion zusammen mit den Kindern die große Einigerin des Familienlebens. Es gibt kein Familienleben ohne Kinder; es kann zwar ohne Religion gelebt werden, aber eine solche Behinderung vervielfacht die Schwierigkeiten dieser innigen menschlichen Gemeinschaft ganz gewaltig. In den frühen Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts ist es das Familienleben, das nebst der persönlichen religiösen Erfahrung am meisten unter dem Zerfall leidet, der eine Folge des Übergangs von den alten religiösen Treueverhältnissen zu den erwachenden neuen Bedeutungen und Werten ist. Wahre Religion ist eine bedeutungsvolle Art, inmitten der gewöhnlichen Realitäten des täglichen Lebens dynamisch zu leben. Aber wenn Religion die individuelle Charakterbildung stimulieren und die Integrierung der Persönlichkeit fördern soll, darf sie nicht standardisiert werden. Wenn sie die der Erfahrung beigemessene Wichtigkeit stimulieren und zur Suche nach Werten einladen soll, darf sie nicht stereotyp werden. Wenn Religion höchste Treue auslösen soll, darf sie nicht förmlich werden. Was für Umwälzungen auch immer das gesellschaftliche und wirtschaftliche Wachstum der Zivilisation begleiten mögen, so ist Religion echt und lohnend, wenn sie im Einzelnen eine Erfahrung begünstigt, in der die Macht von Wahrheit, Schönheit und Güte beherrschend ist, denn das ist das wahre geistige Konzept höchster Realität. Und durch Liebe und Anbetung wird all das bedeutungsvoll in der brüderlichen Beziehung zu den Menschen und in der Sohnesbeziehung zu Gott. Letztlich ist vielmehr das, was man glaubt, für das Verhalten bestimmend und die persönlichen Leistungen prägend, als das, was man weiß. Reines Tatsachenwissen übt auf den Durchschnittsmenschen nur einen sehr geringen Einfluss aus, solange es nicht emotional aktiviert wird. Aber die Aktivierung durch Religion liegt über den Emotionen und einigt die gesamte menschliche Erfahrung auf transzendenten Ebenen durch den Kontakt mit geistigen Energien und deren Einströmen in das Leben des Sterblichen. Während der psychologisch aus dem Gleichgewicht geratenen Zeiten des zwanzigsten Jahrhunderts, inmitten der wirtschaftlichen Umwälzungen, sittlichen Gegenströmungen und soziologischen Wellenbewegungen der zyklonischen Übergänge einer wissenschaftlichen Ära, sind Tausende und Abertausende von Männern und Frauen menschlich erschüttert worden; sie sind bang, ruhelos, furchtsam, ungewiss und unstet; wie nie zuvor in der Weltgeschichte brauchen sie den Trost und die Stabilisierung einer gesunden Religion. Nie da gewesenen wissenschaftlichen Leistungen und mechanischen Entwicklungen stehen geistige Stagnation und philosophisches Chaos gegenüber. Es liegt keine Gefahr in dem Umstand, dass Religion je länger je mehr zu einer privaten Angelegenheit - zu einer persönlichen Erfahrung - wird, vorausgesetzt, dass sie dabei ihre Motivation für selbstlosen und liebenden sozialen Dienst nicht verliert. Die Religion hat unter vielen sekundären Einflüssen gelitten: unter plötzlicher Vermischung der Kulturen, Vermengung von Glaubensvorstellungen, Abnahme der kirchlichen Autorität, Veränderung des Familienlebens sowie Verstädterung und Mechanisierung. Die größte geistige Gefährdung des Menschen besteht im nur teilweisen Fortschritt, in der misslichen Lage nicht abgeschlossenen Wachstums: im Aufgeben der evolutionären Religionen der Furcht ohne sofortige Annahme der offenbarten Religion der Liebe. Die moderne Wissenschaft, insbesondere die Psychologie, hat nur solche Religionen geschwächt, die weitgehend auf Furcht, Aberglauben und Emotion gründen. Übergangszeiten sind immer von Verwirrung begleitet, und es wird in der religiösen Welt wenig Ruhe geben, solange die große Auseinandersetzung zwischen den drei sich bekämpfenden Religionsphilosophien nicht vorüber ist: 1. Der geistorientierte Glaube (an eine schicksalsbestimmende Gottheit) vieler Religionen. 2. Der humanistische und idealistische Glaube vieler Philosophien. 3. Die mechanistische und naturalistische Auffassung vieler Wissenschaften. Und diese drei partiellen Herangehensweisen an die Realität des Kosmos müssen schließlich harmonisiert werden durch die geoffenbarte Darstellung von Religion, Philosophie und Kosmologie, die beschreibt, wie die dreieinige Existenz von Geist, Verstand und Energie aus der Trinität des Paradieses hervorgeht und innerhalb der Gottheit des Supremen zu Einigung in Zeit und Raum gelangt. ***** 99.5 Soziale Aspekte der Religion ***** Während Religion eine ausschließlich persönliche, geistige Erfahrung ist - Gott als einen Vater zu kennen - erfordert die logische Folgerung aus dieser Erfahrung - den Menschen als einen Bruder zu kennen - die Abstimmung des Selbst auf das Selbst anderer, und hierin liegt der soziale oder Gruppenaspekt des religiösen Lebens. Die Religion ist zuerst eine innere oder persönliche Einstimmung, und danach wird sie zu einer Angelegenheit sozialen Dienstes oder der Einstimmung auf die Gruppe. Die Tatsache des menschlichen Herdeninstinktes bringt es zwangsläufig mit sich, dass religiöse Gruppen ins Dasein treten. Was mit solchen religiösen Gruppen geschieht, hängt sehr stark von intelligenter Führerschaft ab. In der primitiven Gesellschaft ist die religiöse Gruppe nicht immer sehr verschieden von wirtschaftlichen oder politischen Gruppen. Religion ist immer eine Bewahrerin der Sittlichkeit und Stabilisatorin der Gesellschaft gewesen. Und das ist immer noch wahr, trotz der gegenteiligen Lehre vieler moderner Sozialisten und Humanisten. Denkt stets daran: Wahre Religion ist, Gott als euren Vater und den Menschen als euren Bruder zu kennen. Religion ist kein sklavischer Glaube an angedrohte Strafen oder magische Versprechungen künftiger mystischer Belohnungen. Jesu Religion ist der dynamischste aller je die menschliche Rasse aktivierenden Einflüsse. Jesus zerschmetterte die Tradition, zerstörte das Dogma und rief die Menschheit zur Verwirklichung ihrer höchsten Ideale in Zeit und Ewigkeit auf - vollkommen zu sein, wie der Vater im Himmel vollkommen ist. Die Religion hat nur geringe Aussicht zu funktionieren, bevor sich die religiöse Gruppe von allen anderen Gruppen trennt - zum gesellschaftlichen Zusammenschluss der geistigen Angehörigen des himmlischen Königreichs wird. Die Lehre von der völligen Verworfenheit des Menschen zerstörte einen guten Teil des in der Religion vorhandenen Potentials zur Zeitigung von sozialen Auswirkungen erhebender Natur und inspirierenden Wertes. Jesus trachtete danach, die menschliche Würde wiederherzustellen, als er erklärte, dass alle Menschen Kinder Gottes sind. Jede religiöse Überzeugung, die sich auf einen Gläubigen vergeistigend auswirkt, wird mit Sicherheit in dessen sozialem Leben mächtige Auswirkungen haben. Die religiöse Erfahrung bringt unfehlbar die "Früchte des Geistes" im täglichen Leben des vom Geist geführten Sterblichen hervor. Ebenso sicher, wie Menschen denselben religiösen Glauben teilen, bilden sie eine religiöse Gruppe irgendwelcher Art, die schließlich gemeinsame Ziele schafft. Eines Tages werden die religiösen Menschen zusammenspannen und tatsächlich auf der Basis von einheitlichen Idealen und Zielsetzungen zur Zusammenarbeit schreiten, anstatt dasselbe auf der Basis von psychologischen Meinungen und theologischen Anschauungen zu versuchen. Ziele, und nicht Kredos, sollten die Gläubigen vereinen. Da wahre Religion eine Angelegenheit persönlicher geistiger Erfahrung ist, muss jeder einzelne Gläubige notwendigerweise von der Verwirklichung dieser geistigen Erfahrung eine eigene persönliche Interpretation haben. Der Sinn des Wortes "Glaube" sollte viel eher die Beziehung des Einzelnen zu Gott sein als die kredohafte Formulierung dessen, worauf sich eine Gruppe von Sterblichen als gemeinsame religiöse Haltung geeinigt hat. "Glaubst du? Dann glaube an dich selber." Dass Glauben nur mit dem Festhalten an idealen Werten zu tun hat, bezeugt jene Definition des Neuen Testamentes, die erklärt, dass der Glaube die Substanz der Dinge ist, die man erhofft, und die Selbstverständlichkeit von Dingen, die man nicht sieht. Der primitive Mensch strengte sich kaum an, seine religiösen Überzeugungen in Worte zu fassen. Er drückte seine Religion viel eher im Tanz als in Worten aus. Die modernen Menschen haben viele Kredos ausgesonnen und viele Kriterien religiösen Glaubens geschaffen. Die Gläubigen der Zukunft müssen ihre Religion leben, sich von ganzem Herzen dem Dienst an der menschlichen Bruderschaft hingeben. Es ist höchste Zeit, dass die religiöse Erfahrung des Menschen so persönlich und sublim wird, dass sie sich einzig durch "Gefühle, die für Worte zu tief sind", erleben und ausdrücken lässt. Jesus verlangte von seinen Anhängern nicht, sich periodisch zu versammeln, um formelhafte Worte herzusagen, die den ihnen gemeinsamen Glauben wiedergäben. Er gebot ihnen einzig zusammenzukommen, um tatsächlich etwas zu tun - teilzunehmen am gemeinsamen Abendmahl der Erinnerung an sein Leben der Selbsthingabe auf Urantia. Was für einen Fehler begehen doch Christen, die Christus als höchstes Ideal geistiger Führerschaft preisen, wenn sie es wagen, von gottbewussten Männern und Frauen zu verlangen, die historische Führerschaft von gottnahen Menschen abzulehnen, die in vergangenen Zeitaltern zur Erleuchtung ihrer jeweiligen Nation oder Rasse beigetragen haben! ***** 99.6 Institutionelle Religion ***** Sektierertum ist eine Krankheit institutioneller Religion, und Dogmatismus ist eine Versklavung der geistigen Natur. Es ist weit besser, eine Religion ohne Kirche zu haben, als eine Kirche ohne Religion. Der religiöse Tumult des zwanzigsten Jahrhunderts ist an und für sich nicht ein Zeichen des Niedergangs. Verwirrung geht ebenso sehr dem Wachstum voraus wie der Zerstörung. Die Sozialisierung der Religion verfolgt einen wirklichen Zweck. Der Zweck von religiösen Gruppenaktivitäten ist es, die der Religion entsprungenen Treueverhältnisse kräftig zu steigern; den Reiz von Wahrheit, Schönheit und Güte zu betonen; zu der Anziehungskraft höchster Werte beizutragen; den Dienst im Geiste selbstloser Brüderlichkeit zu verstärken; die im Familienleben liegenden Potentiale zu rühmen; für religiöse Erziehung zu sorgen; weise Beratung und geistige Führung anzubieten; und gemeinsame Anbetung zu ermutigen. Und alle lebendigen Religionen ermutigen menschliche Freundschaft, bewahren die Sittlichkeit, fördern die Hilfsbereitschaft unter Nachbarn und erleichtern die Verbreitung des wesentlichen Evangeliums ihrer jeweiligen Botschaft ewigen Heils. Aber wenn sich die Religion immer mehr zu einer Institution wandelt, wird ihre Kraft zum Guten beschnitten, während ihre Möglichkeiten zu Üblem gewaltig zunehmen. Die Gefahren förmlicher Religion sind: Fixierung von Glaubensvorstellungen und Kristallisierung von Gefühlen; Anhäufung verbriefter Rechte bei zunehmender Verweltlichung; Tendenz zu Standardisierung und Fossilisierung der Wahrheit; Übergang der Religion vom Dienst an Gott zum Dienst an der Kirche; Neigung der Führer, Verwalter statt Seelsorger zu sein; Tendenz zur Bildung von Sekten und wetteifernden Untergruppen; Entstehen einer unterdrückerischen geistlichen Autorität; Schaffung der aristokratischen "Auserwähltes Volk"-Haltung; Förderung falscher und übertriebener Ideen von Heiligkeit; Übergang der Religion in Routine und Versteinerung des Kultes; Hinwendung zur Verehrung der Vergangenheit und Taubheit für aktuelle Bedürfnisse; Unvermögen, Religion auf moderne Weise zu deuten; Verquickung mit Funktionen weltlicher Institutionen; und die förmliche Religion schafft die üble Sonderung in religiöse Kasten; sie wird zu einem intoleranten Richter der Orthodoxie; sie versagt dabei, das Interesse einer abenteuerlustigen Jugend wach zu halten, und verliert allmählich die rettende Botschaft des Evangeliums vom ewigen Heil aus den Augen. Die förmliche Religion schränkt die Menschen in ihren persönlichen geistigen Aktivitäten ein, anstatt sie als Erbauer des Königreichs für einen höheren Dienst zu befreien. ***** 99.7 Der Beitrag der Religion ***** Obwohl die Kirchen und alle anderen religiösen Gruppen sich von jeder weltlichen Aktivität fernhalten sollten, darf die Religion zugleich nichts unternehmen, um die gesellschaftliche Koordinierung menschlicher Institutionen zu verhindern oder zu verzögern. Das Leben muss fortfahren, immer größere Bedeutung zu gewinnen; der Mensch muss seine Reformierung der Philosophie und seine Klärung der Religion fortsetzen. Die politische Wissenschaft muss die Rekonstruktion von Wirtschaft und Industrie aufgrund der Techniken, die sie von der Sozialwissenschaft lernt, und aufgrund der aus religiösem Leben gewonnenen Erkenntnisse und Antriebe herbeiführen. Bei jedem gesellschaftlichen Umbau liefert die Religion die stabilisierende Treue zu einem transzendenten Bezugspunkt, ein festigendes Ziel jenseits und über dem verfolgten unmittelbaren zeitlichen Zweck. Inmitten der Verwirrung eines sich rasch wandelnden Umfeldes braucht der sterbliche Mensch die Stütze einer gewaltigen kosmischen Perspektive. Die Religion inspiriert den Menschen dazu, sein Leben auf der Erde mutig und freudig zu leben; sie verbindet Geduld mit Leidenschaft, Erkenntnis mit Eifer, Sympathie mit Macht und Ideale mit Energie. Der Mensch kann in zeitlichen Fragen niemals zu weisen Entscheidungen gelangen oder über selbstsüchtige persönliche Interessen hinausgehen, es sei denn, er halte in der Gegenwart der Souveränität Gottes Einkehr und rechne mit den Realitäten göttlicher Bedeutungen und geistiger Werte. Gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Brüderlichkeit werden letzten Endes die Bruderschaft herbeiführen. Der Mensch ist von Natur aus ein Träumer, aber die Wissenschaft sorgt für seine Ernüchterung, so dass die Religion ihn alsbald aktivieren kann und dabei viel weniger Gefahr läuft, in ihm fanatische Reaktionen auszulösen. Die wirtschaftlichen Zwänge binden den Menschen an die Realität, und die persönliche religiöse Erfahrung lässt denselben Menschen von Angesicht zu Angesicht den ewigen Realitäten einer stets expandierenden und voranschreitenden kosmischen Bürgerschaft gegenübertreten. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 100 Die Religion in Menschlicher Erfahrung ****** DIE Erfahrung eines dynamischen religiösen Lebens verwandelt einen mittelmäßigen Menschen in eine Persönlichkeit voll idealistischer Kraft. Die Religion dient dem Fortschritt aller, indem sie den Fortschritt jedes Einzelnen fördert, und jedes Einzelnen Fortschritt wird durch das Vollbringen aller verstärkt. Geistiges Wachstum wird wechselseitig angeregt durch inniges Zusammenwirken mit anderen Gläubigen. Die Liebe liefert das Erdreich für religiöses Wachstum - eine objektive Anziehungskraft anstelle subjektiver Beglückung - und doch spendet sie die allerhöchste subjektive Beglückung. Und die Religion adelt die gewöhnliche Plackerei des täglichen Lebens. ***** 100.1 Religiöses Wachstum ***** Während Religion ein Wachstum an Bedeutungen und eine Steigerung der Werte bewirkt, entsteht immer dann Übles, wenn rein persönliche Beurteilungen auf absolute Ebenen gehoben werden. Ein Kind beurteilt eine Erfahrung danach, wieviel Vergnügen sie ihm bringt; Reife verhält sich proportional zum Ersatz persönlichen Vergnügens durch höhere Bedeutungen, ja Hingabe an die höchsten Konzepte von verschiedensten Lebenssituationen und kosmischen Beziehungen. Manche Personen sind zu beschäftigt, um zu wachsen, und laufen deshalb große Gefahr, geistig zu erstarren. Man muss in den verschiedenen Lebensabschnitten, aufeinander folgenden Kulturen und vorübergehenden Stadien der fortschreitenden Zivilisation für das Wachstum der Bedeutungen sorgen. Die wichtigsten Wachstumshemmnisse sind Vorurteil und Unwissenheit. Gebt jedem heranwachsenden Kind Gelegenheit, in seiner eigenen religiösen Erfahrung zu wachsen; stülpt ihm nicht eine fertige Erwachsenenerfahrung über. Seid dessen eingedenk, dass der von Jahr zu Jahr erzielte Fortschritt in einem bestehenden Erziehungssystem nicht notwendigerweise intellektuellen Fortschritt und noch viel weniger geistiges Wachstum bedeutet. Erweiterung des Vokabulars heißt nicht Entwicklung des Charakters. Wachstum bekundet sich nicht wirklich in bloßen Resultaten, sondern vielmehr im Fortschritt. Wahres erzieherisches Wachstum gibt sich in einer Verstärkung der Ideale kund, in wachsender Würdigung von Werten, in neuen Bedeutungen, die Werten gegeben werden, und in einer stärkeren Treue gegenüber höchsten Werten. Kinder werden bleibend nur durch die Loyalität ihrer erwachsenen Gefährten beeindruckt; Vorschriften oder sogar Beispiele sind auf die Dauer nicht wirksam. Loyale Personen sind wachsende Personen, und Wachstum ist eine eindrückliche und inspirierende Realität. Lebt heute loyal - wachst - und morgen wird für sich selber sorgen. Die rascheste Art für eine Kaulquappe, zu einem Frosch zu werden, ist, jeden Augenblick loyal als eine Kaulquappe zu leben. Der für religiöses Wachstum unerlässliche Nährboden setzt voraus: ein dynamisches Leben der Selbstverwirklichung, Koordinierung natürlicher Neigungen, Betätigung der Neugierde und Freude an vernünftigen Abenteuern, Empfinden von Gefühlen der Befriedigung, das Funktionieren der Furcht, um Aufmerksamkeit und Bewusstheit zu stimulieren, Staunen vor dem Wunderbaren und ein normales Bewusstsein der eigenen Kleinheit - Demut. Wachstum gründet auch auf der Entdeckung des Selbst einhergehend mit Selbstkritik - Bewusstheit, denn Bewusstheit ist in Wirklichkeit Kritik an sich selbst anhand der eigenen Wertmaßstäbe, der persönlichen Ideale. Die religiöse Erfahrung wird stark geprägt durch physische Gesundheit, ererbtes Temperament und gesellschaftliches Umfeld. Aber diese zeitlichen Bedingungen hindern den inneren geistigen Fortschritt einer Seele nicht, die sich der Erfüllung des Willens des himmlischen Vaters geweiht hat. In allen normalen Sterblichen ist ein gewisses angeborenes Streben nach Wachstum und Selbstverwirklichung vorhanden, das funktioniert, wenn es nicht spezifisch gehemmt wird. Die sichere Technik zur Förderung dieses angeborenen Potentials zu geistigem Wachstum ist, eine Haltung rückhaltloser Hingabe an höchste Werte zu pflegen. Religion kann man nicht schenken, empfangen, ausleihen, lernen oder verlieren. Sie ist eine persönliche Erfahrung, die im Maße des zunehmenden Verlangens nach endgültigen Werten wächst. Deshalb gehen die Anhäufung von Bedeutungen und unablässig erhöhte Werte mit kosmischem Wachstum einher. Aber Seelenadel an sich ist immer ein unbewusstes Wachstum. Religiöse Gewohnheiten des Denkens und Handelns tragen viel zum geistigen Wachstum bei. Man kann religiöse Anlagen entwickeln, um auf geistige Stimuli günstig zu reagieren - so etwas wie einen konditionierten geistigen Reflex schaffen. Zu den Gewohnheiten, die religiöses Wachstum begünstigen, sind zu zählen: Besondere Pflege des Feingefühls für göttliche Werte, Wahrnehmung religiösen Lebens bei anderen, nachdenkliches Meditieren über kosmische Bedeutungen, Lösen von Problemen in andächtiger Verfassung, Teilen des eigenen geistigen Lebens mit seinen Gefährten, Vermeiden von Selbstsucht, Weigerung, auf göttliche Barmherzigkeit zu zählen, ein Leben, als befände man sich in der Gegenwart Gottes. Die Faktoren des religiösen Wachstums können der Absicht entspringen, aber das Wachstum selber geschieht stets unbewusst. Die unbewusste Natur des religiösen Wachstums bedeutet indessen nicht, dass es eine Aktivität ist, die sich in den angeblich unterbewussten Bereichen des menschlichen Intellekts abspielt; sie ist vielmehr ein Zeichen schöpferischer Aktivitäten auf den überbewussten Ebenen des menschlichen Verstandes. Die Erfahrung, sich der Realität unbewussten religiösen Wachstums innezuwerden, ist der einzige positive Beweis der funktionellen Existenz des Überbewusstseins. ***** 100.2 Geistiges Wachstum ***** Die geistige Entwicklung hängt erstens von der Aufrechterhaltung einer lebendigen geistigen Verbindung mit wahren geistigen Kräften ab, und zweitens vom steten Hervorbringen geistiger Früchte: von der dienenden Weitergabe dessen an seine Mitmenschen, was man von seinen geistigen Wohltätern empfangen hat. Geistiger Fortschritt gründet auf dem intellektuellen Feststellen der eigenen geistigen Armut sowie auf dem Bewusstsein, nach Vollkommenheit zu hungern, auf dem Wunsch, Gott zu kennen und ihm zu gleichen, und auf der rückhaltlosen Entschlossenheit, den Willen des Vaters im Himmel zu tun. Geistiges Wachstum ist erst einmal ein Erwachen zu Bedürfnissen, dann ein Erkennen von Bedeutungen und schließlich ein Entdecken von Werten. Der Beweis wahrer geistiger Entwicklung besteht im Erscheinen einer menschlichen Persönlichkeit, deren Motivation die Liebe, deren Triebkraft selbstloser Dienst ist und die beherrscht wird von einer aus ganzem Herzen kommenden Verehrung der Vollkommenheitsideale der Göttlichkeit. Und diese ganze Erfahrung bildet die Realität der Religion im Gegensatz zu bloß theologischem Fürwahrhalten. Religion kann bis zu jener Erfahrungsebene vorstoßen, wo sie zu einer erleuchteten und weisen Methode geistiger Reaktion auf das Universum wird. Solch eine verherrlichte Religion kann auf drei Ebenen der menschlichen Persönlichkeit wirksam sein: auf der intellektuellen, der morontiellen und der geistigen; also auf den Verstand, in der sich entwickelnden Seele und mit dem innewohnenden Geist wirken. Die Geistigkeit wird zugleich zu einem Gradmesser für jemandes Nähe zu Gott und zum Maß seiner Nützlichkeit für seine Mitmenschen. Geistigkeit steigert die Fähigkeit, die Schönheit in den Dingen aufzuspüren, die Wahrheit in den Bedeutungen zu erkennen und die Güte in den Werten zu entdecken. Die geistige Entwicklung wird durch die Fähigkeit dazu bestimmt und steht in direktem Verhältnis zur Reinigung der Liebe von ihren egoistischen Elementen. Ein gegebener geistiger Status ist das Maß für die Annäherung an die Gottheit, für die Einstimmung auf den Justierer. Das Erreichen letzter Vergeistigung ist gleichbedeutend mit dem Erlangen eines Höchstmaßes an Realität, mit maximaler Gottähnlichkeit. Das ewige Leben ist die endlose Suche nach unendlichen Werten. Das Ziel menschlicher Selbstverwirklichung sollte geistig, nicht materiell sein. Die einzigen erstrebenswerten Realitäten sind göttlich, geistig und ewig. Der sterbliche Mensch hat ein Anrecht auf den Genuss physischer Freuden und die Befriedigung menschlicher Liebe; er zieht Nutzen aus seiner Treue zu menschlichen Vereinigungen und zeitlichen Institutionen; aber das sind nicht die ewigen Fundamente, auf denen sich die unsterbliche Persönlichkeit aufbauen lässt, welche den Raum überschreiten, die Zeit besiegen und die ewige Bestimmung erreichen muss - göttliche Vollkommenheit und Dienen als Finalist. Jesus beschrieb die tiefe Sicherheit eines Gott kennenden Sterblichen, als er sagte: "Was kümmert es den, der Gott kennt und an das Königreich glaubt, wenn alle irdischen Dinge in Trümmer gehen?" Zeitliche Sicherheiten sind verwundbar, aber geistige Sicherheiten sind unbezwingbar. Wenn die Wogen menschlicher Not, Selbstsucht, Grausamkeit, Todfeindschaft, Bosheit und Eifersucht über der menschlichen Seele zusammenschlagen, könnt ihr in der Sicherheit ruhen, dass es eine innere Bastion, die Zitadelle des Geistes, gibt, die absolut uneinnehmbar ist; wenigstens trifft das für jedes menschliche Wesen zu, das seine Seele der Hut des ihm innewohnenden Geistes des ewigen Gottes anvertraut hat. Nach einer derartigen geistigen Vollbringung, die durch allmähliches Wachstum oder durch eine besondere Krise herbeigeführt worden ist, geschieht eine Neuorientierung der Persönlichkeit und entwickelt sich ein neuer Wertemaßstab. Solche aus dem Geiste geborene Wesen sind in ihrem Leben derart neu motiviert, dass sie ruhig zusehen können, wie ihre teuersten Ambitionen sterben und ihre innigsten Hoffnungen zusammenbrechen; sie wissen mit Sicherheit, dass solche Katastrophen nur in eine neue Richtung weisende Erschütterungen sind, die ihre zeitlichen Schöpfungen vernichten, bevor mit dem Bau edlerer und dauerhafterer Realitäten auf einer neuen und erhabeneren Ebene universeller Vollbringung begonnen werden kann. ***** 100.3 Konzepte höchsten Wertes ***** Religion ist keine Methode zur Erlangung eines statischen und wonnevollen Seelenfriedens; sie ist ein Impuls, der die Seele für dynamischen Dienst organisiert. Sie ist das Engagement des ganzen Selbst in der treuen Hingabe an die Liebe Gottes und den Dienst an den Menschen. Die Religion ist bereit, jeden Preis zu bezahlen, der zur Erlangung des höchsten Ziels, der ewigen Belohnung, wesentlich ist. In religiöser Treue liegt eine Vollständigkeit des Geweihtseins von wunderbarer Sublimität. Und solche Treue ist sozial wirksam und geistig progressiv. Für den Gläubigen wird das Wort Gott zu einem Symbol, das die Annäherung an die höchste Realität und die Anerkennung göttlicher Werte bedeutet. Menschliche Vorlieben und Abneigungen bestimmen nicht, was gut und böse ist; sittliche Werte gehen nicht aus der Erfüllung von Wünschen oder aus enttäuschten Gefühlen hervor. Bei der Betrachtung von Werten müsst ihr zwischen dem unterscheiden, was ein Wert ist, und dem, was einen Wert hat. Ihr müsst die Beziehung erkennen zwischen angenehmen Tätigkeiten und ihrer bedeutungsvollen Integration und gesteigerten Verwirklichung auf immer höheren Ebenen menschlicher Erfahrung. Die Bedeutung ist etwas, was die Erfahrung dem Wert hinzufügt; sie ist das würdigende Wissen um Werte. Ein isoliertes und rein selbstbezogenes Vergnügen kann eine praktische Abwertung von Bedeutungen, einen bedeutungslosen Genuss darstellen, der an relatives Übel grenzt. Werte werden dann zu Erfahrungen, wenn die Realitäten bedeutungsvoll sind und mental miteinander verbunden werden, wenn solche Verbindungen vom Verstand erkannt und gewürdigt werden. Werte können nie statisch sein; Realität bedeutet Veränderung, Wachstum. Veränderung ohne Wachstum, ohne Bedeutungserweiterung und Steigerung der Werte - ist wertlos, potentiell übel. Je höher die Qualität kosmischer Anpassung ist, umso mehr Bedeutung besitzt jede Erfahrung. Werte sind keine vorstellungsmäßigen Illusionen, sie sind wirklich, aber sie hängen immer von der Tatsache von Beziehungen ab. Werte sind immer zugleich wirklich und potentiell - nicht was war, sondern was ist und was sein soll. Die Verknüpfung von Wirklichem und Potentiellem ist gleich Wachstum, erfahrungsmäßige Verwirklichung von Werten. Aber Wachstum ist nicht nur Fortschritt. Fortschritt ist immer bedeutungsvoll, aber ohne Wachstum ist er relativ wertlos. Der höchste Wert des Menschenlebens besteht im Wachstum von Werten, im Fortschritt der Bedeutungen und in der Verwirklichung der kosmischen gegenseitigen Verflechtung dieser beiden Erfahrungen. Und ebendiese Erfahrung ist gleichbedeutend mit Gottesbewusstsein. Ein solcher Sterblicher wird, wenn auch nicht übernatürlich, so doch wahrhaft übermenschlich; eine unsterbliche Seele entwickelt sich. Der Mensch kann Wachstum nicht verursachen, aber er kann günstige Bedingungen dafür schaffen. Wachstum, ob physischer, intellektueller oder geistiger Natur, geschieht immer unbewusst. Die Liebe wächst in dieser Art; sie kann nicht geschaffen, hergestellt oder gekauft werden; sie muss wachsen. Die Evolution ist eine kosmische Wachstumstechnik. Gesellschaftliches Wachstum kann nicht durch Gesetzgebung herbeigeführt werden, und sittliches Wachstum ist nicht durch eine verbesserte Verwaltung zu haben. Der Mensch kann eine Maschine herstellen, aber seinen wahren Wert muss er aus menschlicher Kultur und persönlicher Würdigung beziehen. Des Menschen einziger Beitrag zum Wachstum ist die Mobilisierung sämtlicher Kräfte seiner Persönlichkeit - sein lebendiger Glaube. ***** 100.4 Wachstumsprobleme ***** Religiöses Leben ist hingebungsvolles Leben, und hingebungsvolles Leben ist schöpferisches, echtes und spontanes Leben. Neue religiöse Erkenntnisse gehen aus Konflikten hervor, die die Annahme neuer und besserer Reaktionsgewohnheiten anstelle älterer und niedrigerer Reaktionsmuster auslösen. Neue Bedeutungen entstehen immer nur aus Konflikten; und Konflikte dauern nur angesichts der Weigerung an, sich die durch höhere Bedeutungen suggerierten Werte anzueignen. Religiöse Ratlosigkeiten sind unvermeidlich; es kann kein Wachstum geben ohne psychischen Konflikt und geistige Unruhe. Die Organisation eines philosophischen Lebensstandards bringt einen beträchtlichen Aufruhr in den philosophischen Verstandesbereichen mit sich. Man übt sich nicht ohne Kampf in der Treue zum Erhabenen, Guten, Wahren und Edlen. Anstrengung begleitet die Klärung der geistigen Sicht und die Vertiefung der kosmischen Erkenntnis. Der menschliche Intellekt sträubt sich, wenn er der Nahrung nichtgeistiger Energien des zeitlichen Lebens entwöhnt wird. Das träge tierische Gemüt lehnt sich gegen die Anstrengung auf, die das Ringen mit dem Lösen kosmischer Probleme erfordert. Aber das große Problem religiösen Lebens besteht in der Aufgabe, die Seelenkräfte der Persönlichkeit durch die Herrschaft der LIEBE zu einen. Gesundheit, intellektuelle Leistungsfähigkeit und Glück ergeben sich aus der Einigung der physischen Systeme, der mentalen Systeme und der geistigen Systeme. Der Mensch versteht viel von körperlicher und mentaler Gesundheit, aber an Glück hat er wahrhaft herzlich wenig vollbracht. Das höchste Glück ist unauflöslich an geistigen Fortschritt gebunden. Geistiges Wachstum zeitigt bleibende Freude und einen Frieden, der alles Begreifen übersteigt. Im physischen Leben geben die Sinne über die Existenz der Dinge Auskunft; der Verstand entdeckt die Realität der Bedeutungen; aber die geistige Erfahrung enthüllt dem Einzelnen die wahren Werte des Lebens. Diese hohen Ebenen menschlicher Lebensweise werden in der alles überragenden Liebe zu Gott und in der selbstlosen Liebe zum Menschen erreicht. Wenn ihr eure Mitmenschen liebt, müsst ihr bereits ihre Werte entdeckt haben. Jesus liebte die Menschen so sehr, weil er ihnen einen so hohen Wert beimaß. Am besten könnt ihr die Werte eurer Gefährten entdecken, wenn ihr ihre Motivation entdeckt. Wenn einer von ihnen euch irritiert, in euch Gefühle des Grolls aufkommen lässt, solltet ihr mit Sympathie seinen Gesichtspunkt, die Gründe für sein Anstoß erregendes Verhalten herauszufinden versuchen. Wenn ihr einmal euren Nachbarn verstanden habt, werdet ihr tolerant werden, und diese Toleranz wird in Freundschaft übergehen und zu Liebe reifen. Ruft vor eurem geistigen Auge das Bild eines eurer primitiven Vorfahren aus der Höhlenbewohnerzeit wach - eines gedrungenen, ungestalten, schmutzigen, fauchenden, ungeschlachten Kerls, der, ganz Hass und Feindschaft, mit gespreizten Beinen und erhobener Keule dasteht und wild geradeaus schaut. Ein solches Bild bringt schwerlich die göttliche Würde des Menschen zum Ausdruck. Aber erlaubt uns nun, das Bild zu erweitern. Vor diesem erregten Menschen kauert ein Tiger mit Säbelzähnen. Hinter ihm befinden sich eine Frau und zwei Kinder. Augenblicklich erkennt ihr, dass dieses Bild den Anfang von viel Zartem und Edlem in der menschlichen Rasse enthält, und doch ist der Mann in beiden Bildern derselbe. Nur genießt ihr in der zweiten Skizze den Vorteil eines erweiterten Horizontes. Ihr erkennt darin den Beweggrund dieses sich entwickelnden Sterblichen. Sein Verhalten wird lobenswert, weil ihr ihn versteht. Könntet ihr nur die Motive eurer Gefährten ergründen, um wieviel besser würdet ihr sie verstehen! Könntet ihr nur eure Mitmenschen kennen, ihr würdet euch am Ende in sie verlieben. Ihr könnt eure Mitmenschen durch einen bloßen Willensakt nicht wahrhaftig lieben. Liebe kann nur aufkeimen, wenn ihr die Motive und Gefühle eures Nachbarn gründlich versteht. Es ist weniger wichtig, heute alle Menschen zu lieben, als zu lernen, jeden Tag ein neues Menschenwesen zu lieben. Wenn ihr es jeden Tag oder jede Woche fertig bringt, einen weiteren eurer Mitmenschen zu verstehen, und wenn das die Grenze eurer Fähigkeit ist, dann sozialisiert ihr eure Persönlichkeit mit Sicherheit und vergeistigt sie wahrhaftig. Liebe ist ansteckend, und wenn menschliche Hingabe intelligent und weise ist, trifft Liebe stärker als Hass. Aber nur echte und selbstlose Liebe ist wirklich ansteckend. Wenn nur jeder Sterbliche zu einem Brennpunkt dynamischer Zuneigung werden könnte, würde der gutartige Virus der Liebe den gefühlsmäßigen Empfindungsstrom der Menschheit bald dermaßen durchdringen, dass die ganze Zivilisation von Liebe ergriffen würde, und das wäre die Verwirklichung der Bruderschaft der Menschen. ***** 100.5 Bekehrung und Mystizismus ***** Die Welt ist voll verlorener Seelen - verloren nicht im theologischen Sinne, aber verloren hinsichtlich der Richtung - die verwirrt zwischen den -ismen und Kulten einer philosophisch frustrierten Ära umherirren. Nur allzu wenige haben gelernt, eine Philosophie des Lebens an die Stelle religiöser Autorität zu setzen. (Die Symbole der sozialisierten Religion dürfen als Wachstumskanäle nicht verachtet werden, obwohl das Flussbett nicht der Fluss ist.) Die Bewegung religiösen Wachstums führt von Stagnation über Konflikt zu Koordination, von Unsicherheit zu fraglosem Glauben, von einem verwirrten kosmischen Bewusstsein zur Einigung der Persönlichkeit, von zeitlicher zu ewiger Zielsetzung, von der Versklavung durch Angst zur Freiheit göttlicher Sohnschaft. Es sollte klar gemacht werden, dass das Sich-Bekennen zu höchsten Idealen - das psychische, gefühlsmäßige und geistige Erleben des Gottesbewusstseins - ein natürliches, allmähliches Wachstum sein kann oder manchmal zu einem kritischen Zeitpunkt, wie anlässlich einer Krise, erfahren wird. Gerade eine solch plötzliche und Aufsehen erregende Bekehrung erfuhr der Apostel Paulus an jenem denkwürdigen Tag auf der Straße nach Damaskus. Gautama Siddharta machte eine ähnliche Erfahrung in jener Nacht, als er allein dasaß und in das Geheimnis letzter Wahrheit einzudringen versuchte. Viele andere machten verwandte Erfahrungen, aber viele echte Gläubige sind ohne plötzliche Bekehrung im Geiste fortgeschritten. Die meisten der Aufsehen erregenden Phänomene, die mit so genannten religiösen Bekehrungen einhergehen, sind gänzlich psychologischer Natur, aber dann und wann geschehen in der Tat Erlebnisse, die auch einen geistigen Ursprung haben. Wenn die mentale Mobilisierung auf jeder Ebene psychischen Verlangens nach geistiger Erfüllung absolut total geworden ist, wenn die menschliche Motivation der Treue zur göttlichen Idee vollkommen ist, dann ereignet sich sehr oft ein plötzliches Zupacken des innewohnenden Geistes, um sich mit dem konzentrierten und geweihten Vorsatz des überbewussten Verstandes des gläubigen Sterblichen zu synchronisieren. Es sind solche Erfahrungen der Einigung intellektueller und geistiger Phänomene, welche die Bekehrung bilden; und diese besteht aus Faktoren, die jenseits und oberhalb rein psychischer Vorgänge liegen. Aber Gefühlswallung allein ist eine falsche Bekehrung; man muss ebenso stark glauben wie fühlen. In dem Maße, wie die psychische Mobilisierung nur partiell ist, wie die Motivation der menschlichen Treue nicht vollständig ist, in dem Maße wird die Bekehrungserfahrung eine gemischte intellektuelle, gefühlsmäßige und geistige Realität sein. Wenn man bereit ist, als praktische Arbeitshypothese in dem im Übrigen geeinten intellektuellen Leben einen theoretischen unterbewussten Verstand anzuerkennen, dann sollte man in aller Konsequenz auch einen entsprechenden ähnlichen Bereich aufsteigender intellektueller Aktivität als überbewusste Ebene postulieren - die Zone des unmittelbaren Kontaktes mit der innewohnenden geistigen Wesenheit, dem Gedankenjustierer. Die große Gefahr bei all diesen psychischen Spekulationen liegt darin, dass Visionen und andere so genannte mystische Erfahrungen sowie außerordentliche Träume für göttliche Mitteilungen an den menschlichen Verstand gehalten werden. In vergangenen Zeiten haben sich göttliche Wesen gewissen Gott nahen Personen zu erkennen gegeben, und zwar nicht wegen ihren mystischen Trancen oder morbiden Visionen, sondern trotz all dieser Phänomene. Sicher besser als eine Suche nach Bekehrung wäre, sich durch lebendigen Glauben und aufrichtige Anbetung, durch aus dem Herzen kommendes und selbstvergessenes Beten den morontiellen Bereichen eines möglichen Kontaktes mit dem Gedankenjustierer zu nähern. Nur allzu vieles, was aus den Erinnerungen der unbewussten Ebenen des menschlichen Gemüts aufstieß, ist fälschlich für göttliche Offenbarung und geistige Weisung gehalten worden. Eine große Gefahr ist mit der geläufigen Praxis der religiösen Träumerei verbunden; Mystizismus kann eine Technik zur Umgehung der Realität werden, obwohl er manchmal ein Mittel echter geistiger Kommunikation gewesen ist. Kurze Perioden des Rückzugs aus den geschäftigen Szenen des Lebens bilden kaum eine ernsthafte Gefahr, aber eine länger dauernde Absonderung der Persönlichkeit ist höchst unerwünscht. Unter gar keinen Umständen sollte der tranceartige Zustand visionären Bewusstseins als religiöse Erfahrung gepflegt werden. Für den mystischen Zustand charakteristisch ist ein verschwommenes Bewusstsein mit grellen Inseln gespannter Aufmerksamkeit bei relativ passivem Intellekt. Alles Derartige zieht das Bewusstsein eher ins Unterbewusste hinab als in Richtung des Bereichs geistigen Kontaktes, ins Überbewusste. Viele Mystiker haben ihre mentale Dissoziation bis zum Auftreten abnormaler mentaler Phänomene getrieben. Eine der Gesundheit zuträglichere Art geistiger Meditation findet man in nachdenklicher Anbetung und im Dankgebet. Die direkte Verbindung mit dem eigenen Gedankenjustierer, wie sie in den späteren Lebensjahren des inkarnierten Jesus stattfand, sollte nicht mit diesen so genannten mystischen Erfahrungen verwechselt werden. Die Faktoren, die zum Eintritt der mystischen Vereinigung beitragen, sind ein Hinweis auf die Gefahren solcher psychischer Zustände. Der mystische Zustand wird begünstigt durch Umstände wie: physische Ermüdung, Fasten, psychische Dissoziation, tiefe ästhetische Erlebnisse, lebhafte sexuelle Impulse, Furcht, Bangigkeit, Wut und wildes Tanzen. Ein Großteil des im Gefolge solcher Vorbereitungen an die Oberfläche geschwemmten Materials hat seinen Ursprung im unterbewussten Verstandesbereich. Wie günstig auch immer damals die Bedingungen für mystische Phänomene gewesen sein mögen, sollte doch klar verstanden werden, dass Jesus von Nazareth zur Verbindung mit dem Paradies-Vater nie zu solchen Methoden griff. Jesus unterlag keinen unterbewussten Täuschungen oder überbewussten Illusionen. ***** 100.6 Zeichen religiösen Lebens ***** Evolutionäre Religionen und offenbarte Religionen mögen sich in ihren Methoden stark voneinander unterscheiden, aber in ihrem Beweggrund sind sie sich sehr ähnlich. Religion ist keine spezifische Lebensfunktion; sie ist vielmehr eine Lebensweise. Wahre Religion ist eine rückhaltlose Hingabe an eine Realität, die in den Augen des Glaubenden für ihn selber sowie für die ganze Menschheit allerhöchsten Wert besitzt. Und die hervorstechenden Merkmale sämtlicher Religionen sind: bedingungslose Treue gegenüber höchsten Werten und völlige Hingabe an sie. Diese religiöse Hingabe an höchste Werte zeigt sich in der Beziehung einer angeblich areligiösen Mutter zu ihrem Kind und im glühenden Einstehen Nichtgläubiger für die Sache, der sie sich verschrieben haben. Was ein Glaubender als höchsten Wert angenommen hat, mag niedrig oder gar falsch sein, aber es ist nichtsdestoweniger religiös. Eine Religion ist genau in dem Maße authentisch, wie der Wert, den sie für den höchsten hält, wirklich eine kosmische Realität von echter geistiger Gültigkeit ist. Unter den Kennzeichen menschlicher Beantwortung des religiösen Impulses finden sich die Eigenschaften Adel und Größe. Der aufrichtige Gläubige ist sich bewusst, ein Universumsbürger zu sein, und er weiß um seinen Kontakt mit Quellen übermenschlicher Macht. Die Gewissheit, einer höheren und geadelten Gemeinschaft von Söhnen Gottes anzugehören, befeuert ihn und erfüllt ihn mit Energie. Das Bewusstsein seines eigenen Wertes ist verstärkt worden durch den Stimulus der Suche nach universellen Endzwecken - allerhöchsten Zielen. Das Selbst hat sich der geheimnisvollen Triebkraft einer alles umfassenden Motivation überlassen, die erhöhte Selbstdisziplin verlangt, gefühlsmäßige Konflikte abschwächt und das Leben des Sterblichen wirklich lebenswert macht. Das morbide Insistieren auf menschlichen Beschränkungen hat sich in ein natürliches Wissen um die Unzulänglichkeiten der Sterblichen gewandelt, dem sich die sittliche Entschlossenheit und geistige Sehnsucht zugesellen, die höchsten Ziele des Universums und Superuniversums zu erreichen. Und dieses intensive Streben nach übermenschlichen Idealen zeichnet sich immer durch wachsende Geduld, Nachsicht, Seelenstärke und Toleranz aus. Aber wahre Religion ist eine lebendige Liebe, ein Leben des Dienens. Die Loslösung des Gläubigen von vielem rein Zeitlichen und Trivialen führt nie zu gesellschaftlicher Isolation und sollte den Sinn für Humor nicht zerstören. Echte Religion nimmt der menschlichen Existenz nichts weg, hingegen bereichert sie das ganze Leben mit neuen Bedeutungen; sie erzeugt neue Arten von Enthusiasmus, Eifer und Mut. Sie kann sogar den Geist von Kreuzfahrern hervorrufen, der mehr als gefährlich ist, wenn ihn nicht geistige Schau und loyale Hingabe an die alltäglichen gesellschaftlichen Verpflichtungen menschlicher Treueverhältnisse im Zaum halten. Eines der erstaunlichsten Merkmale religiösen Lebens ist jener dynamische und sublime Friede, jener Friede, der alles menschliche Begreifen übersteigt, jenes kosmische Gleichgewicht, das von Abwesenheit allen Zweifels und jeglicher Aufregung zeugt. Solche Ebenen geistiger Stabilität sind immun gegen Enttäuschung. Solche Gläubige sind wie der Apostel Paulus, der sagte: "Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder gegenwärtige noch zukünftige Dinge, weder Höhen noch Tiefen noch irgendetwas anderes uns von der Liebe Gottes wird scheiden können." Ein Gefühl von Sicherheit, das mit dem Erleben triumphierender Herrlichkeit einhergeht, herrscht im Bewusstsein des Gläubigen, der die Realität des Supremen erfasst hat und das Ziel des Ultimen verfolgt. Auch evolutionäre Religion ist all das an Treue und Größe, weil sie eine authentische Erfahrung ist. Aber offenbarte Religion ist nicht nur authentisch, sondern auch exzellent. Die neuen Treueverhältnisse im Gefolge der erweiterten geistigen Vision schaffen neue Ebenen der Liebe und Hingabe, des Dienstes und der Kameradschaft; und all diese höheren gesellschaftlichen Perspektiven bewirken ein stärkeres Bewusstsein von der Vaterschaft Gottes und von der Bruderschaft der Menschen. Der charakteristische Unterschied zwischen evolutionärer und offenbarter Religion ist eine neue Qualität göttlicher Weisheit, die zu der rein erfahrungsmäßigen menschlichen Weisheit hinzukommt. Aber es ist die in den menschlichen Religionen und mit ihnen erworbene Erfahrung, die die Fähigkeit entwickelt, später in zunehmendem Maße die Geschenke göttlicher Weisheit und kosmischer Erkenntnis zu empfangen. ***** 100.7 Der Gipfel religiösen Lebens ***** Obwohl der durchschnittliche Sterbliche Urantias nicht hoffen kann, die große Charaktervollkommenheit zu erreichen, die Jesus von Nazareth während seines Aufenthaltes in Menschengestalt erwarb, ist es jedem menschlichen Gläubigen durchaus möglich, nach den Richtlinien der vervollkommneten Persönlichkeit Jesu eine starke und geeinte Persönlichkeit zu entwickeln. Der einmalige Wesenszug der Persönlichkeit des Meisters war weniger ihre Vollkommenheit als ihre Symmetrie, ihre wunderbare und ausgewogene Einigung. Die wirkungsvollste Präsentierung Jesu besteht darin, dem Beispiel dessen zu folgen, der auf den vor seinen Anklägern stehenden Meister wies und sagte: "Seht den Menschen!" Die nie versiegende Freundlichkeit Jesu rührte die Herzen der Menschen, aber seine robuste Charakterstärke erstaunte seine Anhänger. Er war wahrhaftig aufrichtig; es gab in ihm keine Spur von Heuchelei. Er war frei von jeder Affektiertheit; er war stets von so erfrischender Echtheit. Er ließ sich nie zu Verstellung herab und nahm nie zu Täuschung Zuflucht. Er lebte die Wahrheit gerade so, wie er sie lehrte. Er war die Wahrheit. Er war gezwungen, seiner Generation die rettende Wahrheit zu verkünden, auch wenn solche Aufrichtigkeit manchmal wehtat. Er war aller Wahrheit bedingungslos treu. Aber der Meister war auch so vernünftig, so ansprechbar. Er war so praktisch in all seinem Dienen, und all seine Pläne waren durch so geheiligten gesunden Menschenverstand charakterisiert. Er war so frei von allen launischen, unberechenbaren und exzentrischen Tendenzen. Er war nie kapriziös, wunderlich oder hysterisch. In seiner ganzen Lehre und in allem, was er tat, war immer ein wunderbarer Scharfblick, gepaart mit einem außerordentlichen Sinn für das jeweils Richtige. Der Menschensohn war immer eine wohlausgewogene Persönlichkeit. Selbst seine Feinde bewahrten immer einen heilsamen Respekt vor ihm; sie fürchteten seine Gegenwart sogar. Jesus war unerschrocken. Er quoll über von göttlichem Enthusiasmus, wurde aber nie fanatisch. Er war emotional aktiv, aber nie sprunghaft. Er war imaginativ, aber immer praktisch. Er trat den Realitäten des Lebens offen gegenüber, war aber nie langweilig oder prosaisch. Er war mutig, aber nie verwegen; vorsichtig, aber nie feige. Er war mitfühlend, aber nie sentimental; einmalig, aber nicht exzentrisch. Er war fromm, aber nicht frömmelnd. Und er war so ausgewogen, weil er so vollkommen geeint war. Jesu Originalität wurde durch nichts unterdrückt. Er war nicht durch Tradition gebunden oder durch Hörigkeit gegenüber engen Konventionen behindert. Er sprach mit zweifelsfreier Zuversicht und lehrte mit absoluter Autorität. Aber seine prachtvolle Originalität ließ ihn die Juwelen der Wahrheit in den Lehren seiner Vorgänger und Zeitgenossen nicht übersehen. Und die originellste seiner Lehren war die Betonung von Liebe und Barmherzigkeit anstelle von Furcht und Opfer. Jesus hatte einen sehr weiten Horizont. Er forderte seine Anhänger auf, das Evangelium allen Völkern zu predigen. Er war frei von aller Engstirnigkeit. Sein mitfühlendes Herz schloss die ganze Menschheit, ja ein ganzes Universum, ein. Immer lautete seine Einladung: "Wer da kommen will, der komme." Von Jesus hat man wahrheitsgetreu gesagt: "Er vertraute auf Gott." Als ein Mensch unter Menschen vertraute er seinem Vater im Himmel auf sublimste Weise. Er vertraute seinem Vater, wie ein kleines Kind seinen irdischen Eltern vertraut. Sein Glaube war vollkommen, aber nie anmaßend. Wie grausam die Natur auch erscheinen mochte oder wie indifferent gegenüber dem menschlichen Wohlergehen auf der Erde, Jesu Glauben kam nie ins Wanken. Er war immun gegen Enttäuschungen und unempfindlich gegen Verfolgung. Scheinbares Scheitern ließ ihn unberührt. Er liebte die Menschen wie Brüder und erkannte zugleich, wie verschieden an angeborenen Gaben und erworbenen Eigenschaften sie waren. "Er zog umher und tat Gutes." Jesus war eine ungewöhnlich fröhliche Person, aber er war nicht blind und unvernünftig optimistisch. Seine ständige Aufforderung war: "Seid guten Mutes!" Er konnte seine vertrauensvolle Haltung beibehalten wegen seines unerschütterlichen Glaubens an Gott und seines unbeirrbaren Vertrauens in die Menschen. Er brachte allen Menschen stets rührende Aufmerksamkeit entgegen, weil er sie liebte und an sie glaubte. Und doch blieb er seinen Überzeugungen immer treu und war wunderbar fest in seiner Hingabe an die Ausführung des Willens seines Vaters. Der Meister war immer freigebig. Er wurde nie müde zu sagen: "Es liegt größerer Segen im Geben als im Nehmen." Er sagte: "Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben." Und doch war er bei all seiner grenzenlosen Großzügigkeit nie verschwenderisch oder extravagant. Er lehrte, man müsse glauben, um das Heil zu erlangen. "Denn jeder, der sucht, soll empfangen." Er war freimütig, aber immer liebenswürdig. Er sagte: "Wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt." Er sprach offen, aber immer freundschaftlich. Unverblümt bekundete er dem Sünder Liebe und Hass gegenüber Sünde. Aber bei all dieser erstaunlichen Freimütigkeit blieb er unfehlbar fair. Jesus war von gleichmäßiger Fröhlichkeit, obwohl er manchmal viel aus dem Kelch menschlichen Leids zu trinken hatte. Furchtlos stellte er sich den Realitäten der Existenz und war dabei von Enthusiasmus für das Evangelium vom Königreich erfüllt. Aber er hatte seinen Enthusiasmus unter Kontrolle; dieser beherrschte ihn nie. Er widmete sich rückhaltlos "den Angelegenheiten seines Vaters". Dieser göttliche Enthusiasmus brachte seine ungeistigen Brüder auf den Gedanken, er sei außer sich geraten, aber das zuschauende Universum würdigte ihn als Vorbild mentaler Gesundheit und Modell höchster menschlicher Hingabe an die hohen Normen geistigen Lebens. Und sein beherrschter Enthusiasmus war ansteckend; seine Gefährten waren gezwungen, seinen göttlichen Optimismus zu teilen. Dieser Mann aus Galiläa war nicht ein Mann der Schmerzen; er war eine von Freude erfüllte Seele. Immer wieder sagte er: "Freut euch und seid über alles fröhlich." Aber wenn die Pflicht es verlangte, war er willens, tapfer durch das "Tal der Todesschatten" zu schreiten. Er war freudig, aber zugleich demütig. Seinem Mut kam nur seine Geduld gleich. Wenn man ihn zu verfrühtem Handeln drängte, erwiderte er nur: "Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Er war nie in Eile; seine Fassung war sublim. Aber er empörte sich oft über Schlechtigkeit, und Sünde duldete er nicht. Er fühlte sich oft mächtig gedrängt, sich gegen Dinge aufzulehnen, die dem Wohl seiner Erdenkinder zuwiderliefen. Aber seine Empörung angesichts von Sünde führte ihn nie zu Zorn über den Sünder. Sein Mut war großartig, aber er war nie tollkühn. Seine Losung war: "Fürchtet euch nicht." Seine Bravour war umwerfend und sein Mut oft heroisch. Aber sein Mut war mit Diskretion verbunden und durch Vernunft beherrscht. Es war ein aus Glauben geborener Mut und nicht die Verwegenheit blinder Anmaßung. Er war wahrhaft unerschrocken, aber nie waghalsig. Der Meister war ein Muster von Ehrerbietung. Schon in seiner Jugend begann er sein Gebet mit "Unser Vater, der du bist in dem Himmel, geheiligt werde dein Name". Er erwies sogar dem mangelhaften Gottesdienst seiner Mitmenschen Respekt. Aber das hinderte ihn nicht, religiöse Traditionen anzugreifen oder gegen Irrtümer des menschlichen Glaubens Sturm zu laufen. Er verehrte wahre Heiligkeit, aber er konnte sich zu Recht an seine Gefährten mit den Worten wenden: "Wer von euch überführt mich der Sünde?" Jesus war groß, weil er gut war, und doch fraternisierte er mit kleinen Kindern. Er war in seinem persönlichen Leben freundlich und bescheiden, und doch war er der vervollkommnete Mensch eines Universums. Seine Mitarbeiter nannten ihn unaufgefordert Meister. Jesus war die vollkommen geeinte menschliche Persönlichkeit. Und heute wie damals in Galiläa fährt er fort, die menschliche Erfahrung zu einen und die Anstrengungen der Sterblichen zu koordinieren. Er eint das Leben, veredelt den Charakter und vereinfacht die Erfahrung. Er zieht in den menschlichen Verstand ein, um ihn zu heben, zu verwandeln und zu verklären. Es ist buchstäblich wahr: "Hat jemand Jesus Christus in sich, ist er ein neues Geschöpf; das Alte geht dahin; siehe, alle Dinge werden neu." [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 101 Die Wahre Natur der Religion ****** RELIGION als menschliche Erfahrung reicht von der primitiven Furcht-Versklavung des sich entwickelnden Wilden bis zur sublimen und wunderbaren Freiheit im Glauben der zivilisierten Sterblichen, die sich auf wunderbare Weise bewusst sind, Söhne des ewigen Gottes zu sein. Die Religion ist die Ahnherrin der fortgeschrittenen Ethik und Sittlichkeit der progressiven gesellschaftlichen Entwicklung. Aber Religion als solche ist nicht nur eine sittliche Bewegung, obwohl ihre äußeren, gesellschaftlichen Erscheinungsformen durch die ethische und sittliche Triebkraft der menschlichen Gesellschaft mächtig beeinflusst werden. Immer ist Religion die Inspiration der sich entwickelnden Natur des Menschen, aber sie ist nicht das Geheimnis dieser Entwicklung. Die Religion, der überzeugte Glaube der Persönlichkeit, vermag immer über die im ungläubigen materiellen Verstand geborene, oberflächlich widersprüchliche Logik der Verzweiflung zu siegen. Es gibt tatsächlich eine wahre, echte innere Stimme, jenes "wahre Licht, das jeden Men-schen erleuchtet, der in die Welt kommt". Und diese geistige Führung ist verschieden von der ethischen Eingebung des menschlichen Bewusstseins. Das Gefühl religiöser Gewissheit ist mehr als ein emotionales Gefühl. Die Gewissheit der Religion übersteigt die Vernunftgründe des Ver-standes und sogar die Logik der Philosophie. Religion ist Glaube, Vertrauen und Gewissheit. ***** 101.1 Wahre Religion ***** Wahre Religion ist nicht ein System philosophischer Anschauungen, die man durchdenken und durch natürliche Beweise erhärten kann, noch ist sie eine phantastische, mystische Erfahrung unbeschreiblicher ekstatischer Gefühle, die nur von den romantischen Anhängern des Mystizismus genossen werden kann. Religion ist nicht das Produkt der Vernunft, aber von innen her betrachtet, ist sie ganz und gar vernünftig. Religion leitet sich nicht von der Logik menschlicher Philosophie ab, aber als eine menschliche Erfahrung ist sie ganz und gar logisch. Religion ist das Erfahren der Göttlichkeit im Bewusstsein eines sittlichen Wesens evolutionären Ursprungs; sie stellt eine wahre Erfahrung mit ewigen Realitäten im Zeitlichen dar, die Verwirklichung geistiger Befriedigungen schon in Menschengestalt. Der Gedankenjustierer hat keine besonderen Mechanismen, durch die er sich ausdrücken könnte; es besteht keine mystische religiöse Fähigkeit für den Empfang oder den Ausdruck religiöser Empfindungen. Diese Erfahrungen werden von den naturgegebenen Mechanismen des sterblichen Verstandes geliefert. Und darin liegt eine der Erklärungen für die Schwierigkeit des Justierers, in direkte Verbindung mit dem von ihm ständig bewohnten materiellen Verstand zu treten. Der göttliche Geist tritt mit dem sterblichen Menschen nicht über Gefühle und Emotionen in Kontakt, sondern in der Zone des höchsten und vergeistigten Denkens. Eure Gedanken sind es, und nicht eure Gefühle, die euch gottwärts leiten. Die göttliche Natur kann nur mit den Augen des Verstandes wahrgenommen werden. Aber der Verstand, der Gott tatsächlich erkennt, der den inwendigen Gedankenjustierer vernimmt, ist der reine Verstand. "Ohne Heiligkeit kann niemand den Herrn sehen." All solche innere und geistige Verbindung nennt man geistige Schau. Derartige religiöse Erfahrungen sind die Folge des Eindrucks, den die vereinten Operationen des Justierers und des Geistes der Wahrheit im menschlichen Verstand der sich entwickelnden Söhne Gottes machen, wenn sie inmitten von deren Ideen, Idealen, Erkenntnissen und geistigen Anstrengungen und auf diese wirken. Religion lebt und blüht also nicht durch Sehen und Fühlen, sondern vielmehr durch Glauben und Erkennen. Sie besteht nicht in der Entdeckung neuer Tatsachen oder im Finden einer einmaligen Erfahrung, sondern vielmehr in der Entdeckung neuer und geistiger Bedeutungen in Tatsachen, die der Menschheit längst bekannt sind. Die höchste religiöse Erfahrung hängt nicht von vorausgegangenen, durch Glaubensbekenntnis, Tradition oder Autorität beeinflussten Handlungen ab; ebenso wenig ist Religion die Frucht sublimer Gefühle und rein mystischer Emotionen. Sie ist vielmehr eine zutiefst erlebte und wirkliche Erfahrung geistiger Verbindung mit den geistigen Einflüssen, die im menschlichen Verstand wohnen, und insofern als sich eine solche Erfahrung in psychologischer Ausdrucksweise definieren lässt, ist sie einfach die Erfahrung, die Realität des Glaubens an Gott als die Realität einer solch rein persönlichen Erfahrung zu erfahren. Obwohl die Religion nicht das Ergebnis von rationalistischen Spekulationen einer materiellen Kosmologie ist, ist sie nichtsdestoweniger die Schöpfung einer völlig rationalen Erkenntnis, die ihren Ursprung in der mentalen Erfahrung des Menschen hat. Religion wird nicht aus mystischen Meditationen oder aus einsamen Kontemplationen geboren, obwohl sie stets mehr oder weniger mysteriös bleibt und vom Standpunkt der rein intellektuellen Vernunft und philosophischen Logik aus undefinierbar und unerklärlich ist. Die Keime wahrer Religion entstehen im Bereich des sittlichen Bewusstseins des Menschen, und sie offenbaren sich im Wachstum seiner geistigen Schau, jener Fähigkeit der menschlichen Persönlichkeit, die sich in dem nach Gott hungernden menschlichen Verstand infolge der Anwesenheit des Gott offenbarenden Gedankenjustierers herausbildet. Der Glaube eint die sittliche Schau mit einer bewussten Wahrnehmung von Werten, und das schon vorher vorhandene evolutionäre Pflichtgefühl macht die Ahnenschaft wahrer Religion vollständig. Die religiöse Erfahrung bewirkt schließlich das sichere Bewusstsein von Gott und die fraglose Gewissheit des Fortlebens der gläubigen Persönlichkeit. Daraus kann man erkennen, dass religiöse Sehnsüchte und geistige Antriebe nicht von der Art sind, in den Menschen bloß den Wunsch zu erwecken, an Gott zu glauben, sondern dass es ihr Wesen und ihre Macht ist, den Menschen die tiefe Überzeugung einzuprägen, dass sie an Gott glauben sollten. Das evolutionäre Pflichtgefühl und die Obliegenheiten im Gefolge der Erleuchtung durch Offenbarung machen auf die sittliche Natur des Menschen einen so tiefen Eindruck, dass er in seinem Verstand und seiner Seele schließlich zu einer Haltung gelangt, wo er den Schluss zieht, dass er kein Recht hat, nicht an Gott zu glauben. Die höhere und überphilosophische Weisheit solch erleuchteter und disziplinierter Einzelmenschen lehrt diese letzten Endes, dass es ein Verrat am Realsten und Tiefsten in Verstand und Seele des Menschen - am göttlichen Justierer - wäre, Gott zu bezweifeln oder seiner Güte zu misstrauen. ***** 101.2 Die Tatsache der Religion ***** Die Tatsache der Religion besteht ganz und gar in der religiösen Erfahrung durchschnittlicher vernünftiger Menschenwesen. Und dies ist der einzige Sinn, in dem Religion je als wissenschaftlich oder gar psychologisch angesehen werden kann. Und ebendiese Tatsache menschlicher Erfahrung ist der Beweis, dass Offenbarung wirklich Offenbarung ist: die Tatsache, dass Offenbarung effektiv die scheinbar auseinanderklaffenden Naturwissenschaften und die Theologie der Religion miteinander in einer harmonischen und folgerichtigen Universumsphilosophie versöhnt, in einer koordinierten und ununterbrochenen Erklärung von Wissenschaft und Religion, und dadurch den Verstand mit Harmonie und den Geist mit Befriedigung erfüllt, was in menschlicher Erfahrung die Fragen des sterblichen Verstandes beantwortet, der sich danach sehnt zu wissen, wie der Unendliche seinen Willen und seine Pläne in der Materie, mit den Intelligenzen und im Geistigen ausführt. Die Vernunft ist die Methode der Wissenschaft, der Glaube ist die Methode der Religion; die Logik ist die Technik, welche die Philosophie anzuwenden versucht. Offenbarung kommt für die Abwesenheit des morontiellen Gesichtspunktes auf, indem sie eine Technik liefert, um durch Vermittlung des Verstandes im Verständnis der Realität von Materie und Geist und ihrer gegenseitigen Beziehungen eine Einheit herzustellen. Und wahre Offenbarung macht die Wissenschaft nie unnatürlich, die Religion unvernünftig oder die Philosophie unlogisch. Durch das Studium der Wissenschaft kann die Vernunft vielleicht den Weg durch die Natur bis zu einer Ersten Ursache zurückverfolgen, aber es braucht den religiösen Glauben, um die Erste Ursache der Wissenschaft in einen Gott der Errettung zu verwandeln; und weiter braucht es Offenbarung, um einen solchen Glauben, eine solche geistige Schau gültig zu erklären. Es gibt zwei fundamentale Gründe, um an einen Gott zu glauben, der das menschliche Fortleben begünstigt: 1. Die menschliche Erfahrung, persönliche Gewissheit, eine durch den innewohnenden Gedankenjustierer ausgelöste, irgendwie verspürte Hoffnung und Zuversicht. 2. Die Offenbarung der Wahrheit, sei es durch direktes persönliches Wirken des Geistes der Wahrheit, durch die Selbsthingabe göttlicher Söhne an die Welt oder durch Offenbarungen des geschriebenen Wortes. Die Wissenschaft beendet ihre vernünftige Suche mit der Hypothese einer Ersten Ursache. Die Religion bricht ihren Flug des Glaubens nicht ab, bevor sie eines Gottes der Errettung sicher ist. Das eingehende Studium der Wissenschaft legt logischerweise die Realität und Existenz eines Absoluten nahe. Die Religion glaubt rückhaltlos an Existenz und Realität eines Gottes, der sich des Fortlebens der Persönlichkeit annimmt. Was der Metaphysik völlig misslingt und sogar der Philosophie teilweise misslingt, schafft die Offenbarung; d. h. sie erklärt, dass die Erste Ursache der Wissenschaft und der rettende Gott der Religion ein und dieselbe Gottheit sind. Die Vernunft ist das Beweismittel der Wissenschaft, der Glaube das Beweismittel der Religion, die Logik das Beweismittel der Philosophie, aber einzig menschliche Erfahrung verleiht der Offenbarung Gültigkeit. Wissenschaft schenkt Wissen; Religion schenkt inneres Glück; Philosophie schenkt Einheit; Offenbarung bestätigt die erfahrungsmäßige Harmonie dieser dreifachen Annäherung an die universale Realität. Die Betrachtung der Natur kann einzig einen Gott der Natur, einen Gott der Bewegung, offenbaren. Die Natur lässt nur Materie, Bewegung und Belebtheit - Leben - erkennen. Materie plus Energie manifestiert sich unter bestimmten Umständen in lebendigen Formen, aber obwohl das natürliche Leben solcherweise ein relativ kontinuierliches Phänomen ist, ist es, was Individualitäten anbelangt, völlig vergänglich. Die Natur bietet keinen Ansatzpunkt für einen logischen Glauben an das Fortleben der menschlichen Persönlichkeit. Ein religiöser Mensch, der Gott in der Natur findet, hat denselben persönlichen Gott schon zuvor in seiner eigenen Seele gefunden. Der Glaube offenbart Gott in der Seele. Die Offenbarung, die auf einer evolutionären Welt die morontielle Schau ersetzt, befähigt den Menschen, in der Natur denselben Gott zu erkennen, den der Glaube ihm in seiner Seele enthüllt. In dieser Art schlägt Offenbarung mit Erfolg eine Brücke über den Abgrund zwischen dem Materiellen und dem Geistigen, ja zwischen Geschöpf und Schöpfer, zwischen Mensch und Gott. Die Betrachtung der Natur weist logischerweise in Richtung einer intelligenten Lenkung, sogar einer lebendigen Überwachung, aber sie offenbart in keiner irgendwie befriedigenden Weise einen persönlichen Gott. Andererseits findet sich in der Natur nichts, was einen daran hindern könnte, das Universum als das Werk des Gottes der Religion anzusehen. Gott kann durch die Natur allein nicht gefunden werden, aber wenn der Mensch ihn auf anderem Weg gefunden hat, wird das Studium der Natur ganz und gar mit einer höheren und geistigeren Interpretation des Universums vereinbar. Offenbarung als epochales Phänomen ist periodisch; als persönliche menschliche Erfahrung geschieht sie fortlaufend. Die Göttlichkeit wirkt in der sterblichen Persönlichkeit als das Justierer-Geschenk des Vaters, als Geist der Wahrheit des Sohnes und als Heiliger Geist des Universumsgeistes, während diese drei übermenschlichen Begabungen in der erfahrungsmäßigen menschlichen Evolution geeint sind als das Wirken des Supremen. Wahre Religion ist ein Einblick in die Realität, sie ist das Glaubenskind des sittlichen Bewusstseins und nicht nur eine intellektuelle Zustimmung zu einer Sammlung dogmatischer Lehrsätze. Wahre Religion besteht in der Erfahrung, dass "der Geist selber mit unserem Geist bezeugt, dass wir Kinder Gottes sind". Religion besteht nicht aus theologischen Lehrsätzen, sondern in geistiger Erkenntnis und in der Sublimität des Vertrauens der Seele. Eure tiefste Natur - der göttliche Justierer - schafft in euch Hunger und Durst nach Rechtschaffenheit, eine gewisse Sehnsucht nach göttlicher Vollkommenheit. Religion ist der Glaubensakt, der diesem inneren Drängen nach göttlicher Vollbringung Rechnung trägt; und so entstehen in der Seele jenes Vertrauen und jene Gewissheit, deren ihr euch als des Weges der Errettung bewusst werdet, als der Technik des Fortlebens der Persönlichkeit und all jener Werte, die ihr als wahr und gut angenommen habt. Die Verwirklichung der Religion ist nie von großer Gelehrsamkeit oder gescheiter Logik abhängig gewesen und wird es nie sein. Sie ist eine geistige Schau, und das ist gerade der Grund, weshalb einige der größten religiösen Lehrer und auch die Propheten manchmal so wenig von der Weisheit der Welt besessen haben. Religiöser Glaube steht Gebildeten und Ungebildeten gleichermaßen zur Verfügung. Die Religion muss stets ihr eigener Kritiker und Richter sein; sie kann von außen nie beobachtet und noch viel weniger verstanden werden. Eure einzige Gewissheit von einem persönlichen Gott besteht in eurem eigenen Tiefblick, was euren Glauben an geistige Dinge und eure Erfahrung damit angeht. All jene eurer Mitmenschen, die eine ähnliche Erfahrung gemacht haben, brauchen keine Argumente, die für Gottes Persönlichkeit oder Realität sprechen, während für alle anderen Menschen, die Gottes nicht in dieser Weise sicher sind, kein denkbares Argument je wahrhaft überzeugend sein kann. Die Psychologie kann allerdings versuchen, die Phänomene religiöser Reaktionen auf das gesellschaftliche Umfeld zu studieren, aber nie kann sie hoffen, bis zu den wirklichen inneren Beweggründen und Arbeitsweisen der Religion vorzudringen. Einzig die Theologie, Wissensgebiet des Glaubens und Technik der Offenbarung, kann irgendwelche intelligenten Aussagen über Wesen und Inhalt der religiösen Erfahrung liefern. ***** 101.3 Die charakteristischen Merkmale der Religion ***** Die Religion ist so vital, dass sie auch bei fehlendem Wissen weiter besteht. Sie lebt, auch wenn sie durch irrige Kosmologien und falsche Philosophien verunreinigt wird; sie überlebt sogar die Verwirrung metaphysischer Lehren. Durch alle historischen Wechselfälle der Religion überdauert stets das, was für den Fortschritt der Menschen und für ihr Fortleben unerlässlich ist: ethisches Gewissen und sittliches Bewusstsein. Erkenntnis durch den Glauben, oder geistige Intuition, ist die Gabe des kosmischen Verstandes in Zusammenarbeit mit dem Gedankenjustierer, dem Geschenk des Vaters an den Menschen. Geistige Vernunft, oder Intelligenz der Seele, ist die Gabe des Heiligen Geistes, ist des Schöpferischen Geistes Geschenk an den Menschen. Geistige Philosophie, oder die Weisheit geistiger Realitäten, ist die Gabe des Geistes der Wahrheit, das kombinierte Geschenk der Söhne der Selbsthingabe an die Menschenkinder. Und die Koordination und das Zusammenwirken dieser geistigen Gaben machen aus dem Menschen potentiell eine Geistpersönlichkeit mit ewiger Bestimmung. Es ist dieselbe Geistpersönlichkeit in primitiver und embryonaler Form, die als Besitz des Justierers den natürlichen körperlichen Tod überlebt. Diese zusammengesetzte Wesenheit geistigen Ursprungs verbunden mit menschlicher Erfahrung wird durch den von den göttlichen Söhnen bereitgestellten lebendigen Weg befähigt, (in der Obhut des Justierers) die Auflösung des aus Verstand und Materie bestehenden materiellen Selbst zu überleben, nachdem die vergängliche Partnerschaft zwischen Materiellem und Geistigem durch das Aufhören des Lebensantriebs auseinander gefallen ist. In ihrem religiösen Glauben offenbart sich die Seele des Menschen und beweist die potentielle Göttlichkeit ihrer erwachenden Natur durch die charakteristische Art und Weise, in der sie die sterbliche Persönlichkeit veranlasst, auf gewisse belastende intellektuelle und kritische soziale Situationen zu reagieren. Echter geistiger Glaube (wahres sittliches Bewusstsein) offenbart sich folgendermaßen: 1. Er veranlasst Ethik und Sittlichkeit, trotz angeborener und gegenläufiger tierischer Tendenzen zu wachsen. 2. Er erzeugt selbst angesichts bitterer Enttäuschungen und vernichtender Niederlagen ein sublimes Vertrauen in die Güte Gottes. 3. Er bewirkt natürlichen Notlagen und physischen Katastrophen zum Trotz großen Mut und tiefes Vertrauen. 4. Er legt trotz rätselhafter Krankheiten und selbst heftiger physischer Leiden unerklärlichen Gleichmut und Kraft verströmende Ruhe an den Tag. 5. Er bewahrt auf geheimnisvolle Weise Gleichgewicht und Fassung der Persönlichkeit angesichts von Misshandlung und schreiendster Ungerechtigkeit. 6. Er hält fest an seinem göttlichen Vertrauen in den Endsieg trotz der Grausamkeit eines scheinbar blinden Schicksals und der offenbaren völligen Teilnahmslosigkeit der Naturkräfte am menschlichen Wohlergehen. 7. Er verharrt trotz aller gegenteiligen Beweise der Logik unbeirrbar im Glauben an Gott und widersteht erfolgreich allen anderen intellektuellen Sophistereien. 8. Er fährt fort, einen unbezähmbaren Glauben an das Fortleben der Seele zu zeigen, ohne sich um die täuschenden Lehren einer falschen Wissenschaft und die trügerischen Überredungskünste ungesunder Philosophien zu kümmern. 9. Er lebt und triumphiert ungeachtet der zermalmenden Überbelastung durch die komplexen und partiellen Zivilisationen der modernen Zeiten. 10. Er trägt dazu bei, dass der Altruismus trotz menschlicher Eigensucht, sozialer Gegensätze, industrieller Habgier und politischer Fehlanpassungen weiterlebt. 11. Er bekennt sich standhaft zu einem sublimen Glauben an die Einheit des Universums und die göttliche Führung ungeachtet der verwirrenden Gegenwart von Übel und Sünde. 12. Er fährt mit der Anbetung Gottes gegen allen und jeden Widerstand fort. Er wagt zu erklären: "Und sollte er mich auch umbringen, ich werde ihm trotzdem dienen." Wir wissen also durch drei Phänomene, dass der Mensch einen göttlichen Geist oder göttliche Geiste besitzt, die in ihm wohnen: erstens aufgrund von persönlicher Erfahrung - religiösem Glauben; zweitens durch Offenbarung - persönliche und rassische; und drittens durch das erstaunliche Auftreten so außerordentlicher und unnatürlicher Reaktionen auf sein materielles Umfeld, wie sie die obige Aufzählung von zwölf geistigen Leistungen in konkreten kritischen Situationen der realen menschlichen Existenz schildert. Und es gibt ihrer noch andere. Es sind gerade solch lebensvolle und kräftige Leistungen des Glaubens im Bereich der Religion, die den sterblichen Menschen dazu berechtigen, den persönlichen Besitz und die geistige Realität der religiösen Erfahrung, jener Krone aller Gaben der menschlichen Natur, zu bejahen. ***** 101.4 Die Grenzen der Offenbarung ***** Weil eure Welt im Allgemeinen über Ursprünge, selbst physische Ursprünge, in Unwissenheit steckt, hat man es als weise erachtet, von Zeit zu Zeit kosmologische Auskünfte zu geben. Und stets hat das in der Zeit danach Verwirrung gestiftet. Die Gesetze der Offenbarung hemmen uns gewaltig durch ihr Verbot, unverdientes oder verfrühtes Wissen zu vermitteln. Jede als Teil einer Religionsoffenbarung dargebotene Kosmologie ist dazu verurteilt, in sehr kurzer Zeit überholt zu sein. Deshalb werden künftige Studierende einer solchen Offenbarung versucht sein, auch alle Elemente echter religiöser Wahrheit, die sie enthalten mag, fallen zu lassen, weil sie in den sie begleitenden Kosmologien offenkundige Irrtümer entdecken. Die Menschheit sollte verstehen, dass wir an der Wahrheitsoffenbarung Beteiligten durch die Anweisungen unserer Vorgesetzten sehr stark eingeschränkt sind. Wir sind nicht frei, den wissenschaftlichen Entdeckungen von tausend Jahren vorzugreifen. Die Offenbarer haben sich an die Anweisungen zu halten, die einen Teil des Offenbarungsauftrags bilden. Wir sehen keinen Weg zur Überwindung dieser Schwierigkeit, weder jetzt noch irgendwann in der Zukunft. Während die historischen Tatsachen und religiösen Wahrheiten, die in dieser Serie offenbarender Darstellungen enthalten sind, in den Annalen der künftigen Zeitalter weiterhin gültig bleiben werden, wissen wir nur zu gut, dass innerhalb sehr weniger Jahre viele unserer Aussagen bezüglich der physischen Wissenschaften infolge weiterer wissenschaftlicher Entwicklungen und neuer Entdeckungen einer Überholung bedürfen. Wir sehen diese neuen Entwicklungen jetzt voraus, aber es ist uns verboten, solche von Menschen noch nicht entdeckte Fakten in die Offenbarungsschriften aufzunehmen. Lasst uns klarstellen, dass Offenbarungen nicht notwendigerweise inspiriert sind. Die Kosmologie dieser Offenbarungen ist nicht inspiriert. Sie hält sich in den Grenzen unserer Erlaubnis zur Koordinierung und Sortierung des heutigen Wissens. Göttliche oder geistige Schau ist eine Gabe, aber menschliche Weisheit muss sich entwickeln. Wahrheit ist immer eine Offenbarung: eine Eigenoffenbarung, wenn sie als Ergebnis der Arbeit des innewohnenden Justierers erscheint; eine epochale Offenbarung, wenn sie durch irgendeine andere himmlische Vermittlung, Gruppe oder Persönlichkeit dargeboten wird. Letztlich muss die Religion nach ihren Früchten beurteilt werden, danach, auf welche Art und wie stark sie die ihr innewohnende göttliche Vorzüglichkeit zum Ausdruck bringt. Wahrheit kann nur relativ inspiriert sein, auch wenn Offenbarung ausnahmslos ein geistiges Phänomen ist. Obwohl Ausführungen über Kosmologie nie inspiriert sind, sind derartige Enthüllungen doch von immensem Wert in dem Sinne, dass sie das Wissen wenigstens vorübergehend klären durch: 1. Die Verminderung der Konfusion durch gebieterische Eliminierung des Irrtums. 2. Die Koordinierung von Fakten und Beobachtungen, die bekannt sind oder im Begriff sind, bekannt zu werden. 3. Das Zurückrufen wichtiger Teile verlorenen Wissens um epochale Geschehnisse in ferner Vergangenheit. 4. Die Lieferung von Information zum Auffüllen entscheidender Lücken in den im Übrigen selbst erarbeiteten Kenntnissen. 5. Das Darbieten kosmischer Tatsachen in einer Weise, welche die in der begleitenden Offenbarung enthaltenen geistigen Lehren erhellt. ***** 101.5 Erweiterung der Religion durch Offenbarung ***** Offenbarung ist eine Technik, die bei der notwendigen Arbeit, die Irrtümer der Evolution aus den Wahrheiten geistiger Erwerbungen auszusortieren und auszusieben, ganze Zeitalter einzusparen erlaubt. Die Wissenschaft beschäftigt sich mit Tatsachen; die Religion gibt sich einzig mit Werten ab. Mittels einer aufgeklärten Philosophie bemüht sich der Verstand, die Bedeutungen sowohl der Tatsachen wie der Werte zu vereinigen und dadurch zu einer Vorstellung von vollständiger Realität zu gelangen. Ruft euch in Erinnerung, dass Wissenschaft die Domäne des Wissens, Philosophie das Reich der Weisheit und Religion die Sphäre der Glaubenserfahrung ist. Indessen manifestiert sich Religion in zwei Phasen: 1. Evolutionäre Religion. Die Erfahrung primitiver Anbetung, die Religion, die ein Abkömmling des Verstandes ist. 2. Offenbarte Religion. Die Haltung gegenüber dem Universum, die ein Abkömmling des Geistes ist; der Glaube an den Bestand ewiger Realitäten, an das Fortleben der Persönlichkeit und an das schließliche Erreichen der kosmischen Gottheit, deren Vorhaben all das ermöglicht hat, und die Gewissheit von alledem. Es gehört zum Plan des Universums, dass es der evolutionären Religion bestimmt ist, früher oder später die geistige Erweiterung der Offenbarung zu empfangen. Sowohl Wissenschaft wie Religion bauen für logische Folgerungen auf der Annahme gewisser allgemein akzeptierter Grundlagen auf. Ganz ebenso muss die Philosophie ihre Gedankengänge auf die Annahme der Realität von drei Dingen gründen: 1. Der materielle Körper. 2. Die übermaterielle Phase des menschlichen Wesens, die Seele oder gar der innewohnende Geist. 3. Der menschliche Verstand, der Mechanismus für wechselseitigen Austausch und Zusammenarbeit zwischen Geist und Materie, zwischen Materiellem und Geistigem. Die Wissenschaftler fügen Tatsachen zusammen, die Philosophen koordinieren Ideen, während die Propheten Ideale verherrlichen. Ausnahmslos begleiten Gefühl und Empfindung die Religion, aber sie sind nicht die Religion. Religion ist vielleicht das Fühlen einer Erfahrung, aber sie ist kaum das Erfahren von Gefühlen. Weder Logik (Rationalisieren) noch Emotion (Fühlen) sind wesentliche Teile religiöser Erfahrung, obwohl beide sich unterschiedlich an der Betätigung des Glaubens beteiligen können, um einen tieferen geistigen Einblick in die Realität zu erhalten, und dies ganz in Übereinstimmung mit Status und veranlagungsmäßigen Neigungen des individuellen Gemütes. Die evolutionäre Religion ist die Frucht aus der Gabe des lokaluniversellen Hilfsgeistes, der mit der Schaffung und Förderung des Drangs zur Anbetung in dem sich entwickelnden Menschen betraut ist. Solch primitive Religionen haben direkt mit Ethik und Sittlichkeit zu tun, mit dem Sinn für menschliche Pflicht. Sie gründen auf der Stimme des Gewissens und haben die Stabilisierung von relativ ethischen Zivilisationen zur Folge. Persönlich offenbarte Religionen werden von den schenkenden Geisten getragen, welche die drei Personen der Paradies-Trinität repräsentieren, und sie widmen sich insbesondere dem Wachstum der Wahrheit. Die evolutionäre Religion bringt dem Einzelnen die Idee von persönlicher Pflicht bei; offenbarte Religion legt das Gewicht in wachsendem Maße auf die Liebe, auf die goldene Regel. Höherstehende Religion beruht ganz und gar auf dem Glauben. Offenbarung bringt durch ihre erweiterte Darlegung der Wahrheiten über Göttlichkeit und Realität eine zusätzliche Gewissheit, und - was noch wertvoller ist - für sie zeugt die gelebte und immer reichere Erfahrung infolge der praktischen Zusammenarbeit zwischen evolutionärem Glauben und offenbarter Wahrheit. Solche Zusammenarbeit menschlichen Glaubens mit göttlicher Wahrheit stellt den Besitz eines Charakters dar, der sich eindeutig auf dem Weg zur Erwerbung einer morontiellen Persönlichkeit befindet. Die evolutionäre Religion verschafft nur die Gewissheit des Glaubens und die Bestätigung durch das Gewissen; die offenbarte Religion verschafft zusätzlich zu der Gewissheit des Glaubens die Wahrheit der lebendigen Erfahrung mit den Realitäten der Offenbarung. Der dritte Schritt der Religion oder die dritte Phase religiöser Erfahrung betrifft den morontiellen Zustand, ein tieferes Erfassen der Mota. Immer mehr erweitern sich während des morontiellen Vorrückens die Wahrheiten offenbarter Religion; immer besser werdet ihr die Wahrheiten höchster Werte, göttlicher Güte, universaler Zusammenhänge, ewiger Realitäten und ultimer Bestimmungen verstehen. Während des morontiellen Werdegangs ersetzt die Gewissheit der Wahrheit immer mehr die Gewissheit des Glaubens. Wenn ihr dereinst in der wirklichen geistigen Welt Einlass findet, werden die Gewissheiten reiner geistiger Schau anstelle von Glauben und Wahrheit wirken, oder vielmehr in Verbindung mit diesen früheren Techniken persönlicher Gewissheit und sich ihnen überlagernd. ***** 101.6 Fortschreitende religiöse Erfahrung ***** Die morontielle Phase offenbarter Religion hat mit der Erfahrung des Fortlebens zu tun, und sie ist von einem starken Drang nach geistiger Vollkommenheit erfüllt. Ebenfalls vorhanden ist ein starkes höheres Bedürfnis nach Anbetung, verbunden mit einem zwingenden Ruf nach vermehrtem ethischem Dienst. Die morontielle Schau bringt ein sich erweiterndes Bewusstsein des Siebenfachen, des Supremen und sogar des Ultimen mit sich. Durch die ganze religiöse Erfahrung hindurch, von ihrem frühesten Beginn auf der materiellen Ebene bis zum Erreichen des vollen geistigen Status, ist der Justierer das Geheimnis des persönlichen Gewahrwerdens von der Realität der Existenz des Supremen; und derselbe Justierer besitzt auch das Geheimnis eures Glaubens an ein transzendentes Erreichen des Ultimen. Die erfahrungsmäßige Persönlichkeit des sich entwickelnden Menschen, vereint mit dem Justierer, der die Essenz des existentiellen Gottes ist, stellt das Potential zur Vollbringung der supremen Existenz dar und ist die naturgegebene Basis für das überendliche Erscheinen der transzendenten Persönlichkeit. Sittliches Wollen schließt Entscheidungen in sich, die auf vernünftigem Wissen beruhen, durch Weisheit verstärkt und vom religiösen Glauben gutgeheißen werden. Solche Entscheidungen sind Akte sittlicher Natur und beweisen das Vorhandensein einer sittlichen Persönlichkeit, der Vorläuferin der morontiellen Persönlichkeit und letzten Endes des wahren geistigen Status. Der evolutionäre Typ von Wissen ist nur die Anhäufung protoplasmatischen Erinnerungsmaterials; das ist die primitivste Form von Geschöpfesbewusstsein. Weisheit beinhaltet Ideen, die ausgehend vom protoplasmatischen Gedächtnis, in dem ein Prozess der Verknüpfung und Neukombination stattfindet, formuliert werden, und derartige Phänomene unterscheiden den menschlichen Verstand vom nur tierischen Verstand. Tiere haben Wissen, aber nur der Mensch besitzt die Fähigkeit zur Weisheit. Der mit Weisheit Begabte erhält Zugang zur Wahrheit durch die seinem Verstand geschenkten Geiste des Vaters und der Söhne, durch den Gedankenjustierer und den Geist der Wahrheit. Als sich Christus Michael auf Urantia hingab, lebte er bis zu der Zeit seiner Taufe unter der Herrschaft der evolutionären Religion. Von diesem Augenblick an und bis und mit dem Ereignis seiner Kreuzigung ging er seiner Aufgabe unter der vereinigten Führung evolutionärer und offenbarter Religion nach. Vom Morgen seiner Auferstehung bis zu seiner Himmelfahrt durchlief er die vielgestaltigen Phasen des morontiellen Übergangslebens der Sterblichen von der Welt der Materie bis zu derjenigen des Geistes. Nach seiner Himmelfahrt wurde Michael Meister der Suprematieerfahrung, des Realisierens des Supremen; und da er die einzige Person Nebadons ist, die eine unbeschränkte Fähigkeit zur Erfahrung der Realität des Supremen besitzt, erreichte er augenblicklich den Status supremer Souveränität in seinem Lokaluniversum und über dieses. Was den Menschen betrifft, so machen die schließliche Fusion und das durch sie bewirkte Einssein mit dem innewohnenden Justierer - die Persönlichkeitssynthese des Menschen und der Essenz Gottes - aus dem Menschen potentiell einen lebendigen Teil des Supremen und sichern diesem einst sterblichen Wesen das ewige Geburtsrecht zu, für den Supremen und mit ihm endlos nach der Finalität universellen Dienstes zu streben. Die Offenbarung lehrt den Menschen, er sollte, um eine so wunderbare und fesselnde Abenteuerreise durch den Raum mittels der fortschreitenden Zeit zu unternehmen, damit beginnen, sein Wissen um Ideen-Entscheidungen herum zu organisieren und danach seiner Weisheit zu gebieten, unermüdlich an der edlen Aufgabe zu arbeiten, seine eigenen Ideen in immer praktischere, aber trotzdem himmlische Ideale umzuwandeln, in eben jene Konzepte, die als Ideen vernünftig genug und als Ideale logisch genug sind, damit der Justierer es wagen kann, sie so zu kombinieren und zu vergeistigen, dass sie im endlichen Verstand für eine Zusammenarbeit verfügbar werden, die aus ihnen die tatsächlichen menschlichen Partner für das Wirken des Geistes der Wahrheit der Söhne macht, die Zeit-Raum-Manifestationen der Wahrheit des Paradieses - der universalen Wahrheit. Die Koordinierung von Ideen-Entscheidungen, logischen Idealen und göttlicher Wahrheit bedeutet den Besitz eines rechtschaffenen Charakters, der die Voraussetzung für die Zulassung der Sterblichen zu den sich unablässig erweiternden und immer geistigeren Realitäten der morontiellen Welten ist. Jesu Lehren bildeten die erste Religion Urantias, die eine derart volle harmonische Koordination von Wissen, Weisheit, Glauben, Wahrheit und Liebe enthielt, dass sie gleichzeitig und vollständig gewähren konnte: Ruhe in der Zeit, intellektuelle Gewissheit, sittliche Erleuchtung, philosophische Stabilität, ethisches Feingefühl, Gottesbewusstsein und die eindeutige Gewissheit persönlichen Fortlebens. Jesu Glaube wies den Weg nach der Endgültigkeit menschlicher Errettung, nach der Ultimität menschlicher Vollbringung im Universum, da er gewährte: 1. Errettung aus den materiellen Ketten durch das persönliche Innewerden der Sohnesbeziehung zu Gott, der Geist ist. 2. Errettung aus intellektueller Versklavung: Der Mensch soll die Wahrheit kennen lernen, und die Wahrheit wird ihn befreien. 3. Errettung aus geistiger Blindheit, das menschliche Gewahrwerden der Brüderlichkeit der sterblichen Wesen und das morontielle Bewusstsein der Bruderschaft aller Universumsgeschöpfe; die Entdeckung geistiger Realität durch Dienen, und die Offenbarung der Güte der Geisteswerte durch tätige Liebe. 4. Errettung aus der Unvollständigkeit des Selbst durch Erreichen der geistigen Ebenen des Universums und durch die schließliche Verwirklichung der Harmonie Havonas und der Vollkommenheit des Paradieses. 5. Errettung vom Selbst, Erlösung aus den Begrenzungen des Selbstbewusstseins durch Erreichen der kosmischen Ebenen des Supremen Verstandes und durch Koordinierung mit dem von allen anderen selbstbewussten Wesen Vollbrachten. 6. Errettung aus der Zeit, die Erringung eines ewigen Lebens nie endenden Fortschritts in der Erkenntnis Gottes und im Dienst an ihm. 7. Errettung vom Endlichen, das vervollkommnete Einssein mit der Gottheit im Supremen und durch ihn, gestützt worauf das Geschöpf die transzendente Entdeckung des Ultimen auf den Nachfinalistenebenen des Absoniten versucht. Solch ein siebenfaches Heil ist gleichbedeutend mit der Vollständigkeit und Vollkommenheit der Verwirklichung der ultimen Erfahrung des Universalen Vaters. Und all das ist potentiell in der Realität des Glaubens der menschlichen religiösen Erfahrung enthalten. Und es kann in dieser Weise darin enthalten sein, da Jesu Glaube sich von Realitäten nährte und sie offenbarte, die sogar noch jenseits des Ultimen lagen; Jesu Glaube kam dem Status eines universalen Absoluten nahe, insoweit etwas Derartiges in dem sich entwickelnden Kosmos von Zeit und Raum überhaupt manifestierbar ist. Der sterbliche Mensch, der sich Jesu Glauben aneignet, kann schon in der Zeit einen Vorgeschmack von den Realitäten der Ewigkeit bekommen. Jesus machte - in menschlicher Erfahrung - die Entdeckung des Finalen Vaters, und seine sterblichen irdischen Brüder können ihm in dieser selben Erfahrung der Vater-Entdeckung nachfolgen. Sie können sogar, so wie sie sind, in dieser Erfahrung mit dem Vater dieselbe Befriedigung erreichen wie Jesus, so wie er war. Nach dieser letzten der Selbsthingaben Michaels wurden im Universum von Nebadon neue Potentiale Wirklichkeit, und eines von ihnen war das neue Licht, das auf den Pfad der Ewigkeit fiel, der zum Vater aller führt und der sogar von Sterblichen aus Fleisch und Blut während ihres ersten Lebens auf einem Planeten des Raums beschritten werden kann. Jesus war und ist der neue und lebendige Weg, über den der Mensch seine göttliche Erbschaft antreten kann, die nach des Vaters Beschluss die seine sein soll, wenn ihn bloß danach verlangt. In Jesus zeigen sich im Überfluss Anfang und Ende der Glaubenserfahrung der Menschheit, selbst einer göttlichen Menschheit. ***** 101.7 Eine persönliche Religionsphilosophie ***** Eine Idee ist nur ein theoretischer Aktionsplan, während eine eindeutige Entscheidung ein gültig erklärter Aktionsplan ist. Ein Stereotyp ist ein ohne Gültigkeitserklärung akzeptierter Aktionsplan. Der Einzelne bezieht die Materialien zum Bau einer persönlichen Religions- philosophie sowohl aus seiner inneren wie aus seiner Umwelterfahrung. Sozialer Rang, wirtschaftliche Bedingungen, erzieherische Gelegenheiten, sittliche Zeitströmungen, institutionelle Einflüsse, politische Entwicklungen, rassische Tendenzen und die religiösen Lehren der Zeit und des Ortes werden sämtlich zu Faktoren bei der Formulierung einer persönlichen Religionsphilosophie. Auch angeborenes Temperament und intellektuelle Veranlagung prägen das Modell einer Religionsphilosophie sehr stark. Beruf, Ehe und Verwandtschaft beeinflussen allesamt die Entwicklung der persönlichen Lebensnormen. Eine Religionsphilosophie entwickelt sich aus einem grundlegenden Ideenwachstum und aus den Lebenserfahrungen, die beide durch die Tendenz verändert werden, Mitmenschen nachzuahmen. Die Gesundheit philosophischer Schlussfolgerungen hängt ab von scharfem, ehrlichem Denken mit Unterscheidungsvermögen, verbunden mit Feingefühl für Bedeutungen und mit richtiger Einschätzung. Sittliche Feiglinge erreichen nie hohe Ebenen philosophischen Denkens; es braucht Mut, um neue Erfahrungsebenen zu betreten und die Erforschung unbekannter Bereiche intellektuellen Lebens zu versuchen. Gegenwärtig entstehen neue Wertesysteme, Prinzipien und Kriterien werden neu formuliert; Gewohnheiten und Ideale werden umgestaltet; eine gewisse Idee von einem persönlichen Gott ist erreicht, gefolgt von einer Erweiterung diesbezüglicher Konzepte. Der große Unterschied zwischen einer religiösen und einer nichtreligiösen Lebensphilosophie besteht in der Natur und im Niveau der anerkannten Werte und im Gegenstand, auf den sich die Treue richtet. Es gibt vier Phasen in der Entwicklung religiöser Philosophie: Solch eine Erfahrung mag bloß in Konformität enden, indem sie sich resigniert der Tradition und Autorität beugt. Oder sie kann sich mit kleinen Anstrengungen zufrieden geben, die gerade ausreichen, um das tägliche Leben zu stabilisieren, und sie kommt deshalb auf einer so nebensächlichen Stufe schon früh zum Stillstand. Solche Sterbliche glauben, es sei besser, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Eine dritte Gruppe stößt bis zur Ebene logischer Intellektualität vor, aber stagniert dort wegen kultureller Versklavung. Der Anblick von Gedankenriesen, die sich so sicher in den grausamen Krallen kultureller Hörigkeit befinden, ist wirklich jammervoll. Und ebenso mitleiderregend ist es zu beobachten, wie andere ihr kulturelles Sklaventum gegen die materialistischen Fesseln einer fälschlich so genannten Wissenschaft eintauschen. Auf der vierten philosophischen Stufe erreicht man Freiheit von allen konventionellen und traditionellen Hemmnissen und wagt, ehrlich, loyal, furchtlos und wahrheitsliebend zu denken, zu handeln und zu leben. Die entscheidende Prüfung jeder religiösen Philosophie besteht darin, ob sie zwischen den Realitäten der materiellen und der geistigen Welt unterscheidet oder nicht und zugleich die Einigung der beiden im intellektuellen Streben und sozialen Dienen anerkennt. Eine gesunde religiöse Philosophie verwechselt die Dinge Gottes nicht mit jenen des Kaisers, noch anerkennt sie einen ästhetischen reinen Wunderglauben als Religionsersatz. Die Philosophie verwandelt jene primitive Religion, die weitgehend ein Kindermärchen des Bewusstseins war, in eine lebendige Erfahrung der aufsteigenden Werte kosmischer Realität. ***** 101.8 Glaube und Geglaubtes ***** Geglaubtes erreicht die Stufe des Glaubens, wenn es zum Lebensantrieb wird und die Lebensweise bestimmt. Das Fürwahrhalten einer Lehre ist nicht Glaube; es ist nur eine Glaubensvorstellung. Ebenso wenig ist Gewissheit oder Überzeugung Glaube. Ein Gemütszustand erreicht Glaubensebenen erst, wenn er wirklich die ganze Lebensweise beherrscht. Der Glaube ist ein lebendiges Attribut echter persönlicher religiöser Erfahrung. Man glaubt der Wahrheit, man bewundert die Schönheit und verehrt die Güte, aber man betet sie nicht an; eine solche Haltung rettenden Glaubens konzentriert sich auf Gott allein, der all das in Person ist und noch unendlich mehr. Bloß Geglaubtes begrenzt und bindet immer, wohingegen Glaube erweiternd und erlösend wirkt. Bloß Geglaubtes fixiert, Glaube befreit. Aber ein lebendiger religiöser Glaube ist mehr als das Zusammenwirken edler geglaubter Inhalte; er ist mehr als ein erhabenes philosophisches System; er ist eine lebendige Erfahrung, die sich mit geistigen Bedeutungen, göttlichen Idealen und höchsten Werten beschäftigt; er kennt Gott und dient den Menschen. Geglaubtes kann zu Gruppenbesitz werden, aber Glaube muss persönlich sein. Theologische Glaubensinhalte können einer Gruppe anempfohlen werden, aber Glaube kann einzig im Herzen des religiösen Einzelmenschen aufblühen. Der Glaube verletzt das in ihn gesetzte Vertrauen, wenn er sich anmaßt, Realitäten zu leugnen und seinen Anhängern vorgetäuschtes Wissen zu verleihen. Der Glaube begeht Vertrauensbruch, wenn er auf einen Verrat an intellektueller Integrität hinarbeitet und die Treue gegenüber höchsten Werten und göttlichen Idealen verringert. Der Glaube drückt sich nie vor der Pflicht, die Probleme des irdischen Lebens zu lösen. Lebendiger Glaube begünstigt weder Frömmelei noch Verfolgung oder Intoleranz. Glaube hemmt die schöpferische Einbildungskraft nicht, noch hält er an einem unvernünftigen Vorurteil gegen die Entdeckungen wissenschaftlicher Forschung fest. Glaube macht die Religion lebendig und zwingt den Gläubigen, heroisch nach der goldenen Regel zu leben. Der Glaubenseifer steht in direktem Verhältnis zum Wissen, und die Glaubenskämpfe sind das Vorspiel zu einem sublimen Frieden. ***** 101.9 Religion und Sittlichkeit ***** Keine sich als solche bezeichnende Religionsoffenbarung kann als echt betrachtet werden, wenn sie nicht die zwingende Forderung nach sittlicher Verpflichtung anerkennt, die von der vorausgehenden evolutionären Religion erhoben und unterstützt worden war. Ausnahmslos dehnt eine Offenbarung den ethischen Horizont der evolutionären Religion aus, während sie gleichzeitig unfehlbar die sittlichen Verpflichtungen aller früheren Offenbarungen erweitert. Wenn ihr euch erlaubt, über die primitive Religion der Menschen (oder über die Religion der primitiven Menschen) ein kritisches Urteil zu fällen, solltet ihr nicht vergessen, diese Wilden und ihre religiöse Erfahrung entsprechend ihrer Erleuchtung und ihrem Bewusstseinsstand zu beurteilen und zu bewerten. Macht nicht den Fehler, über die Religion anderer nach euren eigenen Wissens- und Wahrheitskriterien zu urteilen. Wahre Religion ist jene in der Seele wohnende sublime und tiefe Überzeugung, die den Menschen dringend daran mahnt, dass er unrecht daran täte, nicht an die morontiellen Realitäten zu glauben, die seine höchsten ethischen und sittlichen Vorstellungen, seine höchste Interpretation der größten Werte des Lebens und der tiefsten Realitäten des Universums bilden. Und solch eine Religion ist einfach die Erfahrung, den höchsten Diktaten des geistigen Bewusstseins intellektuelle Treue zu halten. Die Suche nach der Schönheit ist nur insofern ein Bestandteil der Religion, als sie ethisch ist, und nur in dem Maße, wie sie die Vorstellung vom Sittlichen bereichert. Kunst wird nur dann religiös, wenn sie von einer Zielsetzung durchdrungen ist, die aus einer hohen geistigen Motivation stammt. Das erleuchtete geistige Bewusstsein des zivilisierten Menschen hat viel weniger mit irgendeinem besonderen intellektuellen Glauben oder einer speziellen Lebensweise zu tun als mit der Entdeckung der Wahrheit des Lebens, der guten und richtigen Technik des Reagierens auf die stets wiederkehrenden Situationen der irdischen Existenz. Sittliches Bewusstsein ist nur ein Name für das menschliche Erkennen und Wahrnehmen jener ethischen, erwachenden morontiellen Werte, an die sich zu halten die Pflicht den Menschen in seiner täglichen Disziplin und Lebensführung auffordert. Trotz der Feststellung, dass Religion unvollkommen ist, gibt es mindestens zwei praktische Äußerungen ihres Wesens und ihrer Funktion: 1. Geistiger Antrieb und philosophischer Druck der Religion wirken dahin, den Menschen zu veranlassen, seine Ehrung sittlicher Werte direkt nach außen auf die Angelegenheiten seiner Mitmenschen anzuwenden - die ethische Reaktion der Religion. 2. Die Religion schafft im menschlichen Gemüt ein vergeistigtes Bewusstsein göttlicher Realität, das auf früheren Vorstellungen von sittlichen Werten beruht und ihnen durch den Glauben entstammt, und das sich mit neu hinzugekommenen Konzepten geistiger Werte koordiniert. Die Religion wird dadurch zu einem Zensor irdischer Angelegenheiten, zu einer Art glorifizierten sittlichen Vertrauens in die Realität - in die höheren Realitäten der Zeit und in die dauerhafteren Realitäten der Ewigkeit. Der Glaube wird zum Bindeglied zwischen dem sittlichen Bewusstsein und dem geistigen Konzept von dauernder Realität. Die Religion wird zum Weg menschlichen Ausbrechens aus den materiellen Begrenzungen der zeitlichen, natürlichen Welt in die himmlischen Realitäten der ewigen, geistigen Welt durch die Technik der Errettung, durch die progressive morontielle Verwandlung. ***** 101.10 Die Religion als Befreierin des Menschen ***** Der intelligente Mensch weiß, dass er ein Kind der Natur, ein Teil des materiellen Universums ist; und in den Bewegungen und Spannungen der mathematischen Ebene des aus Energie bestehenden Universums kann er nirgends ein Fortleben individueller Persönlichkeiten feststellen. Ebenso wenig kann der Mensch je durch Beobachtung physischer Ursachen und Wirkungen eine geistige Realität ausmachen. Ein menschliches Wesen ist sich auch bewusst, ein Teil des Ideenkosmos zu sein, aber obwohl ein Konzept eine menschliche Lebensspanne überdauern kann, gibt es im Konzept selber nichts, was auf ein persönliches Fortleben der konzipierenden Persönlichkeit schließen ließe. Und auch die Erschöpfung aller Möglichkeiten der Logik und Vernunft wird dem logischen Denker nie die ewige Wahrheit über das Fortleben der Persönlichkeit enthüllen. Die materielle Ebene des Gesetzes sorgt für kausale Kontinuität, für die nie endende Antwort von Wirkung auf vorausgehende Verursachung; die mentale Ebene legt eine ewige ideelle Kontinuität nahe, das unablässige Fließen konzeptueller Potentialität aus vorausexistierenden Konzeptionen. Aber weder die eine noch die andere dieser Universumsebenen öffnet dem forschenden Sterblichen einen Fluchtweg aus der Einseitigkeit seines Status und aus der unerträglichen Bangigkeit, im Universum nur eine vorübergehende Realität, eine vergängliche Persönlichkeit zu sein, dazu verurteilt, mit der Erschöpfung der begrenzten Lebensenergien ausgelöscht zu werden. Einzig über den morontiellen, zu geistiger Schau führenden Weg kann der Mensch die Ketten sprengen, die in der Natur seines Status eines Sterblichen des Universums liegen. Energie und Verstand führen zurück zum Paradies und zur Gottheit, aber weder die Ausstattung mit Energie des Menschen noch seine Verstandesbegabung stammen direkt aus der Paradies-Gottheit. Nur im geistigen Sinne ist der Mensch ein Kind Gottes. Und das ist wahr, weil der Mensch jetzt durch den Paradies-Vater nur im geistigen Sinne begabt und bewohnt wird. Die Menschheit kann die Göttlichkeit nie anders entdecken als über den Weg religiöser Erfahrung und die Ausübung wahren Glaubens. Die Annahme der Wahrheit Gottes durch den Glauben befähigt den Menschen, aus den engen Schranken materieller Begrenzung auszubrechen, und gibt ihm eine vernünftige Hoffnung auf ein sicheres Geleit aus dem materiellen Reich, wo der Tod herrscht, in das geistige Reich, wo ewiges Leben ist. Das Ziel der Religion ist nicht, die Neugier auf Gott zu befriedigen, sondern vielmehr, intellektuelle Beständigkeit und philosophische Sicherheit zu bringen, das menschliche Leben zu stabilisieren und zu bereichern durch Verschmelzen des Sterblichen mit dem Göttlichen, des Bruchstückhaften mit dem Vollkommenen, des Menschen mit Gott. Durch religiöse Erfahrung geschieht es, dass die menschlichen Vorstellungen von Idealität mit Realität ausgestattet werden. Nie kann es wissenschaftliche oder logische Beweise der Göttlichkeit geben. Die Vernunft allein kann niemals die Gültigkeit der Werte und Wohltaten religiöser Erfahrung beweisen. Aber stets wird wahr bleiben: Wer auch immer bereit ist, Gottes Willen zu tun, wird die Gültigkeit geistiger Werte begreifen. Das ist die größte Annäherung, die man auf der menschlichen Ebene an die Lieferung eines Beweises für die Realität religiöser Erfahrung machen kann. Ein solcher Glaube bietet die einzige Fluchtmöglichkeit aus den mechanischen Klauen der materiellen Welt und aus der durch Irrtum bewirkten Verzerrung der unvollständigen intellektuellen Welt; er ist die einzige entdeckte Lösung für das menschliche Denken, das sich hinsichtlich des dauernden Fortlebens der individuellen Persönlichkeit in einer Sackgasse befindet. Er ist der einzige Pass zur Vervollständigung der Realität und zur Ewigkeit des Lebens in einer universalen Schöpfung der Liebe, des Gesetzes, der Einheit und des progressiven Erreichens der Gottheit. Die Religion heilt den Menschen auf wirksame Weise von seinen Gefühlen idealistischer Isoliertheit oder geistiger Einsamkeit; sie verleiht dem Gläubigen die Rechte eines Sohnes Gottes, eines Bürgers in einem neuen Universum voller Bedeutung. Die Religion versichert dem Menschen, dass er, folgt er nur dem schwachen Schein der Rechtschaffenheit, den er in seiner Seele wahrnimmt, sich dadurch mit dem Plan des Unendlichen und mit dem Vorhaben des Ewigen identifiziert. Solch eine befreite Seele beginnt sich allsogleich in diesem neuen Universum, ihrem Universum, zu Hause zu fühlen. Wenn ihr solch eine Verwandlung des Glaubens durchmacht, seid ihr nicht länger ein sklavischer Teil des mathematischen Kosmos, sondern ein befreiter Willens-Sohn des Universalen Vaters. Ein solch befreiter Sohn kämpft nicht mehr allein gegen das unerbittliche Schicksal, das der zeitlichen Existenz ein Ende setzt; er kämpft nicht mehr gegen die ganze Natur an, wobei er alle Chancen hoffnungslos gegen sich hat; er wird nicht mehr schwankend unter der lähmenden Angst, sein Vertrauen vielleicht in ein hoffnungsloses Hirngespinst gesetzt oder mit seinem Glauben einen ausgefallenen Irrtum verfolgt zu haben. Vielmehr kämpfen jetzt die Söhne Gottes denselben Kampf des Triumphs der Realität über die teilweisen Schatten der Existenz. Am Ende werden sich alle Geschöpfe der Tatsache bewusst, dass Gott und alle göttlichen Heerscharen eines beinahe grenzenlosen Universums auf ihrer Seite stehen in dem erhabenen Ringen um ewiges Leben und göttlichen Status. Solche durch den Glauben befreite Söhne haben sich für die Kämpfe der Zeit mit Sicherheit auf Seiten der höchsten Kräfte und göttlichen Persönlichkeiten der Ewigkeit anwerben lassen; selbst die Sterne auf ihren Bahnen kämpfen jetzt für sie; endlich schauen sie von innen her, aus Gottes Sicht, auf das Universum, und alles wandelt sich aus der Ungewissheit materieller Isolation in die Sicherheit ewigen geistigen Fortschritts. Sogar die Zeit selber wird zum bloßen Schatten der Ewigkeit, der von den Realitäten des Paradieses auf das bewegte Schauspiel des Raums geworfen wird. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 102 Die Fundamente Religiösen Glaubens ****** FÜR den ungläubigen Materialisten ist der Mensch bloß ein evolutionärer Zufall. Seine Hoffnungen auf ein Fortleben sind das Produkt menschlicher Einbildungskraft; sein Fürchten, Lieben, Sehnen und Glauben sind nur eine Reaktion des zufälligen Nebeneinanders bestimmter lebloser materieller Atome. Kein Energieaufwand und keine Vertrauenskundgebung können ihn über das Grab hinaustragen. Das hingebungsvolle Wirken und der inspirierte Genius auch der Besten der Menschen sind dazu verurteilt, mit dem Tod, der langen und einsamen Nacht ewigen Vergessens und Verlöschens der Seelen, zu vergehen. Namenlose Verzweiflung ist des Menschen einzige Belohnung für sein Leben und hartes Arbeiten unter der vergänglichen Sonne der irdischen Existenz. Mit jedem Lebenstag verstärkt sich langsam aber sicher der Griff eines erbarmungslosen Schicksals, das ein feindliches und schonungsloses Universum aus Materie als höchsten Hohn über alles verhängt hat, was es in menschlicher Sehnsucht an Schönem, Edlem, Erhabenem und Gutem gibt. Aber so etwas ist nicht des Menschen Ende und ewige Bestimmung; eine solche Sicht der Dinge ist nur der Verzweiflungsschrei, der sich einer umherirrenden Seele entringt, die sich in geistiger Finsternis verloren hat und angesichts der mechanistischen Sophistereien einer materialistischen Philosophie tapfer weiterkämpft, blind gemacht durch das Verwirrende und Verzerrende einer komplizierten Gelehrsamkeit. Dieses ganze dunkle Verhängnis und verzweifelte Schicksal wird ein für alle Male wie weggeblasen durch eine einzige tapfere Glaubensgeste des demütigsten und ungebildetsten aller irdischen Gotteskinder. Der rettende Glaube wird im Menschenherzen geboren, wenn das sittliche Bewusstsein des Menschen erkennt, dass in der Erfahrung des Sterblichen die menschlichen Werte vom Materiellen ins Geistige, vom Menschlichen ins Göttliche und von der Zeit in die Ewigkeit übertragen werden können. ***** 102.1 Die Gewissheiten des Glaubens ***** Das Wirken des Gedankenjustierers ist die Erklärung für den Übergang des primitiven evolutionären Pflichtgefühls des Menschen in den höheren und sichereren Glauben an die ewigen Realitäten der Offenbarung. Im menschlichen Herzen muss Hunger nach Vollkommenheit vorhanden sein, um die Fähigkeit sicherzustellen, die zu höchstem Vollbringen führenden Glaubenspfade zu begreifen. Wenn jemand sich für die Ausführung des göttlichen Willens entscheidet, wird er den Weg der Wahrheit erkennen. Es ist buchstäblich wahr: "Man muss Menschliches erst kennen, um es zu lieben, aber Göttliches muss man erst lieben, um es zu kennen." Aber aufrichtige Zweifel und ehrliches Fragen sind keine Sünde; solche Haltungen bedeuten nur eine Verzögerung auf dem Weg des Fortschritts auf das Vollkommenheitsziel hin. Kindliches Vertrauen stellt den Eintritt des Menschen in das Königreich des himmlischen Aufstiegs sicher, aber der Fortschritt hängt ganz von der kräftigen Betätigung eines starken und zuversichtlichen Glaubens des voll erwachsenen Menschen ab. Die Vernunft der Wissenschaft baut auf den beobachtbaren Tatsachen der Zeit auf; der Glaube der Religion argumentiert ausgehend vom geistigen Programm der Ewigkeit. Was Wissen und Vernunft für uns nicht tun können, das legt wahre Weisheit uns nahe, den Glauben aufgrund religiöser Erkenntnis und geistiger Verwandlung vollbringen zu lassen. Infolge der durch die Rebellion bewirkten Isolierung ist die Wahrheitsoffenbarung auf Urantia nur allzu oft mit Darstellungen bruchstückhafter und vergänglicher Kosmologien vermengt worden. Die Wahrheit bleibt von Generation zu Generation unverändert, aber die mit ihr verbundenen Lehren über die physische Welt ändern sich von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr. Die ewige Wahrheit sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, weil man sie zufällig in Gesellschaft überholter Ideen über die materielle Welt findet. Je mehr ihr von der Wissenschaft versteht, umso weniger sicher könnt ihr sein; je mehr Religion ihr habt, um so sicherer seid ihr. Die Gewissheiten der Wissenschaft kommen einzig aus dem Intellekt; die Gewissheiten der Religion entsteigen den wahren Fundamenten der Gesamtpersönlichkeit. Wissenschaft appelliert an das Begreifen des Verstandes; Religion appelliert an die Loyalität und Hingabe von Körper, Verstand und Geist, eben an die ganze Persönlichkeit. Gott ist so allumfassend real und absolut, dass kein materielles Zeichen eines Beweises noch irgendwelche Kundgebungen so genannter Wunder herangezogen werden können, um seine Realität zu bezeugen. Wir werden ihn immer nur deshalb kennen, weil wir ihm vertrauen, und unser Glaube an ihn beruht völlig auf unserer persönlichen Teilnahme an den göttlichen Äußerungen seiner unendlichen Realität. Der innewohnende Gedankenjustierer weckt in der Menschenseele unfehlbar einen wahren, nach Vollkommenheit verlangenden Hunger und eine in weite Fernen zielende Neugier, die nur durch die Verbindung mit Gott, dem göttlichen Ursprung ebendieses Justierers, wirklich befriedigt werden können. Die hungrige Menschenseele weigert sich, sich mit etwas Geringerem als der persönlichen Wahrnehmung des lebendigen Gottes zufrieden zu geben. Was immer auch Gott über eine hohe und vollkommene sittliche Persönlichkeit hinaus noch alles sein mag, so kann er doch in unserer hungrigen und endlichen Vorstellung nichts Geringeres sein. ***** 102.2 Religion und Realität ***** Aufmerksame Beobachter und fein unterscheidende Seelen erkennen die Religion, wenn sie ihr im Leben ihrer Mitmenschen begegnen. Religion hat keine Definition nötig; wir alle kennen ihre gesellschaftlichen, intellektuellen, sittlichen und geistigen Früchte. Und all das wächst aus der Tatsache, dass die Religion ein Besitztum der menschlichen Rasse ist; sie ist kein Kind der Kultur. Zugegeben, die Auffassung von Religion ist noch menschlich und leidet deshalb unter Versklavung durch Unwissenheit, unter abergläubischer Hörigkeit, Irreführung durch Sophistereien und Verblendung durch falsche Philosophie. Eine der charakteristischen Besonderheiten echter religiöser Gewissheit ist es, dass trotz der Absolutheit ihrer Bejahungen und der Festigkeit ihrer Haltung der Geist, in dem sie sich ausdrückt, derart ausgewogen und gemäßigt ist, dass er nie den leisesten Eindruck von Selbstanmaßung oder egoistischer Überheblichkeit erweckt. Die Weisheit religiöser Erfahrung ist insofern paradox, als sie zugleich menschlichen Ursprungs und ein Abkömmling des Justierers ist. Religiö- se Kraft ist nicht das Produkt der persönlichen Vorrechte des Einzelnen, sondern das Ergebnis der sublimen Partnerschaft des Menschen mit der ewigen Quelle aller Weisheit. So nehmen die Worte und Taten wahrer und reiner Religion für alle erleuchteten Sterblichen zwingende Autorität an. Es ist schwierig, die Faktoren einer religiösen Erfahrung zu identifizieren und zu analysieren, aber es fällt nicht schwer festzustellen, dass solch praktizierende Gläubige leben und vorangehen, als befänden sie sich bereits in der Gegenwart des Ewigen. Gläubige verhalten sich diesem zeitlichen Leben gegenüber, als läge die Unsterblichkeit bereits in Reichweite. Im Leben solcher Sterblicher gibt es eine gültige Originalität und Spontaneität des Ausdrucks, die sie für immer von jenen ihrer Mitmenschen unterscheidet, die sich nur mit der Weisheit der Welt voll gesogen haben. Es scheint in der Tat, als lebten Gläubige losgelöst von bedrängender Hast und vom schmerzhaften Druck der Wechselfälle, die die weltlichen Strömungen der Zeit mit sich bringen; sie zeigen eine Stabilisierung der Persönlichkeit und eine Ruhe des Charakters, die sich durch die Gesetze der Physiologie, Psychologie und Soziologie nicht erklären lassen. Die Zeit ist ein unumgängliches Element zur Erlangung von Wissen; die Religion stellt ihre Gaben augenblicklich zur Verfügung, wenngleich es da den wichtigen Punkt des Wachstums in der Gnade gibt, des eindeutigen Fortschritts in allen Phasen religiöser Erfahrung. Wissen ist eine ewige Suche; immer lernt man, aber nie ist man in der Lage, zur vollen Kenntnis absoluter Wahrheit zu gelangen. Im Wissen allein kann es nie absolute Gewissheit geben, nur wachsende Wahrscheinlichkeit der Annäherung; die geistig erleuchtete religiöse Seele hingegen weiß, und weiß jetzt. Und doch führt dieses tiefe und positive Wissen solch einen seelisch gesunden Gläubigen nicht zu irgendwelcher Verringerung seines Interesses am Auf und Ab des Fortschritts menschlicher Weisheit, die an ihrem materiellen Ende an die Entwicklungen der sich langsam bewegenden Wissenschaft geknüpft ist. Sogar die Entdeckungen der Wissenschaft sind im Bewusstsein der menschlichen Erfahrung nicht wahrhaft real, solange sie nicht entwirrt und in Beziehung gesetzt worden sind, solange ihre einschlägigen Fakten durch Einschaltung in den Gedankenstrom des Verstandes nicht Bedeutung angenommen haben. Der sterbliche Mensch betrachtet selbst sein physisches Umfeld von der mentalen Ebene aus, aus der Perspektive seiner psychologischen Registrierung. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der Mensch das Universum in einem stark geeinten Sinne interpretiert und dann versucht, diese energetische Einheit seiner Wissenschaft mit der geistigen Einheit seiner religiösen Erfahrung zu identifizieren. Aller Verstand ist Einheit; das sterbliche Bewusstsein lebt auf der Verstandesebene und nimmt die universellen Realitäten durch die Augen seiner Verstandesgaben wahr. Die Verstandesperspektive wird die existentielle Einheit der Quelle aller Realität, des Ersten Zentralen Ursprungs, nicht enthüllen, aber sie kann dem Menschen die erfahrungsmäßige Synthese von Energie, Verstand und Geist im Supremen Wesen und als dieses vor Augen führen, und tut es manchmal auch. Aber der Verstand vermag diese Einigung der verschiedenartigen Realität niemals erfolgreich zu bewerkstelligen, sofern er nicht ein solides Bewusstsein von materiellen Dingen, intellektuellen Bedeutungen und geistigen Werten besitzt. Einzig in der Harmonie der Dreieinigkeit der funktionellen Realität gibt es Einheit, und einzig in der Einheit erlebt die Persönlichkeit die Befriedigung, kosmische Beständigkeit und Folgerichtigkeit zu erblicken. In menschlicher Erfahrung lässt sich Einheit am besten durch die Philosophie finden. Und während das Gerüst des philosophischen Gedankens sich stets auf materielle Tatsachen stützen muss, ist die Seele und Energie wahrer philosophischer Dynamik des Sterblichen geistige Schau. Der evolutionäre Mensch findet von Natur aus keinen Geschmack an harter Arbeit. Wenn er in seiner Lebenserfahrung mit den drängenden Forderungen und zwingenden Impulsen einer wachsenden religiösen Erfahrung Schritt halten will, bedeutet das ein unaufhörliches Aktivsein in geistigem Wachstum, intellektueller Eroberung, zunehmender Faktenkenntnis und sozialem Dienen. Es gibt keine wahrhafte Religion außer in einer höchst aktiven Persönlichkeit. Deshalb suchen die indolenteren Menschen oft der Strenge wahrer religiöser Aktivitäten durch eine Art gewitzter Selbsttäuschung zu entgehen, indem sie unter dem falschen Obdach steroetyper religiöser Lehren und Dogmen Schutz suchen. Aber wahre Religion ist lebendig. Intellektuelle Kristallisierung religiöser Konzepte ist gleichbedeutend mit geistigem Tod. Man kann sich eine Religion nicht ohne Ideen vorstellen, aber wenn Religion einmal auf eine Idee reduziert worden ist, ist sie keine Religion mehr; sie ist dann bloß zu einer Art menschlicher Philosophie geworden. Und dann gibt es andere Typen unstabiler und kaum disziplinierter Seelen, die die gefühlsmäßigen Ideen der Religion als Weg benutzen möchten, um den lästigen Ansprüchen des Lebens zu entgehen. Wenn gewisse schwankende und scheue Sterbliche dem anhaltenden Druck des evolutionären Lebens auszuweichen versuchen, scheint Religion, so wie sie sie verstehen, den nächsten Zufluchtsort, den besten Fluchtweg, darzustellen. Aber die Sendung der Religion ist es, die Menschen bereit zu machen, den Wechselfällen des Lebens tapfer, ja heroisch, die Stirn zu bieten. Die Religion ist die höchste Gabe des evolutionären Menschen, das, was ihn befähigt, weiterzumachen und "durchzuhalten, als sähe er Ihn, der unsichtbar ist". Der Mystizismus indessen gleicht manchmal irgendwie einem Rückzug aus dem Leben, und es wenden sich ihm jene Menschen zu, die keinen Geschmack an den kräftigeren Aktivitäten finden, die mit einem religiösen Leben in der offenen Arena der Gesellschaft und des menschlichen Umgangs verbunden sind. Wahre Religion muss handeln. Das Verhalten wird sich aus der Religion ergeben, wenn der Mensch sie wirklich besitzt, oder besser, wenn der Religion erlaubt wird, wahrhaft vom Menschen Besitz zu ergreifen. Nie wird sich Religion mit bloßem Denken und untätigem Fühlen begnügen. Wir sind nicht blind gegenüber der Tatsache, dass Religion oft unweise, ja irreligiös handelt, aber sie handelt. Abwegige religiöse Überzeugungen haben zu blutigen Verfolgungen geführt, aber die Religion tut immer etwas; sie ist dynamisch! ***** 102.3 Wissen, Weisheit und geistige Schau ***** Es ist unvermeidlich, dass intellektuelles Defizit oder spärliche Erziehung höheres religiöses Vollbringen behindern, weil solch ein verarmtes Umfeld der geistigen Natur die Religion ihres Hauptkanals philosophischen Kontaktes mit der Welt wissenschaftlicher Erkenntnisse beraubt. Die intellektuellen Faktoren der Religion sind wichtig, aber ihre übermäßige Entwicklung ist manchmal ebenfalls sehr hinderlich und störend. Die Religion muss dauernd unter einer paradoxen Notwendigkeit arbeiten: der Notwendigkeit, das Denken in wirksamer Weise zu gebrauchen und zugleich die geistige Nützlichkeit alles Denkens gering zu achten. Religiöse Spekulation ist unvermeidlich, aber immer schädlich; Spekulation verfälscht stets ihr Ziel. Spekulation neigt dazu, die Religion in etwas Materielles oder Humanistisches zu verwandeln, und während sie sich direkt gegen die Klarheit logischen Denkens vergeht, lässt sie die Religion indirekt als eine Funktion der zeitlichen Welt erscheinen, gerade jener Welt, zu der sie ewig einen Kontrast bilden sollte. Deshalb wird Religion immer durch Paradoxe gekennzeichnet sein. Diese kommen von der Abwesenheit einer erfahrungsmäßigen Brücke zwischen der materiellen und der geistigen Ebene des Universums - der morontiellen Mota, des überphilosophischen Feingefühls für das Erkennen von Wahrheit und die Wahrnehmung von Einheit. Materielle Gefühle, menschliche Gemütsbewegungen führen direkt zu materiellen Handlungen, selbstsüchtigen Akten. Religiöse Erkenntnisse, geistige Beweggründe führen direkt zu religiösen Handlungen, selbstlosen Akten sozialen Dienens und altruistischer Wohltätigkeit. Religiöse Sehnsucht ist ein hungerndes Verlangen nach göttlicher Realität. Religiöse Erfahrung ist das Erwachen des Bewusstseins, Gott gefunden zu haben. Und wenn ein menschliches Wesen tatsächlich Gott findet, macht seine Seele die Erfahrung eines so unbeschreiblichen Entdeckertriumphs, dass es sich voller Unrast gedrängt fühlt, sich seinen weniger erleuchteten Mitmenschen in Liebe zuzuwenden; nicht etwa, um ihnen zu eröffnen, dass es Gott gefunden hat, sondern um dem Aufwallen ewiger Güte in seiner Seele zu erlauben überzufließen, um seine Gefährten zu erfrischen und zu veredeln. Wahre Religion führt zu verstärktem sozialem Dienen. Wissenschaft, Wissen, führt zu einem Bewusstsein von Tatsachen; Religion, Erfahrung, führt zu einem Bewusstsein von Werten; Philosophie, Weisheit, führt zu einem koordinierten Bewusstsein; Offenbarung (der Ersatz für die morontielle Mota) führt zum Bewusstsein wahrer Realität; während die Koordinierung des Bewusstseins von Tatsachen, Werten und wahrer Realität das Gewahren der Realität der Persönlichkeit - maximales Sein - darstellt, zusammen mit dem Glauben an die Möglichkeit des Fortlebens ebendieser Persönlichkeit. Wissen führt dazu, den Menschen einen Platz zuzuweisen, es lässt Gesellschaftsschichten und Kasten entstehen. Religion führt zum Dienst an den Menschen und schafft so Ethik und Altruismus. Weisheit führt zu höherer und besserer Verträglichkeit zwischen Ideen und Mitmenschen. Offenbarung befreit die Menschen und schickt sie in das ewige Abenteuer. Wissenschaft sortiert die Menschen; Religion liebt die Menschen, sogar "wie sich selbst"; Weisheit lässt den voneinander verschiedenen Menschen Gerechtigkeit widerfahren; aber Offenbarung verherrlicht den Menschen und enthüllt seine Fähigkeit zur Partnerschaft mit Gott. Wissenschaft bemüht sich umsonst, eine Brüderlichkeit der Kultur zu schaffen; Religion ruft die Brüderlichkeit des Geistes ins Dasein. Philosophie strebt die Brüderlichkeit der Weisheit an; Offenbarung gibt ein Bild von der ewigen Brüderlichkeit, vom Paradies-Korps der Finalität. Wissen zieht Stolz aus der Tatsache der Persönlichkeit; Weisheit ist das Bewusstsein von der Bedeutung der Persönlichkeit; Religion ist die Erfahrung, den Wert der Persönlichkeit zu erkennen; Offenbarung ist die Gewissheit des Fortlebens der Persönlichkeit. Wissenschaft bemüht sich, die segmentierten Teile des grenzenlosen Kosmos zu identifizieren, analysieren und klassifizieren. Die Religion erfasst die Idee-des-Ganzen, die Gesamtheit des Kosmos. Philosophie versucht eine Identifikation der materiellen Segmente der Wissenschaft mit dem Konzept der geistigen Schau des Ganzen. Worin die Philosophie bei ihrem Versuch scheitert, darin ist Offenbarung erfolgreich, indem sie versichert, dass der kosmische Kreis universal, ewig, absolut und unendlich ist. Dieser Kosmos des Unendlichen ICH BIN ist deshalb endlos, grenzenlos und allumfassend - zeitlos, raumlos und eigenschaftslos. Und wir bezeugen, dass das Unendliche ICH BIN auch der Vater Michaels von Nebadon und der Gott menschlicher Errettung ist. Wissenschaft zeigt die Gottheit als eine Tatsache; Philosophie legt die Idee eines Absoluten vor; Religion sieht Gott als eine liebende geistige Persönlichkeit. Offenbarung bekräftigt die Einheit der Tatsache der Gottheit, der Idee des Absoluten und der geistigen Persönlichkeit Gottes und präsentiert des Weiteren dieses Konzept als unseren Vater - als die universale Tatsache der Existenz, als die ewige Idee des Verstandes und als den unendlichen Geist des Lebens. Die Verfolgung des Wissens bildet die Wissenschaft; die Suche nach Weisheit ist Philosophie; die Liebe Gottes ist Religion; der Hunger nach Wahrheit ist eine Offenbarung. Aber es ist der innewohnende Gedankenjustierer, der der menschlichen geistigen Schau des Kosmos das Gefühl von Realität verleiht. In der Wissenschaft geht die Idee dem Ausdruck ihrer Verwirklichung voraus; in der Religion geht die Erfahrung der Verwirklichung dem Ausdruck der Idee voraus. Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen dem evolutionären Willen-zum-Glauben und dem Produkt aus erleuchteter Vernunft, religiöser Schau und Offenbarung - dem Willen, der glaubt. In der Evolution führt die Religion den Menschen oft dazu, sich seine eigenen Gotteskonzepte zu schaffen; die Offenbarung eröffnet das Phänomen der von Gott selber gesteuerten Evolution des Menschen, während wir im irdischen Leben von Christus Michael das Phänomen des sich dem Menschen offenbarenden Gottes betrachten. Evolution neigt dazu, Gott menschenähnlich zu machen; Offenbarung strebt danach, den Menschen gottähnlich zu machen. Wissenschaft kann nur durch erste Ursachen zufrieden gestellt werden, Religion durch eine höchste Persönlichkeit und Philosophie durch Einheit. Offenbarung erklärt, dass diese drei eins sind, und dass alle gut sind. Das ewige Reale ist das Gute des Universums und nicht zeitliche Illusionen von Üblem im Raum. In der geistigen Erfahrung aller Persönlichkeiten ist es immer wahr, dass das Reale das Gute ist und das Gute das Reale. ***** 102.4 Die Tatsache der Erfahrung ***** Wegen der Gegenwart des Gedankenjustierers in eurem Verstand ist es für euch kein größeres Geheimnis, Gottes Gedanken zu kennen, als die Sicherheit zu haben, euch irgendeines anderen, ob menschlichen oder übermenschlichen, Verstandes bewusst zu sein. Religion und soziales Bewusstsein haben dieses gemeinsam: Sie fußen auf dem Bewusstsein der Mentalität anderer. Die Technik, durch welche ihr die Idee eines anderen als die eure annehmen könnt, ist dieselbe wie jene, durch welche ihr "das Denken, das in Christus war, auch in euch wohnen lassen" könnt. Was ist denn menschliche Erfahrung? Es ist ganz einfach die Wechselwirkung zwischen einem aktiven und forschenden Selbst und irgendeiner anderen aktiven äußeren Realität. Die Masse der Erfahrung wird bestimmt durch die Tiefe der Vorstellung zuzüglich der gesamten Wahrnehmung der äußeren Realität. Die Bewegung der Erfahrung ist gleich der Kraft erwartungsvollen Vorstellungsvermögens zuzüglich der Schärfe sensorischer Entdeckung der äußeren Eigenschaften der kontaktierten Realität. Die Tatsache der Erfahrung liegt im Selbstbewusstsein zuzüglich anderer Wesenheit - anderer Dinglichkeit, anderer Gedanklichkeit und anderer Geistigkeit. Der Mensch wird sich sehr früh bewusst, dass er in der Welt oder im Universum nicht allein ist. Er entwickelt ein natürliches spontanes Bewusstsein andersgearteter Gedanklichkeit im Umfeld seines Selbst. Der Glaube überträgt diese natürliche Erfahrung auf die Religion, die Wahrnehmung Gottes als der Realität - Quelle, Wesen und Endbestimmung - aller anderen Gedanklichkeit. Aber eine derartige Kenntnis Gottes ist immer und ewig eine Realität persönlicher Erfahrung. Wenn Gott keine Persönlichkeit wäre, könnte er kein lebendiger Teil der realen religiö-sen Erfahrung einer menschlichen Persönlichkeit werden. Der in menschlicher religiöser Erfahrung vorhandene Anteil des Irrtums verhält sich direkt proportional zum materialistischen Inhalt, der das geistige Konzept des Universalen Vaters trübt. Der vorgeistige Fortschritt des Menschen im Universum besteht in der Erfahrung, sich dieser irrigen Ideen über Gottes Natur und die Realität reinen und wahren Geistes zu entledigen. Die Gottheit ist mehr als Geist, aber die geistige Annäherung ist die dem aufsteigenden Menschen einzig mögliche. Allerdings gehört das Gebet zur religiösen Erfahrung, aber die modernen Religionen haben fälschlicherweise unter starker Vernachlässigung der weit wesentlicheren Verbindung mit Gott in der Anbetung den Hauptakzent auf das Gebet gelegt. Die das Nachdenken fördernden Verstandeskräfte vertiefen und weiten sich in der Anbetung. Wohl bereichert Beten das Leben, aber Anbetung erhellt die Bestimmung. Offenbarte Religion ist das einigende Element der menschlichen Existenz. Offenbarung eint Geschichte, koordiniert Geologie, Astronomie, Physik, Chemie, Biologie, Soziologie und Psychologie. Geistige Erfahrung ist die wahre Seele des menschlichen Kosmos. ***** 102.5 Die Vormachtstellung des planenden Potentials ***** Obwohl der Nachweis der Tatsache des Glaubens nicht dasselbe ist, wie den Nachweis der Tatsache des Geglaubten zu erbringen, so beweist doch der evolutionäre Aufstieg simplen Lebens zum Persönlichkeitsstatus klar die Tatsache des Vorhandenseins eines anfänglichen Persönlichkeitspotentials. Und in den Universen der Zeit ist das Potentielle gegenüber dem Verwirklichten immer beherrschend. Im sich entwickelnden Kosmos ist das Potential das, was sein wird; und was sein wird, ist die Entfaltung der absichtsvollen Verfügungen der Gottheit. Dieselbe Vormachtstellung des Plans zeigt sich in der Evolution der Ideenbildung, wenn die tierische Furcht des primitiven Gemüts sich in immer tiefere Verehrung Gottes und in wachsende Ehrfurcht vor dem Universum verwandelt. Der primitive Mensch besaß mehr religiöse Angst als Glauben, und die beherrschende Stellung der geistigen Potentiale gegenüber den mentalen Verwirklichungen zeigt sich, wenn diese feige Furcht in einen lebendigen Glauben an geistige Realitäten übergeht. Man kann die evolutionäre Evolution psychologisch deuten, nicht aber die persönlich erfahrene Religion geistigen Ursprungs. Menschliche Sittlichkeit kann Werte anerkennen, aber nur die Religion kann solche Werte erhalten, erhöhen und vergeistigen. Aber obwohl die Religion solches vermag, ist sie mehr als nur empfindungsvolle Sittlichkeit. Religion verhält sich zu Sittlichkeit wie Liebe zu Pflicht, wie Sohnschaft zu Hörigkeit, wie das Wesen zu der Substanz. Sittlichkeit lässt einen allmächtigen Überwacher erkennen, eine Gottheit, der gedient werden muss; Religion enthüllt einen allliebenden Vater, einen Gott, der angebetet und geliebt werden will. Und wiederum ist dem so, weil die geistige Potentialität der Religion gegenüber der von der Pflicht diktierten Wirklichkeit evolutionärer Sittlichkeit beherrschend ist. ***** 102.6 Die Gewissheit religiösen Glaubens ***** Die Eliminierung der religiösen Furcht durch die Philosophie und der stetige Fortschritt der Wissenschaft tragen in hohem Maße zum Sterben der falschen Götter bei; auch wenn diese Opferung der vom Menschen geschaffenen Gottheiten vorübergehend die geistige Schau trüben sollte, so wird sie schließlich die Unwissenheit und den Aberglauben zerstören, die so lange den lebendigen Gott ewiger Liebe verdunkelten. Die Beziehung zwischen Geschöpf und Schöpfer ist eine lebendige Erfahrung, ein dynamischer religiöser Glaube, der keiner genauen Definition unterworfen ist. Einen Teil des Lebens zu isolieren und ihn Religion zu nennen, heißt, das Leben zu desintegrieren und die Religion zu verzerren. Und das ist gerade der Grund, weshalb der Gott der Anbetung entweder die ganze Hingabe oder gar keine verlangt. Die Götter der primitiven Menschen waren wohl kaum mehr als deren Schatten; der lebendige Gott ist das göttliche Licht, dessen Unterbrechungen die Schöpfungsschatten allen Raums darstellen. Der philosophisch denkende religiöse Mensch glaubt an einen persönlichen Gott persönlichen Heils, an etwas mehr als nur eine Realität, einen Wert, eine Ebene des Vollbringens, einen erhabenen Prozess, eine Verwandlung, etwas Zeit und Raum Übersteigendes, eine Idealisierung, die Personifizierung von Energie, die Wesenheit der Schwerkraft, eine menschliche Projektion, eine Idealisierung des Selbst, eine Eruption der Natur, die Neigung zur Güte, den Vorwärtsimpuls der Evolution oder eine sublime Hypothese. Der Gläubige glaubt an einen Gott der Liebe. Liebe ist die Essenz der Religion und die Quelle höherer Zivilisation. Der Glaube verwandelt in persönlicher religiöser Erfahrung den philosophischen Gott der Wahrscheinlichkeit in den rettenden Gott der Gewissheit. Skeptizismus mag die theologischen Theorien herausfordern, aber das Vertrauen in die Verlässlichkeit persönlicher Erfahrung bestätigt die Wahrheit von Geglaubtem, das zu Glauben geworden ist. Zu Überzeugungen über Gott kann man durch weise Überlegung gelangen, aber das Wissen um Gott erlangt der Einzelne nur über den Glauben, durch persönliche Erfahrung. Bei vielem, was das Leben betrifft, muss man mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, aber wenn es sich um den Kontakt mit der kosmischen Realität handelt, kann man Gewissheit erfahren, wenn man sich solchen Bedeutungen und Werten durch einen lebendigen Glauben nähert. Die Gott kennende Seele wagt zu sagen "Ich weiß", selbst wenn dieses Wissen um Gott durch den Ungläubigen in Frage gestellt wird, der eine solche Gewissheit verneint, weil sie nicht gänzlich auf intellektueller Logik beruht. Jedem derartigen Zweifler antwortet der Gläubige nur: "Wie weißt du, dass ich nicht weiß?" Obwohl der Verstand den Glauben stets in Frage stellen kann, kann der Glaube stets Verstand und Logik ergänzen. Der Verstand schafft die Wahrscheinlichkeit, welche der Glaube in eine sittliche Gewissheit, ja geistige Erfahrung umwandeln kann. Gott ist die erste Wahrheit und die letzte Tatsache; deshalb hat alle Wahrheit ihren Ursprung in ihm, während alle Tatsachen in Beziehung zu ihm existieren. Gott ist absolute Wahrheit. Als Wahrheit kann man Gott kennen, aber um Gott zu verstehen - zu erklären - muss man die Tatsache des Universums der Universen erforschen. Der tiefe Abgrund zwischen der Erfahrung der Wahrheit Gottes und der Unwissenheit bezüglich der Tatsache Gottes kann nur durch einen lebendigen Glauben überbrückt werden. Der Verstand allein ist unfähig, eine Harmonie zwischen unendlicher Wahrheit und universaler Tatsache herzustellen. Bloß Geglaubtes vermag unter Umständen nicht, Zweifeln zu widerstehen und Furcht abzuwehren, aber der Glaube siegt immer über alles Zweifeln, denn Glaube ist zugleich positiv und lebendig. Positives ist Negativem immer überlegen, Wahrheit dem Irrtum, Erfahrung der Theorie, geistige Wahrheiten den isolierten Fakten von Zeit und Raum. Der überzeugende Beweis dieser geistigen Gewissheit besteht in den sozialen Früchten des Geistes, die solch wahre Gläubige aufgrund dieser echten geistigen Erfahrung hervorbringen. Jesus sagte: "Wenn ihr eure Nächsten liebt, wie ich euch geliebt habe, werden alle Menschen wissen, dass ihr meine Jünger seid." Für die Wissenschaft ist Gott eine Möglichkeit, für die Psychologie eine Wünschbarkeit, für die Philosophie eine Wahrscheinlichkeit, für die Religion eine Gewissheit, eine Wirklichkeit religiöser Erfahrung. Die Vernunft verlangt, dass eine Philosophie, die den Gott der Wahrscheinlichkeit nicht zu finden vermag, großen Respekt haben sollte vor einem religiösen Glauben, der den Gott der Gewissheit finden kann und ihn auch findet. Und auch die Wissenschaft sollte religiöse Erfahrung nicht mit dem Argument der Leichtgläubigkeit herabmindern, solange sie in der Annahme verharrt, dass des Menschen intellektuelle und philosophische Begabungen, je weiter zurück man geht, aus immer geringerer Intelligenz hervorgegangen sind und schlussendlich ihren Anfang im primitiven Leben nahmen, das völlig des Denkens und Fühlens entbehrte. Man darf die Tatsachen der Evolution nicht aufbieten gegen die Wahrheit der Realität der Gewissheit der geistigen Erfahrung im religiösen Leben eines Gott kennenden Sterblichen. Intelligente Menschen sollten aufhören, wie Kinder zu urteilen, und sollten versuchen, die konsequente Logik Erwachsener anzuwenden, eine Logik, die zugleich mit der Beobachtung von Tatsachen auch die Vorstellung von Wahrheit duldet. Der wissenschaftliche Materialismus geht bankrott, wenn er dabei bleibt, angesichts jedes wiederkehrenden Universumsphänomens seine üblichen Einwände zu wiederholen, die das allgemein als höher Eingestufte auf das allgemein als niedriger Eingestufte zurückführen. Folgerichtigkeit verlangt die Anerkennung des Wirkens eines planenden Schöpfers. Die organische Evolution ist eine Tatsache; planvolle oder progressive Evolution ist eine Wahrheit, welche die ansonsten widersprüchlichen Phänomene der immer höheren Vollbringungen der Evolution in einen logischen Zusammenhang rückt. Je tiefer ein Wissenschaftler in den von ihm gewählten Wissenszweig eindringt, umso mehr wird er die sich auf materialistische Tatsachen gründenden Theorien zugunsten der kosmischen Wahrheit des alles beherrschenden Supremen Verstandes aufgeben. Der Materialismus setzt den Wert des menschlichen Lebens herab; das Evangelium Jesu erhöht jeden Sterblichen auf unerhörte Weise und vergöttlicht ihn. Die menschliche Existenz muss als etwas angesehen werden, das aus der fesselnden und faszinierenden Erfahrung besteht, sich der Realität der Begegnung zwischen menschlichem Aufschwung und göttlichem, rettendem Herabbeugen bewusst zu werden. ***** 102.7 Die Gewissheit des Göttlichen ***** Der Universale Vater, der aus sich selber heraus existiert, erklärt sich auch selber; er lebt tatsächlich in jedem vernunftbegabten Sterblichen. Aber ihr könnt Gottes nicht sicher sein, solange ihr ihn nicht kennt; Sohnschaft ist die einzige Erfahrung, die die Vaterschaft gewiss werden lässt. Das Universum ist überall Wandlungen unterworfen. Ein sich veränderndes Universum ist ein abhängiges Universum; solch eine Schöpfung kann weder endgültig noch absolut sein. Ein endliches Universum hängt völlig vom Ultimen und vom Absoluten ab. Das Universum und Gott sind nicht identisch; dieser ist die Ursache, jenes die Wirkung. Die Ursache ist absolut, unendlich, ewig und unveränderlich; die Wirkung ist zeit- und raumgebunden und transzendent, aber sich ewig wandelnd und stets wachsend. Gott ist die allereinzige selbstverursachte Tatsache im Universum. Er ist das Geheimnis von Ordnung, Plan und Zweck der gesamten Schöpfung von Dingen und Wesen. Das sich überall wandelnde Universum wird reguliert und stabilisiert durch absolut unveränderliche Gesetze, die Gewohnheiten eines unveränderlichen Gottes. Die Tatsache Gottes, das göttliche Gesetz, ist unveränderlich; die Wahrheit Gottes, seine Beziehung zum Universum, ist eine relative Offenbarung, die sich dem in ständiger Evolution begriffenen Universum ewig anpassen lässt. Diejenigen, die eine Religion ohne Gott erfinden möchten, sind wie jene, die ohne Bäume Früchte einsammeln oder ohne Eltern Kinder haben möchten. Man kann nicht Wirkungen ohne Ursachen haben; einzig das ICH BIN ist ohne Ursache. Die Tatsache religiöser Erfahrung schließt Gott ein, und solch ein persönlich erfahrener Gott muss eine persönliche Gottheit sein. Ihr könnt nicht zu einer chemischen Formel beten, eine mathematische Gleichung anflehen, eine Hypothese verehren, euch einem Postulat eröffnen, mit einem Prozess in Verbindung treten, einer Abstraktion dienen oder mit einem Gesetz liebevolle Kameradschaft pflegen. Es ist wahr, dass aus nichtreligiösen Wurzeln viele anscheinend religiöse Wesenszüge wachsen können. Der Mensch kann in seinem Intellekt Gott verneinen und trotzdem sittlich gut, treu, ein guter Sohn, ehrlich und gar idealistisch sein. Der Mensch kann seiner zugrunde liegenden geistigen Natur viele rein humanistische Zweige aufpfropfen und damit scheinbar seine Behauptungen über eine Religion ohne Gott beweisen, aber solch eine Erfahrung ist ohne Fortlebenswerte, ohne Kenntnis Gottes und ohne Aufstieg zu Gott. In einer solchen menschlichen Erfahrung erscheinen nur soziale, aber keine geistigen Früchte. Das Pfropfreis bestimmt die Natur der Frucht, obwohl die lebendige Nahrung aus den Wurzeln der ursprünglichen göttlichen Verstandes- und Geistesgaben bezogen wird. Die intellektuelle Erkennungsmarke der Religion ist Gewissheit; ihre philosophische Eigentümlichkeit ist Folgerichtigkeit; die sozialen Früchte sind Liebe und Dienen. Der Gott Kennende ist nicht jemand, der für Schwierigkeiten blind wäre oder Hindernisse nicht gewahren würde, die einem Finden Gottes angesichts des Irrgartens aus Aberglauben, Tradition und materialistischen Tendenzen der modernen Zeit im Wege stehen. Er ist all diesen Abschreckungsmitteln begegnet und hat über sie gesiegt, sie durch lebendigen Glauben überwunden und ihnen zum Trotz das Hochland geistiger Erfahrung betreten. Aber es ist wahr, dass viele, die Gottes in ihrem Inneren sicher sind, sich davor fürchten, solche Gefühle der Gewissheit laut auszusprechen wegen der Vielzahl und Gerissenheit jener, die Einwände gegen den Glauben an Gott zusammentragen und die damit verbundenen Schwierigkeiten aufbauschen. Es braucht keine große Tiefe des Intellekts, um Schwachpunkte aufzugreifen, Fragen zu stellen oder Einwände zu erheben. Hingegen bedarf es eines glänzenden Verstandes, um auf solche Fragen zu antworten und solche Schwierigkeiten zu lösen; Glaubensgewissheit ist die größte Technik, um mit all diesen oberflächlichen Anfechtungen zurechtzukommen. Sollten es Wissenschaft, Philosophie oder Soziologie wagen, im Kampf gegen die Propheten wahrer Religion dogmatisch zu werden, dann sollten die Gott kennenden Menschen auf einen solch ungerechtfertigten Dogmatismus mit diesem viel weitsichtigeren, aus der Sicherheit persönlicher geistiger Erfahrung geborenen Dogmatismus antworten: "Ich weiß, was ich erfahren habe, weil ich ein Sohn bin des ICH BIN." Sollte die persönliche Erfahrung eines Glaubenden durch Dogma angegriffen werden, dann kann dieser Glaubenssohn des erfahrbaren Vaters darauf mit diesem unanfechtbaren Dogma antworten, mit der Erklärung, dass er tatsächlich ein Sohn des Universalen Vaters ist. Nur eine eigenschaftslose Realität, ein Absolutes, dürfte es logischerweise wagen, dogmatisch zu sein. Wer den Anspruch erhebt, dogmatisch zu sein, wird, sofern er folgerichtig denkt, früher oder später in die Arme des Absoluten der Energie, der universalen Wahrheit und der unendlichen Liebe getrieben. Wenn nichtreligiöse Annäherungen an die kosmische Realität sich anmaßen, die Gewissheit des Glaubens anzufechten, weil man ihn nicht beweisen kann, dann kann jemand mit geistiger Erfahrung in derselben Art zur dogmatischen Anfechtung der Tatsachen der Wissenschaft und des von der Philosophie Geglaubten schreiten, weil sie ganz ebenso unbewiesen sind; sie sind genau gleich Erfahrungen im Bewusstsein des Wissenschaftlers oder Philosophen. Von allen Universumserfahrungen haben wir das Recht, Gottes am sichersten zu sein, dieser unumgänglichsten aller Gegenwarten, wirklichsten aller Tatsachen, lebendigsten aller Wahrheiten, dieses liebendsten aller Freunde und göttlichsten aller Werte. ***** 102.8 Die Beweise der Religion ***** Der stärkste Beweis für die Realität und Wirksamkeit der Religion liegt in der Tatsache der menschlichen Erfahrung, nämlich darin, dass der Mensch, von Natur aus furchtsam und argwöhnisch, mit einem angeborenen starken Selbsterhaltungstrieb ausgestattet und sich nach einem Fortleben nach dem Tode sehnend, gewillt ist, die wesentlichsten Interessen seiner Gegenwart und Zukunft der Obhut und Leitung jener Macht oder Person anzuvertrauen, die sein Glaube mit Gott bezeichnet. Das ist die zentrale Wahrheit aller Religion. Aber hinsichtlich dessen, was diese Macht oder Person vom Menschen im Gegenzug für seine Behütung und schließliche Errettung verlangt, sind sich nicht zwei Religionen einig; in der Tat sind sie alle mehr oder weniger verschiedener Meinung. Über die Stellung, die irgendeine Religion auf der evolutionären Skala einnimmt, kann am besten nach ihren sittlichen Anschauungen und ethischen Normen geurteilt werden. Je höherer Art irgendeine Religion ist, umso mehr ermutigt sie eine ständig steigende soziale Sittlichkeit und ethische Kultur und lässt sich von diesen ermutigen. Wir können eine Religion nicht nach dem Rang der sie begleitenden Zivilisation beurteilen; wir täten besser daran, auf das wahre Wesen einer Zivilisation nach der Reinheit und dem Adel ihrer Religion zu schließen. Viele der bemerkenswertesten religiösen Lehrer der Welt besaßen praktisch keine Bildung. Die Weisheit der Welt ist nicht nötig, um den rettenden Glauben an die ewigen Realitäten zu unterhalten. Die Unterschiede zwischen den Religionen verschiedener Zeitalter hängen allein von den Unterschieden im menschlichen Erfassen der Realität ab und von der unterschiedlichen Einstufung sittlicher Werte, ethischer Beziehungen und geistiger Realitäten. Die Ethik ist der ewige gesellschaftliche oder rassische Spiegel, der getreu den anderswie nicht erkennbaren Fortschritt innerer geistiger und religiöser Entwicklungen widerspiegelt. Der Mensch hat für seine Vorstellungen von Gott immer das Beste herangezogen, was er kannte, seine tiefsten Ideen und höchsten Ideale. Auch die historische Religion hat ihre Gottesvorstellungen immer ausgehend von ihren höchsten anerkannten Werten geschaffen. Jedes intelligente Geschöpf verwendet den Namen Gottes für das Beste und Höchste, was es kennt. Sich auf Vernunft und intellektuellen Ausdruck beschränkend, hat es Religion immer gewagt, an Zivilisation und evolutionärem Fortschritt im Lichte ihrer eigenen Normen ethischer Kultur und sittlichen Fortschritts Kritik zu üben. Während die persönliche Religion der Entwicklung menschlicher Sittlichkeit vorauseilt, ist es eine bedauerliche Tatsache, dass die institutionelle Religion ausnahmslos den sich langsam verändernden Sitten der menschlichen Rassen nachgehinkt ist. Organisierte Religion hat sich als konservativ träge erwiesen. Im Allgemeinen haben die Propheten das Volk zu religiöser Entwicklung geführt, während die Theologen es gewöhnlich zurückgehalten haben. Da Religion eine Angelegenheit innerer oder persönlicher Erfahrung ist, kann sie sich nie sehr weit über die intellektuelle Evolution der Rassen hinausentwickeln. Aber nie wird Religion durch einen Appell an das so genannte Wunderbare gehoben. Die Suche nach Wundern ist ein Rückfall in die primitiven Religionen der Magie. Wahre Religion hat nichts zu schaffen mit angeblichen Wundern, und nie verweist offenbarte Religion auf Wunder, um ihre Autorität zu beweisen. Immer und ewig wurzelt Religion in persönlicher Erfahrung und gründet auf ihr. Und eure höchste Religion, das Leben Jesu, war gerade solch eine persönliche Erfahrung: der Mensch, der sterbliche Mensch, der Gott sucht und ihn während eines einzigen kurzen Erdenlebens in Fülle findet, während in derselben menschlichen Erfahrung Gott erschien, der den Menschen suchte und ihn fand zur vollen Zufriedenheit der vollkommenen Seele der unendlichen Suprematie. Und das ist Religion, ja sogar die höchste bis dahin im Universum von Nebadon offenbarte Religion - das irdische Leben Jesu von Nazareth. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 103 Die Realität Religiöser Erfahrung ****** ALLE wahrhaft religiösen Reaktionen des Menschen werden durch das frühe Wirken des Hilfsgeistes der Anbetung gefördert und durch den Hilfsgeist der Weisheit zensiert. Des Menschen erste übermentale Begabung ist die Aufnahme seiner Persönlichkeit in den Kreislauf des Heiligen Geistes des Schöpferischen Geistes des Universums; und lange vor den Selbsthingaben der göttlichen Söhne oder der universalen Austeilung der Justierer arbeitet dieser Einfluss daran, die menschliche Auffassung von Ethik, Religion und Geistigkeit zu erweitern. Nach den Selbsthingaben der Paradies-Söhne leistet der freigesetzte Geist der Wahrheit mächtige Beiträge an die Vergrößerung der menschlichen Fähigkeit, religiöse Wahrheiten zu erkennen. Während die Evolution auf einer bewohnten Welt fortschreitet, nehmen die Gedankenjustierer immer stärkeren Anteil an der Entwicklung der höheren Arten von menschlicher religiöser Erkenntnis. Der Gedankenjustierer ist das kosmische Fenster, durch das der Glaube des endlichen Geschöpfes flüchtige Blicke auf die Gewissheit und Göttlichkeit grenzenloser Gottheit, auf den Universalen Vater, werfen kann. Die religiösen Neigungen sind den menschlichen Rassen angeboren; sie manifestieren sich ganz allgemein und haben ganz offensichtlich einen natürlichen Ursprung; die primitiven Religio-nen sind ihrer Entstehung nach immer evolutionär. Während die natürliche religiöse Erfahrung stetige Fortschritte macht, markieren periodische Wahrheitsoffenbarungen den im Übrigen gemächlichen Verlauf der planetarischen Evolution. Auf Urantia gibt es heute vier Arten von Religion: 1. Natürliche oder evolutionäre Religion. 2. Übernatürliche oder offenbarte Religion. 3. Praktische oder geläufige Religion, verschiedene Grade der Mischung natürlicher mit übernatürlicher Religion. 4. Philosophische Religionen, vom Menschen erdachte oder philosophisch ausgesonnene theologische Lehren und vom Verstand erschaffene Religionen. ***** 103.1 Philosophie der Religion ***** Die Einheit religiöser Erfahrung einer sozialen oder rassischen Gruppe ist auf die identische Natur des dem Einzelnen innewohnenden Gottesfragmentes zurückzuführen. Es ist dieses Göttliche im Menschen, was sein selbstloses Interesse am Wohlergehen anderer Menschen entstehen lässt. Aber da die Persönlichkeit einmalig ist - keine zwei Sterbliche sind sich gleich - folgt daraus zwangsläufig, dass keine zwei menschlichen Wesen die Weisungen und Impulse des in ihrem Verstand wohnenden göttlichen Geistes gleich interpretieren werden. Eine Gruppe von Sterblichen kann eine geistige Einheit erfahren, aber nie zu philosophischer Uniformität gelangen. Und diese Verschiedenheit der Deutung religiösen Denkens und Erfahrens zeigt sich in der Tatsache, dass die Theologen und Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts über fünfhundert verschiedene Definitionen der Religion formuliert haben. In Wirklichkeit definiert jedes sterbliche Wesen die Religion im Lichte seiner eigenen erfahrunsmässigen Interpretation der göttlichen Impulse, die von dem ihm innewohnenden Geist Gottes ausgehen, und deshalb muss eine solche Interpretation einmalig sein und völlig verschieden von der religiösen Philosophie aller anderen menschlichen Wesen. Wenn ein Sterblicher mit der religiösen Philosophie eines anderen Sterblichen voll übereinstimmt, zeigt dieses Phänomen, dass diese beiden Wesen in den Dingen, auf die sich ihre gleichartige philosophische religiöse Interpretation bezieht, eine gleiche religiöse Erfahrung gehabt haben. Zwar ist eure Religion eine Sache persönlicher Erfahrung, aber es ist äußerst wichtig, dass ihr mit einer großen Zahl anderer religiöser Erfahrungen (den verschiedenen Interpretationen anderer Sterblicher) bekannt werdet, um euer religiöses Leben davor zu bewahren, egozentrisch zu werden - eng, eigensüchtig und asozial. Der Rationalismus geht in seiner Annahme fehl, die Religion sei zu Beginn ein primitiver Glaube an etwas, dem sich dann die Verfolgung von Werten anschließe. Religion ist zuallererst eine Verfolgung von Werten, und erst danach formuliert sie ein System interpretierender Glaubensvorstellungen. Es fällt den Menschen viel leichter, über religiöse Werte - Ziele - einer Meinung zu sein als über Glaubensvorstellungen - Interpretationen. Und das erklärt, weshalb Religion sich in Werten und Zielen einig sein kann, während sie das verwirrende Schauspiel bietet, an Hunderte von sich bekämpfenden Vorstellungen - Kredos - zu glauben. Und das erklärt auch, weshalb eine gegebene Person an ihrer religiösen Erfahrung festhalten kann, obwohl sie viele ihrer religiösen Überzeugungen aufgibt oder ändert. Die Religion hält sich trotz revolutionärer Wandlungen der religiösen Vorstellungen. Theologie erzeugt keine Religion; es ist die Religion, die die theologische Philosophie hervorbringt. Dass gläubige Menschen an so viel Falsches geglaubt haben, mindert die Religion nicht herab, weil Religion auf der Anerkennung von Werten beruht und ihre Gültigkeit aus dem Glauben persönlicher religiöser Erfahrung bezieht. Religion ruht also auf dem Fundament von Erfahrung und religiösem Denken; Theologie, die Philosophie der Religion, ist ein ehrlicher Versuch, diese Erfahrung zu deuten. Solch interpretierende Glaubensvorstellungen können wahr oder falsch oder eine Mischung aus Wahrheit und Irrtum sein. Das Innewerden, geistige Werte anzuerkennen, ist eine Erfahrung, die oberhalb der ideellen Ebene liegt. Es gibt in keiner einzigen menschlichen Sprache ein Wort, das gebraucht werden könnte zur Bezeichnung dieses "Sinnes", "Gefühls", dieser "Intuition" oder "Erfahrung", für die wir den Ausdruck Gottesbewusstsein gewählt haben. Der Geist Gottes, der im Menschen wohnt, ist nicht persönlich - der Justierer ist vorpersönlich - aber dieser Mentor stellt einen Wert dar, verströmt einen Duft von Göttlichkeit, der in einem höchsten und unendlichen Sinne persönlich ist. Wenn Gott nicht zumindest persönlich wäre, könnte er nicht bewusst sein, und wäre er nicht bewusst, dann wäre er weniger als menschlich. ***** 103.2 Die Religion und der Einzelne ***** Schon bevor die Religion in das menschliche Bewusstsein eintritt, wirkt sie im menschlichen Verstand und ist als Erfahrung verwirklicht worden. Ein Kind hat bereits etwa neun Monate lang existiert, bevor es die Erfahrung der Geburt macht. Aber die "Geburt" der Religion ist nichts Plötzliches; es handelt sich vielmehr um ein allmähliches Erwachen. Trotzdem gibt es früher oder später einen "Tag der Geburt". Man findet keinen Eintritt ins Königreich des Himmels, außer man sei "wiedergeboren" - aus dem Geiste geboren. Viele geistige Geburten sind von großer geistiger Angst und ausgeprägten psychologischen Störungen begleitet, gerade so wie viele physische Geburten durch "starke Wehen" und andere Anomalien der "Entbindung" gekennzeichnet werden. Andere geistige Geburten sind ein natürliches und normales Wachstum des Erkennens höchster Werte, einhergehend mit einer verstärkten geistigen Erfahrung, obwohl keine religiöse Entwicklung ohne bewusste Anstrengung und eindeutige individuelle Entscheidungen vor sich geht. Religion ist nie eine passive Erfahrung, eine negative Haltung. Was man die "Geburt der Religion" nennt, ist nicht direkt mit den so genannten Bekehrungserfahrungen verbunden, die im Allgemeinen religiöse Episoden charakterisieren, welche sich im späteren Leben infolge von mentalen Konflikten, emotionalen Verdrängungen und Gemütserschütterungen einstellen. Aber all jene, die von ihren Eltern so erzogen wurden, dass sie im Bewusstsein aufwuchsen, die Kinder eines liebenden himmlischen Vaters zu sein, sollten jene Mitmenschen nicht scheel ansehen, die nur durch eine psychologische Krise, einen Gefühlsaufruhr zu einem solchen Bewusstsein der Kameradschaft mit Gott gelangen konnten. Der evolutionäre Boden des menschlichen Gemütes, in dem der Samen offenbarter Religion keimt, ist die sittliche Natur, die schon so früh ein soziales Bewusstsein entstehen lässt. Die ersten Eingebungen der sittlichen Natur eines Kindes haben nichts mit Geschlecht, Schuld oder persönlichem Stolz zu tun, sondern sind Regungen der Gerechtigkeit und Fairness, der Drang, Liebes zu tun, seinen Mitmenschen zu helfen. Und wenn solch ein frühes sittliches Erwachen unterstützt wird, findet eine allmähliche Entwicklung des religiösen Lebens statt, das von Konflikten, Erschütterungen und Krisen vergleichsweise frei ist. Jedes menschliche Wesen erlebt schon sehr früh so etwas wie einen Konflikt zwischen seinen selbstsüchtigen und seinen altruistischen Regungen, und viele Male gelangt man zur ersten Erfahrung von Gottesbewusstsein, nachdem man zur Lösung solch sittlicher Konflikte übermenschliche Hilfe gesucht hat. Die Psychologie eines Kindes ist von Natur aus positiv und nicht negativ. So viele Sterbliche sind negativ, weil man sie so erzogen hat. Wenn wir sagen, dass das Kind positiv ist, beziehen wir uns auf seine sittlichen Impulse, jene mentalen Kräfte, deren Erwachen die Ankunft des Gedankenjustierers verrät. In Abwesenheit falscher Unterweisung bewegt sich der Verstand eines normalen Kindes, dessen religiöses Bewusstsein erwacht, eher positiv auf sittliche Rechtschaffenheit und sozialen Dienst hin als negativ von Sünde und Schuld weg. Die Entwicklung der religiösen Erfahrung kann mit oder ohne Konflikt erfolgen, aber nie können Entscheidungen, Anstrengungen und Funktionieren des menschlichen Willens umgangen werden. Sittliche Entscheidungen sind gewöhnlich mehr oder weniger von sittlichen Konflikten begleitet. Und der allererste Konflikt im kindlichen Verstand entsteht zwischen dem Drängen des Egoismus und den Regungen des Altruismus. Der Gedankenjustierer übersieht den Wert des egoistischen Motivs für die Persönlichkeit nicht, aber er arbeitet im Sinne einer leichten Bevorzugung des altrui-stischen Impulses, der zum Ziel menschlichen Glücks und zu den Freuden des Himmelreichs führt. Wenn sich ein sittliches Wesen, das den Drang zu egoistischem Handeln verspürt, zu selbstlosem Handeln entschließt, ist das eine primitive religiöse Erfahrung. Kein Tier kann eine solche Wahl treffen; solch eine Entscheidung ist sowohl menschlich als auch religiös. Sie schließt die Tatsache des Gottesbewusstseins ein und lässt den Impuls zu sozialem Dienen, der Grundlage menschlicher Brüderlichkeit, erkennen. Wenn sich der Verstand in einem freien Willensakt für ein echt sittliches Urteil entscheidet, ist solch eine Entscheidung eine religiöse Erfahrung. Aber bevor sich ein Kind genügend entwickelt hat, um sittliche Fähigkeiten zu erwerben und deshalb den altruistischen Dienst wählen zu können, hat es bereits eine starke, gut geeinte egoistische Natur entwickelt. Und die Tatsache dieser Situation lässt die Theorie vom Kampf zwischen der "höheren" und der "niedrigeren" Natur entstehen, zwischen dem "alten sündigen Menschen" und der "neuen Natur" der Gnade. Sehr früh im Leben beginnt das normale Kind zu lernen, dass es "gesegneter ist zu geben, als zu nehmen". Der Mensch neigt dazu, den Trieb, sich selbst zu dienen, mit seinem Ich - mit sich selber - zu identifizieren. Im Gegensatz dazu identifiziert er den Willen, altruistisch zu sein, eher mit einem von außen kommenden Einfluss - mit Gott. Und in der Tat hat er mit seinem Urteil recht, denn alle derartigen selbstlosen Wünsche entspringen wirklich den Weisungen des innewohnenden Gedankenjustierers, und dieser Justierer ist ein Fragment Gottes. Der Impuls des geistigen Mentors wird im menschlichen Bewusstsein als das Verlangen wahrgenommen, altruistisch, auf das Wohl seiner Mitgeschöpfe bedacht zu sein. Wenigstens ist dies die frühe, grundlegende Erfahrung des kindlichen Gemütes. Wenn dem heranwachsenden Kind die Einigung der Persönlichkeit misslingt, kann der altruistische Hang derart überentwickelt werden, dass er dem Wohl des Selbst ernsten Schaden zufügt. Ein fehlgeleitetes Bewusstsein kann für manchen Konflikt, für viel Sorgen und Leid und menschliches Unglück ohne Ende verantwortlich werden. ***** 103.3 Religion und die menschliche Rasse ***** Obwohl der Glaube an Geister und Träume und manch anderer Aberglaube bei der evolutio-nären Entstehung der primitiven Religion alle eine Rolle gespielt haben, solltet ihr den Einfluss des im Klan oder Stamm herrschenden Solidaritätsgeistes nicht übersehen. In der Gruppenbeziehung lag genau jene gesellschaftliche Situation vor, die geeignet war, in der sittlichen Natur des frühen menschlichen Gemütes den Konflikt zwischen Egoismus und Altruismus auszulösen. Trotz ihres Glaubens an Geister konzentriert sich die Religion der primitiven Australier immer noch auf den Klan. Mit der Zeit neigen solche religiösen Vorstellungen dazu, sich zuerst als Tiere und später als Übermenschen oder als Gott zu personifizieren. Sogar so tiefstehende Rassen wie die afrikanischen Buschmänner, die noch nicht einmal den Totemglauben erreicht haben, nehmen sehr wohl den Unterschied zwischen Eigeninteresse und Gruppeninteresse wahr, trennen auf primitive Weise weltliche und geheiligte Werte. Aber die gesellschaftliche Gruppe ist nicht die Quelle religiöser Erfahrung. Ungeachtet des Einflusses all dieser primitiven Beiträge an die frühe Religion des Menschen bleibt die Tatsache bestehen, dass der wahre religiöse Impuls seinen Ursprung in echten Geistpräsenzen hat, die den Willen zur Selbstlosigkeit aktivieren. Die spätere Religion kündigt sich bereits im primitiven Glauben an die Wunder und Mysterien der Natur, an das unpersönliche Mana, an. Aber früher oder später verlangt die sich entwickelnde Religion, dass der Einzelne zum Besten der sozialen Gruppe irgendein persönliches Opfer bringe, dass er etwas tue, um andere Menschen glücklicher und besser zu machen. Letzten Endes ist Religion bestimmt, zum Dienst an Gott und den Menschen zu werden. Die Religion ist dazu ausersehen, des Menschen Umfeld zu verändern, aber ein großer Teil der Religion, die man heute unter den Sterblichen findet, steht einer solchen Aufgabe hilflos gegenüber. Nur allzu oft hat das Umfeld die Religion beherrscht. Erinnert euch daran, dass in der Religion aller Zeitalter die alles überragende Erfahrung das Fühlen sittlicher Werte und sozialer Bedeutungen ist und nicht das Denken über theologische Dogmen und philosophische Theorien. Die Religion entwickelt sich günstig, wenn das magische Element immer mehr durch sittliche Vorstellungen ersetzt wird. Der Mensch entwickelte sich durch die abergläubischen Vorstellungen von Mana, Magie, Naturanbetung, Geisterfurcht und Tierverehrung und gab ihnen in vielgestaltigem Zeremoniell Ausdruck, wobei die religiöse Haltung des Einzelnen zur Gruppenreaktion des Klans wurde. Und dann verdichteten sich diese Zeremonien und kristallisierten zu Stammesglauben, und endlich personifizierten sich diese Ängste und Glaubensvorstellungen in Göttern. Aber in dieser ganzen religiösen Evolution war das sittliche Element nie ganz abwesend. Der Impuls des Gottes im Menschen war immer stark. Und diese beiden mächtigen Einflüsse - der eine menschlich und der andere göttlich - sicherten das Überleben der Religion durch alle Wechselfälle der Zeitalter, obwohl tausend umstürzlerische Tendenzen und feindliche Widerstände sie so oft mit Auslöschung bedrohten. ***** 103.4 Geistige Verbindung ***** Der charakteristische Unterschied zwischen einem gesellschaftlichen Ereignis und einer religiösen Versammlung besteht darin, dass die religiöse im Kontrast zur weltlichen Veranstaltung von einer Atmosphäre geistiger Verbundenheit durchdrungen ist. Auf diese Weise erzeugt ein menschlicher Zusammenschluss ein Gefühl der Verbindung mit dem Göttlichen, und das ist der Beginn der Anbetung in der Gruppe. Die Teilnahme an einem gemeinsamen Mahl war die früheste Art sozialer Verbindung mit Gott, und so sorgten die frühen Religionen dafür, dass ein Teil des zeremoniellen Opfers von den zur Anbetung Versammelten verspiesen wurde. Selbst im Christentum behält des Herrn Abendmahl diese Art der Verbindung bei. Die Atmosphäre des gemeinsamen Teilens gewährt eine erfrischende und stärkende Atempause im Konflikt des sich selbst suchenden Ego mit dem altruistischen Drängen des innewohnenden geistigen Mentors. Und das ist das Vorspiel zu wahrer Anbetung - der Praxis, sich der Gegenwart Gottes stets bewusst zu sein - die zum Erwachen der Bruderschaft unter den Menschen führt. Wenn der primitive Mensch spürte, dass seine Verbindung mit Gott unterbrochen worden war, nahm er im Bemühen, Sühne zu leisten und wieder freundliche Beziehungen herzustellen, zu irgendeinem Opfer Zuflucht. Hunger und Durst nach Rechtschaffenheit führen zu der Entdeckung von Wahrheit, und Wahrheit steigert die Ideale; aber das schafft für den einzelnen Gläubigen neue Probleme, da unsere Ideale dazu neigen, in geometrischer Reihe zu wachsen, während unsere Fähigkeit, ihnen nachzuleben, nur in arithmetischer Reihe zunimmt. Schuldgefühl (nicht das Bewusstsein von Sünde) kommt entweder von unterbrochener geistiger Verbindung oder einer Herabwürdigung der eigenen sittlichen Ideale. Befreiung aus einer solch misslichen Lage kann nur die Erkenntnis bringen, dass unsere höchsten sittlichen Ideale nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit dem Willen Gottes sind. Der Mensch kann nicht hoffen, auf der Höhe seiner erhabensten Ideale zu leben, aber er kann seinem Vorsatz treu bleiben, Gott zu finden und ihm immer mehr zu gleichen. Jesus fegte alles Opfer- und Sühnezeremoniell hinweg. Er zerstörte die Grundlage all dieser fiktiven Gefühle der Schuld und des Alleinseins im Universum durch seine Erklärung, dass der Mensch ein Kind Gottes ist; dadurch wurde die Geschöpf-Schöpfer-Beziehung auf das Kind-Eltern-Fundament gestellt. Gott wird für seine sterblichen Söhne und Töchter zu einem liebenden Vater. Alles Zeremonielle, das nicht ein berechtigter Teil dieser innigen Familienbeziehung ist, wurde für immer abgeschafft. Gott der Vater handelt gegenüber dem Menschen, seinem Kind, nicht aufgrund von dessen tatsächlicher Tugend und tatsächlichem Wert, sondern in Anerkennung der Motivation des Kindes - des Ziels und der Absicht des Geschöpfes. Die Beziehung ist ein Eltern-Kind-Verhältnis und wird durch göttliche Liebe genährt. ***** 103.5 Der Ursprung der Ideale ***** Im frühen evolutionären Verstand entsteht ein Gefühl für soziale Pflicht und sittliche Obliegenheiten, das hauptsächlich emotionaler Furcht entstammt. Der positivere Drang zu sozialem Dienst und altruistischer Idealismus entstammen direkt dem Impuls des dem menschlichen Verstand innewohnenden göttlichen Geistes. Das Idee-Ideal, anderen Gutes zu tun - der Impuls, seinem Nächsten zuliebe seinem Ego etwas zu versagen - hält sich am Anfang in sehr engen Grenzen. Der primitive Mensch betrachtet als seine Nächsten nur die ihm sehr nahe Stehenden und freundlich Gesinnten; mit dem Fortschritt der religiösen Zivilisation erweitert sich die Vorstellung vom Nächsten und schließt den Klan, den Stamm und die Nation ein. Und dann dehnte Jesus ihren Gültigkeitsbereich auf die ganze Menschheit aus, dermaßen, dass wir sogar unsere Feinde lieben sollen. Und im Inneren jedes normalen Menschenwesens gibt es etwas, das ihm sagt, dass diese Lehre sittlich - richtig - ist. Selbst diejenigen, die diesem Ideal am wenigsten nachleben, lassen gelten, dass es theoretisch richtig ist. Alle Menschen anerkennen die Sittlichkeit dieses universellen menschlichen Dranges nach Selbstlosigkeit und Altruismus. Der Humanist schreibt den Ursprung dieses Triebes dem natürlichen Arbeiten des materiellen Verstandes zu; der Gläubige erkennt richtiger, dass der wahrhaft selbstlose Elan des menschlichen Verstandes eine Antwort auf die innere geistige Führung des Gedankenjustierers ist. Aber die menschliche Interpretation dieser frühen Konflikte zwischen Ego-Willen und anders-als-eigensüchtigem Willen ist nicht immer zuverlässig. Nur eine schon recht gut geeinte Persönlichkeit kann Schiedsrichter sein im vielgestaltigen Widerstreit der Ego-Sehnsüchte mit dem knospenden sozialen Bewusstsein. Unser Selbst hat seine Rechte so gut wie das Selbst unseres Nächsten. Weder das eine noch das andere kann einen ausschließlichen Anspruch auf die Aufmerksamkeit oder den Dienst des Einzelnen erheben. Das Unvermögen, dieses Problem zu lösen, lässt den frühesten Typ menschlicher Schuldgefühle entstehen. Menschliches Glück wird nur erreicht, wenn der Ego-Wunsch des Selbst und das altruistische Drängen des höheren Selbst (des göttlichen Geistes) durch den geeinten Willen der integrierenden und überwachenden Persönlichkeit miteinander koordiniert und versöhnt werden. Der Verstand des evolutionären Menschen sieht sich ständig mit dem verwickelten Problem konfrontiert, zu entscheiden im Streit zwischen der natürlichen Expansion emotionaler Impulse und dem sittlichen Wachstum selbstloser Regungen, die auf geistiger Schau gründen - auf echtem religiösem Nachdenken. Der Versuch, dem eigenen Ich und der größtmöglichen Zahl anderer Ichs gleicherweise Wohltaten zu verschaffen, ist ein Problem, das in einem zeitlich-räumlichen Rahmen nicht immer zufrieden stellend gelöst werden kann. Das ewige Leben erlaubt, solche Antagonismen zu verarbeiten, aber in einem einzigen kurzen Menschenleben können sie unmöglich eine Lösung finden. Jesus spielte auf dieses Paradox an, als er sagte: "Wer immer sein Leben rettet, wird es verlieren, aber wer immer sein Leben um des Himmelreichs willen verliert, wird es finden." Die Verfolgung des Ideals - das Streben nach Gottähnlichkeit - ist eine ständige Anstrengung, vor dem Tode und danach. Das Leben nach dem Tode unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von der irdischen Existenz. Alles Gute, das wir in diesem Leben tun, trägt direkt zu einer Bereicherung des künftigen Lebens bei. Wirkliche Religion fördert nicht sittliche Indolenz und geistige Trägheit, indem sie die leere Hoffnung unterhält, das Durchschreiten der Pforte des natürlichen Todes genüge, um mit allen Tugenden eines edlen Charakters beschenkt zu werden. Wahre Religion verringert keineswegs die menschlichen Bemühungen um Fortschritt während der irdischen Lebensfrist. Jeder Gewinn des Sterblichen trägt direkt zur Bereicherung der ersten Stadien der Fortlebenserfahrung als Unsterblicher bei. Es ist für den Idealismus des Menschen todbringend, wenn man ihn lehrt, dass all seine altrui-stischen Regungen nichts anderes seien als die Weiterentwicklung seines natürlichen Herdeninstinkts. Hingegen fühlt er sich geadelt und mächtig angeregt, wenn er erfährt, dass dieses höhere Drängen seiner Seele von den geistigen Kräften ausgeht, die seinen sterblichen Verstand bewohnen. Es trägt den Menschen aus sich und weit über sich hinaus, wenn ihm einmal voll zum Bewusstsein kommt, dass in ihm etwas lebt und kämpft, das ewig und göttlich ist. Und so kommt es, dass ein lebendiger Glaube an den übermenschlichen Ursprung unserer Ideale unsere Vorstellung, dass wir die Söhne Gottes sind, bestätigt und unsere altruistischen Überzeugungen, die Gefühle menschlicher Brüderlichkeit, wirklich werden lässt. In seinem geistigen Bereich besitzt der Mensch tatsächlich einen freien Willen. Der sterbliche Mensch ist weder ein hilfloser Sklave der unnachgiebigen Souveränität eines allmächtigen Gottes noch das Opfer der hoffnungslosen Fatalität eines mechanistischen kosmischen Determinismus. Der Mensch ist im wahrhaftigsten Sinne der Architekt seiner eigenen ewigen Bestimmung. Aber man kann den Menschen nicht durch Ausübung von Druck retten oder veredeln. Geistiges Wachstum kommt aus dem Inneren der sich entwickelnden Seele. Druck deformiert unter Umständen die Persönlichkeit, aber regt nie das Wachstum an. Auch erzieherischer Druck ist nur im negativen Sinne hilfreich, indem er zu einer Verhütung katastrophaler Erfahrungen beitragen kann. Geistiges Wachstum ist dann am stärksten, wenn ein Mindestmaß an allem äußeren Druck vorhanden ist. "Wo des Herrn Geist herrscht, da ist Freiheit." Der Mensch entwickelt sich dann am besten, wenn der Druck von Heim, Gemeinschaft, Kirche und Staat am geringsten ist. Aber das darf nicht so aufgefasst werden, als gäbe es in einer fortschrittlichen Gesellschaft keinen Platz für Heim, soziale Institutionen, Kirche und Staat. Wenn ein Mitglied einer gesellschaftlichen religiösen Gruppe einmal den Anforderungen dieser Gruppe nachgekommen ist, sollte er ermutigt werden, sich im Religiösen völlig frei zu fühlen, seine eigene persönliche Interpretation der in den religiösen Glaubensvorstellungen und in den Tatsachen der religiösen Erfahrung enthaltenen Wahrheiten auszudrücken. Die Sicherheit einer religiösen Gruppe hängt von ihrer geistigen Einheit ab und nicht von einheitlicher theologischer Ausrichtung. Eine religiöse Gruppe sollte fähig sein, sich der Unabhängigkeit freien Denkens zu erfreuen, ohne dass ihre Mitglieder gleich zu "Freidenkern" werden. Es besteht große Hoffnung für jede Kirche, die den lebendigen Gott anbetet, die Brüderlichkeit unter den Menschen bejaht und es wagt, von ihren Mitgliedern jeden kredohaften Druck fernzuhalten. ***** 103.6 Philosophische Koordination ***** Die Theologie ist das Studium der Aktionen und Reaktionen des menschlichen Geistes; sie kann nie eine Wissenschaft werden, da sie immer mehr oder weniger in ihrem persönlichen Ausdruck mit Psychologie und in ihrer systematischen Darstellung mit Philosophie kombiniert werden muss. Theologie ist immer das Studium eurer eigenen Religion; das Studium der Religion eines anderen ist Psychologie. Wenn der Mensch von außen her an das Studium und die Beobachtung seines Universums geht, ruft er die verschiedenen physischen Wissenschaften ins Dasein; wenn er sich an die Erforschung seiner selbst und des Universums von innen her macht, lässt er Theologie und Metaphysik entstehen. Die spätere Kunst der Philosophie entwickelt sich im Bemühen um eine Harmonisierung der vielen Ungereimtheiten, die sich am Anfang zwangsläufig zwischen den Erkenntnissen und Lehren dieser beiden diametral entgegengesetzten Herangehensweisen an das Universum von Dingen und Wesen einstellen. Die Religion betrifft nur den geistigen Gesichtspunkt, das Gewahren der Inwendigkeit der menschlichen Erfahrung. Die geistige Natur des Menschen verschafft ihm die Möglichkeit, das Universum von außen nach innen zu kehren. Es ist deshalb wahr, dass, ausschließlich von der Inwendigkeit persönlicher Erfahrung her betrachtet, die ganze Schöpfung ihrer Natur nach geistig zu sein scheint. Wenn der Mensch dank seiner Ausstattung mit materiellen physischen Sinnen und der damit gekoppelten intelligenten Wahrnehmung das Universum analytisch untersucht, scheint der Kosmos mechanisch und energetisch-materiell zu sein. Diese Technik, die Realität zu studieren, besteht darin, das Universum von innen nach außen zu kehren. Ein logisches und zusammenhängendes philosophisches Universumskonzept kann weder auf den Grundvoraussetzungen des Materialismus noch auf denjenigen des Spiritualismus aufgebaut werden, weil jedes dieser Denksysteme, wenn universell angewendet, zwangsläufig einen verzerrten Kosmos erblickt: Der Materialismus steht mit einem von innen nach außen gewendeten Universum in Kontakt, während der Spiritualismus die Natur eines von außen nach innen gewendeten Universums wahrnimmt. Deshalb können weder Wissenschaft noch Religion, in sich und von sich aus, allein, ohne Anleitung durch menschliche Philosophie und ohne Erleuchtung durch göttliche Offenbarung, je hoffen, zu einem angemessenen Verständnis universaler Wahrheiten und Beziehungen zu gelangen. Immer muss der innere Geist des Menschen für seinen Ausdruck und seine Selbstverwirklichung vom Mechanismus und von der Technik des Verstandes abhängen. Ebenso muss sich die menschliche Erfahrung der äußeren materiellen Realität auf das verstehende Bewusstsein der erfahrenden Person gründen. Deshalb steht sowohl geistige wie materielle, innere wie äußere menschliche Erfahrung stets mit der Verstandesfunktion in Beziehung und wird, um ins Bewusstsein zu treten, durch die Verstandestätigkeit bedingt. Der Mensch erfährt die Materie in seinem Verstand; er erfährt die geistige Realität in der Seele, wird sich aber dieser Erfahrung durch seinen Verstand bewusst. Der Intellekt ist der stets gegenwärtige Harmonisierer, der die Totalität der menschlichen Erfahrung bedingt und wertet. Sowohl die dem Energiebereich angehörenden Dinge als auch die geistigen Werte werden bei ihrer Interpretation durch die mentalen Werkzeuge des Bewusstseins in bestimmter Weise gefärbt. Eure Schwierigkeit, zu einer harmonischeren Koordination von Wissenschaft und Religion zu finden, kommt von eurer völligen Unkenntnis des Zwischenreichs der morontiellen Welt von Dingen und Wesen. Das Lokaluniversum besteht aus drei Stufen oder Stadien oder Erscheinungsformen der Realität: aus Materie, Morontia und Geist. Der morontielle Blickwinkel bringt alle Diskrepanzen zwischen den Befunden der physischen Wissenschaften und dem Funktionieren des Geistes der Religion zum Verschwinden. Vernunft ist die Technik der Wissenschaften, um zu verstehen; Glaube ist die Technik der Religion, um zu erkennen; Mota ist die Technik der morontiellen Ebene. Die Mota ist eine übermaterielle Sensibilität auf die Realität, die damit beginnt, unvollständiges Wachstum zu kompensieren, und deren Substanz Wissen-Vernunft und deren Wesen Glaube-Erkenntnis ist. Die Mota ist eine überphilosophische Aussöhnung divergierender Wahrnehmungen der Realität, zu der materielle Persönlichkeiten nicht gelangen können; zum Teil gründet sie auf der Erfahrung, nach dem materiellen irdischen Leben fortgelebt zu haben. Aber viele Sterbliche haben die Wünschbarkeit einer Methode erkannt, um die weit auseinanderklaffenden Bereiche von Wissenschaft und Religion miteinander zu versöhnen; und Metaphysik ist das Resultat des fruchtlosen menschlichen Versuchs, diesen sehr wohl erkannten Abgrund zu überbrücken. Aber menschliche Metaphysik hat sich mehr als verwirrend denn als erhellend erwiesen. Die Metaphysik steht für das gut gemeinte, aber aussichtslose menschliche Bemühen um eine Kompensation für die abwesende morontielle Mota. Metaphysik hat sich als ein Fehlschlag herausgestellt, andererseits vermag der Mensch die Mota nicht wahrzunehmen. Offenbarung ist die einzige Technik, die in einer materiellen Welt für die Abwesenheit der Wahrheitssensibilität der Mota aufkommen kann. Mit Autorität bringt Offenbarung auf einer evolutionären Sphäre Klarheit in die Verworrenheit der vom Verstand entwickelten Metaphysik. Wissenschaft ist der Versuch des Menschen, sein physisches Umfeld, die Welt aus Energie-Materie, zu studieren; Religion ist die Erfahrung des Menschen mit dem Kosmos geistiger Werte; Philosophie entwickelte sich aus dem Bemühen des menschlichen Verstandes, die Erkenntnisse dieser weit auseinander liegenden Vorstellungswelten in einer Art vernünftiger und geeinter Haltung gegenüber dem Kosmos zu organisieren und korrelieren. Die durch Offenbarung geklärte Philosophie funktioniert auf zufrieden stellende Weise in Abwesenheit der Mota und angesichts des Versagens und Scheiterns des menschlichen Verstandesersatzes für die Mota - der Metaphysik. Der frühe Mensch machte keinen Unterschied zwischen der Energieebene und der Geistesebene. Die violette Rasse und ihre Anditischen Nachfolger versuchten als erste, das Mathematische vom Willensmäßigen zu trennen. Immer mehr ist der zivilisierte Mensch in die Fußstapfen der frühesten Griechen und der Sumerer getreten, die zwischen Unbelebtem und Belebtem unterschieden. Und mit fortschreitender Zivilisation wird die Philosophie immer breiter werdende Klüfte zwischen geistigem und energetischem Konzept zu überbrücken haben. Aber in der Zeit des Raums sind diese Divergenzen eins im Supremen. Wissenschaft muss sich immer auf die Vernunft stützen, obwohl Einbildungskraft und Spekulation ihre Grenzen erweitern helfen. Religion wird immer vom Glauben abhängig sein, obwohl die Vernunft auf diesen einen stabilisierenden Einfluss ausübt und eine nützliche Gehilfin ist. Und immer hat es irreführende Interpretationen der Phänomene der natürlichen und der geistigen Welten gegeben, die man fälschlicherweise Wissenschaft und Religion genannt hat, und es wird sie immer geben. Ausgehend von seinem unvollständigen Erfassen der Wissenschaft, seiner schwachen Abstützung auf die Religion und seinen missglückten metaphysischen Versuchen, hat der Mensch sich an die Konstruktion seiner philosophischen Formulierungen gemacht. Tatsächlich könnte der moderne Mensch eine achtbare und ansprechende Philosophie von sich und seinem Universum bauen, hinderte ihn daran nicht die Unterbrechung der über alles wichtigen und unerlässlichen metaphysischen Verbindung zwischen den Welten von Materie und Geist, das Unvermögen der Metaphysik, den morontiellen Abgrund zwischen Physischem und Geistigem zu überbrücken. Dem sterblichen Menschen fehlt die Vorstellung von morontieller Intelligenz und Materie; und um diesem vorstellungsmäßigen Mangel abzuhelfen, ist Offenbarung die einzige Technik, deren der Mensch dringend bedarf, um eine logische Philosophie des Universums aufzubauen und zu einem befriedigenden Verständnis seines sicheren und festen Platzes in ebendiesem Universum zu kommen. Offenbarung ist die einzige Hoffnung des evolutionären Menschen, die morontielle Kluft zu überwinden. Ohne Hilfe der Mota können Glaube und Verstand kein logisches Universum konzipieren und konstruieren. Ohne die Schau der Mota kann der sterbliche Mensch in den Phänomenen der materiellen Welt keine Güte, Liebe und Wahrheit entdecken. Wenn menschliche Philosophie stark der Welt der Materie zuneigt, wird sie rationalistisch oder naturalistisch. Wenn Philosophie sich vornehmlich der geistigen Ebene zuwendet, wird sie idealistisch oder gar mystisch. Wenn Philosophie das Unglück hat, sich auf Metaphysik abzustützen, wird sie ausnahmslos skeptisch, konfus. In den vergangenen Zeitaltern sind die allermeisten Erkenntnisse und intellektuellen Beurteilungen des Menschen einer dieser drei Verzerrungen der Wahrnehmung zum Opfer gefallen. Die Philosophie darf sich nicht anmaßen, die Realität in der linearen Art der Logik zu interpretieren; sie darf es nie unterlassen, mit der ellyptischen Symmetrie der Realität und mit der wesenhaften Krümmung aller Konzepte von Beziehungen zu rechnen. Die höchste Philosophie, die der sterbliche Mensch erreichen kann, muss sich in logischer Weise abstützen auf die Vernunft der Wissenschaft, auf den Glauben der Religion und auf den durch Offenbarung gewährten Einblick in die Wahrheit. Durch eine solche Einheit kann der Mensch einigermaßen seine Unfähigkeit wettmachen, eine angemessene Metaphysik zu entwickeln, sowie sein Unvermögen, die morontielle Mota zu verstehen. ***** 103.7 Wissenschaft und Religion ***** Die Wissenschaft wird von der Vernunft getragen, die Religion vom Glauben. Obwohl Glaube nicht auf Vernunft beruht, ist er doch vernünftig; obwohl von Logik unabhängig, wird er doch durch gesunde Logik ermutigt. Glaube kann nicht einmal von einer idealen Philosophie genährt werden; indessen ist gerade er zusammen mit der Wissenschaft die Quelle einer solchen Philosophie. Der Glaube, die menschliche religiöse Schau, kann mit Sicherheit nur durch Offenbarung unterwiesen werden, kann mit Sicherheit nur durch persönliche Erfahrung wachsen, die der Sterbliche mit dem geistigen Justierer macht, mit der Gegenwart des Gottes, der Geist ist. Wahre Errettung ist die Technik der göttlichen Entwicklung des menschlichen Verstandes von der Identifizierung mit der Materie über die Reiche morontieller Bindung bis zum hohen Universumsstatus geistiger Wechselbeziehung. Und so wie in der irdischen Evolution der materielle intuitive Instinkt dem Erscheinen vernünftigen Wissens vorangeht, so lässt das Eintreten einer intuitiven geistigen Schau das spätere Erscheinen morontieller und geistiger Vernunft und Erfahrung im Rahmen des erhabenen Plans himmlischer Evolution erahnen, dessen Aufgabe es ist, die Potentiale des zeitlichen Menschen in die Wirklichkeit und Göttlichkeit des ewigen Menschen, eines Paradies-Finalisten, zu überführen. Aber während der aufsteigende Mensch nach innen und paradieswärts strebt, um die Erfahrung Gottes zu machen, strebt er ebenso nach außen und raumwärts, um die Energie des materiellen Kosmos zu verstehen. Der wissenschaftliche Fortschritt beschränkt sich nicht auf das irdische Leben des Menschen; seine Erfahrung des Aufstiegs durch Universum und Superuniversum wird zu einem nicht geringen Teil aus dem Studium der Energieverwandlung und der materiellen Metamorphose bestehen. Gott ist Geist, aber die Gottheit ist Einheit, und die Einheit der Gottheit umfasst nicht nur die geistigen Werte des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes, sondern kennt auch die energetischen Tatsachen des Universalen Überwachers und der Paradies Insel, während diese beiden Phasen universaler Realität in den Verstandesbeziehungen des Mit-Vollziehers vollkommen korreliert und auf der endlichen Ebene in der erwachenden Gottheit des Supremen Wesens geeint werden. Die Vereinigung von wissenschaftlicher Haltung und religiöser Schau durch Vermittlung der erfahrungsmäßigen Philosophie ist ein Teil der langen menschlichen Erfahrung des Aufstiegs zum Paradies. Die Näherungen der Mathematik und die Gewissheiten innerer Schau werden auf allen Erfahrungsebenen unterhalb des größtmöglichen Einswerdens mit dem Supremen stets das harmonisierende Funktionieren mentaler Logik erfordern. Aber die Logik kann die Befunde der Wissenschaft und die Erkenntnisse der Religion nur dann erfolgreich harmonisieren, wenn sich eine Persönlichkeit in ihrer wissenschaftlichen wie religiösen Einstellung von der Wahrheit beherrschen lässt und den aufrichtigen Wunsch hat, der Wahrheit zu folgen, wohin diese sie auch immer führen mag, und unbekümmert um die Schlüsse, zu denen sie gelangen könnte. Die Logik ist die Technik der Philosophie, ihre Ausdrucksmethode. In der Domäne wahrer Wissenschaft ist die Vernunft stets echter Logik unterworfen; in der Domäne wahrer Religion ist der Glaube von einem inneren Standpunkt aus betrachtet immer logisch, selbst wenn ein solcher Glaube vom äußeren Standpunkt wissenschaftlicher Herangehensweise her betrachtet als völlig unbegründet erscheinen mag. Von außen nach innen gesehen, kann das Universum als materiell erscheinen; von innen nach außen gesehen, scheint dasselbe Universum völlig geistig zu sein. Die Vernunft wächst aus materieller Bewusstheit, der Glaube aus geistiger Bewusstheit, aber dank der Mittlerrolle einer durch Offenbarung gestärkten Philosophie kann die Logik sowohl die innere als auch die äußere Sicht bestätigen und dadurch beide, Wissenschaft und Religion, festigen. So können durch gemeinsamen Kontakt mit der Logik der Philosophie sowohl Wissenschaft wie Religion gegeneinander toleranter und immer weniger skeptisch werden. Was in Entwicklung begriffene Wissenschaft und Religion benötigen, ist mehr forschende und furchtlose Selbstkritik, ein stärkeres Bewusstsein der Unvollständigkeit des evolutionären Status. Sowohl wissenschaftliche wie religiöse Lehrer sind oft viel zu selbstsicher und dogmatisch. Wissenschaft und Religion können nur aufgrund von Tatsachen Selbstkritik üben. In dem Augenblick, wo man den Boden der Tatsachen verlässt, dankt die Vernunft ab oder artet rasch in Komplizenschaft mit falscher Logik aus. Die Wahrheit - ein Verständnis kosmischer Beziehungen, universeller Tatsachen und geistiger Werte - kann am besten über das Wirken des Geistes der Wahrheit empfangen und am besten durch Offenbarung kritisiert werden. Aber Offenbarung lässt weder eine Wissenschaft noch eine Religion entstehen; sie hat die Funktion, Wissenschaft und Religion mit der Wahrheit der Realität zu koordinieren. In Abwesenheit von Offenbarung oder im Falle eines Unvermögens, diese anzunehmen oder zu erfassen, hat der sterbliche Mensch sich stets in einer aussichtslosen Geste an die Metaphysik gewandt, die den einzigen menschlichen Ersatz für die Wahrheitsoffenbarung und für die Mota der morontiellen Persönlichkeit darstellt. Die Wissenschaft der materiellen Welt befähigt den Menschen, sein physisches Umfeld zu kontrollieren und bis zu einem gewissen Grade zu beherrschen. Die Religion der geistigen Erfahrung ist die Quelle des Impulses zur Brüderlichkeit, der die Menschen in die Lage versetzt, in der Komplexität der Zivilisation eines wissenschaftlichen Zeitalters zusammenzuleben. Metaphysik, aber mit viel größerer Sicherheit Offenbarung, bietet einen gemeinsamen Begegnungsort für die Entdeckungen von Wissenschaft und Religion und macht den menschlichen Versuch möglich, diese beiden getrennten, aber voneinander abhängigen Gedankenbereiche in einer wohl ausgewogenen Philosophie wissenschaftlicher Stabilität und religiöser Gewissheit logisch zu verbinden. Im irdischen Stadium kann nichts absolut bewiesen werden; sowohl Wissenschaft wie Religion gründen auf Annahmen. Auf der morontiellen Ebene vermag die Logik der Mota die Postulate von Wissenschaft und Religion teilweise zu beweisen. Auf der allerhöchsten geistigen Ebene schwindet das Bedürfnis nach endlichen Beweisen allmählich dahin vor der tatsächlichen Erfahrung der Realität und mit ihr; aber selbst dann noch bleibt jenseits des Endlichen viel Unbewiesenes übrig. Alle Spaltungen im menschlichen Denken fußen auf bestimmten Annahmen, die, obwohl sie nicht bewiesen sind, von dem menschlichem Verstand angeborenem Feingefühl für die Realität akzeptiert werden. Die Wissenschaft beginnt ihre Laufbahn der Beweisführung, mit der sie sich brüstet, indem sie die Realität von drei Dingen annimmt: von Materie, Bewegung und Leben. Die Religion ihrerseits beginnt mit der Annahme der Gültigkeit von drei Dingen: dem Verstand, dem Geist und dem Universum - dem Supremen Wesen. Die Wissenschaft wird zu der Gedankendomäne der Mathematik, der Energie und der Materie der Zeit im Raum. Religion erhebt nicht nur den Anspruch, sich mit dem endlichen und zeitlichen Geist auseinanderzusetzen, sondern auch mit dem Geist der Ewigkeit und der Suprematie. Nur durch eine lange Erfahrung in der Mota können diese beiden Extreme der Universumswahrnehmung so weit gebracht werden, dass sie analoge Interpretationen von Ursprüngen, Funktionen, Beziehungen, Realitäten und Bestimmungen liefern. Die maximale Harmonisierung der Divergenzen zwischen Energie und Geist findet mit der Aufnahme in den Kreislauf der Sieben Hauptgeiste statt; ihre erste Einigung geschieht in der Gottheit des Supremen; ihre finale Einheit in der Unendlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs, des ICH BIN. Vernunft ist der Akt der Anerkennung der Schlüsse des Bewusstseins in Bezug auf die Erfahrungen mit der physikalischen Welt von Energie und Materie. Glaube ist der Akt der Anerkennung der Gültigkeit des geistigen Bewusstseins - von etwas, für das es keinen anderen menschlichen Beweis gibt. Logik ist das zusammenfassende, nach Wahrheit forschende Streben nach der Einheit von Glauben und Vernunft und gründet auf den anlagemäßigen Verstandesgaben der sterblichen Wesen, auf der angeborenen Erkenntnis von Dingen, Bedeutungen und Werten. Ein wirklicher Beweis der geistigen Realität liegt in der Anwesenheit des Gedankenjustierers, aber diese Gegenwart kann der äußeren Welt nicht gültig bewiesen werden, sie ist nur demjenigen klar, der Gott solcherweise in seinem Inneren erfährt. Das Bewusstsein vom Justierer gründet sich auf den intellektuellen Empfang der Wahrheit, auf die überverstandesmäßige Wahrnehmung der Güte und auf die Motivierung der Persönlichkeit zu lieben. Wissenschaft entdeckt die materielle Welt, Religion bewertet sie, und Philosophie befleißigt sich, ihre Bedeutungen zu interpretieren, indem sie den wissenschaftlichen, materiellen Standpunkt mit dem religiösen, geistigen Konzept koordiniert. Aber Geschichte ist eine Domäne, in der Wissenschaft und Religion wohl nie völlig übereinstimmen werden. ***** 103.8 Philosophie und Religion ***** Obgleich sowohl Wissenschaft als auch Religion aufgrund ihrer Vernunft und Logik die Wahrscheinlichkeit Gottes annehmen können, vermag nur die persönliche religiöse Erfahrung eines geistgeführten Menschen die Gewissheit einer derartigen höchsten und persönlichen Gottheit zu bejahen. Durch die Technik solch einer inkarnierten lebendigen Wahrheit wird die philosophische Hypothese der Wahrscheinlichkeit Gottes zu einer religiösen Realität. Die Verwirrung, die die Erfahrung der Gewissheit Gottes umgibt, kommt von den ungleichen Interpretationen und Beschreibungen, die Einzelpersonen und verschiedene Menschenrassen von dieser Erfahrung gegeben haben. Die Erfahrung mit Gott kann vollkommen echt sein, aber der Diskurs über Gott, da intellektuell und philosophisch, ist divergent und manchmal auf verwirrende Weise irreführend. Ein guter und edler Ehemann mag in seine Frau völlig verliebt, aber ganz und gar außerstande sein, ein schriftliches Examen in ehelicher Liebespsychologie zufrieden stellend zu bestehen. Ein anderer Ehemann, der seine Gattin kaum oder gar nicht liebt, würde solch eine Prüfung vielleicht höchst akzeptabel bestehen. Des Liebenden unvollkommene Erkenntnis der wahren Natur des geliebten Wesens tut der Realität oder Aufrichtigkeit seiner Liebe nicht den geringsten Abbruch. Wenn ihr wahrhaft an Gott glaubt - ihn aufgrund eures Glaubens kennt und liebt - dann lasst nicht zu, dass die Realität einer solchen Erfahrung in irgendeiner Weise geschmälert oder herabgesetzt werde durch zweifelnde Andeutungen der Wissenschaft, Nörgeleien der Logik, Postulate der Philosophie oder geschickte Beeinflussungen wohlmeinender Seelen, die eine Religion ohne Gott schaffen möchten. Die Sicherheit des Gott kennenden Gläubigen sollte sich durch die Unsicherheit des zweifelnden Materialisten nicht erschüttern lassen; viel eher sollte die Unsicherheit des Ungläubigen durch den tiefen Glauben und die unerschütterliche Sicherheit dessen, der die Erfahrung des Glaubens besitzt, mächtig herausgefordert werden. Um sowohl Wissenschaft wie Religion den größten Dienst erweisen zu können, sollte eine Philosophie die beiden Extreme des Materialismus und Pantheismus vermeiden. Nur eine Philosophie, die die Realität der Persönlichkeit anerkennt - Dauer in Gegenwart des Wechsels - kann für den Menschen einen sittlichen Wert haben, kann als Bindeglied zwischen den Theorien materieller Wissenschaft und geistiger Religion dienen. Offenbarung ist eine Kompensation für die Zerbrechlichkeit der sich entwickelnden Philosophie. ***** 103.9 Die Essenz der Religion ***** Theologie beschäftigt sich mit dem intellektuellen Inhalt der Religion, Metaphysik (Offenbarung) mit ihren philosophischen Aspekten. Die religiöse Erfahrung ist der geistige Inhalt der Religion. Ungeachtet mythologischer Extravaganzen und psychologischer Illusionen des intellektuellen Inhaltes einer Religion, ungeachtet irriger metaphysischer Annahmen und Methoden der Selbsttäuschung, ungeachtet politischer Verzerrungen und sozioökonomischer Perversionen des philosophischen Inhaltes einer Religion bleibt die geistige Erfahrung persönlicher Religion echt und gültig. Religion hat viel mit Fühlen, Handeln und Leben zu tun, nicht nur mit Denken. Denken steht in engerer Beziehung zum materiellen Leben und sollte hauptsächlich, aber nicht vollständig, von der Vernunft und den Tatsachen der Wissenschaft beherrscht werden und, in seinem nichtmateriellen Ausgreifen nach den geistigen Reichen, von der Wahrheit. Ganz gleich, wie illusorisch und abwegig jemandes Theologie sein mag, so kann seine Religion doch völlig echt und auf ewig wahr sein. Der Buddhismus in seiner ursprünglichen Form ist eine der besten Religionen ohne einen Gott, die während der ganzen evolutionären Geschichte Urantias entstanden sind, obwohl dieser Glaube nicht ohne Gott blieb, als er sich weiterentwickelte. Religion ohne Glauben ist ein Widerspruch, aber eine Religion ohne Gott ist eine philosophische Inkonsistenz und eine intellektuelle Absurdität. Dass Magie und Mythologie die Eltern der natürlichen Religion sind, nimmt den späteren offenbarten Religionen und dem vollkommenen rettenden Evangelium der Religion Jesu nichts von ihrer Realität und Wahrheit. Jesu Leben und Lehren entkleideten die Religion schließlich des Aberglaubens der Magie, der Illusionen der Mythologie und der Ketten des traditionellen Dogmatismus. Aber gerade frühe Magie und Mythologie waren dadurch, dass sie die Existenz und Realität übermaterieller Werte und Wesen bejahten, die sehr wirksamen Wegbereiter der späteren höheren Religion. Obwohl religiöse Erfahrung ein rein geistiges, subjektives Phänomen ist, liegt in einer solchen Erfahrung eine positive und lebendige Glaubenshaltung gegenüber den höchsten Bereichen objektiver Universumsrealität. Das Ideal religiöser Philosophie ist ein derart glaubendes Vertrauen, dass es den Menschen dahin bringt, sich ohne Einschränkung auf die absolute Liebe des unendlichen Vaters des Universums der Universen zu verlassen. Solch eine authentische religiöse Erfahrung übersteigt bei Weitem ein in philosophische Form gebrachtes idealistisches Verlangen; sie nimmt Errettung als sicher an und ist einzig damit beschäftigt, den Willen des Vaters im Paradies in Erfahrung zu bringen und auszuführen. Die Kennzeichen einer solchen Religion sind: Glaube an eine höchste Gottheit, Hoffnung auf ewiges Fortleben, und Liebe, insbesondere zu seinen Mitmenschen. Wenn Theologie die Religion beherrscht, stirbt diese; sie wird zu einer Doktrin, anstatt etwas Lebendiges zu sein. Die Theologie hat nur zur Aufgabe, die Bewusstwerdung der eigenen persönlichen geistigen Erfahrung zu erleichtern. Theologie ist das religiöse Bemühen einer Definition, Klärung, Auslegung und Rechtfertigung der auf Erfahrung beruhenden Ansprüche der Religion, die letzten Endes nur durch einen lebendigen Glauben bestätigt werden können. In der höheren Philosophie des Universums verbinden sich auch Weisheit und Vernunft mit dem Glauben. Vernunft, Weisheit und Glauben sind die höchsten menschlichen Vollbringungen. Vernunft führt den Menschen in die Welt der Tatsachen, der Dinge ein; Weisheit führt ihn in die Welt der Wahrheit, der Beziehungen ein; Glaube weiht ihn in eine Welt der Göttlichkeit, geistiger Erfahrung ein. Der Glaube nimmt die Vernunft, soweit diese gehen kann, höchst willig mit sich, und zieht dann mit der Weisheit bis zu den äußersten philosophischen Grenzen weiter; und dann wagt er es, sich einzig in Gesellschaft der WAHRHEIT auf die grenzenlose und nie endende Reise durch das Universum zu begeben. Wissenschaft (Wissen) beruht auf der (dank dem Hilfsgeist) innewohnenden Annahme, dass die Vernunft gültig ist, dass das Universum verstanden werden kann. Philosophie (koordiniertes Verständnis) beruht auf der (dank dem Geist der Weisheit) innewohnenden Annahme, dass die Weisheit gültig ist, dass das materielle Universum mit dem geistigen koordiniert werden kann. Religion (die Wahrheit der persönlichen geistigen Erfahrung) beruht auf der (dank dem Gedankenjustierer) innewohnenden Annahme, dass der Glaube gültig ist, dass Gott gekannt und erreicht werden kann. Die volle Verwirklichung der Realität des Menschenlebens besteht in einer wachsenden Gewilltheit, an diese Annahmen der Vernunft, der Weisheit und des Glaubens zu glauben. Solch ein Leben wird durch die Wahrheit motiviert und von der Liebe beherrscht; und diese beiden sind die Ideale der objektiven kosmischen Realität, deren Existenz materiell nicht bewiesen werden kann. Wenn die Vernunft einmal Richtiges und Falsches unterscheidet, zeigt sie Weisheit; wenn die Weisheit zwischen Richtig und Falsch, Wahrheit und Irrtum, wählt, beweist sie geistige Führung. Und so sind die mentalen, seelischen und geistigen Funktionen immer innig vereint und wirken wechselseitig aufeinander. Vernunft hat mit Tatsachenwissen zu tun; Weisheit mit Philosophie und Offenbarung; Glaube mit lebendiger geistiger Erfahrung. Durch Wahrheit gelangt der Mensch zur Schönheit, und durch geistige Liebe steigt er zur Güte auf. Glaube führt zur Kenntnis Gottes, nicht nur zu einem mystischen Gefühl der göttlichen Gegenwart. Der Glaube darf sich nicht allzu stark von seinen gefühlsmäßigen Auswirkungen beeinflussen lassen. Wahre Religion ist ebenso sehr eine Erfahrung des Glaubens und des Wissens als eine gefühlsmäßige Befriedigung. In religiöser Erfahrung liegt eine Realität, die proportional zum geistigen Inhalt ist, und diese Realität übersteigt alle Vernunft, Wissenschaft, Philosophie, Weisheit und alle übrigen menschlichen Vollbringungen. Die Überzeugungen einer solchen Erfahrung sind unangreifbar; die Logik religiösen Lebens lässt sich nicht anfechten; die Sicherheit eines solchen Wissens ist übermenschlich; die Befriedigungen sind auf wunderbare Weise göttlich, der Mut ist unbezwingbar, die Hingabe unbedingt, die Treue ist von der höchsten Art und die Bestimmung final - ewig, ultim und universal. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 104 Wachstum des Trinitätskonzeptes ****** DAS Trinitätskonzept offenbarter Religion darf nicht mit dem Triadenglauben evolutionärer Religionen verwechselt werden. Die Idee von Triaden rührt von vielen suggestiven Beziehungen her, aber hauptsächlich kommt sie von den drei Fingergliedern, davon, dass es mindestens drei Beine brauchte, um einen Stuhl zu stabilisieren, und dass drei Stützpunkte genügten, um ein Zelt aufzurichten; dazu kommt, dass der primitive Mensch während langer Zeit nicht weiter als bis drei zählen konnte. Abgesehen von bestimmten natürlichen paarigen Begriffen wie Vergangenheit und Gegenwart, Tag und Nacht, warm und kalt und männlich und weiblich neigt der Mensch im Allgemeinen dazu, in Triaden zu denken: gestern, heute und morgen; Sonnenaufgang, Mittag und Sonnenuntergang; Vater, Mutter und Kind. Man lässt den Sieger dreimal hochleben. Die Toten werden am dritten Tag beerdigt, und das Phantom wird durch drei Besprengungen mit Wasser besänftigt. Als Folge dieser natürlichen Assoziationen menschlicher Erfahrung erschien die Triade in der Religion, und dies lange, bevor der Menschheit die Paradies-Trinität der Gottheiten oder einer ihrer Repräsentanten offenbart wurde. Später besaßen Perser, Hindus, Griechen, Ägypter, Babylonier, Römer und Skandinavier alle ihre Göttertriaden, aber das waren immer noch keine wahren Trinitäten. Die Gottheiten der Triaden hatten alle einen natürlichen Ursprung, und sie sind früher oder später bei den meisten der intelligenten Völker Urantias erschienen. Manchmal hat sich das Konzept einer evolutionären Triade mit demjenigen einer offenbarten Trinität ver-mischt; in solchen Fällen ist es manchmal unmöglich, die beiden voneinander zu unterscheiden. ***** 104.1 Urantianische Trinitätskonzepte ***** Die erste urantianische Offenbarung, die zu einem Verständnis der Paradies-Trinität führte, geschah durch den Stab des Fürsten Caligastia vor etwa einer halben Million Jahren. Dieses früheste Trinitätskonzept kam der Welt in den auf die planetarische Rebellion folgenden bewegten Zeiten abhanden. Die zweite Darstellung der Trinität gaben Adam und Eva im ersten und zweiten Garten. Diese Lehren waren auch zu der Zeit Machiventa Melchisedeks etwa fünfunddreißigtausend Jahre danach noch nicht völlig verblasst, da das Trinitätskonzept der Sethiter in Mesopotamien und Ägypten, aber insbesondere in Indien, überdauerte, wo es lange in Agni, dem vedischen dreiköpfigen Feuergott fortlebte. Die dritte Darstellung der Trinität gab Machiventa Melchisedek, und diese Lehre wurde durch die drei konzentrischen Kreise symbolisiert, die der Weise von Salem auf seinem Brustmedaillon trug. Aber Machiventa fand es sehr schwer, die palästinensischen Beduinen etwas über den Universalen Vater, den Ewigen Sohn und den Unendlichen Geist zu lehren. Die meisten seiner Jünger dachten, dass die Trinität aus den drei Allerhöchsten von Norlatiadek bestehe; einige wenige stellten sich die Trinität als zusammengesetzt aus dem Souverän des Systems, dem Vater der Konstellation und der Schöpfer-Gottheit des Lokaluniversums vor; noch weniger zahlreich waren jene, die von ferne die Idee einer Verbindung von Vater, Sohn und Geist im Paradies erfassten. Dank den Aktivitäten der Missionare aus Salem breiteten sich Melchisedeks Lehren von der Trinität allmählich in großen Teilen Eurasiens und Nordafrikas aus. Es ist in den späteren anditischen und in den auf Melchisedek folgenden Zeitaltern oft schwierig, zwischen Triaden und Trinitäten zu unterscheiden, da beide Konzepte sich einigermaßen vermengten und miteinander verschmolzen. Bei den Hindus schlug das trinitarische Konzept Wurzeln als Sein, Intelligenz und Freude. (Eine spätere indische Vorstellung war diejenige von Brahma, Schiwa und Vishnu.) Während die früheren Darstellungen der Trinität von den sethitischen Priestern nach Indien gebracht worden waren, wurden die späteren trinitarischen Ideen dort durch die Missionare Salems eingeführt und dann durch die einheimischen Intelligenzen Indiens weiterentwickelt, die diese Lehren mit den evolutionären Triadenvorstellungen vermischten. Der buddhistische Glaube entwickelte zwei Lehren trinitarischer Natur. Die frühere war: Lehrer, Gesetz und Bruderschaft; das war, was Gautama Siddharta selber lehrte. Die spätere Idee, die sich im nördlichen Zweig der Anhänger Buddhas herausbildete, umfasste den Höchsten Herrn, den Heiligen Geist und den Inkarnierten Erlöser. Diese Ideen von Hindus und Buddhisten waren wirkliche trinitarische Postulate, mit anderen Worten waren es Ideen einer dreifachen Manifestation eines monotheistischen Gottes. Eine echte trinitarische Vorstellung ist nicht ein bloßes Nebeneinander von drei verschiedenen Göttern. Die Hebräer wussten um die Trinität durch die aus den Tagen Melchisedeks stammenden kenitischen Überlieferungen, aber ihr monotheistischer Eifer für den einen Gott, Jahve, verdunkelte alle anderen Lehren dermaßen, dass bis zu der Zeit des Erscheinens Jesu die Lehre von den Elohim praktisch aus der jüdischen Theologie ausgemerzt worden war. Hebräisches Denken konnte das trinitarische Konzept nicht mit dem monotheistischen Glauben an den Einen Herrn, den Gott Israels, vereinbaren. Die Anhänger des islamischen Glaubens vermochten die Idee der Trinität ebenso wenig zu erfassen. Es ist für einen im Entstehen begriffenen Monotheismus, der gegen Vielgötterei anzukämpfen hat, immer schwer, trinitarische Vorstellungen zu dulden. Die Idee der Trinität fasst am besten in jenen Religionen Wurzel, die eine mit doktrinärer Elastizität einhergehende, solide monotheistische Tradition besitzen. Den großen Monotheisten, Hebräern und Mohammedanern, fiel die Unterscheidung schwer zwischen der Anbetung von drei Göttern - Polytheismus - und Trinitarismus - Anbetung einer einzigen Gottheit, die in dreifacher göttlicher und persönlicher Manifestation existiert. Jesus lehrte seine Apostel die Wahrheit über die Personen der Paradies-Trinität, aber sie dachten, er spreche in übertragenem und symbolischem Sinne. Da sie im hebräischen Monotheismus aufgewachsen waren, fiel es ihnen schwer, einen Glauben zu unterhalten, der zu ihrer alles beherrschenden Vorstellung von Jahve im Widerspruch zu stehen schien. Und die frühen Christen erbten das hebräische Vorurteil gegen das Trinitätskonzept. Die erste Trinität des Christentums wurde in Antiochia verkündet und bestand aus Gott, seinem Wort und seiner Weisheit. Paulus wusste um die Paradies-Trinität von Vater, Sohn und Geist, aber er predigte selten über sie und erwähnte sie nur in wenigen seiner Briefe an die im Entstehen begriffenen Kirchen. Aber auch so verwechselte Paulus gleich seinen Mitaposteln Jesus, den Schöpfersohn des Lokaluniversums, mit der Zweiten Person der Gottheit, mit dem Ewigen Sohn des Paradieses. Das christliche Trinitätskonzept, das gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts anerkannt zu werden begann, umfasste den Universalen Vater, den Schöpfersohn von Nebadon und die Göttliche Ministerin von Salvington - Muttergeist des Lokaluniversums und schöpferische Partnerin des Schöpfersohnes. Seit Jesu Zeiten war die tatsächliche Identität der Paradies Trinität (bis auf wenige Einzelne, denen sie eigens offenbart wurde) auf Urantia unbekannt, bis sie jetzt in den Enthüllungen dieser Offenbarung offen gelegt wird. Aber obwohl sich das christliche Trinitätskonzept in den Tatsachen irrte, war es, was die geistigen Beziehungen anbelangt, praktisch wahr. Einzig in seinen philosophischen Implikationen und kosmologischen Schlussfolgerungen verursachte es Kopfzerbrechen: Vielen kosmisch Denkenden fiel es schwer zu glauben, dass die Zweite Person der Gottheit, das zweite Mitglied einer unendlichen Trinität, einst auf Urantia weilte; und obwohl dies im geistigen Sinne zutrifft, ist es tatsächlich nicht geschehen. Die Michael-Schöpfer verkörpern die Göttlichkeit des Ewigen Sohnes voll und ganz, sind aber nicht die absolute Persönlichkeit. ***** 104.2 Einheit der Trinität und Pluralität der Gottheit ***** Der Monotheismus entstand als ein philosophischer Protest gegen die Unlogik des Polytheismus. Seine Entwicklung durchlief zuerst die Organisation von Pantheons mit ihrer Aufteilung der übernatürlichen Aktivitäten nach Zuständigkeitsbereichen, danach die henotheistische Erhöhung eines einzigen Gottes über viele andere und schließlich den Ausschluss aller außer dem Einen Gott finalen Wertes. Der Trinitarismus wächst aus dem erfahrungsmäßigen Protest gegen die Unmöglichkeit, sich die Einzigkeit einer entmenschlichten einsamen Gottheit ohne bedeutungsvolle Beziehungen zum Universum vorzustellen. Wenn genügend viel Zeit verstrichen ist, neigt die Philosophie dazu, das Gottheitskonzept des reinen Monotheismus von seinen persönlichen Eigenschaften zu trennen und reduziert dadurch diese Idee eines beziehungslosen Gottes auf den Stand eines pantheistischen Absoluten. Es ist immer schwierig gewesen, sich die persönliche Natur eines Gottes vorzustellen, der keine persönlichen Beziehungen von gleich zu gleich mit anderen und koordinierten Wesen unterhält. Persönlichkeit in der Gottheit verlangt, dass diese Gottheit in Beziehung mit einer anderen und ebenbürtigen persönlichen Gottheit stehe. Durch die Anerkennung des Trinitätskonzeptes kann der menschliche Verstand hoffen, etwas von den Wechselbeziehungen von Liebe und Gesetz in den Schöpfungen von Zeit und Raum zu erfassen. Durch geistigen Glauben gewinnt der Mensch die Erkenntnis der Liebe Gottes, entdeckt aber bald, dass sein geistiger Glaube keinen Einfluss auf die von Gott verfügten Gesetze des materiellen Universums hat. Ungeachtet der Festigkeit, mit der ein Mensch an Gott als an seinen Paradies-Vater glaubt, verlangt sein sich weitender kosmischer Horizont ebenfalls, dass er die Realität der Paradies-Gottheit als universales Gesetz anerkenne, dass er die Souveränität der Paradies-Trinität anerkenne, die sich vom Paradies nach außen erstreckt und auch die sich entwickelnden Lokaluniversen der Schöpfersöhne und Schöpferischen Töchter ebendieser drei ewigen Personen überschattet, deren Gottheitsvereinigung die Tatsache und Realität und ewige Unteilbarkeit der Paradies-Trinität ist. Und diese selbe Paradies-Trinität ist eine reale Wesenheit - keine Persönlichkeit, aber nichtsdestoweniger eine wahre und absolute Realität; keine Persönlichkeit, aber nichtsdestoweniger vereinbar mit ko-existenten Persönlichkeiten - den Persönlichkeiten des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Die Trinität ist eine die Summe ihrer Mitglieder weit übersteigende Gottheitsrealität, Ausfluss der Vereinigung der drei Paradies-Gottheiten. Die Eigenschaften, Charakteristika und Funktionen der Trinität sind nicht einfach die Summe der Attribute der drei Paradies-Gottheiten; die Funktionen der Trinität sind etwas Einzigartiges, Originales, etwas, das sich aus der Analyse der Attribute von Vater, Sohn und Geist nicht zur Gänze voraussagen lässt. Ein Beispiel: Als der Meister auf Erden weilte, ermahnte er seine Anhänger, dass die Handhabung der Justiz nie ein persönlicher Akt ist; sie ist immer eine Gruppen funktion. Ebenso wenig halten die Götter als Personen Gericht. Aber sie üben diese Funktion als kollektives Ganzes, als die Paradies-Trinität, aus. Das Erfassen des Konzeptes der Verbindung von Vater, Sohn und Geist in der Trinität bereitet den menschlichen Verstand darauf vor, mit bestimmten anderen Dreierbeziehungen bekannt gemacht zu werden. Das Konzept der Paradies-Trinität mag theologische Vernunft vollkommen zufrieden stellen, aber philosophische und kosmologische Vernunft verlangen die Anerkennung der anderen dreieinigen Verbindungen des Ersten Zentralen Ursprungs, jener Triunitäten, in denen der Unendliche in verschiedenen nichtväterlichen Eigenschaften universaler Manifestation wirkt - es sind die Beziehungen des Gottes der Kraft, Energie, Macht, Verursachung, Reaktion, Potentialität, Verwirklichung, Gravitation, Spannung, der Urmuster, der Prinzipien und der Einheit. ***** 104.3 Trinitäten und Triunitäten ***** Während die Menschheit manchmal nach einem Verständnis der Trinität der drei Personen der Gottheit gestrebt hat, verlangt Folgerichtigkeit außerdem, dass der menschliche Intellekt erkenne, dass es unter allen sieben Absoluten bestimmte Beziehungen gibt. Aber alles, was für die Paradies-Trinität gilt, trifft nicht notwendigerweise auf eine Triunität zu, denn eine Triunität ist etwas anderes als eine Trinität. In Bezug auf bestimmte Funktionsweisen kann eine Triunität mit einer Trinität verglichen werden, aber ihrer Natur nach gibt es keinerlei Übereinstimmung mit einer solchen. Der sterbliche Mensch durchläuft auf Urantia ein großes Zeitalter sich erweiternder Horizonte und wachsender Konzepte, und seine kosmische Philosophie muss sich beschleunigt entwickeln, wenn sie mit der Expansion des intellektuellen Feldes menschlichen Denkens Schritt halten will. Während das kosmische Bewusstsein des sterblichen Menschen zunimmt, erkennt er das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis von all dem, was er in seiner materiellen Wissenschaft, intellektuellen Philosophie und geistigen Schau findet. Bei all seinem Glauben an die Einheit des Kosmos nimmt der Mensch doch die Andersartigkeit aller Existenz wahr. Trotz all seiner Ideen über die Unveränderlichkeit der Gottheit stellt der Mensch fest, dass er in einem Universum ständigen Wechsels und erfahrungsmäßigen Wachstums lebt. Ungeachtet seiner Erkenntnis, dass die geistigen Werte fortleben werden, muss der Mensch mit der Mathematik und Vormathematik von Kraft, Energie und Macht rechnen. Irgendwie muss die ewige Überfülle der Unendlichkeit versöhnt werden mit dem Wachstum der sich in der Zeit entwickelnden Universen und mit der Unfertigkeit ihrer erfahrungsmäßigen Bewohner. Auf irgendeine Weise muss die Vorstellung von totaler Unendlichkeit so segmentiert und charakterisiert werden, dass menschlicher Intellekt und morontielle Seele ein solches Konzept endlichen Wertes und vergeistigender Bedeutung erfassen können. Während dieVernunft eine monotheistische Einheit der kosmischen Realität verlangt, erhebt die endliche Erfahrung das Postulat von mehreren Absoluten und ihrer Koordination in kosmischen Beziehungen. Ohne koordinierte Existenzen gibt es keine Möglichkeit für das Erscheinen der Verschiedenheit absoluter Beziehungen, keine Aussicht auf ein Wirken von Differentialen, Variabeln, Modifikatoren, Dämpfern, Bedingern oder Abschwächern. In diesen Schriften ist die totale Realität (Unendlichkeit) so dargestellt worden, wie sie in den sieben Absoluten existiert: 1. Der Universale Vater. 2. Der Ewige Sohn. 3. Der Unendliche Geist. 4. Die Paradies-Insel. 5. Das Gottheit-Absolute. 6. Das Universale Absolute. 7. Das Eigenschaftslose Absolute. Der Erste Zentrale Ursprung, welcher der Vater des Ewigen Sohnes ist, ist auch das Urmuster der Paradies-Insel. Er ist uneingeschränkte Persönlichkeit im Sohn, aber potentielle Persönlichkeit im Gottheits-Absoluten. Der Vater ist offenbarte Energie in Paradies-Havona und gleichzeitig verborgene Energie im Eigenschaftslosen Absoluten. Der Unendliche erscheint ewig in den unaufhörlichen Akten des Mit-Vollziehers, während er ohne Ende in den kompensierenden, aber verhüllten Aktivitäten des Universalen Absoluten wirkt. So steht der Vater mit den sechs koordinierten Absoluten in Verbindung, und so umfassen alle sieben den Kreis der Unendlichkeit in den nie endenden Zyklen der Ewigkeit. Es will scheinen, als sei die Triunität absoluter Beziehungen unvermeidlich. Auf absoluten wie auf allen anderen Ebenen sucht Persönlichkeit sich mit anderen Persönlichkeiten zu verbinden. Und die Verbindung der drei Paradies-Persönlichkeiten verewigt die erste Triunität, die Vereinigung der Persönlichkeiten des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Denn wenn diese drei Personen sich als Personen zu gemeinsamem Wirken zusammentun, bilden sie dadurch eine Triunität funktioneller Einheit, nicht eine Trinität - eine organische Wesenheit - aber nichtsdestoweniger eine Triunität, eine dreifache funktionelle zusammengesetzte Einstimmigkeit. Die Paradies-Trinität ist keine Triunität; sie ist keine funktionelle Einstimmigkeit; sie ist vielmehr ungeteilte und unteilbare Gottheit. Der Vater, der Sohn und der Geist können (als Personen) eine Beziehung zu der Paradies-Trinität unterhalten, denn die Trinität ist ihre ungeteilte Gottheit. Vater, Sohn und Geist unterhalten keine derartige Beziehung zu der ersten Triunität, denn diese ist ihre funktionelle Vereinigung als drei Personen. Nur als Trinität - als ungeteilte Gottheit - unterhalten sie kollektiv eine äußere Verbindung zu der aus ihren Personen zusammengesetzten Triunität. Die Paradies-Trinität nimmt also unter den absoluten Beziehungen eine einzigartige Stellung ein; es gibt mehrere existentielle Triunitäten, aber nur eine existentielle Trinität. Eine Triunität ist nicht eine Wesenheit. Sie ist funktionell, nicht organisch. Ihre Mitglieder verhalten sich partnerschaftlich, nicht korporativ. Die Komponenten von Triunitäten können Wesenheiten sein, aber die Triunität als solche ist ein Zusammenschluss. Es gibt indessen einen Punkt, worin Trinität und Triunität vergleichbar sind: Beide treten in Funktionen in Erscheinung, die etwas anderes sind als die wahrnehmbare Summe der Attribute ihrer Mitglieder. Aber während sie sich so vom funktionellen Standpunkt aus vergleichen lassen, zeigen sie im Übrigen keine kategoriale Verwandtschaft. Sie verhalten sich in etwa zueinander, wie Funktion sich zu Struktur verhält. Aber die Funktion des Triunitären Zusammenschlusses ist nicht die Funktion der Trinitätsstruktur oder -wesenheit. Die Triunitäten sind nichtsdestoweniger real; sie sind sehr real. In ihnen wird die gesamte Rea-lität funktionstüchtig, und durch sie übt der Universale Vater eine unmittelbare und persönliche Kontrolle über die Hauptfunktionen der Unendlichkeit aus. ***** 104.4 Die sieben Triunitäten ***** Vor dem Versuch einer Beschreibung der sieben Triunitäten möchten wir die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass der Universale Vater das Hauptmitglied einer jeden ist. Er ist, war und wird ewig sein: der Erste Universale Vater-Ursprung, Absolutes Zentrum, Allererste Ursache, Universaler Überwacher, Schrankenloser Energiespender, Ursprüngliche Einheit, Uneingeschränkter Aufrechterhalter, Erste Person der Gottheit, Allererstes Kosmisches Urmuster und Essenz der Unendlichkeit. Der Universale Vater ist die persönliche Ursache der Absoluten; er ist das Absolute der Absoluten. Wesen und Bedeutung der sieben Triunitäten können folgendermaßen skizziert werden: Die Erste Triunität - die persönlich-planende Triunität. Das ist die Gruppierung der drei Persönlichkeiten der Gottheit: 1. Der Universale Vater. 2. Der Ewige Sohn. 3. Der Unendliche Geist. Das ist die dreifaltige Vereinigung von Liebe, Barmherzigkeit und Dienst - der planende und persönliche Zusammenschluss der drei ewigen Paradies-Persönlichkeiten. Das ist der göttlich brüderliche, von Liebe zu den Geschöpfen erfüllte, väterlich handelnde und den Aufstieg fördernde Zusammenschluss. Die göttlichen Persönlichkeiten dieser ersten Triunität sind Persönlichkeit austeilende, Geist schenkende und mit Verstand begabende Götter. Dies ist die Triunität unendlichen Wollens; sie handelt in der ganzen ewigen Gegenwart und im gesamten vergangen-gegenwärtig-zukünftigen Fluss der Zeit. Diese Verbindung liefert die Unendlichkeit des Willens und stellt die Mechanismen bereit, durch welche die persönliche Gottheit sich selber den Geschöpfen des sich entwickelnden Kosmos offenbart. Die Zweite Triunität - die Macht-Urmuster Triunität. Handle es sich um ein winziges Ultimaton, ein strahlendes Gestirn, einen wirbelnden Nebel oder sogar um das Zentraluniversum oder die Superuniversen, immer entstammt das physische Urmuster - die kosmische Konfiguration - jeder materiellen Organisation, von der kleinsten bis zur größten, der Funktion dieser Triunität. In dieser Verbindung gruppiert sind: 1. Der Vater-Sohn. 2. Die Paradies-Insel. 3. Der Mit-Vollzieher. Die Energie wird durch die kosmischen Wirkkräfte des Dritten Zentralen Ursprungs organisiert; die Energie ist dem Urmuster des Paradieses, der absoluten Materialisierung, nachgestaltet; aber hinter all diesem unaufhörlichen Schaffen steht die Gegenwart von Vater-und-Sohn, deren Vereinigung das Paradies-Urmuster zum ersten Mal aktivierte, als Havona zugleich mit der Geburt des Unendlichen Geistes, des Mit-Vollziehers, erschien. In ihrer religiösen Erfahrung treten die Geschöpfe in Kontakt mit Gott, der Liebe ist, aber solch eine geistige Schau darf nie die intelligente Anerkennung der universalen Tatsache des Urmusters, des Paradieses, verdunkeln. Die Paradies-Persönlichkeiten gewinnen die freiwillige Anbetung aller Geschöpfe durch die zwingende Macht göttlicher Liebe und führen all diese aus dem Geiste geborenen Persönlichkeiten zu den himmlischen Wonnen endlosen Dienens als Finalisten-Söhne Gottes. Die zweite Triunität ist der Architekt der Bühne des Raumes, auf der sich dieses Geschehen entfaltet; sie bestimmt die Urmuster kosmischer Konfiguration. Wenn die Liebe die Göttlichkeit der ersten Triunität charakterisiert, so ist das Urmuster die galaktische Erscheinungsform der zweiten Triunität. Was die erste Triunität für die sich entwickelnden Persönlichkeiten ist, ist die zweite Triunität für die sich entwickelnden Universen. Urmuster und Persönlichkeit sind zwei der großen Manifestationen der Akte des Ersten Zentralen Ursprungs; und wie schwer verständlich es auch sein mag, so ist es trotzdem wahr, dass das Macht-Urmuster und die liebende Person ein und dieselbe universale Realität sind; die Paradies-Insel und der Ewige Sohn sind koordinierte aber gegensätzliche Offenbarungen der unergründlichen Natur der Universalen Vater-Kraft. Die Dritte Triunität - die Triunität geistiger Entwicklung. Die Gesamtheit geistiger Manifestationen beginnt und endet in dieser Verbindung, welche bilden: 1. Der Universale Vater. 2. Der Sohn-Geist. 3. Das Gottheit-Absolute. Von geistiger Potenz bis zum Geist des Paradieses erfährt alles Geistige seine Verwirklichung in dieser Dreierverbindung aus der reinen Geistessenz des Vaters, den aktiven Geistwerten von Sohn-und-Geist und den unbegrenzten Geistpotentialen des Gottheits-Absoluten. Die existentiellen Geistwerte haben ihre allererste Entstehung, ihre vollständige Manifestation und finale Bestimmung in dieser Triunität. Der Vater existiert vor dem Geist; der Sohn-Geist funktioniert als aktiver schöpferischer Geist; das Gottheit-Absolute existiert als alles umfassender Geist, sogar jenseits des Geistes. Die Vierte Triunität - die Triunität der Unendlichkeit der Energie. In dieser Triunität verewigen sich die Anfänge und Enden aller energetischen Realität von der Raumpotenz bis zur Monota. Folgende Mitglieder bilden diese Gruppe: 1. Der Vater-Geist. 2. Die Paradies Insel. 3. Das Eigenschaftslose Absolute. Das Paradies ist das Zentrum der Kraft-Energie-Aktivierung des Kosmos - es ist der Ort, an dem sich der Erste Zentrale Ursprung befindet, es ist der kosmische Brennpunkt des Eigenschaftslosen Absoluten und die Quelle aller Energie. In dieser Triunität existentiell anwesend ist das Energiepotential des Kosmos-Unendlichen, wovon Großes Universum und Alluniversum nur teilweise Manifestationen sind. Die vierte Triunität hält die fundamentalen Einheiten kosmischer Energie unter absoluter Kontrolle und entlässt sie aus dem Griff des Eigenschaftslosen Absoluten genau in dem Maße, in dem in den erfahrungsmäßigen Gottheiten die subabsolute Fähigkeit zur Kontrolle und Stabilisierung des sich verwandelnden Kosmos erscheint. Diese Triunität ist Kraft und Energie. Die endlosen Möglichkeiten des Eigenschaftslosen Absoluten sind um das Absolute der Paradies-Insel zentriert, aus der die unvorstellbar gewaltigen Bewegungen der sonst statischen Ruhe des Eigenschaftslosen hervorgehen. Und das endlos pochende, materielle Paradies-Herz des unendlichen Kosmos schlägt in Harmonie mit dem unergründlichen Urmuster und unerforschlichen Plan des Unendlichen Energiespenders, des Ersten Zentralen Ursprungs. Die Fünfte Triunität - die Triunität reaktiver Unendlichkeit. Diese Verbindung bilden: 1. Der Universale Vater. 2. Das Universale Absolute. 3. Das Eigenschaftslose Absolute. Diese Gruppierung ermöglicht die Verewigung der funktionellen unendlichen Verwirklichung alles dessen, was in den Nicht-Gottheit-Realitätsbereichen realisierbar ist. Diese Triunität beweist eine unbegrenzte Reaktionsfähigkeit auf die willentlichen, verursachenden, spannungsmäßigen und urmusterhaften Handlungen und Gegenwarten der anderen Triunitäten. Die Sechste Triunität - die Triunität kosmisch verbundener Gottheit. Diese Gruppierung bilden: 1. Der Universale Vater. 2. Das Gottheit-Absolute. 3. Das Universale Absolute. Das ist der Zusammenschluss der Gottheit-im-Kosmos, die Immanenz der Gottheit in Verbindung mit der Transzendenz der Gottheit. Es ist das letzte Ausgreifen der Göttlichkeit auf den Ebenen der Unendlichkeit nach jenen Realitäten, die außerhalb der Bereiche der deifizierten Realität liegen. Die Siebente Triunität - die Triunität unendlicher Einheit. Dies ist die Einheit der Unendlichkeit, die sich in Zeit und Ewigkeit funktionell manifestiert, die koordinierte Einigung von Verwirklichtem und Potentiellem. Dieser Gruppe gehören an: 1. Der Universale Vater. 2. Der Mit-Vollzieher. 3. Das Universale Absolute. Der Mit-Vollzieher integriert universell die verschiedenen funktionellen Aspekte aller verwirklichten Realität auf allen Manifestationsebenen, von den endlichen über die transzendenten bis hin zu den absoluten. Das Universale Absolute gleicht die Gefälle vollkommen aus, die in der Natur der verschiedenen Aspekte aller unvollständigen Realität liegen, von den unbegrenzten Potentialitäten aktiv-wollender und verursachender Gottheitsrealität bis zu den unbeschränkten Möglichkeiten statischer, reaktiver Nicht-Gottheits-Realität in den unbegreiflichen Bereichen des Eigenschaftslosen Absoluten. In ihrer Funktionsweise in dieser Triunität sprechen der Mit-Vollzieher und das Universale Absolute ebenso sehr auf Gottheit- wie auf Nicht-Gottheit-Gegenwarten an, was auch für den Ersten Zentralen Ursprung zutrifft, der in dieser Verbindung konzeptuell praktisch nicht vom ICH BIN zu unterscheiden ist. Diese Näherungen genügen, um das Konzept der Triunitäten zu erhellen. Da ihr die ultime Ebene der Triunitäten nicht kennt, könnt ihr deren erste sieben nicht vollständig begreifen. Obwohl es uns nicht weise erscheint, eine weitere Vertiefung zu versuchen, können wir doch erklären, dass es fünfzehn Dreierverbindungen des Ersten Zentralen Ursprungs gibt, von denen in diesen Schriften acht nicht offenbart werden. Diese nicht offenbarten Verbindungen beziehen sich auf Realitäten, Verwirklichungen und Potentialitäten, die jenseits der erfahrungsmäßigen Ebene der Suprematie liegen. Die Triunitäten sind die funktionelle Unruh der Unendlichkeit, die Einigung der einmaligen Natur der Sieben Absoluten der Unendlichkeit. Es ist die existentielle Gegenwart der Triunitäten, die das Vater-ICH BIN befähigt, trotz der Diversifizierung der Unendlichkeit in sieben Absolute die funktionelle Einheit der Unendlichkeit zu erfahren. Der Erste Zentrale Ursprung ist das einigende Mitglied aller Triunitäten; in ihm nehmen alle Dinge ihren eigenschaftslosen Anfang, haben ihre ewige Existenz und finden ihre unendliche Bestimmung - "in ihm bestehen alle Dinge". Obwohl diese Verbindungen die Unendlichkeit des Vater-ICH BIN nicht vermehren können, scheinen sie die unterunendlichen und unterabsoluten Manifestationen seiner Realität möglich zu machen. Die sieben Triunitäten vervielfachen die Vielseitigkeit, verewigen neue Tiefen, vergöttlichen neue Werte, eröffnen neue Potentialitäten, offenbaren neue Bedeutungen; und all diese verschiedenartigen Manifestationen in Zeit und Raum und im ewigen Kosmos haben ihre Existenz in der hypothetischen Bewegungslosigkeit der ursprünglichen Unendlichkeit des ICH BIN. ***** 104.5 Trioditäten ***** Es gibt bestimmte andere Dreierverbindungen, an deren Aufbau der Vater nicht beteiligt ist, aber es handelt sich dabei nicht um wahre Triunitäten, und man unterscheidet sie stets von den Vater-Triunitäten. Man nennt sie abwechselnd assoziierte Triunitäten, koordinierte Triunitäten oder Trioditäten. Sie sind eine Folgeerscheinung der Existenz der Triunitäten. Zwei dieser Verbindungen setzen sich wie folgt zusammen: Die Triodität des Verwirklichten. Diese Triodität besteht aus den Wechselbeziehungen der drei Absoluten des Verwirklichten: 1. Der Ewige Sohn. 2. Die Paradies-Insel. 3. Der Mit-Vollzieher. Der Ewige Sohn ist das Absolute geistiger Realität, die absolute Persönlichkeit. Die Paradies Insel ist das Absolute kosmischer Realität, das absolute Urmuster. Der Mit-Vollzieher ist das Absolute mentaler Realität, der Beigeordnete absoluter geistiger Realität und die existentielle Gottheitssynthese von Persönlichkeit und Macht. Diese Dreierverbindung schafft die Koordination der Gesamtheit verwirklichter Realität - geistiger, kosmischer oder mentaler. Sie ist unbeschränkt im Verwirklichen. Die Triodität der Potentialität. Diese Triodität besteht aus der Verbindung der drei Absoluten der Potentialität: 1. Das Gottheit-Absolute. 2. Das Universale Absolute. 3. Das Eigenschaftslose Absolute. So hängen die Unendlichkeitsreservoire aller latenten Energierealität - geistiger, mentaler oder kosmischer - zusammen. Diese Verbindung ergibt die Integration aller latenten Energierealität. Sie ist unendlich in ihrem Potential. So wie die Triunitäten in erster Linie die Aufgabe haben, die Unendlichkeit funktionell zu einigen, sind die Trioditäten am kosmischen Erscheinen der erfahrungsmäßigen Gottheiten beteiligt. Mit den erfahrungsmäßigen Gottheiten - der Supremen, Ultimen und Absoluten Gottheit - haben die Triunitäten nur indirekt, die Trioditäten hingegen sehr direkt zu tun. Sie treten in der erwachenden Macht-Persönlichkeitssynthese des Supremen Wesens in Erscheinung. Und für die zeitlichen Geschöpfe des Raums ist das Supreme Wesen eine Offenbarung der Einheit des ICH BIN. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 105 Gottheit und Realität ****** SOGAR für hohe Ordnungen von Universumsintelligenzen ist die Unendlichkeit nur zum Teil verständlich und die Finalität der Realität nur relativ begreiflich. Wenn menschlicher Verstand in das Ewigkeits-Mysterium von Ursprung und Bestimmung alles dessen, was man real nennt, einzudringen versucht, mag es ihm helfen, das Problem so anzugehen, dass er sich die Ewigkeits-Unendlichkeit als eine beinah grenzenlose Ellipse vorstellt, die durch eine einzige absolute Ursache hervorgerufen wird und die in diesem ganzen universalen Kreis endloser Diversifikation wirkt, ewig nach einem absoluten und unendlichen Bestimmungspotential suchend. Wenn der menschliche Intellekt das Konzept der gesamten Realität zu erfassen sucht, sieht sich dieser endliche Verstand der Unendlichkeit-Realität von Angesicht zu Angesicht gegenüber; die Gesamtheit der Realität ist Unendlichkeit und kann deshalb von einer Intelligenz mit unterunendlichem Vorstellungsvermögen niemals ganz begriffen werden. Der menschliche Verstand kann sich schwerlich eine zutreffende Vorstellung von ewigen Existenzen machen, und ohne dieses Verständnis ist es unmöglich, auch nur unsere Konzepte der Gesamtrealität darzulegen. Wir wollen aber trotzdem den Versuch einer solchen Darstellung machen, obwohl wir uns voll bewusst sind, dass unsere Konzepte durch den Prozess der Übersetzung und Anpassung an die Verständnisstufe menschlichen Denkens eine gründliche Verzerrung erfahren müssen. ***** 105.1 Das philosophische Konzept des ICH BIN ***** Die absolute Urverursachung in der Unendlichkeit schreiben die Philosophen der Universen dem Universalen Vater zu, der als das unendliche, ewige und absolute ICH BIN funktioniert. Dem menschlichen Intellekt diese Idee eines unendlichen ICH BIN vorzulegen, ist mit vielen Gefahrenelementen verbunden, da dieses Konzept so weit von dem aus menschlicher Erfahrung gewonnenen Verständnis entfernt ist und deshalb eine arge Verzerrung von Bedeutungen und eine falsche Vorstellung von Werten in sich birgt. Trotzdem bietet das philosophische Konzept des ICH BIN endlichen Wesen eine gewisse Grundlage zum Versuch einer Annäherung an ein teilweises Verständnis von absoluten Ursprüngen und unendlichen Bestimmungen. Aber bei all unseren Versuchen, Ursprung und Erfüllung der Realität zu erhellen, solltet ihr euch darüber klar sein, dass dieses Konzept des ICH BIN in allen persönlichen Bedeutungen und Werten ein Synonym für die Erste Person der Gottheit, den Universalen Vater aller Persönlichkeiten, ist. Aber dieses Postulat des ICH BIN ist in den nichtdeifizierten Bereichen der universalen Realität nicht ebenso klar identifizierbar. Das ICH BIN ist das Unendliche; das ICH BIN ist auch Unendlichkeit. Für den in zeitlichen Abläufen denkenden Standpunkt hat alle Realität ihren Ursprung im unendlichen ICH BIN, dessen einsame Existenz in vergangener unendlicher Ewigkeit das erste philosophische Postulat eines endlichen Geschöpfes sein muss. Das Konzept des ICH BIN ist gleichbedeutend mit eigenschaftsloser Unendlichkeit, mit der undifferenzierten Realität von allem, was in der Gesamtheit einer unendlichen Ewigkeit je sein könnte. Als ein existentielles Konzept ist das ICH BIN weder deifiziert noch nichtdeifiziert, weder verwirklicht noch potentiell, weder persönlich noch unpersönlich, weder statisch noch dynamisch. Keine Charakterisierung lässt sich auf das Unendliche anwenden außer die Feststellung, dass das ICH BIN ist. Das philosophische Postulat des ICH BIN ist ein etwas schwerer verständliches Universumskonzept als dasjenige des Eigenschaftslosen Absoluten. Für den endlichen Verstand muss es ganz einfach einen Anfang geben, und obwohl die Realität nie wirklich einen Beginn hatte, so lässt doch die Realität gegenüber der Unendlichkeit gewisse Ursprungsbeziehungen erkennen. Die Vorrealität, die Ursituation der Ewigkeit kann man sich etwa so denken: Zu einem unendlich fernen hypothetischen Zeitpunkt der ewigen Vergangenheit kann man sich das ICH BIN zugleich als Ding und Nichtding, zugleich als Ursache und Wirkung, zugleich als Wille und Antwort vorstellen. Zu diesem hypothetischen Zeitpunkt der Ewigkeit gibt es in der ganzen Unendlichkeit keine Differenzierung. Die Unendlichkeit wird vom Unendlichen erfüllt; das Unendliche umfasst die Unendlichkeit. Das ist der hypothetische statische Ewigkeitsaugenblick; Verwirklichtes ist noch in seinen Potentialen enthalten, und die Potentiale sind in der Unendlichkeit des ICH BIN noch nicht erschienen. Aber selbst in dieser erdachten Situation müssen wir die Existenz der Möglichkeit eines eigenen Willens annehmen. Denkt immer daran, dass das menschliche Verständnis des Universalen Vaters eine persönliche Erfahrung ist. Ihr und alle anderen Sterblichen könnt Gott als euren geistigen Vater begreifen; aber eure aus anbetender Erfahrung gewonnene Vorstellung vom Universalen Vater muss stets geringer sein als euer philosophisches Postulat der Unendlichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs, des ICH BIN. Wenn wir vom Vater sprechen, meinen wir Gott, so wie hohe und niedrige Geschöpfe ihn verstehen können, aber es gibt in der Gottheit noch viel mehr, was Universumsgeschöpfen unverständlich ist. Gott, euer Vater und mein Vater, ist jene Phase des Unendlichen, die wir in unseren Persönlichkeiten als eine wirkliche erfahrungsmäßige Realität wahrnehmen können, aber das ICH BIN bleibt stets als unsere Hypothese für all das im Ersten Zentralen Ursprung bestehen, wovon unser Gefühl uns sagt, dass wir es nicht kennen können. Und auch diese Hypothese reicht wahrscheinlich bei weitem nicht an die unergründliche Unendlichkeit der Urrealität heran. Das Universum der Universen mit seinen ungezählten Heerscharen es bewohnender Persönlichkeiten ist ein ungeheurer und komplexer Organismus, aber der Erste Zentrale Ursprung ist unendlich viel komplexer als die Universen und Persönlichkeiten, die in Beantwortung der Erlasse seines Willens Wirklichkeit geworden sind. Wenn ihr in Ehrfurcht vor der Größe des Alluniversums steht, dann haltet kurz ein und bedenkt, dass selbst diese unfassbare Schöpfung nicht mehr denn eine teilweise Offenbarung des Unendlichen sein kann. Die Unendlichkeit ist in der Tat sehr weit von der Erfahrungsebene menschlichen Verständnisses entfernt, aber gerade im jetzigen Zeitalter Urantias wachsen eure Vorstellungen von Unendlichkeit, und sie werden weiterwachsen während eurer endlosen, sich in zukünftige Ewigkeit erstreckenden Laufbahn. Eigenschaftslose Unendlichkeit ergibt für ein endliches Geschöpf keinen Sinn, aber die Unendlichkeit ist zu Selbstbeschränkung fähig und in der Lage, sich in der Realität aller Ebenen universeller Existenz auszudrücken. Und das Gesicht, das das Unendliche allen Universumspersönlichkeiten zuwendet, ist das Gesicht eines Vaters, des Universalen Vaters der Liebe. ***** 105.2 Das ICH BIN als Dreiheit und als Siebenheit ***** Wenn ihr über die Entstehung der Realität nachsinnt, dann denkt immer daran, dass alle absolute Realität von Ewigkeit her besteht und keinen Beginn der Existenz kennt. Unter absoluter Realität verstehen wir die drei existentiellen Personen der Gottheit, die Paradies Insel und die drei Absoluten. Diese sieben Realitäten sind ewig und koordiniert, obwohl wir zur Sprache von Zeit und Raum Zuflucht nehmen, um ihre Ursprünge für menschliche Wesen in zeitlicher Abfolge darzustellen. Wenn wir eine chronologische Beschreibung der Ursprünge der Realität befolgen, muss es innerhalb des ICH BIN einen postulierten theoretischen Augenblick eines "ersten" Willensausdrucks und einer "ersten" dadurch hervorgerufenen Reaktion gegeben haben. In unserem Versuch einer Schilderung von Ursprung und Entstehung der Realität kann man sich dieses Stadium vorstellen als die Selbstdifferenzierung des Unendlichen Einen aus dem Unendlichen, aber das Postulat dieser Zweierbeziehung muss immer zu einer Dreiervorstellung erweitert werden aufgrund der Anerkennung des ewigen Kontinuums der Unendlichkeit, des ICH BIN. Diese Selbstmetamorphose des ICH BIN kulminiert in der vielfältigen Differenzierung in deifizierte Realität und nichtdeifizierte Realität, in potentielle und verwirklichte Realität und in gewisse andere Realitäten, die schwerlich so klassifiziert werden können. Diese Ausdifferenzierungen des theoretischen, monistischen ICH BIN sind ewig in gleichzeitigen Verbindungen integriert, die innerhalb desselben ICH BIN entstehen - in dieser vorpotentiellen, vorverwirklichten, vorpersönlichen, nur aus einem einzigen Wesenselement bestehenden Vorwirklichkeit, die sich, obwohl unendlich, in der Gegenwart des Ersten Zentralen Ursprungs als Absolutes und in der grenzenlosen Liebe des Universalen Vaters als Persönlichkeit offenbart. Durch diese inneren Metamorphosen schafft das ICH BIN die Grundlage für siebenfache Beziehungen in sich selber. Man kann jetzt das philosophische (zeitliche) Konzept des einsamen ICH BIN und das (zeitliche) Übergangskonzept des dreifachen ICH BIN so erweitern, dass es das siebenfache ICH BIN beinhaltet. Diese siebenfache - oder siebenphasige - Natur kann am besten in Beziehung zu den Sieben Absoluten der Unendlichkeit gesehen werden: 1. Der Universale Vater. ICH BIN Vater des Ewigen Sohnes. Dies ist die allererste Persönlichkeitsbeziehung im Verwirklichten. Die absolute Persönlichkeit des Sohnes macht die Tatsache der Vaterschaft Gottes absolut und begründet die potentielle Sohnschaft aller Persönlichkeiten. Diese Beziehung begründet die Persönlichkeit des Unendlichen und vollzieht ihre geistige Offenbarung in der Persönlichkeit des Ursprünglichen Sohnes. Diese Phase des ICH BIN kann auf geistigen Ebenen sogar von Sterblichen erfahren werden, wenn sie, während sie noch im physischen Leib weilen, unseren Vater anbeten. 2. Der Universale Überwacher. ICH BIN Ursache des ewigen Paradieses. Dies ist die allererste unpersönliche Beziehung im Verwirklichten, die ursprüngliche nichtgeistige Verbindung. Der Universale Vater ist Gott-als-Liebe; der Universale Überwacher ist Gott-als-Urmuster. Diese Beziehung begründet das Potential der Form - Struktur - und bestimmt das Haupt-Urmuster aller unpersönlichen und nichtgeistigen Beziehungen - das Haupt-Urmodell, nach dem alle Kopien gemacht werden. 3. Der Universale Schöpfer. ICH BIN eins mit dem Ewigen Sohn. Diese Vereinigung von Vater und Sohn (in Gegenwart des Paradieses) weiht den schöpferischen Zyklus ein, der mit dem Erscheinen der Mit-Persönlichkeit und des ewigen Universums anhebt. Aus endlicher, menschlicher Sicht nimmt die Realität ihren wahren Anfang mit dem in der Ewigkeit liegenden Erscheinen der Havona-Schöpfung. Dieser schöpferische Akt der Gottheit geschieht durch den Gott des Handelns, der in seiner Essenz die sich auf allen Ebenen des Verwirklichten kundgebende Einheit von Vater und Sohn ist. Deshalb zeichnet sich göttliche Kreativität ausnahmslos durch Einheit aus, und diese Einheit ist der äußere Widerschein des absoluten Einsseins der Dualität von Vater-Sohn und der Trinität von Vater-Sohn-Geist. 4. Der Unendliche Erhalter. ICH BIN in sich selbst zusammengeschlossen. Das ist die Urvereinigung alles Statischen und Potentiellen der Realität. In dieser Beziehung geschieht ein Ausgleich zwischen allem Eigenschaftsbegabten und allem Eigenschaftslosen. Diese Phase des ICH BIN wird am besten verstanden als das Universale Absolute - Einiger des Gottheits-Absoluten und des Eigenschaftslosen Absoluten. 5. Das Unendliche Potential. ICH BIN, sich selbst mit Eigenschaft begabend. Das ist der Orientierungspunkt der Unendlichkeit, der ewig Zeugnis ablegt von der willentlichen Selbstbegrenzung des ICH BIN, dank welcher der dreifache Selbstausdruck und die dreifache Selbstoffenbarung erfolgen konnten. Diese Phase des ICH BIN wird gewöhnlich als das Gottheit-Absolute verstanden. 6. Das Unendliche Vermögen. ICH BIN statisch-reaktiv. Das ist der endlose Nährboden, die Möglichkeit aller zukünftigen kosmischen Expansion. Diese Phase des ICH BIN stellt man sich wohl am besten als die Übergravitationsgegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten vor. 7. Das Universale Eine der Unendlichkeit. ICH BIN als ICH BIN. Das ist die Bewegungslosigkeit oder Selbstbezogenheit der Unendlichkeit, die ewige Tatsache der Realität der Unendlichkeit und die universale Wahrheit der Unendlichkeit der Realität. Insofern als diese Selbstbezogenheit als Persönlichkeit wahrnehmbar ist, ist sie den Universen offenbart im göttlichen Vater aller Persönlichkeit - sogar absoluter Persönlichkeit. Insofern als diese Beziehung sich unpersönlich ausdrücken lässt, begegnet das Universum ihr in der absoluten Übereinstimmung von reiner Energie und reinem Geist in der Gegenwart des Universalen Vaters. Insofern als man sich diese Beziehung als ein Absolutes vorstellen kann, offenbart sie sich im Primat des Ersten Zentralen Ursprungs; in ihm leben und bewegen wir uns alle und haben unser Dasein, von den Geschöpfen des Raums bis zu den Bürgern des Paradieses; und das ist ebenso wahr für das Alluniversum wie für ein infinitesimales Ultimaton und ebenso wahr für das, was sein wird, wie für das, was ist und was war. ***** 105.3 Die sieben Absoluten der Unendlichkeit ***** Die sieben Urbeziehungen innerhalb des ICH BIN verewigen sich als die Sieben Absoluten der Unendlichkeit. Aber obwohl wir die Ursprünge der Realität und die Ausdifferenzierung der Unendlichkeit in zeitlicher Abfolge darstellen, sind alle sieben Absoluten in Tat und Wahrheit uneingeschränkt und koordiniert ewig. Es mag sich für menschliches Denken als notwendig erweisen, sich ihre Anfänge vorzustellen, aber stets sollte diese Vorstellung im Schatten der Erkenntnis stehen, dass die sieben Absoluten nie einen Beginn hatten; sie sind ewiger Natur und haben deshalb immer bestanden. Die sieben Absoluten sind die Voraussetzung der Realität. Sie sind in diesen Schriften wie folgt beschrieben worden: 1. Der Erste Zentrale Ursprung. Erste Person der Gottheit und primäres Nichtgottheit-Urmuster, Gott, der Universale Vater, Schöpfer, Überwacher und Erhalter; universale Liebe, ewiger Geist und unendliche Energie; Potential aller Potentiale und Quell alles Verwirklichten; Stabilität alles Statischen und Dynamik allen Wechsels; Ursprung der Urmuster und Vater der Personen. Kollektiv kommen alle sieben Absoluten der Unendlichkeit gleich, aber der Universale Vater selber ist tatsächlich unendlich. 2. Der Zweite Zentrale Ursprung. Zweite Person der Gottheit, der Ewige und Ursprüngliche Sohn; die absoluten Persönlichkeitsrealitäten des ICH BIN und die Grundlage für die Verwirklichungs-Offenbarung der "ICH BIN-Persönlichkeit". Keine Persönlichkeit kann hoffen, den Universalen Vater anders als durch seinen Ewigen Sohn zu erreichen; ebenso wenig kann die Persönlichkeit außerhalb des Wirkens und der Hilfe dieses absoluten Urmusters aller Persönlichkeiten geistige Existenzebenen erreichen. Im Zweiten Zentralen Ursprung ist der Geist uneingeschränkt und die Persönlichkeit absolut. 3. Der Zentrale Ursprung des Paradieses. Sekundäres Nichtgottheit-Urmuster, die ewige Paradies Insel; Grundlage für die Verwirklichungs-Offenbarung des "ICH BIN-Kraft" und Fundament für die Errichtung der Gravitationskontrolle in allen Universen. Was alle verwirklichte, nichtgeistige, unpersönliche und nichtwillentliche Realität betrifft, ist das Paradies das Absolute aller Urmuster. Gerade so wie alle geistige Energie durch die absolute Persönlichkeit des Mutter-Sohnes mit dem Universalen Vater verbunden ist, ist alle kosmische Energie durch das absolute Urmuster der Paradies Insel im Griff der Gravitationskontrolle des Ersten Zentralen Ursprungs. Das Paradies befindet sich nicht im Raum; der Raum existiert relativ zum Paradies, und die Zeitlichkeit der Bewegung wird durch die Beziehung zum Paradies bestimmt. Die ewige Insel befindet sich in absoluter Ruhe; alle andere organisierte und sich organisierende Energie ist in ewiger Bewegung; im ganzen Raum ist nur die Gegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten ruhig, und das Eigenschaftslose ist mit dem Paradies koordiniert. Das Paradies existiert im Brennpunkt des Raums, das Eigenschaftslose durchdringt ihn, und alle relative Existenz hat ihr Dasein innerhalb dieses Bereichs. 4. Der Dritte Zentrale Ursprung. Dritte Person der Gottheit, der Mit-Vollzieher; unendlicher Integrierer der kosmischen Energien des Paradieses und der geistigen Energien des Ewigen Sohnes; vollkommener Koordinator der Motive des Willens mit den Mechanismen der Kraft; Einiger aller verwirklichten und sich verwirklichenden Realität. Durch das Wirken seiner mannigfaltigen Kinder offenbart der Unendliche Geist die Barmherzigkeit des Ewigen Sohnes und funktioniert gleichzeitig als unendlicher Manipulator, der ewig das Urmuster des Paradieses in die Energien des Raums einwebt. Dieser selbe Mit-Vollzieher, dieser Gott des Handelns, ist der vollkommene Ausdruck der grenzenlosen Pläne und Vorhaben des Vater-Sohnes, während er selber als Quelle des Verstandes die Geschöpfe eines ungeheuer weiten Kosmos mit Intellekt begabt. 5. Das Gottheit -Absolute. Die verursachenden, potentiell persönlichen Möglichkeiten der universalen Realität, die Totalität allen Gottheitspotentials. Das Gottheit-Absolute ist der planende Verleiher von Eigenschaften an die eigenschaftslosen, absoluten und Nichtgottheit-Realitäten. Das Gottheit-Absolute verleiht Absolutem Eigenschaften und macht Eigenschaftsbegabtes absolut - es ist der Auslöser der Bestimmung. 6. Das Eigenschaftslose Absolute. Statisch, reaktiv und ruhend; die nicht offenbarte kosmische Unendlichkeit des ICH BIN; Totalität aller nichtdeifizierten Realität und Finalität allen unpersönlichen Potentials. Der Raum begrenzt die Funktion des Eigenschaftslosen, aber die Gegenwart des Eigenschaftslosen kennt keine Grenzen, ist unendlich. Das Alluniversum hat eine vorstellungsmäßige Grenze, aber die Gegenwart des Eigenschaftslosen ist unbegrenzt; nicht einmal die Ewigkeit kann die grenzenlose Ruhe dieses Nichtgottheit-Absoluten ausschöpfen. 7. Das Universale Absolute. Einiger des Deifizierten und des Nichtdeifizierten; Korrelator des Absoluten und des Relativen. Das Universale Absolute (das statisch, potentiell und assoziativ ist) kompensiert die Spannung zwischen dem ewig Existierenden und dem Unvollständigen. Die Sieben Absoluten der Unendlichkeit bilden den Anfang der Realität. In den Augen sterblicher Denker erschiene der Erste Zentrale Ursprung als Vorläufer aller Absoluten. Aber wenn solch ein Postulat auch hilfreich sein mag, wird es doch durch die in aller Ewigkeit bestehende Koexistenz des Sohnes, des Geistes, der drei Absoluten und der Paradies Insel entkräftet. Es ist eine Wahrheit, dass die Absoluten Manifestationen des ICH BIN-Ersten Zentralen Ursprungs sind; es ist eine Tatsache, dass diese Absoluten nie einen Beginn hatten, sondern mit dem Ersten Zentralen Ursprung koordinierte ewige Realitäten sind. Die Beziehungen zwischen Absoluten in der Ewigkeit können nicht immer dargestellt werden, ohne zu Paradoxen in der Sprache der Zeit und in den Vorstellungsmustern des Raums zu führen. Aber abgesehen von aller Verwirrung hinsichtlich des Ursprungs der Sieben Absoluten der Unendlichkeit, ist es eine Wahrheit und eine Tatsache, dass alle Realität auf ihrer ewigen Existenz und ihren unendlichen Beziehungen gründet. ***** 105.4 Einheit, Zweiheit und Triunität ***** Die Philosophen des Universums postulieren die ewige Existenz des ICH BIN als Urquell aller Realität. Und damit einhergehend postulieren sie die Selbstaufteilung des ICH BIN in die primären Selbstbeziehungen - in die sieben Phasen der Unendlichkeit. Und zugleich mit dieser Annahme wird das dritte Postulat erhoben - das Erscheinen in der Ewigkeit der Sieben Absoluten der Unendlichkeit und die Verewigung der zweiheitlichen Verbindung der sieben Phasen des ICH BIN mit diesen sieben Absoluten. Die Selbstoffenbarung des ICH BIN verläuft also vom statischen Selbst über Selbstaufteilung und Selbstbeziehung zu absoluten Beziehungen, Beziehungen mit den dem Selbst entstammenden Absoluten. So tritt die Zweiheit ins Dasein in der ewigen Verbindung der Sieben Absoluten der Unendlichkeit mit der siebenfachen Unendlichkeit der Selbstaufteilungsphasen des sich selbst offenbarenden ICH BIN. Diese zweifachen Beziehungen, die sich den Universen ewig als die sieben Absoluten kundtun, stellen die ganze Universumsrealität auf ein ewiges Fundament. Es ist manchmal erklärt worden, dass Einheit Zweiheit erzeugt, dass Zweiheit Triunität erzeugt und dass Triunität die ewige Ahnherrin aller Dinge ist. Tatsächlich gibt es drei Klassen von Urbeziehungen, und das sind: 1. Einheitsbeziehungen. Beziehungen, die innerhalb des ICH BIN existieren, wenn dessen Einheit als eine dreifache und danach als eine siebenfache Selbstdifferenzierung gedacht wird. 2. Zweiheitsbeziehungen. Beziehungen, die zwischen dem ICH BIN als Siebenfachem und den Sieben Absoluten der Unendlichkeit existieren. 3. Triunitätsbeziehungen. Das sind die funktionellen Verbindungen der Sieben Absoluten der Unendlichkeit. Die Triunitätsbeziehungen gehen aus zweiheitlicher Grundlage hervor wegen der Unvermeidlichkeit gegenseitiger Verbindung der Absoluten. Solche Triunitären Verbindungen verewigen das Potential aller Realität; sie umfassen sowohl deifizierte wie nicht-deifizierte Realität. Das ICH BIN ist eigenschaftslose Unendlichkeit als Einheit. Die Zweiheiten verewigen die Realitäts-fundamente . Die Triunitäten ermöglichen die Verwirklichung der Unendlichkeit als universale Funktion. Vorexistentielles wird in den Sieben Absoluten existentiell, und Existentielles wird in den Triunitäten, in der fundamentalen Verbindung von Absoluten, funktionell. Und zugleich mit der Verewigung der Triunitäten ist die Bühne des Universums hergerichtet - das Potentielle existiert und das Verwirklichte ist anwesend - und die Fülle der Ewigkeit wird zum Zeugen der Diversifizierung der kosmischen Energie, der Ausgießung des Paradies Geistes und der Verleihung des Verstandes zusammen mit dem Geschenk der Persönlichkeit, welch Letztere all diese Derivate der Gottheit und des Paradieses eint - durch Erfahrung auf der Geschöpfesebene und durch andere Techniken auf übergeschöpflicher Ebene. ***** 105.5 Die Verkündung der endlichen Realität ***** Gerade so wie die ursprüngliche Diversifizierung des ICH BIN einem innewohnenden, in ihm vorhandenen Wollen zugeschrieben werden muss, muss die Dekretierung der endlichen Realität den Willensakten der Paradies Gottheit und den sie beantwortenden Anpassungen der funktionellen Trinitäten zugeschrieben werden. Es scheint, als habe vor der Erschaffung des Endlichen durch die Gottheit alle Diversifizierung der Realität auf absoluten Ebenen stattgefunden; aber der Willensakt, der die endliche Realität verkündete, bedeutet eine Einschränkung der Absolutheit und schließt das Auftreten von Relativitäten in sich. Obwohl wir diese Darstellung in zeitlicher Reihenfolge bringen und das historische Erscheinen des Endlichen als direkten Abkömmling des Absoluten schildern, sollte man sich vergegenwärtigen, dass Transzendente Realitäten allem Endlichen vorausgehen und nachfolgen. Transzendente ultime Realitäten sind in Beziehung zum Endlichen sowohl Ursache als auch Erfüllung. Die Möglichkeit des Endlichen wohnt dem Unendlichen inne, aber die Umwandlung von Möglichkeit in Wahrscheinlichkeit und Unvermeidlichkeit muss dem aus sich selber heraus existierenden freien Willen des Ersten Zentralen Ursprungs zugeschrieben werden, der alle Tri- unitätsverbindungen aktiviert. Nur die Unendlichkeit des Willens des Vaters konnte je die absolute Existenzebene so einschränken, dass eine ultime Realität eventuiert oder eine endliche Realität erschaffen wurde. Mit dem Erscheinen relativer und beschränkter Realität tritt ein neuer Realitätszyklus auf - der Wachstumszyklus - ein erhabenes Herunterwehen von den Höhen der Unendlichkeit in die endlichen Bereiche, das ewig wieder nach innen dem Paradies und der Gottheit zustrebt, immer nach jenen hohen Bestimmungen suchend, die mit einem unendlichen Ursprung im Einklang sind. Diese unfassbaren Vorgänge markieren den Beginn der Universumsgeschichte, markieren die Geburt der Zeit selber. Für ein Geschöpf ist der Anfang des Endlichen die Entstehung der Realität schlechthin; so wie der Geschöpfesverstand es sieht, ist vor dem Endlichen keine Realität denkbar. Diese neu auftretende endliche Realität existiert in zwei ursprünglichen Phasen: 1. Die primären Maxima, die auf supreme Weise vollkommene Realität, der Universums- und Geschöpfestyp Havonas. 2. Die sekundären Maxima, die auf supreme Weise vervollkommnete Realität, der superuniverselle Geschöpfes- und Schöpfungstyp. Dies also sind die beiden ursprünglichen Manifestationen: die ihrer Konstitution nach vollkommene und die auf evolutionärem Weg vervollkommnete. Die beiden sind in Ewigkeitsbeziehungen koordiniert, aber innerhalb der Grenzen der Zeit sind sie scheinbar voneinander verschieden. Ein Zeitfaktor bedeutet Wachstum für alles, was wächst; sekundäres Endliches wächst; deshalb müssen diejenigen, die wachsen, in der Zeit unvollständig erscheinen. Aber diese Unterschiede, die diesseits des Paradieses so wichtig sind, existieren in der Ewigkeit nicht. Wir sprechen vom Vollkommenen und Vervollkommneten als primären und sekundären Maxima, aber es gibt noch eine weitere Art: Trinitisierung und andere Beziehungen zwischen Primären und Sekundären haben das Erscheinen von tertiären Maxima zur Folge - von Dingen, Bedeutungen und Werten, die weder vollkommen noch vervollkommnet, aber mit beiden Elternfaktoren koordiniert sind. ***** 105.6 Die Rückwirkungen der endlichen Realität ***** Die ganze Verkündigung von endlichen Existenzen stellt eine Überführung von Potentiellem in Verwirklichtes innerhalb der absoluten Verbindungen der funktionellen Ewigkeit dar. Von den vielen Rückwirkungen auf die schöpferische Verwirklichung des Endlichen mögen erwähnt werden: 1. Die Gottheitsantwort, das Erscheinen der drei Ebenen erfahrungsmäßiger Suprematie: die Verwirklichung der Persönlichkeits-Geist-Suprematie in Havona, das Potential zu der Persönlichkeits-Macht-Suprematie im dereinstigen Großen Universum und die Fähigkeit zu einer unbekannten Funktion erfahrungsmäßiger Verstandestätigkeit auf einer Suprematieebene des Alluniversums der Zukunft. 2. Die Universumsantwort umfasste eine Aktivierung der architektonischen Pläne für die superuniverselle Raumebene, und diese Entwicklung geht in der gesamten physischen Organisation der sieben Superuniversen immer weiter. 3. Die geschöpfliche Rückwirkung auf die Verkündigung endlicher Realität äußerte sich im Erscheinen von vollkommenen Wesen der Ordnung der ewigen Bewohner Havonas und von vervollkommneten evolutionären Aufsteigern aus den sieben Superuniversen. Aber das Erlangen von Vollkommenheit durch evolutionäre (zeitlich-schöpferische) Erfahrung setzt etwas Anderes-als-Vollkommenheit als Ausgangspunkt voraus. Deshalb erscheint in den evolutionären Schöpfungen die Unvollkommenheit. Und das ist der Ursprung des potentiell Üblen. Fehlanpassung, Disharmonie und Konflikt, all das liegt in der Natur evolutionären Wachstums, von den physischen Universen bis zu den persönlichen Geschöpfen. 4. Die Antwort der Göttlichkeit auf die Unvollkommenheit, die im Wesen des zeitlichen Ablaufs der Evolution liegt, offenbart sich in der kompensierenden Gegenwart des Siebenfachen Gottes, dessen Aktivitäten das in Vervollkommnung Begriffene in das Vollkommene und Vervollkommnete integrieren. Dieser zeitliche Ablauf ist untrennbar mit der Evolution verbunden, welche Kreativität in der Zeit ist. Aus diesem und noch anderen Gründen beruht die Allmacht des Supremen auf den göttlichen Erfolgen des Siebenfachen Gottes. Dieser zeitliche Ablauf ermöglicht die Teilnahme der Geschöpfe an der göttlichen Schöpfung, indem er den Geschöpfespersönlichkeiten erlaubt, im Streben nach höchster Entwicklung zu Partnern der Gottheit zu werden. Sogar der materielle Verstand der sterblichen Geschöpfe wird so zum Partner des göttlichen Justierers beim Aufbau der unsterblichen Seele zu zweit. Der Siebenfache Gott liefert auch Techniken der Kompensation für die erfahrungsmäßigen Beschränkungen angeborener Vollkommenheit sowie Kompensationstechniken für die Beschränkungen der Unvollkommenheit vor dem Aufstieg. ***** 105.7 Die Eventuierung transzendenter Realitäten ***** Transzendente Realitäten sind unterunendlich und unterabsolut, aber überendlich und übergeschöpflich. Transzendente Realitäten eventuieren als eine integrierende Ebene, welche die Überwerte absoluter Realitäten und die höchsten Werte endlicher Realitäten wechselseitig verbindet. Vom Geschöpfesstandpunkt aus würde es scheinen, als wäre das Transzendente als eine Folge des Endlichen aufgetreten; vom Ewigkeitsstandpunkt aus, als wäre es in Vorausnahme des Endlichen erschienen; und noch andere haben es als ein "Vor-Echo" des Endlichen betrachtet. Was transzendent ist, ist nicht notwendigerweise entwicklungsunfähig, aber es ist im endlichen Sinne überevolutionär; ebenso wenig ist es nicht-erfahrungsmäßig, aber es steht höher als das, was Erfahrung für Geschöpfe bedeutet. Wohl die beste Illustration dieses Paradoxes ist das Zentraluniversum der Vollkommenheit: Es ist schwerlich absolut - nur die Paradiesinsel ist wahrhaft absolut im "materialisierten" Sinne. Ebenso wenig ist es eine endliche evolutionäre Schöpfung wie die sieben Superuniversen. Havona ist ewig, aber nicht unveränderlich in dem Sinne, dass es ein Universum ohne Wachstum wäre. Es wird von Geschöpfen (den Einheimischen Havonas) bewohnt, die nie wirklich erschaffen wurden, da sie ewig existieren. So ist Havona ein Beispiel für etwas, was als endlich zu bezeichnen unzutreffend wäre, was aber auch noch nicht absolut ist. Ferner wirkt Havona als Puffer zwischen dem absoluten Paradies und den endlichen Schöpfungen, was ein weiteres Beispiel für die Funktion transzendenter Realitäten liefert. Aber Havona selber ist keine transzendente Realität - Havona ist Havona. So wie der Supreme mit endlichen Realitäten verbunden ist, identifiziert sich der Ultime mit transzendenten Realitäten. Aber obwohl wir Supremes und Ultimes in dieser Weise vergleichen, herrscht zwischen ihnen mehr als nur ein Grad unterschied; der Unterschied betrifft auch die Qualität. Das Ultime ist mehr als auf die transzendente Ebene projiziertes Übersupremes. Das Ultime ist all das, aber noch mehr: Das Ultime ist eine Eventuierung neuer Gottheitsrealitäten, die Begabung mit Eigenschaft von neuen Phasen des zuvor Eigenschaftslosen. Unter den mit der transzendenten Ebene verbundenen Realitäten befinden sich die folgenden: 1. Die Gottheitsgegenwart des Ultimen. 2. Das Konzept des Alluniversums. 3. Die Architekten des Alluniversums. 4. Die beiden Ordnungen der Kraftorganisatoren des Paradieses. 5. Gewisse Veränderungen in der Raumpotenz. 6. Gewisse geistige Werte. 7. Gewisse mentale Bedeutungen. 8. Absonite Qualitäten und Realitäten. 9. Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart. 10. Raum. Man kann sich das Universum, in dem wir jetzt leben, als auf der endlichen, transzendenten und absoluten Ebene existierend vorstellen. Das ist der kosmische Schauplatz, auf dem das endlose Drama der Persönlichkeitsdarbietungen und der Energiemetamorphosen gespielt wird. Und all diese vielfältigen Realitäten werden absolut geeint durch die verschiedenen Triunitäten, funktionell durch die Architekten des Alluniversums und relativ durch die Sieben Hauptgeiste, die untersupremen Koordinatoren der Göttlichkeit des Siebenfachen Gottes. Der Siebenfache Gott ist die Persönlichkeits- und Göttlichkeitsoffenbarung des Universalen Vaters an die Geschöpfe sowohl maximalen wie untermaximalen Ranges, aber es gibt noch andere siebenfache Beziehungen des Ersten Zentralen Ursprungs, die keinerlei Zusammenhang mit den Kundgebungen des göttlichen, geistigen Wirkens des Gottes haben, der Geist ist. In der Ewigkeit der Vergangenheit regten sich die Kräfte der Absoluten, die Geiste der Gottheiten und die Persönlichkeiten der Götter in Beantwortung des uranfänglichen eigenen Wollens des aus sich selber heraus existierenden eigenen Willens. Im jetzigen Universumszeitalter gewahren wir alle die staunenerregenden Auswirkungen des ungeheuren kosmischen Panoramas der unterabsoluten Manifestationen des grenzenlosen Potentials all dieser Realitäten. Und es ist durchaus möglich, dass sich die stetige Diversifikation der ursprünglichen Realität des Ersten Zentralen Ursprungs Zeitalter nach Zeitalter ohne Ende nach vorn und nach außen bis dahin fortsetzt, wo sich, in weiter Ferne und unvorstellbar, die absolute Unendlichkeit ausdehnt. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 106 Realitätsebenen des Universums ****** ES genügt nicht, dass der aufsteigende Sterbliche etwas über die Zusammenhänge der Gottheit mit der Entstehung und den Manifestationen der kosmischen Realität weiß; er sollte auch etwas von den Beziehungen verstehen, die zwischen ihm selber und den zahlreichen Ebenen existentieller und erfahrungsmäßiger Realitäten, zwischen potentiellen und verwirklichten Realitäten bestehen. Das irdische Orientierungsvermögen des Menschen, seine kosmische Schau und sein Gespür für die geistige Marschrichtung verfeinern sich sämtlich durch ein besseres Verständnis der Universumsrealitäten und der Techniken ihres Zusammenwirkens, ihrer Integration und Einigung. Das gegenwärtige Große Universum und das langsam Gestalt annehmende Alluniversum bestehen aus vielen Realitätsformen und -phasen, die ihrerseits auf mehreren Ebenen funktioneller Aktivität existieren. Diese vielfältigen existenten und latenten Realitäten sind zuvor in diesen Schriften umrissen worden, und werden jetzt, um dem Vorstellungsvermögen entgegenzukommen, in den folgenden Kategorien zusammengestellt: 1. Unvollständige endliche Realitäten. Das ist der gegenwärtige Status der aufsteigenden Geschöpfe des Großen Universums, der gegenwärtige Status der Sterblichen Urantias. Diese Ebene umfasst die Geschöpfesexistenz vom planetarischen Menschen bis hinauf zu jenen, die ihre Bestimmung erreicht haben, aber ohne sie einzuschließen. Dieser Ebene gehören auch die Universen von ihren frühen Anfängen bis zu ihrer Verankerung im Licht und Leben an. Diese Ebene bildet die gegenwärtige Peripherie schöpferischer Aktivität in Zeit und Raum. Sie scheint sich vom Paradies nach außen zu bewegen, denn das Ende des gegenwärtigen Universumszeitalters, das den Eintritt des Großen Universums ins Licht und Leben sehen wird, wird auch mit Sicherheit das Erscheinen irgendeiner neuen Form sich entwickelnden Wachstums in der ersten äußeren Raumebene erleben. 2. Maximale endliche Realitäten. Das ist der gegenwärtige Status aller erfahrungsmäßigen Geschöpfe, die ihre Bestimmung erreicht haben - Bestimmung, wie sie innerhalb der Grenzen des gegenwärtigen Universumszeitalters offenbart worden ist. Sogar ganze Universen können, sowohl geistig wie physisch, ein Statusmaximum erreichen. Aber der Begriff "Maximum" ist an sich ein relativer Begriff - ein Maximum in Beziehung wozu? Und was im gegenwärtigen Universumszeitalter ein - scheinbar endgültiges - Maximum ist, ist in den Augen künftiger Zeitalter möglicherweise nicht mehr als ein wirklicher Anfang. Gewisse Phasen Havonas scheinen der maximalen Ordnung anzugehören. 3. Transzendente Realitäten. Diese überendliche Ebene folgt auf die endliche Vorwärtsbewegung (und geht ihr voraus). Sie enthält die vorendliche Entstehung endlicher Anfänge und die nachendliche Bedeutung aller scheinbar endlichen Abschlüsse oder Bestimmungen. Ein großer Teil von Paradies Havona ist offenbar transzendenter Art. 4. Ultime Realitäten. Diese Ebene schließt alles in sich, was Alluniversumsbedeutung besitzt und einen Einfluss auf die Ebene der Bestimmung des vervollständigten Alluniversums hat. Paradies Havona (insbesondere der Kreis der Welten des Vaters) hat in vieler Hinsicht ultime Bedeutung. 5. Coabsolute Realitäten. Diese Ebene enthält die Projektion erfahrungsmäßiger Realitäten auf ein Über-Alluniversumsfeld schöpferischen Ausdrucks. 6. Absolute Realitäten. Diese Ebene bedeutet soviel wie die ewige Gegenwart der sieben existentiellen Absoluten. Möglicherweise enthält sie auch einen gewissen Grad an sich damit verbindendem erfahrungsmäßigem Vollbringen, aber wenn dem so ist, verstehen wir nicht, wie - vielleicht durch das Kontaktpotential der Persönlichkeit. 7. Unendlichkeit. Diese Ebene ist vorexistentiell und nacherfahrungsmäßig. Eigenschaftslose Einheit der Unendlichkeit ist eine hypothetische Realität vor allen Anfängen und nach allen Bestimmungen. Diese Realitätsebenen sind brauchbare Kompromisssymbolisierungen für das gegenwärtige Universumszeitalter und für die menschliche Perspektive. Es gibt eine ganze Reihe anderer Betrachtungsweisen der Realität aus anderen Perspektiven als der menschlichen und vom Standpunkt anderer Universumszeitalter aus. Man sollte deshalb zur Kenntnis nehmen, dass die hier vorgestellten Konzepte gänzlich relativ sind, relativ in dem Sinne, dass sie bedingt und begrenzt sind durch: 1. Die Beschränkungen der menschlichen Sprache. 2. Die Beschränkungen des menschlichen Verstandes. 3. Die beschränkte Entwicklung der sieben Superuniversen. 4. Eure Unkenntnis jener sechs Hauptziele der Superuniversumsentwicklung, die den menschlichen Aufstieg zum Paradies nicht betreffen. 5. Eure Unfähigkeit, euch auch nur einen teilweisen Gesichtspunkt der Ewigkeit zu eigen zu machen. 6. Die Unmöglichkeit, kosmische Evolution und Bestimmung im Zusammenhang mit allen Universumszeitaltern zu beschreiben, und nicht bloß im Hinblick auf das gegenwärtige Zeitalter evolutionärer Entfaltung der sieben Superuniversen. 7. Die Unfähigkeit jeglichen Geschöpfes zu begreifen, was mit vorexistentiellen und nach erfahrungsmäßigen Realitäten wirklich gemeint ist - mit dem, was vor den Anfängen und nach den Bestimmungen liegt. Das Wachstum der Realität wird durch die Umstände der aufeinander folgenden Universumszeitalter bedingt. Während des Havona-Zeitalters erfuhr das Zentraluniversum keine evolutionären Veränderungen, aber in den gegenwärtigen Epochen des Zeitalters der Superuniversen macht es gewisse fortlaufende Wandlungen durch, die durch die Koordination mit den evolutionären Superuniversen verursacht werden. Die sich jetzt entwickelnden sieben Superuniversen werden dereinst den Status der Verankerung im Licht und Leben erreichen, die Wachstumsgrenze des gegenwärtigen Universumszeitalters erreichen. Aber ohne jeden Zweifel wird das nächste Zeitalter, das Zeitalter der ersten äußeren Raumebene, die Superuniversen von den Beschränkungen der Bestimmung des gegenwärtigen Universumszeitalters befreien. Auf Erfüllung folgt immer Überfülle. Dies sind einige der Begrenzungen, denen wir bei unserem Versuch begegnen, ein geeintes Konzept des kosmischen Wachstums von Dingen, Bedeutungen und Werten und ihrer Synthese auf immer aufsteigenden Ebenen der Realität zu entwerfen. ***** 106.1 Primäre Verbindung endlicher funktioneller Realitäten ***** Die primären oder dem Geist entstammenden Phasen endlicher Realität finden auf Geschöpfesebene unmittelbaren Ausdruck als vollkommene Persönlichkeiten und auf Universumsebene als die vollkommene Schöpfung Havonas. Sogar die erfahrungsmäßige Gottheit drückt sich solcherweise in der geistigen Person des Supremen Gottes in Havona aus. Aber die sekundären, evolutionären, zeit- und materiebedingten Phasen des Endlichen erfahren ihre kosmische Integration erst als ein Ergebnis von Wachstum und Vollbringung. Letzten Endes ist es allen sekundären oder sich vervollkommnenden Realitäten bestimmt, eine Ebene zu erreichen, die derjenigen primärer Vollkommenheit gleichkommt, aber eine solche Bestimmung ist an eine zeitliche Frist gebunden, an eine im Wesen des Superuniversums liegende Qualifikation, die man in der Natur der Zentralschöpfung nicht findet. (Wir wissen um die Existenz tertiärer endlicher Realitäten, aber die Technik ihrer Integration ist bis jetzt nicht offenbart worden.) Diese den Superuniversen eigene zeitliche Frist, diese Behinderung auf dem Weg zur Vollkommenheit, sorgt für die Beteiligung der Geschöpfe am evolutionären Wachstum. Sie ermöglicht es so dem Geschöpf, für seine eigene Evolution in partnerschaftliche Beziehung mit dem Schöpfer zu treten. Und während dieser Zeiten unaufhaltsamen Wachstums wird das Unvollständige mit dem Vollkommenen durch das Wirken des Siebenfachen Gottes korreliert. Der Siebenfache Gott bedeutet die Anerkennung der Schranken der Zeit in den evolutionären Universen des Raums durch die Paradiesgottheit. Ganz einerlei, wie fern vom Paradies und wie tief im Raum eine materielle, potentiell fortlebende Persönlichkeit ihren Ursprung hat - man wird dort den Siebenfachen Gott antreffen, wie er sich in Liebe und Barmherzigkeit darum bemüht, solch einem unvollständigen, kämpfenden, evolutionären Geschöpf Wahrheit, Schönheit und Güte zu bringen. Der göttliche Dienst des Siebenfachen reicht nach innen über den Ewigen Sohn bis zum Paradies Vater und nach außen über die Ältesten der Tage bis zu den Universumsvätern - den Schöpfersöhnen. Der Mensch, der persönlich ist und durch geistigen Fortschritt aufsteigt, findet die persönliche und geistige Göttlichkeit der Siebenfachen Gottheit; es gibt aber noch andere Phasen des Siebenfachen, die nichts mit dem Fortschritt der Persönlichkeit zu tun haben. Die Göttlichkeitsaspekte dieser Gruppierung von Gottheiten werden gegenwärtig in der Verbindung der Sieben Hauptgeiste mit dem Mit-Vollzieher integriert, aber sie sind bestimmt, ewig in der erwachenden Persönlichkeit des Supremen Wesens geeint zu werden. Die übrigen Phasen der Siebenfachen Gottheit sind im gegenwärtigen Universumszeitalter unterschiedlich integriert, aber sie sind alle ebenso bestimmt, im Supremen geeint zu werden. In all seinen Phasen ist der Siebenfache die Quelle der relativen Einheit der funktionellen Realität des gegenwärtigen Großen Universums. ***** 106.2 Sekundäre Supreme Integrierung der endlichen Realitäten ***** So wie der Siebenfache Gott die endliche Evolution funktionell koordiniert, führt das Supreme Wesen schließlich die zusammenfassende Erfüllung der Bestimmung herbei. In der Gottheit des Supremen Wesens gipfelt die Entwicklung des Großen Universums - einer physischen Evolution rund um einen geistigen Kern und einer schließlichen Herrschaft dieses geistigen Kerns über die ihn umkreisenden und umwirbelnden Bereiche physischer Evolution. Und all das findet in Übereinstimmung mit den Weisungen der Persönlichkeit statt: der Paradies Persönlichkeit im höchsten Sinn, der Schöpferpersönlichkeit im Universumssinn, der sterblichen Persönlichkeit im menschlichen Sinn und der Supremen Persönlichkeit im kulminierenden oder alles umfassenden erfahrungsmäßigen Sinn. Das Konzept des Supremen soll die differenzierte Erkenntnis von geistiger Person, evolutio-närer Macht und Macht-Persönlichkeits-Synthese gestatten - die Einigung von evolutionärer Macht mit geistiger Persönlichkeit und die Herrschaft dieser über jene. Letzten Endes kommt der Geist über Havona aus dem Paradies. Die Energie-Materie entwickelt sich anscheinend in den Tiefen des Raums und wird von den Kindern des Unendlichen Geistes in Verbindung mit den Schöpfersöhnen Gottes als Macht organisiert. Und all das ist ein erfahrungsmäßiges Geschehen; es spielt sich in Zeit und Raum ab und umfasst einen breiten Fächer von Lebewesen, der sogar göttliche Schöpfer und evolutionäre Geschöpfe einschließt. Die Beherrschung der Macht durch die göttlichen Schöpfer im Großen Universum nimmt langsam zu, um schließlich die evolutionäre Beruhigung und Stabilisierung der Zeit-Raum-Schöpfungen zu beinhalten, und das ist das Erblühen der erfahrungsmäßigen Macht des Siebenfachen Gottes. Es umfasst die gesamte Skala göttlichen Vollbringens in Zeit und Raum von den Justierer-Verleihungen des Universalen Vaters bis zu den Lebens-Hingaben der Paradies Söhne. Das ist verdiente Macht, bewiesene Macht, durch Erfahrung gewonnene Macht; sie steht im Gegensatz zu der ewigen Macht, der unergründlichen Macht, der existentiellen Macht der Paradies Gottheiten. Diese erfahrungsmäßige Macht, die aus den göttlichen Vollbringungen des Siebenfachen Gottes herauswächst, zeigt selbst die kohäsiven Eigenschaften der Göttlichkeit, indem sie als die Allmacht erworbener erfahrungsmäßiger Herrschaft über die sich entwickelnden Schöpfungen zur Synthese gelangt - alles zusammenfasst. Und diese Allmacht findet ihrerseits einen inneren Zusammenhalt durch Geist-Persönlichkeit auf der Pilotsphäre des äußeren Gürtels der Welten Havonas in der Vereinigung mit der geistigen Persönlichkeit der havonischen Gegenwart des Supremen Gottes. So krönt die erfahrungsmäßige Gottheit den langen Evolutionskampf, indem sie dem Machtergebnis von Zeit und Raum die geistige Gegenwart und die göttliche, in der zentralen Schöpfung wohnende Persönlichkeit verleiht. So gelangt das Supreme Wesen endlich dazu, alles und jedes zu umfassen, was sich in Zeit und Raum entwickelt, und diese Qualitäten mit geistiger Persönlichkeit auszustatten. Und da die Geschöpfe, auch die sterblichen, an diesem majestätischen Vorgang persönlich teilnehmen, erreichen sie mit Bestimmtheit die Fähigkeit, den Supremen zu kennen und ihn als wahre Kinder dieser evolutionären Gottheit wahrzunehmen. Michael von Nebadon gleicht dem Paradies Vater, weil er die Paradies Vollkommenheit mit ihm teilt; ebenso werden die evolutionären Sterblichen eines Tages zu einer Verwandtschaft mit dem erfahrungsmäßigen Supremen gelangen, denn sie werden wahrhaftig seine evolutionäre Vollkommenheit teilen. Der Supreme Gott ist ein Gott der Erfahrung; deshalb ist er vollständig erfahrbar. Die existen- tiellen Realitäten der sieben Absoluten können durch die Technik der Erfahrung nicht wahrgenommen werden; nur die Persönlichkeitsrealitäten des Vaters, des Sohnes und des Geistes können von der Persönlichkeit des endlichen Geschöpfes in betender und verehrender Haltung erlebt werden. In der abgeschlossenen Macht-Persönlichkeits-Synthese des Supremen Wesens werden all jene absoluten Phasen mehrerer Trioditäten vereinigt sein, die so vereinigt werden können, und diese erhabene, aus Evolution hervorgegangene Persönlichkeit wird von allen endlichen Persönlichkeiten auf dem Erfahrungsweg erreicht und verstanden werden können. Wenn die Aufsteiger die postulierte siebente Stufe geistiger Existenz erreichen, werden sie darin das Bewusstwerden eines neuen Bedeutungs-Wertes der Absolutheit und Unendlichkeit der Trioditäten erleben, wie sich diese auf unterabsoluten Ebenen im Supremen Wesen, das erfahrbar ist, offenbaren. Aber das Erreichen dieser höchsten Entwicklungsstufen muss wahrscheinlich die koordinierte Verankerung des gesamten Großen Universums im Licht und Leben abwarten. ***** 106.3 Transzendenter tertiärer Realitätszusammenschluss ***** Die absoniten Architekten eventuieren den Plan; die Supremen Schöpfer bringen ihn ins Dasein; das Supreme Wesen wird ihn in seiner ganzen Fülle vollenden, so wie er durch die Supremen Schöpfer in der Zeit erschaffen und durch die Hauptarchitekten im Raum entworfen worden war. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters ist die administrative Koordinierung des Alluniversums die Funktion der Architekten des Alluniversums. Aber das Erscheinen des Allmächtigen Supremen am Ende des gegenwärtigen Universumszeitalters wird bedeuten, dass das evolutionäre Endliche die erste Stufe erfahrungsmäßiger Bestimmung erreicht hat. Dieses Ereignis wird bestimmt zum vollendeten Funktionieren der ersten erfahrungsmäßigen Trinität führen - der Vereinigung der Supremen Schöpfer, des Supremen Wesens und der Architekten des Alluniversums. Diese Trinität ist bestimmt, die weitere evolutionäre Integration des Alluniversums zu bewerkstelligen. Die Paradies Trinität ist wirklich unendlich, und keine Trinität, die nicht auch diese ursprüngliche Trinität mit einschließt, kann möglicherweise unendlich sein. Aber die ursprüngliche Trinität ist der Fall eines Zusammenschlusses von ausschließlich absoluten Gottheiten; unterabsolute Wesen hatten mit dieser Urvereinigung nichts zu tun. In den in der Folge erscheinenden erfahrungsmäßigen Trinitäten wirken auch Geschöpfespersönlichkeiten mit. Auf jeden Fall trifft das für die Ultime Trinität zu, in welcher gerade die Anwesenheit der Meister-Schöpfersöhne unter den Supremen Schöpfermitgliedern Zeugnis ablegt von der gleichzeitigen Anwesenheit wirklicher und echter Geschöpfeserfahrung innerhalb dieser trinitären Vereinigung. Die erste erfahrungsmäßige Trinität erlaubt das Erreichen ultimer Möglichkeiten in der Gruppe. Gruppenzusammenschlüsse sind fähig, die Fähigkeiten Einzelner vorwegzunehmen oder gar weit zu übertreffen; und das ist auch jenseits der endlichen Ebene wahr. In künftigen Zeitaltern, wenn die sieben Superuniversen einmal im Licht und Leben verankert sind, wird das Finalitätskorps zweifelsohne die Vorhaben der Paradies Gottheiten verkünden, so wie sie von der Ultimen Trinität diktiert werden und in der Macht-Persönlichkeit des Supremen Wesens geeint sind. In all den gewaltigen Universumsentwicklungen der vergangenen und zukünftigen Ewigkeit stellen wir die Expansion der verständlichen Elemente des Universalen Vaters fest. Für diese Durchdringung der gesamten Unendlichkeit stellen wir das philosophische Postulat des ICH BIN auf, aber kein Geschöpf ist fähig, ein solches Postulat erfahrungsmäßig zu fassen. Mit der Expansion der Universen und dem Vordringen von Gravitation und Liebe in den die Zeit organisierenden Raum hinaus können wir den Ersten Zentralen Ursprung immer besser verstehen. Wir beobachten, wie die Aktion der Gravitation die Raumgegenwart des Eigenschaftslosen Absoluten durchdringt, und wir stellen fest, wie sich geistige Geschöpfe innerhalb der göttlichen Gegenwart des Gottheits-Absoluten entwickeln und wachsen, während sowohl kosmische wie geistige Evolution sich durch Verstandesfunktion und Erfahrung auf endlichen Gottheitsebenen als Supremes Wesen einigen und auf transzendenten Ebenen als Ultime Trinität koordinieren. ***** 106.4 Ultime vierte Integration ***** Wohl koordiniert die Paradies Trinität im ultimen Sinne, aber sie wirkt dabei als ein sich selbst einschränkendes Absolutes; die erfahrungsmäßige Ultime Trinität koordiniert Transzendentes als eine transzendente Realität. In der ewigen Zukunft wird diese erfahrungsmäßige Trinität durch wachsende Einheit die eventuierende Gegenwart der Ultimen Gottheit weiter aktivieren. Während die Ultime Trinität die Bestimmung hat, die Allschöpfung zu koordinieren, ist der Ultime Gott die transzendente Macht-Personifizierung, die dem ganzen Alluniversum die Richtung weist. Die vollständige Eventuierung des Ultimen impliziert die Vollendung der Allschöpfung und bedeutet soviel wie das volle Erwachen dieser transzendenten Gottheit. Wir wissen nicht, was für Veränderungen das volle Erwachen des Ultimen mit sich bringen wird. Aber so wie der Supreme jetzt geistig und persönlich in Havona anwesend ist, so ist der Ultime dort ebenfalls anwesend, aber im absoniten und überpersönlichen Sinn. Und ihr seid über die Existenz der Eigenschaftsbegabten Stellvertreter des Ultimen informiert worden, obwohl man euch nichts über ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort oder ihre Funktion gesagt hat. Aber ungeachtet der administrativen Auswirkungen, die das Erwachen der Ultimen Gottheit hervorrufen mag, werden die persönlichen Werte ihrer transzendenten Göttlichkeit von allen Persönlichkeiten erfahren werden können, die an der Verwirklichung dieser Gottheitsebene teilgenommen haben. Das Transzendieren des Endlichen kann nur zu ultimem Vollbringen führen. Der Ultime Gott existiert in der Transzendenz von Zeit und Raum, ist aber gleichwohl unterabsolut trotz seiner ihm innewohnenden Fähigkeit zu funktionellem Zusammenwirken mit absoluten Realitäten. ***** 106.5 Coabsolutes oder Zusammenwirken der fünften Phase ***** Der Ultime ist der Gipfel transzendenter Realität, gerade so wie der Supreme die Krönung der evolutionär-erfahrungsmäßigen Realität ist. Und das tatsächliche Erwachen dieser beiden erfahrungsmäßigen Gottheiten legt den Grund zu der zweiten erfahrungsmäßigen Trinität. Das ist die Absolute Trinität, die Vereinigung des Supremen Gottes, des Ultimen Gottes und des nicht offenbarten Vollenders der Universumsbestimmung. Und diese Trinität hat die theoretische Fähigkeit, die Absoluten der Potentialität zu aktivieren - das Gottheit-, Universale und Eigenschaftslose Absolute. Aber diese Absolute Trinität könnte erst abschließende Gestalt annehmen, nachdem die Evolution des gesamten Alluniversums zum Abschluss gekommen wäre, von Havona bis zu der vierten und äußersten Raumebene. Lasst uns klarstellen, dass diese erfahrungsmäßigen Trinitäten nicht nur mit den persönlichen Eigenschaften erfahrungsmäßiger Göttlichkeit in Wechselbeziehung stehen, sondern ebenfalls mit allen anders-als-persönlichen Eigenschaften, die ihre erreichte Gottheitseinheit charakterisieren. Obwohl sich diese Darstellung hauptsächlich mit den persönlichen Phasen der Einigung des Kosmos beschäftigt, ist es nicht minder wahr, dass es den unpersönlichen Aspekten des Universums der Universen ebenso bestimmt ist, sich zu einigen, wie die sich jetzt im Zusammenhang mit der Evolution des Supremen Wesens abspielende Macht-Persönlichkeits-Synthese es veranschaulicht. Die geistig-persönlichen Eigenschaften des Supremen sind nicht zu trennen von den Machtvorrechten des Allmächtigen, und beide werden durch das unbekannte Potential des Supremen Verstandes ergänzt. Ebenso wenig kann der Ultime Gott als Person getrennt von den anders-als-persönlichen Aspekten der Ultimen Gottheit betrachtet werden. Und auf der absoluten Ebene sind das Gottheit- und das Eigenschaftslose Absolute weder zu trennen noch zu unterscheiden in der Gegenwart des Universalen Absoluten. Trinitäten sind ihrer Natur nach nicht persönlich, aber ebenso wenig stehen sie im Widerspruch zu der Persönlichkeit. Vielmehr schließen sie diese ein und lassen sie in einem kollektiven Sinn mit unpersönlichen Funktionen in Wechselbeziehung treten. Folglich sind die Trinitäten stets Gottheits realität, aber nie Persönlichkeits realität. Die Persönlichkeitsaspekte einer Trinität liegen in der Natur ihrer individuellen Mitglieder, und als individuelle Personen sind sie nicht diese Trinität. Nur kollektiv sind sie Trinität; das ist Trinität. Aber immer schließt eine Trinität alle in ihr enthaltene Gottheit ein; Trinität ist Einheit der Gottheit. Die drei Absoluten - Gottheits-Absolutes, Universales und Eigenschaftsloses Absolutes - sind keine Trinität, weil nicht alle drei Gottheit sind. Nur Deifiziertes kann sich an einer Trinität beteiligen; alle übrigen Verbindungen sind Triunitäten oder Trioditäten. ***** 106.6 Absolute oder Integration der sechsten Phase ***** Das gegenwärtige Potential des Großen Universums ist kaum absolut, wenngleich es wohl beinah-ultim ist, und wir halten das Zustandekommen einer vollen Offenbarung absoluter Bedeutungswerte im Rahmen eines subabsoluten Kosmos für unmöglich. Wir stoßen deshalb auf beträchtliche Schwierigkeiten bei dem Versuch, uns einen vollständigen Ausdruck der unbeschränkten Möglichkeiten der drei Absoluten vorzustellen oder uns sogar ein Bild zu machen von der erfahrungsmäßigen Personifizierung des Absoluten Gottes auf der jetzt unpersönlichen Ebene des Gottheits-Absoluten. Der Raum des Alluniversums scheint ein angemessener Rahmen zu sein für die Verwirklichung des Supremen Wesens, für das Entstehen und volle Funktionieren der Ultimen Trinität, für die Eventuierung des Ultimen Gottes und sogar für den Beginn der Absoluten Trinität. Aber unsere Vorstellungen von einem vollen Funktionieren dieser zweiten erfahrungsmäßigen Trinität scheinen sogar etwas zu beinhalten, was jenseits des unermesslichen Alluniversums liegt. Wenn wir ein Kosmos-Unendliches annehmen - einen unbegrenzbaren, noch über das All-universum hinausgreifenden Kosmos - und wenn wir uns vorstellen, dass sich die finalen Entwicklungen der Absoluten Trinität auf einem solch überultimen Schauplatz abspielen werden, dann wird es möglich zu mutmaßen, dass die vollendete Funktion der Absoluten Trinität ihren finalen Ausdruck in den Schöpfungen der Unendlichkeit finden und die absolute Verwirklichung aller Potentiale vollziehen wird. Die Integrierung und Assoziierung immer größerer Segmente der Realität wird sich dem absoluten Zustand in dem Maße nähern, wie sie die gesamte in den solcherweise einbezogenen Segmenten enthaltene Realität umfasst. Anders ausgedrückt: Die Absolute Trinität ist, wie ihr Name es andeutet, wirklich absolut in ihrer totalen Funktion. Wir wissen nicht, wie eine absolute Funktion einen totalen Ausdruck erreichen kann, während ihre Grundlage eigenschaftsbegabt, begrenzt oder anderswie beschränkt ist. Deshalb müssen wir annehmen, dass jede derartige totale Funktion (potentiell) durch nichts bedingt wird. Und es schiene auch, dass das durch nichts Bedingte ebenfalls unbegrenzt wäre, wenigstens von einem qualitativen Standpunkt aus, obwohl wir, was die quantitativen Beziehungen betrifft, weniger sicher sind. Einer Sache hingegen sind wir gewiss: Während die existentielle Paradies Trinität unendlich und die erfahrungsmäßige Ultime Trinität unterunendlich sind, ist die Absolute Trinität nicht so einfach einzuordnen. Obwohl ihrer Entstehung und ihrem Wesen nach erfahrungsmäßig, berührt sie eindeutig die existentiellen Absoluten der Potentialität. Auch wenn es dem menschlichen Verstand kaum zuträglich ist, solch weit entfernte und übermenschliche Konzepte begreifen zu wollen, möchten wir dennoch den Gedanken vorschlagen, dass das ewige Wirken der absoluten Trinität in einer Art Teilhabe der Absoluten der Potentia-lität an der Erfahrungswelt seinen Höhepunkt findet. Das schiene eine vernünftige Folgerung zu sein, was das Universale Absolute anbelangt, wenn auch nicht das Eigenschaftslose Absolute; wenigstens wissen wir, dass das Universale Absolute nicht nur statisch und potentiell, sondern auch assoziativ ist im vollen Gottheits-Verständnis dieser Begriffe. Aber was die vorstellbaren Göttlichkeits- und Persönlichkeitswerte betrifft, setzen diese mutmaßlichen Ereignisse die Personifizierung des Gottheits-Absoluten und das Erscheinen jener überpersönlichen Werte und ultrapersönlichen Bedeutungen voraus, die im Wesen der Persönlichkeitsvollendung des Absoluten Gottes liegen - der dritten und letzten der erfahrungsmäßigen Gottheiten. ***** 106.7 Finalität der Bestimmung ***** Einige der Schwierigkeiten bei der Bildung von Konzepten unendlicher Integration der Realität liegen in der Tatsache, dass alle solchen Ideen etwas von der Finalität universeller Entwicklung enthalten, irgendeine Art erfahrungsmäßiger Verwirklichung all dessen, was jemals sein könnte. Und es ist unvorstellbar, dass quantitative Unendlichkeit je vollständig, final verwirklicht werden könnte. Immer müssen in den drei potentiellen Absoluten unerforschte Möglichkeiten verbleiben, die keine Quantität erfahrungsmäßiger Entwicklung je zu erschöpfen vermöchte. Die Ewigkeit selber, obwohl absolut, ist nicht mehr als absolut. Selbst der Versuch eines Konzeptes finaler Integration lässt sich nicht von den Verwirklichungen einer uneingeschränkten Ewigkeit trennen und ist deshalb zu keinem denkbaren zukünftigen Zeitpunkt praktisch realisierbar. Die Bestimmung wird durch den Willensakt der Gottheiten festgelegt, die die Paradies Trinität bilden; die Bestimmung wird in der Unermesslichkeit der drei großen Potentiale festgelegt, deren Absolutheit die Möglichkeiten aller künftigen Entwicklung enthält; die Bestimmung wird wahrscheinlich durch den Akt des Vollenders der Universumsbestimmung vollzogen, und an diesem Akt mitbeteiligt sind wahrscheinlich der Supreme und der Ultime in der Absoluten Trinität. Jede erfahrungsmäßige Bestimmung kann vom erfahrenden Geschöpf wenigstens teilweise verstanden werden; aber eine Bestimmung, welche unendliche existentielle Realitäten berührt, ist kaum verständlich. Die finale Bestimmung ist eine existentiell-erfahrungsmäßige Vollbringung, an der das Gottheit-Absolute beteiligt zu sein scheint. Aber das Gottheit-Absolute steht in einer Ewigkeitsbeziehung zum Eigenschaftslosen Absoluten durch das Universale Absolute. Und diese drei Absoluten, potentiell erfahrungsmässig, sind tatsächlich existentiell und mehr, denn sie sind grenzenlos, zeitlos, raumlos, schrankenlos und maßlos - wahrhaft unendlich. Die Unwahrscheinlichkeit, das Ziel zu erreichen, verbietet indessen nicht philosophisches Theo-retisieren über solch hypothetische Bestimmungen. Das Wirklichwerden des Gottheits-Absoluten als eines erreichbaren absoluten Gottes mag praktisch unmöglich sein; nichtsdestoweniger bleibt solch eine finale Erfüllung eine theoretische Möglichkeit. Die Einbeziehung des Eigenschaftslosen Absoluten in irgendein unvorstellbares Kosmos-Unendliches mag in einer unermesslich weit entfernten Zukunft endloser Ewigkeit liegen, aber eine solche Hypothese ist trotzdem gültig. Sterbliche, Morontianer, Geiste, Finalisten, Transzendentale und andere, ebenso wie die Universen selber und alle anderen Phasen der Realität haben mit Sicherheit eine potentiell finale Bestimmung, deren Wert absolut ist; aber wir bezweifeln, dass irgendein Wesen oder Universum alle Aspekte einer solchen Bestimmung vollständig erreichen wird. Wie sehr ihr auch immer im Verstehen des Vaters wachsen möget, wird eurem Denken doch stets schwindlig werden ob der nicht offenbarten Unendlichkeit des Vater-ICH BIN, dessen unerforschte Unermesslichkeit durch alle Zyklen der Ewigkeit hindurch immer unergründlich und unverständlich bleiben wird. Wie viel von Gott ihr euch auch immer aneignen mögt, wird immer viel mehr von ihm übrig bleiben, wovon ihr nicht einmal die Existenz vermutet. Und wir glauben, dass dies auf transzendenten Ebenen genauso zutrifft wie in den Bereichen endlicher Existenz. Die Suche nach Gott hat kein Ende! Dieses Unvermögen, Gott in einem finalen Sinne zu erreichen, sollte die Universumsgeschöpfe in keiner Weise entmutigen; tatsächlich könnt ihr Gottheitsebenen des Siebenfachen, des Supremen und des Ultimen erreichen und erreicht sie auch, die für euch das bedeuten, was das unendliche Erkennen Gottes des Vaters für den Ewigen Sohn und für den Mit-Vollzieher in ihrem absoluten Status ewiger Existenz bedeutet. Weit davon entfernt, das Geschöpf zu quälen, sollte Gottes Unendlichkeit ihm allerhöchste Gewissheit bieten, dass seine aufsteigende Persönlichkeit in der ganzen endlosen Zukunft Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung und des Zusammenwirkens mit der Gottheit vor sich hat, die auch die Ewigkeit weder ausschöpfen noch beendigen wird. Endlichen Geschöpfen des Großen Universums erscheint das Konzept des Alluniversums nahezu unendlich, aber zweifelsohne sehen es dessen absonite Architekten in seiner Beziehung zu künftigen, unvorstellbaren Entwicklungen innerhalb des unendlichen ICH BIN. Sogar der Raum selber ist nur eine ultime Bedingtheit, eine Eigenschaften verleihende Bedingtheit innerhalb der relativen Absolutheit der ruhigen Zonen des Zwischen-Raums. Zu dem unvorstellbar fernen zukünftigen Ewigkeitszeitpunkt der endgültigen Vollendung des gesamten Alluniversums werden wir alle ohne Zweifel auf seine ganze Geschichte als nur auf einen Beginn zurückblicken, bloß auf die Schaffung gewisser endlicher und transzendenter Fundamente für noch größere und fesselndere Metamorphosen in unerforschter Unendlichkeit. In solch einem zukünftigen Ewigkeitsaugenblick wird das Alluniversum immer noch einen jugendlichen Anblick bieten; es wird in der Tat angesichts der grenzenlosen Möglichkeiten einer nimmer endenden Ewigkeit immer noch jung sein. Die Unwahrscheinlichkeit, eine unendliche Bestimmung zu erreichen, hindert nicht im Mindesten daran, Ideen über solch eine Bestimmung zu unterhalten, und wir zögern nicht zu sagen, dass, könnten sich die drei absoluten Potentiale je vollständig verwirklichen, es möglich würde, sich die finale Integration der gesamten Realität vorzustellen. Diese durch Entwicklung herbeigeführte Verwirklichung gründet sich auf das vollständige In-die-Wirklichkeit-Treten des Eigenschaftslosen, des Universalen und des Gottheits-Absoluten, der drei Potentialitäten, deren Einheit die Latenz des ICH BIN bildet, der wartenden Realitäten der Ewigkeit, der ruhenden Möglichkeiten alles Zukünftigen und noch mehr als das. Solche Eventualitäten liegen, gelinde gesagt, eher in weiter Ferne; trotzdem glauben wir in den Mechanismen, Persönlichkeiten und Verbindungen der drei Trinitäten die theoretische Möglichkeit einer Wiedervereinigung der sieben absoluten Phasen des Vater-ICH BIN zu entdecken. Und das führt uns direkt zum Konzept der dreifachen Trinität, welche die existentiellen Status besitzende Paradies Trinität und die beiden später erscheinenden Trinitäten erfahrungsmäßigen Wesens und Ursprungs umfasst. ***** 106.8 Die Trinität der Trinitäten ***** Es fällt schwer, dem menschlichen Verstand ein Bild von der Natur der Trinität der Trinitäten zu vermitteln; sie ist die tatsächliche Summierung der Gesamtheit erfahrungsmäßiger Unendlichkeit, wie diese sich in einer theoretischen Unendlichkeit ewiger Verwirklichung manifestiert. In der Trinität der Trinitäten erreicht das erfahrungsmäßige Unendliche die Identität mit dem existentiellen Unendlichen, und beide sind wie eins im vor-erfahrungsmäßigen, vor-existentiellen ICH BIN. Die Trinität der Trinitäten ist der finale Ausdruck alles dessen, was in den fünfzehn Triunitäten und den mit ihnen verbundenen Trioditäten enthalten ist. Finalitäten sind für relative Wesen schwer zu verstehen, seien sie existentieller oder erfahrungsmäßiger Natur; deshalb müssen sie immer als Relativitäten vorgestellt werden. Die Trinität der Trinitäten existiert in mehreren Phasen. Sie enthält Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten und Unausweichlichkeiten, die auch das Vorstellungsvermögen von Wesen überwältigen, die sich weit über der menschlichen Ebene befinden. Sie hat Implikationen, die wahrscheinlich nicht einmal von den himmlischen Philosophen vermutet werden, denn diese Implikationen liegen in den Triunitäten, und die Triunitäten sind letztlich unergründlich. Es gibt mehrere Arten, die Trinität der Trinitäten zu beschreiben. Wir haben uns für die Präsentierung des folgenden Drei-Ebenen-Konzeptes entschieden: 1. Die Ebene der drei Trinitäten. 2. Die Ebene der erfahrungsmäßigen Gottheit. 3. Die Ebene des ICH BIN. Das sind Ebenen zunehmender Einigung. Tatsache ist, dass die Trinität der Trinitäten die erste Stufe ist, während die zweite und die dritte Stufe Einigungs-Derivate der ersten sind. DIE ERSTE EBENE: Man glaubt, dass die drei Trinitäten auf dieser ersten Stufe des Zusammenwirkens als vollkommen synchronisierte, wenn auch getrennte, Gruppierungen von Gottheits-Persönlichkeiten funktionieren. 1. Die Paradies-Trinität, der Zusammenschluss der drei Paradies-Gottheiten - Vater, Sohn und Geist. Es sollte in Erinnerung gerufen werden, dass die Paradies Trinität eine dreifache Funktion beinhaltet - eine absolute Funktion, eine transzendente Funktion (Trinität der Ultimität) und eine endliche Funktion (Trinität der Suprematie). Die Paradies-Trinität ist in jedem Augenblick jede dieser Funktionen und alle zusammen. 2. Die Ultime Trinität. Das ist der Gottheits-Zusammenschluss der Supremen Schöpfer, des Supremen Gottes und der Architekten des Alluniversums. Obwohl dies eine zutreffende Darstellung der Göttlichkeitsaspekte dieser Trinität ist, sollte festgehalten werden, dass es noch andere Phasen dieser Trinität gibt, welche indessen offensichtlich vollkommen mit den Göttlichkeitsaspekten koordiniert sind. 3. Die Absolute Trinität. Das ist die Gruppierung des Supremen Gottes, des Ultimen Gottes und des Vollenders der Universumsbestimmung, was alle Göttlichkeitswerte anbelangt. Bestimmte andere Phasen dieser dreieinigen Gruppierung haben mit anderen als göttlichen Werten im expandierenden Kosmos zu tun. Aber diese einen sich mit den Göttlichkeitsphasen gerade so, wie sich jetzt die Macht- und Persönlichkeitsaspekte der erfahrungsmäßigen Gottheiten in einem Prozess erfahrungsmäßiger Synthese befinden. Die Vereinigung dieser drei Trinitäten in der Trinität der Trinitäten sorgt für die Möglichkeit einer unbegrenzten Integration der Realität. Diese Gruppierung enthält Ursachen, Zwischenglieder und finale Realitäten; Auslöser, Verwirklicher und Vollender; Beginne, Existenzen und Bestimmungen. Die Vater-Sohn-Partnerschaft ist Sohn-Geist geworden, dann Geist-Suprem und weiter Suprem-Ultim und Ultim-Absolut, ja sogar Absolut und Vater-Unendlich - womit der Zyklus der Realität vollständig ist. Desgleichen erfährt der Erste Große Zentrale Ursprung in anderen Phasen, die nicht so unmittelbar Göttlichkeit und Persönlichkeit betreffen, in sich die Grenzenlosigkeit der Realität auf dem ganzen Kreis der Ewigkeit, von der Absolutheit der Selbst-Existenz über die Endlosigkeit der Selbst-Offenbarung bis zur Finalität der Selbst-Verwirklichung - von der Absolutheit der existentiellen Realitäten bis zur Finalität der erfahrungsmäßigen Realitäten. DIE ZWEITE EBENE: Die Koordination der drei Trinitäten bringt zwangsläufig das geeinte Zusammenwirken der erfahrungsmäßigen Gottheiten mit sich, die mit der Entstehung dieser Trinitäten verbunden sind. Das Wesen dieser zweiten Ebene ist manchmal folgendermaßen dargestellt worden: 1. Der Supreme. Er ist die Gottheitskonsequenz der Einheit der Paradies Trinität im erfahrungsmäßigen Bund mit den Schöpfersöhnen und den Schöpferischen Töchtern, den Kindern der Paradies Gottheiten. Der Supreme ist die Gottheitsverkörperung der Vollendung des ersten Stadiums endlicher Evolution. 2. Der Ultime. Er ist die Gottheitskonsequenz der eventuierten Einheit der zweiten Trinität, die transzendente und absonite Personifizierung der Göttlichkeit. Der Ultime besteht aus einer in verschiedener Weise betrachteten Einheit von vielen Eigenschaften, und die Vorstellung, die sich die Menschen davon machen, würde mit Vorteil wenigstens jene Phasen der Ultimität berücksichtigen, welche die Kontrolle steuern, persönlich erfahrbar sind und eine Einigung anstreben; aber es gibt noch viele andere, nicht offenbarte Aspekte dieser eventuierten Gottheit. Obwohl der Ultime und der Supreme vergleichbar sind, sind sie nicht identisch, noch ist der Ultime bloß eine Erweiterung des Supremen. 3. Der Absolute. Es gibt viele Theorien über das Wesen des dritten Mitgliedes der zweiten Ebene der Trinität der Trinitäten. Der Absolute Gott ist unzweifelhaft an diesem Zusammenschluss mitbeteiligt als die persönliche Konsequenz der finalen Funktion der Absoluten Trinität, und doch ist das Gottheit-Absolute eine existentielle Realität mit Ewigkeitsstatus. Die Schwierigkeit, sich dieses dritte Mitglied vorzustellen, liegt im Wesen der Tatsache, dass die Annahme einer solchen Mitgliedschaft in Wahrheit bloß ein einziges Absolutes zulässt. Theo-retisch, und wenn sich so etwas ereignen könnte, sollten wir zu Zeugen der erfahrungsmäßigen Einigung der drei Absoluten in eins werden. Und man lehrt uns, dass es in der Unendlichkeit und existentiell ein einziges Absolutes gibt. Obwohl es höchst unklar ist, was dieses dritte Mitglied sein könnte, wird oft postuliert, dass es aus dem Gottheit-, dem Universalen und dem Eigenschaftslosen Absoluten in irgendeiner Form unvorstellbarer Verbindung und kosmischer Manifestation bestehen könnte. Bestimmt könnte die Trinität der Trinitäten vor der vollen Einigung der drei Absoluten kaum zu vollständigem Funktionieren gelangen, und schwerlich können sich die drei Absoluten einigen, bevor alle unendlichen Potentiale sich vollständig verwirklicht haben. Wahrscheinlich stellt es eine sehr geringe Verzerrung der Wahrheit dar, wenn man als drittes Mitglied der Trinität der Trinitäten das Universale Absolute annimmt, vorausgesetzt, dass diese Vorstellung das Universale nicht nur als statisch und potentiell, sondern auch als assoziativ betrachtet. Aber wir erkennen immer noch nicht seine Beziehung zu den schöpferischen und evolutionären Aspekten der Funktion der totalen Gottheit. Obwohl ein abschließendes Konzept der Trinität der Trinitäten schwierig zu entwerfen ist, fällt die Bildung eines eingeschränkten Konzepts nicht so schwer. Wenn man die zweite Ebene der Trinität der Trinitäten als im Wesentlichen persönlich annimmt, wird es durchaus möglich, die Vereinigung des Supremen Gottes, des Ultimen Gottes und des Absoluten Gottes zu postulieren als eine Auswirkung der Vereinigung der persönlichen Trinitäten, denen diese erfahrungsmäßigen Gottheiten entstammen. Wir wagen die Ansicht zu vertreten, dass sich diese drei erfahrungsmäßigen Gottheiten bestimmt auf der zweiten Ebene vereinigen werden als direkte Folge der wachsenden Einheit unter ihren elterlichen, ursächlichen Trinitäten, die die erste Ebene bilden. Die erste Ebene besteht aus drei Trinitäten; die zweite Ebene existiert als der Persönlichkeitszusammenschluss einer erfahrungsmäßig-entwickelten mit einer erfahrungsmäßig-eventuierten und einer erfahrungsmäßig-existentiellen Gottheitspersönlichkeit. Und ungeachtet der vorstellungsmäßigen Schwierigkeiten, die vollständige Trinität der Trinitäten zu verstehen, hat sich das persönliche Zusammenwirken dieser drei Gottheiten auf der zweiten Ebene in unserem eigenen Universumszeitalter im Phänomen der göttlichen Erschaffung Majestons bekundet, der auf dieser zweiten Ebene durch das Gottheit-Absolute verwirklicht wurde, das in Beantwortung der ursprünglichen schöpferischen Weisung des Supremen Wesens durch den Ultimen handelte. DIE DRITTE EBENE: Eine uneingeschränkte Hypothese der zweiten Ebene der Trinität der Trinitäten umfasst die Wechselbeziehung aller Phasen jedwelcher Art von Realität, die es in aller Ewigkeit gibt, gab oder geben könnte. Das Supreme Wesen ist nicht allein Geist, sondern auch Verstand und Macht und Erfahrung. Der Ultime ist all das und noch viel mehr, während im vereinigten Konzept der Einheit von Gottheit-, Universalem und Eigenschaftslosem Absolutem die absolute Finalität der Verwirklichung aller Realität enthalten ist. In der Einigung des Supremen, des Ultimen und des vollständigen Absoluten könnte sich die funktionelle Wiederzusammenfügung jener Aspekte der Unendlichkeit ereignen, die ursprünglich durch das ICH BIN voneinander getrennt wurden und das Erscheinen der Sieben Absoluten der Unendlichkeit zur Folge hatten. Obwohl die Universumsphilosophen dies für eine äußerst ferne Wahrscheinlichkeit halten, stellen wir uns doch oft die Frage: Sollte es auf der zweiten Ebene der Trinität der Trinitäten je zu einer trinitären Einheit kommen, was geschähe dann infolge einer solchen Gottheitseinigung? Wir wissen es nicht, aber wir sind zuversichtlich, dass dies direkt zu der Verwirklichung des ICH BIN als eines auf dem Erfahrungswege Erreichbaren führen würde. Vom Standpunkt persönlicher Wesen könnte das bedeuten, dass das der Kenntnis entzogene ICH BIN als das Vater-Unendliche erfahrbar würde. Was diese absoluten Bestimmungen von einem nichtpersönlichen Standpunkt aus bedeuten könnten, ist eine andere Frage, die zu klären nur der Ewigkeit möglich wäre. Aber wenn wir als persönliche Geschöpfe diese fernen Möglichkeiten betrachten, kommen wir zu dem Schluss, dass die finale Bestimmung aller Persönlichkeiten die letztendliche Kenntnis des Universalen Vaters dieser selben Persönlichkeiten ist. So wie wir uns das ICH BIN philosophisch in der ewigen Vergangenheit vorstellen, ist es allein, und es gibt nichts außer ihm. Blicken wir vorwärts in die ewige Zukunft, sehen wir keine Möglichkeit für eine Veränderung des ICH BIN als einer existentiellen Realität, aber wir neigen dazu, einen gewaltigen erfahrungsmäßigen Unterschied vorauszusagen. Ein solches Konzept des ICH BIN setzt volle Selbst-Verwirklichung voraus - es schließt jene grenzenlose Galaxie von Persönlichkeiten in sich, die willige Teilnehmer an der Selbst-Offenbarung des ICH BIN geworden sind und die auf ewig und willentlich absolute Teile der totalen Unendlichkeit bleiben wollen, finale Söhne des absoluten Vaters. ***** 106.9 Existentielle unendliche Einigung ***** Im Konzept der Trinität der Trinitäten postulieren wir die Möglichkeit einer erfahrungsmäßigen Einigung grenzenloser Realität, und wir stellen manchmal die Theorie auf, dass all dies in der äußersten Entlegenheit einer weit entfernten Ewigkeit geschehen könnte. Aber dennoch gibt es eine wirkliche und gegenwärtige Einigung der Unendlichkeit gerade in diesem Zeitalter wie in allen vergangenen und zukünftigen Universumszeitaltern; eine solche Einigung ist existentiell in der Paradies Trinität. Unendliche Einigung als eine erfahrungsmäßige Realität liegt in unvorstellbarer Ferne, aber eine uneingeschränkte unendliche Einheit beherrscht gerade jetzt den gegenwärtigen Augenblick der Universumsexistenz und einigt alles Auseinanderstrebende der gesamten Realität mit einer existentiellen Erhabenheit, die absolut ist. Wenn endliche Geschöpfe versuchen, sich die unendliche Einigung auf den finalen Ebenen erfüllter Ewigkeit vorzustellen, stoßen sie auf die intellektuellen Begrenzungen, die im Wesen ihrer endlichen Existenz liegen. Zeit, Raum und Erfahrung bilden Schranken für die Geschöpfesvorstellung; und doch könnte ohne Zeit, in Abwesenheit des Raums und bei fehlender Erfahrung kein Geschöpf auch nur zu einem begrenzten Verständnis der Universumsrealität gelangen. Ohne das Zeitgefühl wäre es keinem evolutionären Geschöpf möglich, die Beziehungen zeitlicher Abläufe wahrzunehmen. Ohne Raumwahrnehmung könnte kein Geschöpf die Beziehungen von Gleichzeitigkeit ergründen. Ohne Erfahrung könnte kein evolutionäres Geschöpf überhaupt existieren; nur die Sieben Absoluten der Unendlichkeit transzendieren die Erfahrung wirklich, und selbst sie können in bestimmten Phasen erfahrungsmäßig sein. Zeit, Raum und Erfahrung sind des Menschen größte Hilfe zur Wahrnehmung relativer Realität, aber zugleich seine gewaltigsten Hindernisse bei der Wahrnehmung vollständiger Realität. Die Sterblichen und viele andere Universumsgeschöpfe finden es nötig, sich Potentiale vorzustellen, die im Raum verwirklicht werden und in der Zeit heranreifen, aber dieser ganze Prozess ist ein Zeit-Raum-Phänomen, das im Paradies und in der Ewigkeit nicht wirklich stattfindet. Auf der absoluten Ebene gibt es weder Zeit noch Raum; alle Potentiale können dort als Wirklichkeiten wahrgenommen werden. Das Konzept der Einigung aller Realität, sei es in diesem oder irgendeinem anderen Universumszeitalter, ist grundlegend doppelter Natur: existentiell und erfahrungsmäßig. Eine solche Einigung geht in der Trinität der Trinitäten als erfahrungsmäßige Verwirklichung vor sich, aber der Grad der augenscheinlichen Verwirklichung dieser dreifachen Trinität steht in direktem Verhältnis zum Verschwinden der Beschränkungen und Unvollkommenheiten der Realität im Kosmos. Aber die totale Integration der Realität ist in der Paradies Trinität uneingeschränkt und ewig und existentiell gegenwärtig. In ihr ist gerade in diesem Universumsaugenblick die unendliche Realität absolut geeint. Das durch den erfahrungsmäßigen und existentiellen Gesichtspunkt geschaffene Paradox ist unvermeidlich und fußt zum Teil auf der Tatsache, dass die Paradies Trinität und die Trinität der Trinitäten beide eine ewige Beziehung sind, welche die Sterblichen nur als Zeit-Raum-Relativität wahrnehmen können. Die menschliche Vorstellung von der schrittweisen erfahrungsmäßigen Verwirklichung der Trinität der Trinitäten - der Gesichtspunkt der Zeit - muss durch das zusätzliche Postulat ergänzt werden, dass diese bereits eine Tatsache ist - der Gesichtspunkt der Ewigkeit. Aber wie können diese beiden Gesichtspunkte miteinander versöhnt werden? Wir legen den endlichen Sterblichen nahe, die Wahrheit zu akzeptieren, dass die Paradies Trinität die existentielle Einigung der Unendlichkeit ist, und dass die Unfähigkeit, die tatsächliche Gegenwart und vollendete Manifestation der erfahrungsmäßigen Trinität der Trinitäten zu erkennen, teilweise auf wechselseitigen Verzerrungen beruht. Deren Gründe sind: 1. Der begrenzte menschliche Gesichtspunkt, die Unfähigkeit, das Konzept uneingeschränkter Ewigkeit zu erfassen. 2. Der unvollkommene menschliche Status, die Entfernung von der absoluten Ebene erfahrungsmäßiger Realitäten. 3. Der Zweck der menschlichen Existenz, die Tatsache, dass es der Menschheit bestimmt ist, sich durch die Technik der Erfahrung zu entwickeln, und dass sie deshalb ihrem Wesen und ihrer Anlage entsprechend von der Erfahrung abhängig sein muss. Nur ein Absolutes kann zugleich existentiell und erfahrungsmäßig sein. Der Universale Vater in der Paradies Trinität ist das ICH BIN der Trinität der Trinitäten, und das Unvermögen, den Vater als unendlich zu erfahren, kommt von den endlichen Begrenzungen. Das Konzept des existentiellen, einsamen, vortrinitären und nicht erreichbaren ICH BIN und das Postulat des erfahrungsmäßigen, auf die Trinität der Trinität folgenden und erreichbaren ICH BIN sind ein und dieselbe Hypothese; es hat sich im Unendlichen tatsächlich nichts verändert; alle scheinbaren Entwicklungen sind wachsender Empfänglichkeit für die Realität und wachsender kosmischer Würdigung zuzuschreiben. Letztlich muss das ICH BIN vor allen existentiellen und nach allen erfahrungsmäßigen Realitäten existieren. Obschon diese Ideen im menschlichen Verstand die Paradoxa von Ewigkeit und Unendlichkeit wohl kaum klären, sollten sie wenigstens solche endliche Intellekte stimulieren, wiederum mit diesen nie endenden Problemen zu ringen, Problemen, die euch auf Salvington und später als Finalisten und in der ganzen unendlichen Zukunft eurer ewigen Laufbahn in den unermesslichen Universen zu fesseln fortfahren werden. Früher oder später beginnen alle Universumspersönlichkeiten zu erkennen, dass die letztendliche Suche nach der Ewigkeit die endlose Erforschung der Unendlichkeit ist, die nie endende Entdeckungsreise in die Absolutheit des Ersten Zentralen Ursprungs. Früher oder später werden wir alle gewahr, dass alles Geschöpfeswachstum im Verhältnis zu der Identifikation mit dem Vater geschieht. Wir gelangen zu der Einsicht, dass, den Willen Gottes zu leben, der ewige Schlüssel zu den unerschöpflichen Möglichkeiten der Unendlichkeit selber ist. Die Sterblichen werden irgendwann erkennen, dass Erfolg im Streben nach dem Unendlichen in direktem Verhältnis zum Erreichen der Vater-Ähnlichkeit steht und dass sich die Realitäten des Vaters in diesem Universumszeitalter in den Göttlichkeitseigenschaften offenbaren. Und diese Göttlichkeitseigenschaften eignen sich die Universumsgeschöpfe persönlich durch die Erfahrung an, in göttlicher Weise zu leben; und in göttlicher Weise leben heißt, tatsächlich den Willen Gottes zu leben. Ein auf die Ausführung des Willens des Vaters gegründetes Leben führt materielle, evolutio-näre, endliche Geschöpfe direkt zum Erreichen geistiger Herrschaft im Persönlichkeitsbereich und bringt diese Geschöpfe dem Verständnis des Vater-Unendlichen einen Schritt näher. Solch ein Leben im Vater ist eines, das sich auf Wahrheit gründet, auf Schönheit anspricht und durch Güte beherrscht wird. Eine solche Gott kennende Person ist durch Anbetung inwendig erleuchtet und widmet sich nach außen hin von ganzem Herzen dem Dienst an der universellen Bruderschaft aller Persönlichkeiten, einem dienenden Wirken, das von Barmherzigkeit erfüllt ist und durch Liebe motiviert wird, während all diese Lebensqualitäten in der sich entwickelnden Persönlichkeit eine Einigung erfahren auf immer höheren Ebenen der kosmischen Weisheit, der Selbstverwirklichung, des Findens von Gott und der Anbetung des Vaters. [Dargeboten von einem Melchisedek von Nebadon.] ****** Kapitel 107 Ursprung und Natur der Gedankenjustierer ****** OBWOHL der Universale Vater persönlich im Paradies, im Zentrum des Universums wohnt, ist er tatsächlich auch auf den Welten des Raums im Verstand seiner ungezählten Kinder der Zeit anwesend, weil er als Unergründlicher Mentor ihr Inneres bewohnt. Der ewige Vater ist zugleich ungeheuer weit von seinen planetarischen sterblichen Söhnen entfernt und in innigster Weise mit ihnen verbunden. Die Justierer sind die Wirklichkeit der in der Seele der Menschen inkarnierten Liebe des Vaters; sie sind das im menschlichen Verstand gefangene wahrhaftige Versprechen der ewigen Laufbahn des Menschen; sie sind die Essenz der vervollkommneten Finalistenpersönlichkeit des Menschen, von der er bereits in der Zeit einen Vorgeschmack erhalten kann, während er mehr und mehr die göttliche Technik meistert, den Willen des Vaters zu leben, Schritt für Schritt und Universum nach Universum aufsteigend, bis er tatsächlich die göttliche Gegenwart des Paradies-Vaters erreicht. Gott, der dem Menschen geboten hat, vollkommen zu sein, wie er selber vollkommen ist, ist als der Justierer herabgestiegen, um zum erfahrungsmäßigen Partner des Menschen beim Vollbringen der so verordneten himmlischen Bestimmung zu werden. Das Gottesfragment, das dem Verstand des Menschen innewohnt, ist die absolute und uneingeschränkte Zusicherung, dass der Mensch den Universalen Vater zusammen mit diesem göttlichen Justierer finden kann, welcher von Gott gekommen ist, um den Menschen zu finden und ihn schon in dessen irdischen Tagen als Sohn anzunehmen. Jeder Sterbliche, der einen Schöpfersohn gesehen hat, hat den Universalen Vater gesehen, und wer in sich einen göttlichen Justierer beherbergt, dem wohnt der Paradies-Vater inne. Jeder Sterbliche, der bewusst oder unbewusst den Anweisungen seines innewohnenden Justierers folgt, lebt gemäß dem Willen Gottes. Bewusstsein der Gegenwart des Justierers ist Bewusstsein der Gegenwart Gottes. Die ewige Fusion des Justierers mit der evolutionären Seele ist des Menschen tatsächliche Erfahrung der ewigen Vereinigung mit Gott als eines Universumspartners der Gottheit. Der Justierer ist es, der im Menschen das unstillbare Verlangen und die unaufhörliche Sehnsucht schafft, Gott zu gleichen, das Paradies zu erreichen und dort vor der wirklichen Person der Gottheit die unendliche Quelle des göttlichen Geschenks anzubeten. Der Justierer ist die lebendige Gegenwart, die den sterblichen Sohn wirklich mit seinem Paradies-Vater verbindet und ihn immer näher an den Vater heranzieht. Der Justierer ist unser kompensierender Ausgleich zwischen der ungeheuren Universumsspannung, geschaffen durch die Größe der Entfernung des Menschen von Gott und durch den Grad seiner Bruchstückhaftigkeit im Gegensatz zu der Universalität des ewigen Vaters. Der Justierer ist eine im Verstand eines endlichen Geschöpfes gefangene absolute Essenz eines unendlichen Wesens, die gestützt auf die Wahl eines solchen Sterblichen die provisorische Vereinigung Gottes mit dem Menschen definitiv vollziehen und wahrhaft eine neue Art von Wesen für den nie endenden Universumsdienst verwirklichen kann. Der Justierer ist die göttliche Universumsrealität, welche die Tatsache verkörpert, dass Gott der Vater des Menschen ist. Der Justierer ist des Menschen unfehlbarer kosmischer Kompass, der die Seele immer und unbeirrbar nach Gott hin ausrichtet. Auf den evolutionären Welten durchlaufen die Willensgeschöpfe drei allgemeine Entwicklungsstadien des Seins: Von der Ankunft der Justierer an bis zum relativen Erwachsensein - auf Urantia mit ungefähr zwanzig Jahren - werden die Mentoren manchmal als Gedankenveränderer bezeichnet. Von da an bis zum Erreichen des Alters der Besonnenheit mit etwa vierzig Jahren nennt man die Unergründlichen Mentoren Gedankenjustierer. Vom Erreichen der Besonnenheit an bis zu der Befreiung vom Körper werden sie oft als Gedankenüberwacher charakterisiert. Diese drei Lebensphasen des Sterblichen stehen in keiner Verbindung zu den drei Stadien des Justiererfortschritts beim Schaffen eines Verstandesdoppels und bei der Entwicklung der Seele. ***** 107.1 Ursprung der Gedankenjustierer ***** Da die Gedankenjustierer von derselben Wesensart wie die ursprüngliche Gottheit sind, darf sich niemand anmaßen, abschließend über ihre Natur und ihren Ursprung zu urteilen; ich kann nur die Überlieferungen Salvingtons und die Vorstellungen Uversas vermitteln; ich kann nur erklären, wie wir diese Unergründlichen Mentoren und die ihnen verwandten Wesenheiten im ganzen Großen Universum sehen. Obwohl über die Art der Verleihung der Gedankenjustierer verschiedene Ansichten herrschen, gibt es hinsichtlich ihres Ursprungs keine derartigen Differenzen; alle gehen darin einig, dass sie direkt vom Universalen Vater, dem Ersten Zentralen Ursprung ausgehen. Es sind keine erschaffenen Wesen; es sind fragmentierte Wesenheiten, welche von der tatsächlichen Gegenwart des unendlichen Gottes zeugen. Gleich wie die vielen ihnen verwandten, nicht offenbarten Wesenheiten sind die Justierer unverdünnte und unvermischte Göttlichkeit, uneingeschränkte und unabgeschwächte Teile der Gottheit; sie kommen aus Gott, und insofern als wir fähig sind, es zu erkennen, sind sie Gott. Wann sie begonnen haben, von der Absolutheit des Ersten Zentralen Ursprungs getrennte Existenzen zu führen, wissen wir nicht, noch kennen wir ihre Zahl. Wir wissen sehr wenig über ihre Laufbahn, bevor sie auf den Planeten der Zeit anlangen, um dem menschlichen Verstand innezuwohnen, aber von diesem Zeitpunkt an sind wir mehr oder weniger vertraut mit ihrer kosmischen Laufbahn bis einschließlich der Erfüllung ihrer Bestimmung, die dreifacher Art ist: Gewinnung der Persönlichkeit durch Fusion mit einem sterblichen Aufsteiger, Gewinnung der Persönlichkeit auf Weisung des Universalen Vaters oder Befreiung von den bekannten Aufgaben der Gedankenjustierer. Obwohl wir es nicht wissen, nehmen wir an, dass mit der Erweiterung des Universums und der wachsenden Zahl von Anwärtern auf Justierer-Fusion ständig neue Justierer individualisiert werden. Aber es ist ebenso gut möglich, dass wir uns im Irrtum befinden, wenn wir die Justierer zahlenmäßig erfassen wollen; wie Gott selber sind diese Fragmente seiner unergründlichen Natur vielleicht existentiell unendlich. Die Technik des Ursprungs der Gedankenjustierer ist eine der nicht offenbarten Funktionen des Universalen Vaters. Wir haben allen Grund zu glauben, dass keiner der anderen absoluten Partner des Ersten Zentralen Ursprungs das Geringste mit der Erzeugung der Vaterfragmente zu tun hat. Die Justierer sind ganz einfach und ewig die göttlichen Geschenke; sie sind von Gott und kommen aus Gott, und sie sind wie Gott. In ihrer Beziehung zu Fusionsgeschöpfen legen sie eine himmlische Liebe und ein geistiges Wirken an den Tag, das die Aussage "Gott ist Geist" zutiefst bestätigt. Aber zusätzlich zu diesem transzendenten Dienst findet noch vieles statt, was den Sterblichen Urantias nie offenbart worden ist. Ebenso wenig verstehen wir ganz, was wirklich geschieht, wenn der Universale Vater etwas von sich selbst gibt, damit es ein Teil der Persönlichkeit eines zeitlichen Geschöpfes werde. Und das aufsteigende Fortschreiten der Paradies-Finalisten hat bis jetzt nicht die vollen Möglichkeiten enthüllt, die in dieser himmlischen Partnerschaft des Menschen mit Gott beschlossen liegen. Letztlich müssen die Vaterfragmente das Geschenk des absoluten Gottes an jene Geschöpfe sein, deren Bestimmung die Möglichkeit einschließt, Gott als Absoluten zu erreichen. So wie der Universale Vater seine vorpersönliche Gottheit fragmentiert, individualisiert der Unendliche Geist Portionen seines vorintellektuellen Geistes, um in den evolutionären Seelen der fortlebenden Sterblichen der Serie mit Geist-Fusion Wohnung zu nehmen und tatsächlich mit ihnen zu fusionieren. Aber die Natur des Ewigen Sohnes lässt sich nicht in dieser Weise fragmentieren; der Geist des Ursprünglichen Sohnes ist entweder diffus oder getrennt persönlich. Mit dem Sohn fusionierte Geschöpfe vereinigen sich mit individualisierten Gaben des Geistes der Schöpfersöhne des Ewigen Sohnes. ***** 107.2 Klassifizierung der Justierer ***** Die Justierer werden als jungfräuliche Wesenheiten individualisiert, und alle haben die Bestimmung, entweder befreit zu werden, zu fusionieren oder Personifizierte Mentoren zu werden. Soviel wir wissen, gibt es sieben Ordnungen von Gedankenjustierern, wenn wir auch diese Unterteilungen nicht ganz verstehen. Wir beziehen uns oft in folgender Weise auf die verschiedenen Ordnungen: 1. Jungfräuliche Justierer, jene, die zum ersten Mal ein Amt im Verstand evolutionärer Anwärter auf das ewige Fortleben versehen. Die Unergründlichen Mentoren sind ewig uniform in göttlicher Natur. Sie sind auch uniform in erfahrungsmäßiger Hinsicht, wenn sie Divinington zum ersten Mal verlassen; die spätere erfahrungsmäßige Differenzierung ist die Folge tatsächlicher Erfahrung im Universumsdienst. 2. Fortgeschrittene Justierer, jene, die ein oder mehrmals Geschöpfen auf Welten gedient haben, wo die schließliche Fusion zwischen der Identität des Geschöpfes der Zeit und einer individualisierten Portion des Geistes der lokaluniversellen Manifestation des Dritten Zentralen Ursprungs stattfindet. 3. Höchste Justierer, jene Mentoren, die im Abenteuer der Zeit auf evolutionären Welten gedient haben, deren menschliche Partner aber aus irgendeinem Grund das ewige Fortleben abgelehnt haben, und denen danach andere Abenteuer in anderen Sterblichen auf anderen evolutionären Welten zugewiesen wurden. Obwohl ein höchster Justierer nicht göttlicher ist als ein jungfräulicher Mentor, hat er mehr Erfahrung gesammelt und kann im menschlichen Verstand Dinge bewirken, die einem weniger erfahrenen Justierer nicht möglich wären. 4. Verschwundene Justierer. Hier ereignet sich ein Bruch in unseren Bemühungen, dem Werdegang der Unergründlichen Mentoren zu folgen. Es gibt ein viertes Stadium des Dienstes, über das wir keine Gewissheit haben. Die Melchisedeks lehren, dass die Justierer des vierten Stadiums, mit besonderen Aufgaben betraut, das Universum der Universen durchschweifen. Die Einsamen Botschafter neigen zu der Annahme, dass sie sich, eins mit dem Ersten Zentralen Ursprung, einer Periode erfrischenden Zusammenseins mit dem Vater selber erfreuen. Und es ist durchaus möglich, dass ein Justierer das Alluniversum durchschweifen und gleichzeitig mit dem allgegenwärtigen Vater eins sein kann. 5. Befreite Justierer, jene Unergründlichen Mentoren, die auf ewig vom zeitlichen Dienst an den Sterblichen auf sich entwickelnden Sphären befreit worden sind. Welcher Art ihre Funk-tionen sind, wissen wir nicht. 6. Fusionierte Justierer - Finalisten - jene, die mit den aufsteigenden Geschöpfen der Superuniversen eins geworden sind, die Ewigkeitspartner der zeitlichen Aufsteiger des Paradies-Korps der Finalität. Gewöhnlich fusionieren die Gedankenjustierer mit den aufsteigenden Sterblichen der Zeit, und zusammen mit diesen fortlebenden Sterblichen werden sie in und außerhalb Aszendingtons in die Register eingetragen; sie folgen dem Weg aufsteigender Wesen. Nach der Fusion mit der aufsteigenden evolutionären Seele wechselt der Justierer offenbar von der absoluten existentiellen Ebene des Universums auf die endliche erfahrungsmäßige Ebene funktionellen Zusammenwirkens mit einer aufsteigenden Persönlichkeit hinüber. Obwohl ein fusionierter Justierer alle Eigenschaften der existentiellen göttlichen Natur beibehält, wird er unauflöslich mit der aufsteigenden Laufbahn eines fortlebenden Sterblichen verbunden. 7. Personifizierte Justierer, jene, die in inkarnierten Paradies-Söhnen gedient haben, und viele andere, die sich während ihres Aufenthaltes in Sterblichen besonders ausgezeichnet haben, deren Schützlinge indessen ein Fortleben ablehnten. Wir haben Grund zu der Annahme, dass solche Justierer auf Empfehlung der Ältesten der Tage des Superuniversums, in dem sie dienen, personifiziert werden. Es gibt viele Arten der Klassifizierung dieser geheimnisvollen Gottesfragmente: nach ihrer Aufgabe im Universum, nach Maßgabe ihres Erfolges während ihres Aufenthaltes in einem einzelnen Sterblichen oder sogar nach dem rassischen Erbe des sterblichen Fusionskandidaten. ***** 107.3 Die Heimat der Justierer auf Divinington ***** Alle Universumsaktivitäten im Zusammenhang mit Aussendung, Zuteilung, Leitung und Rückkehr der Unergründlichen Mentoren von ihrem Dienst in allen sieben Superuniversen scheinen auf der heiligen Sphäre Divinington zentriert zu sein. Soviel ich weiß, ist niemand außer Justierern und anderen Wesenheiten des Vaters je auf dieser Sphäre gewesen. Es ist wahrscheinlich, dass zahlreiche nicht offenbarte vorpersönliche Wesenheiten Divinington als Heimatsphäre mit den Justierern teilen. Wir mutmaßen, dass diese verwandten Wesenheiten in irgendeiner Weise mit dem gegenwärtigen und zukünftigen Dienst der Unergründlichen Mentoren verbunden sind. Aber wir wissen es wirklich nicht. Wenn Gedankenjustierer zum Vater heimkehren, gehen sie zu ihrer vermutlichen Ursprungswelt, nach Divinington, zurück; und wahrscheinlich findet als Teil dieser Erfahrung ein wirklicher Kontakt mit der Paradies-Persönlichkeit des Vaters ebenso wie mit einer besonderen Manifestation der Göttlichkeit des Vaters statt, die sich auf dieser geheimen Sphäre befinden soll. Obwohl wir über alle sieben geheimen Sphären des Paradieses etwas wissen, wissen wir über Divinington weniger als über die anderen. Wesen einer hohen geistigen Ordnung erhalten nur drei göttliche Befehle, nämlich: 1. Immer angemessenen Respekt vor der Erfahrung und den Talenten ihrer Senioren und Vorgesetzten zu bekunden. 2. Immer der Beschränkungen und Unerfahrenheit ihrer Junioren und Untergebenen eingedenk zu bleiben. 3. Nie den Versuch einer Landung auf Divinington zu unternehmen. Ich habe mir oft überlegt, dass es für mich völlig unnütz wäre, nach Divinington zu gehen; ich wäre wahrscheinlich außerstande, irgendwelche ortsansässige Wesen mit Ausnahme solcher wie der Personifizierten Justierer wahrzunehmen, und diese habe ich schon anderswo gesehen. Ich bin sehr sicher, dass es auf Divinington für mich nichts von wirklichem Wert oder Nutzen gibt, nichts für mein Wachstum und meine Entwicklung Wesentliches, sonst hätte man mir nicht verboten hinzugehen. Da wir aus Divinington über Natur und Ursprung der Justierer wenig oder nichts erfahren können, sind wir gezwungen, Auskünfte aus tausendundeiner Quelle zu schöpfen, und es ist notwendig, diese gesammelten Einzelheiten zusammenzufügen, zu verbinden und zu korrelieren, damit solches Wissen informativ wird. Der Mut und die Weisheit, die die Gedankenjustierer zeigen, legen nahe, dass sie einer Schulung von ungeheurer Breite und Reichweite unterzogen wurden. Da sie keine Persönlichkeiten sind, muss diese Schulung in den Erziehungsinstitutionen Diviningtons erfolgen. Ohne Zweifel besteht das Personal der Justierer-Lehranstalten Diviningtons aus den einzigartigen Personifizierten Justierern. Und wir wissen mit Sicherheit, dass diese zentrale leitende Körperschaft durch den jetzt Personifizierten Justierer jenes Paradies-Sohnes der Michael-Ordnung präsidiert wird, der als Erster seine siebenfache Selbsthingabe an die Rassen und Völker der Welten seines Universums abschloss. Wir wissen wirklich nur sehr wenig über die nichtpersonifizierten Justierer; nur mit den personifizierten Ordnungen kommen wir in Kontakt und pflegen wir Austausch. Deren Angehörige erhalten auf Divinington einen Namen, und man kennt sie immer unter diesem Namen und nicht unter einer Nummer. Die Personifizierten Justierer haben ihre bleibende Wohnstatt auf Divinington; diese heilige Sphäre ist ihre Heimat. Sie verlassen diesen Ort nur, wenn der Universale Vater es so will. Man findet ihrer nur sehr wenige im Bereich der Lokaluniversen, aber im Zentraluniversum sind sie in größerer Zahl vorhanden. ***** 107.4 Natur und Gegenwart der Justierer ***** Wenn man sagt, ein Gedankenjustierer sei göttlich, anerkennt man damit nur die Natur seines Ursprungs. Es ist höchst wahrscheinlich, dass solch reine Göttlichkeit die Essenz des Potentials aller Attribute der Gottheit umfasst, die in einem solchen Fragment der absoluten Essenz der universalen Gegenwart des ewigen und unendlichen Paradies-Vaters enthalten sein können. Der wirkliche Ursprung des Justierers muss unendlich sein, und vor der Fusion mit der unsterblichen Seele eines sich entwickelnden Sterblichen muss die Realität des Justierers an Absolutheit grenzen. Justierer sind nicht Absolute im universalen Sinne, im Sinne der Gottheit, aber sie sind wahrscheinlich richtige Absolute innerhalb der Potentialitäten ihrer fragmentierten Natur. Sie sind hinsichtlich Universalität eingeschränkt, nicht aber ihrer Natur nach; sie sind begrenzt in der Breitendimension, aber was die Intensität von Bedeutung, Wert und Tatsache anbetrifft, sind sie absolut. Aus diesem Grunde nennen wir die göttlichen Geschenke manchmal bedingte absolute Vaterfragmente. Nie hat sich ein Justierer dem Paradies-Vater gegenüber illoyal verhalten; die niedrigeren Ordnungen persönlicher Geschöpfe haben manchmal mit ungetreuen Mitgliedern zu ringen, aber die Justierer niemals; sie sind in ihrer himmlischen Sphäre universeller Funktion und des Dienens am Geschöpf über alles erhaben und unfehlbar. Nichtpersonifizierte Justierer sind nur für Personifizierte Justierer sichtbar. Meine Ordnung der Einsamen Botschafter sowie die Inspirierten Geiste der Trinität können die Gegenwart von Justierern dank Phänomenen geistiger Reaktion feststellen; sogar die Seraphim können manchmal das geistige Leuchten wahrnehmen, das mit der Gegenwart von Mentoren im materiellen Verstand der Menschen in Verbindung gebracht wird; aber keiner von uns ist imstande, die tatsächliche Gegenwart von Justierern wirklich festzustellen, solange sie nicht personifiziert worden sind, obwohl ihre Natur durchschimmert, wenn sie mit den fusionierten Persönlichkeiten der aus den evolutionären Welten aufsteigenden Sterblichen eine Einheit bilden. Die universelle Unsichtbarkeit der Justierer ist ein sehr starker Hinweis auf ihr hohes und ausschließlich göttliches Herkommen und Wesen. Es gibt ein charakteristisches Licht, ein geistiges Leuchten, das diese göttliche Gegenwart begleitet und das man im Allgemeinen mit den Gedankenjustierern in Verbindung gebracht hat. Im Universum von Nebadon kennt man dieses Paradies-Leuchten weitherum als das "Lotsenlicht"; auf Uversa nennt man es "Licht des Lebens". Auf Urantia hat man manchmal von ihm gesprochen als von dem "wahren Licht, das jeden Menschen erhellt, der in die Welt kommt". Für alle Wesen, die den Universalen Vater erreicht haben, sind die Personifizierten Gedankenjustierer sichtbar. Die Justierer aller Stadien sowie alle anderen Wesen, Wesenheiten, Geiste, Persönlichkeiten und Geistmanifestationen sind für die Supremen Schöpferpersönlichkeiten, die den Paradies-Gottheiten entstammen und den Hauptregierungen des Großen Universums vorstehen, stets sichtbar. Seid ihr euch der wahren Bedeutung der Tatsache, dass euch ein Justierer innewohnt, auch wirklich bewusst? Ermesst ihr wirklich, was es heißt, ein absolutes Fragment der absoluten und unendlichen Gottheit, des Universalen Vaters, in euch zu haben, das mit eurer endlichen Natur eines Sterblichen fusionieren will? Wenn ein sterblicher Mensch mit einem wirklichen Fragment der existentiellen Ursache des gesamten Kosmos fusioniert, kann der Bestimmung einer solch unerhörten und unvorstellbaren Partnerschaft nie eine Grenze gesetzt werden. In der Ewigkeit wird der Mensch nicht nur die Unendlichkeit der objektiven Gottheit entdecken, sondern auch die nie endende Potentialität des subjektiven Fragmentes dieses selben Gottes. Stets wird der Justierer der sterblichen Persönlichkeit das Wunder Gottes offenbaren, und nie kann diese himmlische Offenbarung ein Ende nehmen, denn der Justierer ist von Gott und ist für den sterblichen Menschen wie Gott. ***** 107.5 Die Verstandesart der Justierer ***** Die evolutionären Sterblichen sind geneigt, den Verstand als einen kosmischen Mittler zwischen Geist und Materie anzusehen, denn das ist aus eurem Blickwinkel in der Tat das hauptsächliche Wirken des Verstandes. Es ist deshalb für Menschen recht schwierig zu fassen, dass Gedankenjustierer einen Verstand besitzen, denn die Justierer sind Fragmentierungen Gottes auf einer absoluten Realitätsebene, die nicht nur vorpersönlich ist, sondern auch vor aller Ausdifferenzierung in Energie und Geist existiert. Auf einer monistischen Ebene vor der Aufteilung in Energie und Geist sollte es keine Mittlerrolle des Verstandes geben, da es keine Verschiedenheiten gibt, zwischen denen vermittelt werden könnte. Da die Justierer planen, arbeiten und lieben können, muss ihr Selbst über Kräfte verfügen, die mit dem Verstand im Einklang stehen. Sie haben eine unbegrenzte Fähigkeit zu gegenseitiger Kommunikation - wenigstens trifft das für alle Arten von Mentoren oberhalb der ersten oder jungfräulichen Gruppe zu. Was Wesen und Inhalt ihres Austauschs anbelangt, können wir kaum etwas offenbaren, weil wir darüber nichts wissen. Aber wir wissen, dass sie irgendwie über Verstand verfügen müssen, ansonsten könnten sie nie personifiziert werden. Die Verstandesart des Gedankenjustierers ist wie die Verstandesart des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes - die gegenüber allen Arten von Verstand des Mit-Vollziehers eine Ahnenstellung einnehmen. Die in einem Justierer vorausgesetzte Verstandesart muss dieselbe sein wie die Verstandesbegabung zahlreicher anderer Ordnungen vorpersönlicher Wesenheiten, die vermutlich ebenfalls dem Ersten Zentralen Ursprung entstammen. Viele dieser Ordnungen, obwohl auf Urantia nicht offenbart, zeigen allesamt mentale Eigenschaften. Es ist diesen Individualisierungen der ursprünglichen Gottheit auch möglich, sich mit zahlreichen evolutionären Arten nichtsterblicher Wesen zu vereinigen und sogar mit einer begrenzten Zahl nichtevolutionärer Wesen, welche die Fähigkeit zu einer Fusion mit solchen Gottesfragmenten entwickelt haben. Wenn ein Gedankenjustierer mit der sich entwickelnden unsterblichen morontiellen Seele des fortlebenden Menschen fusioniert hat, kann der Verstand des Justierers nur so lange als vom Verstand des Geschöpfes getrennt identifiziert werden, als der aufsteigende Sterbliche nicht geistige Ebenen universellen Fortschritts erreicht hat. Nach dem Erreichen der Finalistenebenen aufsteigender Erfahrung scheint in diesen Geistwesen des sechsten Stadiums eine Verwandlung jenes Verstandesfaktors vorzugehen, der eine Vereinigung bestimmter Phasen des menschlichen und Justiererverstandes darstellt und zuvor als Bindeglied zwischen der göttlichen und der menschlichen Phase solch aufsteigender Persönlichkeiten funktioniert hatte. Diese erfahrungsmäßige Verstandeseigenschaft wird wahrscheinlich "suprematisiert" und erhöht in der Folge die erfahrungsmäßige Begabung der evolutionären Gottheit - des Supremen Wesens. ***** 107.6 Die Justierer als reine Geiste ***** So wie man den Justierern in der Erfahrung der Geschöpfe begegnet, verraten sie die Gegenwart eines führenden geistigen Einflusses. Der Justierer ist in der Tat ein Geist, reiner Geist, aber Geist und noch mehr. Wir sind nie imstande gewesen, die Unergründlichen Mentoren befriedigend einzuordnen; alles, was mit Bestimmtheit von ihnen gesagt werden kann, ist, dass sie wahrhaft wie Gott sind. Der Justierer ist des Menschen Ewigkeitsmöglichkeit; der Mensch ist des Justierers Persönlichkeitsmöglichkeit. Eure individuellen Justierer arbeiten an eurer Vergeistigung in der Hoffnung auf die Verewigung eurer zeitlichen Identität. Die Justierer sind überreich an der wunderbaren und sich selbst verschenkenden Liebe des Vaters der Geiste. Sie lieben euch wahrhaftig und auf göttliche Weise; sie sind die Gefangenen geistiger Hoffnung, eingeschlossen im Verstand der Menschen. Sie sehnen sich danach, dass euer menschlicher Verstand Göttlichkeit erreiche, damit ihre Einsamkeit ein Ende nehme, damit sie mit euch von den Begrenzungen materieller Ausstattung und den Gewändern der Zeit frei würden. Euer Pfad paradieswärts ist ein Pfad geistigen Vollbringens, und die Natur des Justierers wird vor euch getreu die Offenbarung der geistigen Natur des Universalen Vaters entfalten. Nach dem Aufstieg zum Paradies und in den Nachfinalisten-Stadien der ewigen Laufbahn wird der Justierer möglicherweise seinen ehemals menschlichen Partner für andere als geistige Aufgaben kontaktieren; aber der Aufstieg zum Paradies und die Laufbahn als Finalist bestehen aus der Partnerschaft zwischen dem Gott kennenden und sich vergeistigenden Sterblichen und dem geistigen Wirken des Gott offenbarenden Justierers. Wir wissen, dass die Gedankenjustierer Geiste, reine Geiste, vermutlich absolute Geiste sind. Aber der Justierer muss noch etwas mehr sein als eine ausschließlich geistige Realität. Zusätzlich zu der angenommenen Verstandesbegabung sind auch Faktoren reiner Energie anwesend. Wenn ihr euch daran erinnern wollt, dass Gott die Quelle reiner Energie und reinen Geistes ist, dürfte die Erkenntnis nicht so schwer fallen, dass seine Fragmente beides sind. Es ist eine Tatsache, dass die Justierer den Raum auf den augenblicklichen und universellen Gravitationskreisläufen der Paradies-Insel durchqueren. Dass die Unergründlichen Mentoren in dieser Weise mit den materiellen Kreisläufen des Universums der Universen verbunden sind, ist in der Tat erstaunlich. Aber es bleibt eine Tatsache, dass sie das ganze Große Universum blitzartig über die Kreisläufe materieller Gravitation durcheilen. Es ist durchaus möglich, dass sie auch in die Ebenen des Äußeren Raums vordringen; bestimmt könnten sie der Gravitationsgegenwart des Paradieses in diese Gegenden folgen, aber obwohl meine Persönlichkeitsordnung die Verstandeskreisläufe des Mit-Vollziehers auch jenseits der Grenzen des Großen Universums durchlaufen kann, sind wir nie sicher gewesen, die Gegenwart von Justierern in den unerforschten Regionen des Äußeren Raums auszumachen. Obschon die Justierer die materiellen Gravitationskreisläufe benutzen, sind sie diesen doch nicht unterworfen wie die materielle Schöpfung. Die Justierer sind Fragmente des Urvaters der Gravitation, nicht die Folgen der Gravitation; sie sind auf einer universellen Existenzebene segmentiert worden, die vermutlich vor dem Auftreten der Gravitation liegt. Gedankenjustierer kennen vom Augenblick ihrer Zuteilung bis zum Tag, an dem der natürliche Tod ihrer sterblichen Schutzbefohlenen sie nach Divinington entlässt, kein Ausspannen. Und diejenigen, deren Schützlinge nicht durch die Pforte des natürlichen Todes gehen, erfahren nicht einmal diese vorübergehende Ruhepause. Gedankenjustierer haben es nicht nötig, Energie aufzunehmen; sie sind Energie, Energie der höchsten und göttlichsten Art. ***** 107.7 Justierer und Persönlichkeit ***** Gedankenjustierer sind keine Persönlichkeiten, aber sie sind wirkliche Wesenheiten; sie sind wahrhaftig und vollkommen individualisiert, obwohl sie, während sie die Sterblichen bewohnen, tatsächlich nie personifiziert werden. Gedankenjustierer sind keine wahren Persönlichkeiten; sie sind wahre Realitäten, Realitäten der reinsten im Universum der Universen bekannten Art - sie sind die göttliche Gegenwart. Obwohl diese wunderbaren Fragmente des Vaters nicht persönlich sind, spricht man von ihnen gewöhnlich als von Wesen und, angesichts der geistigen Phasen ihres gegenwärtigen Amtes bei den Sterblichen, als von geistigen Wesenheiten. Wenn die Gedankenjustierer keine Persönlichkeiten sind, die mit den Vorrechten des Willens und des Wahlvermögens ausgestattet sind, wie können sie dann sterbliche Schützlinge auswählen und sich freiwillig melden, um in diesen Geschöpfen der evolutionären Welten Wohnung zu nehmen? Es ist leicht, diese Frage zu stellen, aber wohl kein Wesen im Universum der Universen hat je die exakte Antwort darauf gefunden. Selbst meine Persönlichkeitsordnung der Einsamen Botschafter versteht nicht ganz, wie Wesen, die nicht persönlich sind, mit Willen, Wahlfähigkeit und Liebe begabt sein können. Wir haben oft gemutmaßt, dass die Gedankenjustierer einen Willen auf allen vorpersönlichen Ebenen der Wahl haben müssen. Sie melden sich freiwillig, um Menschenwesen zu bewohnen, sie entwerfen Pläne für die ewige Laufbahn der Menschen, sie nehmen je nach den Umständen Anpassungen, Änderungen und Substitutionen vor, und diese Aktivitäten legen einen echten Willen nahe. Sie besitzen Liebe für die Sterblichen, sie wirken in Universumskrisen, sie warten mit entschiedenem Handeln gemäß menschlicher Wahl stets zu, und all das sind im höchsten Grade Willensreaktionen. In allen Situationen, die den Bereich des menschlichen Willens nicht berühren, zeigen sie ein Verhalten, das fraglos die Ausübung einer Macht bedeutet, die in jeder Hinsicht dem Willen, größter Beschlussfähigkeit, gleichzusetzen ist. Weshalb sind dann die Gedankenjustierer, wenn sie doch einen Willen besitzen, dem Willen der Sterblichen unterworfen? Wir glauben den Grund darin zu sehen, dass sich der Justierer-Wille, obwohl von absoluter Natur, auf einer vorpersönlichen Ebene manifestiert. Der menschliche Wille funktioniert auf der Persönlichkeitsebene der Universumsrealität, und im gesamten Kosmos ist das Unpersönliche - das Nichtpersönliche, das Unterpersönliche und das Vorpersönliche - stets empfänglich für den Willen und die Handlungen existierender Persönlichkeit. In einem ganzen Universum erschaffener Wesen und unpersönlicher Energien beobachten wir nie, dass sich Wille, Wahl und Liebe unabhängig von Persönlichkeit manifestieren. Die Justierer und andere ähnliche Wesenheiten ausgenommen, begegnen wir nie einem Funktionieren dieser Attribute der Persönlichkeit im Verein mit unpersönlichen Realitäten. Es wäre nicht zutreffend, einen Justierer als unterpersönlich zu bezeichnen, noch wäre es angemessen, von solch einer Wesenheit als überpersönlich zu sprechen, aber es wäre durchaus erlaubt, ein solches Wesen vorpersönlich zu nennen. Unsere Ordnungen von Wesen nennen diese Gottheitsfragmente die "göttlichen Geschenke". Wir erkennen, dass die Justierer göttlichen Ursprungs sind und dass sie wahrscheinlich den eindeutigen Beweis dafür darstellen, dass der Universale Vater sich die Möglichkeit vorbehalten hat, in seinen praktisch unendlichen Reichen in direkter und unbegrenzter Verbindung mit jedem beliebigen materiellen Geschöpf zu stehen, und all das durchaus unabhängig von seiner Gegenwart in den Persönlichkeiten seiner Paradies-Söhne oder von seinem indirekten Wirken durch die Persönlichkeiten des Unendlichen Geistes. Es gibt keine erschaffenen Wesen, die nicht mit Wonne einen Unergründlichen Mentor beherbergen würden, aber keine Wesensordnungen außer den evolutionären Willensgeschöpfen mit Finalistenbestimmung werden in dieser Weise bewohnt. [Dargeboten von einem Einsamen Botschafter aus Orvonton.] ****** Kapitel 108 Sendung und Wirken der Gedankenjustierer ****** DIE Sendung der Gedankenjustierer zum Wohle der menschlichen Rassen besteht darin, bei den sterblichen Geschöpfen von Zeit und Raum den Universalen Vater zu vertreten und ihnen dieser Vater zu sein; das ist die grundlegende Aufgabe dieser göttlichen Geschenke. Ihre Mission besteht auch darin, das Denken der Sterblichen zu heben und die unsterblichen Seelen der Menschen auf die göttlichen Höhen und geistigen Ebenen paradiesischer Vollkommenheit zu führen. Und durch diese Erfahrung der Verwandlung der menschlichen Natur eines zeitlichen Geschöpfes in die göttliche Natur eines ewigen Finalisten bringen die Justierer einen einzigartigen Wesenstyp ins Dasein, ein Wesen, das aus der ewigen Vereinigung des vollkommenen Justierers und des vervollkommneten Geschöpfes besteht und das keine andere Universumstechnik hervorzubringen vermöchte. Nichts im ganzen Universum kann die Tatsache der Erfahrung auf nicht-existentiellen Ebenen ersetzen. Der unendliche Gott ist wie immer überreich und vollständig und seine Unendlichkeit umfasst alle Dinge außer dem Üblen und der Geschöpfeserfahrung. Gott kann nichts Falsches tun; er ist unfehlbar. Gott kann nicht aus Erfahrung kennen, was er nie persönlich erfahren hat; Gottes Vorauswissen ist existentieller Art. Deshalb steigt der Geist des Vaters vom Paradies hernieder, um mit den endlichen Sterblichen an jeder echten Erfahrung der aufsteigenden Laufbahn teilzunehmen; allein durch diese Methode konnte der existentielle Gott in Tat und Wahrheit zum erfahrungsmäßigen Vater des Menschen werden. Die Unendlichkeit des ewigen Gottes schließt das Potential für endliche Erfahrung ein, und dieses verwirklicht sich im Dienen der Justiererfragmente, die tatsächlich mit den Menschenwesen die Erfahrungen der Wechselfälle des Lebens teilen. ***** 108.1 Auswahl und Zuteilung ***** Wenn die Justierer von Divinington zum Dienst an den Sterblichen ausgesandt werden, sind sie in identischer Weise im Besitz existentieller Göttlichkeit, aber sie unterscheiden sich in ihren erfahrungsmäßigen Eigenschaften je nach Ausmaß ihres vorausgegangenen Kontaktes mit und in evolutionären Geschöpfen. Wir können nicht erklären, worauf die Zuteilung der Justierer beruht, aber wir vermuten, dass die Verleihung dieser göttlichen Geschenke gemäß einer weisen und wirksamen Versicherung ewiger adaptiver Vereinbarkeit mit der bewohnten Persönlichkeit erfolgt. Wir beobachten, dass der erfahrenere Justierer oft einen höheren menschlichen Verstandestyp bewohnt; das menschliche Erbteil muss demnach eine beträchtliche, Auswahl und Zuteilung bestimmende Rolle spielen. Obwohl wir es nicht mit aller Bestimmtheit wissen, glauben wir fest, dass alle Justierer Freiwillige sind. Aber bevor sie sich freiwillig anerbieten, sind sie im Besitz sämtlicher Angaben über den zu bewohnenden Kandidaten. Die seraphischen Zusammenfassungen über Ahnenschaft und geplante Modelle der Lebensführung werden dem Reservekorps der Justierer auf Divinington über das Paradies durch die Reflexivitätstechnik übermittelt, die sich von den Kapitalen der Lokaluniversen nach innen bis zu den Hauptsitzen der Superuniversen spannt. Diese Vorhersage enthält nicht nur die hereditäre Vorgeschichte des sterblichen Kandidaten, sondern auch eine Einschätzung seiner wahrscheinlichen intellektuellen Begabung und geistigen Fähigkeiten. Die Justierer entschließen sich demnach freiwillig, Verstandeswesen zu bewohnen, über deren innerstes Wesen sie vollständig unterrichtet sind. Der Justierer-Freiwillige ist insbesondere an drei Eignungen des menschlichen Kandidaten interessiert: 1. Intellektuelle Fähigkeit. Ist der Verstand normal? Welches ist das intellektuelle Potential, das Leistungsvermögen der Intelligenz? Kann sich der Betreffende zu einem echten Willensgeschöpf entwickeln? Wird die Weisheit Gelegenheit zum Funktionieren erhalten? 2. Geistige Wahrnehmung. Die Aussichten für die Entwicklung einer ehrfürchtigen Haltung, Geburt und Wachstum der religiösen Natur. Welches ist das Potential der Seele, die wahrscheinliche Empfänglichkeit für Geistiges? 3. Kombinierte intellektuelle und geistige Kräfte. Der Grad einer möglichen Verbindung, Kombination dieser beiden Anlagen, um einen starken menschlichen Charakter hervorzubringen und zu der sicheren Entwicklung einer unsterblichen Seele mit Fortlebenswert beizutragen. Mit diesen Angaben vor Augen melden sich die Mentoren nach unserem Dafürhalten aus freien Stücken für die Zuteilung. Wahrscheinlich meldet sich mehr als ein Justierer; vielleicht wählen die leitenden personifizierten Ordnungen aus dieser Gruppe Freiwilliger denjenigen aus, der sich für die Aufgabe der Vergeistigung und Verewigung der Persönlichkeit des sterblichen Kandidaten am besten eignet. (Bei der Zuteilung und dem Dienst der Justierer spielt das Geschlecht des Geschöpfes keine Rolle.) Die kurze Zeitspanne, die zwischen freiwilliger Meldung und effektiver Entsendung des Justierers liegt, wird wahrscheinlich auf Diviningtons Schulen der Personifizierten Mentoren zugebracht, wo ein funktionierendes Modell des wartenden menschlichen Verstandes benutzt wird, um den beauftragten Justierer mit den wirksamsten Plänen für das Herangehen an die Persönlichkeit und die Vergeistigung des Verstandes vertraut zu machen. Dieses Verstandesmodell wird aus einer Kombination von Daten erstellt, die vom Reflexivitätsdienst des Superuniversums geliefert werden. Wenigstens ist dies unser Verständnis der Dinge, eine Überzeugung, zu der wir durch die Kombination von Informationen gelangt sind, welche wir im Kontakt mit vielen Personifizierten Justierern während der ganzen langen Universumslaufbahn der Einsamen Botschafter gesammelt haben. Wenn es einmal so weit ist, dass die Justierer von Divinington abgesandt werden, ver- streicht praktisch keine Zeit zwischen diesem Augenblick und dem Zeitpunkt ihres Erscheinens im Verstand der von ihnen gewählten Schutzbefohlenen. Die durchschnittliche Transitzeit eines Justierers von Divinington nach Urantia beträgt 117 Stunden, 42 Minuten und 7 Sekunden. Die Registrierung auf Uversa nimmt praktisch diese ganze Zeit in Anspruch. ***** 108.2 Vorbedingungen für den Aufenthalt der Justierer ***** Obwohl sich die Justierer freiwillig zum Dienst melden, sobald die Vorhersagen über die Persönlichkeit nach Divinington übermittelt worden sind, erhalten sie ihren effektiven Auftrag erst, wenn ihre menschlichen Schutzbefohlenen ihre erste persönliche sittliche Entscheidung getroffen haben. Die erste sittliche Wahl eines Kindes wird automatisch im siebenten mentalen Hilfsgeist verzeichnet und durch Vermittlung des lokaluniversellen Schöpferischen Geistes über den universalen Verstandesgravitationskreis des Mit-Vollziehers augenblicklich in der Gegenwart des die Oberhoheit über das Superuniversum ausübenden Hauptgeistes registriert, welcher diese Nachricht unverzüglich nach Divinington übermittelt. Im Durchschnitt treffen die Justierer auf Urantia bei ihren menschlichen Schützlingen kurz vor dem sechsten Geburtstag ein-in der gegenwärtigen Generation nach fünf Jahren, zehn Monaten und vier Tagen; d. h. am 2 134. Tag des irdischen Lebens. Die Justierer können in den menschlichen Verstand nicht einziehen, bevor dieser durch das ihm innewohnende Wirken der mentalen Hilfsgeiste angemessen vorbereitet und in den Kreislauf des Heiligen Geistes aufgenommen worden ist. Und es bedarf des koordinierten Funktionierens aller sieben Hilfsgeiste, um den menschlichen Verstand für die Aufnahme eines Justierers zu qualifizieren. Der Geschöpfesverstand muss ein Verlangen nach Anbetung zeigen und das Wirken der Weisheit dadurch erkennen lassen, dass er die Fähigkeit zeigt, zwischen den erwachenden Werten von Gut und Böse zu wählen-dass er sittliches Wahlvermögen besitzt. Dadurch wird der menschliche Verstand in die Lage versetzt, einen Justierer zu empfangen, aber in der Regel erscheint dieser nicht sofort, um einen solchen Verstand zu bewohnen, außer auf jenen Welten, wo der Geist der Wahrheit als geistiger Koordinator der verschiedenen wirkenden Geiste funktioniert. Ist dieser Geist der Söhne der Selbsthingabe vorhanden, dann kommt der Justierer unfehlbar in dem Augenblick an, wo der siebente mentale Hilfsgeist zu funktionieren beginnt und dem Muttergeist des Universums meldet, dass er potentiell die Koordination der mit ihm zusammenwirkenden sechs Hilfsgeiste erreicht hat, die zuvor auf den Intellekt dieses Sterblichen eingewirkt haben. Deshalb sind auf Urantia seit dem Pfingsttag allen normalen Verstandeswesen mit sittlichem Status weltumfassend göttliche Justierer geschenkt worden. Selbst bei einem mit dem Geist der Wahrheit ausgestatteten Verstand kann der Justierer vor dem Eintreten einer sittlichen Entscheidung nicht willkürlich in den Intellekt des Sterblichen einziehen. Aber wenn einmal solch eine sittliche Entscheidung gefällt wurde, übernimmt der geistige Helfer sein Amt direkt von Divinington aus. Es gibt keine zwischengeschalteten Wesen noch andere Autoritäten oder Gewalten, die zwischen den göttlichen Justierern und ihren menschlichen Schutzbefohlenen funktionieren; Gott und Mensch sind direkt miteinander verbunden. Vor der Zeit des Ausgießens des Geistes der Wahrheit über die Bewohner einer evolutionären Welt scheint die Austeilung von Justierern durch viele geistige Einflüsse und persönliche Haltungen bestimmt zu werden. Wir begreifen die Gesetze nicht ganz, die solche Verleihungen regieren; wir verstehen nicht, was genau die Aussendung von Justierern bestimmt, die sich bereit erklärt haben, solch sich entwickelnde Intellekte zu bewohnen. Hingegen beobachten wir in den vor der Ausgießung des Geistes der Wahrheit liegenden Zeiten zahlreiche Einflüsse und Bedingungen, die offensichtlich mit der Ankunft von Justierern in solchen Verstandeswesen in Verbindung stehen. Und das sind: 1. Die Zuteilung persönlicher seraphischer Hüter. Wenn ein Sterblicher nicht schon zuvor einen Justierer beherbergt, hat die Zuweisung eines persönlichen Hüters die unverzügliche Ankunft eines Justierers zur Folge. Es gibt eine ganz bestimmte, aber unbekannte Beziehung zwischen dem Wirken der Justierer und dem der persönlichen seraphischen Hüter. 2. Das Erreichen des dritten Kreises intellektueller und geistiger Vollbringung. Ich habe die Ankunft von Justierern in menschlichen Intellekten nach der Eroberung des dritten Kreises beobachtet, noch ehe diese Leistung den mit solchen Angelegenheiten betrauten lokaluniversellen Persönlichkeiten gemeldet werden konnte. 3. Nach dem Fällen einer allerhöchsten Entscheidung von außergewöhnlicher geistiger Tragweite. Solch menschliches Verhalten in einer persönlichen oder planetarischen Krise geht im Allgemeinen mit der sofortigen Ankunft des wartenden Justierers einher. 4. Der Geist der Brüderlichkeit. Wenn ein sich entwickelnder Sterblicher von der Liebe zu seinen Mitmenschen beherrscht wird und sich selbstlosem Dienen an seinen irdischen Brüdern verschreibt, steigt der wartende Justierer stets herab, um dem Verstand eines solchen sterblichen Dieners innezuwohnen, ganz unabhängig vom Erreichen der psychischen Kreise, der Zuteilung eines persönlichen Hüters und in Abwesenheit von allem, was einer Entscheidung in einer Krise gleicht. 5. Die Absichtserklärung, den Willen Gottes zu tun. Wir machen die Beobachtung, dass viele Sterbliche auf den Welten des Raums scheinbar bereit sind, einen Justierer zu empfangen, dass der Mentor aber trotzdem nicht erscheint. Wir fahren fort zuzuschauen, wie solche Geschöpfe von Tag zu Tag leben, und bald gelangen sie ruhig, beinah unbewusst, zum Entschluss, damit zu beginnen, nach der Erfüllung des Willens des Vaters im Himmel zu trachten. Und dann beobachten wir die unverzügliche Entsendung eines Gedankenjustierers. 6. Einfluss des Supremen Wesens. Auf Welten, wo die Justierer nicht mit den sich entwickelnden Seelen der sterblichen Bewohner fusionieren, beobachten wir manchmal die Zuteilung von Justierern als Antwort auf Einwirkungen, die sich unserem Verständnis völlig entziehen. Wir mutmaßen, dass diese Verleihungen durch eine kosmische Reflexhandlung bestimmt werden, die ihren Ursprung im Supremen Wesen hat. Weshalb diese Justierer nicht mit diesen besonderen Verstandestypen von Sterblichen fusionieren oder dazu unfähig sind, wissen wir nicht. Diese Vorgänge sind uns nie enthüllt worden. ***** 108.3 Organisation und Verwaltung ***** Soviel wir wissen, sind die Justierer im Universum der Universen als eine unabhängige Arbeitseinheit organisiert, die offenbar direkt von Divinington aus verwaltet wird. Sie sind einheitlicher Natur in sämtlichen sieben Superuniversen; in allen Lokaluniversen dienen identische Typen von Unergründlichen Mentoren. Wir wissen aus der Beobachtung, dass es zahlreiche Justiererserien gibt, was eine serienmäßige Organisation bedeutet, die sich durch Rassen und über Dispensatio-nen und durch Welten, Systeme und Universen zieht. Es ist indessen äußerst schwierig, die Spur dieser göttlichen Geschenke zu verfolgen, da sie im ganzen Großen Universum auswechselbar funktionieren. Die Justierer sind (außerhalb Diviningtons) nur an den Hauptsitzen der sieben Superuniversen vollständig registriert. Nummer und Ordnung jedes einem einzelnen Geschöpf innewohnenden Justierers werden von den Autoritäten des Paradieses dem Hauptsitz des Superuniversums gemeldet, von dort an den Hauptsitz des beteiligten Lokaluniversums weitergeleitet und endlich den einzelnen betroffenen Planeten zugestellt. Aber die Register des Lokaluniversums enthüllen nicht die vollständige Nummer des Gedankenjustierers; die Register Nebadons enthalten nur die Nummer der lokaluniversellen Zuteilung, wie sie von den Vertretern der Ältesten der Tage bestimmt wurde. Die wahre Bedeutung der vollständigen Nummer eines Justierers ist nur auf Divinington bekannt. Einzelmenschen kennt man oft unter der Nummer ihres Justierers; die Sterblichen erhalten vor ihrer Fusion mit dem Justierer keine wirklichen Universumsnamen, und diese Fusion zeichnet sich dadurch aus, dass der Schicksalshüter dem neuen Geschöpf den neuen Namen verleiht. Obwohl wir in Orvonton die Register der Gedankenjustierer besitzen und obwohl wir über sie absolut keine Autorität haben, noch irgendwelche administrative Verbindung zu ihnen unterhalten, glauben wir fest, dass sehr enge administrative Bande zwischen den einzelnen Welten der Lokaluniversen und der zentralen Heimat der göttlichen Geschenke auf Divinington bestehen. Wir wissen, dass einer evolutionären Welt nach dem Erscheinen eines Paradies-Sohnes der Selbsthingabe ein Personifizierter Justierer als planetarischer Leiter der Justierer zugeteilt wird. Es ist interessant festzustellen, dass sich lokaluniverselle Inspektoren, die eine planetarische Begutachtung vornehmen, immer an das planetarische Oberhaupt der Gedankenjustierer wenden, in der Art, wie sie den Chefs der Seraphim und den Führern der anderen Wesensordnungen, die der Verwaltung einer sich entwickelnden Welt angehören, ihre Empfehlungen machen. Es ist nicht lange her, dass Urantia solch eine periodische Inspektion durch Tabamantia erfuhr, den souveränen Überwacher aller Lebensexperimentierplaneten im Universum von Nebadon. Aus den Protokollen geht hervor, dass dieser nebst seinen an die verschiedenen Chefs übermenschlicher Persönlichkeiten gerichteten Ermahnungen und Anklagen dem Oberhaupt der Justierer Anerkennung zollte. Wir wissen nicht bestimmt, ob sich dieser auf dem Planeten, auf Salvington, Uversa oder Divinington befand, aber das waren Tabamantias Worte: "Und nun komme ich zu euch Höheren, weit über mir Stehenden, als einer, welchen zeitweilige Autorität über die Serie der Experimentierplaneten gestellt hat; und ich komme, um meine Bewunderung und tiefe Verehrung für diese großartige Schar himmlischer Diener, die Unergründlichen Mentoren, auszudrücken, die bereit waren, auf dieser von der Norm abweichenden Sphäre zu dienen. Wie schwierig die Krisen auch immer sind, ihr werdet nie wankend. Nie ist in den Annalen Nebadons oder vor den Kommissionen Orvontons gegen einen göttlichen Justierer eine Anklage erhoben worden. Ihr seid eurem Auftrag treu geblieben; ihr seid göttlich loyal gewesen. Ihr habt geholfen, die Irrtümer all derer, die sich auf diesem wirren Planeten abmühen, zu berichtigen und ihre Unzulänglichkeiten wettzumachen. Ihr seid wunderbare Wesen, Hüter des Guten in den Seelen dieser rückständigen Welt. Ich achte euch hoch, auch wenn ihr mir scheinbar als freiwillige Diener unterstellt seid. Ich beuge mich vor euch in demütiger Anerkennung eurer wunderbaren Selbstlosigkeit, verständnisvollen Dienstbarkeit und unvoreingenommenen Hingabe. Ihr verdient den Namen göttlicher Diener der sterblichen Bewohner dieser von Hader zerrissenen und von Leid geplagten Welt. Ich ehre euch! Ich bete euch fast an!" Aufgrund vieler beweiskräftiger Anhaltspunkte glauben wir, dass die Justierer durchorganisiert sind, dass eine zutiefst intelligente und wirksame lenkende Verwaltung dieser göttlichen Geschenke besteht, die von einer weit entfernten Zentrale, wahrscheinlich von Divinington aus, gesteuert wird. Wir wissen, dass die Mentoren von Divinington auf die Welten kommen und dass sie zweifelsohne nach dem Tod ihrer Schutzbefohlenen wieder dorthin zurückkehren. Bei den höheren geistigen Ordnungen ist es überaus schwierig, den Verwaltungsmechanismus aufzudecken. Während die Persönlichkeiten meiner Ordnung an der Erfüllung ihrer jeweiligen Aufträge arbeiten, wirken sie zweifelsfrei, ohne es zu wissen, mit zahllosen anderen persönlichen und unpersönlichen Unter-Gottheits-Gruppen zusammen, die vereinigt als Korrelierer des weiten Universums funktionieren. Wir vermuten, dass wir in dieser Weise dienen, weil wir (nebst den Personifizierten Justierern) die einzige Gruppe von personifizierten Geschöpfen sind, die sich einheitlich der Gegenwart von zahlreichen Ordnungen vorpersönlicher Wesenheiten bewusst sind. Wir sind uns der Gegenwart der Justierer bewusst, die Fragmente der vorpersönlichen Gottheit des Ersten Zentralen Ursprungs sind. Wir spüren die Gegenwart der Inspirierten Geiste der Trinität, die ein überpersönlicher Ausdruck der Trinität sind. Ebenso unfehlbar stellen wir die geistige Gegenwart von bestimmten nicht offenbarten Ordnungen fest, die dem Ewigen Sohn und dem Unendlichen Geist entspringen. Und für noch andere euch nicht enthüllte Ordnungen sind wir nicht gänzlich unempfindlich. Die Melchisedeks von Nebadon lehren, dass die Einsamen Botschafter die persönlichen Koordinatoren dieser verschiedenen Einflüsse in dem Maße sind, wie diese in der expandierenden Gottheit des evolutionären Supremen Wesens registriert werden. Es ist sehr wohl möglich, dass wir teilhaben an der erfahrungsmäßigen Einigung vieler unerklärter Phänomene der Zeit, aber wir sind uns nicht mit Sicherheit bewusst, so zu funktionieren. ***** 108.4 Beziehung zu anderen geistigen Einflüssen ***** Abgesehen von ihrer möglichen Koordination mit anderen Gottheitsfragmenten sind die Justierer in ihrem Tätigkeitsfeld im Verstand der Sterblichen ganz allein. Obwohl der Vater offenbar auf die direkte Ausübung aller persönlichen Macht und Autorität im gesamten Großen Universum verzichtet hat, trotz dieses Aktes der Entsagung zugunsten der Supremen Schöpfer-Kinder der Paradies-Gottheiten, bringen die Unergründlichen Mentoren sprechend die Tatsache zum Ausdruck, dass der Vater sich eindeutig das unantastbare Recht vorbehalten hat, in den Gedanken und Seelen seiner sich entwickelnden Geschöpfe anwesend zu sein, damit er durch sein Handeln in Abstimmung mit der geistigen Gravitation der Paradies-Söhne alle Geschöpfe der Schöpfung an sich ziehen kann. Als er noch auf Urantia weilte, sagte euer sich selbst hingebender Paradies-Sohn: "Wenn ich erhöht bin, werde ich alle Menschen an mich ziehen." Wir erkennen und verstehen diese geistige Anziehungskraft der Paradies-Söhne und ihrer schöpferischen Mitarbeiterinnen, aber weniger gut erfassen wir des allweisen Vaters Funktionsweise in den Unergründlichen Mentoren und durch sie, die so tapfer im menschlichen Verstand leben und arbeiten. Obwohl der Arbeit des Universums der Universen nicht unterstellt, noch damit koordiniert oder in offensichtlicher Beziehung zu ihr stehend, und obwohl unabhängig im Verstand der Menschenkinder handelnd, drängen diese geheimnisvollen Gegenwarten die Geschöpfe, denen sie innewohnen, unablässig zu göttlichen Idealen und locken sie immer nach oben, den Zwecken und Zielen eines zukünftigen besseren Lebens entgegen. Die Unergründlichen Mentoren helfen fortwährend bei der Errichtung der geistigen Herrschaft Michaels im ganzen Universum von Nebadon, während sie auf mysteriöse Weise zur Stabilisierung der Souveränität der Ältesten der Tage von Orvonton beitragen. Die Justierer sind der Wille Gottes, und da die Supremen Schöpferkinder Gottes ebenfalls persönlich denselben Willen verkörpern, ist es unvermeidlich, dass die Handlungen der Justierer und die Souveränität der Universumslenker in gegenseitiger Abhängigkeit ineinander greifen. Obwohl scheinbar ohne Verbindung, müssen die Vater-Anwesenheit der Justierer und die Vater-Souveränität Michaels von Nebadon verschiedene Manifestationen derselben Göttlichkeit sein. Die Gedankenjustierer scheinen ganz unabhängig von allen anderen geistigen Gegenwarten zu kommen und zu gehen; sie scheinen gemäß Universumsgesetzen zu funktionieren, die gänzlich von jenen gesondert sind, welche die Leistungen aller anderen geistigen Einflüsse regieren und kontrollieren. Aber ungeachtet dieser scheinbaren Unabhängigkeit zeigen lang dauernde Beobachtungen fraglos, dass die Mentoren im menschlichen Verstand mit allen anderen geistigen Einflüssen vollkommen synchronisiert und koordiniert funktionieren, einschließlich der mentalen Hilfsgeiste, des Heiligen Geistes, des Geistes der Wahrheit und anderer Einflüsse. Wenn eine Welt wegen Rebellion isoliert wird, wenn ein Planet von allen äußeren Kommunikationskreisläufen abgeschnitten wird, wie es Urantia nach der Empörung Caligastias widerfuhr, dann bleibt außer dem Mittel persönlicher Botschafter nur eine einzige Möglichkeit direkter interplanetarischer oder Universumskommunikation, und das ist die Verbindung über die Justierer der Sphären. Was auch immer auf einer Welt oder in einem Universum vor sich geht, die Justierer sind davon nie direkt betroffen. In keiner Weise berührt die Isolierung eines Planeten die Justierer noch ihre Fähigkeit, mit jedem beliebigen Teil des Lokaluniversums, des Superuniversums oder des Zentraluniversums in Verbindung zu treten. Und das ist der Grund, weshalb auf Quarantäne-Welten so oft Kontakte mit den höchsten und den eigenständigen Justierern des Reservekorps der Bestimmung hergestellt werden. Man nimmt zu dieser Technik als einem Mittel Zuflucht, die Behinderungen der planetarischen Isolation zu umgehen. Seit wenigen Jahren funktioniert der Kreislauf der Erzengel auf Urantia, aber dieses Kommunikationsmittel ist weitgehend den Angelegenheiten des Erzengelkorps selber vorbehalten. Wir kennen viele geistige Phänomene im gewaltigen Universum, die wir nicht völlig verstehen können. Wir beherrschen noch nicht alles, was um uns herum vorgeht; und ich glaube, dass ein großer Teil dieser undurchschaubaren Arbeit von den Gravitationsbotschaftern und bestimmten Typen von Unergründlichen Mentoren ausgeführt wird. Ich glaube nicht, dass die Justierer sich einzig der Ummodelung des sterblichen Verstandes verschrieben haben. Ich bin überzeugt, dass die Personifizierten Mentoren und andere Ordnungen von nicht offenbarten vorpersönlichen Geisten für den direkten und unerklärten Kontakt des Universalen Vaters mit den Geschöpfen der Welten repräsentativ sind. ***** 108.5 Der Auftrag des Justierers ***** Die Justierer übernehmen ein schwieriges Amt, wenn sie sich freiwillig melden, um solch gemischten Wesen wie den Bewohnern Urantias innezuwohnen. Aber sie haben die Aufgabe, in eurem Verstand zu existieren, auf sich genommen, um hier die Weisungen der geistigen Intelligenzen der Welten zu empfangen und dann daran zu gehen, dem materiellen Verstand diese geistigen Botschaften zu diktieren oder zu übersetzen; sie sind für den Aufstieg zum Paradies unerläßlich. Was der Gedankenjustierer in eurem gegenwärtigen Leben nicht benutzen kann, jene Wahrheiten, die er dem mit ihm verlobten Menschen nicht mit Erfolg vermitteln kann, wird er zum Gebrauch im nächsten Existenzstadium getreu aufheben, gerade so, wie er jetzt jene Inhalte von Kreis zu Kreis trägt, die er in der Erfahrung des menschlichen Schutzbefohlenen nicht registrieren kann, weil das Geschöpf eines genügenden Grades der Zusammenarbeit unfähig ist oder diesen nicht aufbringt. Auf eines könnt ihr euch verlassen: Die Justierer werden nie etwas ihrer Hut Anvertrautes verlieren; nie haben wir von Pflichtvergessenheit dieser geistigen Helfer gehört. Engel und andere Geistwesen hoher Art, der lokaluniverselle Sohnestyp nicht ausgenommen, können gelegentlich mit dem Übel gemeinsame Sache machen, können manchmal vom göttlichen Weg abweichen, aber Justierer wanken nie. Sie sind absolut verlässlich, und das gilt im selben Maße für alle sieben Gruppen. Euer Justierer ist das Potential eurer neuen, nächsten Existenzart, das Voraus-Geschenk eurer ewigen Gottessohnschaft. Durch euren Willen und dank eurem Einverständnis hat der Justierer die Macht, die dem Geschöpf eigenen Neigungen des materiellen Verstandes den verwandelnden Einflüssen von Motivationen und Zielen der erwachenden morontiellen Seele zu unterwerfen. Die Unergründlichen Mentoren sind keine Denkhelfer; sie sind Gedankenjustierer. Sie arbeiten mit dem materiellen Verstand, um durch Justieren und Vergeistigen einen neuen Verstand für die neuen Welten und den neuen Namen eurer zukünftigen Laufbahn zu bauen. Ihr Auftrag betrifft hauptsächlich das künftige und nicht dieses Leben. Man nennt sie himmlische Helfer und nicht irdische Helfer. Sie haben kein Interesse daran, den Werdegang des Sterblichen einfach zu machen; sie beschäftigen sich vielmehr damit, euer Leben leidlich schwierig und holperig zu gestalten, um eure Entscheidungen zu stimulieren und zu vermehren. Die Anwesenheit eines großen Gedankenjustierers gewährt kein bequemes Leben noch Freiheit von anstrengendem Nachdenken, aber solch ein göttliches Geschenk sollte dem Gemüt einen sublimen Frieden und dem Geist eine wunderbare Ruhe bescheren. Eure vorübergehenden und stets wechselnden Gefühle der Freude und des Leids sind in der Hauptsache rein menschliche und materielle Reaktionen auf euer inneres psychisches Klima und auf euer äußeres materielles Umfeld. Zählt deshalb nicht auf den Justierer für ichbezogene Tröstung und irdisches Behagen. Die Aufgabe des Justierers ist es, euch auf das ewige Abenteuer vorzubereiten, euer Fortleben sicher zu stellen. Es ist nicht Sendung des Unergründlichen Mentors, eure aufgeregten Gefühle zu beruhigen oder eurem verletzten Stolz aufzuhelfen; die Vorbereitung eurer Seele auf die lange aufsteigende Laufbahn ist es, was die Aufmerksamkeit des Justierers beansprucht und seine Zeit ausfüllt. Ich zweifle an meiner Fähigkeit, euch zu erklären, was die Justierer in eurem Verstand und für eure Seelen tun. Ich könnte nicht behaupten, über das, was in der kosmischen Verbindung eines göttlichen Mentors mit einem menschlichen Verstand wirklich vor sich geht, restlos unterrichtet zu sein. All das ist ein ziemliches Rätsel für uns, nicht was den Plan und das Vorhaben, sondern was die Art der Durchführung anbelangt. Und gerade das ist der Grund, weshalb es uns so schwer fällt, für diese himmlischen Geschenke an die sterblichen Menschen einen passenden Namen zu finden. Die Gedankenjustierer möchten eure Angstgefühle in Überzeugungen der Liebe und des Vertrauens umwandeln; aber sie können so etwas nicht auf mechanische und willkürliche Weise tun; das ist eure Aufgabe. Wenn ihr Entschlüsse ausführt, die euch von den Ketten der Furcht befreien, liefert ihr buchstäblich den psychischen Ansatzpunkt, an dem der Justierer in der Folge einen geistigen Hebel erbauender und vorwärts tragender Erleuchtung ansetzen kann. Wenn es zu den scharfen und gut definierten Konflikten zwischen den höheren und den niedrigeren Tendenzen der Rassen kommt, zwischen dem, was wirklich richtig oder falsch ist (nicht nur dem, was ihr richtig oder falsch nennen mögt), könnt ihr euch darauf verlassen, dass der Justierer an solchen Erfahrungen stets in ganz bestimmter und aktiver Weise teilnimmt. Die Tatsache, dass dieses Handeln des Justierers dem menschlichen Partner vielleicht nicht bewusst wird, tut seinem Wert und seiner Wirklichkeit nicht den geringsten Abbruch. Gesetzt den Fall, ihr habt einen persönlichen Schicksalshüter und es sollte euch misslingen fortzuleben, so muss der Schutzengel vor Gericht, um eine Bestätigung der getreuen Ausführung seines Auftrags zu empfangen. Aber die Gedankenjustierer sind keiner derartigen Untersuchung unterworfen, wenn ihren Schutzbefohlenen das Fortleben misslingt. Wir alle wissen, dass, während ein Engel es unter Umständen an vollkommener Amtsausübung fehlen lässt, die Gedankenjustierer in der vollendeten Weise des Paradieses arbeiten; ihr Dienst wird charakterisiert durch eine fehlerfreie Technik, die über jede Möglichkeit einer Kritik durch Wesen außerhalb Diviningtons erhaben ist. Ihr habt vollkommene Führer; deshalb ist das Ziel der Vollkommenheit auch mit Gewissheit zu erreichen. ***** 108.6 Gott im Menschen ***** Es ist in der Tat ein Wunder göttlichen Herniederbeugens, wenn sich die erhabenen und vollkommenen Justierer für eine tatsächliche Existenz im Verstand materieller Geschöpfe wie der Sterblichen Urantias anerbieten, um wirklich mit den irdischen Wesen tierischen Ursprungs eine Vereinigung auf Bewährung einzugehen. Ungeachtet des vorhergehenden Status der Bewohner einer Welt, kommen die Justierer nach der Selbsthingabe eines göttlichen Sohnes und nach der Ausgießung des Geistes der Wahrheit über alle Menschen in Scharen auf eine solche Welt, um dem Verstand aller normalen Willensgeschöpfe innezuwohnen. Nach Abschluss der Mission eines Paradies-Sohnes der Selbsthingabe werden diese Mentoren wahrhaft zum "Königreich des Himmels in euch". In der Austeilung der göttlichen Geschenke macht der Vater die größtmögliche Annäherung an die Sünde und das Übel, denn es ist buchstäblich so, dass der Justierer im Verstand der Sterblichen sogar mit menschlicher Sündhaftigkeit zusammen hausen muss. Die innewohnenden Justierer werden besonders durch rein selbstsüchtige und schmutzige Gedanken gequält; sie sind betrübt über mangelnde Ehrfurcht vor allem Schönen und Göttlichen, und ihre Bemühungen werden praktisch vereitelt durch viele der törichten tierischen Ängste und kindischen Befürchtungen der Menschen. Die Unergründlichen Mentoren sind ohne Zweifel das Geschenk des Universalen Vaters, der Widerschein des Bildes Gottes draußen im Universum. Ein großer Lehrer ermahnte einst die Menschen, sie sollten sich im Geist ihres Gemüts erneuern lassen, neue Menschen werden, die gottgleich in Rechtschaffenheit und vollendeter Wahrheit erschaffen sind. Der Justierer ist das Zeichen der Göttlichkeit, die Gegenwart Gottes. Das "Bild Gottes" bezieht sich nicht auf physische Ähnlichkeit noch auf die eindeutig beschränkten Begabungen der materiellen Geschöpfe, sondern vielmehr auf das Geschenk der geistigen Gegenwart des Universalen Vaters in der himmlischen Hingabe der Gedankenjustierer an die einfachen Geschöpfe der Universen. Der Justierer ist in euch der Quell geistigen Vollbringens und die Hoffnung eines göttlichen Charakters. Er ist die Macht, das Vorrecht und die Möglichkeit des Fortlebens, das euch so vollständig und für immer von nur tierischen Geschöpfen unterscheidet. Er ist der höhere und wahrhaft innerliche geistige Stimulus der Gedanken im Unterschied zum äußeren physischen Stimulus, der den Verstand über den nervös-energetischen Mechanismus des materiellen Körpers erreicht. Diese treuen Hüter der künftigen Laufbahn fertigen unfehlbar von jeder mentalen Schöpfung ein Doppel, ein geistiges Gegenstück, an; auf diese Weise erschaffen sie euch für die Auferstehung auf den Welten des Fortlebens langsam und sicher neu, so wie ihr wirklich seid (nur geistig). Und all diese auserlesenen geistigen Neu-Schöpfungen werden in der erwachenden Realität eurer sich entwickelnden unsterblichen Seele, eures morontiellen Selbst bewahrt. Diese Realitäten befinden sich tatsächlich daselbst, obwohl der Justierer selten fähig ist, diese von ihm geschaffenen Duplikate genügend zu verstärken, um sie ins Licht des Bewusstseins treten zu lassen. Und wie ihr der menschliche Elternteil seid, so ist der Justierer der göttliche Elternteil dessen, was ihr wirklich seid, euer höheres vorrückendes Selbst, euer besseres morontielles und zukünftiges geistiges Selbst. Und es ist diese sich entwickelnde morontielle Seele, welche die Richter und Zensoren wahrnehmen, wenn sie euer Fortleben verfügen und euch den Weg freigeben, hinauf zu neuen Welten und einer nie endenden Existenz in ewiger Verbindung mit eurem treuen Partner-mit Gott, dem Justierer. Die Justierer sind die ewigen Ahnen, die göttlichen Originale eurer sich entwickelnden unsterblichen Seele; sie sind das unaufhörlich Drängende, das den Menschen dahin bringt, im Lichte der zukünftigen geistigen Laufbahn nach der Meisterung der materiellen gegenwärtigen Existenz zu streben. Die Mentoren sind die Gefangenen unverwüstlicher Hoffnung, die Quelle ewiger Vorwärtsbewegung. Und wie sie sich darüber freuen, mit ihren Schutzbefohlenen über mehr oder weniger direkte Kanäle zu kommunizieren! Und wie glücklich sind sie, wenn sie auf Symbole und andere Umgehungsmethoden verzichten und dem Intellekt ihres menschlichen Partners ihre Botschaften blitzartig direkt eingeben können! Ihr Menschen steht am Anfang der unaufhörlichen Entfaltung eines fast unendlichen Panoramas, einer grenzenlosen Folge von nie endenden, sich immer erweiternden Bereichen, die Gelegenheit bieten für erfrischenden Dienst, unvergleichliche Abenteuer, sublime Ungewissheit und grenzenloses Vollbringen. Und wenn sich Wolken über euch zusammenziehen, sollte euer Glaube die Tatsache der Anwesenheit des Justierers in eurem Inneren akzeptieren, und das sollte euch in die Lage versetzen, durch den Dunst menschlicher Ungewissheit aufzublicken zur Sonne ewiger Rechtschaffenheit, die in Klarheit über den herabgrüßenden Höhen der Residenzwelten Satanias leuchtet. [Dargeboten von einem Einsamen Botschafter Orvontons.] ****** Kapitel 109 Beziehung der Justierer zu den Universumsgeschöpfen ****** DIE Gedankenjustierer sind die Kinder der Universumslaufbahn, und tatsächlich müssen die jungfräulichen Justierer Erfahrung sammeln, während die sterblichen Geschöpfe wachsen und sich entwickeln. Gleich wie sich die Persönlichkeit eines menschlichen Kindes in Vorbereitung auf die Kämpfe der evolutionären Existenz entfaltet, so wächst auch der Justierer beim Proben für das nächste Stadium des aufsteigenden Lebens. Gleich wie das Kind durch das soziale und spielerische Leben der frühen Kindheit eine bewegliche Anpassungsfähigkeit für seine Tätigkeiten als Erwachsener gewinnt, so erwirbt auch der innewohnende Justierer Gewandtheit für den nächsten Abschnitt kosmischen Lebens durch vorbereitendes irdisches Planen und Einüben jener Aktivitäten, die mit der morontiellen Laufbahn in Verbindung stehen. Die menschliche Existenz stellt eine Übungsperiode dar, die der Justierer wirksam zur Vorbereitung auf die bedeutenderen Verantwortlichkeiten und größeren Gelegenheiten eines zukünftigen Lebens benutzt. Aber während der Justierer in euch lebt, gelten seine Anstrengungen nicht so sehr den Angelegenheiten des zeitlichen Lebens und der planetarischen Existenz. Heute proben die Gedankenjustierer gleichsam für die Realitäten der Universumslaufbahn in dem sich entwickelnden Verstand menschlicher Wesen. ***** 109.1 Entwicklung der Justierer ***** Es muss einen umfassenden und wohldurchdachten Plan für die Schulung und Entwicklung der jungfräulichen Justierer geben, bevor sie von Divinington ausgesandt werden, aber wir wissen darüber wirklich nicht viel. Zweifellos existiert auch ein umfangreiches System, um Justierer, die die Erfahrung des Innewohnens gemacht haben, neu zu schulen, bevor sie zu weiteren Missionen in Verbindung mit Sterblichen aufbrechen, aber auch darüber sind wir nicht wirklich unterrichtet. Personifizierte Justierer haben mir gesagt, dass jedes Mal, wenn einem durch einen Mentor bewohnten Sterblichen das Fortleben misslingt, der Justierer bei seiner Rückkehr nach Divinington einen umfassenden Ausbildungsgang antritt. Diese zusätzliche Schulung wird durch die Erfahrung ermöglicht, ein menschliches Wesen bewohnt zu haben, und sie wird immer erteilt, bevor der Justierer wiederum auf eine evolutionäre Welt der Zeit entsandt wird. Es gibt keinen kosmischen Ersatz für effektive lebendige Erfahrung. Die Vollkommenheit der Göttlichkeit eines neu erschaffenen Gedankenjustierers begabt diesen Unergründlichen Mentor in keiner Weise mit Gewandtheit in seinem Amt, das auf Erfahrung beruht. Erfahrung ist untrennbar mit einer lebendigen Existenz verbunden; sie ist etwas, von dessen notwendiger Erwerbung durch effektives Leben euch keine noch so große göttliche Begabung dispensieren kann. Deshalb müssen sich die Gedankenjustierer genau gleich wie alle Wesen, die im gegenwärtigen Stadium des Supremen leben und wirken, Erfahrung zulegen; von den niedrigeren, unerfahrenen Gruppen müssen sie sich zu den höheren, erfahreneren Gruppen entwickeln. Die Justierer machen im Verstand der Sterblichen einen ganz bestimmten Entwicklungsgang durch; sie erlangen eine Realität der Vollbringung, die ihnen auf ewig gehört. Sie werden als Justierer infolge all ihrer Kontakte mit den materiellen Rassen immer gewandter und fähiger, ungeachtet des Fortlebens oder Nicht-Fortlebens ihrer jeweiligen sterblichen Schutzbefohlenen. Sie sind ebenfalls gleichberechtigte Partner des menschlichen Verstandes bei der Förderung der Entwicklung der zum Fortleben befähigten unsterblichen Seele. Sie erreichen das erste Stadium ihrer Entwicklung, wenn sie mit der fortlebenden Seele des menschlichen Wesens fusionieren. Während es also in eurer Natur liegt, euch vom Menschen nach innen und oben auf Gott hinzuentwickeln, liegt es in derjenigen der Justierer, sich von Gott nach außen und unten auf den Menschen hinzuentwickeln; und so wird das schließliche Ergebnis dieser Vereinigung von Göttlichem und Menschlichem auf ewig der Sohn des Menschen und der Sohn Gottes sein. ***** 109.2 Eigenständige Justierer ***** Ihr seid über die Einteilung der Justierer je nach ihrer Erfahrung in jungfräuliche, fortgeschrittene und höchste Justierer informiert worden. Ihr solltet auch eine gewisse funktionelle Klassifizierung erkennen - die eigenständigen Justierer. Ein eigenständiger Justierer ist einer, der: 1. eine bestimmte erforderliche Erfahrung in dem sich entwickelnden Leben eines Willensgeschöpfes gehabt hat, sei es als vorübergehender Bewohner auf einem Weltentyp, wo die Justierer ihren sterblichen Schützlingen nur geborgt werden, oder auf einem richtigen Fusionsplaneten, wo dem menschlichen Partner das Fortleben missglückte. Solch ein Mentor ist entweder ein fortgeschrittener oder ein höchster Justierer. 2. das Gleichgewicht geistiger Macht in einem Menschen erreicht hat, der den dritten psychischen Kreis geschafft hat und dem ein persönlicher seraphischer Hüter zugeteilt worden ist. 3. einen Schutzbefohlenen hat, der den höchsten Entschluss gefasst und sich feierlich und aufrichtig mit seinem Justierer verlobt hat. Der Justierer sieht die Zeit der tatsächlichen Fusion voraus und betrachtet die Vereinigung bereits als eine Tatsache. 4. einen Schutzbefohlenen hat, der in eines der Reservekorps der Bestimmung auf einer evolutionären Welt aufsteigender Sterblicher aufgenommen wurde. 5. zu einer gewissen Zeit während des menschlichen Schlafs vorübergehend vom Verstand seines sterblichen Kerkers losgelöst wurde, um irgendeine schwierige Aufgabe wie die Herstellung einer Verbindung, eines Kontaktes oder die Erneuerung einer Registrierung vorzunehmen oder im Zusammenhang mit der geistigen Verwaltung der ihm zugewiesenen Welt irgendeinen anderen außermenschlichen Dienst zu leisten. 6. in einer Krisenzeit in der Erfahrung eines menschlichen Wesens gedient hat, welches die materielle Ergänzung einer geistigen Persönlichkeit war, die mit der Durchführung eines für die geistige Wirtschaft des Planeten wesentlichen kosmischen Werks betraut war. Eigenständige Justierer scheinen in allen Angelegenheiten, welche die menschliche Persönlichkeit, die sie unmittelbar bewohnen, nicht einbeziehen, einen bemerkenswerten Grad an Willen zu besitzen, wie es ihre zahlreichen großartigen Leistungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der menschlichen Schützlinge, denen sie zugeteilt sind, erkennen lassen. Solche Justierer nehmen an zahlreichen Aktivitäten der Welt teil, aber häufiger wirken sie als unbemerkte Bewohner des von ihnen gewählten irdischen Tabernakels. Zweifellos können diese höheren und erfahreneren Justierertypen mit denjenigen anderer Welten kommunizieren. Aber obwohl die eigenständigen Justierer in dieser Weise miteinander kommunizieren, tun sie es doch nur auf der Ebene ihres Arbeitsaustauschs und zum Zwecke der Verwahrung von Unterlagen ihrer Vormundschaft, die für den Justiererdienst auf den Welten ihres Aufenthaltes wesentlich sind; indessen ist bekannt, dass sie in Krisenzeiten gelegentlich in interplanetarischen Angelegenheiten funktionieren. Höchste und eigenständige Justierer können den menschlichen Körper nach Belieben verlassen. Die Justierer sind kein organischer oder biologischer Teil des Lebens der Sterblichen; sie sind diesem überlagerte Göttlichkeit. In den ursprünglichen Lebensplänen waren sie für die materielle Existenz vorgesehen, aber sie sind dieser nicht unentbehrlich. Trotzdem sollte festgehalten werden, dass sie ihre sterblichen Tabernakel, wenn sie sie einmal bezogen haben, sehr selten, selbst vorübergehend, verlassen. Des Handelns enthobene Justierer sind solche, welche die ihnen anvertrauten Aufgaben erfolgreich erfüllt haben und nur noch die Auflösung des Trägers des materiellen Lebens oder die Entrückung der unsterblichen Seele abwarten. ***** 109.3 Beziehung der Justierer zu den verschiedenen Typen von Sterblichen ***** Der Charakter der Arbeit der Unergründlichen Mentoren variiert im Einzelnen je nach der Natur ihres Auftrags, je nachdem, ob sie Verbindungs- oder Fusions-justierer sind. Gewisse Justierer sind für die Zeit des Lebens ihrer Schutzbefohlenen nur geborgt; andere werden ihren Schützlingen, sofern diese fortleben, als Persönlichkeitsanwärter mit Erlaubnis zu ewiger Fusion verliehen. Es gibt auch geringe Unterschiede des Wirkens unter den verschiedenen planetarischen Typen und in verschiedenen Systemen und Universen. Aber im Ganzen sind ihre Arbeiten bemerkenswert einheitlich, einheitlicher als die Pflichten irgendeiner anderen erschaffenen Ordnung von himmlischen Wesen. Auf gewissen primitiven Welten (der Gruppe der ersten Serie) bewohnt der Justierer den Geschöpfesverstand im Sinne einer erfahrungsmäßigen Übung, hauptsächlich zur eigenen Bildung und fortschreitenden Entwicklung. Gewöhnlich werden jungfräuliche Justierer auf Welten entsandt, wo die primitiven Menschen der früheren Zeiten in das Tal der Entscheidung gelangen, wo aber nur relativ wenige von ihnen die Wahl treffen, zu den jenseits der Anhöhen von Selbstdisziplin und Erwerbung von Charakterstärke liegenden sittlichen Gipfeln aufzusteigen und die höheren Stufen erwachender Geistigkeit zu erreichen. (Viele, denen die Fusion mit dem Justierer misslingt, leben indessen als mit dem Geist fusionierte Aufsteiger fort.) Die Justierer erhalten im befristeten Zusammensein mit einem primitiven Verstand eine wertvolle Schulung, erwerben eine wunderbare Erfahrung und sind in der Lage, diese Erfahrung später auf anderen Welten zum Nutzen höherer Wesen zu verwerten. Nichts im ganzen weiten Universum, was Fortlebenswert besitzt, ist je verloren. Auf einem anderen Weltentyp (der Gruppe der zweiten Serie) werden die Justierer den menschlichen Wesen nur geliehen. Dort können die Mentoren durch ihr Innewohnen nie Persönlichkeit mittels Fusion erlangen, aber sie sind ihren menschlichen Schutzbefohlenen während deren Lebenszeit eine große Hilfe, eine weit größere, als sie den Sterblichen Urantias sein können. Die Justierer werden den dortigen sterblichen Geschöpfen für eine einzige Lebensspanne als Modelle höheren geistigen Vollbringens geliehen, als vorübergehende Helfer bei der fesselnden Aufgabe der Vervollkommnung eines zum Fortleben fähigen Charakters. Nach dem natürlichen Tod kehren diese Justierer nicht zurück; die fortlebenden Sterblichen gelangen durch die Fusion mit dem Geiste zum ewigen Leben. Auf Welten wie Urantia (der Gruppe der dritten Serie) gibt es eine richtige Verlobung mit den göttlichen Geschenken, eine Verpflichtung für das Leben und den Tod. Falls ihr fortlebt, wird es eine ewige Vereinigung geben, eine immerwährende Fusion, das Verschmelzen von Mensch und Justierer zu einem einzigen Wesen. Bei den dreihirnigen Sterblichen derselben Weltenserie sind die Justierer in der Lage, mit ihren Schutzbefohlenen während des zeitlichen Lebens in einen viel wirklicheren Kontakt zu treten als mit den ein- und zweihirnigen Typen. Aber in der auf den Tod folgenden Laufbahn gehen die Sterblichen des dreihirnigen Typs genau gleich weiter wie diejenigen des einhirnigen Typs und wie die zweihirnigen Völker - die Rassen Urantias. Auf den Zwei-Hirn-Welten werden nach dem Aufenthalt eines Paradies-Sohnes der Selbsthingabe selten jungfräuliche Justierer an Personen vergeben, die eine fraglose Fortlebenskapazität besitzen. Wir sind der Überzeugung, dass auf solchen Welten praktisch alle Justierer, die intelligenten Männern und Frauen mit Fortlebenskapazität innewohnen, dem fortgeschrittenen oder höchsten Typ angehören. In vielen frühen evolutionären Rassen Urantias existierten drei Gruppen von Wesen. Es gab jene, die so tierisch waren, dass sie der Fähigkeit, einen Justierer zu empfangen, völlig entbehrten. Dann gab es jene, die eine zweifellose Eignung für Justierer zeigten und unverzüglich einen erhielten, sobald sie das Alter sittlicher Verantwortlichkeit erreicht hatten. Und es gab eine dritte Klasse, die eine Grenzstellung einnahm; ihre Vertreter erfüllten die Voraussetzungen für den Empfang eines Justierers, aber die Mentoren konnten den Verstand nur auf das persönliche Verlangen des Einzelnen hin bewohnen. Aber mit Wesen, die infolge des von untauglichen und tiefstehenden Ahnen empfangenen Erbes praktisch keine Eignung zum Fortleben besitzen, hat manch ein jungfräulicher Justierer eine wertvolle vorbereitende Erfahrung im Kontakt mit dem evolutionären Verstand gemacht und sich dadurch eine bessere Qualifikation verschafft, um später auf einer anderen Welt einem höheren Verstandestyp zugeteilt zu werden. ***** 109.4 Die Justierer und die menschliche Persönlichkeit ***** Die höheren Formen intelligenten Austauschs zwischen menschlichen Wesen werden durch die innewohnenden Justierer sehr stark gefördert. Tiere haben Gefühle für ihresgleichen, aber sie teilen einander keine Konzepte mit; sie können Emotionen, aber weder Ideen noch Ideale ausdrücken. Ebenso wenig machen die Menschen tierischen Ursprungs die Erfahrung einer hohen Art intellektuellen Austauschs oder geistiger Gemeinschaft mit ihresgleichen, bevor Gedankenjustierer verschenkt werden, obwohl sich solche evolutionären Geschöpfe, wenn sie die Sprache entwickeln, auf dem besten Weg zum Empfang von Justierern befinden. Tiere kommunizieren tatsächlich auf rohe Art miteinander, aber in diesem primitiven Kontakt gibt es wenig oder gar keine Persönlichkeit. Die Justierer haben keine Persönlichkeit; sie sind vorpersönliche Wesen. Aber sie entstammen der Quelle aller Persönlichkeit, und ihre Gegenwart steigert die Qualität der Äußerungen der menschlichen Persönlichkeit; und das trifft insbesondere dann zu, wenn der Justierer frühere Erfahrungen besitzt. Der Justierertyp hat einen großen Einfluss auf das Ausdrucksvermögen der menschlichen Persönlichkeit. Durch alle Zeitalter hindurch haben viele der großen intellektuellen und geistigen Führer Urantias ihren Einfluss hauptsächlich dank der Überlegenheit und vorgängigen Erfahrung des ihnen innewohnenden Justierers ausgeübt. Die Justierer haben zusammen mit anderen geistigen Einflüssen in nicht geringem Maße an der Umwandlung und Vermenschlichung der Nachkommen der primitiven Menschen vergangener Zeitalter teilgenommen. Würden die im Verstand der Bewohner Urantias wirkenden Justierer zurückgezogen, dann kehrte die Welt langsam zu vielen Szenen und Praktiken der Menschen primitiver Zeiten zurück; die göttlichen Mentoren sind eines der wirklichen Potentiale fortschreitender Zivilisation. Ich habe einen den Verstand eines Urantianers bewohnenden Gedankenjustierer beobachtet, der laut den Registern Uversas zuvor bereits fünfzehn Intellekte Orvontons bewohnt hatte. Wir wissen nicht, ob dieser Mentor in anderen Superuniversen ähnliche Erfahrungen gesammelt hat, aber ich vermute es. Es ist ein wunderbarer Justierer und eine der nützlichsten und mächtigsten Kräfte Urantias der gegenwärtigen Zeit. Was andere verloren haben, indem sie das Fortleben ablehnten, gewinnt jetzt dieses menschliche Wesen (und eure ganze Welt). Demjenigen, der keine Fortlebensqualitäten besitzt, wird auch der erfahrene Justierer, den er jetzt hat, genommen werden, während demjenigen, der Aussichten auf ein Weiterleben hat, unter Umständen sogar ein Justierer mit vorausgehender Erfahrung bei einem trägen Deserteur gegeben wird. Irgendwie fördern wohl die Justierer einen gewissen Grad planetarischer wechselseitiger Befruchtung in den Bereichen von Wahrheit, Schönheit und Güte. Aber sie haben selten Gelegenheit, die Erfahrung eines zweimaligen Aufenthaltes auf demselben Planeten zu machen; es gibt gegenwärtig keinen auf Urantia dienenden Justierer, der zuvor schon auf dieser Welt gewesen wäre. Ich weiß, wovon ich spreche, da wir ihre Nummern und ihre Geschichte in den Archiven Uversas besitzen. ***** 109.5 Materielle Hindernisse für die Beherbergung eines Justierers ***** Höchste und eigenständige Justierer sind oft fähig, dem menschlichen Verstand, wenn er sich ungehemmt in den befreiten, aber kontrollierten Kanälen schöpferischer Vorstellung bewegt, Faktoren von geistiger Bedeutung hinzuzufügen. In solchen Augenblicken, und manchmal während des Schlafs, vermag der Justierer die mentalen Ströme anzuhalten, ihren Fluss zu hemmen, und dann die Ideenfolge in eine andere Richtung zu lenken; und er tut all das, um in den höheren geheimen Winkeln des Überbewusstseins tiefe geistige Wandlungen herbeizuführen. Dadurch stimmen sich die Verstandeskräfte und -energien besser auf die Tonart der Klänge der kontaktierten geistigen Ebene von Gegenwart und Zukunft ein. Es ist manchmal möglich, dass euer Verstand erleuchtet wird und ihr die göttliche Stimme vernehmt, die ständig in euch spricht, so dass unter Umständen Weisheit, Wahrheit, Güte und Schönheit der euch dauernd innewohnenden, potentiellen Persönlichkeit teilweise in euer Bewusstsein treten können. Aber eure unsteten und rasch wechselnden mentalen Haltungen machen oft einen Strich durch die Rechnung der Justierer und unterbrechen ihr Werk. Dieses wird nicht nur durch die angeborene Natur der sterblichen Rassen gehemmt, sondern ihr Wirken wird auch sehr stark verlangsamt durch eure eigenen vorgefassten Meinungen, fest verwurzelten Ideen und langjährigen Vorurteile. Wegen dieser Hemmnisse tauchen oftmals nur ihre unfertigen Schöpfungen im Bewusstsein auf, woraus unvermeidlich konzeptuelle Verwirrung entsteht. Deshalb liegt die einzige Sicherheit bei der Durchleuchtung mentaler Situationen darin, dass man jeden Gedanken und jede Erfahrung rasch für das erkennt, was sie wirklich und grundsätzlich sind, ohne Rücksicht auf das, was sie hätten sein können. Das große Lebensproblem ist die Anpassung der Urtendenzen des Lebens an die Forderungen der geistigen Impulse, die durch die göttliche Anwesenheit des Unergründlichen Mentors ausgelöst werden. Während beim Durchlaufen des Universums und des Superuniversums niemand zwei Herren dienen kann, muss im Leben, das ihr jetzt auf Urantia lebt, ein jeder gezwungenermaßen zwei Herren dienen. Er muss in der Kunst eines ständigen menschlichen zeitlichen Kompromisses erfahren werden, während seine geistige Treue nur einem einzigen Herrn gilt; und das ist der Grund, weshalb so viele ins Wanken kommen und scheitern, müde werden und der Anspannung des evolutionären Kampfes erliegen. Obwohl das hereditäre Vermächtnis zerebraler Begabung und dasjenige elektro-chemischer Überkontrolle beide zusammenspielen, um der Sphäre wirksamen Handelns des Justierers Grenzen zu setzen, kann (in einem normalen Verstand) keine vererbte Behinderung je einer schließlichen geistigen Vollbringung im Wege stehen. Heredität mag die Geschwindigkeit persönlicher Eroberung beeinflussen, kann aber das schließliche Bestehen des aufsteigenden Abenteuers nicht verhindern. Wenn ihr mit eurem Justierer zusammenarbeiten wollt, wird das göttliche Geschenk früher oder später die unsterbliche morontielle Seele heranbilden und nach der Fusion mit ihr das neue Geschöpf dem souveränen Meistersohn des Lokaluniversums und letzten Endes dem Vater der Justierer im Paradies vorstellen. ***** 109.6 Das Fortdauern wahrer Werte ***** Die Justierer scheitern nie; nie geht etwas verloren, was des Fortlebens wert ist; jeder bedeutungsvolle Wert jedes Willensgeschöpfes lebt mit Sicherheit weiter, unabhängig davon, ob die Persönlichkeit, welche die Bedeutung entdeckt oder bewertet hat, überlebt oder nicht. Und so kommt es, dass ein sterbliches Geschöpf zwar das Fortleben ablehnen kann, seine Lebenserfahrung aber deswegen nicht nutzlos war; der ewige Justierer nimmt die wertvollen Aspekte eines solch scheinbar misslungenen Lebens mit sich in eine andere Welt und beschenkt dort ein höheres menschliches Verstandeswesen, das Fortlebenskapazität besitzt, mit diesen fortlebenden Bedeutungen und Werten. Nie wird eine wertvolle Erfahrung umsonst gemacht; keine wahre Bedeutung und kein wirklicher Wert gehen je verloren. Bezüglich der Fusionskandidaten ist Folgendes zu bemerken: Wenn ein Unergründlicher Mentor von seinem sterblichen Weggefährten im Stich gelassen wird, wenn der menschliche Partner es ablehnt, die aufsteigende Laufbahn weiterzuverfolgen, trägt der Justierer bei seiner Befreiung durch den natürlichen Tod (oder schon zuvor) alles mit sich fort, was sich im Verstand dieses nicht fortlebenden Geschöpfes entwickelt hat und Fortlebenswert besitzt. Sollte es einem Justierer wiederholt misslingen, durch Fusion in den Besitz von Persönlichkeit zu gelangen, weil seine menschlichen Schützlinge einer nach dem anderen nicht überlebt haben, und sollte dieser Mentor hernach personifiziert werden, dann würde die ganze durch Bewohnen und Meistern dieser menschlichen Intellekte erworbene Erfahrung zum effektiven Besitz dieses neu Personifizierten Justierers, zu einem Vermögen, dessen er sich in allen zukünftigen Zeitaltern erfreuen und bedienen kann. Ein Personifizierter Justierer dieser Art setzt sich aus den vermischten fortlebenden Wesenszügen der Geschöpfe zusammen, die ihn einst beherbergten. Wenn Justierer mit langer Universumserfahrung sich freiwillig melden, um göttlichen Söhnen auf Missionen der Selbsthingabe innezuwohnen, wissen sie sehr wohl, dass sie durch diesen Dienst nie zu einer Persönlichkeit gelangen können. Aber oft verleiht der Vater der Geiste diesen Freiwilligen Persönlichkeit und setzt sie als Leiter über ihresgleichen ein. Das sind die Persönlichkeiten, die auf Divinington mit Autorität beehrt werden. Und ihre einzigartigen Naturen vereinigen in sich die mosaikartige Menschheit der zahlreichen während ihres Aufenthaltes in Sterblichen gesammelten Erfahrungen sowie die geistige Transkription der menschlichen Göttlichkeit des Paradies-Sohnes der Selbsthingabe, ihre abschließende Erfahrung als innewohnende Justierer. Die Justiereraktivitäten eures Lokaluniversums werden durch den Personifizierten Justierer Michaels von Nebadon geleitet, denselben Mentor, der ihn Schritt für Schritt leitete, während er als Josua ben Joseph sein menschliches Leben lebte. Dieser außerordentliche Justierer blieb seinem Auftrag treu. Weise lenkte dieser mutige Mentor die menschliche Natur des Paradies-Sohnes und führte seinen sterblichen Verstand stets bei der Wahl des Pfades des vollkommenen Willens seines Vaters. Dieser Justierer hatte in Abrahams Tagen zuvor Machiventa Melchisedek gedient und sich vor diesem Aufenthalt und zwischen den beiden Selbsthingabeerfahrungen in unerhört schwierige Abenteuer begeben. Dieser Justierer triumphierte tatsächlich im menschlichen Verstand Jesu - dem Verstand, der in jeder der wiederkehrenden Lebenssituationen an der unbedingten Hingabe an den Willen des Vaters festhielt und sagte: "Nicht mein, sondern dein Wille geschehe." Solch eine entscheidende Weihung stellt den wahren Passierschein aus den Begrenzungen der menschlichen Natur in die Finalität göttlichen Vollbringens dar. Derselbe Justierer widerspiegelt jetzt in der unerforschlichen Natur seiner mächtigen Persönlichkeit das vor der Taufe liegende Menschsein Josua ben Josephs, die ewige und lebendige Transkription der ewigen und lebendigen Werte, welche der größte aller Urantianer ausgehend von den bescheidenen Umständen eines gewöhnlichen Lebens schuf, das er bis zu der vollständigen Ausschöpfung der in der Erfahrung Sterblicher erreichbaren geistigen Werte lebte. Alles, was dauernden Wert besitzt und einem Justierer anvertraut wird, lebt mit Sicherheit ewig fort. In gewissen Fällen hebt der Mentor diese Besitztümer als Gabe an einen in der Zukunft zu bewohnenden menschlichen Verstand auf; in anderen Fällen, und nach der Personifizierung, werden diese fortlebenden aufbewahrten Realitäten für eine künftige Verwendung im Dienste der Architekten des Alluniversums treuhänderisch verwaltet. ***** 109.7 Bestimmung der Personifizierten Justierer ***** Wir können nicht sagen, ob Nicht-Justierer-Vaterfragmente personifizierbar sind oder nicht, aber ihr seid informiert worden, dass die Persönlichkeit ein Geschenk des souveränen freien Willens des Universalen Vaters ist. Soviel wir wissen, gewinnen die Vaterfragmente vom Typ der Justierer die Persönlichkeit einzig über die Erwerbung persönlicher Attribute durch liebenden Dienst an einem persönlichen Wesen. Diese Personifizierten Justierer sind in Divinington zu Hause, wo sie ihre vorpersönlichen Gefährten ausbilden und leiten. Die Personifizierten Gedankenjustierer sind die ungebundenen, unverpflichteten und souveränen Stabilisierer und Kompensierer des weiten Alluniversums. Sie kombinieren in sich Schöpfer- und Geschöpfeserfahrung - existentielle und erfahrungsmäßige. Sie sind zugleich zeitliche und Ewigkeitswesen. Sie verbinden in der Universumsverwaltung das Vorpersönliche mit dem Persönlichen. Die Personifizierten Justierer sind die allweisen und machtvollen ausführenden Organe der Architekten des Alluniversums. Sie sind die persönlichen Werkzeuge des vollständigen - persönlichen, vorpersönlichen und überpersönlichen - Wirkens des Universalen Vaters. Sie sind die persönlichen Beauftragten für das Außerordentliche, Ungewöhnliche und Unerwartete in allen Reichen der transzendenten absoniten Sphären der Domäne des Ultimen Gottes, sogar bis hin zu den Ebenen des Absoluten Gottes. Sie sind die alleinigen Universumswesen, die in ihrer Natur alle bekannten Persönlichkeitsbeziehungen vereinigen; sie sind allpersönlich - sie sind vor der Persönlichkeit, sie sind Persönlichkeit und sie sind nach der Persönlichkeit. Sie dienen der Persönlichkeit des Universalen Vaters in der ewigen Vergangenheit, in der ewigen Gegenwart und in der ewigen Zukunft. Der Vater verlieh dem Ewigen Sohn die existentielle Persönlichkeit nach Art des Unendlichen und Absoluten, aber es gefiel ihm, sich für sein eigenes Wirken die erfahrungsmäßige Persönlichkeit vom Typ des Personifizierten Justierers vorzubehalten, den er dem existentiellen vorpersönlichen Justierer verleiht; und beider Bestimmung ist die künftige ewige Überpersönlichkeit für den transzendenten Dienst in den absoniten Reichen des Ultimen, des Suprem-Ultimen, sogar bis hin zu den Ebenen des Ultim-Absoluten. Selten trifft man auf Personifizierte Justierer, die frei durch die Universen streifen. Gelegentlich beraten sie sich mit den Ältesten der Tage, und manchmal begeben sich die Personifizierten Justierer der siebenfachen Schöpfersöhne auf die Hauptwelten der Konstellationen, um sich mit den Vorondadek-Herrschern zu besprechen. Als der planetarische Vorondadek-Beobachter Urantias - der Allerhöchste Hüter, der vor nicht langer Zeit eine Not-Regentschaft über eure Welt übernahm - in Gegenwart des residierenden Generalgouverneurs seine Autorität verkündete, begann er seine Notverwaltung Urantias mit einem vollständigen Stab eigener Wahl. All seinen Mitarbeitern und Helfern wies er unverzüglich ihre planetarischen Pflichten zu. Aber die drei Personifizierten Justierer, die im Augenblick seiner Übernahme der Regentschaft in seiner Gegenwart erschienen, hatte er nicht gewählt. Er wusste nicht einmal, dass sie so erscheinen würden, denn sie hatten ihre göttliche Gegenwart zur Zeit einer früheren Regentschaft nicht in dieser Weise bekundet. Der Allerhöchste Regent wies diesen freiwilligen Personifizierten Justierern keinen Dienst zu, noch trug er ihnen irgendwelche Pflichten auf. Trotzdem befanden sich diese drei allpersönlichen Wesen unter den aktivsten der damals auf Urantia dienenden himmlischen Wesen zahlreicher Ordnungen. Die Personifizierten Justierer leisten zahlreichen Ordnungen von Universumspersönlichkeiten breit gefächerte Dienste, aber wir haben keine Erlaubnis, mit evolutionären, von Justierern bewohnten Geschöpfen über diese Dienste zu sprechen. Diese außerordentlichen menschlichen Göttlichkeiten gehören zu den bemerkenswertesten Persönlichkeiten des ganzen Großen Universums, und niemand wagt vorauszusagen, welcher Art ihre künftigen Missionen sein mögen. [Dargeboten von einem Einsamen Botschafter Orvontons.] ****** Kapitel 110 Beziehung der Justierer zu den Einzelnen Sterblichen ****** DIE Gewährung der Freiheit an unvollkommene Wesen führt unvermeidlich zu Tragödien, und es liegt im Wesen der vollkommenen Vater-Gottheit, diese Leiden universell und mitfühlend als liebevoller Gefährte zu teilen. Soweit ich mit den Angelegenheiten eines Universums vertraut bin, betrachte ich die Liebe und Hingabe eines Gedankenjustierers als die wahrhaft göttlichste Zuneigung in der ganzen Schöpfung. Die Liebe der Söhne in ihrem Dienst an den Rassen ist wunderbar, aber die Hingabe eines Justierers an ein Einzelwesen ist auf rührende Weise sublim und von göttlicher Väterlichkeit. Der Paradies-Vater hat sich offensichtlich diese Form persönlichen Kontaktes mit seinen einzelnen Geschöpfen als ein ausschließliches Schöpfervorrecht vorbehalten. Und es gibt im ganzen Universum der Universen nichts, was sich genau mit dem wundervollen Dienen dieser unpersönlichen Wesenheiten vergleichen ließe, die den Kindern der evolutionären Planeten auf so berückende Weise innewohnen. ***** 110.1 Das Bewohnen des menschlichen Verstandes ***** Man sollte nicht denken, dass die Justierer im materiellen Hirn menschlicher Wesen leben. Sie sind keine organischen Bestandteile der physischen Geschöpfe der Welten. Zutreffender ist die Vorstellung, dass der Gedankenjustierer dem vergänglichen Verstand des Menschen innewohnt und nicht in den engen Grenzen eines einzigen physischen Organs existiert. Und indirekt und unerkannt kommuniziert der Justierer ständig mit seinem menschlichen Schutzbefohlenen, ganz besonders während jener sublimen Erfahrungen anbetenden Kontaktes zwischen Verstand und Geist im Überbewusstsein. Ich wünschte, es wäre mir möglich, den sich entwickelnden Sterblichen zu helfen, zu einem besseren Verständnis und einer volleren Würdigung des selbstlosen und großartigen Werks der in ihnen lebenden Justierer zu gelangen, die der Aufgabe, am geistigen Wohl des Menschen zu arbeiten, so treu ergeben sind. Die Justierer sind wirksame Förderer der höheren Phasen des menschlichen Verstandes; sie sind weise und erfahrene Manipulierer des geistigen Potentials des menschlichen Intellekts. Diese himmlischen Helfer haben sich der gewaltigen Aufgabe verschrieben, euch sicher einwärts und aufwärts bis in den himmlischen Hafen der Glückseligkeit zu geleiten. Diese unermüdlichen Arbeiter widmen sich ganz der künftigen Herbeiführung des Triumphs der göttlichen Wahrheit in eurem ewigen Leben. Sie sind die wachsamen Lotsen, die den gottesbewussten menschlichen Verstand von den Klippen des Übels wegsteuern und die sich entwickelnde Seele des Menschen zu den göttlichen Häfen der Vollkommenheit an weit entfernten, ewigen Gestaden geleiten. Die Justierer sind liebevolle Führer, die euch sicher und zuverläßig durch die dunklen und ungewissen Irrgärten eures kurzen irdischen Lebensweges geleiten; sie sind die geduldigen Lehrer, die ihre Schützlinge so unabläßig drängen, auf den Pfaden der Vervollkommnung voranzuschreiten. Sie sind die sorgsamen Hüter der erhabenen Werte des Geschöpfescharakters. Ich möchte, ihr könntet sie mehr lieben, rückhaltloser mit ihnen zusammenarbeiten und ihnen innigere Zuneigung entgegenbringen. Obwohl die Hauptsorge der göttlichen Bewohner eurer geistigen Vorbereitung auf die nächste Etappe der nie endenden Existenz gilt, zeigen sie auch ein tiefes Interesse an eurem zeitlichen Wohlergehen und an euren wahren Vollbringungen auf Erden. Mit Wonne tragen sie zu eurer Gesundheit, eurem Glücklichsein und eurer wahren Prosperität bei. Euer Erfolg in allen Angelegenheiten planetarischen Fortschritts, die eurem zukünftigen Leben ewigen Fortschritts nicht abträglich sind, lässt sie nicht ungerührt. Die Justierer schenken eurem täglichen Tun und den mannigfachen Einzelheiten eures Lebens genau in dem Maße Interesse und Aufmerksamkeit, als diese einen bestimmenden Einfluss auf eure bedeutungsvollen zeitlichen Entscheide und geistigen Entschließungen ausüben und daher Faktoren bei der Lösung eurer Probleme des Fortlebens der Seele und des ewigen Fortschritts sind. Während der Justierer sich hinsichtlich des rein zeitlichen Wohlergehens passiv verhält, ist er in allem, was eure ewige Zukunft betrifft, göttlich aktiv. Der Justierer bleibt in allem Unglück bei euch und während jeder Krankheit, welche die Denkfähigkeit nicht völlig zerstört. Aber wie grausam ist es doch, den physischen Körper, der diesem wunderbaren Gottesgeschenk als irdisches Tabernakel dienen muss, wissentlich zu beschmutzen oder anderswie vorsätzlich zu verunreinigen! Alle physischen Gifte verzögern gewaltig die Anstrengungen des Justierers, das menschliche Denken zu heben, während die mentalen Gifte wie Angst, Zorn, Neid, Eifersucht, Argwohn und Unduldsamkeit sich dem geistigen Fortschritt der sich entwickelnden Seele als ebenso furchtbare Hindernisse in den Weg legen. Ihr durchschreitet jetzt die Phase, in der euer Justierer euch den Hof macht. Wenn ihr euch nur des Vertrauens würdig zeigt, das der göttliche Geist in euch setzt, der euren Verstand und eure Seele im Hinblick auf die ewige Vereinigung begehrt, wird sich letzten Endes jenes morontielle Einssein einstellen, jene himmlische Harmonie, kosmische Koordination, göttliche Einstimmung, beseeligende Fusion, unaufhörliche Identitätsvermischung und Einheit des Seins, die so vollkommen und endgültig sind, dass selbst die erfahrensten Persönlichkeiten die Fusionspartner - den sterblichen Menschen und den göttlichen Justierer - nie mehr auseinander halten oder als getrennte Identitäten wahrnehmen können. ***** 110.2 Justierer und menschlicher Wille ***** Wenn die Gedankenjustierer in einen menschlichen Verstand einziehen, bringen sie ein Modell des Werdegangs, ein ideales Leben mit sich, wie sie und die Personifizierten Justierer Diviningtons es bestimmt, im Voraus festgelegt haben, und wie es vom Personifizierten Justierer Urantias bestätigt wurde. Sie gehen also mit einem ganz klaren, zuvor bestimmten Plan für die intellektuelle und geistige Entwicklung ihres menschlichen Schutzbefohlenen ans Werk, aber kein menschliches Wesen ist verpflichtet, diesen Plan anzunehmen. Ihr seid alle der Vorherbestimmung unterworfen, aber es ist nicht im Voraus festgelegt, dass ihr diese göttliche Prädestination annehmen müsst; ihr habt volle Freiheit, jeden beliebigen Teil des Programms des Gedankenjustierers oder dieses in seiner Gesamtheit zu verwerfen. Es ist Aufgabe der Mentoren, im Verstand solche Veränderungen hervorzurufen und geistige Anpassungen vorzunehmen, hinter die sich euer Wille und eure Intelligenz stellen können, und dadurch größeren Einfluss auf die Ausrichtung eurer Persönlichkeit zu gewinnen; aber unter gar keinen Umständen nutzen die göttlichen Mentoren euch je aus oder beeinflussen euch willkürlich in eurem Wählen und Entscheiden. Die Justierer respektieren die Souveränität eurer Persönlichkeit; sie unterwerfen sich stets eurem Willen. Sie sind in ihren Arbeitsmethoden ausdauernd, einfallsreich und vollkommen, aber sie tun dem mit Willen begabten Selbst ihres Gastwirts nie Gewalt an. Kein menschliches Wesen wird je von einem göttlichen Mentor gegen seinen Willen vergeistigt werden; das Fortleben ist ein Geschenk der Götter, das von den Geschöpfen der Zeit gewünscht werden muss. Was immer auch dem Justierer für euch zu tun gelungen ist, so werden die Protokolle zeigen, dass die Verwandlung letztlich mit eurer ko-operativen Einwilligung vollbracht worden ist; dass ihr ein williger Partner des Justierers beim Erreichen jeder Stufe der gewaltigen Umwandlung der aufsteigenden Laufbahn gewesen seid. Der Justierer versucht nicht, euer Denken als solches zu kontrollieren, sondern vielmehr, es zu vergeistigen und ihm einen Ewigkeitscharakter zu verleihen. Weder Engel noch Justierer gehen darauf aus, menschliches Denken direkt zu beeinflussen; das ist das ausschließliche Vorrecht der Persönlichkeit. Die Justierer arbeiten mit Hingabe an der Verbesserung, Änderung, Einstimmung und Koordinierung eures Denkprozesses; aber auf speziellere, gezieltere Weise widmen sie sich im Hinblick auf das Fortleben dem Aufbau eines geistigen Gegenstücks zu eurem Werdegang, einer morontiellen Transkription eures wahren vorrückenden Selbst. Die Justierer arbeiten in den Sphären der höheren Ebenen des menschlichen Verstandes und versuchen unablässig, von jedem Konzept des irdischen Intellekts morontielle Doppel anzufertigen. Es gibt infolgedessen zwei Realitäten, die auf die menschlichen Verstandeskreisläufe einwirken und ihr Zentrum darin haben: Die eine ist ein sterbliches Selbst, das durch Evolution aus den ursprünglichen Plänen der Lebensbringer hervorgegangen ist, die andere eine unsterbliche Wesenheit aus den hohen Sphären Diviningtons, ein innewohnendes Geschenk Gottes. Aber das Selbst des Sterblichen ist auch ein persönliches Selbst; es besitzt Persönlichkeit. Als persönliche Geschöpfe habt ihr Verstand und Willen. Als ein vorpersönliches Geschöpf hat der Justierer Vorverstand und Vorwillen. Wenn ihr euch dem Verstand des Justierers so völlig fügt, dass ihr mit ihm übereinstimmt, wird euer Verstand mit dem seinen eins, und ihr erhaltet die Verstärkung des Justiererverstandes. Wenn euer Wille danach die Ausführung der Beschlüsse dieses neuen oder kombinierten Verstandes befiehlt und ausführt, gelangt des Justierers vorpersönlicher Wille durch euren Entschluss zu persönlichem Ausdruck, und was dieses besondere Projekt angeht, seid ihr und der Justierer eins. Euer Verstand hat die Einstimmung auf die Göttlichkeit vollzogen, und der Wille des Justierers hat persönlichen Ausdruck gefunden. Je nach dem Ausmaß der Verwirklichung dieser Identität nähert ihr euch mental der morontiellen Existenzordnung. Der Ausdruck `morontieller Verstand' steht für die Substanz und Summe der Zusammenarbeit zwischen einem Verstand materieller und einem Verstand geistiger Natur. Im Lokaluniversum bedeutet also `morontieller Intellekt' einen doppelten Verstand, der von einem einzigen Willen beherrscht wird. Und bei den Sterblichen ist dies ein ursprünglich menschlicher Wille, der dadurch göttlich wird, dass der Mensch seinen menschlichen Verstand mit der Verstandesart Gottes identifiziert. ***** 110.3 Zusammenarbeit mit dem Justierer ***** Die Justierer spielen das heilige und herrliche Spiel der Zeitalter; sie befinden sich in einem der allerhöchsten Abenteuer der Zeit im Raum. Und wie glücklich sind sie, wenn eure Mitarbeit ihnen erlaubt, euch in euren kurzen Kämpfen der Zeit beizustehen, während sie ihre größeren Aufgaben der Ewigkeit weiterverfolgen! Aber wenn euer Justierer mit euch zu kommunizieren versucht, verliert sich seine Botschaft gewöhnlich in den Wirbeln der Energieströme des menschlichen Denkorgans; nur gelegentlich fangt ihr ein Echo auf, ein schwaches und fernes Echo der göttlichen Stimme. Der Erfolg eures Justierers beim Unternehmen, euch durch das irdische Leben zu steuern und euer Fortleben zustande zu bringen, hängt nicht so sehr von den Theorien des von euch Geglaubten als vielmehr von euren Entscheidungen ab, von eurer Entschlossenheit und eurem festen Glauben. All diese Bestrebungen der wachsenden Persönlichkeit werden zu mächtigen Einflüssen, die euren Fortschritt begünstigen, weil sie euch helfen, mit dem Justierer zusammenzuarbeiten; sie helfen euch, euren Widerstand aufzugeben. Die Gedankenjustierer sind in ihren irdischen Unternehmungen genau in dem Maße erfolgreich oder scheinbar erfolglos, wie es den Sterblichen gelingt oder misslingt, mit dem Plan zusammenzuarbeiten, der sie auf dem aufsteigenden Pfad zur Erlangung der Vollkommenheit vorwärts bringen soll. Das Geheimnis des Fortlebens liegt im glühenden menschlichen Wunsch, gottgleich zu sein, und in der damit verbundenen Bereitwilligkeit, alles zu tun und zu sein, was für die schließliche Erfüllung dieses alles beherrschenden Wunsches wesentlich ist. Wenn wir vom Erfolg oder Scheitern eines Justierers sprechen, sprechen wir vom Standpunkt des menschlichen Fortlebens aus. Justierer scheitern nie; sie sind von göttlicher Essenz, und sie gehen aus all ihren Unternehmungen siegreich hervor. Ich kann mich nicht enthalten zu sagen, dass so manche von euch so viele Zeit und Gedanken an unbedeutende Gegenstände des Lebens verschwenden, während sie die wesentlicheren Realitäten von ewiger Wichtigkeit fast völlig übersehen, eben jene Leistungen, bei denen es um die Entwicklung einer harmonischeren Zusammenarbeit zwischen ihnen und ihrem Justierer geht. Das große Ziel der menschlichen Existenz ist die Einstimmung auf die Göttlichkeit des innewohnenden Justierers; die große Vollbringung des irdischen Lebens ist es, zu einer wahren und verstehenden Hingabe an die ewigen Ziele des göttlichen Geistes zu gelangen, der in eurem Verstand wartet und arbeitet. Aber ein hingebungsvoller und entschlossener Einsatz zur Verwirklichung der ewigen Bestimmung ist durchaus vereinbar mit einem leichtherzigen und fröhlichen Leben und mit einer erfolgreichen und ehrenvollen Laufbahn auf Erden. Die Zusammenarbeit mit dem Gedankenjustierer umfasst weder Selbstkasteiung noch Scheinfrömmigkeit oder geheuchelte und auffällige Selbsterniedrigung; das ideale Leben ist eher ein Leben liebevollen Dienens als ein Leben furchtsamer Besorgnis. Verwirrung, Perplexität, sogar manchmal Entmutigung und Beunruhigung bedeuten nicht unbedingt einen Widerstand gegen die Führung durch den innewohnenden Justierer. Solche Verfassungen können manchmal ein Zeichen mangelnder aktiver Zusammenarbeit mit dem göttlichen Mentor sein und deshalb den geistigen Fortschritt etwas verzögern, aber derartige intellektuell-gefühlsmäßige Schwierigkeiten bedrohen das sichere Fortleben der Gott kennenden Seele nicht im Geringsten. Unwissenheit allein kann sich dem Fortleben nie entgegenstellen; ebenso wenig vermögen es verwirrende Zweifel oder ängstliche Ungewissheit. Einzig bewusster Widerstand gegen die Führung des Justierers kann das Fortleben der sich entwickelnden unsterblichen Seele verhindern. Ihr dürft die Zusammenarbeit mit eurem Justierer nicht als einen besonders bewussten Prozess betrachten, denn sie ist es nicht; aber eure Beweggründe und eure Entscheidungen, eure treue Entschlossenheit und eure tiefsten Wünsche bilden die wirkliche, effektive Zusammenarbeit. Ihr könnt die Harmonie mit dem Justierer bewusst verstärken, indem: 1. Ihr euch entschließt, der göttlichen Führung zu folgen; indem ihr euer Leben aufrichtig auf euer höchstes Bewusstsein von Wahrheit, Schönheit und Güte gründet und dann diese göttlichen Eigenschaften durch Weisheit, Anbetung, Glauben und Liebe koordiniert. 2. Ihr Gott liebt und wünscht, ihm zu gleichen - echte Anerkennung der göttlichen Vaterschaft und liebende Anbetung des himmlischen Vaters. 3. Ihr die Menschen liebt und aufrichtig wünscht, ihnen zu dienen - aus ganzem Herzen kommende Anerkennung der Bruderschaft der Menschen in Verbindung mit einer intelligenten und weisen Zuneigung zu jedem einzelnen eurer sterblichen Gefährten. 4. Ihr das kosmische Bürgerrecht freudig empfangt - ehrliche Anerkennung eurer zunehmenden Verpflichtungen gegenüber dem Supremen Wesen, Realisieren der gegenseitigen Abhängigkeit des evolutionären Menschen und der sich entwickelnden Gottheit. Das ist die Geburt kosmischer Sittlichkeit und die Morgenröte der Verwirklichung universeller Pflicht. ***** 110.4 Das Wirken des Justierers im Verstand ***** Die Justierer haben die Fähigkeit, den ununterbrochenen Strom kosmischer Intelligenz zu empfangen, der über die Hauptkreisläufe von Zeit und Raum hereinkommt; sie sind in vollem Kontakt mit der geistigen Intelligenz und Energie der Universen. Aber diese mächtigen Bewohner sind unfähig, dem Verstand ihrer menschlichen Schutzbefohlenen vieles von diesem Reichtum an Weisheit und Wahrheit zu vermitteln, weil die beiden Naturen zu wenig Gemeinsames haben und es an erkennender Ansprechbarkeit fehlt. Der Gedankenjustierer unternimmt unablässig Anstrengungen, um euren Verstand so zu vergeistigen, dass sich eure morontielle Seele entwickelt; aber dieses innere Wirken geschieht größtenteils ohne euer Bewusstsein. Ihr seid vollkommen unfähig, das Erzeugnis eures eigenen materiellen Intellekts vom Produkt der gemeinsamen Aktivitäten eurer Seele und des Justierers zu unterscheiden. Gewisse sich abrupt einstellende Gedanken, Schlussfolgerungen und andere mentale Bilder sind manchmal das direkte oder indirekte Werk des Justierers; aber weit häufiger handelt es sich bei diesem plötzlichen Einbruch ins Bewusstsein um Ideen, die sich auf den unterbewussten mentalen Ebenen gruppiert haben, um natürliche und alltägliche Erscheinungen der normalen, gewöhnlichen psychischen Funktion, die in der Natur der Kreisläufe des sich entwickelnden tierischen Verstandes liegen. (Im Gegensatz zu diesen unterbewussten Emanationen entstammen die Offenbarungen des Justierers den Reichen des Überbewussten.) Vertraut alle Verstandesangelegenheiten, die die strikte Ebene der Bewusstheit übersteigen, der Hut der Justierer an. Zu gegebener Zeit, und wenn nicht auf dieser Welt, dann auf den Residenzwelten, werden sie über ihr Verwalteramt Rechenschaft ablegen und schließlich die ihrer Sorge und Obhut anvertrauten Bedeutungen und Werte herausgeben. Wenn ihr fortlebt, werden sie jeden Schatz des irdischen Verstandes, der es wert ist, wieder auferstehen lassen. Es besteht ein gewaltiger Abgrund zwischen Menschlichem und Göttlichem, zwischen Mensch und Gott. Die Rassen Urantias stehen so weitgehend unter elektrischer und chemischer Kontrolle, sie gleichen in ihrem gewöhnlichen Verhalten so sehr den Tieren und sind in ihren üblichen Reaktionen derart emotional, dass es für die Mentoren außerordentlich schwierig ist, sie zu führen und zu leiten. Ihr lasst es so sehr an mutigen Entscheidungen und hingebungsvoller Zusammenarbeit mangeln, dass die euch innewohnenden Justierer es beinahe unmöglich finden, direkt mit dem menschlichen Verstand zu kommunizieren. Und auch wenn es ihnen gelingt, der sich entwickelnden Menschenseele einen Schimmer von neuer Wahrheit durchzugeben, macht eine solche geistige Offenbarung das Geschöpf oft derart blind, dass sie einen Ausbruch von Fanatismus heraufbeschwört oder irgendeinen anderen intellektuellen Aufruhr mit verheerenden Folgen auslöst. Manch eine neue Religion und seltsame "ismen" sind aus misslungenen, unvollständigen, missverstandenen und verstümmelten Mitteilungen von Gedankenjustierern entstanden. Aus den Annalen Jerusems geht hervor, dass seit vielen Jahrtausenden in jeder Generation immer weniger Wesen gelebt haben, die ohne Risiko mit eigenständigen Justierern funktionieren konnten. Das ist ein alarmierendes Bild, und die leitenden Persönlichkeiten Satanias begünstigen die Vorschläge einiger eurer unmittelbareren planetarischen Überwacher, welche die Einleitung von Maßnahmen zur Begünstigung und Bewahrung der höheren geistigen Typen der Rassen Urantias befürworten. ***** 110.5 Irrige Vorstellungen von der Führung durch den Justierer ***** Vermengt und verwechselt Sendung und Einfluss des Justierers nicht mit dem, was man gewöhnlich als Gewissen bezeichnet; sie stehen in keinem direkten Zusammenhang. Das Gewissen ist eine menschliche und rein psychische Reaktion. Es soll nicht verachtet werden, aber es ist kaum die Stimme Gottes, die zu der Seele spricht, was diejenige des Justierers tatsächlich wäre, wenn man eine solche Stimme hören könnte. Das Gewissen ermahnt euch mit Recht, richtig zu handeln; aber der Justierer bemüht sich, euch zu sagen, was wahrhaft richtig ist; d. h. wenn und wie sehr ihr fähig seid, seine Führung wahrzunehmen. Die Traumerfahrungen des Menschen, dieses unordentliche und zusammenhangslose Defilieren im nicht-koordinierten schlafenden Verstand, stellen einen hinreichenden Beweis für das Unvermögen der Justierer dar, die unterschiedlichen Faktoren des menschlichen Verstandes zu harmonisieren und zu verknüpfen. Die Justierer können ganz einfach nicht innerhalb einer einzigen Lebensdauer zwei so ungleiche und verschiedene Denktypen wie den menschlichen und den göttlichen willkürlich koordinieren und synchronisieren. Wenn es ihnen trotzdem gelingt, wie es manchmal geschehen ist, werden solche Seelen ohne die Notwendigkeit, durch die Todes-erfahrung zu gehen, direkt auf die Residenzwelten entrückt. Während der Periode des Schlafs versucht der Justierer nur das zu vollbringen, was der Wille der bewohnten Persönlichkeit zuvor durch Entscheidungen und Optionen restlos gebilligt hat, welche bei völlig wachem Bewusstsein getroffen wurden und dadurch in die Domäne des Überverstandes, in das Verbindungsreich menschlich-göttlicher Wechselbeziehung, eingegangen sind. Während ihre sterblichen Gastwirte schlafen, versuchen die Justierer, ihre Schöpfungen in den höheren Ebenen des materiellen Verstandes zu registrieren, und einige eurer grotesken Träume sind Ausdruck ihres Scheiterns beim Herstellen eines wirksamen Kontakts. Die Absurditäten des Traumlebens sind nicht nur der Ausdruck von gestauten, unausgedrückten Emotionen, sondern sie bezeugen auch die grässliche Verzerrung der von den Justierern vorgelegten Bilder geistiger Konzepte. Eure eigenen Leidenschaften, Triebe und anderen angeborenen Neigungen treten in das Bild ein und setzen ihre unausgedrückten Sehnsüchte an die Stelle der göttlichen Botschaften, welche die Mentoren sich bemühen, während des Schlafs der Psyche zu vermitteln. Es ist äußerst gefährlich, bestimmen zu wollen, welches des Justierers Anteil am Traumleben ist. Die Justierer arbeiten tatsächlich während des Schlafs, aber eure gewöhnlichen Traumerfahrungen sind rein physiologische und psychologische Phänomene. Ebenso gewagt ist der Versuch einer Differenzierung zwischen der Registrierung von Justiererkonzepten und dem mehr oder weniger kontinuierlichen und bewussten Empfang der Diktate des sittlichen Bewusstseins. Das sind Probleme, deren Lösung dem individuellen Unterscheidungsvermögen und persönlicher Entscheidung anheim gestellt sind. Aber es wäre für ein menschliches Wesen besser, einen Irrtum zu begehen, indem es eine Eingebung des Justierers zurückweist, weil es sie als eine rein menschliche Erfahrung betrachtet, als den dummen Fehler zu begehen, die Reaktion seines materiellen Verstandes in die Sphären göttlicher Würde emporzuheben. Denkt immer daran, dass der Einfluss eines Gedankenjustierers größtenteils, wenn auch nicht gänzlich, eine überbewusste Erfahrung ist. In wechselndem Grade und immer stärker kommuniziert ihr während eures Aufstiegs durch die psychischen Kreise manchmal direkt, aber häufiger indirekt, mit eurem Justierer. Es ist indessen gefährlich, der Meinung zu sein, dass jedes neue im menschlichen Verstand aufkeimende Konzept vom Justierer diktiert sei. Häufiger ist bei Wesen eurer Ordnung das, was ihr für des Justierers Stimme hält, in Wirklichkeit eurem eigenen Intellekt entsprungen. Man befindet sich da auf einem gefährlichen Grund, und jedes Menschenwesen muss diese Probleme gemäß seiner natürlichen menschlichen Weisheit und übermenschlichen Erkenntnis selber klären. Der Justierer des menschlichen Wesens, durch welches diese Kommunikation geschieht, erfreut sich hauptsächlich deshalb einer so weitgehenden Handlungsfreiheit, weil sein menschlicher Partner gegenüber allen äußeren Kundgebungen der inneren Gegenwart des Justierers annähernd vollständig gleichgültig bleibt; es ist tatsächlich ein Glücksfall, dass er sich bei dem ganzen Vorgang bewusst völlig unbeteiligt zeigt. Er beherbergt einen der erfahrensten Justierer seiner Zeit und Generation, und doch bezeichnet es sein Schicksalshüter als seltene und zufällige Reaktion, dass er sich gegenüber den Phänomenen, welche die Anwesenheit dieses vielbegabten Justierers in seinem Verstand begleiten, passiv verhält und gleichgültig zeigt. Und all das bildet ein günstiges Zusammenwirken von Einflüssen - ebenso günstig für den Justierer in den höheren Sphären des Handelns wie für den menschlichen Partner vom Standpunkt der Gesundheit, Wirksamkeit und inneren Ruhe. ***** 110.6 Die sieben psychischen Kreise ***** Die Gesamtsumme der Persönlichkeitsverwirklichung auf einer materiellen Welt ist in der allmählichen Eroberung der sieben psychischen Kreise menschlicher Potentialität enthalten. Der Eintritt in den siebenten Kreis markiert den Beginn der wahren Funktion menschlicher Persönlichkeit. Die Erfüllung des ersten Kreises zeigt die relative Reife des sterblichen Wesens an. Wenn auch das Durchlaufen der sieben Kreise kosmischen Wachstums nicht gleichbedeutend ist mit Justiererfusion, zeigt doch die Meisterung dieser Kreise das Erreichen der Stufen an, die der Fusion vorausgehen. Der Justierer ist euer ebenbürtiger Partner beim Vollbringen der sieben Kreise - dem Erreichen relativer menschlicher Reife. Der Justierer ersteigt die Kreise mit euch vom siebenten bis zum ersten, schreitet aber völlig unabhängig von der aktiven Zusammenarbeit des menschlichen Verstandes zum Status eines höchsten und eigenständigen Mentors fort. Weder sind die psychischen Kreise ausschließlich intellektuell, noch sind sie gänzlich morontiell; sie stehen in Beziehung zu Persönlichkeitstatus, mentalen Leistungen, Wachstum der Seele und Einstimmung auf den Justierer. Ein erfolgreiches Durchschreiten dieser Ebenen verlangt das harmonische Funktionieren der Gesamtpersönlichkeit und nicht nur irgendeiner ihrer Phasen. Das Wachstum der Teile ist nicht einem wahren Heranreifen des Ganzen gleichzusetzen; die Teile wachsen in Wirklichkeit im Maße der Entfaltung des ganzen Selbst, des gesamten - materiellen, intellektuellen und geistigen - Selbst. Wenn die Entwicklung der intellektuellen Natur rascher als diejenige der geistigen erfolgt, macht eine solche Situation die Kommunikation mit dem Gedankenjustierer schwierig und gefährlich. Und ebenso neigt eine überstarke geistige Entwicklung dazu, einer fanatischen und verzerrten Interpretation der geistigen Weisungen des göttlichen Bewohners zu rufen. Ein Mangel an geistiger Befähigung macht es sehr schwer, einem solchen materiellen Intellekt die sich im höheren Überbewusstsein befindlichen geistigen Wahrheiten zu übermitteln. Ein vollkommen ausgeglichener Verstand, der in einem Körper mit gesunden Gewohnheiten, stabilisierten nervlichen Energien und ausgewogenen chemischen Funktionen wohnt - dessen physische, mentale und geistige Kräfte sich in dreieiniger Harmonie der Entwicklung befinden - ein solcher Verstand ist es, dem ein Maximum an Licht und Wahrheit mit einem Minimum an zeitlicher Gefahr und Risiko für das wahre Wohl seines Besitzers vermittelt werden kann. Durch solch ein ausgewogenes Wachstum ersteigt der Mensch die Kreise planetarischer Progression einen nach dem anderen, vom siebenten bis zum ersten. Die Justierer sind euch stets nahe und ein Teil von euch, aber selten können sie direkt, wie ein anderes Wesen, zu euch sprechen. Kreis um Kreis tragen eure intellektuellen Entschlüsse, sittliche Wahl und geistige Entwicklung zur Fähigkeit des Justierers bei, in eurem Verstand zu funktionieren; Kreis um Kreis erhebt ihr euch so aus den tieferen Stadien des Zusammenwirkens mit dem Justierer und der Einstimmung eures Verstandes, so dass der Justierer immer fähiger wird, dem sich entwickelnden Bewusstsein der Gott suchenden Verstand-Seele seine bildlichen Entwürfe der Bestimmung mit wachsender Lebendigkeit und Überzeugung einzuprägen. Jede von euch getroffene Entscheidung behindert oder erleichtert das Wirken des Justierers; und so sind gerade diese Entscheidungen für euer Vorwärtskommen in den Kreisen menschlichen Vollbringens bestimmend. Es ist wahr, dass eine allerhöchste Entscheidung im Zusammenhang mit einer Krise auf die Bewältigung der Kreise einen großen Einfluss hat; indessen sind zahlreiche Entscheidungen, häufige Wiederholungen, beharrliche Wiederholungen auch wesentlich dafür, dass solche Reaktionen durch die Schaffung einer Gewohnheit zur Gewissheit werden. Die sieben Ebenen menschlichen Fortschritts genau zu definieren, ist deshalb schwierig, weil diese Ebenen persönlich sind; sie sind für jeden Einzelnen verschieden und werden offenbar durch das Wachstumsvermögen jedes menschlichen Wesens bestimmt. Die Eroberung dieser Ebenen kosmischer Evolution widerspiegelt sich auf dreierlei Art: 1. Einstimmung auf den Justierer. Der sich vergeistigende Verstand nähert sich der Gegenwart des Justierers im Verhältnis der Bezwingung der Kreise. 2. Entwicklung der Seele. Das Erwachen der morontiellen Seele zeigt Ausmaß und Tiefe der Herrschaft über die Kreise an. 3. Realität der Persönlichkeit. Der Realitätsgrad des Selbst wird direkt durch die Bewältigung der Kreise bestimmt. Die Personen werden wirklicher, während sie von der siebenten zur ersten Ebene menschlicher Existenz aufsteigen. Während das Kind der materiellen Evolution die Kreise durchschreitet, wächst es zum reifen Menschen mit Unsterblichkeitspotential heran. Die schattenhafte Realität der embryonalen Natur eines Angehörigen des siebenten Kreises macht der klareren Manifestation der erwachenden morontiellen Natur eines Bürgers des Lokaluniversums Platz. Obwohl es unmöglich ist, die sieben Ebenen oder psychischen Kreise menschlichen Wachstums klar zu definieren, sei es doch gestattet, die untersten und obersten Grenzen dieser Stadien von sich verwirklichender Reife anzudeuten: Der siebente Kreis. Die menschlichen Wesen betreten diese Ebene, wenn sie die Macht persönlicher Wahl, individueller Entscheidung und sittlicher Verantwortlichkeit und die Fähigkeit zur Erlangung geistiger Individualität entwickeln. Das bedeutet das geeinte Funktionieren der sieben mentalen Hilfsgeiste unter der Leitung des Geistes der Weisheit, den Beginn des Einflusses des Heiligen Geistes durch die Aufnahme des sterblichen Geschöpfes in seinen Kreislauf und, auf Urantia, den Beginn des Funktionierens des Geistes der Wahrheit, gleichzeitig mit dem Empfang eines Gedankenjustierers im menschlichen Verstand. Der Eintritt in den siebenten Kreis macht aus einem sterblichen Geschöpf einen echten potentiellen Bürger des Lokaluniversums. Der dritte Kreis. Der Justierer arbeitet viel wirksamer, nachdem der menschliche Aufsteiger den dritten Kreis erreicht und einen persönlichen seraphischen Schicksalshüter erhalten hat. Obwohl es zwischen Justierer und Schicksalshüter keine offensichtliche Abstimmung der Anstrengungen gibt, kann doch nach der Zuteilung des persönlichen seraphischen Begleiters in allen Phasen kosmischen Vollbringens und geistiger Entwicklung eine unverkennbare Besserung festgestellt werden. Wenn der dritte Kreis erreicht ist, bemüht sich der Justierer darum, den menschlichen Verstand während der restlichen Lebenszeit morontiell umzuwandeln, die verbleibenden Kreise zu durchschreiten und das abschließende Stadium der göttlich-menschlichen Zusammenarbeit zu erreichen, bevor der natürliche Tod die einzigartige Partnerschaft auflöst. Der erste Kreis. Gewöhnlich kann der Justierer nicht direkt und unmittelbar mit euch sprechen, bevor ihr den ersten und finalen Kreis fortschreitenden menschlichen Vollbringens erreicht habt. Diese Ebene stellt die höchstmögliche Verwirklichung der Verstand-Justierer-Beziehung in menschlicher Erfahrung dar, bevor die sich entwickelnde morontielle Seele aus dem Gewand des materiellen Körpers befreit wird. Was Verstand, Gefühle und kosmische Schau anbelangt, ist die Meisterung dieses ersten psychischen Kreises die größtmögliche Annäherung zwischen materiellem Verstand und geistigem Justierer in menschlicher Erfahrung. Vielleicht sollte man diese psychischen Kreise menschlicher Progression eher kosmische Ebenen nennen - das tatsächliche Erfassen von Bedeutungen und Gewahrwerden von Werten während des allmählichen Heranrückens an das morontielle Bewusstsein der beginnenden Beziehung der evolutionären Seele zum erwachenden Supremen Wesen. Und gerade diese Beziehung ist es, welche es für immer unmöglich macht, dem materiellen Verstand die Bedeutung der kosmischen Kreise klar auseinanderzusetzen. Die Bewältigung der Kreise steht zum Gottesbewusstsein nur in relativer Beziehung. Ein Angehöriger des siebenten oder sechsten Kreises kann Gott fast ebenso wahrhaft kennen - ebenso starkes Sohnesbewusstsein besitzen - wie ein Vertreter des zweiten oder ersten Kreises, aber die zu den niedrigeren Kreisen zählenden Wesen sind sich viel weniger einer erfahrungsmäßigen Beziehung zum Supremen Wesen, ihres universellen Bürgerrechts, bewusst. Die Meisterung der kosmischen Kreise wird auf den Residenzwelten einen Teil der Erfahrung der Aufsteiger bilden, wenn deren Bewältigung ihnen vor ihrem natürlichen Tod nicht gelingt. Die Motivierung des Glaubens macht aus dem vollen Innewerden des Menschen, ein Sohn Gottes zu sein, erst recht eine Erfahrung, aber das Handeln, die Ergänzung von Entschlüssen, ist wesentlich, um zu dem sich heranbildenden Bewusstsein zunehmender Verwandtschaft mit der kosmischen Wirklichkeit des Supremen Wesens zu gelangen. In der geistigen Welt verwandelt der Glaube Potentiale in Wirklichkeiten, aber in den endlichen Reichen des Supremen werden aus Potentialen Wirklichkeiten nur durch die bewusste Erfahrung des Wählens. Aber die Wahl, den Willen Gottes zu tun, verbindet in persönlichem Handeln geistigen Glauben mit materiellen Entscheidungen und liefert dadurch einen göttlichen und geistigen Ansatzpunkt für das wirksamere Funktionieren der menschlichen und materiellen Hebelkraft des Hungers nach Gott. Solch eine weise Koordinierung materieller und geistiger Kräfte verstärkt sowohl das kosmische Erkennen des Supremen als auch das morontielle Verständnis der Paradies-Gottheiten gewaltig. Die Meisterung der kosmischen Kreise steht mit dem quantitativen Wachstum der morontiellen Seele in Verbindung, mit dem Verständnis höchster Bedeutungen. Aber der qualitative Status dieser unsterblichen Seele ist gänzlich abhängig vom Festhalten des lebendigen Glaubens an dem Tatsachen-Wert mit Paradies-Potential, dass der sterbliche Mensch ein Sohn des ewigen Gottes ist. Deshalb begibt sich ein Angehöriger des siebenten Kreises genau gleich wie ein solcher des zweiten oder sogar des ersten Kreises auf die Residenzwelten, um mit der quantitativen Verwirklichung kosmischen Wachstums weiterzufahren. Es besteht nur eine indirekte Beziehung zwischen der Bewältigung der kosmischen Kreise und tatsächlicher geistiger religiöser Erfahrung; diese Vollbringungen sind wechselbezüglich und wirken sich deshalb gegenseitig segensreich aus. Eine rein geistige Entwicklung hat unter Umständen kaum etwas mit planetarischer materieller Prosperität zu tun, aber die Bewältigung der Kreise erhöht stets das Potential menschlichen Erfolges und irdischen Vollbringens. Vom siebenten bis zum dritten Kreis werden die geeint wirkenden sieben mentalen Hilfsgeiste immer aktiver, um den menschlichen Verstand von seiner Abhängigkeit von den Realitäten der materiellen Lebensmechanismen zu lösen, bevor er vermehrt in die morontiellen Erfahrungsebenen eingeführt wird. Vom dritten Kreis an aufwärts nimmt der Einfluss der Hilfsgeiste stetig ab. Die sieben Kreise umschließen die menschliche Erfahrung, die sich von der höchsten rein tierischen Ebene bis zu der niedrigsten wirklich morontiellen Kontaktebene des Selbstbewusstseins als einer persönlichen Erfahrung erstreckt. Die Meisterung des ersten kosmischen Kreises zeigt an, dass der Sterbliche die vormorontielle Reife erreicht hat, und bedeutet das Ende des gemeinsamen Dienstes der Hilfsgeiste als eines ausschließlichen Einflusses auf die mentale Aktivität der menschlichen Persönlichkeit. Jenseits des ersten Kreises wird der Verstand immer ähnlicher der Intelligenz des morontiellen Evolutionsstadiums, dem gemeinsamen Walten des kosmischen Verstandes und der Über-Hilfsgeist-Gabe des Schöpferischen Geistes eines Lokaluniversums. Die großen Tage in der individuellen Justierer-Laufbahn sind: Einmal, wenn der menschliche Schutzbefohlene den Durchbruch in den dritten psychischen Kreis schafft und dadurch für die Eigenständigkeit und ein größeres Betätigungsfeld des Justierers sorgt (sofern der Mentor nicht bereits eigenständig war); alsdann, wenn der menschliche Partner den ersten psychischen Kreis erreicht und beide dadurch in den Stand versetzt werden, miteinander zu kommunizieren, wenigstens bis zu einem gewissen Grad; und schließlich, wenn sie endgültig und für ewig fusionieren. ***** 110.7 Das Erreichen der Unsterblichkeit ***** Die Meisterung der sieben kosmischen Kreise ist nicht gleichbedeutend mit Justiererfusion. Es leben viele Sterbliche auf Urantia, die ihre Kreise erreicht haben; aber die Fusion hängt von noch anderen größeren und sublimeren geistigen Leistungen ab, vom Erreichen einer endgültigen und vollständigen Einstimmung des menschlichen Willens auf den Willen Gottes, wie er im Gedankenjustierer wohnt. Wenn ein menschliches Wesen die Kreise kosmischen Vollbringens durchschritten hat, und wenn überdies die endgültige Wahl des menschlichen Willens dem Justierer erlaubt, die Verbindung der menschlichen Identität mit der morontiellen Seele während des evolutionären physischen Lebens zu vervollständigen, dann begeben sich Seele und Justierer, einander unauflöslich versprochen, unabhängig auf die Residenzwelten, und dort wird der Befehl aus Uversa ausgegeben, der für die augenblickliche Fusion des Justierers mit der morontiellen Seele sorgt. Eine solche Fusion während des physischen Lebens verzehrt den materiellen Körper augenblicklich; menschliche Wesen, die etwa Zeugen eines solchen Schauspiels würden, sähen den entrückten Sterblichen bloß "in einem feurigen Wagen" entschwinden. Die meisten Justierer, die ihre Schutzbefohlenen von Urantia entrückt haben, waren hoch erfahren und dafür bekannt, zuvor auf anderen Sphären zahlreichen Sterblichen innegewohnt zu haben. Erinnert euch daran, dass die Justierer auf Planeten, wo sie nur ausgeliehen sind, beim Bewohnen von Sterblichen wertvolle Erfahrungen sammeln; es ist also nicht so, dass die Justierer ihre Erfahrungen für fortgeschrittene Aufgaben nur bei Sterblichen gewinnen, denen das Fortleben misslingt. Nach ihrer Fusion mit euch teilen die Justierer euer Schicksal und eure Erfahrung; sie sind ihr. Nach der Fusion der unsterblichen morontiellen Seele und des mit ihr verbundenen Justierers werden die gesamte Erfahrung und alle Werte des einen schließlich Besitz des anderen, so dass die beiden wirklich eine einzige Wesenheit bilden. In einem gewissen Sinne gehört dieses neue Wesen ebenso sehr der ewigen Vergangenheit an, wie es die ewige Zukunft vor sich hat. Alles, was in der fortlebenden Seele einst menschlich war, und alles, was im Justierer erfahrungsmäßig göttlich ist, wird jetzt wirklicher Besitz der neuen und ewig aufsteigenden Universumspersönlichkeit. Aber auf jeder Universumsebene kann der Justierer das neue Geschöpf nur mit jenen Attributen ausstatten, die auf dieser Ebene Bedeutung und Wert haben. Zu einem absoluten Einssein mit dem göttlichen Mentor, einer vollständigen Erschöpfung der Anlagen eines Justierers, kann man nur in der Ewigkeit gelangen, nach dem letztendlichen Erreichen des Universalen Vaters, des Vaters der Geiste, der ewigen Quelle dieser göttlichen Geschenke. Wenn die sich entwickelnde Seele und der göttliche Justierer schließlich für ewig fusionieren, gewinnt jeder alle erfahrbaren Eigenschaften des anderen. Diese koordinierte Persönlichkeit besitzt die gesamte fortlebende erfahrungsmäßige Erinnerung, die einst dem ursprünglichen menschlichen Verstand gehörte und dann auf die morontielle Seele überging, und zusätzlich verfügt dieser potentielle Finalist über die gesamte Erinnerung des Justierers an alle Erfahrungen, die er je bei den von ihm bewohnten Sterblichen gemacht hat. Aber der Justierer wird eine ewige Zukunft brauchen, um die Persönlichkeitspartnerschaft mit den Bedeutungen und Werten auszustatten, die der göttliche Mentor aus der ewigen Vergangenheit mit sich bringt. Aber bei der erdrückenden Mehrheit der Urantianer muss der Justierer geduldig das Nahen der Erlösung durch den Tod abwarten; muss auf die Befreiung der erwachenden Seele von der nahezu vollständigen Beherrschung durch die Energiemodelle und chemischen Kräfte warten, die in der Natur eurer materiellen Existenzordnung liegen. Die Hauptschwierigkeit, der ihr beim Kontakt mit eurem Justierer begegnet, besteht gerade im Wesen dieser materiellen Natur. So wenige Sterbliche sind wirkliche Denker; ihr entwickelt und diszipliniert euren Verstand nicht in geistiger Weise bis zu dem Punkt, der einer Verbindung mit dem göttlichen Justierer günstig wäre. Das Ohr des menschlichen Verstandes ist beinahe taub für die geistigen Appelle, die der Justierer den vielfältigen Botschaften der vom Vater der Barmherzigkeit ausgehenden universellen Fernmeldungen der Liebe entnimmt und übersetzt. Der Justierer findet es fast unmöglich, diese inspirierenden geistigen Richtlinien in einem tierischen Verstand zu registrieren, der so vollständig von den euren physischen Naturen inhärenten chemischen und elektrischen Kräften beherrscht wird. Die Justierer freuen sich, mit dem menschlichen Verstand in Kontakt zu treten; aber sie müssen sich über lange Jahre schweigenden Aufenthaltes gedulden, während welcher sie unfähig sind, den tierischen Widerstand zu durchbrechen und direkt mit euch zu kommunizieren. Je höher die Justierer auf der Leiter des Dienens steigen, umso leistungsfähiger werden sie. Aber nie können sie euch während eures körperlichen Daseins mit derselben vollen, mitfühlenden und ausdrucksstarken Liebe wie auf den Residenzwelten begegnen, wo ihr sie von Verstand zu Verstand wahrnehmen werdet. Während des irdischen Lebens trennen euch materieller Körper und Verstand von eurem Justierer und verhindern eine freie Kommunikation; nach dem Tod und der ewigen Fusion seid ihr und der Justierer eins - nicht als getrennte Wesen zu unterscheiden - und daher besteht keine Notwendigkeit der Kommunikation, wie ihr sie versteht. Obwohl die Stimme des Justierers stets in euch spricht, werden die meisten von euch sie während ihres ganzen Lebens nur selten hören. Menschenwesen, die sich unterhalb des dritten und zweiten Kreises der Vollbringung befinden, hören die direkte Stimme des Justierers nur selten, außer in Augenblicken höchster Sehnsucht, in einer extremen Situation und nach einer allerhöchsten Entscheidung. Während der Herstellung und des Unterbruchs eines Kontaktes zwischen dem sterblichen Verstand eines Reservisten der Bestimmung und den planetarischen Überwachern befindet sich der innewohnende Justierer manchmal in einer Lage, welche die Übermittlung einer Botschaft an den sterblichen Partner gestattet. Es ist nicht lange her, dass auf Urantia ein eigenständiger Justierer seinem menschlichen Gefährten, einem Mitglied des Reservekorps der Bestimmung, solch eine Botschaft übermittelte. Diese Botschaft begann mit den Worten: "Und nun, ohne den meiner eifrigen Hingabe Anvertrauten zu verletzen oder zu gefährden und ohne die Absicht, ihn übermäßig zu tadeln oder zu entmutigen, zeichnet für mich diese meine dringende Bitte an ihn auf." Dem folgte eine wunderbar rührende und flehende Ermahnung. Unter anderem bat der Justierer darum, "dass mein Partner mit mir in größerer Treue aufrichtig zusammenarbeite, heitereren Gemütes die ihm von mir auferlegten Pflichten ertrage, das von mir entworfene Programm getreulicher ausführe, geduldiger durch die von mir ausgesuchten Prüfungen gehe, ausdauernder und fröhlicher auf dem von mir gewählten Pfad voranschreite und die Ehren, die ihm aus meinen unaufhörlichen Anstrengungen erwachsen, demütiger entgegennehme - gebt dem von mir bewohnten Menschen diese Ermahnung weiter. Ihm schenke ich die höchste Hingabe und Liebe eines göttlichen Geistes. Des Weiteren sage ich meinem geliebten Schutzbefohlenen, dass ich bis ganz zuletzt mit Weisheit und Macht handeln werde, bis der letzte irdische Kampf vorüber ist; ich werde seiner mir anvertrauten Persönlichkeit treu bleiben. Und ich ermahne ihn, das Fortleben anzustreben, mich nicht zu enttäuschen, mich nicht um den Lohn meiner geduldigen und intensiven Anstrengungen zu bringen. Vom menschlichen Willen hängt es ab, ob wir die Persönlichkeit erlangen. Kreis um Kreis habe ich diese menschliche Intelligenz in Geduld emporgeführt, und man hat mir bezeugt, dass das Oberhaupt meiner Ordnung mein Handeln billigt. Kreis um Kreis bewege ich mich auf das Urteil zu. Mit Freude und ohne Bangen sehe ich dem Namensaufruf der Bestimmung entgegen; ich bin bereit, alles den Tribunalen der Ältesten der Tage zu unterbreiten." [Dargeboten von einem Einsamen Botschafter von Orvonton.] ****** Kapitel 111 Der Justierer und die Seele ****** DIE Gegenwart des göttlichen Justierers im menschlichen Verstand macht es Wissenschaft und Philosophie für immer unmöglich, zu einem befriedigenden Verständnis der sich entwickelnden Seele der menschlichen Persönlichkeit zu gelangen. Die morontielle Seele ist das Kind des Universums und man kann sie nur durch kosmische Schau und geistige Entdeckung wirklich kennen. Die Vorstellung von einer Seele und einem innewohnenden Geist ist auf Urantia nicht neu; sie ist in den verschiedenen planetarischen Glaubenssystemen häufig erschienen. Viele orientalische und einige abendländische Religionen haben erkannt, dass der Mensch zugleich göttlicher Abkunft und von seinem Erbe her menschlich ist. Das Fühlen der inneren Gegenwart zusätzlich zu der äußeren Allgegenwart der Gottheit ist seit langem ein Teil vieler Religionen Urantias. Die Menschen glauben seit langem, dass es etwas gibt, was im Inneren der menschlichen Natur wächst, etwas Wesentliches, was bestimmt ist, die kurze Spanne des zeitlichen Lebens zu überdauern. Bevor die Menschen realisierten, dass ihre sich entwickelnde Seele durch einen göttlichen Geist ins Leben gerufen wurde, dachten sie, sie wohne in verschiedenen physischen Organen - in den Augen, in der Leber, in den Nieren, im Herzen und später im Hirn. Der Wilde verknüpfte die Seele mit Blut, Atem, Schatten und mit seinem Spiegelbild im Wasser. In ihrer Vorstellung vom Atman kamen die Hindulehrer tatsächlich einer richtigen Einschätzung der Natur und Gegenwart des Justierers nahe, aber es gelang ihnen nicht, ihn von der gleichzeitigen Anwesenheit der sich entwickelnden und potentiell unsterblichen Seele zu unterscheiden. Die Chinesen hingegen erkannten zwei Aspekte eines Menschenwesens, das Yang und das Yin, die Seele und den Geist. Die Ägypter und viele afrikanische Stämme glaubten ebenfalls an zwei Faktoren, das Ka und das Ba; gewöhnlich wurde nicht an eine Vorausexistenz der Seele, sondern nur des Geistes geglaubt. Die Bewohner des Niltales glaubten, dass jedem begünstigten Einzelwesen bei der Geburt oder kurz darauf ein schützender Geist zuteil werde, den sie Ka nannten. Sie lehrten, dass dieser Geist während des ganzen Lebens bei seinem Schutzbefohlenen bleibe und ihm in den zukünftigen Zustand vorausgehe. An den Wänden eines Tempels von Luxor, wo die Geburt Amenhoteps lll. dargestellt ist, sieht man den kleinen Prinzen auf dem Arm des Nilgottes, und neben ihm befindet sich ein anderes, scheinbar mit dem Prinzen identisches Kind, das ein Symbol jener Wesenheit ist, welche die Ägypter das Ka nannten. Diese Skulptur wurde im fünfzehnten Jahrhundert vor Christus ausgeführt. Man stellte sich dieses Ka als einen höheren geistigen Genius vor, der wünschte, die mit ihm verbundene menschliche Seele auf bessere Pfade zeitlicher Lebensweise zu lenken, aber insbesondere das Schicksal des menschlichen Schutzbefohlenen im Jenseits zu beeinflussen. Wenn ein Ägypter jener Zeit verstarb, rechnete man damit, dass das Ka ihn am anderen Ufer des Großen Flusses erwarte. Zuerst wurde angenommen, nur Könige hätten ein Ka, aber bald glaubte man, dass alle rechtschaffenen Menschen eines besäßen. Ein ägyptischer Herrscher sagte von dem Ka in seinem Herzen Folgendes: "Ich war nicht gleichgültig gegen seine Worte; ich fürchtete mich davor, seine Weisungen zu übertreten. Ich gedieh dabei prächtig; ich war so erfolgreich wegen dessen, was es mich zu tun bewog; ich zeichnete mich aus wegen seiner Führung." Viele glaubten, dass das Ka "in jedem ein Orakel Gottes" sei. Viele glaubten, sie würden "die Ewigkeit freudigen Herzens in der Gunst Gottes, der in euch ist, verbringen". Jede Rasse der sich entwickelnden Sterblichen Urantias hat ein Wort, das der Vorstellung von der Seele entspricht. Viele primitive Völker glaubten, die Seele blicke durch die menschlichen Augen in die Welt hinaus; deshalb fürchteten sie sich so feige vor der Heimtücke des bösen Blicks. Lange haben sie geglaubt, dass "der Geist des Menschen das Licht des Herrn ist". Der Rig-Veda sagt: "Meine Seele spricht zu meinem Herzen." ***** 111.1 Der Verstand - Schauplatz des Wählens ***** Obwohl das Wirken der Justierer geistiger Natur ist, müssen sie all ihre Arbeit zwangsläufig auf einer intellektuellen Grundlage verrichten. Der Verstand ist der menschliche Boden, aus dem der geistige Mentor in Zusammenarbeit mit der bewohnten Persönlichkeit die morontielle Seele entwickeln muss. Auf den verschiedenen Verstandesebenen des Universums der Universen herrscht eine kosmische Einheit. Das intellektuelle Selbst hat seinen Ursprung im kosmischen Verstand, ganz so wie Nebel aus den kosmischen Energien des Universumsraums hervorgehen. Auf der menschlichen (also persönlichen) Ebene des intellektuellen Selbst wird im Einverständnis mit dem menschlichen Verstand das Potential geistiger Evolution beherrschend aufgrund der geistigen Begabung der menschlichen Persönlichkeit und der schöpferischen Gegenwart einer Kern-Wesenheit absoluten Wertes in diesem menschlichen Selbst. Aber solch eine geistige Beherrschung des materiellen Verstandes hängt von zwei Erfahrungen ab: Dieser Verstand muss sich durch das Wirken der sieben mentalen Hilfsgeiste entwickelt haben, und das materielle (persönliche) Selbst muss sich für die Zusammenarbeit mit dem innewohnenden Justierer entschließen, um das morontielle Selbst, die evolutionäre und potentiell unsterbliche Seele zu erschaffen und großzuziehen. Der materielle Verstand ist der Schauplatz, wo die menschlichen Persönlichkeiten leben, ihrer selbst bewusst sind, Entscheidungen treffen, Gott wählen oder sich von ihm abwenden, sich verewigen oder vernichten. Die materielle Evolution hat euch eine Lebensmaschine, euren Körper, zur Verfügung gestellt; der Vater selber hat euch mit der reinsten im Universum bekannten geistigen Realität, mit eurem Gedankenjustierer ausgestattet. Aber in eure Hände ist der Verstand gelegt worden, der euren eigenen Entscheidungen unterworfen ist, und durch den Verstand lebt oder sterbt ihr. In diesem Verstand und mittels dieses Verstandes trefft ihr jene sittlichen Entscheidungen, die euch befähigen, dem Justierer ähnlich zu werden, was heißt, Gott ähnlich zu werden. Der sterbliche Verstand ist ein vorübergehendes intellektuelles System, das den menschlichen Wesen für die Dauer eines materiellen Lebens zum Gebrauch geliehen ist, und je nachdem, wie sie diesen Verstand benutzen, akzeptieren oder verwerfen sie das Potential ewiger Existenz. Der Verstand ist so ziemlich die einzige Universumsrealität, die eurem Willen unterworfen ist, und die Seele - das morontielle Selbst - wird ein getreues Bild der Ernte zeitlicher Entscheidungen sein, die das sterbliche Selbst trifft. Das menschliche Bewusstsein ruht sanft auf den elektro-chemischen Mechanismen unter ihm und berührt nach oben delikat das geistig-morontielle Energiesystem. Keines dieser beiden Systeme nimmt das menschliche Wesen in seinem irdischen Leben je vollkommen bewusst wahr; deshalb muss es im Verstand arbeiten, dessen es bewusst ist. Und nicht so sehr das, was der Verstand versteht, als das, was der Verstand zu verstehen wünscht, sichert das Fortleben. Nicht so sehr, wie der Verstand ist, als wie er sich zu sein anstrengt, bedeutet eine Identifikation mit dem Geist. Nicht so sehr die Tatsache, dass der Mensch sich Gottes bewusst ist, als dass er sich nach Gott sehnt, hat den Aufstieg im Universum zur Folge. Was ihr heute seid, ist weniger wichtig, als was ihr Tag für Tag und in der Ewigkeit werdet. Der Verstand ist das kosmische Instrument, auf dem der menschliche Wille die Missklänge der Zerstörung spielen kann, oder dem derselbe menschliche Wille die erlesenen Melodien der Identifikation mit Gott und des daraus folgenden ewigen Fortlebens entlocken kann. Der dem Menschen geschenkte Justierer ist letztlich gegen alles Schlechte gefeit und der Sünde unfähig, aber der menschliche Verstand kann durch das sündige Ränkespiel eines perversen und eigensüchtigen menschlichen Willens verdreht, verbogen, schlecht und häßlich werden. Ebenso kann derselbe Verstand im Einvernehmen mit dem vom Geist erleuchteten Willen eines Gott kennenden Menschenwesens edel, schön, wahr und gut - wirklich groß - werden. Gänzlich stabil und verlässlich ist der evolutionäre Verstand nur, wenn er sich an den beiden extremen Enden der kosmischen Intellektualität manifestiert - dem völlig mechanisierten und dem durch und durch vergeistigten. Zwischen den intellektuellen Extremen rein mechanischer Kontrolle und wahrer geistiger Natur befindet sich das gewaltige Heer der sich entwickelnden und aufsteigenden Verstandeswesen, deren Stabilität und Ruhe von ihrer persönlichen Wahl und Identifikation mit dem Geiste abhängen. Aber der Mensch übergibt dem Justierer seinen Willen nicht in passiver, sklavischer Weise. Vielmehr entschließt er sich, dessen Führung aktiv und in positivem und kooperativem Geiste zu folgen, wenn ihm bewusst wird, dass diese Führung von den Wünschen und Impulsen des natürlichen menschlichen Verstandes abweicht. Die Justierer manipulieren wohl den Verstand des Menschen, beherrschen ihn aber nie gegen seinen Willen; für die Justierer steht der menschliche Wille zualleroberst. Sie achten ihn hoch und respektieren ihn, während sie sich bestreben, auf dem beinah unbegrenzten Kampfplatz des sich entwickelnden menschlichen Intellektes die geistigen Ziele der Gedankenjustierung und der Charakterverwandlung zu erreichen. Der Verstand ist euer Schiff, der Justierer euer Lotse, und der menschliche Wille ist der Kapitän. Der Herr über das menschliche Boot sollte die Weisheit haben, es dem göttlichen Lotsen vertrauensvoll zu überlassen, die aufsteigende Seele in den morontiellen Hafen ewigen Fortlebens zu steuern. Nur aus Eigensucht, Trägheit und Sündhaftigkeit kann der menschliche Wille die Führung eines so liebevollen Lotsen ablehnen, kann die irdische Laufbahn an den üblen Klippen zurückgewiesener Barmherzigkeit und an den Felsen bejahter Sünde Schiffbruch erleiden. Mit eurem Einverständnis wird euch dieser treue Lotse unversehrt durch die Sperren der Zeit und die Behinderungen des Raums an die Quelle des göttlichen Verstandes selbst führen und darüber hinaus sogar bis zum Paradies-Vater der Justierer. ***** 111.2 Natur der Seele ***** In allen Verstandesfunktionen der kosmischen Intelligenz beherrscht die Gesamtheit des Verstandes stets die Teile intellektueller Funktion. Der Verstand ist in seiner Essenz funktionale Einheit; deshalb zeigt er immer und unfehlbar seine angeborene Einheit, auch wenn er durch die unweisen Handlungen und Entscheide eines missgeleiteten Selbst gestört und gehindert wird. Und diese Einheit des Verstandes sucht ausnahmslos nach geistiger Koordination auf allen Ebenen des Zusammenwirkens mit dem Selbst all jener, die die Würde des Willens und die Vorrechte des Aufstiegs besitzen. Der materielle Verstand des sterblichen Menschen ist der kosmische Webstuhl, der das morontielle Gewebe trägt, in das der innewohnende Gedankenjustierer die geistigen Urmuster eines Universumscharakters bleibender Werte und göttlicher Bedeutungen webt - einer fortlebenden Seele mit ultimer Bestimmung und nie endender Laufbahn, eines potentiellen Finalisten. Die menschliche Persönlichkeit ist mit Verstand und Geist assoziiert, die in einem materiellen Körper durch das Leben in funktioneller Beziehung zusammengehalten werden. Das Ergebnis dieser zwischen Verstand und Geist funktionierenden Beziehung ist nicht irgendeine Kombination der Eigenschaften oder Attribute von Verstand und Geist, sondern vielmehr ein völlig neuer, originaler und einmaliger Universumswert von potentiell ewiger Dauer, die Seele. Es gibt drei und nicht zwei Faktoren der evolutionären Entstehung solch einer unsterblichen Seele. Diese drei Vorläufer der morontiellen menschlichen Seele sind: 1. Der menschliche Verstand und alle kosmischen Einflüsse, die ihm vorausgegangen sind und auf ihn einwirken. 2. Der göttliche Geist, der diesem menschlichen Verstand innewohnt und alle Potentiale, die in der Natur eines solchen Fragmentes absoluter Geistigkeit liegen, zuzüglich aller im menschlichen Leben hinzutretenden geistigen Einflüsse und Faktoren. 3. Die Beziehung zwischen materiellem Verstand und göttlichem Geist, die einen Wert darstellt und eine Bedeutung hat, die sich weder im einen noch anderen Faktor dieser Vereinigung finden. Die Realität dieser einzigartigen Beziehung ist weder materiell noch geistig, sondern morontiell. Es ist die Seele. Die Mittler-Geschöpfe nennen die sich entwickelnde Seele des Menschen seit langem Zwischenverstand im Unterschied zu dem tiefer stehenden oder materiellen Verstand und dem höheren oder kosmischen Verstand. Dieser Zwischenverstand ist wirklich ein morontielles Phänomen, da er sich im Reich zwischen Materiellem und Geistigem befindet. Das Potential solch einer morontiellen Entwicklung ist den zwei universalen Antrieben des Verstandes eingeboren: Es liegt im Impuls des endlichen Geschöpfesverstandes, Gott zu kennen und die Göttlichkeit des Schöpfers zu erreichen, und im Impuls des unendlichen Schöpferverstandes, den Menschen zu kennen und zur Erfahrung des Geschöpfes zu gelangen. Dieser himmlische Vorgang der Evolution der unsterblichen Seele wird möglich, weil der Verstand des Sterblichen erstens persönlich ist und zweitens in Kontakt mit übertierischen Realitäten steht; er besitzt eine übermaterielle Ausstattung mit kosmischen Wirkkräften, welche die Entwicklung einer sittlichen Natur, die zu sittlichen Entscheidungen fähig ist, sichert und dadurch einen echten schöpferischen Kontakt mit den vereinigten geistigen Einflüssen und dem innewohnenden Gedankenjustierer schaffen kann. Das unvermeidliche Ergebnis dieser Vergeistigung des menschlichen Verstandes durch Kontakt ist die allmähliche Geburt einer Seele, des gemeinsamen Abkömmlings eines kooperativen Verstandes, der von einem sich nach der Kenntnis Gottes sehnenden menschlichen Willen beherrscht wird, und seiner Zusammenarbeit mit den geistigen Universumskräften, die unter der Kontrolle eines wirklichen Fragmentes des Gottes der ganzen Schöpfung - dem Unergründlichen Mentor - stehen. Auf diese Weise transzendiert die materielle und menschliche Realität des Selbst die zeitlichen Begrenzungen des physischen Lebensapparates und erreicht einen neuen Ausdruck und eine neue Identifikation in dem sich entwickelnden Träger der Kontinuität des Selbst, der morontiellen unsterblichen Seele. ***** 111.3 Die sich entwickelnde Seele ***** Die Fehler des vergänglichen Verstandes und die Irrtümer menschlichen Verhaltens können die Entwicklung der Seele merklich verzögern, obwohl sie dieses morontielle Phänomen nicht verhindern können, nachdem es einmal im Einverständnis mit dem Willen des Geschöpfes durch den innewohnenden Justierer in Gang gesetzt worden ist. Aber derselbe materielle menschliche Wille ist befugt, zu jedem Zeitpunkt vor dem Tod auf seine Wahl zurückzukommen und das Fortleben zu verwerfen. Selbst noch nach dem Fortleben behält der aufsteigende Sterbliche das Vorrecht, sich gegen das ewige Leben zu entscheiden; zu jedem der Fusion mit dem Justierer vorausgehenden Zeitpunkt steht es dem sich entwickelnden, aufsteigenden Geschöpf frei, den Willen des Paradies-Vaters nicht länger zu verfolgen. Die Fusion mit dem Justierer drückt aus, dass der aufsteigende Sterbliche sich bedingungslos und auf ewig für die Ausführung des Willens des Vaters entschieden hat. Während des irdischen Lebens ist die sich entwickelnde Seele befähigt, die übermateriellen Entscheidungen des menschlichen Verstandes zu verstärken. Da die Seele übermateriell ist, kann sie nicht von sich aus auf der materiellen menschlichen Erfahrungsebene funktionieren. Auch kann diese unter-geistige Seele nicht ohne die Mitarbeit irgendeines Geistes der Gottheit wie des Justierers oberhalb der morontiellen Ebene wirken. Ebenso wenig trifft die Seele endgültige Entscheidungen, bevor Tod oder Entrückung die materielle Vereinigung mit dem menschlichen Verstand aufheben, außer der materielle Verstand übergebe diese Autorität aus freien Stücken der mit ihm zusammenwirkenden morontiellen Seele. Zu Lebzeiten befindet sich der menschliche Wille, die Macht der Persönlichkeit zu entscheiden und zu wählen, in den materiellen Verstandeskreisläufen; mit fortschreitendem irdischem Wachstum des Sterblichen identifiziert sich dieses Selbst mit seinen unschätzbaren Vorrechten des Wählens immer stärker mit der erwachenden morontiellen seelischen Wesenheit; nach dem Tod und der darauf folgenden Auferstehung auf den Residenzwelten ist die menschliche Persönlichkeit mit dem morontiellen Selbst vollkommen identisch. Somit ist die Seele der Embryo des zukünftigen morontiellen Trägers der Persönlichkeitsidentität. Diese unsterbliche Seele ist zuerst in ihrem Wesen völlig morontiell, aber sie besitzt ein derartiges Entwicklungsvermögen, dass sie ausnahmslos zu den wahren geistigen Wertebenen der Fusion mit den Geisten der Gottheit aufsteigt, üblicherweise mit demselben Geist des Universalen Vaters, der dieses schöpferische Phänomen im Geschöpfesverstand ursprünglich ausgelöst hat. Menschlicher Verstand und göttlicher Justierer sind sich der Gegenwart und verschiedenen Natur der sich entwickelnden Seele bewusst - der Justierer voll und ganz, der Verstand teilweise. Die Seele wird sich entsprechend ihrem eigenen evolutionären Wachstum sowohl des Verstandes als auch des Justierers als mit ihr verbundener Wesenheiten immer bewusster. Die Seele hat an den Eigenschaften des menschlichen Verstandes ebenso teil wie an denen des göttlichen Geistes, entwickelt sich aber beharrlich in Richtung auf eine erhöhte geistige Kontrolle und göttliche Beherrschung durch Herausbildung einer Verstandesfunktion, deren Bedeutungen sich mit wahren geistigen Werten zu koordinieren trachten. Der Werdegang des Sterblichen, seine seelische Entwicklung, ist nicht so sehr eine Prüfung als eine Erziehung. Der Glaube an das Fortleben höchster Werte ist das Herzstück der Religion; echte religiöse Erfahrung besteht in der Vereinigung höchster Werte und kosmischer Bedeutungen als einer Verwirklichung universeller Realität. Der Verstand kennt Quantität, Realität und Bedeutungen. Aber Qualität - Werte - fühlt man. Was fühlt, ist die wechselseitige Schöpfung des Verstandes, der kennt, und des zugesellten Geistes, der Realität entstehen lässt. Insofern als sich die in Entwicklung begriffene morontielle Seele von Wahrheit, Schönheit und Güte als einer Werte-Verwirklichung des Gottesbewusstseins durchdringen lässt, wird das dabei entstehende Wesen unzerstörbar. Wenn es in der sich entwickelnden Seele des Menschen kein Fortleben ewiger Werte gibt, ist die irdische Existenz ohne Bedeutung, und das Leben selber ist eine tragische Illusion. Aber es bleibt ewig wahr: Was ihr in der Zeit beginnt, werdet ihr mit Sicherheit in der Ewigkeit zu Ende führen - wenn es wert ist, beendigt zu werden. ***** 111.4 Das innere Leben ***** Wahrnehmung ist der intellektuelle Prozess des Zusammenpassens der von der äußeren Welt empfangenen sensorischen Eindrücke mit den Gedächtnismodellen des Einzelwesens. Verstehen bedeutet, dass diese wahrgenommenen sensorischen Eindrücke und die ihnen zugesellten Gedächtnismodelle darüber hinaus zu einem dynamischen Netzwerk von Prinzipien integriert und organisiert worden sind. Bedeutungen werden abgeleitet aus einer Kombination von Wahrnehmen und Verstehen. In einer restlos sensorischen oder materiellen Welt gibt es keine Bedeutungen. Bedeutungen und Werte werden nur in den inneren oder übermateriellen Sphären der menschlichen Erfahrung wahrgenommen. Die Fortschritte wahrer Zivilisation werden alle in dieser inneren Welt der Menschheit geboren. Nur das innere Leben ist wahrhaft schöpferisch. Die Zivilisation kann schwerlich Fortschritte machen, wenn die Mehrheit der Jugend einer Generation ihre Interessen und Energien auf die materialistische Beschäftigung mit der sensorischen oder äußeren Welt richtet. Die innere und die äußere Welt haben einen verschiedenen Wertekatalog. Jedwelche Zivilisation ist gefährdet, wenn drei Viertel ihrer Jugendlichen materialistische Berufe ergreifen und sich der Verfolgung der sensorischen Aktivitäten der äußeren Welt verschreiben. Die Zivilisation befindet sich in Gefahr, wenn die Jungen es versäumen, sich für Ethik, Soziologie, Eugenik, Philosophie, die schönen Künste, Religion und Kosmologie zu interessieren. Nur auf den höheren Ebenen des überbewussten Verstandes, wo dieser an das geistige Reich menschlicher Erfahrung grenzt, kann man jene höheren Konzepte zusammen mit wirksamen Haupt-Urmustern finden, die zum Bau einer besseren und dauerhafteren Zivilisation beitragen werden. Die Persönlichkeit ist von Natur aus schöpferisch, aber sie kann nur im Innenleben des Einzelnen schöpferisch wirken. Schneekristalle haben immer eine sechseckige Form, aber nie sind ihrer zwei gleich. Kinder gehören gewissen Typen an, aber nie sind ihrer zwei genau gleich, auch nicht im Fall von Zwillingen. Persönlichkeit hält sich an gewisse Typen, ist aber immer einmalig. Glück und Freude entspringen dem inneren Leben. Wahre Freude kann nicht allein erfahren werden. Ein einsames Leben ist für das Glück unheilvoll. Selbst Familien und Nationen werden sich stärker am Leben freuen, wenn sie es mit anderen teilen. Ihr könnt die äußere Welt - euer Umfeld - nicht vollständig kontrollieren. Eurer Führung am stärksten unterworfen ist die Kreativität der inneren Welt, weil eure Persönlichkeit dort so weitgehend von den Fesseln der Gesetze von Ursache und Wirkung befreit ist. Mit der Persönlichkeit ist eine begrenzte Souveränität des Willens verbunden. Da das innere Leben des Menschen wahrhaft schöpferisch ist, fällt jeder Person die Verantwortung für die Wahl zu, ob diese Kreativität spontan und völlig zufällig oder aber kontrolliert, gerichtet und konstruktiv sein soll. Wie kann eine schöpferische Vorstellungskraft achtbare Ergebnisse zeitigen, wenn der Ort ihres Wirkens bereits von Vorurteilen, Hass, Ängsten, Ressentiments, Rachegefühlen und Fanatismus besetzt ist? Ideen können Reizen aus der äußeren Welt entspringen, aber Ideale werden nur in den schöpferischen Reichen der inneren Welt geboren. Heutigentags werden die Nationen der Welt von Menschen geleitet, die von Ideen überquellen, aber nur armselige Ideale besitzen. Das ist die Erklärung von Armut, Trennung, Krieg und Rassenhass. Hierin liegt das Problem: Wenn der mit freiem Willen begabte Mensch über die Macht der Kreativität des inneren Menschen gebietet, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die mit freiem Willen begabte Kreativität auch das Potential der mit freiem Willen begabten Destruktivität umfasst. Und wenn sich Kreativität in Destruktivität verwandelt, stehen wir den Verwüstungen des Üblen und der Sünde gegenüber - Unterdrückung, Krieg und Vernichtung. Das Üble ist eine bruchstückhafte Kreativität, die zu Desintegration und schließlicher Zerstörung neigt. Jeder Konflikt ist übel, indem er die schöpferische Funktion des inneren Lebens hemmt - er ist eine Art Bürgerkrieg in der Persönlichkeit. Innere Kreativität trägt zur Charakterveredlung durch Persönlichkeitsintegration und Einigung des Selbst bei. Es bleibt ewig wahr: Die Vergangenheit ist nicht mehr zu ändern; nur die Zukunft kann verändert werden durch das Wirken der Kreativität des inneren Selbst in der Gegenwart. ***** 111.5 Die Weihung der freien Wahl ***** Die Ausführung des Willens Gottes ist nichts anderes als der Ausdruck der Gewilltheit eines Geschöpfes, das innere Leben mit Gott zu teilen - mit dem Gott, der solch ein Geschöpfesleben innerer Bedeutungen und Werte möglich gemacht hat. Teilen ist die Art Gottes - ist göttlich. Gott teilt alles mit dem Ewigen Sohn und mit dem Unendlichen Geist, während diese wiederum alle Dinge mit den göttlichen Söhnen und geistigen Töchtern des Universums teilen. Die Nachahmung Gottes ist der Schlüssel zur Vollkommenheit; die Ausführung seines Willens ist das Geheimnis des Fortlebens und der Vollkommenheit im Fortleben. Die Sterblichen leben in Gott, und so war Gott willens, in den Sterblichen zu leben. So wie die Menschen sich ihm anvertrauen, so hat er - und zwar zuerst - den Menschen einen Teil seiner selbst anvertraut, um bei ihnen zu sein; hat eingewilligt, in den Menschen zu leben und, dem menschlichen Willen unterworfen, ihnen innezuwohnen. Friede in diesem Leben, Fortleben im Tod, Vollkommenheit im nächsten Leben, Dienst in der Ewigkeit - all das wird (im Geist) jetzt vollzogen, wenn die Geschöpfespersönlichkeit einwilligt - die Wahl trifft - ihren Geschöpfeswillen dem Vaterwillen zu unterwerfen. Und allbereits hat der Vater die Wahl getroffen, dem Willen der Geschöpfespersönlichkeit ein Fragment seiner selbst zu unterwerfen. Eine derartige Wahl der Persönlichkeit ist kein Aufgeben des Willens. Es ist eine Weihung des Willens, eine Expansion des Willens, eine Verherrlichung des Willens, eine Vervollkommnung des Willens; und eine solche Wahl versetzt den Geschöpfeswillen von der Ebene zeitlicher Bedeutung in jenen höheren Zustand hinauf, worin die Persönlichkeit des Geschöpfes-Sohnes mit der Persönlichkeit des geistigen Vaters in Verbindung tritt. Diese Entscheidung für den Vaterwillen ist das geistige Finden des Geist-Vaters durch den sterblichen Menschen, auch wenn ein ganzes Zeitalter vorübergehen muss, ehe sich der Geschöpfes-Sohn wirklich in Gottes tatsächlicher Gegenwart im Paradies befindet. Diese Wahl besteht nicht so sehr in der Verneinung des Geschöpfeswillens - "Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe" - als in der positiven Bekräftigung des Geschöpfes: "Es ist mein Wille, dass der deine geschehe." Und ist diese Wahl einmal getroffen, wird der sich für Gott entscheidende Sohn früher oder später die innere Vereinigung mit dem ihn bewohnenden Fragment Gottes finden, und derselbe sich vervollkommnende Sohn wird höchste persönliche Erfüllung in der anbetenden Verbindung der menschlichen Persönlichkeit mit der Persönlichkeit seines Schöpfers finden, zweier Persönlichkeiten, deren schöpferische Eigenschaften sich auf ewig in selbstgewolltem wechselseitigem Ausdruck vereinigt haben: Es ist die Geburt einer neuen ewigen Partnerschaft zwischen dem Willen des Menschen und dem Willen Gottes. ***** 111.6 Das menschliche Paradox ***** Dem sterblichen Menschen erwachsen viele seiner zeitlichen Schwierigkeiten aus seiner zweifachen Beziehung zum Kosmos. Der Mensch ist ein Teil der Natur - er existiert in der Natur - und doch ist er fähig, die Natur zu transzendieren. Der Mensch ist endlich, aber er wird von einem Funken der Unendlichkeit bewohnt. Diese doppelte Situation liefert nicht nur das Potential zum Üblen, sondern schafft auch viele gesellschaftliche und sittliche Situationen, die mit viel Unsicherheit und recht großer Angst verbunden sind. Der Mut, den es zur Bezwingung der Natur und zur Transzendierung des Selbst braucht, ist ein Mut, welcher den Versuchungen des Hochmutes erliegen könnte. Der Sterbliche, der sein Selbst transzendieren kann, könnte der Versuchung nachgeben, sein eigenes Selbstbewusstsein zu vergotten. Das Dilemma des Sterblichen liegt in der doppelten Tatsache, dass der Mensch in den Fesseln der Natur liegt und zugleich eine einmalige Freiheit besitzt - die Freiheit geistigen Wählens und Handelns. Auf den materiellen Ebenen sieht sich der Mensch der Natur unterworfen, während er auf geistigen Ebenen über die Natur und alle zeitlichen und endlichen Dinge triumphiert. Ein solches Paradox ist untrennbar verbunden mit Versuchung, potentiell Üblem und Entscheidungsirrtümern; und wenn das Selbst hochmütig und arrogant wird, kann sich daraus Sünde entwickeln. Das Problem der Sünde existiert nicht eigenständig in der endlichen Welt. Die Tatsache der Endlichkeit ist weder schlecht noch sündhaft. Die endliche Welt wurde von einem unendlichen Schöpfer erschaffen - sie ist das Werk seiner göttlichen Söhne - und deshalb muss sie gut sein. Falscher Gebrauch, Verzerrung und Pervertierung des Endlichen sind das, was Übel und Sünde entstehen lässt. Der Geist kann den Verstand beherrschen; ebenso kann der Verstand die Energie kontrollieren. Aber der Verstand kann die Energie nur durch seine eigene intelligente Handhabung der verwandlungsfähigen Potentiale kontrollieren, die in der Natur der mathematischen Ebenen von Ursache und Wirkung des physischen Bereichs liegen. Dem Geschöpfesverstand ist die Beherrschung der Energie nicht angeboren; das ist ein Vorrecht der Gottheit. Aber der Geschöpfesverstand kann die Energie soweit manipulieren und tut es auch, wie er Meister der Energiegeheimnisse des physischen Universums geworden ist. Wenn der Mensch die physische Realität, sei es sich selber oder seine Umgebung, zu verändern wünscht, wird er dabei in dem Maße Erfolg haben, wie er die Mittel und Wege zur Beherrschung der Materie und Steuerung der Energie entdeckt hat. Ohne Hilfe ist der Verstand unfähig, irgendetwas Materielles zu beeinflussen außer seinem eigenen physischen Mechanismus, an den er unentrinnbar gebunden ist. Aber durch den intelligenten Gebrauch des Körpermechanismus kann der Verstand andere Mechanismen, sogar energetische und lebendige Beziehungen, erschaffen, durch deren Einsatz er seine physische Universumsebene immer besser kontrollieren und sogar beherrschen kann. Die Wissenschaft ist die Quelle von Tatsachen, und der Verstand kann ohne Tatsachen nicht wirken. Diese sind beim Aufbau der Weisheit die Bausteine, die vom Zement der Lebenserfahrung aneinander gebunden werden. Der Mensch kann Gottes Liebe ohne Tatsachen finden, und der Mensch kann Gottes Gesetze ohne Liebe entdecken, aber nie kann er beginnen, die unendliche Symmetrie, himmlische Harmonie und herrliche Fülle der allumfassenden Natur des Ersten Zentralen Ursprungs zu würdigen, bevor er göttliches Gesetz und göttliche Liebe gefunden und sie auf dem Erfahrungsweg in seiner eigenen, sich entwickelnden kosmischen Philosophie geeint hat. Die Vermehrung materiellen Wissens erlaubt eine größere intellektuelle Würdigung der Bedeutung von Ideen und der Werte von Idealen. Ein menschliches Wesen kann die Wahrheit in seiner inneren Erfahrung finden, aber es braucht eine klare Kenntnis der Tatsachen, um seine persönliche Entdeckung der Wahrheit auf die unerbittlichen praktischen Erfordernisse des täglichen Lebens anzuwenden. Es ist nur natürlich, dass der sterbliche Mensch von Gefühlen der Unsicherheit bedrängt wird, wenn er sich unauflösbar an die Natur gebunden sieht, während er geistige Kräfte besitzt, die alle zeitlichen und endlichen Dinge völlig transzendieren. Nur religiöses Vertrauen - lebendiger Glaube - kann dem Menschen inmitten solch schwieriger und verwirrender Probleme Halt geben. Von allen Gefahren, die die sterbliche Natur des Menschen belagern und seine geistige Integrität gefährden, ist der Hochmut die größte. Mut ist heldenhaft, aber Selbstüberhebung ist prahlerisch und selbstmörderisch. Ein vernünftiges Selbstvertrauen ist nicht zu beklagen. Die Fähigkeit des Menschen, über sich selbst hinauszuwachsen, ist das Besondere, was ihn vom Tierreich unterscheidet. Hochmut ist betrügerisch, berauschend und gebiert Sünde, ob er sich in einem Einzelnen, einer Gruppe, einer Rasse oder einer Nation findet. Es ist buchstäblich wahr, dass "Hochmut vor dem Fall kommt". ***** 111.7 Das Problem des Justierers ***** Ungewissheit im Verein mit Sicherheit ist die Essenz des Paradies-Abenteuers - Ungewissheit in der Zeit und im Verstand, Ungewissheit hinsichtlich der Ereignisse des sich entfaltenden Aufstiegs zum Paradies; Sicherheit im Geist und in der Ewigkeit, Sicherheit im schrankenlosen Vertrauen des Geschöpfessohnes in das göttliche Erbarmen und die unendliche Liebe des Universalen Vaters; Ungewissheit als unerfahrener Bürger des Universums; Sicherheit als aufsteigender Sohn auf den Universumsstationen eines allmächtigen, allweisen und allliebenden Vaters. Darf ich euch ermahnen, achtzugeben auf das ferne Echo des Appells des treuen Justierers an eure Seele? Der euch innewohnende Justierer kann dem Kampf, den ihr während eurer Laufbahn in der Zeit fechtet, nicht Einhalt gebieten oder ihn auch nur materiell verändern; der Justierer kann die Härten des Lebens, denen ihr auf eurer Reise durch diese Welt der Mühsal begegnet, nicht lindern. Der göttliche Bewohner kann sich nur geduldig im Hintergrund halten, während ihr den Kampf des Lebens, wie es auf eurem Planeten gelebt wird, liefert; aber ihr könntet, wenn ihr nur wolltet - während ihr arbeitet und euch sorgt, kämpft und euch abmüht - dem tapferen Justierer erlauben, mit euch und für euch zu kämpfen. Ihr könntet euch außerordentlich bestärken und inspirieren, fesseln und faszinieren lassen, wolltet ihr dem Justierer nur erlauben, ständig die Bilder des wahren Beweggrundes, letztendlichen Ziels und ewigen Zwecks dieses ganzen schwierigen Sich-Emporarbeitens und Ringens mit den alltäglichen Problemen eurer gegenwärtigen materiellen Welt vor eure Augen zu halten. Warum helft ihr dem Justierer nicht bei der Aufgabe, euch das geistige Gegenstück all dieser harten materiellen Anstrengungen zu zeigen? Warum erlaubt ihr ihm nicht, euch mit den geistigen Wahrheiten kosmischer Macht zu stärken, während ihr mit den zeitlichen Schwierigkeiten der Geschöpfesexistenz ringt? Warum ermutigt ihr den himmlischen Helfer nicht, euch mit der klaren Vision des ewigen Ausblicks auf das universale Leben zu erfreuen, während ihr mit Perplexität die Probleme der zerrinnenden Stunde betrachtet? Warum weigert ihr euch, euch durch die Sichtweise des Universums erleuchten und inspirieren zu lassen, während ihr euch inmitten der Hindernisse der Zeit abmüht und im Irrgarten der Ungewissheiten umhertappt, die eure irdische Lebensreise umstellen? Warum erlaubt ihr dem Justierer nicht, euer Denken zu vergeistigen, obwohl eure Füße auf den materiellen Pfaden irdischer Anstrengung gehen müssen? Die höheren Rassen Urantias sind auf komplexe Art gemischt; sie sind eine Mischung aus vielen Rassen und Stämmen verschiedenen Ursprungs. Diese zusammengesetzte Natur macht es den Mentoren äußerst schwer, während des Lebens wirksam zu arbeiten, und vermehrt nach dem Tod eindeutig sowohl ihre wie die Probleme der seraphischen Hüter. Nicht vor langem war ich auf Salvington anwesend und hörte, wie ein Schicksalshüter eine förmliche Erklärung abgab, um die Schwierigkeiten, denen er beim Dienst an seinem sterblichen Schutzbefohlenen begegnet war, in einem milderen Lichte erscheinen zu lassen. Dieser Seraph sagte: "Ein großer Teil meiner Schwierigkeiten kam von dem endlosen Konflikt zwischen den beiden Naturen meines Schutzbefohlenen her: Ehrgeizigem Drängen stellte sich tierische Indolenz entgegen; die Ideale eines höheren Volkes wurden durch die Instinkte einer niedrigeren Rasse durchkreuzt; die hohen Ziele einer großen Intelligenz durch den Druck eines primitiven Erbes bekämpft; der Weitblick eines vorausschauenden Mentors durch die Kurzsichtigkeit eines Geschöpfes der Zeit neutralisiert; die fortschrittlichen Pläne eines aufsteigenden Wesens durch die Wünsche und Sehnsüchte einer materiellen Natur abgeändert; blitzartige Mitteilungen der Universumsintelligenz durch die chemisch-energetischen Forderungen der sich entwickelnden Rasse ausgelöscht; dem Drängen der Engel stellten sich die Emotionen eines Tieres entgegen; die Schulung des Intellektes wurde durch die Neigungen des Instinktes zunichte gemacht; die Erfahrung des Einzelnen durch die angesammelten Tendenzen der Rasse bekämpft; das höchste Verlangen durch die niedrigsten Lockungen verdunkelt; der Höhenflug des Genies durch die Schwerkraft der Mittelmäßigkeit aufgehoben; der Fortschritt des Guten durch die Trägheit des Üblen verzögert; die Kunst des Schönen durch die Gegenwart des Bösen besudelt; die Spannkraft der Gesundheit durch die Erschöpfung der Krankheit neutralisiert; der Brunnen des Glaubens durch die Gifte der Furcht verschmutzt; der Frühling der Freude durch die Wasser des Leids verbittert; das Glück der Antizipation durch die Bitterkeit der Verwirklichung desillusioniert; die Freuden des Lebens stets durch die Schmerzen des Todes bedroht. Welch ein Leben, und auf welch einem Planeten! Und doch hat diese Seele dank der immer gegenwärtigen Hilfe des Gedankenjustierers und seines Drängens einen beachtlichen Grad an Glück und Erfolg erreicht und ist eben jetzt zu den Gerichtshallen Residenzias aufgestiegen." [Dargeboten von einem Einsamen Botschafter Orvontons.] ****** Kapitel 112 Das Fortleben der Persönlichkeit ****** DIE evolutionären Planeten sind die Sphären des menschlichen Ursprungs, die Ausgangswelten für die aufsteigende Laufbahn der Sterblichen. Urantia ist euer Startort; hier seid ihr und euer göttlicher Gedankenjustierer in vorübergehender Einheit miteinander verbunden. Ein vollkommener Führer ist euch zuteil geworden; deshalb wird die Belohnung der Zeitalter euer sein, wenn ihr aufrichtig gewillt seid, das Wettrennen der Zeit zu laufen und das Endziel des Glaubens zu erreichen; ihr werdet ewig mit eurem innewohnenden Justierer vereint werden. Dann wird euer wirkliches Leben beginnen, das aufsteigende Leben, wozu euer gegenwärtiger sterblicher Zustand nur das Vorspiel ist. Dann wird eure hohe, fortschreitende Mission als Finalist in der sich vor euch ausdehnenden Ewigkeit beginnen. Und in all diesen aufeinander folgenden Zeitaltern und Stadien evolutionären Wachstums gibt es einen Teil von euch, der absolut unverändert bleibt, und das ist die Persönlichkeit - Beständigkeit inmitten des Wandels. Obwohl es anmaßend wäre, die Persönlichkeit definieren zu wollen, mag es sich als hilfreich erweisen, einige der über sie bekannten Dinge aufzuzählen: 1. Die Persönlichkeit ist jene Beschaffenheit der Realität, die vom Universalen Vater selbst oder von dem an seiner Stelle handelnden Mit-Vollzieher verliehen wird. 2. Sie kann jedem lebenden Energiesystem verliehen werden, das über Verstand oder Geist verfügt. 3. Sie ist den Fesseln von Ursache und Wirkung nicht völlig untertan. Sie ist relativ schöpferisch oder mitschöpferisch. 4. Wenn sie evolutionären materiellen Geschöpfen geschenkt wird, veranlasst sie den Geist, durch Vermittlung des Verstandes um die Herrschaft über die Energie-Materie zu kämpfen. 5. Obgleich die Persönlichkeit keine Identität besitzt, kann sie die Identität jedes lebendigen Energiesystems einen. 6. Ihre Antwort auf den Persönlichkeitskreislauf ist nur qualitativer Art im Gegensatz zu den drei Energien, die auf die Gravitation sowohl qualitativ als auch quantitativ ansprechen. 7. Die Persönlichkeit bleibt inmitten des Wandels unveränderlich. 8. Sie kann Gott ein Geschenk machen - ihren freien Willen der Ausführung von Gottes Willen widmen. 9. Sie charakterisiert sich durch Sittlichkeit - durch das Bewusstsein der Relativität der Beziehungen zu anderen Personen. Sie nimmt Verhaltensebenen wahr und trifft zwischen ihnen eine überlegte Wahl. 10. Die Persönlichkeit ist einmalig, absolut einmalig: Sie ist einmalig in Zeit und Raum; sie ist einmalig in der Ewigkeit und im Paradies; sie ist einmalig, wenn sie verliehen wird - es gibt von ihr kein Doppel; sie ist einmalig in jedem Augenblick der Existenz; sie ist einmalig in Beziehung zu Gott - er kennt kein Ansehen der Person, zählt die Personen aber auch nicht zusammen, denn sie sind nicht addierbar - sie können sich wohl miteinander verbinden, aber lassen sich nicht summieren. 11. Die Persönlichkeit spricht direkt auf die Gegenwart einer anderen Persönlichkeit an. 12. Sie ist etwas, was zum Geist hinzutreten kann, und illustriert damit den Primat des Vaters gegenüber dem Sohn. (Es ist nicht nötig, dass dem Geist Verstand hinzugefügt wird.) 13. Die Persönlichkeit kann den physischen Tod überleben, wobei die Identität in der fortlebenden Seele ruht. Der Justierer und die Persönlichkeit sind unveränderlich; die Beziehung zwischen ihnen (in der Seele) ist ein einziger Wandel, stetige Entwicklung; und wenn dieser Wandel (dieses Wachstum) aufhörte, würde auch die Seele aufhören. 14. Die Persönlichkeit ist sich auf einzigartige Weise der Zeit bewusst, und das ist etwas anderes als die Zeitwahrnehmung durch Verstand oder Geist. ***** 112.1 Persönlichkeit und Realität ***** Der Universale Vater verleiht seinen Geschöpfen die Persönlichkeit als eine potentiell ewige Gabe. Solch ein göttliches Geschenk ist bestimmt, auf zahlreichen Ebenen und in aufeinander folgenden Universumssituationen zu funktionieren, von den niedrigsten endlichen bis zu den höchsten absoniten und sogar bis an die Grenzen der absoluten. Die Persönlichkeit agiert also auf drei kosmischen Ebenen oder in drei Universumsphasen: 1. Positionsstatus. Die Persönlichkeit funktioniert im Lokaluniversum ebenso wirksam wie in Super- und Zentraluniversum. 2. Bedeutungsstatus. Die Persönlichkeit wirkt effektiv auf den Ebenen des Endlichen, des Absoniten und sogar im Grenzbereich zum Absoluten. 3. Wertestatus. Die Persönlichkeit kann sich auf dem Erfahrungsweg in den aufeinander folgenden Bereichen des Materiellen, Morontiellen und Geistigen verwirklichen. Die Persönlichkeit betätigt sich bezüglich der kosmischen Dimensionen mit zunehmender Vollkommenheit. Die endliche Persönlichkeit hat drei Dimensionen, die in groben Umrissen folgendermaßen funktionieren: 1. Die Länge stellt Richtung und Natur des Fortschreitens dar - Bewegung durch den Raum in Abhängigkeit von der Zeit - Evolution. 2. Die vertikale Tiefe umfasst Dynamik und Verhalten des Organismus, die wechselnden Ebenen der Selbstverwirklichung und das allgemeine Phänomen der Reaktion auf die Umwelt. 3. Die Breite umfasst die Gebiete von Koordination und Zusammenarbeit und die Organisation des Selbst. Der den Sterblichen Urantias verliehene Persönlichkeitstyp besitzt ein Potential von sieben Dimensionen des Selbstausdrucks oder persönlicher Verwirklichung. Drei dieser dimensionalen Phänomene lassen sich auf der endlichen Ebene verwirklichen, drei auf der absoniten Ebene und eines auf der absoluten Ebene. Auf subabsoluten Ebenen ist diese siebente oder Totalitätsdimension als die Tatsache der Persönlichkeit erfahrbar. Diese höchste Dimension ist ein assoziierbares Absolutes und besitzt, obwohl nicht unendlich, das dimensionale Potential für ein unterunendliches Eindringen in das Absolute. Die endlichen Dimensionen der Persönlichkeit haben mit kosmischer Länge, Tiefe und Breite zu tun. Die Länge ist Ausdruck der Bedeutung; die Tiefe bedeutet Wert; die Breite schließt die innere Schau ein - die Fähigkeit, das unwiderlegbare Bewusstsein der kosmischen Realität zu erfahren. Auf der morontiellen Ebene sind all diese endlichen Dimensionen der materiellen Ebene beträchtlich gesteigert, und gewisse neue Dimensionswerte lassen sich verwirklichen. All diese erweiterten Dimensionserfahrungen der morontiellen Ebene sind unter dem Einfluss der Mota und auch dank dem Beitrag der morontiellen Mathematik auf wunderbare Weise mit der höchsten oder Persönlichkeitsdimension verbunden. Die Sterblichen könnten sich beim Studium der menschlichen Persönlichkeit manche Verwirrung ersparen, wenn sich das endliche Geschöpf daran erinnern wollte, dass Dimensionsebenen und geistige Ebenen bei der erfahrungsmäßigen Persönlichkeitsverwirklichung nicht koordiniert sind. Das Leben ist wirklich ein Vorgang, der sich zwischen dem Organismus (dem Selbst) und seiner Umgebung abspielt. Die Persönlichkeit lässt diesem Zusammenwirken von Organismus und Umwelt Identitätswert und Kontinuitätsbedeutungen zukommen. Man kann daran erkennen, dass das Phänomen Reiz-Antwort nicht nur ein mechanischer Vorgang ist, da ja die Persönlichkeit in der gesamten Situation als ein Faktor mitwirkt. Es bleibt ewig wahr, dass Mechanismen ihrem Wesen nach passiv, Organismen hingegen von Natur aus aktiv sind. Das physische Leben ist ein Vorgang, der sich nicht so sehr im Organismus als vielmehr zwischen dem Organismus und der Umwelt abspielt. Und jeder derartige Vorgang neigt dazu, im Organismus Modelle der Reaktion auf eine solche Umgebung zu schaffen und zu verfestigen. All solche richtungweisenden Modelle üben bei der Wahl eines Ziels einen sehr großen Einfluss aus. Durch die Vermittlung des Verstandes geschieht es, dass das Selbst und die Umwelt in bedeutungsvollen Kontakt treten. Die Fähigkeit und Willigkeit des Organismus, mit der Umwelt solch bedeutungsvolle Kontakte herzustellen (Antwort auf einen Impuls), stellt die Haltung der ganzen Persönlichkeit dar. Die Persönlichkeit ist in der Vereinzelung nicht sehr leistungsfähig. Der Mensch ist von Natur aus ein geselliges Geschöpf; die Sehnsucht nach Zugehörigkeit beherrscht ihn. Es ist buchstäblich wahr, dass "kein Mensch für sich allein lebt". Aber das Persönlichkeitskonzept, worunter man das Ganze des lebendigen und funktionierenden Geschöpfes versteht, bedeutet viel mehr als die Integration von Beziehungen; es bedeutet ebenso sehr Einigung aller Faktoren der Realität wie Koordination von Beziehungen. Zwischen zwei Objekten bestehen Beziehungen, aber drei oder mehr Objekte rufen ein System ins Leben, und ein solches System ist viel mehr als nur ein erweitertes oder komplexes Beziehungsgeflecht. Dieser Unterschied ist entscheidend, denn in einem kosmischen System sind die individuellen Glieder miteinander nie anders verbunden als in Beziehung zum Ganzen und durch die Individualität des Ganzen. Im menschlichen Organismus bildet die Summe seiner Teile das Selbst - die Individualität - aber dieser Prozess hat überhaupt nichts zu tun mit der Persönlichkeit, die all diese Faktoren in ihrer Beziehung zu den kosmischen Realitäten eint. In Ansammlungen sind die Teile addiert; in Systemen sind die Teile arrangiert. Systeme sind bedeutungsvoll wegen ihrer Organisation - Werten der Position. In einem guten System sind alle Faktoren in kosmischer Position. In einem schlechten System fehlt entweder etwas, oder es ist von seinem Platz gerückt - in Unordnung. Im menschlichen System ist es die Persönlichkeit, welche alle Aktivitäten eint und als Gegengabe die Eigenschaften der Identität und Kreativität verleiht. ***** 112.2 Das Selbst ***** Es könnte hilfreich sein, sich beim Studium des Selbst zu vergegenwärtigen: 1. Dass die physischen Systeme untergeordnet sind. 2. Dass die intellektuellen Systeme beigeordnet sind. 3. Dass die Persönlichkeit übergeordnet ist. 4. Dass die innewohnende geistige Kraft potentiell führend ist. Bei allen Auffassungen vom Selbst sollte man erkennen, dass die Tatsache des Lebens zuerst kommt und erst danach seine Beurteilung oder Interpretation. Ein Kind lebt zuerst und denkt erst später über sein Leben nach. In der kosmischen Ökonomie kommt spontane Erkenntnis vor weiser Vorausschau. Die Universumstatsache der Menschwerdung Gottes hat für immer alle Bedeutungen und alle Werte der menschlichen Persönlichkeit verändert. Im wahren Sinne des Wortes bedeutet Liebe gegenseitige Hochachtung ganzer Persönlichkeiten, seien sie menschlich oder göttlich, oder menschlich und göttlich. Teile des Selbst können in mancher Weise funktionieren - als Denken, Fühlen, Wünschen - aber nur die koordinierten Attribute der ganzen Persönlichkeit konzentrieren sich in einer intelligenten Handlung; und all diese Gaben verbinden sich mit der geistigen Begabung des sterblichen Verstandes, wenn ein menschliches Wesen ein anderes menschliches oder göttliches Wesen aufrichtig und selbstlos liebt. Alle menschlichen Konzepte der Realität fußen auf der Annahme der Wirklichkeit der menschlichen Persönlichkeit; alle Konzepte übermenschlicher Realitäten fußen auf der Erfahrung der menschlichen Persönlichkeit mit und in den kosmischen Realitäten bestimmter assoziierter geistiger Wesenheiten und göttlicher Persönlichkeiten. Alles Nichtgeistige in menschlicher Erfahrung mit Ausnahme der Persönlichkeit ist ein Mittel zu einem Zweck. Jede wahre Beziehung des sterblichen Menschen mit anderen Personen - menschlichen oder göttlichen - ist ein Selbstzweck. Und eine derartige Verbundenheit mit der Persönlichkeit der Gottheit ist das ewige Ziel des Aufstiegs im Universum. Der Besitz einer Persönlichkeit kennzeichnet den Menschen als ein geistiges Wesen, da die Einheit des Selbst und das Selbstbewusstsein der Persönlichkeit Gaben der übermateriellen Welt sind. Gerade die Tatsache, dass ein sterblicher Materialist die Existenz übermaterieller Realitäten abstreiten kann, birgt in sich den Beweis für die Gegenwart geistiger Synthese und kosmischen Bewusstseins in seinem menschlichen Verstand und zeigt an, dass diese in ihm arbeiten. Zwischen Materie und Denken klafft ein großer kosmischer Abgrund, und der Abgrund ist noch unendlich viel größer zwischen materiellem Verstand und geistiger Liebe. Keine Theorie mechanistischer elektronischer Verbindung oder materieller Energiephänomene kann das Bewusstsein, und noch viel weniger das Selbstbewusstsein, erklären. Wenn der Verstand die Realität bis ins Letzte erforscht, verschwindet die Materie wohl für die materiellen Sinne, kann aber für das Denken immer noch real bleiben. Wenn die geistige Schau jene Realität durchforscht, die nach dem Verschwinden der Materie übrig bleibt, und auch diese bis ins Letzte erforscht, verschwindet sie für das Denken ebenfalls, aber die geistige Schau kann immer noch kosmische Realitäten und höchste Werte einer geistigen Natur wahrnehmen. Folglich macht die Wissenschaft der Philosophie Platz, während die Philosophie sich vor den Schlüssen beugen muss, die im Wesen echter geistiger Erfahrung liegen. Denken dankt vor Weisheit ab, und Weisheit löst sich in erleuchteter und besonnener Anbetung auf. In der Wissenschaft beobachtet das menschliche Selbst die materielle Welt; Philosophie ist die Beobachtung dieser Beobachtung der materiellen Welt; Religion, wahre geistige Erfahrung, ist das erfahrungsmäßige Bewusstwerden der kosmischen Realität der Beobachtung der Beobachtung dieser ganzen relativen Synthese der energetischen Baustoffe von Zeit und Raum. Eine Philosophie des Universums auf einem ausschließlichen Materialismus aufzubauen, heißt die Tatsache ignorieren, dass alle materiellen Dinge anfänglich in der Erfahrung des menschlichen Bewusstseins als real aufgefasst werden. Der Beobachter kann nicht der beobachtete Gegenstand sein; Bewertung verlangt einen gewissen Grad an Transzendenz des bewerteten Gegenstands. In der Zeit führt Denken zu Weisheit und Weisheit zur Anbetung; in der Ewigkeit führt Anbetung zu Weisheit, und Weisheit bringt endlich die Finalität des Gedankens hervor. Die Möglichkeit der Einigung des sich entwickelnden Selbst liegt in der Natur der Eigenschaften der es bildenden Faktoren. Diese sind: Die fundamentalen Energien, die wesentlichen Gewebe, die grundlegende chemische Über-Kontrolle, die höchsten Ideen, die höchsten Beweggründe, die höchsten Ziele und der göttliche, vom Paradies geschenkte Geist - das Geheimnis des Selbstbewusstseins der geistigen Natur des Menschen. Das Ziel kosmischer Entwicklung ist die Einigung der Persönlichkeit durch wachsende Herrschaft des Geistes, die Bereitschaft, der Unterweisung und Führung des Gedankenjustierers zu folgen. Sowohl menschliche wie übermenschliche Persönlichkeit ist gekennzeichnet durch eine ihr angeborene kosmische Eigenschaft, die man "Evolution der Herrschaft", wachsende Beherrschung ihrer selbst und ihrer Umgebung, nennen könnte. Eine aufsteigende, einst menschliche Persönlichkeit durchschreitet zwei große Phasen wachsender Willensherrschaft über das Selbst und im Universum: 1. Die Erfahrung der Gottsuche des Vorfinalisten: Wachsende Selbstverwirklichung durch eine Technik der Expansion und Verwirklichung der Identität in Verbindung mit der Lösung kosmischer Probleme und daraus erwachsender Herrschaft im Universum. 2. Die Gott offenbarende Erfahrung des Nachfinalisten: Schöpferisch expandierende Selbstverwirklichung durch die Offenbarung des Supremen Wesens der Erfahrung an die Gott suchenden Intelligenzen, die die göttlichen Ebenen der Gottähnlichkeit noch nicht erreicht haben. Entsprechende Erfahrungen machen die niedersteigenden Persönlichkeiten in ihren mannigfaltigen Universumsabenteuern, indem sie nach stets wachsender Fähigkeit suchen, die göttlichen Willen der Supremen, Ultimen und Absoluten Gottheit in Erfahrung zu bringen und auszuführen. Während des physischen Lebens ist das materielle Selbst, die Ego-Wesenheit der menschlichen Identität, abhängig vom ununterbrochenen Funktionieren des materiellen Lebensträgers, von der dauernden Existenz des unausgewogenen Gleichgewichts der Energien und des Intellekts, dem man auf Urantia den Namen Leben gegeben hat. Aber ein Selbst mit Fortlebenswert, ein Selbst, das die Todeserfahrung transzendieren kann, entwickelt sich nur durch die Schaffung einer potentiellen Verlegung des Identitätssitzes der sich entwickelnden Persönlichkeit vom vergänglichen Lebensträger - dem materiellen Körper - in die dauerhaftere und unsterbliche Natur der morontiellen Seele und weiter auf jene Ebenen, wo sich die Seele von der geistigen Realität durchdringen lässt und schließlich deren Zustand erreicht. Dieser tatsächliche Übergang von der Vereinigung mit der Materie zu morontieller Identifikation geschieht durch die Aufrichtigkeit, Beharrlichkeit und Standhaftigkeit der Entscheidungen des menschlichen Geschöpfes auf seiner Suche nach Gott. ***** 112.3 Das Phänomen des Todes ***** Die Urantianer nehmen gewöhnlich nur von einer Todesart Notiz, nämlich vom physischen Aufhören der Lebensenergien; aber was das Fortleben der Persönlichkeit angeht, gibt es tatsächlich drei Arten: 1. Der geistige Tod (der Seele). Wenn der sterbliche Mensch das Fortleben endgültig abgelehnt hat, wenn der Justierer und der weiterlebende Seraph ihn übereinstimmend als geistig zahlungsunfähig, als morontiell bankrott erklärt haben, wenn ein solch gemeinsamer Befund auf Uversa registriert worden ist und nachdem die Zensoren und ihre reflexiven Mitarbeiter diese Ergebnisse überprüft haben, ordnen die Lenker Orvontons die augenblickliche Entlassung des innewohnenden Mentors an. Aber diese Entlassung des Justierers beeinflusst in keiner Weise die Pflichten des persönlichen Seraphs oder der Seraphengruppe, in deren Obhut sich dieses vom Justierer verlassene Wesen befindet. Diese Todesart ist in ihrer Bedeutung endgültig, ungeachtet der befristeten Fortdauer der lebenden Energien des physischen und mentalen Apparates. Vom kosmischen Standpunkt aus ist der Sterbliche bereits tot; das fortdauernde Leben zeugt nur vom Weiterwirken des materiellen Schwungs kosmischer Energien. 2. Der intellektuelle (mentale) Tod. Wenn die lebenswichtigen Kreisläufe des höheren Hilfsgeistdienstes wegen Abirrungen des Intellektes oder teilweiser Zerstörung des Hirnmechanismus unterbrochen werden und wenn unter diesen Bedingungen ein gewisser kritischer Punkt der Irreparabilität überschritten wird, ist der innewohnende Justierer augenblicklich frei, nach Divinington zurückzukehren. In den Annalen des Universums wird eine sterbliche Persönlichkeit als tot betrachtet, wenn die wesentlichen mentalen Kreisläufe von Wille-Handeln des Menschen zerstört sind. Auch dies bedeutet Tod, gleichviel, ob der lebendige Mechanismus des physischen Körpers zu funktionieren fortfährt. Ein Körper, dem der mit Wille begabte Verstand fehlt, ist nicht mehr menschlich, aber die Seele eines solchen Einzelwesens kann aufgrund der früheren Wahl des menschlichen Willens dennoch fortleben. 3. Der physische Tod (von Körper und Verstand). Wenn der Tod an ein menschliches Wesen herantritt, verbleibt der Justierer solange im Gedankengehäuse, bis es als intelligenter Mechanismus dann zu funktionieren aufhört, wenn die messbaren Hirnenergien ihre rhythmischen Lebenspulsationen einstellen. Nach dieser Auflösung verabschiedet sich der Justierer vom versinkenden Verstand ebenso diskret, wie er Jahre zuvor anlangte, und begibt sich über Uversa nach Divinington. Nach dem Tod kehrt der materielle Körper zur Welt der Elemente zurück, aus der er kam, aber zwei nichtmaterielle Faktoren der fortlebenden Persönlichkeit überdauern: Der voraus-existierende Gedankenjustierer begibt sich mit seiner Übertragung des erinnerten menschlichen Werdegangs nach Divinington, und ebenso verbleibt die unsterbliche morontielle Seele des Abgeschiedenen im Gewahrsam des Schicksalshüters. Diese Phasen und Formen der Seele, diese einst kinetischen, jetzt aber statischen Identitätsformeln sind für die Neupersonifizierung auf den morontiellen Welten unentbehrlich; und es ist die Vereinigung des Justierers mit der Seele, welche die fortlebende Persönlichkeit wieder zusammenfügt und euch im Augenblick des morontiellen Erwachens wiederum das Bewusstsein verleiht. Für jene, die keine persönlichen seraphischen Hüter besitzen, leisten die Gruppenhüter treu und wirksam denselben Dienst der sicheren Aufbewahrung der Identität und der Auferweckung der Persönlichkeit. Die Seraphim sind für die Wiederzusammenfügung der Persönlichkeit unerlässlich. Nach dem Tod verliert der Gedankenjustierer vorübergehend die Persönlichkeit, nicht aber die Identität; der menschliche Schutzbefohlene verliert vorübergehend die Identität, nicht aber die Persönlichkeit; auf den Residenzwelten vereinigen sich beide in ewiger Ausdrucksform. Nie kehrt ein abgereister Gedankenjustierer als das Wesen, das seinen vormaligen Wirt bewohnt hatte, zur Erde zurück; nie manifestiert sich Persönlichkeit ohne den menschlichen Willen; und nie kann ein von seinem Justierer getrenntes menschliches Wesen nach dem Tod eine aktive Identität bekunden oder in irgendeiner Weise mit den Lebewesen auf Erden in Verbindung treten. Solche von ihrem Justierer getrennte Seelen sind während ihres langen oder kurzen Todesschlafs gänzlich und absolut unbewusst. Vor der Wiedererweckung kann es keine noch so geartete Manifestation der Persönlichkeit noch irgendwelche Möglichkeit geben, mit anderen Persönlichkeiten in Verbindung zu treten. Diejenigen, die auf die Residenzwelten gehen, haben nicht die Erlaubnis, ihren Lieben Botschaften zu senden. In allen Universen wird eine Politik befolgt, die solche Kontakte während einer laufenden Dispensation verbietet. ***** 112.4 Die Justierer nach dem Tode ***** Wenn ein Tod materieller, intellektueller oder geistiger Natur eintritt, nimmt der Justierer von seinem sterblichen Gastwirt Abschied und begibt sich nach Divinington. Alsdann bringt die Herstellung einer reflexiven Verbindung zwischen den Hauptsitzen von Lokaluniversum und Superuniversum Verantwortliche beider Regierungen miteinander in Kontakt, und der Mentor wird unter derselben Nummer abgemeldet, unter der sein Eintritt in die Domäne der Zeit regi-striert worden war. Auf nicht völlig erklärliche Weise sind die Universellen Zensoren in der Lage, in den Besitz eines Abrisses des menschlichen Lebens zu gelangen, wie dieses in des Justierers transkribiertem Justiererduplikat der geistigen Werte und morontiellen Bedeutungen des bewohnten Verstandes enthalten ist. Die Zensoren sind fähig, sich des Justierers Darstellung des Fortlebenscharakters und der geistigen Qualitäten des verstorbenen Menschen anzueignen, und all diese Auskünfte im Verein mit den seraphischen Aufzeichnungen sind verfügbar, um zu der Zeit des Gerichtsurteils über den Betreffenden vorgelegt zu werden. Dieselben Auskünfte dienen auch zur Bestätigung jener Verfügungen des Superuniversums, die es gewissen Aufsteigern ermöglichen, ihre morontielle Laufbahn unmittelbar anzutreten und nach der physischen Auflösung noch vor dem offiziellen Ende einer planetarischen Dispensation auf die Residenzwelten weiterzugehen. Abgesehen von den Fällen jener, die aus den Reihen der Lebenden entrückt werden, begibt sich der seiner Aufgabe entbundene Justierer nach dem physischen Tod sofort auf seine Heimatsphäre Divinington. Was sich auf dieser Welt während der Wartezeit bis zum tatsächlichen Wiedererscheinen des fortlebenden Sterblichen im Einzelnen abspielt, hängt hauptsächlich davon ab, ob das sterbliche Wesen aufgrund seines eigenen individuellen Rechts zu den Residenzwelten aufsteigt oder ob es den Dispensationsappell der schlafenden Fortlebenden eines planetarischen Zeitalters abwartet. Wenn der sterbliche Partner einer Gruppe angehört, die erst am Ende einer Dispensation neupersonifiziert wird, kehrt der Justierer nicht unmittelbar auf die Residenzwelt des Systems zurück, in dem er eben gedient hatte, sondern übernimmt je nach Wahl eine der folgenden vor-übergehenden Aufgaben: 1. Eintritt in die Reihen der verschwundenen Mentoren für unbekannte Dienste. 2. Befristete Zuteilung zu der Beobachtung des Paradies-Regimes. 3. Aufnahme in eine der vielen Ausbildungsstätten Diviningtons. 4. Vorübergehender Studienaufenthalt als Beobachter auf einer der sechs anderen heiligen Sphären, die den Kreis der Paradies-Welten des Vaters bilden. 5. Zuteilung zum Botschafterdienst der Personifizierten Justierer. 6. Wirkt als zugeordneter Ausbilder an den Anstalten Diviningtons zur Schulung der der jungfräulichen Gruppe angehörenden Mentoren. 7. Beschäftigung mit der Wahl einer Gruppe von Welten, die zum Dienst in Frage kämen, sollten berechtigte Gründe zu der Annahme vorliegen, der menschliche Partner habe das Fortleben abgelehnt. Falls ihr, wenn der Tod euch überrascht, den dritten Kreis oder eine höhere Stufe erreicht habt und euch deshalb ein persönlicher Schicksalshüter zugeteilt worden ist, und wenn die vom Justierer vorgelegte endgültige Transkription der Zusammenfassung des Fortlebenscharakters vom Schicksalshüter vorbehaltlos beglaubigt worden ist - wenn Seraph wie Justierer in jeder Einzelheit ihrer Lebensaufzeichnungen und Empfehlungen grundlegend übereinstimmen - wenn die Universellen Zensoren und ihre reflexiven Mitarbeiter auf Uversa diese Befunde bestätigen, und zwar unzweideutig und vorbehaltlos, dann geht von den Ältesten der Tage über die Kommunikationsbahnen Salvingtons blitzartig die Dekretierung eures vorgerückten Status aus, und die Gerichtshöfe des Souveräns von Nebadon, derart entlastet, ordnen die sofortige Überführung der fortlebenden Seele in die Auferstehungshallen der Residenzwelten an. Wenn der einzelne Mensch fristlos fortlebt, trägt sich der Justierer meines Wissens in Divinington ein, sucht dann die Paradies-Gegenwart des Universalen Vaters auf, kehrt unverzüglich zurück und wird durch die Personifizierten Justierer des Super- und Lokaluniversums, in welchen er dient, umfangen, dann vom obersten Personifizierten Mentor Diviningtons anerkannt und geht hierauf sofort durch das "Erlebnis des Identitätsübergangs". Danach wird er in der dritten Periode aufgerufen, auf der Residenzwelt gerade jene Persönlichkeitsgestalt zu beziehen, die nach den Vorstellungen des Schicksalshüters zur Aufnahme der fortlebenden Seele des irdischen Sterblichen vorbereitet worden ist. ***** 112.5 Das Fortleben des menschlichen Selbst ***** Das Selbst, ob materieller, morontieller oder geistiger Art, ist eine kosmische Realität. Die Wirklichkeit des Persönlichen ist das Geschenk des Universalen Vaters, der in und aus sich heraus oder durch die mannigfaltigen Organe des Universums handelt. Wenn man von einem Wesen sagt, es sei persönlich, anerkennt man damit seine relative Individuation innerhalb des kosmischen Organismus. Der lebendige Kosmos ist ein fast unendlich integriertes Gefüge von realen Einheiten, die alle der Bestimmung des Ganzen relativ unterworfen sind. Aber die persönlichen unter ihnen wurden mit der tatsächlichen Wahlfreiheit zwischen Annahme und Ablehnung dieser Bestimmung ausgestattet. Was vom Vater kommt, ist ewig wie der Vater, und diese Wahrheit gilt ebenso sehr für die Persönlichkeit, die der Vater aus seinem eigenen freien Willen verleiht, wie für den Gedankenjustierer, der ein wirkliches Fragment Gottes ist. Die Persönlichkeit des Menschen ist ewig, aber bezüglich der Identität eine bedingte ewige Realität. Da die Persönlichkeit als Antwort auf den Willen des Vaters erschienen ist, wird sie die Bestimmung der Gottheit erreichen, aber der Mensch muss wählen, ob er bei der Erreichung dieser Bestimmung dabei sein wird oder nicht. Falls er sich dagegen entscheidet, erreicht die Persönlichkeit die erfahrungsmäßige Gottheit direkt und wird ein Teil des Supremen Wesens. Der Zyklus ist vorherbestimmt, aber die Teilnahme des Menschen daran ist freiwillig, persönlich und erfahrungsmäßig. Die sterbliche Identität ist ein vorübergehender, auf die Lebensdauer beschränkter Zustand im Universum; sie ist nur insofern real, als die Persönlichkeit die Wahl trifft, ein dauerndes Phänomen des Universums zu werden. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen dem Menschen und einem Energiesystem: Das Energiesystem muss weiterfahren, es hat keine Wahl; aber es bleibt völlig dem Menschen anheim gestellt, sein eigenes Schicksal zu bestimmen. Der Justierer ist wahrhaftig der Pfad zum Paradies, aber der Mensch muss diesem Pfad aufgrund seiner eigenen Entscheidungen, der Wahl seines freien Willens, folgen. Die menschlichen Wesen besitzen nur im materiellen Sinn eine Identität. Solche Eigenschaften des Selbst werden durch den materiellen Verstand ausgedrückt, wie er im Energiesystem des Intellekts funktioniert. Wenn man sagt, der Mensch habe eine Identität, stellt man damit fest, dass er einen Verstandeskreislauf besitzt, der den Handlungen und Entscheidungen des Willens der menschlichen Persönlichkeit unterworfen ist. Aber dabei handelt es sich um eine materielle und rein zeitweilige Erscheinung, genauso wie der menschliche Embryo ein vorübergehendes, parasitisches Stadium des menschlichen Lebens ist. Aus kosmischer Perspektive kommen, leben und vergehen die menschlichen Wesen vergleichsweise in einem Augenblick; sie dauern nicht. Aber die menschliche Persönlichkeit besitzt kraft ihrer eigenen Wahl die Macht, den Sitz ihrer Identität vom vorübergehenden materiell-intellektuellen System in das höhere morontiell-seelische System zu verlegen, das in Zusammenarbeit mit dem Gedankenjustierer als neues Instrument für den Persönlichkeitsausdruck geschaffen wird. Und gerade diese Macht zu wählen, dieses universelle Kennzeichen der mit freiem Willen ausgestatteten Geschöpfeswelt, stellt die größte Chance des Menschen und seine höchste kosmische Verantwortung dar. Von der Integrität des menschlichen Wollens hängt das ewige Schicksal des künftigen Finalisten ab; von der Aufrichtigkeit des freien Willens des Sterblichen hängt der göttliche Justierer für die Erlangung ewiger Persönlichkeit ab; von der Ehrlichkeit der menschlichen Wahl hängt der Universale Vater für die Verwirklichung eines neuen aufsteigenden Sohnes ab; von der Unerschütterlichkeit und Weisheit der Entscheidungen-Handlungen hängt das Supreme Wesen zur Verwirklichung der erfahrungsmäßigen Evolution ab. Die kosmischen Kreise des Persönlichkeitswachstums müssen schließlich erreicht werden; aber wenn - ohne Fehler von eurer Seite - die Wechselfälle der Zeit und die Widerstände der materiellen Existenz euch daran hindern, diese Ebenen auf eurem Geburtsplaneten zu meistern, und wenn eure Absichten und Wünsche Fortlebenswert haben, werden Dekrete zur Verlängerung eurer Probezeit erlassen. Es wird euch zusätzliche Zeit zugestanden, während der ihr euch bewähren könnt. Wann immer ein Zweifel hinsichtlich der Ratsamkeit besteht, eine menschliche Identität auf die Residenzwelten vorrücken zu lassen, entscheiden die Universumsregierungen ausnahmslos im Sinne des persönlichen Interesses des Betroffenen; sie verleihen einer solchen Seele ohne zu zögern den fortgeschrittenen Status eines Übergangswesens, während sie ihre Beobachtungen seiner erwachenden morontiellen Absichten und geistigen Zielsetzungen fortsetzen. Auf diese Weise ist die göttliche Gerechtigkeit sicher, erfüllt zu werden, und die göttliche Barmherzigkeit erhält Gelegenheit zu weiterem Wirken. Die Regierungen von Orvonton und Nebadon machen sich nicht anheischig, in Einzelheiten des Arbeitens des universalen Planes menschlicher Neupersonifizierung absolute Vollkommenheit zu erreichen; hingegen nehmen sie für sich in Anspruch, Geduld, Toleranz, Verständnis und barmherzige Sympathie walten zu lassen, und sie tun es tatsächlich. Wir würden eher das Risiko einer Rebellion im System eingehen, als uns der Gefahr auszusetzen, auch nur einen einzigen kämpfenden Sterblichen auf irgendeiner evolutionären Welt der ewigen Freude zu berauben, die aufsteigende Laufbahn zu verfolgen. Das bedeutet auf keinen Fall, dass die menschlichen Wesen in den Genuss einer zweiten Gelegenheit kommen, nachdem sie eine erste abgewiesen haben. Aber es bedeutet, dass allen Willensgeschöpfen eine wahre Gelegenheit zuteil werden muss, eine unzweideutige, bewusste und endgültige Wahl zu treffen. Die souveränen Richter der Universen werden nie ein einziges Wesen seines Persönlichkeitsstatus berauben, das nicht endgültig und vollauf die ewige Wahl getroffen hat; der Seele des Menschen muss und wird umfassende Gelegenheit geboten werden, ihre wahren Absichten und wirklichen Ziele zu offenbaren. Wenn die geistig und kosmisch fortgeschritteneren Menschen sterben, gehen sie unmittelbar auf die Residenzwelten weiter; im Allgemeinen trifft dies für diejenigen zu, denen persönliche seraphische Hüter zugeteilt sind. Andere Sterbliche können zurückgehalten werden, bis die Beurteilung ihrer Angelegenheiten abgeschlossen ist, worauf sie entweder auf die Residenzwelten gehen oder in die Reihen der schlafenden Fortlebenden eingewiesen werden, die am Ende der laufenden planetarischen Dispensation in großer Zahl neupersonifiziert werden. Zweierlei Schwierigkeiten behindern meine Bemühungen zu erklären, was mit euch, mit dem fortlebenden Ihr, das vom weggehenden Justierer verschieden ist, im Tod geschieht. Die eine besteht in der Unmöglichkeit, eurer Begriffsebene eine angemessene Beschreibung von einem sich im Grenzland zwischen den physischen und morontiellen Reichen abspielenden Vorgang zu machen. Die andere ergibt sich aus den Einschränkungen, die die himmlischen Inhaber der Regierungsgewalt Urantias meiner Kommission als Wahrheitsoffenbarerin auferlegt haben. Es gibt viele interessante Einzelheiten, über die berichtet werden könnte, aber dem Rat eurer unmittelbaren planetarischen Überwacher folgend, behalte ich sie zurück. Immerhin kann ich in den Grenzen des mir Erlaubten Folgendes sagen: Es gibt etwas Reales, etwas aus der menschlichen Entwicklung Hervorgegangenes, etwas Zusätzliches zum Unergründlichen Mentor, das über den Tod hinaus weiterlebt. Diese neu erscheinende Wesenheit ist die Seele, und sie überlebt den Tod sowohl eures physischen Körpers als auch eures materiellen Verstandes. Diese Wesenheit ist das gemeinsame Kind des vereinten Lebens und der vereinten Anstrengungen des menschlichen Ihr und des göttlichen Ihr, des Justierers. Dieses Kind menschlicher und göttlicher Eltern ist das fortlebende Element irdischen Ursprungs, es ist das morontielle Selbst, die unsterbliche Seele. Dieses Kind mit dauernder Bedeutung und fortlebendem Wert ist während der Spanne, die zwischen Tod und Neupersonifizierung liegt, völlig bewusstlos und befindet sich in dieser Wartezeit im Gewahrsam des seraphischen Schicksalshüters. Solange ihr auf den Residenzwelten Satanias nicht das neue morontielle Bewusstsein erlangt habt, funktioniert ihr nach dem Tode nicht als bewusste Wesen. Beim Tod bricht die mit der menschlichen Persönlichkeit verbundene funktionelle Identität wegen des Stillstandes des Lebensantriebs auseinander. Obwohl die menschliche Persönlichkeit die Teile, aus denen sie aufgebaut ist, transzendiert, hängt sie von ihnen für eine funktionelle Identität ab. Das Aufhören des Lebens zerstört die physischen Hirnmuster, die das Denken erlauben, und das Zerbrechen der Denkfähigkeit setzt dem menschlichen Bewusstsein ein Ende. Das Bewusstsein dieses Geschöpfes kann danach erst zurückkehren, wenn neugeschaffene kosmische Umstände es derselben menschlichen Persönlichkeit wiederum gestatten, in Verbindung mit lebendiger Energie zu funktionieren. Während des Transits der fortlebenden Sterblichen von ihrer Ursprungswelt auf die Residenzwelten werden die Aufzeichnungen über die Konstitution der Persönlichkeit von den Erzengeln auf ihren Welten besonderer Aktivitäten sorgfältig aufbewahrt, ganz gleich, ob die Persönlichkeit in der dritten Periode oder erst zur Zeit einer Gruppenauferstehung neu zusammengefügt wird. Die Erzengel sind nicht die Hüter der Persönlichkeit (wie die Seraphim die Hüter der Seele sind), aber es ist trotzdem wahr, dass jeder identifizierbare Persönlichkeitsfaktor in der wirksamen, sicheren Hut dieser verlässlichen Bürgen des menschlichen Fortlebens liegt. Über den genauen Verbleib der Persönlichkeit des Sterblichen zwischen Tod und Weiterleben wissen wir nichts. Die Voraussetzungen, die eine Neupersonifizierung möglich machen, werden in den Auferstehungshallen der morontiellen Aufnahmeplaneten eines Lokaluniversums geschaffen. Hier, in den Räumen, die der Zusammenfügung des Lebens dienen, stellen die leitenden Verantwortlichen jene Beziehungen zwischen universellen - morontiellen, mentalen und geistigen - Energien her, welche die Wiederherstellung des Bewusstseins des schlafenden Fortlebenden ermöglichen. Die Neuzusammenfügung der Bauelemente einer einstmals materiellen Persönlichkeit umfasst Folgendes: 1. Die Herstellung einer passenden Gestalt, eines morontiellen energetischen Modells, in welchem der neue Fortlebende den Kontakt mit der nichtgeistigen Realität aufnehmen kann und das in den Kreislauf der morontiellen Spielart des kosmischen Verstandes eingeschaltet werden kann. 2. Die Rückkehr des Justierers zu dem wartenden morontiellen Geschöpf. Der Justierer ist der ewige Hüter eurer aufsteigenden Identität; euer Mentor ist die absolute Gewähr dafür, dass ihr selber und kein anderer die morontielle Gestalt, die für das Erwachen eurer Persönlichkeit geschaffen wurde, beziehen werdet. Und der Justierer wird bei der Neuzusammenfügung eurer Persönlichkeit zugegen sein, um wieder die Rolle eines Führers eures fortlebenden Selbst zum Paradies zu übernehmen. 3. Wenn diese Voraussetzungen für die Neupersonifizierung vereinigt sind, überträgt der seraphische Hüter der in der schlummernden unsterblichen Seele enthaltenen Potentiale diese morontielle Wesenheit mit Hilfe zahlreicher kosmischer Persönlichkeiten auf und in die bereitstehende morontielle Verstand-Körper-Gestalt und übergibt dieses evolutionäre Kind des Supremen der ewigen Gemeinschaft mit dem wartenden Justierer. Und damit ist die Neupersonifizierung, die Neuzusammenfügung von Gedächtnis, Erkenntnis und Bewusstsein - die Identität - vollständig. Die Tatsache der Neupersonifizierung besteht darin, dass das erwachende menschliche Selbst sich in den Kreislauf der morontiellen Phase des frisch abgetrennten kosmischen Verstandes einschaltet. Das Phänomen der Persönlichkeit hängt von der Aufrechterhaltung der Identität des auf das universelle Umfeld reagierenden Selbst ab, und das kann nur durch die Vermittlung des Verstandes geschehen. Das Selbst dauert ungeachtet des unablässigen Wandels aller es bildenden Faktoren; im physischen Leben ist der Wandel allmählich; im Tod und bei der Neupersonifizierung geschieht der Wechsel plötzlich. Die wahre Realität des gesamten Selbst (die Persönlichkeit) ist fähig, auf die Bedingungen des Universums dank dem unaufhörlichen Wandel der es aufbauenden Teile zu antworten; Stagnation führt unweigerlich zum Tod. Das menschliche Leben ist ein endloser Wandel der Lebensfaktoren, die durch die Stabilität der unveränderlichen Persönlichkeit geeint werden. Wenn ihr dereinst in dieser Weise auf den Residenzwelten von Jerusem aufwacht, werdet ihr dermaßen verändert und eure geistige Verwandlung so groß sein, dass ihr am Anfang Schwierigkeiten hättet, das neue morontielle Bewusstsein mit der wieder auflebenden Erinnerung an eure frühere Identität in Zusammenhang zu bringen, hättet ihr nicht die Hilfe eures Gedankenjustierers und des Schicksalshüters, die eine so vollkommene Verbindung eures neuen Lebens in den neuen Welten mit eurem alten Leben auf der ersten Welt herstellen. Trotz der Kontinuität des persönlichen Selbst erschiene euch ein Großteil des irdischen Lebens zuerst als ein unbestimmter und verschwommener Traum. Aber die Zeit wird viele Erinnerungen an das irdische Leben klären. Der Gedankenjustierer wird nur jene Erinnerungen und Erfahrungen in euer Bewusstsein zurückrufen und durch Wiederholung festigen, die einen Teil eurer universellen Laufbahn bilden und für diese wesentlich sind. Wenn der Justierer an irgendeiner Entwicklung im menschlichen Verstand Anteil hatte, dann werden diese lohnenden Erfahrungen im ewigen Bewusstsein des Justierers fortleben. Aber so manches von eurem vergangenen Leben mit seinen Erinnerungen, was weder geistige Bedeutung noch morontiellen Wert hat, wird mit dem materiellen Hirn untergehen; ein großer Teil der materiellen Erfahrung wird dahingehen als ein einstmals nützliches Gerüst, das, hat es euch einmal als Brücke zu der morontiellen Ebene gedient, im Universum keine Verwendung mehr hat. Aber die Persönlichkeit und die Beziehungen zwischen Persönlichkeiten sind nie Gerüsten vergleichbar; die menschliche Erinnerung an persönliche Beziehungen hat kosmischen Wert und wird weiterdauern. Auf den Residenzwelten werdet ihr die einstigen Weggefährten eures kurzen, aber fesselnden Lebens auf Urantia erkennen und von ihnen erkannt werden - mehr noch, ihr werdet euch an sie, und sie werden sich an euch erinnern. ***** 112.6 Das morontielle Selbst ***** Ganz so wie ein Schmetterling aus dem Raupenstadium hervorgeht, werden die wahren Persönlichkeiten menschlicher Wesen auf den Residenzwelten erwachen und sich zum ersten Mal losgelöst von ihrer einstigen fleischlichen Hülle offenbaren. Beim morontiellen Werdegang im Lokaluniversum geht es um die unablässige Hebung des Persönlichkeitsmechanismus von der anfänglichen morontiellen Ebene der Seelenexistenz bis hinauf zu der abschließenden morontiel-len Ebene stetiger Vergeistigung. Es ist schwierig, euch über die Gestalten eurer morontiellen Persönlichkeit im Laufe des lokaluniversellen Werdegangs Aufschluss zu geben. Ihr werdet morontielle Modelle des Persönlichkeitsausdrucks erhalten, aber das sind Ausstattungen, die letztlich außerhalb eures Begriffsvermögens liegen. Obwohl solche Gestalten ganz und gar real sind, sind es keine Energiemodelle materieller Art, wie ihr sie jetzt begreift. Sie erfüllen indessen auf den Welten des Lokaluniversums denselben Zweck wie eure materiellen Körper auf den Planeten des menschlichen Ursprungs. Bis zu einem gewissen Grad drückt die materielle körperliche Gestalt den Charakter der Persönlichkeit aus; der physische Körper widerspiegelt begrenzt etwas von der inneren Natur der Persönlichkeit. Die morontielle Gestalt tut es in viel stärkerem Maße. Im physischen Dasein können die Sterblichen äußerlich schön, aber innerlich hässlich sein; im morontiellen Dasein, und auf dessen höheren Stufen in stets wachsendem Maße, ändert sich die Gestalt der Persönlichkeit in direkter Übereinstimmung mit der Natur der inneren Person. Auf der geistigen Ebene beginnen äußere Gestalt und innere Natur, einer vollständigen Identifikation nahe zu kommen, und diese wird auf immer höheren Ebenen stets vollkommener. Im morontiellen Zustand ist der aufsteigende Sterbliche mit der nebadonschen Modifikation des vom Hauptgeist Orvontons verliehenen kosmischen Verstandes begabt. Der irdische Intellekt als solcher ist untergegangen, hat als eine von den undifferenzierten Verstandeskreisläufen des Schöpferischen Geistes gesonderte, fokussierte Wesenheit des Universums zu existieren aufgehört. Aber die Bedeutungen und Werte des sterblichen Verstandes sind nicht untergegangen. Bestimmte Verstandesphasen setzen sich in der weiterlebenden Seele fort; bestimmte Erfahrungswerte des früheren menschlichen Verstandes befinden sich in der Obhut des Justierers; und im Lokaluniversum existiert die Chronik des menschlichen Lebens, wie es auf Erden gelebt wurde, nebst gewissen lebendigen Aufzeichnungen in den zahlreichen Wesen, die an der endgültigen Beurteilung des aufsteigenden Sterblichen beteiligt sind, Wesen, deren Rang von Seraphim über Universelle Zensoren wahrscheinlich bis zum Supremen hinaufreicht. Der Geschöpfeswille kann ohne Verstand nicht existieren, aber er überdauert trotz des Verlustes des materiellen Intellektes. Während der unmittelbar auf die Auferstehung folgenden Zeit wird die aufsteigende Persönlichkeit weitgehend von den Charaktermodellen geleitet, die sie vom menschlichen Leben geerbt hat, sowie von der neu auftretenden Aktivität der morontiellen Mota. Und diese Führer zu einem den Residenzwelten angepassten Verhalten funktionieren zufrieden stellend in den frühen Phasen morontiellen Lebens und bevor der morontielle Wille als selbständiger Willensausdruck der aufsteigenden Persönlichkeit erscheint. Es gibt in der Laufbahn des Lokaluniversums keine Einflüsse, die den mentalen Hilfsgeisten der menschlichen Existenz vergleichbar wären. Der morontielle Verstand muss sich in direktem Kontakt mit dem kosmischen Verstand entwickeln, so wie dieser durch die schöpferische Quelle des lokaluniversellen Intellekts - die Göttliche Ministerin - modifiziert und übersetzt worden ist. Vor dem Tod ist der sterbliche Verstand bezüglich seines Selbstbewusstseins unabhängig von der Gegenwart des Justierers; der Hilfsgeiste-Verstand hat nur das mit ihm verbundene materielle Energiemodell nötig, um arbeitsfähig zu sein. Aber die morontielle Seele, die oberhalb der Hilfsgeiste funktioniert, kann, einmal des materiellen Verstandesmechanismus beraubt, ohne den Justierer kein Selbstbewusstsein bewahren. Die sich entwickelnde Seele besitzt indessen einen kontinuierlichen Charakter, der von den Entscheidungen des ihr früher zugesellten Hilfsgeiste-Verstandes herstammt, und dieser Charakter wird zu aktivem Gedächtnis, sobald dessen Muster vom zurückkehrenden Justierer mit Energie versehen werden. Das Fortbestehen des Gedächtnisses ist der Beweis dafür, dass die Identität des ursprünglichen Selbst bewahrt wurde; es ist wesentlich zur Vervollständigung des eigenen Bewusstseins von Persönlichkeitskontinuität und - expansion. Die Sterblichen, die ohne Justierer aufsteigen, hängen für die Rekonstruktion des menschlichen Gedächtnisses von der Unterweisung durch ihre seraphischen Gefährten ab; im Übrigen sind die morontiellen Seelen der mit dem Geist fusionierten Sterblichen nicht begrenzt. Das Gedächtnismodell lebt in der Seele weiter, aber dieses Modell bedarf der Anwesenheit des früheren Justierers, um vom Selbstbewusstsein als kontinuierliche Erinnerung unmittelbar abgerufen werden zu können. Ohne den Justierer kostet es die menschlichen Fortlebenden beträchtliche Zeit, die bewusste Erinnerung an die Bedeutungen und Werte einer früheren Existenz neu zu erforschen und neu zu erlernen, sich ihrer wiederum zu bemächtigen. Die Seele mit Fortlebenswert widerspiegelt getreulich die qualitativen und quantitativen Handlungen und Motivierungen des materiellen Intellekts, des vormaligen Sitzes der Identität des Selbst. Wenn sich der sterbliche Verstand für Wahrheit, Schönheit und Güte entscheidet, beginnt er seine vormorontielle Universumslaufbahn in der Obhut der sieben mentalen Hilfsgeiste, die vom Geist der Weisheit angeführt werden. Später, nach Absolvierung der sieben Kreise vormorontiellen Vollbringens, ist die Begabung mit dem morontiellen Verstand, der sich dem Hilfsgeiste-Verstand überlagert, der Auftakt zum vorgeistigen oder morontiellen Werdegang im Lokaluniversum. Wenn ein Geschöpf seinen Ursprungsplaneten verlässt, lässt es den Dienst der Hilfsgeiste hinter sich und hängt nur noch vom morontiellen Intellekt ab. Wenn ein Aufsteiger das Lokal-universum verlässt, hat er die geistige Existenzebene erreicht - er ist über die morontielle Ebene hinausgewachsen. Diese neu erscheinende geistige Wesenheit stimmt sich jetzt direkt auf das Wirken des kosmischen Verstandes von Orvonton ein. ***** 112.7 Fusion mit dem Justierer ***** Die Fusion mit dem Gedankenjustierer lässt der Persönlichkeit ewige Wirklichkeiten zuteil werden, die zuvor nur potentiell vorhanden waren. Von diesen neuen Gaben seien erwähnt: Fixierung der Eigenschaft der Göttlichkeit, aus vergangener Ewigkeit stammende Erfahrung und Erinnerung, Unsterblichkeit und eine Phase bedingter potentieller Absolutheit. Wenn euer Erdenlauf in vergänglicher Gestalt zu Ende ist, seid ihr dazu ausersehen, an den Gestaden einer besseren Welt aufzuwachen, und schließlich werdet ihr euch mit eurem treuen Justierer in ewiger Umarmung vereinigen. Und diese Fusion bildet das Mysterium des Einswerdens Gottes mit dem Menschen, das Mysterium der Evolution des endlichen Geschöpfes, und doch ist es ewig wahr. Die Fusion ist das Geheimnis der heiligen Sphäre Aszendingtons, und kein Geschöpf, das nicht durch die Fusion mit dem Geist der Gottheit gegangen ist, kann die wahre Bedeutung der wirklichen Werte verstehen, die sich vereinigen, wenn die Identität eines zeitlichen Geschöpfes mit dem Geist der Paradies-Gottheit auf ewig eins wird. Die Fusion mit dem Justierer geschieht gewöhnlich, während der Aufsteiger sein Lokalsystem bewohnt. Sie kann sich auf dem Geburtsplaneten als eine Transzendierung des natürlichen Todes ereignen; sie kann auf irgendeiner der Residenzwelten oder auf der Hauptwelt des Systems stattfinden; sie kann sogar bis zu der Zeit des Aufenthaltes in der Konstellation hinausgeschoben oder in besonderen Fällen erst vollzogen werden, wenn der Aufsteiger in der Kapitale des Lokaluniversums angelangt ist. Nachdem die Fusion mit dem Justierer stattgefunden hat, kann es für die ewige Laufbahn einer solchen Persönlichkeit keine künftige Gefahr mehr geben. Himmlische Wesen werden während einer langen Erfahrung erprobt, aber die Sterblichen gehen auf den evolutionären und morontiellen Welten durch eine relativ kurze und intensive Zeit der Prüfung. Die Fusion mit dem Justierer findet nie statt, solange die Dekrete des Superuniversums nicht bestätigt haben, dass die menschliche Natur sich endgültig und unwiderruflich für die ewige Laufbahn entschieden hat. Dies ist die Bewilligung zur Vereinigung, die, wenn einmal erfolgt, für die fusionierte Persönlichkeit einen Freibrief darstellt, schließlich die Grenzen des Lokaluniversums verlassen und irgendwann zum Hauptsitz des Superuniversums vorrücken zu dürfen, von wo der Pilger der Zeit in ferner Zukunft für den langen Flug nach dem Zentraluniversum von Havona, zum Gottheits-Abenteuer, einsekonaphiert werden wird. Auf den evolutionären Welten ist das Selbst materiell; es stellt im Universum ein Ding dar und ist als solches den Gesetzen der materiellen Existenz unterworfen. Es ist eine Tatsache in der Zeit und reagiert auf deren Wechselfälle. Die Entscheide für das Fortleben müssen hier formuliert werden. Im morontiellen Zustand ist das Selbst eine neue und dauerhaftere Universumsrealität geworden, und sein ständiges Wachstum fußt auf seiner zunehmenden Einstimmung auf die Verstandes- und Geistkreisläufe der Universen. Jetzt werden die Entscheide für das Fortleben bestätigt. Wenn das Selbst die geistige Ebene erreicht, ist es zu einem sicheren Wert im Universum geworden, und dieser neue Wert gründet auf der Tatsache, dass die Entscheide für das Fortleben gefällt worden sind, wovon die ewige Fusion mit dem Gedankenjustierer Zeugnis ablegt. Und wenn das Geschöpf einmal den Zustand eines wahren universellen Wertes erreicht hat, wird es grundsätzlich frei für die Suche nach dem höchsten universellen Wert - Gott. Solch fusionierte Wesen sind in ihren Universumsreaktionen doppelgesichtig: einerseits sind es individuell geprägte morontielle Wesen, die sich nicht allzu sehr von den Seraphim unterscheiden, und andererseits gehören sie potentiell zur Ordnung der Paradies-Finalisten. Aber der fusionierte Einzelne ist wirklich eine einzige Persönlichkeit, ein einziges Wesen, dessen Einheit jeden Versuch einer Analyse durch jede beliebige Intelligenz der Universen zunichte macht. Und so werdet ihr vor den Gerichtshöfen des Lokaluniversums erscheinen, vom niedrigsten bis zum höchsten, und keiner von ihnen wird imstande sein, den Menschen oder den Justierer einzeln zu identifizieren, bis ihr schließlich vor den Souverän Nebadons, den Vater eures Lokaluniversums, treten werdet. Und hier werdet ihr aus den Händen desselben Wesens, dessen schöpferische Vaterschaft die Tatsache eures Lebens in diesem Universum der Zeit möglich gemacht hat, die Beglaubigung entgegennehmen, die euch schließlich berechtigt, eure Laufbahn im Superuniversum auf der Suche nach dem Universalen Vater fortzusetzen. Hat wohl der siegreiche Justierer durch seinen bewunderungswürdigen Dienst an der Menschheit die Persönlichkeit errungen, oder hat der beherzte Mensch die Unsterblichkeit durch sein aufrichtiges Bestreben erlangt, dem Justierer ganz und gar zu gleichen? Weder das eine noch das andere trifft zu; sondern gemeinsam haben sie die Evolution eines Angehörigen einer der einzigartigen Ordnungen von aufsteigenden Persönlichkeiten des Supremen vollbracht, eines Wesens, das man stets hilfreich, treu und wirksam finden wird, eines Anwärters auf weiteres Wachstum und weitere Entwicklung, der stets aufwärts, himmelwärts strebt und darin nicht nachlässt, bis die sieben Kreise Havonas durchlaufen sind und die einstige Seele irdischen Ursprungs anbetend vor dem Paradies-Vater steht und seine tatsächliche Persönlichkeit erkennt. Während dieses ganzen großartigen Aufstiegs ist der Gedankenjustierer der göttliche Bürge für die künftige vollkommene geistige Stabilisierung des aufsteigenden Sterblichen. Andererseits verschafft die Anwesenheit des freien Willens des Sterblichen dem Justierer einen ewigen Kanal zur Befreiung seiner göttlichen und unendlichen Natur. Jetzt sind diese beiden Identitäten eine einzige geworden; kein Ereignis der Zeit oder der Ewigkeit kann je Mensch und Justierer trennen; sie sind unzertrennlich, auf ewig fusioniert. Auf den Welten mit Justierer-Fusion ist die Bestimmung des Unergründlichen Mentors mit derjenigen des aufsteigenden Sterblichen identisch: das Paradies-Korps der Finalität. Und weder der Justierer noch der Sterbliche kann dieses einzigartige Ziel ohne die volle Mitarbeit und treue Hilfe des anderen erreichen. Diese außerordentliche Partnerschaft ist eines der packendsten und erstaunlichsten aller kosmischen Phänomene dieses Universumszeitalters. Von der Zeit der Justierer-Fusion an ist der Status des Aufsteigers derjenige eines evolutionären Geschöpfes. Das menschliche Mitglied kam als erstes in den Genuss der Persönlichkeit und steht infolgedessen in allem, was mit der Anerkennung der Persönlichkeit zusammenhängt, im Rang höher als der Justierer. Die paradiesische Heimatwelt dieses fusionierten Wesens ist Aszendington und nicht Divinington, und diese einzigartige Kombination von Gott und Mensch besitzt auf ihrem ganzen Weg bis zum Finalitätskorps den Rang eines aufsteigenden Sterblichen. Wenn ein Justierer einmal mit einem aufsteigenden Sterblichen fusioniert, wird seine Nummer in den Registern des Superuniversums gelöscht. Ich weiß nicht, was in den Verzeichnissen von Divinington geschieht, aber ich vermute, dass die Registrierung dieses Justierers in die geheimen Kreise der inneren Höfe Großfandas, des amtierenden Oberhauptes des Finalitätskorps, verlegt wird. Mit der Justierer-Fusion hat der Universale Vater sein Versprechen, sich seinen materiellen Geschöpfen selber zu schenken, eingelöst; er hat das Versprechen der ewigen Hingabe der Gottheit an die Menschheit wahr gemacht und sein Vorhaben ausgeführt. Jetzt kann der menschliche Versuch beginnen, die grenzenlosen Möglichkeiten, die in dieser zur Tatsache gewordenen himmlischen Partnerschaft mit Gott beschlossen liegen, zu verwirklichen und zu konkretisieren. Die gegenwärtig bekannte Bestimmung der fortlebenden Sterblichen ist das Paradies-Korps der Finalität; dies ist auch die Endbestimmung aller Gedankenjustierer, die sich für die Ewigkeit mit ihren sterblichen Gefährten vermählen. Gegenwärtig arbeiten die Finalisten des Paradieses überall im Großen Universum in vielen Unternehmungen, aber wir alle vermuten, dass ihrer in ferner Zukunft andere und noch göttlichere Aufgaben harren, wenn die sieben Superuniversen dereinst im Licht und Leben verankert sein werden und der endliche Gott schließlich aus dem Geheimnis, das jetzt diese Supreme Gottheit umgibt, hervortreten wird. Ihr seid bis zu einem gewissen Grad über Organisation und Belegschaft des Zentraluniversums, der Super- und Lokaluniversen unterrichtet worden; ihr habt etwas über Charakter und Ursprung einiger der verschiedenartigen Persönlichkeiten erfahren, die jetzt diese ungeheuren Schöpfungen lenken. Ihr habt auch gehört, dass weit außerhalb der Peripherie des Großen Universums, in der ersten Ebene des Äußeren Raumes, riesige Galaxien von Universen in einem Organisationsprozess begriffen sind. Es ist im Laufe dieser Darlegungen auch angedeutet worden, dass das Supreme Wesen seine nicht offenbarte tertiäre Funktion in diesen jetzt noch unerforschten Gegenden des Äußeren Raums enthüllen wird; und man hat euch ebenfalls gesagt, dass die Finalisten des Paradies-Korps die erfahrungsmäßigen Kinder des Supremen sind. Wir glauben, dass die mit dem Justierer fusionierten Sterblichen zusammen mit ihren Finalistengefährten dazu ausersehen sind, in irgendeiner Weise bei der Verwaltung der Universen der ersten äußeren Raumebene eingesetzt zu werden. Wir hegen nicht den leisesten Zweifel daran, dass aus diesen ungeheuren Galaxien zu gegebener Zeit bewohnte Universen werden. Und ebenso überzeugt sind wir, dass man unter ihren Verwaltern die Finalisten des Paradieses finden wird, deren Natur die kosmische Konsequenz der Verschmelzung des Geschöpfes mit dem Schöpfer ist. Welch ein Abenteuer! Welch ein romantisches Unternehmen! Eine gewaltige Schöpfung, die darauf wartet, von den Kindern des Supremen verwaltet zu werden, von diesen personifizierten und humanisierten Justierern, diesen justierten und verewigten Sterblichen, diesen geheimnisvollen Kombinationen und ewigen Verbindungen der höchsten bekannten Manifestation der Essenz des Ersten Zentralen Ursprungs mit der niedrigsten Form intelligenten Lebens, die fähig ist, den Universalen Vater zu verstehen und zu erreichen. Wir stellen uns vor, dass solche die Partnerschaft zwischen Schöpfer und Geschöpf verkörpernden Mischwesen zu großartigen Herrschern, unvergleichlichen Verwaltern und verständnisvollen und mitfühlenden Leitern für all und jede Form intelligenten Lebens werden können, die in diesen künftigen Universen der ersten äußeren Raumebene entstehen mag. Es ist wahr, dass ihr Sterblichen irdischen und tierischen Ursprungs seid; euer Körper ist tatsächlich Staub. Aber wenn ihr es tatsächlich wollt, wenn ihr es wirklich wünscht, ist das Erbe der Zeitalter mit Gewissheit euer, und ihr werdet eines Tages in den Universen in eurer wahren Natur dienen - als Kinder des Supremen Gottes der Erfahrung und göttliche Söhne des Paradies-Vaters aller Persönlichkeiten. [Dargeboten von einem Einsamen Botschafter aus Orvonton.] ****** Kapitel 113 Die Seraphischen Schicksalshüter ****** WIR haben die Dienenden Geiste der Zeit und die Botschafterheere des Raums bereits beschrieben und kommen jetzt zu der Betrachtung der Schutzengel, der Seraphim, die sich ganz dem Dienst an den einzelnen Sterblichen widmen, für deren Erhöhung und Vollkommenheit der ganze gewaltige Fortlebensplan geistiger Progression geschaffen wurde. In den vergangenen Zeitaltern waren diese Schicksalshüter so ziemlich die einzige auf Urantia erkannte Gruppe von Engeln. Die planetarischen Seraphim sind tatsächlich die dienenden Geiste, die zum Dienst an denjenigen ausgesandt werden, die fortleben werden. Diese begleitenden Seraphim haben bei allen großen Ereignissen der Vergangenheit und Gegenwart als geistige Helfer der sterblichen Menschen gewirkt. In manch einer Offenbarung "wurde das Wort durch Engel gesprochen"; viele Weisungen des Himmels wurden "durch das Wirken von Engeln empfangen". Die Seraphim sind die traditionellen Engel des Himmels; sie sind die dienenden Geiste, die so nahe bei euch leben und so viel für euch tun. Sie wirken auf Urantia seit den frühesten Zeiten menschlicher Intelligenz. ***** 113.1 Die Schutzengel ***** Die Lehre von den Schutzengeln ist kein Mythos; bestimmte Gruppen menschlicher Wesen haben tatsächlich persönliche Engel. Gerade in Anerkennung dieser Tatsache sagte Jesus: "Gebt acht, dass ihr nicht eines dieser Kleinen verachtet, denn ich sage euch, ihre Engel schauen stets die Gegenwart des Geistes meines Vaters." Ursprünglich waren die Seraphim gezielt den einzelnen Rassen Urantias zugeteilt. Aber seit Michaels Selbsthingabe werden sie entsprechend der menschlichen Intelligenz, Geistigkeit und Bestimmung zugewiesen. Intellektuell scheidet sich die Menschheit in drei Klassen: 1. Die unternormalen Verstandestypen - die, welche keine normale Willenskraft ausüben; die, welche keine gewöhnlichen Entscheidungen treffen. Diese Klasse umfasst all jene, die Gott nicht begreifen können, denen die Fähigkeit zu intelligenter Anbetung der Gottheit abgeht. Den unternormalen Wesen Urantias ist ein Seraphimkorps, eine Kompanie mit einem Bataillon von Cherubim, zugeteilt, das die Aufgabe hat, für sie zu sorgen und darüber zu wachen, dass ihnen inmitten der Lebenskämpfe der Sphäre Gerechtigkeit und Barmherzigkeit widerfährt. 2. Der mittlere, normale menschliche Verstandestyp. Vom Standpunkt des seraphischen Dienstes aus gruppieren sich die meisten Männer und Frauen gemäß ihrem Status beim Durchschreiten der Kreise menschlichen Fortschritts und geistiger Entwicklung in sieben Klassen. 3. Die übernormalen Verstandestypen - die mit großer Entschlusskraft und zweifelsfreiem Potential zu geistigen Leistungen Begabten; Männer und Frauen, die sich mehr oder weniger eines Kontaktes mit ihrem innewohnenden Justierer erfreuen; Mitglieder der verschiedenen Reservekorps der Bestimmung. Wenn ein Mensch in eines der mehreren Reservekorps der Bestimmung aufgenommen wird, wird ihm genau dann und dort, ganz gleich, in was für einem Kreis er sich gerade befindet, ein persönlicher Seraph zugeteilt, und von diesem Augenblick an bis ans Ende seiner irdischen Laufbahn wird sich dieser Sterbliche des ständigen Dienstes und der unablässigen Wachsamkeit eines Schutzengels erfreuen. Wenn ein menschliches Wesen die höchste Entscheidung fällt, wenn es sich wirklich mit dem Justierer verlobt, wird dieser Seele desgleichen augenblicklich ein persönlicher Hüter zuteil. Beim Dienst an den so genannten normalen Wesen erfolgen die seraphischen Zuteilungen je nach der menschlichen Meisterung der Kreise der Intellektualität und Geistigkeit. Ihr beginnt, mit eurem sterblichen Verstand ausgerüstet, im siebenten Kreis und wandert nach innen, während ihr an eurem Selbstverständnis, eurer Selbsteroberung und Selbstbeherrschung arbeitet; und Kreis um Kreis rückt ihr vor (sofern nicht der natürliche Tod eurer Laufbahn ein Ende setzt und eure Kämpfe auf die Residenzwelten verlegt), bis ihr den ersten oder inneren Kreis relativen Kontaktes und relativer Kommunikation mit dem innewohnenden Justierer erreicht. Menschliche Wesen im anfänglichen oder siebenten Kreis haben einen mit der Überwachung und Behütung von eintausend Sterblichen betrauten Schutzengel, dem eine Kompanie Cherubim beisteht. Im sechsten Kreis hat ein seraphisches Paar mit einer Kompanie von Cherubim die Aufgabe, die aufsteigenden Sterblichen in Gruppen zu fünfhundert zu leiten. Ist einmal der fünfte Kreis erreicht, werden die menschlichen Wesen in Kompanien zu rund hundert zusammengeschlossen, die von einem Paar seraphischer Hüter mit einer Gruppe von Cherubim in Obhut genommen werden. Nach Erreichen des vierten Kreises werden die sterblichen Wesen in Zehnergruppen zusammengeschlossen, und wiederum übernimmt ein Seraphenpaar mit einer Kompanie helfender Cherubim ihre Überwachung. Wenn ein sterblicher Verstand die vom Tier ererbte Trägheit durchbricht und zum dritten Kreis menschlicher Intellektualität und Vergeistigung vorstößt, wird sich diesem aufsteigenden Sterblichen hinfort ein persönlicher Engel (in Wirklichkeit sind es deren zwei) gänzlich und ausschließlich widmen. Und so empfangen diese Menschenseelen bei all ihren Anstrengungen, den dritten Kreis abzuschließen, den zweiten zu durchqueren und den ersten zu erreichen, zusätzlich zum stets gegenwärtigen und immer wirksamer werdenden innewohnenden Gedankenjustierer die ungeteilte Zuwendung dieser persönlichen Schicksalshüter. ***** 113.2 Die Schicksalshüter ***** Man nennt die Seraphim erst von dem Augenblick an Schicksalshüter, wo ihnen die Zusammenarbeit mit einer menschlichen Seele übertragen wird, die eine oder mehrere der folgenden drei Leistungen vorweisen kann: Sie hat den höchsten Entschluss gefasst, gottähnlich zu werden, sie ist in den dritten Kreis eingetreten oder in eines der Reservekorps der Bestimmung aufgenommen worden. In der Evolution der Rassen wird dem allerersten Wesen, das die Eroberung des geforderten Kreises schafft, ein Schicksalshüter zugeteilt. Auf Urantia war der erste Sterbliche, der einen persönlichen Hüter erhielt, Rantowok, ein weiser Mann der roten Rasse einer fernen Vergangenheit. Alle so beauftragten Engel werden stets einer Gruppe freiwilliger Seraphim entnommen, und die Zuteilungen geschehen immer in Übereinstimmung mit den menschlichen Bedürfnissen und mit Rücksicht auf den Status des Engelspaars - im Lichte seraphischer Erfahrung, Gewandtheit und Weisheit. Nur Seraphim, die seit langem im Dienst stehen, die Erfahreneren und Erprobten unter ihnen, werden als Schicksalshüter beauftragt. Manche Hüter haben viele wertvolle Erfahrungen auf Welten der Serien ohne Justiererfusion gesammelt. Wie die Justierer begleiten die Seraphim diese Wesen nur während einer einzigen Lebensspanne und werden dann für eine Neuzuteilung frei. Viele Hüter Urantias haben solch eine frühere praktische Erfahrung auf anderen Welten hinter sich. Wenn menschliche Wesen es nicht schaffen fortzuleben, können ihre persönlichen oder Gruppenhüter unter Umständen wiederholt in derselben Eigenschaft auf dem gleichen Planeten dienen. Die Seraphim entwickeln eine gefühlsmäßige Bindung an einzelne Welten und empfinden eine besondere Zuneigung für bestimmte Rassen und Typen sterblicher Geschöpfe, mit denen sie so eng und innig verbunden gewesen sind. Die Engel entwickeln eine bleibende Liebe zu ihren menschlichen Gefährten; und ihr würdet, könntet ihr die Seraphim nur sehen, eine warme Zuneigung zu ihnen fassen. Entkleidete man euch eures materiellen Körpers und gäbe euch eine geistige Gestalt, kämet ihr den Engeln in mancher persönlicher Eigenschaft sehr nahe. Sie teilen die meisten eurer Gemütsbewegungen und empfinden noch einige zusätzliche. Die einzige euch antreibende Emotion, die zu verstehen ihnen schwer fällt, ist das Erbe tierischer Angst, das im Gemütsleben eines durchschnittlichen Bewohners Urantias eine so große Rolle spielt. Die Engel haben wirklich große Mühe zu verstehen, wieso ihr euren höheren intellektuellen Kräften und sogar eurem religiösen Glauben so hartnäckig erlaubt, sich derart durch die Angst beherrschen zu lassen, sich durch eine aus Furcht und Beklommenheit gemischte, gedankenlose Panik so völlig demoralisieren zu lassen. Alle Seraphim haben individuelle Namen, aber in den Registern ihrer Zuteilung zum Weltendienst werden sie häufig mit ihren planetarischen Nummern bezeichnet. Am Hauptsitz des Universums sind sie unter ihren Namen und Nummern eingetragen. Der Schicksalshüter des menschlichen Wesens, dessen man sich in dieser Kontaktkommunikation bedient, ist Nummer 3 der Gruppe 17 der Kompanie 126 des Bataillons 4 der Einheit 384 der Legion 6 der Heerschar 37 der 182 314. seraphischen Armee von Nebadon. Die laufende planetarische Zuteilungsnummer dieses Seraphen auf Urantia und zu seinem menschlichen Schutzbefohlenen lautet 3 641 852. Wenn es um ein persönliches Hüteramt geht, um die Zuweisung von Engeln als Schicksalshüter, melden sich die Seraphim immer freiwillig zum Dienst. In der Stadt, der unser himmlischer Besuch gilt, wurde kürzlich ein bestimmter Sterblicher in das Reservekorps der Bestimmung aufgenommen, und da alle derartigen Menschen persönlich von Schutzengeln begleitet werden, haben sich über hundert qualifizierte Seraphim um das Amt beworben. Der planetarische Leiter wählte unter ihnen zwölf der Erfahrensten aus und übertrug in der Folge dem von ihnen als Besten Befundenen das Amt, dieses menschliche Wesen auf seiner Lebensreise zu führen. Das heißt, sie wählten ein bestimmtes Paar gleichermaßen qualifizierter Seraphim aus; stets wird einer von ihnen Dienst tun. Zwar gehen die seraphischen Aufgaben pausenlos weiter, aber stets kann sich der eine oder andere Engel des Paars seiner Dienstverantwortung entledigen. Gleich den Cherubim dienen auch die Seraphim gewöhnlich in Paaren, aber anders als ihre weniger fortgeschrittenen Gefährten arbeiten sie manchmal einzeln. Praktisch in all ihren Kontakten mit Menschenwesen können sie allein funktionieren. Nur für Kommunikationen und Dienste über die höheren Universumskreisläufe werden beide Engel benötigt. Wenn ein seraphisches Paar eine Aufgabe als Hüter übernimmt, dient es für den ganzen Rest des Lebens seines menschlichen Schutzbefohlenen. Die Wesensergänzung (einer der beiden Engel) wird zum Chronisten der Unternehmung. Diese komplementären Seraphim sind die Chronistenengel der Sterblichen auf den evolutionären Welten. Die Aufzeichnungen werden von einem Paar von Cherubim (einem Cherub und einem Sanob) besorgt, die den seraphischen Hütern stets beigegeben sind, aber diese Aufzeichnungen werden immer von einem der Seraphim begutachtet. Um sich auszuruhen und wieder mit Lebensenergie der Universumskreisläufe aufzuladen, wird der Hüter periodisch durch sein Komplement abgelöst, und während seiner Abwesenheit übernimmt der mit ihnen verbundene Cherub die Funktion des Chronisten, was ebenfalls geschieht, wenn der komplementäre Seraph seinerseits abwesend ist. ***** 113.3 Beziehung zu anderen geistigen Einflüssen ***** Etwas vom Wichtigsten, was ein Schicksalshüter für seinen sterblichen Schützling tut, ist die persönliche Herstellung einer Koordination der zahlreichen unpersönlichen geistigen Einflüsse, die Verstand und Seele des sich entwickelnden materiellen Geschöpfes bewohnen, diese umgeben und auf sie einwirken. Menschliche Wesen sind Persönlichkeiten, und es ist für nichtpersönliche Geiste und vorpersönliche Wesenheiten überaus schwierig, mit so entschieden materiellen und gesondert persönlichen Verstandeswesen in direkten Kontakt zu treten. Das Wirken des Schutzengels eint all diese Einflüsse mehr oder weniger und bewirkt, dass diese durch die wachsende sittliche Natur der sich entwickelnden menschlichen Persönlichkeit unmittelbarer empfangen werden können. Ganz besonders ist der seraphische Hüter in der Lage, die mannigfaltigen Wirkkräfte und Einflüsse des Unendlichen Geistes zu korrelieren, von der Domäne der physischen Überwacher und mentalen Hilfsgeiste bis hinauf zum Heiligen Geist der Göttlichen Ministerin und zu der Allgegenwärtigen Geistanwesenheit des Dritten Zentralen Ursprungs des Paradieses. Nachdem der Seraph diese weit gefächerten Einwirkungen des Unendlichen Geistes geeint und persönlicher gemacht hat, unternimmt er es, den so integrierten Einfluss des Mit-Vollziehers mit den geistigen Gegenwarten des Vaters und des Sohnes zu korrelieren. Der Justierer ist die Gegenwart des Vaters; der Geist der Wahrheit ist die Gegenwart der Söhne. Diese göttlichen Gaben werden auf den niedrigeren Ebenen der menschlichen geistigen Erfahrung durch das Walten des seraphischen Hüters geeint und koordiniert. Die dienenden Engel haben die Gabe, bei ihrem Wirken für die sterblichen Geschöpfe des Vaters Liebe mit der Barmherzigkeit des Sohnes zu kombinieren. Und das erklärt, weshalb der seraphische Hüter im Zeitraum zwischen physischem Tod und morontieller Auferstehung schließlich zum persönlichen Verwahrer der Gedankenmodelle, Gedächtnisformeln und seelischen Realitäten des menschlichen Fortlebenden wird. Niemand außer den dienenden Kindern des Unendlichen Geistes könnte während der Übergangsphase von einer Universumsebene zu einer anderen und höheren Ebene in dieser Weise für das menschliche Geschöpf wirken. Sogar wenn ihr in euren abschließenden Transitschlummer fällt, wenn ihr von der Zeit in die Ewigkeit hinübergeht, teilt ein hoher Sekonaph in derselben Weise den Transit mit euch als Hüter eurer Geschöpfesidentität und Garant eurer persönlichen Unversehrtheit. Auf der geistigen Ebene verpersönlichen die Seraphim viele sonst unpersönliche und vorpersönliche Einflüsse des Universums; sie sind Koordinatoren. Auf der intellektuellen Ebene sind sie die Korrelierer von Verstand und Morontia; sie sind Interpreten. Und auf der physischen Ebene manipulieren sie das irdische Umfeld durch ihre Verbindung mit den Physischen Hauptüberwachern und dank dem kooperativen Wirken der Mittler-Geschöpfe. Dies ist eine Beschreibung der vielfältigen und komplizierten Funktion eines begleitenden Seraphen; aber wie vollbringt solch eine untergeordnete Engelspersönlichkeit, die nur ein klein bisschen oberhalb der menschlichen Universumsebene erschaffen wurde, derart schwierige und komplexe Dinge? Wir wissen es nicht wirklich, aber wir vermuten, dass dieses phänomenale Amt auf irgendeine geheime Weise durch das unerkannte und nicht offenbarte Wirken des Supremen Wesens erleichtert wird, der sich verwirklichenden Gottheit der in Entwicklung begriffenen Universen von Zeit und Raum. In der ganzen Domäne progressiven Fortlebens im und durch das Supreme Wesen sind die Seraphim ein wesentlicher Bestandteil des unablässigen Fortschritts der Sterblichen. ***** 113.4 Seraphische Betätigungsfelder ***** Die seraphischen Hüter sind nicht einfach Verstand, obwohl sie derselben Quelle, dem Schöpferischen Geist, entstammen, in der auch der menschliche Verstand seinen Ursprung hat. Die Seraphim sind Verstandesstimulatoren; sie trachten ständig danach, im menschlichen Verstand Entscheidungen zu begünstigen, die zur Meisterung der Kreise beitragen. Sie tun es nicht in der Art des Justierers, der von innen und durch die Seele wirkt, sondern vielmehr von außen her nach innen, indem sie über das gesellschaftliche, ethische und sittliche Umfeld der menschlichen Wesen wirken. Die Seraphim sind nicht die göttliche Anziehungskraft des Universalen Vaters wie die Justierer, aber sie funktionieren als die persönlichen Organe des Wirkens des Unendlichen Geistes. Der sich der Führung des Justierers unterwerfende sterbliche Mensch ist auch für seraphische Führung empfänglich. Der Justierer ist die Essenz der ewigen Natur des Menschen; der Seraph ist der Lehrer der sich entwickelnden Natur des Menschen - seines sterblichen Verstandes in diesem Leben und seiner morontiellen Seele im nächsten. Auf den Residenzwelten werdet ihr eure seraphischen Instruktoren bewusst wahrnehmen, aber im ersten Leben gewahren die Menschen sie gewöhnlich nicht. Die Seraphim wirken als Lehrer der Menschen, indem sie die Schritte der menschlichen Persönlichkeit auf die Pfade neuer und fortschreitender Erfahrungen lenken. Die Führung durch einen Seraphen zu akzeptieren, bedeutet selten ein beschauliches Leben. Wenn ihr dieser Leitung folgt, werdet ihr mit Sicherheit in die zerklüftete Gebirgslandschaft sittlicher Wahl und geistigen Fortschritts geraten und, so ihr den Mut habt, sie auch durchqueren. Der Antrieb zur Anbetung entstammt weitgehend den Eingebungen der höheren Hilfsgeiste und wird durch die Weisungen des Justierers verstärkt. Aber der Drang zum Beten, den Sterbliche auf der Suche nach Gott so oft verspüren, erwacht sehr oft infolge seraphischen Einflusses. Der seraphische Hüter manipuliert das Umfeld des Sterblichen beständig, um die kosmische Schau des menschlichen Aufsteigers zu verstärken und so zu erreichen, dass dieser Anwärter auf das Fortleben sich vermehrt der Gegenwart des innewohnenden Justierers bewusst und dadurch fähig wird, williger mit der geistigen Sendung der göttlichen Gegenwart zusammenzuarbeiten. Obwohl es keine erkenntliche Kommunikation zwischen innerem Justierer und umfangendem Seraphen gibt, scheinen beide immer in vollkommener Harmonie und wunderbarem Einvernehmen zu arbeiten. Die Hüter entwickeln ihre regste Aktivität in Zeiten, wenn die Justierer am wenigsten aktiv sind, aber irgendwie ist ihr Amt auf seltsame Weise korreliert. Eine solch prachtvolle Zusammenarbeit könnte schwerlich zufällig oder beiläufig geschehen. Die dienende Persönlichkeit des seraphischen Hüters, die Gottesgegenwart des innewohnenden Justierers, der über seinen Kreislauf handelnde Heilige Geist und das Sohnesbewusstsein des Geistes der Wahrheit - sie alle sind in der menschlichen Persönlichkeit und für diese miteinander auf göttliche Weise in einer bedeutungsvollen Einheit verbunden. Obwohl verschiedenen Quellen und verschiedenen Ebenen entstammend, sind all diese himmlischen Einflüsse in der umhüllenden und sich entwickelnden Gegenwart des Supremen Wesens integriert. ***** 113.5 Das seraphische Wirken für die Sterblichen ***** Die Engel brechen nicht in das Heiligtum des menschlichen Verstandes ein; sie manipulieren den Willen der Sterblichen nicht; ebenso wenig treten sie in direkten Kontakt mit dem innewohnenden Justierer. Der Schicksalshüter beeinflusst euch auf jede erdenkliche, mit der Würde eurer Persönlichkeit zu vereinbarende Weise, aber unter gar keinen Umständen stellen sich diese Engel der freien Betätigung des menschlichen Willens entgegen. Weder Engel noch irgendeine andere Ordnung von Universumspersönlichkeiten haben die Macht oder Autorität, die Vorrechte menschlicher Wahl einzuschränken oder zu beschneiden. Die Engel stehen euch so nahe und sorgen so gefühlvoll für euch, dass sie im übertragenen Sinne "über eure eigensinnige Unduldsamkeit und Sturheit weinen". Die Seraphim vergießen keine physischen Tränen; sie haben keine physischen Körper, noch besitzen sie Flügel. Hingegen haben sie geistige Emotionen, und sie erfahren Empfindungen und Gefühle geistiger Natur, die man in gewissem Sinne mit menschlichen Emotionen vergleichen kann. Die Seraphim handeln in eurem Interesse ganz unabhängig von euren direkten Appellen; sie führen die Weisungen ihrer Vorgesetzten aus, und sie arbeiten in diesem Sinne unbekümmert um eure vorübergehenden Launen und wechselnden Stimmungen. Das besagt nicht, dass ihr ihre Aufgaben nicht erleichtern oder erschweren könnt, sondern eher, dass eure Appelle und eure Gebete sie nicht direkt betreffen. Während ihres irdischen Lebens steht den sterblichen Menschen die Intelligenz der Engel nicht direkt zur Verfügung. Diese sind keine Oberherren oder Direktoren; sie sind ganz einfach Hüter. Die Seraphim behüten euch; sie suchen euch nicht direkt zu beeinflussen; ihr müsst euren Kurs selber bestimmen, aber danach handeln sie in einer Weise, die dem von euch eingeschlagenen Kurs das Bestmögliche abzugewinnen sucht. Sie greifen (gewöhnlich) nicht willkürlich in die alltäglichen Angelegenheiten des menschlichen Lebens ein. Aber wenn sie von ihren Vorgesetzten den Auftrag erhalten, irgendeine außergewöhnliche Tat zu vollbringen, könnt ihr sicher sein, dass die Hüter irgendein Mittel finden werden, um diese Weisungen auszuführen. Sie mischen sich also nicht in die Aufführung des menschlichen Dramas ein, außer in Notfällen und dann gewöhnlich auf direkte Weisung ihrer Vorgesetzten. Sie sind die Wesen, die euch während vieler Zeitalter folgen werden, und sie erhalten auf diese Weise eine Einführung in ihr zukünftiges Werk und persönliches Zusammenwirken. Die Seraphim sind in der Lage, menschlichen Wesen unter gewissen Umständen in materieller Gestalt zu dienen, aber sie handeln nur sehr selten in solcher Eigenschaft. Mit Hilfe der Mittler-Geschöpfe und der physischen Überwacher sind sie fähig, sich in einem breiten Aktivitätenfächer für die menschlichen Wesen einzusetzen, sogar einen effektiven Kontakt mit ihnen herzustellen, aber solche Vorkommnisse sind sehr unüblich. In den meisten Fällen wickeln sich die Geschehnisse der materiellen Reiche ohne seraphisches Eingreifen ab, wenngleich schon Umstände eingetreten sind, wobei hochwichtige Glieder der menschlichen Evolutionskette in Gefahr standen und die seraphischen Hüter aus eigener Initiative und in angemessener Weise handelten. ***** 113.6 Die Schutzengel nach dem Tode ***** Nachdem ich euch einiges über den Dienst der Seraphim während des irdischen Lebens gesagt habe, will ich versuchen, euch etwas über die Beschäftigung der Schicksalshüter zur Zeit der Auflösung ihrer menschlichen Gefährten im Tode mitzuteilen. Nach eurem Hinschied nimmt der Schicksalshüter die euch betreffenden Aufzeichnungen und die genauen Angaben über eure Identität getreulich in Gewahrsam sowie die - aus den vereinten Anstrengungen des sterblichen Verstandes und des göttlichen Justierers hervorgegangene - morontielle Wesenheit der menschlichen Seele, zusammen mit allen übrigen Werten, die sich auf eure zukünftige Existenz beziehen, mit allem, was euch, euer wahres Ich, ausmacht, mit Ausnahme der Identität fortdauernder Existenz, verkörpert durch den scheidenden Justierer, und der Realität der Persönlichkeit. In dem Augenblick, wo im menschlichen Verstand das Lotsenlicht, das geistige Strahlen erlischt, das die Seraphim mit der Gegenwart des Justierers in Verbindung bringen, erstattet der begleitende Engel persönlich nacheinander den kommandierenden Engeln der Gruppe, der Kompanie, des Bataillons, der Einheit, der Legion und der Heerschar Rapport; und nachdem dieser Engel für das finale Abenteuer der Zeit und des Raums gebührend registriert worden ist, empfängt er vom planetarischen Chef der Seraphim eine Beglaubigung, um vor jenem Abendstern (oder einem anderen Leutnant Gabriels) zu erscheinen, der die seraphische Armee eben dieses Anwärters auf den Aufstieg durch das Universum befehligt. Und nachdem der Kommandierende dieser höchsten organisierten Einheit ihn dazu ermächtigt hat, begibt sich der Schicksalshüter auf die erste Residenzwelt und wartet dort, bis sein einstiges irdisches Mündel das Bewusstsein wiedererlangt. Falls einer menschlichen Seele, die einen persönlichen Engel zugeteilt bekommen hat, das Fortleben misslingt, muss sich der begleitende Seraph zum Hauptsitz des Lokaluniversums begeben, um dort über den vollständigen Bericht seines Komplementärwesens, wie früher mitgeteilt, Zeugnis abzulegen. Danach begibt er sich vor das Tribunal der Erzengel, um in der Angelegenheit des Scheiterns seines Schutzbefohlenen von jedem Tadel freigesprochen zu werden; und danach kehrt er auf die Welten zurück, um wieder einem anderen Sterblichen mit Aufstiegspotential oder irgendeiner anderen Abteilung seraphischen Dienstes zugeteilt zu werden. Aber neben der Betreuung von Einzelpersonen und Gruppen dienen die Engel den evolutio-nären Geschöpfen noch auf manch andere Weise. Persönliche Hüter, deren Schutzbefohlene sich nicht sofort auf die Residenzwelten begeben, bleiben nicht müßig in Erwartung des Namensaufrufs des Dispensationsgerichts; es werden ihnen zahlreiche neue Missionen in dienender Funktion irgendwo im Universum übertragen. Der seraphische Hüter ist die Vertrauensperson, welche die Fortlebenswerte der schlummernden Seele des Sterblichen verwahrt, während der abwesende Justierer die Identität eines solchen unsterblichen Universumswesens ist. Wenn diese beiden in den Auferstehungshallen Residenzias bei der neu geschaffenen morontiellen Gestalt zusammenarbeiten, geschieht die Neuzusammenfügung der Faktoren der Persönlichkeit des aufsteigenden Sterblichen. Der Justierer wird euch die Identität bringen; der seraphische Hüter wird euch neu personifizieren und euch dann wieder dem treuen Mentor eurer Erdentage vorstellen. Und wenn desgleichen ein planetarisches Zeitalter zu Ende geht und jene versammelt werden, die sich in den niedrigeren Kreisen menschlichen Vollbringens befinden, sind es ihre Gruppenhüter, die sie in den Auferstehungshallen der Residenzsphären neu zusammenfügen, ganz so wie eure Schrift sagt: "Und mit gewaltiger Stimme wird er seine Engel aussenden und seine Auserwählten von einem Ende der Welt zum anderen versammeln." Das Vorgehen der Gerechtigkeit verlangt, dass persönliche oder Gruppenhüter anlässlich des Dispensations-Namensaufrufs anstelle aller nicht fortlebenden Persönlichkeiten antworten. Deren Justierer kehren nicht zurück, und wenn die Namen verlesen werden, antworten die Seraphim, aber die Justierer geben keine Antwort. Das bildet die "Auferstehung der Ungerechten" und ist in Wahrheit die formelle Bestätigung des Aufhörens der Geschöpfesexistenz. Dieser Namensaufruf der Gerechtigkeit folgt immer unmittelbar auf den Namensaufruf der Barmherzigkeit, auf die Auferweckung der schlafenden Fortlebenden. Aber das sind Angelegenheiten, die niemanden etwas angehen außer die höchsten und allwissenden Richter der Fortlebenswerte. Solche Probleme der Urteilsfällung betreffen uns nicht eigentlich. Gruppenhüter können auf einem Planeten Zeitalter um Zeitalter dienen und schließlich Tausende und Abertausende von schlafenden Fortlebenden in ihrem Gewahrsam halten. Sie können in dieser Weise in einem gegebenen System auf vielen verschiedenen Welten dienen, da die Antwort der Auferstehung auf den Residenzwelten erfolgt. Alle persönlichen und Gruppenhüter des Systems von Satania, die bei der Rebellion Luzifers auf Abwege geraten sind, werden auf Jerusem bis zum endgültigen Urteil in dieser Angelegenheit in Haft gehalten, obwohl viele von ihnen ihre Verrücktheit aufrichtig bedauert haben. Bereits haben die universellen Zensoren diesen ungehorsamen und ungetreuen Hütern eigenmächtig alle Aspekte ihres Seelen-Treuhänderamtes abgenommen und diese morontiellen Realitäten der sicheren Hut freiwilliger Sekonaphim anvertraut. ***** 113.7 Die Seraphim und die aufsteigende Laufbahn ***** Das erste Erwachen an den Gestaden der Residenzwelt ist wirklich ein ganz großer Augenblick in der Laufbahn eines aufsteigenden Sterblichen; denn dort werdet ihr tatsächlich zum ersten Mal die seit langem geliebten und stets gegenwärtigen Engelsgefährten eurer Erdentage sehen, hier werdet ihr euch auch der Identität und Gegenwart des göttlichen Mentors wahrhaft bewusst werden, der euren Verstand auf Erden so lange bewohnt hat. Eine derartige Erfahrung stellt ein glorreiches Erwachen, eine wirkliche Auferstehung dar. Auf den morontiellen Sphären sind die begleitenden Seraphim (es sind ihrer zwei) in aller Offenheit eure Gefährten. Während ihr eure Laufbahn durch die Übergangswelten fortsetzt, begnügen sich diese Engel nicht damit, an eurer Seite zu gehen und euch in jeder erdenklichen Weise bei der Erwerbung des morontiellen und geistigen Status zu helfen, sondern sie nehmen auch die Gelegenheit für eigenen Fortschritt an den Weiterbildungsschulen für evolutionäre Seraphim wahr, die auf den Residenzwelten geführt werden. Die menschliche Rasse wurde gerade ein bisschen unter den einfacheren Typen von Engelsordnungen erschaffen. Deshalb wird eure erste Aufgabe im morontiellen Leben, wenn ihr nach der Befreiung aus den Banden des Fleisches euer persönliches Bewusstsein wiedererlangt habt, darin bestehen, den Seraphim bei der euch dann unmittelbar erwartenden Arbeit an die Hand zu gehen. Vor dem Verlassen der Residenzwelten werden sämtliche Sterblichen dauernde seraphische Gefährten oder Hüter besitzen. Und während ihr durch die morontiellen Sphären aufsteigt, sind es schließlich die seraphischen Hüter, die die Dekrete eurer ewigen Vereinigung mit dem Gedankenjustierer bezeugen und bestätigen. Mit ihm zusammen haben sie eure persönliche Identität von irdischen, den Welten der Zeit entstammenden Kindern hergestellt. Und wenn ihr den Zustand morontieller Reife erreicht habt, begleiten sie euch durch Jerusem und die mit diesem verbundenen System-Welten des Fortschritts und der Kultur. Dann gehen sie mit euch nach Edentia mit seinen siebzig Sphären fortgeschrittener Sozialisierung weiter, und hernach werden sie eure Lotsen zu den Melchisedeks sein und an eurer Seite die großartige Laufbahn durch die Hauptsitzwelten des Universums mitmachen. Und habt ihr einmal Weisheit und Kultur der Melchisedeks aufgenommen, werden sie euch nach Salvington bringen, wo ihr dem Souverän ganz Nebadons von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten werdet. Und weiter werden euch die seraphischen Führer durch den Kleinen und Großen Sektor des Superuniversums und auf die Empfangswelten Uversas folgen und bei euch bleiben, bis euch endlich ein Sekonaph auf den langen Flug nach Havona mitnimmt. Einige der Schicksalshüter, die den Sterblichen auf Erden beigegeben waren, folgen den aufsteigenden Pilgern auf ihrem Gang durch Havona. Die anderen verabschieden sich vorübergehend von ihren langjährigen sterblichen Gefährten, und während diese die Kreise des Zentraluniversums durchlaufen, meistern ihre Schicksalshüter die Kreise Seraphingtons. Und sie werden an den Gestaden des Paradieses bereitstehen, wenn ihre sterblichen Gefährten aus dem letzten Übergangsschlaf der Zeit zu den neuen Erfahrungen der Ewigkeit aufwachen. Solche aufsteigenden Seraphim treten danach in verschiedene Dienstzweige des Finalistenkorps und in das Seraphische Korps der Vollendung ein. Mensch und Engel können in ewigem Dienst vereint sein oder auch nicht, aber wohin immer die Seraphim durch ihre Aufträge geführt werden, bleiben sie stets in Verbindung mit ihren einstigen Mündeln der evolutionären Welten, den aufsteigenden Sterblichen der Zeit. Das enge Zusammenwirken und die innigen, auf den Welten des menschlichen Ursprungs geknüpften Bande werden nie vergessen, noch je vollständig aufgelöst werden. In den ewigen Zeitaltern werden Menschen und Engel im göttlichen Dienst zusammenarbeiten, wie sie es in der Laufbahn der Zeit getan haben. Für die Seraphim ist die erfolgreiche Führung einer Seele evolutionären Ursprungs bis vor die Pforten des Paradieses der sicherste Weg zu den Gottheiten des Paradieses. Deshalb ist die Beauftragung als Schicksalshüter der am höchsten eingestufte seraphische Dienst. Nur Schicksalshüter werden in das primäre oder Finalitätskorps der Sterblichen aufgenommen, und solche Paare haben das höchste Abenteuer der Identitätseinstimmung auf sich genommen; die beiden Wesen sind auf Seraphington vor ihrer Aufnahme in das Finalistenkorps zu einer geistigen Verschmelzung von zwei in eins gelangt. In dieser Erfahrung gelangen die beiden sich in all ihren Universumsfunktionen so sehr ergänzenden Engelsnaturen zu einer letztendlichen geistigen Zweiheit-in-der-Einheit, der eine neue Fähigkeit zur Aufnahme eines Nicht-Justiererfragments des Paradies- Vaters und zur Fusion mit diesem entspringt. Und so werden einige eurer liebevollen seraphischen Gefährten der Zeit auch eure Finalisten-Mitarbeiter in der Ewigkeit sein, Kinder des Supremen und vervollkommnete Söhne des Paradies-Vaters. [Dargeboten vom Chef der auf Urantia stationierten Seraphim.] ****** Kapitel 114 Die Seraphische Planetarische Regierung ****** DIE Allerhöchsten regieren in den Reichen der Menschen durch viele himmlische Kräfte und Organe, aber hauptsächlich durch das Wirken der Seraphim. Heute Mittag umfasste die Liste der auf Urantia anwesenden planetarischen Engel, Hüter und anderer 501 234 619 Seraphimpaare. Meinem Kommando unterstanden zweihundert seraphische Heerscharen - das sind 597 196 800 seraphische Paare oder 1 194 393 600 individuelle Engel. Im Register figurieren indessen nur 1 002 469 238 Einzelwesen; daraus folgt, dass 191 924 362 Engel auf Transport- und Botschaftermission oder im Zusammenhang mit dem Tod von dieser Welt abwesend waren. (Auf Urantia gibt es ungefähr ebenso viele Cherubim wie Seraphim, und sie sind in der gleichen Weise organisiert.) Das Wirken der Seraphim und ihrer zugesellten Cherubim hängt eng mit den Einzelheiten der übermenschlichen Regierung eines Planeten zusammen, insbesondere auf Welten, die durch Rebellion isoliert wurden. Von den Mittlern geschickt unterstützt, funktionieren die Engel auf Urantia als eigentliche übermaterielle Organe, die Verfügungen des residierenden Generalgouverneurs und all seiner Mitarbeiter und Untergebenen ausführen. Die Seraphim als Klasse beschäftigen sich noch mit vielen anderen Aufgaben als solchen der Personen-und Gruppenhut. Urantia ermangelt nicht einer angemessenen und wirksamen Überwachung durch die System-, Konstellations- und Universumslenker. Aber die planetarische Regierung gleicht derjenigen keiner anderen Welt des Systems von Satania und nicht einmal ganz Nebadons. Diese Einzigartigkeit eures Verwaltungsplans rührt von einer ganzen Anzahl ungewöhnlicher Umstände her: 1. Der Status modifizierten Lebens Urantias. 2. Die durch die Rebellion Luzifers geschaffene Notlage. 3. Die auf Adams Verfehlung folgende Zerrüttung. 4. Die Besonderheiten, die sich aus der Tatsache ergeben, dass Urantia eine der Welten der Selbsthingabe des Universums-Souveräns war. Michael von Nebadon ist der Planetarische Fürst Urantias. 5. Die besondere Funktion der vierundzwanzig planetarischen Leiter. 6. Das Vorhandensein eines Erzengelkreislaufs auf dem Planeten. 7. Die eher kürzlich erfolgte Ernennung des einstmals inkarnierten Machiventa Melchisedek zum stellvertretenden Planetarischen Fürsten. ***** 114.1 Die Souveränität Urantias ***** Ursprünglich hatte der Systemsouverän von Satania die Souveränität Urantias treuhänderisch inne. Er delegierte sie zunächst an eine gemischte Kommission von Melchisedeks und Lebensbringern, und diese Gruppe funktionierte auf Urantia bis zur Ankunft eines regulär ernannten Planetarischen Fürsten. Nach dem Sturz des Fürsten Caligastia zur Zeit der Rebellion Luzifers war Urantia ohne sichere und solide Beziehung zum Lokaluniversum und seinen Verwaltungsabteilungen bis zum Abschluss der Selbsthingabe des inkarnierten Michael, als dieser durch den Einiger der Tage zum Planetarischen Fürsten Urantias ausgerufen wurde. Diese Proklamation regelte den Status eurer Welt für alle Zeiten sicher und grundsätzlich, aber in der Praxis unternahm der Souveräne Schöpfersohn nichts im Sinne einer persönlichen Verwaltung des Planeten außer der Einsetzung der Kommission Jerusems von vierundzwanzig einstigen Urantianern, die über die Autorität verfügen, ihn in der Regierung Urantias und aller anderen unter Quarantäne stehenden Planeten zu vertreten. Eines dieser Ratsmitglieder wohnt jetzt als residierender Generalgouverneur ständig auf Urantia. Kürzlich wurde Machiventa Melchisedek stellvertretende Autorität verliehen, um für Michael als Planetarischer Fürst zu handeln, aber dieser Sohn des Lokaluniversums hat nicht das Geringste unternommen, um das gegenwärtige planetarische Regime der aufeinander folgenden Verwaltungen durch die residierenden Generalgouverneure zu ändern. Es ist wenig wahrscheinlich, dass während der jetzigen Dispensation an der Regierungsweise Urantias irgendeine bedeutende Änderung vorgenommen wird, es sei denn, der stellvertretende Planetarische Fürst komme, um die seinem Titel entsprechende Verantwortung zu übernehmen. Einige unserer Mitarbeiter halten dafür, dass der bisherige Plan, im Turnus einen der vierundzwanzig Ratgeber als Generalgouverneur nach Urantia zu entsenden, in naher Zukunft durch die offizielle Ankunft Machiventa Melchisedeks mit dem Mandat eines stellvertretenden Souveräns Urantias abgelöst werden wird. Als amtierender Planetarischer Fürst würde er die Leitung Urantias zweifelsohne bis zum endgültigen Urteilsspruch in der Angelegenheit der Rebellion Luzifers und wahrscheinlich darüber hinaus bis in die ferne Zukunft der planetarischen Verankerung im Licht und Leben weiterführen. Einige glauben, dass Machiventa nicht vor dem Ende der laufenden Dispensation kommen wird, um die Leitung der urantianischen Angelegenheiten persönlich zu übernehmen. Andere sind der Meinung, dass der stellvertretende Fürst als solcher nicht kommen wird, bevor Michael irgendwann nach Urantia zurückkehrt, wie er versprach, als er noch auf Erden weilte. Und noch andere einschließlich des Erzählers machen sich täglich oder stündlich auf Melchisedeks Erscheinen gefasst. ***** 114.2 Der Rat planetarischer Leiter ***** Seit der Zeit von Michaels Selbsthingabe auf eurer Welt ist eine besondere Gruppe von vierundzwanzig einstigen Urantianern auf Jerusem mit der allgemeinen Führung Urantias betraut. Die Qualifikation zur Mitgliedschaft in dieser Kommission ist uns nicht bekannt, aber wir haben beobachtet, dass all diejenigen, die in sie berufen worden sind, zu einem Erstarken der Souveränität des Supremen im System von Satania beigetragen haben. Ihrem Wesen nach waren sie alle wirkliche Führer, als sie auf Urantia wirkten, und (von Machiventa Melchisedek abgesehen) sind diese Füh-rereigenschaften durch die Erfahrungen der Residenzwelten noch verstärkt und durch die Schulung als Bürger Jerusems ergänzt worden. Die Nominierungen zu den Vierundzwanzig erfolgen durch das Kabinett Lanaforges, werden durch die Allerhöchsten Edentias sekundiert, von der Zugeteilten Wache Jerusems gebilligt und durch Gabriel von Salvington gemäß Michaels Weisung in Kraft gesetzt. Die befristet Ernannten sind ebenso voll im Einsatz wie die Dauermitglieder dieser Kommission besonderer Überwacher. Dieser Rat planetarischer Leiter beschäftigt sich insbesondere mit der Überwachung jener Aktivitäten eurer Welt, die sich aus der Tatsache ergeben, dass Michael hier die Erfahrung seiner letzten Selbsthingabe gemacht hat. Der Rat bleibt mit Michael in enger und unmittelbarer Berührung dank den Verbindungsdiensten eines bestimmten Leuchtenden Abendsterns, desselben Wesens, das Jesus während seiner ganzen irdischen Selbsthingabe begleitete. Gegenwärtig präsidiert Johannes, den ihr "den Täufer" nennt, den Rat, wenn dieser auf Jerusem tagt. Aber das amtliche Oberhaupt des Rates ist die Zugeteilte Wache Satanias, der direkte und persönliche Repräsentant des Assoziierten Inspektors Salvingtons und der höchsten Exekutive Orvontons. Die Mitglieder derselben Kommission früherer Urantianer wirken auch als beratende Überwacher der sechsunddreißig anderen durch die Rebellion isolierten Welten des Systems; sie leisten einen sehr wertvollen Dienst, indem sie Lanaforge, den Systemsouverän, in engem und mitfühlendem Kontakt mit den Angelegenheiten dieser Planeten halten, die immer noch mehr oder weniger unter der Oberaufsicht der Väter der Konstellation von Norlatiadek bleiben. Die vierundzwanzig Berater unternehmen einzeln häufige Reisen nach den unter Quarantäne stehenden Welten, insbesondere nach Urantia. Jede der anderen isolierten Welten wird von ähnlichen und verschieden großen Kommissionen einstiger Bewohner beraten, aber diese übrigen Kommissionen sind der urantianischen Gruppe der Vierundzwanzig unterstellt. Obwohl sich die Mitglieder der letzteren Kommission aktiv für jede Phase menschlichen Fortschritts auf jeder der Quarantäne-Welten Satanias interessieren, beschäftigen sie sich vornehmlich und ganz besonders mit dem Wohlergehen und Fortschritt der sterblichen Rassen Urantias, denn direkt und unmittelbar überwachen sie die Angelegenheiten keines der Planeten außer Urantia, und selbst hier ist ihre Autorität nicht vollständig, wenn man von bestimmten das Fortleben der Sterblichen betreffenden Gebieten absieht. Niemand weiß, wie lange die vierundzwanzig Berater Urantias noch in ihrem gegenwärtigen Status, losgelöst vom ordentlichen Programm der Universumsaktivitäten, wirken werden. Sie werden zweifellos weiterhin in ihrer gegenwärtigen Eigenschaft dienen, bis im planetarischen Status eine Änderung eintritt wie das Ende einer Dispensation, die Übernahme der vollen Autorität durch Machiventa Melchisedek, das endgültige Urteil betreffend die Rebellion Luzifers oder das Wiedererscheinen Michaels auf der Welt seiner letzten Selbsthingabe. Der gegenwärtige residierende Generalgouverneur Urantias scheint der Ansicht zuzuneigen, dass im Augenblick, da das System von Satania wieder an die Kreisläufe der Konstellation angeschlossen wird, alle Vierundzwanzig außer Machiventa für den Aufstieg zum Paradies frei werden. Aber es kursieren auch andere Meinungen. ***** 114.3 Der residierende Generalgouverneur ***** Alle hundert Jahre urantianischer Zeitrechnung bestimmen die planetarischen Überwacher des Korps der Vierundzwanzig von Jerusem einen aus ihrer Mitte dazu, auf eurer Welt als ihr ausführender Repräsentant, als residierender Generalgouverneur zu weilen. Während die Vorbereitungen zu diesen Schriften liefen, wurde dieser Verwaltungsbeamte gerade ausgewechselt, und auf den neunzehnten in dieser Eigenschaft Dienenden folgte der zwanzigste. Wir verschweigen euch den Namen des gegenwärtigen planetarischen Überwachers nur deshalb, weil der sterbliche Mensch so sehr dazu neigt, seine außergewöhnlichen Mitbürger und übermenschlichen Vorgesetzten zu verehren, wenn nicht gar zu vergöttlichen. Der residierende Generalgouverneur besitzt außer als Repräsentant der vierundzwanzig Berater Jerusems keine wirkliche persönliche Autorität in der Führung der Weltangelegenheiten. Er handelt als Koordinator der übermenschlichen Verwaltung und ist das hoch geachtete Oberhaupt und der allgemein anerkannte Führer der auf Urantia wirkenden himmlischen Wesen. Alle Ordnungen der Engel-Heerscharen betrachten ihn als ihren koordinierenden Leiter, während die vereinigten Mittler seit dem Weggang von 1-2-3 dem Ersten, der einer der vierundzwanzig Ratgeber wurde, die einander ablösenden Generalgouverneure wirklich wie ihre planetarischen Väter betrachten. Obwohl der Generalgouverneur keine wirkliche und persönliche Autorität über den Planeten besitzt, erlässt er täglich Dutzende von Verordnungen und Entscheidungen, die von allen betroffenen Persönlichkeiten als endgültig akzeptiert werden. Er hat viel eher etwas von einem väterlichen Ratgeber als einem technischen Regierenden. In gewissem Sinne wirkt er wie ein Planetarischer Fürst, aber seine Verwaltung kommt derjenigen der Materiellen Söhne sehr viel näher. Die Regierung Urantias ist in den Räten Jerusems gemäß einer Übereinkunft vertreten, wonach der zurückkehrende Generalgouverneur als vorübergehendes Mitglied im Kabinett Planetarischer Fürsten des Systemsouveräns Einsitz nimmt. Als Machiventa zum stellvertretenden Fürsten ernannt wurde, erwartete man, dass er unverzüglich seinen Platz im Rat der Planetarischen Fürsten Satanias einnehmen würde, aber bis jetzt hat er keine Schritte in dieser Richtung unternommen. Die übermaterielle Regierung Urantias unterhält keine sehr enge organische Verbindung mit den höheren Einheiten des Lokaluniversums. In gewissem Sinne repräsentiert der Generalgouverneur ebenso sehr Salvington wie Jerusem, handelt er doch im Namen der vierundzwanzig Berater, die direkte Vertreter Michaels und Gabriels sind. Und als Bürger Jerusems kann der planetarische Gouverneur als Sprecher des Systemsouveräns wirken. Die Obrigkeit der Konstellation wird direkt durch einen Vorondadek-Sohn, den Beobachter aus Edentia, vertreten. ***** 114.4 Der allerhöchste Beobachter ***** Die Souveränität Urantias wird noch durch die Tatsache kompliziert, dass die Regierung Norlatiadeks kurz nach Ausbruch der planetarischen Rebellion aus eigener Initiative die planetarische Autorität an sich nahm. Immer noch ist auf Urantia ein Vorondadek-Sohn anwesend, der zugleich ein Beobachter für die Allerhöchsten Edentias und - in Anbetracht der Tatsache, dass Michael nicht direkt handelt - der Garant der planetarischen Souveränität ist. Der Gegenwärtige Allerhöchste Beobachter (und zeitweilige Regent) ist der dreiundzwanzigste, der auf Urantia in dieser Eigenschaft dient. Es gibt bestimmte Gruppen planetarischer Probleme, die sich immer noch unter der Kontrolle der Allerhöchsten Edentias befinden, die sie zur Zeit der Rebellion Luzifers ihrem Zuständigkeitsbereich einverleibt haben. Die Autorität in diesen Angelegenheiten übt ein Vorondadek-Sohn, der Beobachter aus Norlatiadek, aus, der sehr enge konsultative Beziehungen zu den planetarischen Überwachern unterhält. Die Rassenkommissare sind auf Urantia sehr aktiv, und ihre verschiedenen Gruppenchefs sind inoffiziell dem residierenden Vorondadek-Beobachter zugeteilt, der als ihr beratender Leiter handelt. Unter Ausschluss gewisser rein geistiger Angelegenheiten wäre in einer Krise der wirkliche und souveräne Regierungschef dieser Vorondadek-Sohn aus Edentia, der jetzt eine Beobachterfunktion ausübt. (Was diese ausschließlich geistigen Probleme und gewisse rein persönliche Angelegenheiten anbelangt, scheint die höchste Autorität beim kommandierenden Erzengel zu liegen, welcher dem kürzlich auf Urantia errichteten Abteilungshauptquartier dieser Ordnung angehört.) Ein Allerhöchster Beobachter hat die Machtbefugnis, in Zeiten schwerer planetarischer Krisen nach Gutdünken die planetarische Regierung zu übernehmen, und aus den Annalen geht hervor, dass dies in der Geschichte Urantias dreiunddreißigmal der Fall war. In solchen Zeiten wirkt der Allerhöchste Beobachter als der Allerhöchste Regent, der über sämtliche auf dem Planeten befindlichen dienenden Wesen und Verwalter mit Ausnahme der Abteilungsorganisation der Erzengel eine unbestrittene Autorität ausübt. Solche Vorondadek-Regentschaften sind keine Besonderheit von Planeten, die durch Rebellion isoliert wurden, denn die Allerhöchsten können jederzeit in den Angelegenheiten bewohnter Welten intervenieren, mit der höheren Weisheit der Konstellationslenker in die Geschicke der menschlichen Reiche eingreifen. ***** 114.5 Die planetarische Regierung ***** Die gegenwärtige Verwaltung Urantias ist in der Tat schwer zu beschreiben. Es gibt keine eigentliche Regierung gemäß den Organisationsprinzipien des Universums mit getrennten Abteilungen für Legislative, Exekutive und Justizwesen. Die vierundzwanzig Berater kommen dem legislativen Zweig einer planetarischen Regierung am nächsten. Der Generalgouverneur ist ein provisorischer und beratender Regierungschef, während der residierende Allerhöchste Beobachter das Vetorecht besitzt. Und es funktioniert auf dem Planeten keine mit absoluter Autorität ausgestattete Justizmacht - nur die Schlichtungskommissionen. Die Mehrzahl der Konflikte, an denen Seraphim und Mittler beteiligt sind, wird in gegenseitigem Einverständnis durch den Generalgouverneur beigelegt. Aber außer wenn dieser als Sprachrohr der Weisungen der vierundzwanzig Berater auftritt, kann gegen all seine Verfügungen an die Schlichtungskommissionen appelliert werden, an die für planetarisches Funktionieren gebildeten lokalen Autoritäten oder sogar an den Systemsouverän Satanias. Die Abwesenheit des körperlichen Stabs eines Planetarischen Fürsten und des materiellen Regimes eines Adamischen Sohnes und einer Adamischen Tochter wird teilweise durch das besondere Wirken der Seraphim und die außergewöhnlichen Dienste der Mittler-Geschöpfe kompensiert. Die Abwesenheit des Planetarischen Fürsten wird durch die dreifache Gegenwart der Erzengel, des Allerhöchsten Beobachters und des Generalgouverneurs wirksam kompensiert. Diese eher lose organisierte und einigermaßen persönlich gehandhabte planetarische Regierung ist über Erwarten wirksam wegen der zeitsparenden Hilfeleistung der Erzengel und ihres stets verfügbaren Kreislaufs, der in planetarischen Notlagen und bei administrativen Schwierigkeiten so oft benutzt wird. Technisch gesehen ist der Planet geistig immer noch von den Kreisläufen Norlatiadeks abgeschnitten, aber in einem Notfall kann diese Behinderung jetzt durch die Benutzung des Erzengelkreislaufs umgangen werden. Die planetarische Isolation hat natürlich für die einzelnen Sterblichen kaum Bedeutung, seitdem vor neunzehnhundert Jahren der Geist der Wahrheit über alles Fleisch ausgegossen wurde. Jeder administrative Tag Urantias beginnt mit einer konsultativen Besprechung, an der teilnehmen: der Generalgouverneur, der planetarische Chef der Erzengel, der Allerhöchste Beobachter, der leitende Supernaph, der Chef der ortsansässigen Lebensbringer sowie geladene Gäste aus den Reihen der hohen Söhne des Universums oder bestimmter studierender Besucher, die sich gerade auf dem Planeten aufhalten. Das direkte administrative Kabinett des Generalgouverneurs besteht aus zwölf Seraphim, den amtierenden Chefs der zwölf Gruppen besonderer Engel, die als die unmittelbaren übermenschlichen Leiter des Fortschritts und der Stabilität des Planeten funktionieren. ***** 114.6 Die Meisterseraphim planetarischer Leitung ***** Als zugleich mit der Ausgießung des Geistes der Wahrheit der erste Generalgouverneur auf Urantia eintraf, befanden sich zwölf Korps von besonderen Seraphim, Graduierten Seraphingtons, in seiner Begleitung, die unverzüglich bestimmten besonderen planetarischen Diensten zugeteilt wurden. Man nennt diese hohen Engel Meisterseraphim planetarischer Leitung, und sie unterstehen, abgesehen von der Oberhoheit des planetarischen Allerhöchsten Beobachters, direkt der Leitung des residierenden Generalgouverneurs. Während diese zwölf Engelsgruppen zwar unter der allgemeinen Leitung des residierenden Generalgouverneurs wirken, werden sie unmittelbar durch den seraphischen Rat der Zwölf, der amtierenden Chefs jeder Gruppe, befehligt. Dieser Rat dient dem residierenden Generalgouverneur auch als Freiwilligen-Kabinett. Als planetarischer Chef der Seraphim präsidiere ich diesen Rat seraphischer Chefs. Ich bin ein freiwilliger Supernaph der primären Ordnung und diene auf Urantia als Nachfolger des einstigen Chefs der Engel-Heerscharen des Planeten, der zur Zeit des Abfalls Caligastias seine Pflicht vergaß. Die zwölf Korps der Meisterseraphim planetarischer Leitung funktionieren auf Urantia wie folgt: 1. Die Engel der Epochen. Das sind die Engel des laufenden Zeitalters, die Dispensationsgruppe. Diese himmlischen Diener sind mit der Überwachung und Leitung der Angelegenheiten der Generationen betraut, damit jede sich nach Plan in das Mosaik des Zeitalters einpasst, in dem sie auftritt. Das gegenwärtige Korps der Engel der Epochen ist die dritte Gruppe, die dem Planeten während der laufenden Dispensation zugeteilt wurde. 2. Die Engel des Fortschritts. Diese Seraphim sind mit der Aufgabe betraut, den evolutionären Fortschritt der aufeinander folgenden sozialen Zeitalter auszulösen. Sie fördern die Entwicklung der inhärenten fortschrittlichen Tendenz der evolutionären Geschöpfe; sie arbeiten ohne Unterlass daran, die Dinge so werden zu lassen, wie sie sein sollten. Die jetzt diensttuende Gruppe ist die zweite dem Planeten zugewiesene. 3. Die Hüter der Religion. Das sind die "Engel der Kirchen", die ernsten Kämpfer für das, was ist und gewesen ist. Sie bemühen sich um die Aufrechterhaltung der Ideale dessen, was überlebt hat, um die sichere Übergabe der sittlichen Werte von einer Epoche an die nächste zu gewährleisten. Sie sind diejenigen, die den Engeln des Fortschritts Schach bieten, indem sie dauernd versuchen, von einer Generation zur anderen die unvergänglichen Werte der alten und vergehenden Formen in die neuen und deshalb weniger stabilen Gedankenmodelle und Verhaltensweisen überzuführen. Diese Engel streiten für geistige Formen, aber sie sind nicht die Quelle extremen Sektierertums und sinnloser, kontroverser Spaltungen unter angeblichen Gläubigen. Das jetzt auf Urantia funktionierende Korps ist das fünfte in dieser Eigenschaft dienende. 4. Die Engel des nationalen Lebens. Das sind die "Engel der Trompeten", die Leiter der politischen Leistungen des nationalen Lebens Urantias. Die jetzt die höchste Kontrolle über die internationalen Beziehungen ausübende Gruppe ist das vierte auf dem Planeten dienende Korps. Es sind insbesondere die Dienste dieser seraphischen Abteilung, die die "Allerhöchsten befähigen, in den Reichen der Menschen zu regieren". 5. Die Engel der Rassen. Sie arbeiten an der Bewahrung der evolutionären Rassen der Zeit ohne Rücksicht auf deren politische Verstrickungen und religiöse Gruppierungen. Auf Urantia gibt es Reste von neun Menschenrassen, die sich zu den Völkern der Neuzeit vermischt und kombiniert haben. Diese Seraphim pflegen eine enge Zusammenarbeit mit den Rassenkommissaren, und die jetzt auf Urantia weilende Gruppe ist das ursprüngliche Korps, das dem Planeten bald nach dem Pfingsttag zugeteilt wurde. 6. Die Engel der Zukunft. Das sind die Engel der Planung, die ein zukünftiges Zeitalter voraussehen und Pläne für die Verwirklichung besserer Zustände in einer neuen, fortschrittlichen Dispensation entwerfen; es sind die Architekten der sukzessiven Epochen. Die jetzt auf dem Planeten arbeitende Gruppe funktioniert in dieser Weise seit Beginn der laufenden Dispensation. 7. Die Engel der Erleuchtung. Urantia genießt jetzt die Hilfe des dritten Seraphimkorps, das sich der Förderung der planetarischen Erziehung widmet. Diese Engel befassen sich mit der intellektuellen und sittlichen Schulung von Einzelnen, Familien, Gruppen, Schulen, Gemeinschaften, Nationen und ganzen Rassen. 8. Die Engel der Gesundheit. Das sind die seraphischen Diener, denen die Unterstützung jener menschlichen Organe aufgetragen ist, die sich der Gesundheitsförderung und der Vorbeugung von Krankheiten widmen. Das gegenwärtige Korps ist die sechste während der gegenwärtigen Dispensation dienende Gruppe. 9. Die Seraphim des Heims. Urantia erfreut sich jetzt der Dienste der fünften Gruppe dienender Engel, die sich der Erhaltung und dem Fortschritt des Heims, der fundamentalen Institution menschlicher Zivilisation, widmen. 10. Die Engel der Industrie. Die Aufgabe dieser seraphischen Gruppe ist die Förderung der industriellen Entwicklung und die Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen unter den Völkern Urantias. Dieses Korps ist seit der Selbsthingabe Michaels siebenmal ausgewechselt worden. 11. Die Engel der Entspannung. Das sind die Seraphim, die die Werte des Spiels, des Humors und des Ausruhens ermutigen. Sie versuchen stets, die Freizeitbeschäftigungen zu heben und so zu einer nutzbrigenderen Verwendung der menschlichen Mußestunden zu ermuntern. Das gegenwärtige Korps ist das dritte dieser Art, das auf Urantia dient. 12. Die Engel des übermenschlichen Dienstes. Das sind die Engel der Engel, die Seraphim, denen der Dienst an allen übrigen übermenschlichen Lebewesen des Planeten, ob zeitweiligen oder dauernden, obliegt. Dieses Korps dient seit dem Beginn der laufenden Dispensation. Wenn diese Gruppen von Meisterseraphim in Fragen planetarischer Politik oder Vorgehensweise veschiedener Meinung sind, werden ihre Differenzen gewöhnlich durch den Generalgouverneur geschlichtet, aber gegen all seine Entscheide kann je nach Natur und Gewicht der Streitfrage Einspruch erhoben werden. Keine dieser Engelsgruppen übt eine direkte oder willkürliche Kontrolle über den ihr zugewiesenen Bereich aus. Sie können die Angelegenheiten ihrer jeweiligen Wirkungsfelder nicht ganz kontrollieren, hingegen können sie die planetarischen Bedingungen derart manipulieren und solche Verbindungen zwischen den Gegebenheiten herstellen, dass die Sphären menschlicher Tätigkeit, mit denen sie sich beschäftigen, davon günstig beeinflusst werden. Die Meisterseraphim planetarischer Leitung bedienen sich vieler Mittel zur Ausführung ihrer Sendungen. Sie funktionieren als Zentren des Ideenaustauschs, als Fokussierer der Intelligenz und Förderer von Projekten. Obwohl sie unfähig sind, der menschlichen Intelligenz neue und höhere Konzepte einzupflanzen, wirken sie oft dahin, irgendein höheres Ideal, das in einem menschlichen Intellekt bereits erschienen ist, zu intensivieren. Aber nebst diesen zahlreichen Mitteln positiven Handelns sichern die Meisterseraphim durch Mobilisierung, Schulung und Aufrechterhaltung des Reservekorps der Bestimmung den planetarischen Fortschritt gegen lebensbedrohende Gefährdung ab. Die Hauptfunktion der Reservisten ist die Absicherung gegen einen Zusammenbruch des evolutionären Fortschritts; sie stellen den Damm dar, den die himmlischen Kräfte gegen Überraschungen errichtet haben; sie sind die Garantie gegen Katastrophen. ***** 114.7 Das Reservekorps der Bestimmung ***** Das Reservekorps der Bestimmung besteht aus lebenden Männern und Frauen, die in den Spezialdienst der übermenschlichen Verwaltung der Weltangelegenheiten aufgenommen worden sind. Dieses Korps setzt sich aus Männern und Frauen jeder Generation zusammen, die von den geistigen Weltenlenkern ausgewählt werden, um auf den evolutionären Sphären beim Dienst der Barmherzigkeit und Weisheit an den Kindern der Zeit mitzuwirken. Es ist in der Handhabung der Angelegenheiten des Aufstiegsplanes allgemeine Praxis, mit der Verwendung menschlicher Willensgeschöpfe als Verbindungswesen zu beginnen, sobald sie zur Übernahme derartiger Verantwortungen fähig und vertrauenswürdig sind. Wenn also auf der Bühne des zeitlichen Geschehens Männer und Frauen mit genügenden intellektuellen Fähigkeiten, angemessenem sittlichem Status und erforderlicher Geistigkeit auftreten, werden sie unverzüglich der ihnen entsprechenden himmlischen Gruppe planetarischer Persönlichkeiten als sterbliche Verbindungswesen, menschliche Assistenten zugeordnet. Wenn menschliche Wesen zu Beschützern der planetarischen Geschicke berufen werden, wenn sie zu Personen von zentraler Bedeutung in den von den Verwaltern der Welt verfolgten Plänen geworden sind, bestätigt der planetarische Chef der Seraphim ihre zeitliche Zuteilung zum seraphischen Korps und ernennt persönliche Schicksalshüter zum Dienst an diesen sterblichen Reservisten. Alle Reservisten haben eigenständige Justierer, und die meisten von ihnen wirken in den höheren kosmischen Kreisen intellektueller Leistung und geistigen Vollbringens. Die Sterblichen der bewohnten Welten werden aus folgenden Gründen für den Dienst im Reservekorps der Bestimmung ausgewählt: 1. Besondere Veranlagung zu insgeheimer Schulung für zahlreiche denkbare Notmissionen im Rahmen verschiedener Aktivitäten in den Weltangelegenheiten. 2. Von ganzem Herzen kommende Hingabe an irgendeine besondere gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische, geistige oder andere Sache, einhergehend mit der Bereitschaft, ohne menschliche Anerkennung oder Belohnung zu dienen. 3. Der Besitz eines Gedankenjustierers von außerordentlicher Vielseitigkeit und wahrscheinlicher, dem Aufenthalt auf Urantia vorausgehender Erfahrung in der Auseinandersetzung mit planetarischen Schwierigkeiten und im Kampf mit eine Welt unmittelbar bedrohenden Notsituationen. Jede Abteilung planetarischen himmlischen Dienstes hat Anrecht auf solch ein Verbindungskorps von Sterblichen, die den Status von Reservisten der Bestimmung besitzen. Eine durchschnittliche bewohnte Welt unterhält siebzig verschiedene Korps der Bestimmung, die in engster Verbindung mit der laufenden übermenschlichen Führung der Weltgeschäfte stehen. Auf Urantia gibt es zwölf Reservekorps der Bestimmung, eines für jede Gruppe seraphischer Überwachung. Die zwölf urantianischen Reservistengruppen der Bestimmung setzen sich aus sterblichen Bewohnern der Sphäre zusammen, die zur Übernahme zahlreicher irdischer Schlüsselpositionen geschult wurden und bereitgehalten werden, um in möglichen planetarischen Notsituationen zu handeln. Das zusammengesetzte Korps umfasst jetzt 962 Personen. Das kleinste Korps zählt 41 und das größte 172 Mitglieder. Mit Ausnahme von weniger als zwanzig Kontaktpersönlichkeiten sind die Angehörigen dieser einzigartigen Gruppe in völliger Unwissenheit über ihre Vorbereitung auf einen möglichen Einsatz in besonderen planetarischen Krisen. Diese sterblichen Reservisten werden vom Korps ausgewählt, dem sie zugeteilt sind, und sie werden in der Tiefe ihres Gemütes durch die Technik des kombinierten Dienstes von Gedankenjustierer und seraphischem Hüter geschult und eingeübt. Oftmals beteiligen sich zahlreiche andere himmlische Persönlichkeiten an diesem unbewussten Training, und bei dieser ganzen besonderen Vorbereitung leisten die Mittler wertvolle und unerlässliche Dienste. Auf vielen Welten sind die besser angepassten sekundären Mittler-Geschöpfe fähig, durch gewandtes Eindringen in das Bewusstsein bestimmter günstig veranlagter Sterblicher mit deren Gedankenjustierern in unterschiedlichem Maß Kontakt aufzunehmen. (Und gerade solch eine zufällige Kombination kosmischer Anpassungen erlaubte es, dass sich diese Offenbarungen in englischer Sprache auf Urantia verwirklichen ließen.) Solche potentiellen sterblichen Kontaktpersonen der evolutionären Welten werden in den zahlreichen Reservekorps mobilisiert, und es ist bis zu einem gewissen Grade diesen kleinen Gruppen vorausblickender Persönlichkeiten zu verdanken, dass die geistige Zivilisation Fortschritte macht und die Allerhöchsten fähig sind, in den Reichen der Menschen zu regieren. Die Männer und Frauen der Reservekorps der Bestimmung haben also durch Einschaltung der Mittler-Geschöpfe mit ihren Justierern Kontakte verschiedenen Ausmaßes; aber dieselben Sterblichen sind ihren Mitmenschen kaum bekannt außer in jenen seltenen gesellschaftlichen Notlagen und kritischen Situationen geistiger Natur, in denen die Reservepersönlichkeiten in Aktion treten, um einem Zusammenbruch der evolutionären Kultur oder dem Erlöschen des Lichts der lebendigen Wahrheit vorzubeugen. Auf Urantia sind die Reservisten der Bestimmung selten in den Kapiteln der Menschheitsgeschichte gefeiert worden. Die Reservisten handeln unbewusst als Bewahrer wesentlichen planetarischen Wissens. Oft wird beim Tod eines Reservisten ein Transfer gewisser hochwertiger Inhalte vom Verstand des sterbenden Reservisten auf einen jüngeren Nachfolger durch eine Verbindung zwischen den beiden Gedankenjustierern vorgenommen. Ohne Zweifel wirken die Justierer im Zusammenhang mit den Reservekorps noch auf manch andere uns unbekannte Weise. Obwohl ohne ständiges Oberhaupt, hat Urantias Reservekorps der Bestimmung seine eigenen ständigen Räte, die seine Regierungsorganisation bilden. Diese umfasst den Justizrat, den Rat der Geschichtlichkeit, den Rat für politische Souveränität und viele andere. Von Zeit zu Zeit haben diese ständigen Räte in Abstimmung mit der Organisation des Korps einen nominellen (sterblichen) Chef des gesamten Reservekorps mit ganz bestimmten Funktionen betraut. Die Amtszeit solcher Reservistenchefs dauert gewöhnlich nur ein paar Stunden, da sie sich auf die Erfüllung einer ganz bestimmten, unmittelbaren Aufgabe beschränkt. Das Reservekorps Urantias hatte in den Tagen der Adamiten und Anditen am meisten Mitglieder. Ihre Zahl ging dann mit der Verdünnung des violetten Blutes stetig zurück und erreichte um die Zeit von Pfingsten den tiefsten Punkt. Seitdem ist die Mitgliederzahl des Reservekorps ständig im Wachsen begriffen. (Das kosmische Reservekorps universumsbewusster Bürger Urantias zählt jetzt über eintausend Sterbliche, deren Wissen um ihr kosmisches Bürgerrecht weit über die Sphäre ihrer irdischen Wohnstatt hinausgeht; aber es ist mir untersagt, die wahre Natur der Funktion dieser einzigartigen Gruppe lebender Menschenwesen zu enthüllen.) Die Sterblichen Urantias sollten dem relativen geistigen Abgeschnittensein ihrer Welt von gewissen lokaluniversellen Kreisläufen nicht erlauben, ein Gefühl kosmischer Verlassenheit oder planetarischer Verwaisung aufkommen zu lassen. Auf dem Planeten funktioniert eine sehr klare und wirksame übermenschliche Leitung der Weltangelegenheiten und der menschlichen Geschicke. Aber es stimmt, dass ihr auch im besten Fall nur eine blasse Vorstellung von einer idealen planetarischen Regierung haben könnt. Seit den frühen Zeiten des Planetarischen Fürsten hat Urantia unter dem Schiefgehen des göttlichen Planes für das Wachstum der Welt und die Entwicklung der Rassen gelitten. Die loyalen bewohnten Welten Satanias werden nicht wie Urantia regiert. Im Vergleich mit anderen isolierten Welten sind eure planetarischen Regierungen indessen nicht so minderwertig gewesen; nur von einer oder zwei Welten kann man sagen, dass es um sie schlimmer steht, und von einigen wenigen, dass es ihnen etwas besser geht, aber die Mehrzahl steht mit euch auf gleichem Fuße. Niemand im Lokaluniversum scheint zu wissen, wann der ungeregelte Status der planetarischen Verwaltung zu Ende geht. Die Melchisedeks Nebadons neigen der Ansicht zu, dass vor der zweiten persönlichen Ankunft Michaels auf Urantia kaum Veränderungen in der planetarischen Regierung und Verwaltung zu erwarten sind. Ohne Zweifel werden dann, wenn nicht schon früher, an der planetarischen Führung radikale Veränderungen vorgenommen werden. Aber über die Natur dieser Veränderungen der Verwaltung der Welt scheint niemand in der Lage, auch nur zu mutmaßen. Es gibt in der ganzen Geschichte der bewohnten Welten des Universums von Nebadon keinen Präzedenzfall für solch ein Geschehen. Unter den vielen schwer verständlichen Dingen im Zusammenhang mit der künftigen Regierung Urantias steht an wichtiger Stelle das Vorhandensein eines Kreislaufs und Abteilungshauptquartiers der Erzengel auf dem Planeten. Eure isolierte Welt wird in den Räten des Universums nicht vergessen. Urantia ist nicht eine kosmische Waise, die das Stigma der Sünde trägt und durch die Rebellion von göttlicher Umsorgung abgeschnitten wurde. Von Uversa über Salvington bis hinunter nach Jerusem, und selbst in Havona und im Paradies, wissen alle, dass wir hier sind; und ihr jetzt auf Urantia wohnenden Sterblichen werdet genau so innig geliebt und genau so treu umsorgt, oder sogar noch mehr, als wäre die Sphäre nie von einem treulosen Planetarischen Fürsten verraten worden. Es bleibt ewig wahr: "Der Vater selber liebt euch." [Dargeboten vom Chef der auf Urantia stationierten Seraphim.] ****** Kapitel 115 Das Supreme Wesen ****** DIE große Beziehung mit Gott dem Vater ist die Sohnschaft. Mit Gott dem Supremen ist Vollbringen die Voraussetzung zum Status - man muss ebenso sehr etwas tun, wie etwas sein. ***** 115.1 Relativität konzeptueller Rahmen ***** Partielle, unvollständige und sich entwickelnde Intellekte wären im Alluniversum hilflos, außerstande, das geringste rationale Gedankenmodell zu bilden, besäße nicht aller Verstand, ob hoher oder niedriger, die angeborene Fähigkeit, einen Universumsrahmen zu schaffen, in dem er denken kann. Wenn der Verstand zu keinen Schlüssen gelangen, zu keinen wahren Ursprüngen vordringen kann, wird er unweigerlich Schlüsse postulieren und Ursprünge erfinden, um innerhalb des Rahmens dieser von seinem Verstand erschaffenen Postulate eine Möglichkeit zu logischem Denken zu haben. Und obwohl solche gedankliche Universumsrahmen der Geschöpfe für rationelle intellektuelle Operationen unerlässlich sind, sind sie doch ausnahmslos mehr oder weniger falsch. Die konzeptuellen Universumsrahmen sind nur relativ wahr; es sind nützliche Gerüste, die schließlich der Expansion des sich erweiternden kosmischen Verständnisses weichen müssen. Das Verständnis von Wahrheit, Schönheit und Güte, Sittlichkeit, Ethik, Pflicht, Liebe, Göttlichkeit, Ursprung, Existenz, Ziel, Bestimmung, Zeit, Raum und selbst der Gottheit ist nur relativ wahr. Gott ist viel, viel mehr als ein Vater, aber der Vater ist des Menschen höchste Gottesvorstellung; trotzdem wird die Vater-Sohn-Darstellung der Schöpfer-Geschöpf-Beziehung eine Erweiterung erfahren durch jene übermenschlichen Gottheitskonzepte, die auf Orvonton, in Havona und im Paradies erreicht werden. Der Mensch muss in einem Universumsrahmen von Sterblichen denken, aber das heißt nicht, dass er sich nicht andere und höhere Rahmen vorzustellen vermag, in denen sich sein Denken bewegen kann. Um den Menschen das Verständnis des Universums der Universen zu erleichtern, sind die verschiedenen Ebenen kosmischer Realität als endlich, absonit und absolut bezeichnet worden. Von diesen ist nur die absolute uneingeschränkt ewig, wahrhaft existentiell. Absonite und endliche Realitäten sind Derivate, Modifikationen, Einschränkungen und Abschwächungen der ursprünglichen, allerersten absoluten Realität der Unendlichkeit. Die Bereiche des Endlichen existieren vermöge des ewigen Vorhabens Gottes. Hohe und niedrige endliche Geschöpfe mögen Theorien über die Notwendigkeit des Endlichen in der kosmischen Ökonomie vorlegen und haben es auch getan, aber letztendlich existiert es, weil Gott es so gewollt hat. Das Universum kann nicht erklärt werden, noch kann ein endliches Geschöpf einen rationalen Grund für seine eigene individuelle Existenz liefern, ohne sich auf die früheren Handlungen und den vorausexistierenden Willen von Ahnenwesen, Schöpfern oder Erzeugern, zu berufen. ***** 115.2 Die absolute Grundlage der Suprematie ***** Vom existentiellen Standpunkt aus kann in allen Galaxien nichts Neues geschehen, denn die dem ICH BIN inhärente vollständige Unendlichkeit ist in den sieben Absoluten ewig gegenwärtig, ist in den Triunitäten funktionell verbunden und in den Trioditäten auf übertragene Weise verbunden. Aber die Tatsache, dass die Unendlichkeit in diesen absoluten Verbindungen solcherweise existentiell gegenwärtig ist, macht es keineswegs unmöglich, neue kosmische Erfahrungen zu machen. Vom Standpunkt eines endlichen Geschöpfes aus enthält die Unendlichkeit viel Potentielles, vieles eher nach Art einer zukünftigen Möglichkeit als einer gegenwärtigen Wirklichkeit. Der Wert ist ein einzigartiges Element in der universalen Realität. Wir begreifen nicht, wie der Wert von etwas Unendlichem und Göttlichem irgendwie gesteigert werden könnte. Aber wir entdecken, dass die Bedeutungen selbst in den Beziehungen der unendlichen Gottheit verändert, wenn nicht gar erhöht werden können. Für die erfahrungsmäßigen Universen werden durch ein wachsendes Verständnis der Bedeutungen der Realität sogar göttliche Werte in ihrer Wirklichkeit gesteigert. Der ganze Plan universeller Schöpfung und Evolution auf sämtlichen Erfahrungsebenen ist offenbar eine Angelegenheit der Überführung von Potentialitäten in Wirklichkeiten; und diese Umwandlung betrifft in gleicher Weise die Reiche der Raumpotenz, Verstandespotenz und Geistpotenz. Die offenbare Methode, durch welche die Möglichkeiten des Kosmos in wirkliche Existenz überführt werden, variiert von Ebene zu Ebene, denn sie ist im Endlichen erfahrungsmäßige Evolution und im Absoniten erfahrungsmäßige Eventuierung. Die existentielle Unendlichkeit ist in ihrem Alles-Umfassen tatsächlich unbeschränkt, und dieses Alles-Umfassen muss zwangsläufig auch die Möglichkeit für evolutionäres endliches Erfahrungs-Sammeln in sich schließen. Und die Möglichkeit solchen erfahrungsmäßigen Wachstums wird zu einer Universumswirklichkeit durch die Trioditätsbeziehungen, die auf den Supremen ein- und in ihm wirken. ***** 115.3 Ursprüngliches, Wirkliches und Potentielles ***** Der absolute Kosmos ist vorstellungsmäßig ohne Grenzen; Ausdehnung und Wesen dieser Urrealität bestimmen zu wollen, heißt soviel wie die Unendlichkeit einzuschränken und das reine Konzept der Ewigkeit abzuschwächen. Die Idee des Unendlich-Ewigen, des Ewig-Unendlichen ist schrankenlos in der Ausdehnung und tatsächlich absolut. Es gibt in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Urantias keine Sprache, um die Realität der Unendlichkeit oder die Unendlichkeit der Realität adäquat auszudrücken. Der Mensch, ein endliches Geschöpf in einem unendlichen Kosmos, muss sich mit verzerrten Spiegelungen und abgeschwächten Vorstellungen von dieser grenzenlosen, schrankenlosen, nie beginnenden und nie endenden Existenz zufrieden geben, deren Verständnis wirklich jenseits seiner Fähigkeiten liegt. Der Verstand kann nie hoffen, das Konzept eines Absoluten zu fassen, ohne zuerst zu versuchen, die Einheit einer solchen Realität aufzubrechen. Der Verstand ist der Einiger alles Divergierenden, aber wenn jegliche Divergenz fehlt, findet er keine Grundlage mehr, von welcher aus er den Versuch einer Formulierung verständlicher Konzepte machen könnte. Die Ur-Stase der Unendlichkeit ruft nach einer Segmentierung, die den menschlichen Bemühungen um Verständnis vorangehen muss. Es gibt in der Unendlichkeit eine Einheit, die in diesen Schriften mit dem ICH BIN ausgedrückt worden ist - dem ersten Postulat des Geschöpfesverstandes. Aber nie kann ein Geschöpf verstehen, wie es kommt, dass solch eine Einheit zu einer Dualität, Triunität und Vielfalt werden und trotzdem eine uneingeschränkte Einheit bleiben kann. Der Mensch begegnet einem ähnlichen Problem, wenn er innehält, um die ungeteilte Gottheit der Trinität neben der mehrfachen Personifikation Gottes zu betrachten. Nur des Menschen Entfernung von der Unendlichkeit ist der Grund dafür, dass er dieses Konzept mit einem einzigen Wort ausdrückt. Während die Unendlichkeit einerseits EINHEIT ist, ist sie andererseits endlose und grenzenlose VIELFALT. Aus der Schau endlicher Intelligenzen ist die Unendlichkeit das größte Paradox der Geschöpfesphilosophie und der endlichen Metaphysik. Obwohl die geistige Natur des Menschen in der Anbetungserfahrung bis zum Vater hinaufreicht, der unendlich ist, erschöpft sich des Menschen intellektuelles Begriffsvermögen in der höchsten Vorstellung vom Supremen Wesen. Über den Supremen hinausreichende Konzepte sind zunehmend bloß Namen; immer weniger sind es wahre Bezeichnungen der Realität, immer mehr werden sie zu Geschöpfesprojektionen endlichen Verständnisses auf Überendliches. Eine Grundkonzeption der absoluten Ebene enthält ein Postulat in drei Phasen: 1. Das Ursprüngliche. Das uneingeschränkte Konzept des Ersten Zentralen Ursprungs, die Ur-Kundgebung des ICH BIN, welchem alle Realität entspringt. 2. Das Wirkliche. Die Vereinigung der drei Absoluten der Wirklichkeit: des Zweiten und Dritten Zentralen Ursprungs und desjenigen des Paradieses. Diese Triodität aus Ewigem Sohn, Unendlichem Geist und Paradies Insel bildet die Wirklichkeit gewordene Offenbarung der Uranfänglichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs. 3. Das Potentielle. Die Vereinigung der drei Absoluten der Potentialität, nämlich des Gottheit-, Eigenschaftslosen und Universalen Absoluten. Diese Triodität existentieller Potentialität bildet die potentielle Offenbarung der Uranfänglichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs. Das Zusammenwirken zwischen dem Ursprünglichen, dem Wirklichen und dem Potentiellen ruft die Spannungen innerhalb der Unendlichkeit hervor, aus denen die Möglichkeit allen Universumswachstums hervorgeht; und Wachstum ist die Natur des Siebenfachen, des Supremen und des Ultimen. In der Verbindung von Gottheit-, Universalem und Eigenschaftslosem Absoluten ist die Potentialität absolut, während die Wirklichkeit gerade erwacht; in der Verbindung der drei Zentralen Ursprünge - des Zweiten, des Dritten und des Paradieses - ist die Wirklichkeit absolut, während die Potentialität gerade erwacht; in der Uranfänglichkeit des Ersten Zentralen Ursprungs können wir weder von der Wirklichkeit noch von der Potentialität sagen, sie seien existent oder erwachend - der Vater ist. Vom Standpunkt der Zeit aus ist das Wirkliche das, was war und ist; das Potentielle ist das, was im Werden ist und sein wird; das Ursprüngliche ist das, was ist. Vom Standpunkt der Ewigkeit aus sind die Unterschiede zwischen dem Ursprünglichen, dem Wirklichen und dem Potentiellen nicht so offensichtlich. Diese dreieinigen Erscheinungsformen heben sich auf den Paradies-Ewigkeits-Ebenen nicht in dieser Weise voneinander ab. In der Ewigkeit ist alles - nur ist noch nicht alles in Zeit und Raum offenbart worden. Vom Geschöpfesstandpunkt aus ist die Wirklichkeit Substanz und die Potentialität Vermögen. Die Wirklichkeit existiert ganz im Zentrum und breitet sich von dort in die periphere Unendlichkeit aus; die Potentialität kommt von der Peripherie der Unendlichkeit her nach innen und konvergiert im Zentrum aller Dinge. Die Uranfänglichkeit ist das, was zuerst verursacht und danach das Gleichgewicht der doppelten Bewegung des Zyklus aufrechterhält, in welchem sich potentielle Realitäten in wirkliche Realitäten verwandeln und aus bestehenden wirklichen Realitäten Potentiale hervorgehen. Die drei Absoluten der Potentialität wirken auf der rein ewigen Ebene des Kosmos, funktionieren als solche also nie auf unterabsoluten Ebenen. Auf den absteigenden Realitätsebenen manifestiert sich die Triodität der Potentialität mit dem Ultimen und auf dem Supremen. Das Potentielle mag in Bezug auf einen Teil auf irgendeiner unterabsoluten Ebene dabei scheitern, sich in der Zeit zu verwirklichen, aber nie hinsichtlich des Ganzen. Der Wille Gottes gewinnt schließlich die Oberhand - nicht immer, was das Einzelwesen, aber unfehlbar, was das Ganze anbelangt. In der Triodität der Wirklichkeit hat alles im Kosmos Existierende sein Zentrum; ob Geist, Verstand oder Energie, alles hat sein Zentrum in dieser Verbindung des Sohnes, des Geistes und des Paradieses. Die Persönlichkeit des geistigen Sohnes ist das Urmuster für jede Persönlichkeit in allen Universen. Die Substanz der Paradies- Insel ist das Urmuster, wovon Havona eine vollkommene und die Superuniversen eine sich vervollkommnende Offenbarung sind. Der Mit-Vollzieher ist derjenige, der zugleich die kosmische Energie mental aktiviert, geistige Vorhaben in Konzepte übersetzt und die mathematischen Ursachen und Wirkungen der materiellen Ebenen und die willensmäßigen Vorhaben und Beweggründe der geistigen Ebene zu einem Ganzen zusammenfasst. In einem endlichen Universum und ihm gegenüber wirken der Sohn, der Geist und das Paradies im und auf den Ultimen, wie er im Supremen bedingt und eingeschränkt ist. Die Wirklichkeit (der Gottheit) ist es, wonach der Mensch bei seinem Aufstieg zum Paradies sucht. Die Potentialität (menschlicher Göttlichkeit) ist es, was der Mensch bei dieser Suche entwickelt. Das Uranfängliche ist es, was die Koexistenz und Integrierung des verwirklichten Menschen, des potentiellen Menschen und des ewigen Menschen möglich macht. Die finale Dynamik des Kosmos hängt mit der beständigen Realitäts-Überführung von Potentialität in Wirklichkeit zusammen. In der Theorie mag diese Metamorphose ein Ende nehmen, aber tatsächlich ist so etwas unmöglich, da beide, das Potentielle und das Wirkliche, im Ursprünglichen (dem ICH BIN) zusammengeschaltet sind, und diese Identifikation macht es für immer unmöglich, der fortschreitenden Entwicklung des Universums eine Grenze zu setzen. Was immer sich mit dem ICH BIN identifiziert, kann nie aufhören sich fortzuentwickeln, da die Wirklichkeit der potentiellen Realitäten des ICH BIN absolut ist und die Potentialität der Wirklichkeiten des ICH BIN ebenfalls absolut ist. Immer werden verwirklichte Realitäten neue Bahnen für die Verwirklichung bisher unmöglicher Potentiale eröffnen - jede menschliche Entscheidung ruft nicht nur eine neue Wirklichkeit menschlicher Erfahrung ins Dasein, sondern schafft auch eine neue Fähigkeit zu menschlichem Wachstum. In jedem Kind lebt ein erwachsener Mensch, und im reifen Menschen, der Gott kennt, wohnt bereits der morontielle Aufsteiger. Nie kann im gesamten Kosmos ein Wachstumsstillstand eintreten, da die Grundlage des Wachstums - die absoluten Wirklichkeiten - in keiner Weise bedingt ist, und da die Wachstumsmöglichkeiten - die absoluten Potentiale - unbegrenzt sind. Von einem praktischen Gesichtspunkt aus sind die Universumsphilosophen zum Schluss gelangt, dass es so etwas wie ein Ende nicht gibt. Aus einer begrenzten Sicht gibt es in der Tat viele Enden, viele Abschlüsse von Aktivitäten, aber aus einem umfassenderen Blickwinkel einer höheren Universumsebene gibt es kein Aufhören, sondern nur Übergänge von einer Entwicklungsphase zur nächsten. Die große Zeiteinteilung des Alluniversums befasst sich mit mehreren Universumszeitaltern, den Zeitaltern Havonas, der Superuniversen und der äußeren Universen. Aber selbst diese grundlegenden Einteilungen sequenzartiger Beziehungen können nicht mehr darstellen als relative Marksteine auf der unendlichen Straße der Ewigkeit. Letztendliches Eindringen in Wahrheit, Schönheit und Güte des Supremen Wesens könnte nur dazu führen, das fortschreitende Geschöpf für jene absoniten Eigenschaften ultimer Göttlichkeit empfänglich zu machen, die jenseits der Vorstellungsebenen von Wahrheit, Schönheit und Güte liegen. ***** 115.4 Quellen Supremer Realität ***** Jede Betrachtung der Ursprünge des Supremen Gottes muss mit der Paradies-Trinität beginnen, denn die Trinität ist die ursprüngliche Gottheit, während der Supreme eine abgeleitete Gottheit ist. Jede Betrachtung des Wachstums des Supremen muss den existentiellen Trioditäten Beachtung schenken, denn sie umfassen alle absolute Wirklichkeit und alle unendliche Potentialität (in Verbindung mit dem Ersten Zentralen Ursprung). Und der evolutionäre Supreme ist der Gipfelpunkt und mit persönlichem Willen begabte Brennpunkt der Umwandlung - der Überführung - potentieller in wirkliche Realitäten in und auf der endlichen Existenzebene. Die beiden Trioditäten, die wirkliche und die potentielle, beinhalten die Totalität der Wechselbeziehungen des Wachstums in den Universen. Der Ursprung des Supremen liegt in der Paradies-Trinität - der ewigen, wirklichen und ungeteilten Gottheit. Der Supreme ist zu allererst eine geistige Person, und diese geistige Person entstammt der Trinität. Aber der Supreme ist in zweiter Linie eine Gottheit des Wachstums - evolutionären Wachstums - und dieses Wachstum kommt aus den beiden Trioditäten, der wirklichen und der potentiellen. Wenn es euch schwer fällt zu verstehen, wie die unendlichen Trioditäten auf der endlichen Ebene funktionieren können, dann bedenkt, dass gerade ihre Unendlichkeit die Potentialität des Endlichen in sich bergen muss; die Unendlichkeit umfasst alle Dinge von der niedrigsten und bedingtesten endlichen Existenz bis zu den höchsten und uneingeschränkt absoluten Realitäten. Es fällt weniger schwer zu verstehen, dass das Unendliche das Endliche enthält, als zu erfassen, wie sich dieses Unendliche tatsächlich dem Endlichen bekunden kann. Aber die den sterblichen Menschen innewohnenden Gedankenjustierer sind einer der ewigen Beweise, dass selbst der absolute Gott (als absolute Realität) auch mit den niedrigsten und demütigsten aller Willensgeschöpfe des Universums in direkten Kontakt treten kann und es auch tut. Die Trioditäten, die kollektiv das Wirkliche und das Potentielle in sich schließen, manifestieren sich auf der endlichen Ebene in Verbindung mit dem Supremen Wesen. Die Technik dieser Manifestation ist zugleich direkt und indirekt: direkt insofern, als trioditäre Beziehungen im Supremen einen direkten Widerhall finden, und indirekt insofern, als sie durch die eventuierte Ebene des Absoniten hindurchgegangen sind. Die supreme Realität, welche die gesamte endliche Realität darstellt, steht in einem Prozess dynamischen Wachstums zwischen den durch nichts bedingten potentiellen Realitäten des Äußeren Raumes und den durch nichts bedingten wirklichen Realitäten im Zentrum aller Dinge. So nimmt die endliche Domäne Gestalt an durch die Zusammenarbeit der absoniten Wirkkräfte des Paradieses mit den Supremen Schöpferpersönlichkeiten der Zeit. Die Handhabung des Reifungsprozesses der bedingten Möglichkeiten der drei großen potentiellen Absoluten ist die absonite Funktion der Architekten des Alluniversums und ihrer transzendenten Mitarbeiter. Und wenn diese eventuierten Realitäten einen gewissen Grad der Reife erreicht haben, treten die Supremen Schöpferpersönlichkeiten aus dem Paradies auf den Plan, um an ihre Äonen dauernde Aufgabe heranzutreten, die sich entwickelnden Universen in tatsächliches Dasein zu rufen. Das Wachstum der Suprematie entstammt den Trioditäten; die geistige Person des Supremen entstammt der Trinität; aber die Machtprärogativen des Allmächtigen gründen auf den sukzessiven Göttlichkeitsstufen des Siebenfachen Gottes, während die Vereinigung der Machtprärogativen des Allmächtigen Supremen mit der geistigen Person des Supremen Gottes dank dem Wirken des Mit-Vollziehers stattfindet, der den supremen Verstand als den diese evolutionäre Gottheit zusammenbindenden Faktor beisteuerte. ***** 115.5 Die Beziehung des Supremen zu der Paradies-Trinität ***** Das Supreme Wesen ist für die Realität seiner persönlichen und geistigen Natur absolut abhängig von der Existenz und dem Handeln der Paradies-Trinität. Während das Wachstum des Supremen eine Angelegenheit trioditärer Beziehungen ist, hängt die geistige Persönlichkeit des Supremen Gottes von der Paradies-Trinität ab und entstammt ihr, die immer der absolute Zentrale Ursprung vollkommener und unendlicher Stabilität bleibt, um den herum sich nach und nach das evolutionäre Wachstum des Supremen entfaltet. Die Funktion der Trinität ist mit der Funktion des Supremen verbunden, denn die Trinität funktioniert auf allen (sämtlichen) Ebenen, die Funktionsebene der Suprematie inbegriffen. Aber in dem Maße, wie das Zeitalter Havonas dem Zeitalter der Superuniversen weicht, weicht das erkennbare Handeln der Trinität als unmittelbarer Schöpferin den schöpferischen Akten der Kinder der Paradies-Gottheiten. ***** 115.6 Die Beziehung des Supremen zu den Trioditäten ***** Die Triodität der Wirklichkeit fährt in den Nach-Havona-Epochen fort, direkt zu funktionieren; die Gravitation des Paradieses zieht die Basiseinheiten der materiellen Existenz an sich, die geistige Gravitation des Ewigen Sohnes wirkt direkt auf die fundamentalen Werte der geistigen Existenz, und die Verstandesgravitation des Mit-Vollziehers erfasst unfehlbar alle wesentlichen Bedeutungen intellektueller Existenz. Aber während die schöpferische Aktivität mit jedem ihrer Stadien immer weiter in den unerforschten Raum hinaus vorstößt, funktioniert und existiert sie immer weiter weg vom direkten Handeln der schöpferischen Kräfte und göttlichen Persönlichkeiten der zentralen Stätte - der absoluten Paradies-Insel und der sie bewohnenden unendlichen Gottheiten. Diese sukzessiven Ebenen kosmischer Existenz werden deshalb immer abhängiger von Entwicklungen innerhalb der drei Absoluten unendlicher Potentialität. Das Supreme Wesen schließt Möglichkeiten kosmischen Wirkens in sich, die weder im Ewigen Sohn, noch im Unendlichen Geist oder in den nichtpersönlichen Realitäten der Paradies-Insel offen zutage treten. Wir machen diese Feststellung mit allem Respekt vor der Absolutheit dieser drei fundamentalen Wirklichkeiten, aber das Wachstum des Supremen gründet nicht allein auf diesen drei Gottheit- und Paradies-Wirklichkeiten sondern hat auch Anteil an Entwicklungen innerhalb des Gottheit-, Universalen und Eigenschaftslosen Absoluten. Der Supreme wächst nicht nur in dem Maße, wie Schöpfer und Geschöpfe der sich entwickelnden Universen Gottähnlichkeit erlangen, sondern diese endliche Gottheit erfährt auch ein Wachstum infolge der Meisterung der endlichen Möglichkeiten des Großen Universums durch die Geschöpfe und die Schöpfer. Die Bewegung des Supremen ist zweifacher Natur: nach innen in Richtung des Paradieses und der Gottheit und nach außen in Richtung der Unbegrenztheit der Absoluten des Potentials. Im gegenwärtigen Universumszeitalter kommt diese doppelte Bewegung in den niedersteigenden und aufsteigenden Persönlichkeiten des Großen Universums zum Ausdruck. Die Supremen Schöpferpersönlichkeiten und all ihre göttlichen Mitarbeiter widerspiegeln die nach außen gerichtete, divergierende Bewegung des Supremen, während die aufsteigenden Pilger aus den sieben Superuniversen die nach innen zielende, konvergierende Tendenz der Suprematie verkörpern. Stets strebt die endliche Gottheit eine doppelte Wechselbeziehung an, nach innen zum Paradies und dessen Gottheiten und nach außen zur Unendlichkeit und den in ihr enthaltenen Absoluten. Der mächtige Ausbruch schöpferischer Göttlichkeit des Paradieses, der sich in den Schöpfersöhnen personifizierte und seinen Machtausdruck in den Machtlenkern fand, bedeutet das gewaltige Hinausdrängen der Suprematie in die Bereiche der Potentialität, während die endlose Prozession der aufsteigenden Geschöpfe des Großen Universums das mächtige, auf die Einheit mit der Paradies-Gottheit gerichtete Einwärtsdrängen der Suprematie bezeugt. Menschliche Wesen haben gelernt, dass man die Bewegung des Unsichtbaren manchmal durch die Beobachtung seiner Wirkungen auf das Sichtbare erkennen kann; und wir in den Universen haben seit langem gelernt, die Bewegungen und Tendenzen der Suprematie durch die Beobachtung der Rückwirkungen ebendieser Entwicklungen in den Persönlichkeiten und Modellen des Großen Universums wahrzunehmen. Obwohl wir dessen nicht sicher sind, glauben wir, dass der Supreme als ein endlicher Widerhall der Paradies-Gottheit sich in einer ewigen Ausweitung in den Äußeren Raum hinaus befindet; dass aber dieses Supreme Wesen als ein bedingter Ausdruck der drei potentiellen Absoluten des Äußeren Raumes ewig die Kohärenz des Paradieses anstrebt. Und diese Doppelbewegung scheint die meisten der Grundaktivitäten in den gegenwärtig organisierten Universen zu erklären. ***** 115.7 Die Natur des Supremen ***** In der Gottheit des Supremen hat sich das Vater-ICH BIN relativ vollständig von den Begrenzungen befreit, die im Wesen der Unendlichkeit des Status, der Ewigkeit des Seins und der Absolutheit der Natur liegen. Aber der Supreme Gott wurde von allen existentiellen Begrenzungen nur dadurch befreit, dass er erfahrungsmäßigen Bedingungen universaler Funktion unterworfen wurde. Dadurch, dass der endliche Gott die Fähigkeit zur Erfahrung gewinnt, wird er auch der Notwendigkeit der Erfahrung unterworfen; indem sich der Allmächtige von der Ewigkeit befreit, trifft er auf die Schranken der Zeit; und der Supreme konnte Wachstum und Entwicklung nur aufgrund partieller Existenz und der Unvollständigkeit der Natur kennen - aufgrund der Nicht-Absolutheit des Seins. All das muss so sein in Befolgung des Plans des Vaters, der den endlichen Fortschritt auf Anstrengung gegründet hat, die Geschöpfesverwirklichung auf Durchhaltevermögen und die Persönlichkeitsentwicklung auf Glauben. Indem der Vater die Entwicklung des Supremen auf dem Erfahrungsweg anordnete, ermöglichte er es den endlichen Geschöpfen, in den Universen zu existieren und durch erfahrungsmäßigen Fortschritt irgendwann die Göttlichkeit der Suprematie zu erreichen. Der Supreme und sogar der Ultime inbegriffen, ist alle Realität außer den eigenschaftslosen Werten der sieben Absoluten relativ. Die Tatsache der Suprematie gründet auf der Macht des Paradieses, auf der Persönlichkeit des Sohnes und dem Handeln des Mit-Vollziehers, aber das Wachstum des Supremen steht im Zusammenhang mit dem Gottheits-Absoluten, Eigenschaftslosen Absoluten und Universalen Absoluten. Und diese zur Synthese drängende, einigende Gottheit - der Supreme Gott - ist die Personifizierung des endlichen Schattens, den die unendliche Einheit der unerforschlichen Natur des Paradies-Vaters, des Ersten Zentralen Ursprungs, quer durch das Große Universum wirft. Insoweit als die Trioditäten direkt auf der endlichen Ebene operieren, wirken sie auf den Supremen ein, der die Gottheitsfokussierung und kosmische Summe aller endlichen Eigenschaften der Natur des Absoluten Wirklichen und des Absoluten Potentiellen ist. Die Paradies-Trinität gilt als die absolute Unvermeidlichkeit; die Sieben Hauptgeiste sind offenbar die Unvermeidlichkeit der Trinität; die Verwirklichung der Macht-Verstand-Geist-Persönlichkeit des Supremen muss die evolutionäre Unvermeidlichkeit sein. Der Supreme Gott scheint in der uneingeschränkten Unendlichkeit nicht unvermeidlich gewesen zu sein, aber er scheint es auf allen Relativitätsebenen zu sein. Er ist der unerlässliche Fokussierer, Summierer und Zusammenfasser der evolutionären Erfahrung, der in seiner Gottheitsnatur die Resultate dieser Art der Realitätswahrnehmung eint. Und all das scheint er zu tun, um zum Erscheinen der unvermeidlichen Eventuierung beizutragen, der über-erfahrungsmäßigen und über-endlichen Manifestation des Ultimen Gottes. Das Supreme Wesen kann nicht voll gewürdigt werden, ohne dass man seinen Ursprung, seine Funktion und Bestimmung berücksichtigt: seine Beziehung zur Trinität, der es entstammt, zum Universum der Aktivität und zur Ultimen Trinität seiner unmittelbaren Bestimmung. Durch den Prozess der Summierung evolutionärer Erfahrung verbindet der Supreme das Endliche mit dem Absoniten, gerade so wie der Verstand des Mit-Vollziehers die göttliche Geistigkeit des persönlichen Sohnes mit den unveränderlichen Energien des Paradies Urmusters verwebt und wie die Gegenwart des Universalen Absoluten das aktivierende Gottheit-Absolute mit der Reaktivität des Eigenschaftslosen Absoluten eint. Diese Einheit muss eine Offenbarung des nicht wahrgenommenen Wirkens der ursprünglichen Einheit der Ersten Vater-Ursache und Urmuster-Quelle aller Dinge und aller Wesen sein. [Dargeboten von einem vorübergehend auf Urantia weilenden Mächtigen Botschafter.] ****** Kapitel 116 Der Allmächtige Supreme ****** WENN der Mensch erkennen würde, dass seine Schöpfer - seine unmittelbaren Lenker - obwohl göttlich auch endlich sind und dass der Gott von Zeit und Raum eine sich entwickelnde und nichtabsolute Gottheit ist, würden die Ungereimtheiten zeitlicher Ungleichheiten aufhören, ein tiefes religiöses Paradox zu sein. Der religiöse Glaube würde dann nicht länger dazu missbraucht, die Besitzenden in ihrer Überheblichkeit zu bestärken, und zugleich die unglücklichen Opfer gesellschaftlicher Benachteiligung nur noch tiefer in ihre stoische Resignation zu stoßen. Beim Betrachten der auserlesen vollkommenen Sphären Havonas ist es vernünftig und logisch zu glauben, dass sie von einem vollkommenen, unendlichen und absoluten Schöpfer erschaffen wurden. Aber dieselbe Vernunft und Logik müsste jedes ehrliche Wesen zwingen, beim Betrachten des Tumultes, der Unvollkommenheiten und Ungerechtigkeiten Urantias zum Schluss zu gelangen, dass eure Welt von Schöpfern erschaffen wurde und geführt wird, die unterabsolut, vorunendlich und anders-als-vollkommen sind. Erfahrungsmäßiges Wachstum schließt Geschöpf-Schöpfer-Partnerschaft - die Verbindung von Gott und Mensch - ein. Wachstum ist das Kennzeichen der erfahrungsmäßigen Gottheit: Havona ist nicht gewachsen; Havona besteht und hat immer bestanden; es ist existentiell wie die ewigen Götter, die sein Ursprung sind. Aber Wachstum charakterisiert das Große Universum. Der Allmächtige Supreme ist eine lebendige und sich entwickelnde Gottheit der Macht und Persönlichkeit. Seine gegenwärtige Domäne, das Große Universum, ist ebenfalls ein wachsendes Reich der Macht und Persönlichkeit. Seine Bestimmung ist Vollkommenheit, aber seine gegenwärtige Erfahrung schließt die Elemente des Wachstums und eines unvollständigen Status ein. Das Supreme Wesen funktioniert erstens im Zentraluniversum als eine geistige Persönlichkeit und zweitens im Großen Universum als der Allmächtige Gott, als eine Persönlichkeit der Macht. Die dritte Funktion des Supremen im Alluniversum ist jetzt latent, denn sie existiert nur als ein unbekanntes Verstandespotential. Niemand weiß, was diese dritte Entwicklung des Supremen Wesens genau enthüllen wird. Einige glauben, dass der Supreme nach der Verankerung der Superuniversen im Licht und Leben von Uversa aus als der allmächtige und erfahrungsmäßige Souverän des Großen Universums wirken und seine Macht zugleich als Überallmächtiger über die äußeren Universen ausdehnen wird. Andere mutmaßen, dass das dritte Stadium der Suprematie die dritte Ebene der Gottheitsmanifestation einschließen wird. Aber niemand von uns weiß es wirklich. ***** 116.1 Der Supreme Verstand ***** Die Erfahrung jeder sich entwickelnden Geschöpfespersönlichkeit ist eine Phase der Erfahrung des Allmächtigen Supremen. Jede intelligente Unterwerfung eines physischen Segmentes der Superuniversen ist ein Teil der wachsenden Kontrolle des Allmächtigen Supremen. Die schöpferische Synthese von Macht und Persönlichkeit ist ein Teil des schöpferischen Dranges des Supremen Verstandes, und sie ist die Essenz des evolutionären Wachstums der Einheit im Supremen Wesen. Die Funktion des Supremen Verstandes besteht darin, Macht und Persönlichkeitsattribute der Suprematie zu einen; und die vollständige Evolution des Allmächtigen Supremen wird in eine einzige geeinte und persönliche Gottheit münden - nicht in irgendeine locker koordinierte Vereinigung göttlicher Attribute. Aus einer breiteren Perspektive wird es keinen vom Supremen getrennten Allmächtigen und keinen vom Allmächtigen getrennten Supremen geben. Während der ganzen evolutionären Zeitalter liegt das physische Machtpotential des Supremen bei den Sieben Supremen Machtlenkern, und das Verstandespotential ruht in den Sieben Hauptgeisten. Der Unendliche Verstand ist die Funktion des Unendlichen Geistes; der kosmische Verstand ist das Wirken der Sieben Hauptgeiste; der Supreme Verstand steht in einem Verwirk-lichungsprozess in der Koordination des Großen Universums und in funktioneller Verbindung mit der Offenbarung und dem Erreichen des Siebenfachen Gottes. Der Verstand von Zeit und Raum, der kosmische Verstand, funktioniert in den sieben Superuniversen auf verschiedene Weise, wird aber durch eine unbekannte verbindende Technik im Supremen Wesen koordiniert. Die höchste Kontrolle des Allmächtigen über das Große Universum ist nicht ausschließlich physisch und geistig. In den sieben Superuniversen ist sie vor allem materiell und geistig, aber es sind auch Phänomene des Supremen anwesend, die sowohl intellektuell wie geistig sind. Wir wissen wirklich weniger über den Verstand der Suprematie als über jeden anderen Aspekt dieser sich entwickelnden Gottheit. Er ist ohne Frage überall im Großen Universum aktiv, und man schreibt ihm eine potentielle Bestimmung alluniverseller Funktion gewaltigen Ausmaßes zu. Aber dies eine wissen wir: Während Physisches zu einem Abschluss des Wachstums gelangen und Geistiges eine vollkommene Entwicklung erreichen kann, hört der Verstand nie auf, Fortschritte zu machen - er ist die erfahrungsmäßige Technik endlosen Fortschritts. Der Supreme ist eine Erfahrungsgottheit und gelangt demzufolge nie an ein Ende mentalen Vollbringens. ***** 116.2 Der Allmächtige und der Siebenfache Gott ***** Das Erscheinen der Gegenwart der Universumsmacht des Allmächtigen geht einher mit dem Erscheinen der hohen Schöpfer und Überwacher der evolutionären Superuniversen auf dem Schauplatz der kosmischen Handlung. Die Geist- und Persönlichkeitsattribute des Supremen Gottes entstammen der Paradies-Trinität, aber seine Macht verwirklicht er im Tun der Schöpfersöhne, der Ältesten der Tage und der Hauptgeiste, deren kollektive Handlungen die Quelle seiner wachsenden Macht als allmächtiger Souverän über die sieben Superuniversen und in ihnen sind. Die durch nichts bedingte Gottheit des Paradieses ist für die sich entwickelnden Geschöpfe von Zeit und Raum etwas Unverständliches. Ewigkeit und Unendlichkeit stellen eine Ebene der Gottheitsrealität dar, die Zeit-Raum-Geschöpfe nicht begreifen können. Die Unendlichkeit der Gottheit und die Absolutheit der Souveränität wohnen der Paradies-Trinität inne, und die Trinität ist eine Realität, die einigermaßen jenseits des Verständnisses des sterblichen Menschen liegt. Zeit-Raum-Geschöpfe brauchen Ursprünge, Relativitäten und Bestimmungen, um Universumsbeziehungen zu erfassen und die bedeutungsvollen Werte der Göttlichkeit zu begreifen. Aus diesem Grund schwächt die Paradies-Gottheit die außerparadiesischen Personifizierungen der Göttlichkeit ab und beschränkt sie noch in anderer Weise, indem sie die Supremen Schöpfer und ihre Mitarbeiter ins Dasein ruft, die das Licht des Lebens immer weiter von seinem Paradies-Ursprung wegtragen, bis es seinen fernsten und schönsten Ausdruck im irdischen Leben der Söhne der Selbsthingabe auf den evolutionären Welten findet. Und das ist der Ursprung des Siebenfachen Gottes, dessen sukzessiven Ebenen die sterblichen Menschen in dieser Reihenfolge begegnen: 1. Die Schöpfersöhne (und Schöpferischen Geiste). 2. Die Ältesten der Tage. 3. Die Sieben Hauptgeiste. 4. Das Supreme Wesen. 5. Der Mit-Vollzieher. 6. Der Ewige Sohn. 7. Der Universale Vater. Die ersten drei Ebenen sind die Supremen Schöpfer; die letzten drei Ebenen sind die Paradies-Gottheiten. Der Supreme tritt stets dazwischen als die erfahrungsmäßige geistige Personifizierung der Paradies-Trinität und als der erfahrungsmäßige Fokus der evolutionären Allmacht der Schöpferkinder der Paradies-Gottheiten. Das Supreme Wesen ist die größtmögliche Offenbarung der Gottheit an die sieben Superuniversen und für das gegenwärtige Universumszeitalter. Die Technik menschlicher Logik könnte nahe legen, dass die erfahrungsmäßige Wiedervereinigung der kollektiven Handlungen der drei ersten Ebenen des Siebenfachen Gottes der Ebene der Paradies-Gottheit gleichkäme, aber das ist nicht der Fall. Die Paradies-Gottheit ist eine existentielle Gottheit. Die Supremen Schöpfer in ihrer göttlichen Einheit von Macht und Persönlichkeit bilden ein neues Machtpotential erfahrungsmäßiger Gottheit und sind dessen Ausdruck. Und dieses Machtpotential erfahrungsmäßigen Ursprungs vereinigt sich unvermeidlich und unfehlbar mit der erfahrungsmäßigen Gottheit trinitären Ursprungs - mit dem Supremen Wesen. Der Supreme Gott ist weder die Paradies-Trinität, noch ist er einer jener superuniversellen Schöpfer oder sie alle zusammen, deren funktionelle Aktivitäten tatsächlich durch Synthese seine sich entwickelnde Allmacht aufbauen. Obwohl der Supreme Gott seinen Ursprung in der Trinität hat, gewahren ihn die evolutionären Geschöpfe als Machtpersönlichkeit nur durch die koordinierten Funktionen der ersten drei Ebenen des Siebenfachen Gottes. Der Allmächtige Supreme wird jetzt in Zeit und Raum allmählich zu einer Tatsache durch die Aktivitäten der Supremen Schöpferpersönlichkeiten, gleichwie wie in der Ewigkeit der Mit-Vollzieher durch den Willen des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes blitzartig ins Dasein trat. Diese Wesen der ersten drei Ebenen des Siebenfachen Gottes sind die wirkliche Natur und Quelle der Macht des Allmächtigen Supremen; deshalb müssen sie seine administrativen Maßnahmen stets begleiten und unterstützen. ***** 116.3 Der Allmächtige und die Paradies-Gottheit ***** Die Paradies-Gottheiten handeln im ganzen Großen Universum nicht nur direkt über ihre Gravitationskreisläufe, sondern sie wirken ebenfalls durch ihre verschiedenen Organe und anderen Manifestationen wie: 1. Die Verstandesfokussierungen des Dritten Zentralen Ursprungs. Die endlichen Bereiche von Energie und Geist werden durch die Verstandes-Gegenwarten des Mit-Vollziehers buchstäblich zusammengehalten. Das gilt für den Schöpferischen Geist eines Lokaluniversums ebenso sehr wie für die Reflexiven Geiste eines Superuniversums und die Hauptgeiste des Großen Universums. Die Verstandeskreise, die von diesen verschiedenen Intelligenzherden ausgehen, bilden die kosmische Arena für das Wählen der Geschöpfe. Der Verstand ist die biegsame Realität, welche Geschöpfe und Schöpfer so leicht handhaben; er ist das unerlässliche Bindeglied zwischen Materie und Geist. Die Verstandesgabe des Dritten Zentralen Ursprungs eint die geistige Person des Supremen Gottes mit der erfahrungsmäßigen Macht des evolutionären Allmächtigen. 2. Die Persönlichkeitsoffenbarungen des Zweiten Zentralen Ursprungs. Die Verstandesgegenwarten des Mit-Vollziehers einen den Geist der Göttlichkeit mit den Urmustern der Energie. Die Selbsthingabe-Inkarnationen des Ewigen Sohnes und seiner Paradies-Söhne einen, verschmelzen tatsächlich die göttliche Natur eines Schöpfers mit der sich entwickelnden Natur eines Geschöpfes. Der Supreme ist sowohl Geschöpf als auch Schöpfer; dass ihm dies möglich ist, offenbaren die Selbsthingaben des Ewigen Sohnes und seiner beigeordneten und untergeordneten Söhne. Die Sohnesordnungen der sich selbst hingebenden Michaele und Avonale fügen ihren göttlichen Naturen effektiv echte Geschöpfesnaturen hinzu, die dadurch ihr Besitz werden, dass sie auf evolutionären Welten ein richtiges Geschöpfesdasein leben. Wenn die Göttlichkeit wie die Menschheit wird, liegt in dieser Beziehung die Möglichkeit, dass die Menschheit göttlich werden kann. 3. Die innewohnenden Gegenwarten des Ersten Zentralen Ursprungs. Der Verstand eint geistige Ursachen mit energetischen Reaktionen; das Liebesamt der Selbsthingabe eint das Niedersteigen der Göttlichkeit mit dem Aufsteigen der Geschöpfe; und die innewohnenden Fragmente des Universalen Vaters einen die sich entwickelnden Geschöpfe tatsächlich mit Gott im Paradies. Es gibt viele derartige Vatergegenwarten, die zahlreichen Persönlichkeitsordnungen innewohnen, und im sterblichen Menschen sind diese Fragmente Gottes die göttlichen Gedankenjustierer. Die Unergründlichen Mentoren sind für die menschlichen Wesen, was die Paradies-Trinität für das Supreme Wesen. Die Justierer sind absolute Fundamente, und auf absoluten Fundamenten kann freies Entscheiden bewirken, dass sich die göttliche Realität der Natur eines ewigen Wesens entwickelt, die Natur eines Finalisten im Falle des Menschen und die Natur der Gottheit im Falle des Supremen Gottes. Die Selbsthingaben in Geschöpfesgestalt der Paradies-Sohnesordnungen befähigen diese göttlichen Söhne, ihre Persönlichkeit durch die tatsächliche Erwerbung der Natur von Universumsgeschöpfen zu bereichern, während diese Selbsthingaben den Geschöpfen selber unfehlbar den Paradies-Pfad göttlicher Vollbringung offenbaren. Die Vergabe der Justierer durch den Universalen Vater befähigen diesen, die Persönlichkeiten der mit Willen begabten Geschöpfe an sich zu ziehen. Und bei all diesen Beziehungen in den endlichen Universen ist der Mit-Vollzieher die ewig gegenwärtige Quelle des Verstandesamtes, dank welchem all diese Aktivitäten stattfinden können. Auf diese und manch andere Weise beteiligen sich die Paradies-Gottheiten an den Entwicklungen der Zeit, die sich auf den kreisenden Planeten des Raums entfalten und im Erwachen der Supremen Persönlichkeit gipfeln, die das Resultat der gesamten Evolution ist. ***** 116.4 Der Allmächtige und die Supremen Schöpfer ***** Die Einheit des Supremen Ganzen ist abhängig von der progressiven Einigung der endlichen Teile; die Verwirklichung des Supremen ist zugleich Resultat und Ursache der Einigung ebendieser Faktoren der Suprematie - der Schöpfer, Geschöpfe, Intelligenzen und Energien des Universums. Während der Zeitalter, in denen die Souveränität der Suprematie ihre zeitliche Entwicklung durchmacht, hängt die Allmacht des Supremen von den göttlichen Handlungen des Siebenfachen Gottes ab, während eine besonders enge Beziehung zwischen dem Supremen Wesen und dem Mit-Vollzieher und dessen allerersten Persönlichkeiten, den Sieben Hauptgeisten, zu bestehen scheint. Der Unendliche Geist als der Mit-Vollzieher funktioniert auf manche Weise, um die Unfertigkeit der evolutionären Gottheit zu kompensieren und unterhält sehr enge Beziehungen zum Supremen. Solch nahe Beziehungen pflegen bis zu einem gewissen Grade auch alle Hauptgeiste mit ihm, aber insbesondere Hauptgeist Nummer Sieben, der für den Supremen spricht. Dieser Hauptgeist kennt den Supremen - steht in persönlichem Kontakt mit ihm. Schon sehr früh in der Verwirklichung des superuniversellen Schöpfungsplans verbanden sich die Hauptgeiste mit der Ahnentrinität zur gemeinsamen Schöpfung der neunundvierzig Reflexiven Geiste, und gleichzeitig funktionierte das Supreme Wesen schöpferisch als Gipfel des gemeinsamen Handelns der Paradies-Trinität und der schöpferischen Kinder der Paradies-Gottheit. Majeston erschien und ist seither immer der Brennpunkt der kosmischen Gegenwart des Supremen Verstandes gewesen, während die Hauptgeiste weiterfahren, als zentrale Ursprünge des weitgedehnten Dienstes des kosmischen Verstandes zu wirken. Aber die Hauptgeiste fahren fort, die Reflexiven Geiste zu leiten. Der Siebente Hauptgeist steht (bei seiner allumfassenden Lenkung Orvontons vom Zentraluniversum aus) in persönlichem Kontakt mit den sieben auf Uversa stationierten Reflexiven Geisten (und hat sie unter seiner höchsten Kontrolle). Bei seiner zwischen- und inner-superuniversellen Kontrolle und Verwaltung steht er in reflexivem Kontakt mit den Reflexiven Geisten seines eigenen Typs, von denen in jeder Superuniversumskapitale je einer stationiert ist. Die Hauptgeiste unterstützen und verstärken nicht nur die Souveränität der Suprematie, sondern sind ihrerseits von den schöpferischen Vorhaben des Supremen betroffen. Gewöhnlich sind die kollektiven Schöpfungen der Hauptgeiste quasi materieller Natur (Machtlenker u.s.w.), während ihre individuellen Schöpfungen geistiger Natur sind (Supernaphim u.s.w.). Aber dazu muss bemerkt werden, dass, als die Hauptgeiste in Beantwortung des Willens und Vorhabens des Supremen Wesens kollektiv die Sieben Geiste der Kreise erschufen, aus diesem schöpferischen Akt geistige, und nicht materielle oder quasi materielle Wesen hervorgingen. Und was für die Hauptgeiste der Superuniversen gilt, gilt auch für die Lenker zu dritt dieser Überschöpfungen - für die Ältesten der Tage. Diese Personifizierungen der richtenden Gerechtigkeit der Trinität in Zeit und Raum sind draußen im Felde die Ansatzpunkte für die sich mobilisierende Allmacht des Supremen und dienen als siebenfacher Brennpunkt für die Evolution der trinitären Souveränität in den Reichen von Zeit und Raum. Von ihrer vorteilhaften Lage halbwegs zwischen dem Paradies und den sich entwickelnden Welten aus sehen diese der Trinität entsprungenen Souveräne beide Wege, kennen beide Wege und koordinieren beide Wege. Aber die Lokaluniversen sind die wahren Laboratorien, wo Gedankenexperimente und galaktische Abenteuer unternommen werden, wo die Göttlichkeit sich entfaltet und die Persönlichkeiten Fortschritte machen, was alles, wenn kosmisch summiert, das wahre Fundament bildet, auf dem der Supreme in und durch Erfahrung die Evolution der Gottheit vollbringt. In den Lokaluniversen entwickeln sich sogar die Schöpfer: Die Gegenwart des Mit-Vollziehers entwickelt sich von einem lebendigen Brennpunkt der Macht zum Status der göttlichen Persönlichkeit eines Muttergeistes des Universums; der Schöpfersohn entwickelt sich von der Natur existentieller Paradies-Göttlichkeit zu der erfahrungsmäßigen Natur supremer Souveränität. Die Lokaluniversen sind die Ausgangspunkte wahrer Evolution, die Laichgründe eindeutig unvollkommener Persönlichkeiten, die die Gabe besitzen, frei zu wählen, ob sie Mitschöpfer ihrer selbst, so wie sie sein sollen, werden wollen. Durch ihre Selbsthingaben auf den evolutionären Welten erlangen die Richtersöhne schließlich eine Natur, welche die Göttlichkeit des Paradieses im erfahrungsmäßigen Einswerden mit den höchsten geistigen Werten der materiellen menschlichen Natur ausdrückt. Und durch solche und andere Selbsthingaben erwerben auch die Schöpfer-Michaele Natur und kosmische Gesichtspunkte ihrer eigenen Lokaluniversumskinder. Solche Meister-Schöpfersöhne nähern sich der Vollendung untersupremer Erfahrung; und nachdem ihre lokaluniverselle Souveränität durch Einschluss des ihnen zugesellten Schöpferischen Geistes noch zugenommen hat, kann man von ihr sagen, dass sie sich innerhalb der gegenwärtigen Potentiale des evolutionären Großen Universums den Grenzen der Suprematie nähert. Wenn die Söhne der Selbsthingabe den Menschen neue Wege zu Gott offenbaren, erschaffen sie diese Pfade zur Erlangung der Göttlichkeit nicht; es ist eher so, dass sie die ewigen Straßen des Fortschritts beleuchten, die durch die Gegenwart des Supremen zu der Person des Paradies-Vaters führen. Das Lokaluniversum ist der Ausgangsort von Persönlichkeiten, die sich in größter Gottferne befinden und deshalb das höchste Maß an geistigem Aufstieg im Universum erfahren können, die sich an der Mitschöpfung ihrer selbst auf dem Erfahrungsweg maximal beteiligen können. Ebenso bieten dieselben Lokaluniversen den niedersteigenden Persönlichkeiten die größtmögliche Tiefe der Erfahrung, die für sie gerade so bedeutungsvoll ist wie für ein sich entwickelndes Geschöpf der Aufstieg zum Paradies. Der sterbliche Mensch scheint notwendig zu sein zum vollen Funktionieren des Siebenfachen Gottes, wie diese göttliche Gruppierung im sich verwirklichenden Supremen gipfelt. Es gibt viele andere Ordnungen von Universumspersönlichkeiten, die für die Evolution der Allmacht des Supremen ebenso notwendig sind, aber diese Darstellung ist zur Erbauung menschlicher Wesen bestimmt und beschränkt sich deshalb weitgehend auf jene bei der Evolution des Siebenfachen Gottes wirkenden Faktoren, die in Beziehung zum sterblichen Menschen stehen. ***** 116.5 Der Allmächtige und die Siebenfachen Überwacher ***** Ihr seid bereits auf dem Laufenden über die Beziehungen des Siebenfachen Gottes zum Supremen Wesen, und ihr solltet jetzt zur Kenntnis nehmen, dass der Siebenfache neben den Schöpfern des Großen Universums auch dessen Überwacher in sich schließt. Diese siebenfachen Überwacher des Großen Universums umfassen die folgenden: 1. Die Physischen Hauptüberwacher. 2. Die Supremen Machtzentren. 3. Die Supremen Machtlenker. 4. Der Allmächtige Supreme. 5. Der Gott des Handelns - der Unendliche Geist. 6. Die Paradies-Insel. 7. Der Ursprung des Paradieses - der Universale Vater. Diese sieben Gruppen funktionieren unzertrennlich mit dem Siebenfachen Gott zusammen und bilden die physische Überwachungsebene dieser Gottheitsverbindung. Das Auseinandergehen von Energie und Geist (das von der Miteinander-Gegenwart des Ewigen Sohnes und der Paradies-Insel herrührt) erfuhr im superuniversellen Sinne eine Symbolisierung, als die Sieben Hauptgeiste vereint an ihren ersten kollektiven Schöpfungsakt gingen. Diese Episode brachte die Sieben Supremen Machtlenker hervor. Damit einhergehend differenzierten sich die geistigen Kreisläufe der Hauptgeiste im Gegensatz zu den physischen Aktivitäten der überwachenden Machtlenker, und augenblicklich erschien der kosmische Verstand als neuer Faktor der Koordination zwischen Materie und Geist. Der Allmächtige Supreme entwickelt sich als höchstes Kontrollorgan der physischen Macht des Großen Universums. Im gegenwärtigen Universumszeitalter scheint dieses Potential physischer Macht in den Sieben Supremen Machtlenkern zentriert zu sein, deren Handeln über die fixen Machtzentren und über die mobile Anwesenheit der physischen Überwacher erfolgt. Die Universen der Zeit sind nicht vollkommen; Vollkommenheit ist ihre Bestimmung. Der Kampf um Vollkommenheit betrifft nicht nur die intellektuelle und geistige Ebene, sondern auch die physische Ebene von Energie und Masse. Die Verankerung der sieben Superuniversen im Licht und Leben setzt voraus, dass sie physische Stabilität erreicht haben. Und man vermutet, dass das endgültige Erreichen des materiellen Gleichgewichts bedeuten wird, dass die Evolution der physischen Kontrolle des Allmächtigen abgeschlossen ist. In den frühen Tagen des Aufbaus eines Universums sind selbst die Schöpfer aus dem Paradies hauptsächlich mit Fragen des materiellen Gleichgewichts beschäftigt. Das Modell eines Lokaluniversums nimmt nicht nur infolge der Aktivitäten der Machtzentren Gestalt an, sondern auch wegen der Raumgegenwart des Schöpferischen Geistes. Und in diesen frühen Epochen der Errichtung eines Lokaluniversums lässt der Schöpfersohn eine kaum verstandene Eigenschaft materieller Kontrolle erkennen, und er verlässt seinen Hauptsitzplaneten nicht eher, als bis sich ein grobes Gleichgewicht des Lokaluniversums eingestellt hat. Letztenendes spricht alle Energie auf den Verstand an, und die physischen Überwacher sind die Kinder des Verstandesgottes, welcher der Aktivierer der Paradies-Urmuster ist. Die Intelligenz der Machtlenker widmet sich ohne Unterlass der Aufgabe, materielle Kontrolle zu erringen. Ihr Kampf um die physische Beherrschung der Energiebeziehungen und Massebewegungen nimmt nie ein Ende, bevor sie den endgültigen Sieg über die Energien und Massen davongetragen haben, die ihr dauerndes Tätigkeitsfeld darstellen. Bei den geistigen Kämpfen von Zeit und Raum geht es um die Evolution der geistigen Herrschaft über die Materie durch Vermittlung des (persönlichen) Verstandes; bei der physischen (nichtpersönlichen) Evolution der Universen geht es um das Bestreben, die kosmische Energie mit den Gleichgewichtskonzepten des Verstandes zu harmonisieren, der seinerseits der höchsten Kontrolle des Geistes unterworfen ist. Die Gesamtevolution des ganzen Großen Universums ist eine Angelegenheit der durch die Persönlichkeit vollzogenen Einigung des die Energie kontrollierenden Verstandes mit dem Geistkoordinierten Intellekt und wird sich im vollen Zutagetreten der Allmacht des Supremen offenbaren. Die Schwierigkeit, einen Zustand dynamischen Gleichgewichts zu erreichen, liegt in der Tatsache des wachsenden Kosmos beschlossen. Die bestehenden Kreisläufe der physischen Schöpfung sind ständig durch das Erscheinen von neuer Energie und neuer Masse gefährdet. Ein wachsendes Universum ist ein unstabiles Universum; deshalb kann kein Teil des kosmischen Ganzen wirkliche Stabilität finden, bevor die Fülle der Zeit Zeuge der materiellen Vollendung der sieben Superuniversen geworden ist. In den im Licht und Leben verankerten Universen gibt es keine unerwarteten physischen Ereignisse von größerer Tragweite. Eine relativ vollständige Kontrolle über die materielle Schöpfung ist erreicht worden; indessen fahren die Probleme der Beziehungen zwischen stabilisierten und sich entwickelnden Universen fort, die Gewandtheit der Machtlenker des Universums herauszufordern. Aber diese Probleme werden mit der Abnahme neuer schöpferischer Aktivität allmählich verschwinden, wenn sich das Große Universum immer mehr dem Höhepunkt evolutionären Ausdrucks nähern wird. ***** 116.6 Die Herrschaft des Geistes ***** In den evolutionären Superuniversen ist die Energie-Materie beherrschend außer in der Persönlichkeit, in welcher der Geist durch Vermittlung des Verstandes um die Meisterschaft ringt. Das Ziel der evolutionären Universen ist die Unterwerfung der Energie-Materie durch den Verstand, die Koordinierung des Verstandes mit dem Geist, und all dies dank der schöpferischen und einigenden Gegenwart der Persönlichkeit. Demgemäß werden in Bezug auf die Persönlichkeit die physischen Systeme untergeordnet, die mentalen Systeme koordiniert und die geistigen Systeme führend. Diese Einigung von Macht und Persönlichkeit drückt sich auf Gottheitsebenen im Supremen und als der Supreme aus. Aber die eigentliche Evolution der geistigen Herrschaft ist ein Wachstum, das auf den freien Willensakten der Schöpfer und Geschöpfe des Großen Universums beruht. Auf absoluten Ebenen sind Energie und Geist eins. Aber sobald man sich von solchen absoluten Ebenen entfernt, erscheint die Verschiedenheit, und je mehr sich Energie und Geist raumwärts vom Paradies entfernen, umso mehr erweitert sich die Kluft zwischen ihnen, bis sie in den Lokaluniversen ganz und gar verschieden geworden sind. Sie sind nicht mehr identisch, und sie gleichen sich nicht mehr, und der Verstand muss zwischen sie treten, um sie miteinander zu verbinden. Dass die Energie durch die Aktion von kontrollierenden Persönlichkeiten gesteuert werden kann, verrät, dass sie auf mentale Einwirkung anspricht. Dass die Masse durch die Aktion derselben kontrollierenden Wesenheiten stabilisiert werden kann, zeigt die Ansprechbarkeit der Masse auf die Ordnung stiftende Gegenwart des Verstandes. Und dass der Geist selber in der mit Willen begabten Persönlichkeit durch den Verstand um die Beherrschung der Energie-Materie kämpfen kann, offenbart die potentielle Einheit jeder endlichen Schöpfung. Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit aller Kräfte und Persönlichkeiten im gesamten Universum der Universen. Schöpfersöhne und Schöpferische Geiste hängen für die Organisation der Universen vom kooperativen Wirken der Machtzentren und physischen Überwacher ab; die Supremen Machtlenker sind unvollständig ohne die höchste Kontrolle der Hauptgeiste. In einem menschlichen Wesen gehorcht der Mechanismus des physischen Lebens teilweise dem Diktat des (persönlichen) Verstandes. Dieser Verstand kann seinerseits den Weisungen eines zielgerichteten Geistes unterworfen werden, und das Ergebnis einer solchen evolutionären Entwicklung ist das Erscheinen eines neuen Kindes des Supremen, eine neue persönliche Einigung der verschiedenen Arten kosmischer Realität. Und was für die Teile gilt, gilt auch für das Ganze; die geistige Person der Suprematie braucht die evolutionäre Macht des Allmächtigen, um zu einer vollständigen Gottheit zu werden und ihre Bestimmung im Bunde mit der Trinität zu erreichen. Die Anstrengung wird von den Persönlichkeiten von Zeit und Raum erbracht, aber Gipfelpunkt und Vollzug dieser Anstrengung sind ein Akt des Allmächtigen Supremen. Und während also das Wachstum des Ganzen die Summe des kollektiven Wachstums der Teile ist, so folgt ebenfalls, dass die Evolution der Teile eine segmentierte Widerspiegelung des gezielten Wachstums des Ganzen ist. Im Paradies sind Monota und Geist eins - ununterscheidbar außer dem Namen nach. In Havona besteht zwischen Materie und Geist, obwohl sie erkennbare Unterschiede zeigen, zugleich eine angeborene Harmonie. In den sieben Superuniversen hingegen gibt es einen großen Unterschied; es klafft ein weiter Abgrund zwischen kosmischer Energie und göttlichem Geist; deshalb findet sich hier ein größeres erfahrungsmäßiges Potential für die Verstandestätigkeit, um physische Modelle mit geistigen Vorhaben zu harmonisieren und schließlich zu einen. In den sich in der Zeit entwickelnden Universen des Raums ist die Göttlichkeit abgeschwächter, es gilt schwierigere Probleme zu lösen, und es bestehen größere Gelegenheiten, bei der Lösung dieser Probleme Erfahrung zu sammeln. Und diese ganze superuniverselle Situation lässt ein größeres Feld evolutionärer Existenz entstehen, auf dem sich die Möglichkeit kosmischer Erfahrung gleichermaßen Geschöpfen und Schöpfern - und sogar der Supremen Gottheit - bietet. Die Herrschaft des Geistes, die auf absoluten Ebenen existentiell ist, wird auf endlichen Ebenen und in den sieben Superuniversen zu einer evolutionären Erfahrung. Und alle, vom sterblichen Menschen bis zum Supremen Wesen, haben an dieser Erfahrung gleicherweise teil. Alle streben, und zwar persönlich, nach Vollbringung; und alle nehmen persönlich an der Bestimmung teil. ***** 116.7 Der lebendige Organismus des großen Universums ***** Das Große Universum ist nicht nur eine materielle Schöpfung von physischer Großartigkeit, geistiger Erhabenheit und intellektueller Größe, sondern es ist auch ein wunderbarer und sensibel reagierender lebendiger Organismus. Wirkliches Leben durchpulst die Mechanismen der ungeheuren Schöpfung des vibrierenden Kosmos. Die physische Realität der Universen ist symbolisch für die erkennbare Realität des Allmächtigen Supremen; und dieser materielle und lebendige Organismus wird von Intelligenzkreisläufen durchdrungen, gerade so wie der menschliche Körper von einem Netzwerk sensibler Nervenbahnen durchzogen wird. Durch das physische Universum laufen Energielinien, die die materielle Schöpfung wirksam aktivieren, gerade so wie der menschliche Körper durch die über die Blutzirkulation erfolgende Verteilung der assimilierbaren Energieprodukte der Nahrung ernährt und mit Energie versorgt wird. Das riesige Universum entbehrt nicht jener Koordinationszentren wunderbarer höchster Kontrolle, die man mit dem feinen System chemischer Kontrolle des menschlichen Mechanismus vergleichen könnte. Aber wenn ihr nur etwas über die Konstitution eines Machtzentrums wüsstet, dann könnten wir euch durch Analogien so viel mehr über das physische Universum mitteilen. Wie die Sterblichen für die Aufrechterhaltung des Lebens auf die Sonnenenergie zählen, so hängt das Große Universum von den unerschöpflichen Energien ab, die dem unteren Paradies entströmen, um die materiellen Aktivitäten und kosmischen Bewegungen des Raums in Gang zu halten. Den Sterblichen ist der Verstand gegeben worden, damit sie sich ihrer Identität und Persönlichkeit bewusst werden können; und Verstand - sogar ein Supremer Verstand - ist der Gesamtheit des Endlichen geschenkt worden, mit dessen Hilfe der Geist dieser erwachenden Persönlichkeit des Kosmos dauernd nach der Beherrschung der Energie-Materie strebt. So wie der sterbliche Mensch auf geistige Führung anspricht, so spricht auch das Große Universum auf den überall wirkenden Sog geistiger Gravitation des Ewigen Sohnes an, auf die universale übermaterielle Kohäsion der ewigen geistigen Werte aller Schöpfungen des endlichen Kosmos von Zeit und Raum. Die menschlichen Wesen sind einer ewigen Identifikation ihres Selbst mit der totalen und unzerstörbaren Universumsrealität fähig - der Fusion mit dem ihnen innewohnenden Gedankenjustierer. Desgleichen hängt der Supreme ewig von der absoluten Stabilität der Ursprünglichen Gottheit, der Paradies-Trinität, ab. Der menschliche Drang nach paradiesischer Vollkommenheit, sein Streben danach, Gott zu erreichen, schafft im lebendigen Kosmos eine echte göttliche Spannung, die nur durch die Entwicklung einer unsterblichen Seele gelöst werden kann; das ist es, was in der Erfahrung eines einzelnen sterblichen Geschöpfes geschieht. Aber wenn alle Geschöpfe und alle Schöpfer im Großen Universum gleicherweise danach streben, Gott und göttliche Vollkommenheit zu erreichen, baut sich eine tiefe kosmische Spannung auf, die ihre Lösung nur in der erhabenen Synthese aus Allmacht und Geistperson des sich entwickelnden Gottes aller Geschöpfe, des Supremen Wesens, finden kann. [Dargeboten von einem vorübergehend auf Urantia weilenden Mächtigen Botschafter.] ****** Kapitel 117 Der Supreme Gott ****** GENAU in dem Maße, wie wir, wo immer wir im Universum existieren, den Willen Gottes tun, wird das allmächtige Potential des Supremen um einen Schritt wirklicher. Der Wille Gottes ist der Plan des Ersten Zentralen Ursprungs, wie er als Potential in den drei Absoluten enthalten und im Ewigen Sohn personifiziert ist, wie er für universales Handeln vom Unendlichen Geist mitgetragen wird und in den unvergänglichen Urmustern des Paradieses verewigt ist. Und der Supreme Gott wird zur höchsten endlichen Manifestation des totalen Willens Gottes. Sollten sämtliche Bewohner des Großen Universums entsprechend ihren Möglichkeiten je dazu gelangen, voll den Willen Gottes zu leben, dann würden die Zeit-Raum-Schöpfungen im Licht und Leben verankert werden, und dann würde der Allmächtige, das Gottheitspotential der Suprematie, zur Tatsache im Erwachen der göttlichen Persönlichkeit des Supremen Gottes. Wenn sich ein in Entwicklung begriffener Verstand auf die Kreisläufe des kosmischen Verstandes einstimmt, wenn ein sich entwickelndes Universum nach dem Urbild des Zentral-universums Stabilität erreicht, wenn ein vorankommender Geist mit dem vereinten Dienst der Hauptgeiste in Kontakt tritt, wenn sich eine aufsteigende menschliche Persönlichkeit endgültig auf die göttliche Führung des innewohnenden Justierers einstimmt, dann ist die Wirklichkeit des Supremen in den Universen um einen Grad wirklicher geworden; dann ist die Göttlichkeit der Suprematie der kosmischen Verwirklichung einen Schritt näher gekommen. Die Evolution der Teile und Einzelwesen des Großen Universums ist eine Spiegelung der Gesamtevolution des Supremen, während der Supreme seinerseits die zusammenfassende, angehäufte Summe der Evolution des ganzen Großen Universums ist. Vom menschlichen Standpunkt aus sind beides evolutionäre und erfahrungsmäßige Gegenstücke. ***** 117.1 Die Natur des Supremen Wesens ***** Der Supreme ist die Schönheit physischer Harmonie, die Wahrheit intellektueller Bedeutung und die Güte geistigen Wertes. Er ist die Süße wahren Erfolges und die Freude fortwährenden Vollbringens. Er ist die Überseele des Großen Universums, das Bewusstsein des endlichen Kosmos, die Erfüllung endlicher Realität und die Personifizierung der Schöpfer-Geschöpfes-Erfahrung. In aller zukünftigen Ewigkeit wird der Supreme Gott die Realität willensmäßiger Erfahrung in den trinitären Beziehungen der Gottheit zum Ausdruck bringen. In den Personen der Supremen Schöpfer sind die Götter vom Paradies in die Reiche von Zeit und Raum hinabgestiegen, um dort Geschöpfe mit dem Potential, ins Paradies zu gelangen, zu erschaffen und zu entwickeln, Geschöpfe, die auf der Suche nach dem Vater dahin aufsteigen können. Diese Universumsprozession niedersteigender, Gott offenbarender Schöpfer und aufsteigender, Gott suchender Geschöpfe drückt sprechend die Gottheitsevolution des Supremen aus, in dem Niedersteigende und Aufsteigende zu gegenseitigem Verständnis gelangen, die ewige und universale Bruderschaft entdecken. So wird das Supreme Wesen zur endlichen Erfahrungs-Synthese der beim vollkommenen Schöpfer liegenden Ursache und der Antwort des sich vervollkommnenden Geschöpfes. Das Große Universum enthält die Möglichkeit vollständiger Einigung und strebt immer nach ihr, und das ergibt sich aus der Tatsache, dass seine kosmische Existenz eine Folge der Schöpferakte und Machtverordnungen der Paradies Trinität ist, die durch nichts bedingte Einheit ist. Gerade diese trinitäre Einheit drückt sich im endlichen Kosmos im Supremen aus, dessen Realität in dem Maße zunehmend in Erscheinung tritt, wie die Universen allmählich die höchste Stufe der Identifikation mit der Trinität erreichen. Der Wille des Schöpfers und der Wille des Geschöpfes unterscheiden sich qualitativ, sind aber doch auch erfahrungsmäßig verwandt, denn Geschöpf wie Schöpfer können bei der Herbeiführung der Vollkommenheit des Universums zusammenarbeiten. Der Mensch kann in Verbindung mit Gott arbeiten und dadurch der Mitschöpfer eines ewigen Finalisten werden. Gott kann sogar als Mensch wirken, wenn er sich in seinen Söhnen inkarniert, die dadurch die Suprematie der Geschöpfeserfahrung erwerben. Im Supremen Wesen sind Schöpfer und Geschöpf in einer einzigen Gottheit geeint, deren Wille Ausdruck einer einzigen göttlichen Persönlichkeit ist. Und dieser Wille des Supremen ist etwas, was über den Willen des Geschöpfes oder des Schöpfers hinausgeht, gerade so wie der souveräne Wille des Meistersohnes von Nebadon jetzt mehr ist als nur eine Kombination aus göttlichem und menschlichem Willen. Die Einheit aus Paradies-Vollkommenheit und Zeit-Raum-Erfahrung ergibt auf Gottheitsebenen der Realität einen neuen Wert mit neuer Bedeutung. Die sich entwickelnde göttliche Natur des Supremen wird zum getreuen Abbild der unvergleichlichen Erfahrung aller Geschöpfe und aller Schöpfer des Großen Universums. Im Supremen sind Schöpfer und Geschöpf eins; auf immer hat Erfahrung sie geeint, die sie aus den Wechselfällen gewonnen haben, welche die Lösung der mannigfaltigem Probleme begleiten, die die ganze endliche Schöpfung belagern, während diese auf der Suche nach Vollkommenheit und nach Befreiung von den Ketten des Unvollendeten auf dem ewigen Pfad fortschreitet. Wahrheit, Schönheit und Güte sind wechselseitig verbunden im Wirken des Geistes, in der Erhabenheit des Paradieses, in der Barmherzigkeit des Sohnes und in der Erfahrung des Supremen. Der Supreme Gott ist Wahrheit, Schönheit und Güte, denn diese Göttlichkeitskonzepte stellen das Äußerste an endlicher ideeller Erfahrung dar. Die ewigen Quellen dieser dreieinigen Wesenszüge der Göttlichkeit befinden sich auf überendlichen Ebenen, aber ein Geschöpf könnte sich diese Quellen nur als Überwahrheit, Überschönheit und Übergüte vorstellen. Michael, ein Schöpfer, offenbarte seinen irdischen Kindern die göttliche Liebe des Schöpfervaters. Und wenn die Menschen einmal diese göttliche Liebe entdeckt und empfangen haben, können sie danach trachten, sie auch ihren irdischen Brüdern zu offenbaren. Eine solche Geschöpfesliebe ist ein wahrhaftiger Widerschein der Liebe des Supremen. Der Supreme ist in symmetrischer Weise umfassend. Der Erste Zentrale Ursprung ist potentiell in den drei großen Absoluten; er ist wirklich im Paradies, im Sohn und im Geist; aber der Supreme ist sowohl wirklich als auch potentiell, ein Wesen persönlicher Suprematie und allmächtiger Macht, das ebenso sehr auf die Anstrengung des Geschöpfes wie auf den Plan des Schöpfers anspricht; das aus eigenem Antrieb auf das Universum einwirkt und auf die Gesamtsumme des Universums reagiert; das zugleich supremer Schöpfer und supremes Geschöpf ist. Die Gottheit der Suprematie ist also Ausdruck der Gesamtsumme alles Endlichen. ***** 117.2 Der Ursprung evolutionären Wachstums ***** Der Supreme ist Gott-in-der-Zeit; er ist das Geheimnis des Wachstums der Geschöpfe in der Zeit; er ist auch die Eroberung der unvollständigen Gegenwart und der Vollzug der sich vervollkommnenden Zukunft. Und die schließlichen Früchte allen endlichen Wachstums sind: Kontrolle der Macht mittels des Verstandes durch den Geist dank der einigenden und schöpferischen Gegenwart der Persönlichkeit. Folge und Gipfelpunkt all dieses Wachstums ist das Supreme Wesen. Für den sterblichen Menschen ist Existenz gleichbedeutend mit Wachstum. Und so schiene es tatsächlich zu sein, auch in einem weiteren universalen Sinn, denn eine vom Geist gelenkte Existenz scheint wirklich erfahrungsmäßiges Wachstum - erhöhten Status - zur Folge zu haben. Wir sind indessen seit langem der Ansicht, dass das Wachstum, das im gegenwärtigen Universumszeitalter die Geschöpfesexistenz charakterisiert, eine Funktion des Supremen ist. Ebenso halten wir dafür, dass diese Art von Wachstum für das Zeitalter des wachsenden Supremen bezeichnend ist und dass es mit dem Abschluss des Wachstums des Supremen ein Ende nehmen wird. Seht euch den Status der durch Geschöpfe trinitisierten Söhne an: Sie sind im gegenwärtigen Universumszeitalter geboren und leben darin; sie haben Persönlichkeiten, verbunden mit Verstandes- und Geistesgaben. Sie haben Erfahrungen und die Erinnerung daran, aber sie wachsen nicht wie Aufsteiger. Nach unserem Dafürhalten und Verständnis gehören diese durch Geschöpfe trinitisierten Söhne, obwohl sie im gegenwärtigen Universumszeitalter leben, in Wahrheit dem nächsten Universumszeitalter an - dem Zeitalter, das auf das abgeschlossene Wachstum des Supremen folgen wird. Deshalb sind sie nicht im Supremen in dessen gegenwärtigem Status der Unfertigkeit und des daraus folgenden Wachstums. Sie beteiligen sich also nicht am erfahrungsmäßigen Wachstum des gegenwärtigen Universumszeitalters, sondern werden für das nächste Universumszeitalter in Reserve gehalten. Die Angehörigen meiner eigenen Ordnung der Mächtigen Botschafter wurden von der Trinität umfangen und beteiligen sich deshalb nicht am Wachstum des gegenwärtigen Universumszeitalters. In gewissem Sinne gehören wir statusmäßig dem vorangehenden Universumszeitalter an, was tatsächlich der Fall der Stationären Söhne der Trinität ist. Eines ist gewiss: Unser Status ist festgelegt durch die Umfangung durch die Trinität, und Erfahrung hat kein Wachstum mehr zur Folge. Dasselbe gilt nicht für die Finalisten noch für irgendeine andere der evolutionären und erfahrungsmäßigen Ordnungen, die sich am Wachstumsprozess des Supremen beteiligen. Ihr jetzt auf Urantia lebenden Sterblichen, die ihr vielleicht das Paradies und den Status eines Finalisten anstrebt, solltet verstehen, dass sich ein solches Schicksal nur verwirklichen lässt, weil ihr im Supremen seid und ihm angehört und folglich an seinem Wachstumszyklus teilhabt. Irgendwann einmal wird das Wachstum des Supremen ein Ende haben; sein Status wird die Vollständigkeit erreichen (im energetisch-geistigen Sinne). Dieses Ende der Evolution des Supremen wird auch Zeuge des Endes der Geschöpfesevolution als eines Teils der Suprematie sein. Was für eine Art Wachstum die Universen des Äußeren Raums charakterisieren wird, wissen wir nicht. Aber wir sind sehr sicher, dass es etwas sein wird, das von allem, was man im gegenwärtigen Zeitalter der Evolution der sieben Superuniversen hat sehen können, völlig verschieden ist. Zweifelsohne wird es die Aufgabe der evolutionären Bürger des Großen Universums sein, die Bewohner des Äußeren Raums dafür zu entschädigen, dass sie das Wachstum der Suprematie entbehren müssen. Über den Abschluss des gegenwärtigen Universumszeitalters hinaus wird das Supreme Wesen in der Funktion eines erfahrungsmäßigen Souveräns des Großen Universums weiterexistieren. Die Bewohner des Äußeren Raums - die Bürger des nächsten Universumszeitalters - werden ein nachsuperuniverselles Wachstumspotential besitzen, eine Fähigkeit zu evolutionärer Vollbringung, welche die Souveränität des Allmächtigen Supremen voraussetzt und folglich eine Beteiligung der Geschöpfe an der Macht-Persönlichkeits-Synthese wie im gegenwärtigen Universumszeitalter ausschließt. Man darf also die Unvollständigkeit des Supremen als einen Vorzug betrachten, macht sie doch das evolutionäre Wachstum der Geschöpfes-Schöpfung der gegenwärtigen Universen möglich. Die Leere hat ihre Vorzüge, denn sie kann durch Erfahrung gefüllt werden. Eine der fesselndsten Fragen endlicher Philosophie ist diese: Verwirklicht sich das Supreme Wesen als Reaktion auf die Evolution des Großen Universums, oder entwickelt sich dieser endliche Kosmos fortlaufend als Reaktion auf die allmähliche Verwirklichung des Supremen? Oder ist es möglich, dass sie für ihre Entwicklung gegenseitig aufeinander angewiesen sind? Dass sie evolutionäre Gegenstücke sind, deren jedes das Wachstum des anderen auslöst? Einer Sache sind wir uns sicher: Geschöpfe und Universen, hohe und niedrige, entwickeln sich im Supremen, und in dem Maße, wie sie sich entwickeln, tritt die geeinte Summe der gesamten endlichen Aktivität dieses Universumszeitalters in Erscheinung. Und das ist das Erscheinen des Supremen Wesens, das für alle Persönlichkeiten die Evolution der Allmacht des Supremen Gottes ist. ***** 117.3 Die Bedeutung des Supremen für die Universumsgeschöpfe ***** Die unterschiedlich als Supremes Wesen, Supremer Gott und Allmächtiger Supremer bezeichnete kosmische Realität ist die komplexe und universale Synthese der werdenden Phasen aller endlichen Realitäten. Die ungeheure Diversifizierung der ewigen Energie, des göttlichen Geistes und des universalen Verstandes gelangt zu ihrem endlichen Gipfelpunkt in der Evolution des Supremen, der die Gesamtsumme allen endlichen Wachstums ist, selbstverwirklicht auf Gottheitsebenen endlicher maximaler Erfülltheit. Der Supreme ist der göttliche Kanal, durch den der Strom schöpferischer Unendlichkeit der Trioditäten fließt. Dieser verfestigt sich im galaktischen Panorama des Raums, vor dessen Hintergrund sich das großartige Persönlichkeitsdrama der Zeit abspielt: die geistige Eroberung der Energie-Materie durch Vermittlung des Verstandes. Jesus sagte: "Ich bin der lebendige Weg", und so ist er der lebendige Weg von der materiellen Ebene des Selbstbewusstseins zur geistigen Ebene des Gottesbewusstseins. Und so wie er der lebendige Weg für den Aufstieg vom Selbst zu Gott ist, so ist der Supreme der lebendige Weg vom endlichen Bewusstsein zum transzendierten Bewusstsein, ja sogar bis zu absoniter Schau. Euer Schöpfersohn kann wirklich solch ein lebendiger Kanal vom Menschsein zur Göttlichkeit sein, da er persönlich den Universumspfad des Fortschritts gegangen ist und ihn bis zur Neige erfahren hat, vom echten Menschsein Josuas ben Joseph, des Menschensohnes, bis zur Paradies-Göttlichkeit Michaels von Nebadon, des Sohnes des unendlichen Gottes. Analog dazu kann das Supreme Wesen als universale Annäherung an die Transzendenz endlicher Begrenzungen funktionieren, denn es ist die tatsächliche Verkörperung und persönliche Konzentration aller Geschöpfesevolution, -progression und -vergeistigung. Selbst die Erfahrungen, welche die vom Paradies niedersteigenden Persönlichkeiten im Großen Universum machen, sind jener Teil seiner Erfahrung, der seine Summierung der Aufstiegserfahrungen der Pilger der Zeit ergänzt. Der sterbliche Mensch ist mehr als nur im übertragenen Sinne "nach dem Bilde Gottes geschaffen". Vom physischen Standpunkt aus ist diese Behauptung kaum wahr, aber mit Bezug auf gewisse universale Potentialitäten ist sie eine wirkliche Tatsache. In der menschlichen Rasse spielt sich einigermaßen dasselbe Drama evolutionären Vollbringens ab wie dasjenige, das in einem unermesslich viel größeren Maßstab im Universum der Universen stattfindet. Der Mensch, eine mit Willen begabte Persönlichkeit, wird schöpferisch in Verbindung mit einem Justierer, einer unpersönlichen Wesenheit, in Gegenwart der endlichen Potentialitäten des Supremen, und das Ergebnis ist das Erblühen einer unsterblichen Seele. In den Universen wirken die Schöpferpersönlichkeiten von Zeit und Raum in Verbindung mit dem unpersönlichen Geist der Paradies-Trinität und werden dadurch zu Schöpfern eines neuen Machtpotentials der Gottheitsrealität. Der Mensch als ein Geschöpf ist nicht genau mit dem Supremen Wesen vergleichbar, das Gottheit ist, aber die Evolution des Menschen gleicht in mancher Hinsicht dem Wachstum des Supremen. Der Mensch wächst bewusst vom Materiellen zum Geistigen durch die Kraft, Macht und Ausdauer seiner eigenen Entscheidungen; er wächst auch dadurch, dass sein Gedankenjustierer neue Techniken entwickelt, um von den geistigen zu den morontiellen seelischen Ebenen hinabzureichen; und wenn die Seele einmal geboren ist, beginnt sie von selbst und aus sich heraus zu wachsen. Das gleicht irgendwie der Art, wie das Supreme Wesen sich erweitert. Seine Souveränität wächst in und aus den Handlungen und Vollbringungen der Supremen Schöpferpersönlichkeiten; das ist die Evolution der Majestät seiner Macht als Herrscher über das Große Universum. Ebenso hängt seine Gottheitsnatur von der vorausexistierenden Einheit der Paradies-Trinität ab. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt der Evolution des Supremen Gottes: Dass er sich aus den Schöpfern entwickelt hat und der Trinität entstammt, ist nicht alles; er hat sich auch aus sich selber entwickelt und entstammt sich selber. Der Supreme Gott ist selber ein mit Willen begabter, schöpferischer Teilnehmer an seiner eigenen Gottheitsverwirklichung. Ganz ebenso ist die menschliche morontielle Seele eine mit Willen begabte, mitschöpferische Partnerin bei der Arbeit an ihrer eigenen Unsterblichkeit. Der Vater wirkt mit dem Mit-Vollzieher zusammen, um die Energien des Paradieses zu manipulieren und sie für den Supremen ansprechbar zu machen. Der Vater wirkt mit dem Ewigen Sohn bei der Erzeugung der Schöpferpersönlichkeiten zusammen, deren Handlungen dereinst in der Souveränität des Supremen gipfeln werden. Der Vater wirkt mit dem Sohn und dem Geist bei der Erschaffung der Persönlichkeiten der Trinität zusammen, damit sie als Herrscher des Großen Universums bis zu dem Zeitpunkt walten, wo die abgeschlossene Evolution des Supremen diesen zur Übernahme der Souveränität qualifizieren wird. Der Vater kooperiert mit seinen Gottheit- und Nichtgottheit-Beigeordneten auf diese und manch andere Weise bei der Förderung der Evolution der Suprematie, aber er funktioniert in diesen Angelegenheiten auch allein. Und seine einsame Funktion offenbart sich wohl am besten im Wirken der Gedankenjustierer und der mit ihnen verwandten Wesenheiten. Gottheit ist Einheit, existentielle Einheit in der Trinität, erfahrungsmäßige im Supremen, und in den Sterblichen als Geschöpf verwirklichte Einheit durch die Fusion mit dem Justierer. Die Gegenwart des Gedankenjustierers im sterblichen Menschen offenbart die wesentliche Einheit des Universums, denn der Mensch, die niedrigste denkbare Art von Universumspersönlichkeit, beherbergt in sich ein wirkliches Fragment der höchsten und ewigen Realität, des ursprünglichen Vaters aller Persönlichkeiten selber. Das Supreme Wesen entwickelt sich kraft seiner Verbindung mit der Paradies-Trinität und aufgrund der göttlichen Erfolge der Schöpfer- und Verwalterkinder derselben Trinität. Die unsterbliche Seele des Menschen arbeitet an ihrer eigenen ewigen Bestimmung durch ihre Verbindung mit der göttlichen Gegenwart des Paradies-Vaters und in Übereinstimmung mit den persönlichen Entscheidungen des menschlichen Verstandes. Was die Trinität für den Supremen Gott ist, ist der Justierer für den sich entwickelnden Menschen. Während des gegenwärtigen Universumszeitalters ist das Supreme Wesen offenbar unfähig, unmittelbar als Schöpfer zu wirken außer in Fällen, wo die endlichen Aktionsmöglichkeiten durch die kreativen Organe von Zeit und Raum erschöpft sind. Dies ist in der Universumsgeschichte bisher nur ein einziges Mal geschehen: Als im Falle der Universumsreflexivität alle Möglichkeiten endlicher Aktion ausgeschöpft waren, funktionierte der Supreme als schöpferischer Kulminator aller vorausgegangenen Schöpferhandlungen. Und wir glauben, dass er in künftigen Zeitaltern jedes Mal dann als Kulminator funktionieren wird, wenn vorangegangenes Schöpfertum einen entsprechenden Zyklus schöpferischer Aktivität erfüllt hat. Das Supreme Wesen erschuf den Menschen nicht, aber der Mensch ging buchstäblich aus den Potentialitäten des Supremen hervor, ihnen entstammte sein eigentliches Leben. Ebenso wenig entwickelt er den Menschen; und doch ist der Supreme selbst die wahre Essenz der Evolution. Vom endlichen Standpunkt aus gesehen, leben, bewegen wir uns und haben unser Dasein wirklich in der Immanenz des Supremen. Der Supreme kann offenbar keine ursprünglichen Ursachen auslösen, aber er erscheint als der Katalisator des ganzen Universumswachstums, und, was die Bestimmung aller erfahrungsmäßig-evolutionären Wesen betrifft, ist er anscheinend dazu ausersehen, die Kulmination der Totalität zu liefern. Im Vater hat das Konzept eines endlichen Kosmos seinen Ursprung; die Schöpfersöhne setzen diese Idee im Einverständnis und unter Mitwirkung der Schöpferischen Geiste in Zeit und Raum in die Tat um; der Supreme ist die Kulmination alles Endlichen und stellt dessen Beziehung zur Bestimmung des Absoniten her. ***** 117.4 Der endliche Gott ***** Wenn wir das unaufhörliche Ringen der Geschöpfesschöpfung um Vollkommenheit des Status und Göttlichkeit des Seins betrachten, können wir nicht umhin zu glauben, dass diese endlosen Anstrengungen Ausdruck des unablässigen Kampfes des Supremen um göttliche Selbstverwirklichung sind. Der Supreme Gott ist die endliche Gottheit, und er muss mit den Problemen des Endlichen im vollsten Sinne des Wortes fertig werden. Unsere Kämpfe mit den Wechselfällen der Zeit in den Entwicklungen des Raums sind der Widerschein seiner Anstrengungen, um zur Realität des Selbst und zur Fülle der Souveränität im Handlungsbereich zu gelangen, den seine sich entwickelnde Natur bis zu den äußersten Grenzen des Möglichen ausdehnt. Im ganzen Großen Universum ringt der Supreme um Ausdruck. Seine göttliche Evolution gründet gewissermaßen auf dem durch Weisheit bestimmten Handeln jeder existierenden Persönlichkeit. Wenn ein menschliches Wesen das ewige Fortleben wählt, wird es zum Mitschöpfer seiner Bestimmung; und im Leben dieses aufsteigenden Sterblichen findet der endliche Gott ein höheres Maß an persönlicher Selbstverwirklichung und eine Vergrößerung erfahrungsmäßiger Souveränität. Aber wenn ein Geschöpf die ewige Laufbahn zurückweist, erleidet jener Teil des Supremen, der von der Wahl dieses Geschöpfes abhängig war, einen unvermeidlichen Aufschub, einen Verlust, der durch Neben- oder Ersatzerfahrungen kompensiert werden muss; was die Persönlichkeit des Nichtfortlebenden betrifft, geht sie in der Überseele der Schöpfung auf und wird ein Teil der Gottheit der Suprematie. Gott ist so vertrauend, so liebend, dass er in die Hände selbst menschlicher Wesen zu ihrer Sicherheit und Selbstverwirklichung eine Portion seiner göttlichen Natur legt. Die Vaternatur, die Justierergegenwart, ist unzerstörbar, was für eine Wahl das sterbliche Wesen auch immer treffen mag. Das Kind des Supremen, das sich entwickelnde Selbst, kann zerstört werden trotz der Tatsache, dass die potentiell einigende Persönlichkeit solch eines missgeleiteten Selbst als ein Faktor der Gottheit der Suprematie weiterbesteht. Die menschliche Persönlichkeit kann die Individualität der Geschöpfesnatur wirklich vernichten, und obwohl alles, was im Leben eines solchen kosmischen Selbstmörders Wert hatte, weiter besteht, werden diese Qualitäten nicht als ein individuelles Geschöpf weiter bestehen. Der Supreme wird einen neuen Ausdruck in anderen Universumsgeschöpfen finden, aber nie wieder in dieser besonderen Person; die einmalige Persönlichkeit eines Nichtaufsteigers kehrt zum Supremen zurück wie ein Wassertropfen zum Meer. Jede Einzelhandlung der persönlichen Teile des Endlichen ist relativ irrelevant für das schließliche Erscheinen des Supremen Ganzen, aber das Ganze ist nichtsdestoweniger abhängig von der Gesamtheit der Handlungen der vielen Teile. Die Persönlichkeit des individuellen Sterblichen ist unbedeutend angesichts des Ganzen der Suprematie, aber die Persönlichkeit jedes Menschenwesens stellt einen unersetzlichen Bedeutungs-Wert im Endlichen dar; ist die Persönlichkeit einmal ausgedrückt worden, findet sie nie wieder einen identischen Ausdruck außer in der Fortexistenz ebendieser lebendigen Persönlichkeit. Während wir also für unseren Selbstausdruck kämpfen, kämpft der Supreme in uns und mit uns für den Ausdruck der Gottheit. So wie wir den Vater finden, hat der Supreme den Paradies-Schöpfer aller Dinge wieder gefunden. So wie wir die Probleme der Selbstverwirklichung meistern, erreicht der Gott der Erfahrung in den Universen von Zeit und Raum allmächtige Suprematie. Die Menschheit steigt im Universum nicht ohne Anstrengung auf, und ebenso wenig entwickelt sich der Supreme ohne gezieltes und intelligentes Handeln. Die Geschöpfe gelangen durch rein passives Verhalten nicht zur Vollkommenheit, und ebenso wenig kann der Geist der Suprematie die Macht des Allmächtigen ohne unaufhörliche dienende Hingabe an die endliche Schöpfung verwirklichen. Die zeitliche Beziehung des Menschen zum Supremen ist die Grundlage kosmischer Sittlichkeit, ist das universale Gespür für Pflicht und deren Akzeptierung. Das ist eine Sittlichkeit, die über den zeitlichen Sinn für das relativ Richtige und Falsche hinausgeht; es ist eine Sittlichkeit, die direkt auf der Anerkennung der erfahrungsmäßigen Verpflichtung gegenüber der erfahrungsmäßigen Gottheit durch das selbstbewusste Geschöpf beruht. Der sterbliche Mensch und alle anderen endlichen Geschöpfe werden ausgehend von dem im Supremen existierenden lebendigen Energie-, Verstandes- und Geistpotential erschaffen. Der Supreme ist es, aus dem der einen Justierer beherbergende sterbliche Aufsteiger für die Erschaffung des unsterblichen und göttlichen Charakters eines Finalisten schöpft. Und gerade aus der Realität des Supremen webt der Justierer im Einverständnis mit dem menschlichen Willen die Muster der ewigen Natur eines aufsteigenden Sohnes Gottes. Die Fortschritte, die ein Justierer bei der Vergeistigung und Verewigung einer menschlichen Persönlichkeit macht, bewirken unmittelbar eine Zunahme der Souveränität des Supremen. Solche Vollbringungen in menschlicher Evolution sind zugleich Vollbringungen in der evolutionären Verwirklichung des Supremen. Es ist wahr, dass sich Geschöpfe nicht ohne den Supremen entwickeln könnten, aber es ist wahrscheinlich ebenso wahr, dass die vollständige Evolution des Supremen unabhängig von der abgeschlossenen Evolution aller Geschöpfe nie erreicht werden kann. Hierin liegt die große kosmische Verantwortung selbstbewusster Persönlichkeiten: Die Supreme Gottheit hängt in gewissem Sinne von der Wahl des menschlichen Willens ab. Und die wechselseitigen Fortschritte der Evolution der Geschöpfe und der Evolution des Supremen werden den Ältesten der Tage über die unerforschlichen Mechanismen der Universumsreflexivität getreulich und vollständig gemeldet. Die große Herausforderung, vor die der sterbliche Mensch gestellt worden ist, lautet: Wollt ihr euch dafür entscheiden, die erfahrbaren Wertebedeutungen des Kosmos in eurem eigenen sich entwickelnden Selbst zu verpersönlichen? Oder wollt ihr das Fortleben ablehnen und es zulassen, dass diese Geheimnisse der Suprematie weiterschlafen und auf das Handeln eines anderen Geschöpfes warten müssen, das irgendwann einmal auf seine Weise einen Geschöpfesbeitrag an die Evolution des endlichen Gottes versuchen wird? Aber das wird dann sein Beitrag an den Supremen sein, und nicht der eure. Der große Kampf dieses Universumszeitalters ist ein Kampf zwischen dem Potentiellen und dem Wirklichen - das Streben nach Verwirklichung von all dem, was noch unausgedrückt ist. Wenn der sterbliche Mensch in das Paradies-Abenteuer eintritt, folgt er den Bewegungen der Zeit, die wie Strömungen im Fluss der Ewigkeit dahinfließt; wenn der sterbliche Mensch die ewige Laufbahn zurückweist, bewegt er sich gegen den Strom der Ereignisse in den endlichen Universen. Die mechanische Schöpfung bewegt sich unerbittlich weiter gemäß dem sich entfaltenden Plan des Paradies-Vaters, aber die mit Willen begabte Schöpfung hat die Wahl, die Rolle einer persönlichen Beteiligung am Abenteuer der Ewigkeit anzunehmen oder abzulehnen. Der sterbliche Mensch kann die höchsten Werte der menschlichen Existenz nicht zerstören, aber er kann die Entwicklung dieser Werte in seiner eigenen persönlichen Erfahrung ganz entschieden verhindern. Genau in dem Maße, wie das menschliche Selbst sich weigert, am Aufstieg zum Paradies teilzunehmen, wird der volle Ausdruck der Göttlichkeit des Supremen im Großen Universum hinausgezögert. In die Hut des sterblichen Menschen ist nicht nur die Justierergegenwart des Paradies-Vaters gegeben worden, sondern auch die Verfügung über das Schicksal eines infinitesimalen Teils der Zukunft des Supremen. Denn so wie der Mensch die menschliche Bestimmung erreicht, gelangt der Supreme auf Gottheitsebenen zu seiner Bestimmung. Und so wartet auf jeden von euch die Entscheidung, wie sie einst auf jeden von uns gewartet hat: Wollt ihr den Gott der Zeit im Stich lassen, der so sehr von den Entscheidungen des endlichen Verstandes abhängt? Wollt ihr die Supreme Persönlichkeit der Universen aus Trägheit durch eine tierische Rückentwicklung enttäuschen? Wollt ihr den großen Bruder aller Geschöpfe fallen lassen, der so sehr von jedem Geschöpf abhängt? Könnt ihr euch selber erlauben, in das Reich des Unverwirklichten einzugehen, während sich vor euch der bezaubernde Ausblick auf die Universumslaufbahn auftut - die göttliche Entdeckung des Paradies-Vaters und die göttliche Beteiligung an der Evolution des Gottes der Suprematie und an der Suche nach ihm? Die Gaben Gottes - sein Geschenk der Realität - sind keine Abtrennungen von sich selber; er entfremdet sich die Schöpfung nicht, aber er hat Spannungen in die das Paradies umkreisenden Schöpfungen eingebracht. Zuallererst liebt Gott den Menschen und verleiht ihm das Potential der Unsterblichkeit - ewige Realität. Und wenn der Mensch Gott liebt, wird er in Wirklichkeit ewig. Und hierin liegt ein Geheimnis: Je mehr sich der Mensch Gott durch die Liebe nähert, umso größer wird die Realität - die Wirklichkeit - dieses Menschen. Je mehr sich der Mensch von Gott zurückzieht, umso mehr nähert er sich der Unwirklichkeit - dem Aufhören der Existenz. Wenn der Mensch seinen Willen ganz der Ausführung des Willens des Vaters weiht, wenn der Mensch Gott alles gibt, was er hat, dann macht Gott aus diesem Menschen mehr, als was er ist. ***** 117.5 Die Überseele der Schöpfung ***** Der große Supreme ist die kosmische Überseele des Großen Universums. In ihm finden die Qualitäten und Quantitäten des Kosmos ihre Gottheits-Widerspiegelung; seine Gottheitsnatur ist die mosaikartige Zusammensetzung der ungeheuren Totalität der ganzen Geschöpf-Schöpfer-Natur in allen sich entwickelnden Universen. Und der Supreme ist ebenfalls eine sich verwirklichende Gottheit mit einem schöpferischen Willen, der einen sich entwickelnden Universumsplan besitzt. Die intellektuellen, potentiell persönlichen Selbste des Endlichen gehen aus dem Dritten Zentralen Ursprung hervor und vollenden im Supremen ihre endliche Gottheits-Synthese in Zeit und Raum. Wenn sich das Geschöpf dem Willen des Schöpfers unterzieht, wird seine Persönlichkeit nicht etwa überflutet, noch gibt es sie auf; die individuellen persönlichen Teilhaber an der Verwirklichung des endlichen Gottes verlieren ihr mit Willen begabtes Selbst bei diesem Tun nicht. Vielmehr wachsen diese Persönlichkeiten allmählich durch die Beteiligung an dem großen Gottheitsabenteuer; durch eine solche Vereinigung mit der Göttlichkeit verherrlicht, bereichert, vergeistigt und eint der Mensch sein sich entwickelndes Selbst und gelangt tatsächlich an die Schwelle der Suprematie. Die sich entwickelnde unsterbliche Seele des Menschen, die gemeinsame Schöpfung des materiellen Verstandes und des Justierers, steigt als solche zum Paradies auf und wird später, nach ihrer Aufnahme in das Finalitätskorps, auf neue Weise mit dem Geist-Gravitationskreis des Ewigen Sohnes durch eine Erfahrungstechnik verbunden, die man Finalisten-Transzendierung nennt. Dadurch werden solche Finalisten zu annehmbaren Anwärtern auf erfahrungsmäßige Erkenntnis als Persönlichkeiten des Supremen Gottes. Und wenn diese sterblichen Intellekte dereinst in den nicht offenbarten Verwendungen des Korps der Finalität das siebente Stadium geistiger Existenz erreichen, werden diese zweifachen Verstandeswesen dreieinig werden. Die beiden aufeinander eingestimmten Intellekte, der menschliche und der göttliche, werden verherrlicht werden in der Vereinigung mit dem erfahrungsmäßigen Verstand des dann verwirklichten Supremen Wesens. In der ewigen Zukunft wird der Supreme Gott im vergeistigten Verstand, in der unsterblichen Seele des aufsteigenden Menschen verwirklicht - schöpferisch ausgedrückt und geistig verkörpert - werden, gerade so wie der Universale Vater im Erdenleben Jesu offenbart wurde. Der Mensch vereinigt sich nicht mit dem Supremen, indem dieser seine persönliche Identität überflutet, aber die universalen Auswirkungen der Erfahrung aller Menschen bilden einen Teil der göttlichen Erfahrung des Supremen. "Unser ist das Handeln, Gottes sind die Folgen." Die vorrückende Persönlichkeit lässt eine Spur verwirklichter Realität hinter sich, während sie die aufsteigenden Ebenen der Universen durchläuft. Seien sie mentaler, geistiger oder energetischer Art, die wachsenden Schöpfungen von Zeit und Raum werden durch die vorrückenden Persönlichkeiten verändert, während diese durch ihre Reiche ziehen. Wenn der Mensch handelt, reagiert der Supreme, und dieser Vorgang bildet die Tatsache des Fortschritts. Die großen Energie-, Verstandes- und Geistkreisläufe sind nie bleibender Besitz der aufsteigenden Persönlichkeit; diese dienenden Einflüsse bleiben ewig ein Teil der Suprematie. In der irdischen Erfahrung wohnt der menschliche Intellekt im rhythmischen Pulsieren der mentalen Hilfsgeiste und fällt seine Entscheidungen innerhalb des Rahmens, den seine Einschaltung in den Kreislauf dieser Einflüsse schafft. Nach dem Tod ist das menschliche Selbst für immer vom Kreis der Hilfsgeiste getrennt. Obwohl diese Hilfsgeiste nie Erfahrungen von einer Persönlichkeit auf eine andere zu übertragen scheinen, können sie die unpersönlichen Auswirkungen von Entscheidungen-Handlungen durch den Siebenfachen auf den Supremen Gott übertragen und tun es auch. (Wenigstens trifft das für die Hilfsgeiste der Anbetung und Weisheit zu.) Und dasselbe gilt für die geistigen Kreisläufe: Der Mensch benutzt sie während seines Aufstiegs durch die Universen, aber er besitzt sie nie als einen Teil seiner ewigen Persönlichkeit. Aber diese Kreisläufe geistigen Dienstes, ob es sich um den Geist der Wahrheit, den Heiligen Geist oder um geistige Gegenwarten des Superuniversums handle, sind für die in der aufsteigenden Persönlichkeit erwachenden Werte empfänglich und reagieren auf sie, und diese Werte werden durch den Siebenfachen getreu auf den Supremen übertragen. Obwohl geistige Einflüsse wie Heiliger Geist und Geist der Wahrheit lokaluniverselle Dienste sind, wird ihr Führeramt nicht völlig durch die geographischen Grenzen einer gegebenen Lokalschöpfung beschränkt. Wenn der aufsteigende Sterbliche die Grenzen des Lokaluniversums seines Ursprungs verlässt, geht er des Dienstes des Geistes der Wahrheit nicht ganz verlustig, des Geistes, der ihn so beständig unterrichtet hatte, ihn durch die philosophischen Labyrinthe der materiellen und morontiellen Welten geführt und den Paradies-Pilger während des Aufstiegs in jeder Krise unfehlbar gelenkt hatte, indem er stets wiederholte "Dies ist der Weg." Wenn ihr den Bereich des Lokaluniversums verlasst, werdet ihr während eures Aufstiegs zum Paradies dank der Fürsorge des Geistes des erwachenden Supremen Wesens und dank den Vorkehrungen der Reflexivität des Superuniversums weiterhin von dem stärkenden, richtungweisenden Geist der Paradies Gottessöhne der Selbsthingabe geführt werden. Wie registrieren diese zahlreichen Kreisläufe kosmischen Dienstes im Supremen die Bedeutungen, Werte und Tatsachen der evolutionären Erfahrung? Wir sind dessen nicht unbedingt sicher, aber wir glauben, dass diese Registrierung durch die Personen der Supremen Schöpfer paradiesischen Ursprungs erfolgt, welche die unmittelbaren Spender dieser Kreisläufe der Zeit und des Raumes sind. Alle von den sieben mentalen Hilfsgeisten bei ihrem Dienst an der physischen Ebene des Intellekts angehäufte Verstandes-Erfahrung bildet einen Teil der lokaluniversellen Erfahrung der Göttlichen Ministerin und wird wahrscheinlich durch diesen Schöpferischen Geist im Verstand der Suprematie registriert. Ebenso werden wahrscheinlich auch die menschlichen Erfahrungen mit dem Geist der Wahrheit und dem Heiligen Geist durch ähnliche Techniken in der Person der Suprematie registriert. Sogar die Erfahrung von Mensch und Justierer muss ihr Echo in der Göttlichkeit des Supremen Gottes finden, denn insofern als die Justierer Erfahrungen machen, sind sie wie der Supreme, und die sich entwickelnde Seele des sterblichen Menschen wurde aufgrund der vorausexistierenden Möglichkeit zu einer solchen Erfahrung im Supremen erschaffen. Auf diese Weise werden die mannigfaltigen Erfahrungen der ganzen Schöpfung ein Teil der Evolution der Suprematie. Die Geschöpfe benutzen bloß die Qualitäten und Quantitäten des Endlichen, während sie zum Vater aufsteigen; die unpersönlichen Auswirkungen dieser Benutzung bleiben für immer ein Teil des lebendigen Kosmos, der Person des Supremen. Was der Mensch selber als persönlichen Besitz mit sich nimmt, sind die charakterlichen Folgen der Erfahrung, die er während seines Aufstiegs zum Paradies beim Gebrauch dieser Verstandes- und Geisteskreisläufe des Großen Universums macht. Wenn der Mensch eine Entscheidung fällt und diese durch sein Handeln bestätigt, macht er eine Erfahrung, und die Bedeutungen und die Werte dieser Erfahrung bleiben für immer ein Teil seines ewigen Charakters auf allen Ebenen, von der endlichen bis zur finalen. Ein kosmisch sittlicher und göttlich geistiger Charakter eines Geschöpfes stellt das angehäufte Kapital seiner persönlichen Entscheidungen dar, die durch aufrichtige Anbetung erleuchtet, durch intelligente Liebe verherrlicht und in brüderlichem Dienst vollzogen wurden. Der sich entwickelnde Supreme wird die endlichen Geschöpfe schließlich für ihre Unfähigkeit entschädigen, jemals mehr als nur die Erfahrung eines beschränkten Kontaktes mit dem Universum der Universen zu machen. Die Geschöpfe können den Paradies-Vater erreichen, aber ihr evolutionärer Verstand, weil endlich, ist außerstande, den unendlichen und absoluten Vater wirklich zu verstehen. Aber aus der Tatsache, dass alle Geschöpfeserfahrung im Supremen registriert wird und ein Teil von ihm ist, folgt: Wenn dereinst alle Geschöpfe die finale Ebene endlicher Existenz erreichen und die vollständige Universumsentwicklung es ihnen ermöglicht, den Supremen Gott als eine wirkliche göttliche Gegenwart zu erreichen, wird dieser Kontakt, weil es in seiner Natur liegt, ein Kontakt mit der totalen Erfahrung sein. Das Endliche der Zeit trägt in sich den Keim der Ewigkeit; und man lehrt uns, dass wenn mit erfüllter Evolution sich die Fähigkeit zu kosmischem Wachstum erschöpfen wird, das Endliche in seiner Gesamtheit auf der Suche nach dem Vater als Ultimen die absoniten Phasen der ewigen Laufbahn in Angriff nehmen wird. ***** 117.6 Die Suche nach dem Supremen ***** Wir suchen den Supremen in den Universen, aber wir finden ihn nicht. "Er ist das Innen und Außen aller Dinge und Wesen, der sich bewegenden und der ruhenden. Unerforschlich in seinem Geheimnis ist er, obwohl fern, doch nah." Der Allmächtige Supreme ist "die Gestalt des noch Formlosen, das Muster des noch zu Erschaffenden". Der Supreme ist euer universelles Zuhause, und wenn ihr ihn findet, ist es, als kehrtet ihr nach Hause. Er ist euer erfahrungsmäßiger Vater, und ganz so wie das, was menschliche Wesen erfahren, ist er in der Erfahrung göttlicher Elternschaft gewachsen. Er kennt euch, weil er in seinem Wesen ebenso sehr Geschöpf wie Schöpfer ist. Wenn ihr Gott wahrhaftig zu finden wünscht, werdet ihr es solange nicht schaffen, als in eurem Gemüt nicht das Bewusstsein des Supremen erwacht ist. So wie Gott euer göttlicher Vater ist, ist der Supreme eure göttliche Mutter, von welcher ihr während eures ganzen Lebens als Universumsgeschöpfe gehegt werdet. "Wie universal ist der Höchste - er umringt uns auf allen Seiten! Die Dinge sonder Zahl der Schöpfung hängen für ihr Leben von seiner Gegenwart ab, und er verweigert sie keinem." Was Michael für Nebadon, ist der Supreme für den endlichen Kosmos; seine Gottheit ist der breite Kanal, durch den des Vaters Liebe in die ganze Schöpfung hinausfließt, und er ist die breite Straße, auf der sich die endlichen Geschöpfe nach innen bewegen auf ihrer Suche nach dem Vater, der Liebe ist. Sogar die Gedankenjustierer sind mit ihm verwandt; ihrer ursprünglichen Natur und Göttlichkeit nach sind sie wie der Vater, aber wenn sie die Erfahrung der Ereignisse der Zeit in den Universen des Raums machen, werden sie wie der Supreme. Die Entscheidung eines Geschöpfes, den Willen des Schöpfers zu tun, ist ein kosmischer Wert und hat eine universale Bedeutung, auf welche eine nichtoffenbarte, aber allgegenwärtige Koordinationskraft augenblicklich reagiert, wahrscheinlich das Wirken der immer weiter ausgreifenden Aktion des Supremen Wesens. Die morontielle Seele eines sich entwickelnden Sterblichen ist wirklich der Sohn des Justierer-Wirkens des Universalen Vaters und das Kind der kosmischen Reaktion des Supremen Wesens, der Universalen Mutter. Der Mutter-Einfluss beherrscht die menschliche Persönlichkeit während der ganzen im Lokaluniversum verbrachten Kindheit der wachsenden Seele. Der Einfluss beider Gottheits-Eltern wird ausgeglichener nach der Fusion mit dem Justierer und während der superuniversellen Laufbahn, aber wenn die Geschöpfe der Zeit mit dem Durchlaufen des ewigen Zentraluniversums beginnen, tritt die Vaternatur immer stärker hervor und erreicht ihren höchsten endlichen Ausdruck nach der Erkenntnis des Universalen Vaters und nach der Aufnahme in das Korps der Finalität. In der Erfahrung, ein Finalist geworden zu sein, und durch sie werden die erfahrungsmäßigen mütterlichen Eigenschaften des aufsteigenden Selbst außerordentlich beeinflusst durch die Berührung und Durchdringung mit der geistigen Gegenwart des Ewigen Sohnes und mit der mentalen Gegenwart des Unendlichen Geistes. Später geschieht in allen Bereichen der Finalistenaktivität im Großen Universum ein neues Erwachen des latenten Mutterpotentials des Supremen, ein neues Innewerden von erfahrungsmäßigen Bedeutungen und eine neue Synthese der erfahrungsmäßigen Werte der gesamten Aufstiegslaufbahn. Es scheint, dass diese Selbstverwirklichung in der Universumslaufbahn der Finalisten des sechsten Stadiums weitergehen wird, bis das Muttererbe des Supremen eine endliche Übereinstimmung mit dem Justierererbe des Vaters erreicht hat. Diese fesselnde Periode des Wirkens im Großen Universum stellt die sich fortsetzende Erwachsenenlaufbahn des aufsteigenden und vervollkommneten Sterblichen dar. Auf den Abschluss des sechsten Existenzstadiums und den Eintritt in das siebente und finale Stadium des geistigen Status werden wahrscheinlich die fortschreitenden Zeitalter bereichernder Erfahrung, reifender Weisheit und Verwirklichung der Göttlichkeit folgen. Für die Natur eines Finalisten wird das wahrscheinlich soviel bedeuten wie erreichter Sieg im mentalen Ringen um geistige Selbstverwirklichung, die Vollendung der Koordination der aufsteigenden Menschennatur mit der göttlichen Justierernatur innerhalb der Grenzen endlicher Möglichkeiten. Solch ein wunderbares Universumsselbst wird ebenso zum ewigen Finalistensohn des Paradies-Vaters wie zum ewigen Universumskind des Mutter-Supremen, zu einem Universumsselbst, das qualifiziert ist, sowohl den Vater als auch die Mutter der Universen und Persönlichkeiten in jeder Aktivität oder Unternehmung zu vertreten, die die endliche Verwaltung erschaffener, schöpferischer oder sich entwickelnder Dinge und Wesen betrifft. Alle eine Seele entwickelnden Menschen sind buchstäblich die evolutionären Söhne Gottes des Vaters und Gottes der Mutter, des Supremen Wesens. Aber solange sich der sterbliche Mensch in seiner Seele seines göttlichen Erbes nicht bewusst geworden ist, muss die Gewissheit, mit Gott verwandt zu sein, durch den Glauben zustande kommen. Die menschliche Lebenserfahrung ist der kosmische Kokon, in welchem die universalen Begabungen des Supremen Wesens und die universale Gegenwart des Universalen Vaters (beides keine Persönlichkeiten) die morontielle Seele der Zeit und den menschlich-göttlichen Finalistencharakter universeller Bestimmung und ewigen Dienstes heranbilden. Die Menschen vergessen allzu oft, dass Gott die größte Erfahrung in der menschlichen Existenz ist. Die anderen Erfahrungen sind in ihrem Wesen und Inhalt begrenzt, aber die Erfahrung Gottes hat keine Grenzen außer denen des Fassungsvermögens des Geschöpfes, und es ist gerade die Erfahrung Gottes, die dieses Vermögen steigern kann. Wenn die Menschen Gott suchen, suchen sie alles. Wenn sie Gott gefunden haben, haben sie alles gefunden. Die Suche nach Gott ist uneingeschränktes Verschenken von Liebe, begleitet von erstaunlichen Entdeckungen neuer und noch größerer Liebe, die verschenkt werden will. Alle wahre Liebe kommt von Gott, und der Mensch empfängt die göttliche Liebe in dem Maße, wie er sie an seine Mitmenschen weiterschenkt. Liebe ist dynamisch. Sie kann nie eingefangen werden; sie ist lebendig, frei, begeisternd und immer in Bewegung. Nie kann der Mensch die Liebe des Vaters nehmen und sie in seinem Herzen einschließen. Des Vaters Liebe kann für den sterblichen Menschen nur real werden, wenn sie durch die Persönlichkeit dieses Menschen hindurchgeht, indem er diese Liebe seinerseits an seine Weggefährten weiterschenkt. Der große Kreislauf der Liebe geht vom Vater durch die Söhne zu den Brüdern und von da zum Supremen. Die Liebe des Vaters erscheint in der sterblichen Persönlichkeit durch das Wirken des innewohnenden Justierers. Solch ein Gott kennender Sohn offenbart diese Liebe seinen Universumsbrüdern, und diese brüderliche Zuneigung ist die Essenz der Liebe des Supremen. Es gibt keinen anderen Zugang zum Supremen als die Erfahrung, und in den jetzigen Schöpfungsepochen gibt es nur drei Wege, auf denen sich das Geschöpf der Suprematie nähern kann: 1. Die Paradies-Bürger steigen von der ewigen Insel durch Havona herab, wo sie die Fähigkeit erlangen, die Suprematie zu verstehen, indem sie die Unterschiede zwischen den Realitäten des Paradieses und Havonas beobachten und durch Forschen die mannigfaltigen Aktivitäten der Supremen Schöpferpersönlichkeiten entdecken, von den Hauptgeisten bis zu den Schöpfersöhnen. 2. Die Aufsteiger von Zeit und Raum, die aus den evolutionären Universen der Supremen Schöpfer heraufkommen, nähern sich auf ihrem Weg durch Havona dem Supremen sehr stark in Vorbereitung auf eine zunehmende Würdigung der Einheit der Paradies-Trinität. 3. Die Einheimischen Havonas gewinnen ein Verständnis des Supremen aus Kontakten mit niedersteigenden Pilgern aus dem Paradies und aufsteigenden Pilgern aus den sieben Superuniversen. Die Einheimischen Havonas sind von Natur aus in der Lage, die grundlegend verschiedenen Gesichtspunkte der Bürger der ewigen Insel und der Bürger der evolutionären Universen miteinander zu harmonisieren. Für evolutionäre Geschöpfe gibt es sieben große Wege der Annäherung an den Universalen Vater, und jede dieser Aufstiegsweisen zum Paradies erfolgt durch die Göttlichkeit eines der sieben Hauptgeiste; jede derartige Annäherung wird ermöglicht durch eine wachsende Bereitschaft zu Erfahrungen als Folge des Dienens des Geschöpfes in dem Superuniversum, das die Natur des betreffenden Hauptgeistes widerspiegelt. Die Gesamtsumme dieser sieben Erfahrungen stellt die gegenwärtig bekannte Grenze des Bewusstseins dar, das ein Geschöpf von der Realität und Wirklichkeit des Supremen Gottes besitzen kann. Es sind nicht nur des Menschen eigene Begrenzungen, die ihn daran hindern, den endlichen Gott zu finden, es ist auch die Unfertigkeit des Universums. Ebenso macht die Unfertigkeit aller Geschöpfe - vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger - den Supremen unzugänglich. Gott der Vater kann von jedem Einzelwesen gefunden werden, das die göttliche Ebene der Gottähnlichkeit erreicht hat, aber kein Geschöpf wird je den Supremen Gott persönlich vor jenem weit entfernten Zeitpunkt entdecken, wo alle Geschöpfe ihn durch universelles Erlangen der Vollkommenheit zugleich finden werden. Trotz der Tatsache, dass ihr ihn in diesem Universumszeitalter nicht persönlich finden könnt, wie ihr den Vater, den Sohn und den Geist finden könnt und werdet, werden der Aufstieg zum Paradies und die darauf folgende Universumslaufbahn nichtsdestoweniger in eurem Bewusstsein allmählich die Erkenntnis der universellen Gegenwart und kosmischen Aktion des Gottes aller Erfahrung entstehen lassen. Die Früchte des Geistes sind die Substanz des Supremen, wie er in menschlicher Erfahrung zu verwirklichen ist. Dass der Mensch irgendwann den Supremen erreichen kann, ist die Folge seiner Fusion mit dem Geist der Paradies-Gottheit. Im Falle der Urantianer ist dieser Geist die Justierer-Gegenwart des Universalen Vaters; und obwohl der Unergründliche Mentor aus dem Vater kommt und wie der Vater ist, bezweifeln wir, ob sogar eine so göttliche Gabe die unmögliche Aufgabe bewältigen kann, dem endlichen Geschöpf das Wesen des unendlichen Gottes zu offenbaren. Wir vermuten, dass das, was die Justierer zukünftigen Finalisten des siebenten Stadiums offenbaren werden, die Göttlichkeit und Natur des Supremen Gottes ist. Und diese Offenbarung wird für ein endliches Geschöpf sein, was die Offenbarung des Unendlichen für ein absolutes Wesen wäre. Der Supreme ist nicht unendlich, aber er schließt wahrscheinlich alles an Unendlichkeit ein, was ein endliches Geschöpf je wirklich verstehen kann. Mehr als den Supremen zu verstehen, heißt mehr als endlich zu sein! Alle erfahrungsmäßigen Schöpfungen hängen zur Verwirklichung ihrer Bestimmung gegenseitig voneinander ab. Nur die existentielle Realität enthält sich selber und existiert aus sich selber heraus. Havona und die sieben Universen haben sich gegenseitig nötig, um zu einem Maximum an endlicher Vollbringung zu gelangen; ebenso werden sie dereinst von den zukünftigen Universen des Äußeren Raums abhängen, um die Transzendenz des Endlichen zu schaffen. Ein menschlicher Aufsteiger kann den Vater finden; Gott ist existentiell und deshalb real, ganz unabhängig vom Erfahrungsstatus im gesamten Universum. Aber kein einzelner Aufsteiger wird je den Supremen finden, bevor alle Aufsteiger jene maximale Universumsreife erlangt haben, die sie dazu qualifiziert, gleichzeitig an dieser Entdeckung teilzunehmen. Der Vater kennt kein Ansehen der Person; er behandelt jeden seiner aufsteigenden Söhne als kosmisches Einzelwesen. Auch der Supreme kennt kein Ansehen der Person; er behandelt seine erfahrungsmäßigen Kinder als ein einziges kosmisches Ganzes. Der Mensch kann den Vater in seinem Herzen entdecken, aber den Supremen muss er in den Herzen aller anderen Menschen suchen gehen; und wenn dereinst alle Geschöpfe die Liebe des Supremen auf vollkommene Weise offenbaren, wird er für alle Geschöpfe eine universelle Wirklichkeit werden. Und das heißt mit anderen Worten, dass die Universen im Licht und Leben verankert sein werden. Von allen Persönlichkeiten erreichte vervollkommnete Selbstverwirklichung und in allen Universen erreichtes vervollkommnetes Gleichgewicht ist gleichbedeutend mit dem Erreichen des Supremen und heißt Befreiung aller endlichen Realität von den Beschränkungen unvollständiger Existenz. Solch eine Erschöpfung aller endlichen Potentiale ergibt das vollständige Erreichen des Supremen oder kann anders ausgedrückt werden als die vollständige evolutionäre Verwirklichung des Supremen Wesens selber. Die Menschen finden den Supremen nicht in der plötzlichen und spektakulären Art eines Erdbebens, das Spalten in den Felsen reißt, sondern sie finden ihn langsam und geduldig in der Weise eines Flusses, der in der Stille die Erde unter sich wegträgt. Wenn ihr den Vater findet, entdeckt ihr die große Ursache eures geistigen Aufstiegs durch die Universen; wenn ihr den Supremen findet, entdeckt ihr das große Resultat eurer Hinentwicklung zum Paradies. Aber kein Sterblicher, der Gott kennt, kann sich auf seiner Reise durch den Kosmos je allein fühlen, denn er weiß, dass der Vater jeden Schritt des Weges an seiner Seite tut, während der Weg, auf dem er schreitet, die Gegenwart des Supremen ist. ***** 117.7 Die Zukunft des Supremen ***** Die erfüllte Verwirklichung aller endlichen Potentiale kommt der erfüllten Verwirklichung aller evolutionären Erfahrung gleich. Das lässt an das letztendliche Erwachen des Supremen als einer allmächtigen Gottheitsgegenwart in den Universen denken. Wir glauben, dass der Supreme in diesem Stadium seiner Entwicklung ebenso deutlich personifiziert sein wird wie der Ewige Sohn, ebenso konkret mit Macht ausgestattet wie die Paradies-Insel, ebenso vollkommen geeint wie der Mit-Vollzieher, und all das innerhalb der Begrenzungen der endlichen Möglichkeiten der Suprematie auf dem Kulminationspunkt des gegenwärtigen Universumszeitalters. Obwohl dies ein durchaus passendes Konzept der Zukunft des Supremen ist, möchten wir doch die Aufmerksamkeit auf gewisse dieser Vorstellung innewohnende Probleme lenken: 1. Die Uneingeschränkten Überwacher des Supremen könnten schwerlich zu irgendeinem Zeitpunkt vor dessen abgeschlossener Evolution vergöttlicht werden, und doch üben dieselben Überwacher schon jetzt in den im Licht und Leben verankerten Universen gezielt die Souveränität der Suprematie aus. 2. Der Supreme könnte schwerlich in der Ultimen Trinität funktionieren, bevor er die volle Wirklichkeit des universellen Status erreicht hat, und doch ist die Ultime Trinität gerade jetzt eine ganz bestimmte Realität, und ihr seid über die Existenz der Eigenschaftsbegabten Stellvertreter des Ultimen unterichtet worden. 3. Der Supreme ist für Universumsgeschöpfe nicht völlig wirklich, aber viele Gründe sprechen dafür, dass er es für die Siebenfache Gottheit, die vom Universalen Vater im Paradies bis zu den Schöpfersöhnen und den Schöpferischen Geisten der Lokaluniversen reicht, ganz und gar ist. Es kann sein, dass es an den oberen Grenzen des Endlichen, wo die Zeit in die transzendierte Zeit übergeht, eine Art Verwischung und Vermischung der zeitlichen Abfolgen gibt. Es kann sein, dass der Supreme fähig ist, auf diesen überzeitlichen Ebenen seine Universumspräsenz vorauszusehen und dann in begrenztem Maße die künftige Evolution vorwegzunehmen, indem er diese Vorhersage der Zukunft als Immanenz des Projizierten Unvollständigen auf die erschaffenen Ebenen zurückspiegelt. Man kann solche Phänomene beobachten, wo immer das Endliche mit dem Überendlichen in Kontakt tritt wie in den Erfahrungen, die von Gedankenjustierern bewohnte menschliche Wesen machen und welche richtige Vorhersagen dessen sind, was der Mensch in Zukunft und in aller Ewigkeit im Universum vollbringen wird. Wenn sterbliche Aufsteiger in das Finalistenkorps des Paradieses aufgenommen werden, leisten sie gegenüber der Paradies-Trinität einen Schwur, und indem sie diesen Treueeid ablegen, geloben sie zugleich dem Supremen Gott, der im Verständnis aller endlichen Geschöpfespersönlichkeiten die Trinität ist, ewige Loyalität. Wenn die Finalistenkompanien danach überall in den sich entwickelnden Universen wirken, sind sie bis zu den denkwürdigen Zeiten der Verankerung der Lokaluniversen im Licht und Leben allein den aus dem Paradies stammenden Weisungen unterworfen. In dem Maße, wie die neuen Regierungsorganisationen dieser vervollkommneten Schöpfungen beginnen, die erwachende Souveränität des Supremen zu widerspiegeln, beobachten wir, dass die sich abseits haltenden Finalistenkompanien die richterliche Autorität dieser neuen Regierungen anerkennen. Es scheint, dass sich der Supreme Gott als Einiger der evolutionären Korps der Finalität entwickelt, aber es ist höchst wahrscheinlich, dass die ewige Bestimmung dieser sieben Korps vom Supremen als einem Mitglied der Ultimen Trinität gelenkt werden wird. Das Supreme Wesen birgt drei überendliche Möglichkeiten universeller Manifestation in sich: 1. Absonite Zusammenarbeit in der ersten erfahrungsmäßigen Trinität. 2. Co-absolute Beziehung in der zweiten erfahrungsmäßigen Trinität. 3. Mit-unendliche Beteiligung in der Trinität der Trinitäten, aber wir haben keine zufrieden stellende Vorstellung davon, was das wirklich bedeutet. Dies ist eine der allgemein akzeptierten Hypothesen über die Zukunft des Supremen, aber es gibt auch viele Mutmaßungen bezüglich seiner Beziehungen zum gegenwärtigen Großen Universum, nachdem es einmal den Status des Lichts und Lebens erreicht haben wird. Das gegenwärtige Ziel der Superuniversen ist es, so wie sie sind und innerhalb ihrer Potentiale so vollkommen zu werden, wie Havona vollkommen ist. Diese Vollkommenheit bezieht sich auf physische und geistige Vollbringungen, aber auch auf verwaltungs-, regierungstechnische und brüderliche Entwicklung. Man glaubt, dass sich in den kommenden Zeitaltern die Möglichkeiten für Disharmonie, falsche Ausrichtung und Fehlanpassung in den Superuniversen schließlich erschöpfen werden. Die Energiekreisläufe werden sich in vollkommenem Gleichgewicht halten und dem Verstand vollständig unterworfen sein, während der Geist in Gegenwart der Persönlichkeit die völlige Herrschaft über den Verstand gewonnen haben wird. Man nimmt an, dass zu diesem weit entlegenen Zeitpunkt die geistige Person des Supremen und die errungene Macht des Allmächtigen zu einer koordinierten Entwicklung gelangt sein werden und dass beide, vereint im Supremen Verstand und durch ihn, als das Supreme Wesen in Erscheinung treten werden, als eine vollständig gewordene Wirklichkeit in den Universen - eine Wirklichkeit, die alle Geschöpfesintelligenzen beobachten und auf die alle erschaffenen Energien reagieren können, und die in allen geistigen Wesenheiten koordiniert ist und von allen Persönlichkeiten des Universums erfahren wird. Dieses Konzept beinhaltet die tatsächliche Souveränität des Supremen im Großen Universum. Mit größter Wahrscheinlichkeit werden die gegenwärtigen Verwalter der Trinität als seine Stellvertreter weiterfahren, aber wir glauben, dass die derzeitigen Abgrenzungen zwischen den sieben Superuniversen schrittweise verschwinden werden und dass das gesamte Große Universum als ein vervollkommnetes Ganzes funktionieren wird. Es ist möglich, dass der Supreme dannzumal persönlich auf Uversa, der Hauptwelt von Orvonton, residieren und von dort aus die Verwaltung der zeitlichen Schöpfungen leiten wird, aber das ist wirklich nur eine Vermutung. Indessen wird die Persönlichkeit des Supremen Wesens ohne Zweifel an irgendeinem bestimmten Ort kontaktierbar sein, obwohl die Allgegenwart seiner Gottheit wahrscheinlich weiterhin das Universum der Universen durchdringen wird. Welcher Art die Beziehungen der Superuniversumsbürger jenes Zeitalters zum Supremen sein werden, wissen wir nicht, aber sie könnten in etwa der gegenwärtigen Beziehung zwischen den Einheimischen Havonas und der Paradies-Trinität gleichen. Das vervollkommnete Große Universum jener zukünftigen Tage wird sich gewaltig von seinem gegenwärtigen Zustand unterscheiden. Vorbei die packenden Abenteuer der Organisation der Raumgalaxien! Vorbei die Ansiedlung des Lebens auf den unsicheren Planeten der Zeit und die Entwicklung von Harmonie aus dem Chaos, von Schönheit aus Potentialen, von Wahrheit aus Bedeutungen und Güte aus Werten! Die Universen der Zeit werden ihre endliche Bestimmung erreicht haben! Und vielleicht wird es für eine Weile Ruhe geben, ein Ausspannen nach dem äonenlangen Kampf um evolutionäre Vollkommenheit. Aber nicht für lange! Mit Sicherheit, bestimmt und unerbittlich wird das Rätsel der erwachenden Gottheit des Ultimen Gottes diese vervollkommneten Bürger der stabilisierten Universen herausfordern, ganz so wie ihre kämpfenden evolutionären Vorfahren einst durch die Suche nach dem Supremen Gott herausgefordert wurden. Der Vorhang der kosmischen Bestimmung wird sich heben und den Blick freigeben auf die transzendente Größe der lockenden absoniten Suche nach der Begegnung mit dem Universalen Vater auf jenen neuen und höheren Ebenen, die sich der Geschöpfeserfahrung im Ultimen auftun werden. [Dargeboten von einem vorübergehend auf Urantia weilenden Mächtigen Botschafter.] ****** Kapitel 118 Der Supreme und der Ultime - Zeit und Raum ****** BEZÜGLICH der verschiedenen Naturen der Gottheit kann man sagen: 1. Der Vater ist aus sich selber heraus existierendes Selbst. 2. Der Sohn ist koexistierendes Selbst. 3. Der Geist ist gemeinsam existierendes Selbst. 4. Der Supreme ist evolutionär-erfahrungsmäßiges Selbst. 5. Der Siebenfache ist sich selbst austeilende Göttlichkeit. 6. Der Ultime ist transzendent-erfahrungsmäßiges Selbst. 7. Der Absolute ist existentiell-erfahrungsmäßiges Selbst. Während der Siebenfache Gott für die evolutionäre Vollendung des Supremen unerlässlich ist, ist der Supreme auch unerlässlich für das schließliche Erwachen des Ultimen. Und die doppelte Gegenwart des Supremen und Ultimen bildet die fundamentale Vereinigung unterabsoluter und abgeleiteter Gottheit, denn beide sind in wechselseitiger Abhängigkeit komplementär zum Erreichen der Bestimmung. Zusammen sind sie die erfahrungsmäßige Brücke, welche die Anfänge und die Erfüllung alles schöpferischen Wachstums im Alluniversum verbindet. Schöpferisches Wachstum ist endlos, aber immer befriedigend; es ist endlos in der Ausdehnung, wird aber stets unterbrochen durch jene die Persönlichkeit beglückenden Pausen momentaner Zielerreichung, die den wirksamen Auftakt zur Mobilisierung für neue Abenteuer in kosmischem Wachstum, Universumserforschung und Annäherung an die Gottheit bilden. Obwohl die Domäne der Mathematik von qualitativen Begrenzungen umgeben ist, verschafft sie dem endlichen Verstand doch eine konzeptuelle Grundlage für die Betrachtung der Unendlichkeit. Es gibt für Zahlen keine quantitative Begrenzung, nicht einmal für das Begriffsvermögen des endlichen Verstandes. Gleichgültig, wie groß die vorgestellte Zahl ist, ihr könnt euch immer noch eine weitere Einheit hinzudenken. Und ihr könnt auch verstehen, dass das nahe an die Unendlichkeit herankommt, denn so oft ihr diese Addition auch wiederholt, kann immer noch eine weitere hinzugefügt werden. Zugleich kann in einer unendlichen Serie an einem beliebigen Punkt die Summe festgestellt werden, und diese Summe (oder besser Zwischensumme) verschafft einer gegebenen Person mit einem gegebenen Status zu einem gegebenen Zeitpunkt die volle Süße des erreichten Ziels. Aber früher oder später beginnen in derselben Person wiederum Hunger und Sehnsucht nach neuen und größeren Zielen zu erwachen, und immer wieder werden in der Fülle der Zeit und in den Zyklen der Ewigkeit solche Abenteuer des Wachstums eintreten. Jedes neue Universumszeitalter ist der Vorraum der folgenden Ära kosmischen Wachstums, und jede Universumsepoche liefert allen vorausgehenden Stadien eine unmittelbare Bestimmung. Havona ist für sich genommen eine vollkommene, aber durch ihre Vollkommenheit beschränkte Schöpfung; durch ihre Expansion in die evolutionären Superuniversen findet die Vollkommenheit Havonas nicht nur eine kosmische Bestimmung, sondern auch Befreiung von den Begrenzungen vorevolutionärer Existenz. ***** 118.1 Zeit und Ewigkeit ***** Es ist für die kosmische Orientierung des Menschen nützlich, zum größtmöglichen Verständnis der Gottheitsbeziehungen zum Kosmos zu gelangen. Obwohl die absolute Gottheit ihrem Wesen nach ewig ist, stehen die Götter mit der Zeit im Sinne einer Erfahrung in der Ewigkeit in Beziehung. In den evolutionären Universen ist die Ewigkeit eine zeitliche ewige Dauer - das ewige Jetzt. Die Persönlichkeit des sterblichen Geschöpfes kann ewig werden durch Selbstidentifikation mit dem ihr innewohnenden Geist durch Anwendung der Technik, die Ausführung des Willens des Vaters zu wählen. Eine solche Weihung des Willens ist gleichbedeutend mit dem Innewerden der Ewigkeitsrealität des Vorhabens. Das bedeutet, dass das Ziel des Geschöpfes, was die Abfolge der Augenblicke betrifft, unverrückbar geworden ist, oder anders ausgedrückt, dass die Abfolge der Augenblicke keine Änderung am Ziel des Geschöpfes bringen wird. Ob eine Million oder eine Milliarde Augenblicke ist unerheblich. Die Zahl hat im Blick auf das Geschöpfesziel jede Bedeutung verloren. So münden die Wahl des Geschöpfes und Gottes Wahl ein in die ewigen Realitäten der nie endenden Vereinigung des Geistes Gottes mit der Natur des Menschen im ewig dauernden Dienst an den Kindern Gottes und deren Paradies-Vater. In jedem gegebenen Intellekt besteht eine direkte Beziehung zwischen Reife und Einheit des Zeitbewusstseins. Die Zeiteinheit kann einen Tag, ein Jahr oder eine längere Periode betragen, aber sie ist zwangsläufig das Kriterium, aufgrund dessen das bewusste Selbst die Lebensumstände beurteilt und der konzipierende Intellekt die Tatsachen der zeitlichen Existenz misst und bewertet. In der Erfahrung des Sterblichen geht die Verlängerung der Zeiteinheit einher mit Erfahrung, Weisheit und Urteil. Wenn sich der menschliche Verstand in die Vergangenheit zurückwendet, bewertet er die vergangene Erfahrung, um sie mit einer gegenwärtigen Situa-tion in Beziehung zu setzen. Wenn der Verstand sich in die Zukunft versetzt, sucht er die zukünftige Bedeutung einer möglichen Handlung einzuschätzen. Und nachdem er in dieser Weise Erfahrung und Weisheit eingerechnet hat, wird der menschliche Wille sein Urteilen-Entscheiden in der Gegenwart ausüben, und der solcherart aus Vergangenheit und Zukunft geborene Aktionsplan beginnt zu existieren. Im reifen, sich entwickelnden Selbst vereinigen sich Vergangenheit und Zukunft, um die wahre Bedeutung der Gegenwart zu erhellen. Je reifer das Selbst wird, um so weiter zurück in die Vergangenheit begibt es sich für Erfahrenes, während die Vorhersagen seiner Weisheit immer tiefer in die unbekannte Zukunft vorzudringen versuchen. Und je weiter das konzipierende Selbst sowohl in Vergangenheit als auch in Zukunft suchend eindringt, umso unabhängiger von der augenblicklichen Gegenwart wird sein Urteil. Auf diese Weise beginnt sich das Entscheiden-Handeln aus den Fesseln der flüchtigen Gegenwart zu lösen und die Züge vergangener und zukünftiger Bedeutung anzunehmen. Geduld wird von Sterblichen geübt, deren Zeiteinheit kurz ist; wahre Reife geht über die Geduld hinaus durch eine aus wirklichem Verstehen geborene Nachsicht. Reif werden heißt, intensiver in der Gegenwart leben und zugleich den Begrenzungen der Gegenwart entschlüpfen. Die auf vergangener Erfahrung gründenden Pläne der Reife treten in der Gegenwart in einer Weise ins Dasein, die die Werte der Zukunft erhöht. Die Zeiteinheit der Unreife konzentriert Bedeutung und Wert im gegenwärtigen Augenblick in einer Weise, die die Gegenwart von ihrer wahren Beziehung zu der Nicht-Gegenwart - Vergangenheit-Zukunft - trennt. Die Zeiteinheit der Reife offenbart die koordinierte Beziehung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft so, dass das Selbst damit beginnt, Einblick in die Gesamtheit der Ereignisse zu gewinnen, damit beginnt, die Landschaft der Zeit aus einer panoramischen Perspektive erweiterter Horizonte zu betrachten, vielleicht sogar beginnt, das ewige Kontinuum ohne Anfang und Ende, dessen Fragmente man Zeit nennt, zu erahnen. Auf den Ebenen des Unendlichen und des Absoluten enthält der Augenblick der Gegenwart die ganze Vergangenheit und die ganze Zukunft. ICH BIN bedeutet ebenfalls ICH WAR und ICH WERDE SEIN. Und das stellt unser bestes Konzept der Ewigkeit und des Ewigen dar. Auf der absoluten und ewigen Ebene ist die potentielle Realität ebenso bedeutungsvoll wie die verwirklichte Realität. Nur auf der endlichen Ebene und für zeitgebundene Geschöpfe scheint zwischen beiden ein so ungeheurer Unterschied zu klaffen. Für Gott - als eines Absoluten - ist ein aufsteigender Sterblicher, der die ewige Entscheidung gefällt hat, bereits ein Finalist des Paradieses. Aber dank dem innewohnenden Gedankenjustierer ist der Universale Vater in seinem Bewusstsein nicht in dieser Weise begrenzt, sondern kann auch jede zeitliche Auseinandersetzung des Geschöpfes mit den Problemen des Aufstiegs von tierischen zu göttlichen Existenzebenen kennen und mitmachen. ***** 118.2 Omnipräsenz und Allgegenwart ***** Die Allgegenwart der Gottheit darf nicht verwechselt werden mit der Ultimität der göttlichen Omnipräsenz. Es ist des Universalen Vaters Wille, dass der Supreme, der Ultime und der Absolute seine Allgegenwart in Zeit und Raum und seine die Zeit und den Raum transzendierende Omnipräsenz mit seiner zeitlosen und raumlosen universalen und absoluten Gegenwart kompensierend koordinieren und einen sollen. Und ihr solltet daran denken, dass die Allgegenwart der Gottheit, obwohl so oft mit dem Raum verbunden, nicht notwendigerweise durch die Zeit bedingt wird. Als sterbliche und morontielle Aufsteiger nehmt ihr Gott durch den Dienst des Siebenfachen Gottes immer deutlicher wahr. Während des Durchlaufens Havonas entdeckt ihr den Supremen Gott. Im Paradies findet ihr Gott als eine Person und bald danach werdet ihr als Finalisten versuchen, ihn als Ultimen zu kennen. Für die Finalisten schiene es nach dem Erreichen des Ultimen nur einen einzigen einzuschlagenden Weg zu geben, nämlich den Beginn der Suche nach dem Absoluten. Keinen Finalisten werden die das Erreichen der Absoluten Gottheit umgebenden Ungewissheiten beunruhigen, da er ja am Ende seines supremen und seines ultimen Aufstiegs Gott dem Vater begegnet ist. Solche Finalisten werden ohne Zweifel glauben, dass, selbst wenn sie beim Finden des Absoluten Gottes erfolgreich sein sollten, sie nur wieder denselben Gott entdecken würden, den Paradies-Vater, der sich auf weiteren, nahezu unendlichen und universalen Ebenen manifestiert. Zweifellos würde das Erreichen Gottes im Absoluten zugleich den Urahnen der Universen und den Finalen Vater aller Persönlichkeiten offenbaren. Der Supreme Gott ist vielleicht keine Bekundung der Omnipräsenz der Gottheit in Zeit und Raum, aber er ist buchstäblich eine Manifestation göttlicher Allgegenwart. Zwischen der geistigen Gegenwart des Schöpfers und der materiellen Manifestation der Schöpfung liegt eine gewaltige Domäne allgegenwärtigen Werdens - das universelle Erwachen der evolutionären Gottheit. Wenn der Supreme Gott je die direkte Leitung der Universen von Zeit und Raum übernimmt, wird eine solche Gottheitsverwaltung unserer Überzeugung nach unter der höchsten Kontrolle des Ultimen funktionieren. In einem solchen Falle würde der Ultime Gott beginnen, in den Universen der Zeit als der transzendente Allmächtige (der Omnipotente) in Erscheinung zu treten, wobei er die höchste Kontrolle über die Über-Zeit und den transzendierten Raum bezüglich der administrativen Funktionen des Allmächtigen Supremen ausüben würde. So wie wir wird auch der menschliche Verstand fragen: Wenn die Evolution des Supremen Gottes zur administrativen Autorität im Großen Universum von verstärkten Manifestationen des Ultimen Gottes begleitet wird, wird dann ein entsprechendes Erwachen des Ultimen Gottes in den postulierten Universen des Äußeren Raums einhergehen mit ähnlichen und verstärkten Offenbarungen des Absoluten Gottes? Aber wir wissen es wirklich nicht. ***** 118.3 Zeit-Raum-Beziehungen ***** Für die endliche Vorstellung konnte die Gottheit die Zeit-Raum-Manifestationen nur durch die Allgegenwart einen, denn die Zeit ist eine Folge von Augenblicken, während der Raum ein System von miteinander verbundenen Punkten ist. Ihr nehmt die Zeit im Grunde durch Analyse und den Raum durch Synthese wahr. Ihr koordiniert und verbindet diese zwei ungleichen Vorstellungen durch die integrierende Schau der Persönlichkeit. In der ganzen tierischen Welt besitzt nur der Mensch diese Wahrnehmungsfähigkeit von Zeit und Raum. Für ein Tier hat Bewegung eine Bedeutung, aber nur ein Geschöpf mit Persönlichkeitsstatus kann darin einen Wert erblicken. Die Dinge werden durch die Zeit bedingt, aber die Wahrheit ist zeitlos. Je mehr Wahrheit ihr kennt, je mehr Wahrheit ihr seid, umso besser werdet ihr die Vergangenheit verstehen und die Zukunft erfassen. Die Wahrheit ist unerschütterlich - auf ewig frei von allen vorübergehenden Wechselfällen, obwohl nie tot und förmlich, immer vibrierend und anpassungsfähig - von strahlender Lebendigkeit. Aber wenn sich die Wahrheit mit Tatsachen verbindet, dann bedingen sowohl Zeit als auch Raum ihre Bedeutungen und bringen ihre Werte miteinander in Beziehung. Solche an Tatsachen gekettete Wahrheitsrealitäten werden zu Konzepten und infolgedessen in die Domäne relativer kosmischer Realitäten verwiesen. Die Verknüpfung der absoluten und ewigen Wahrheit des Schöpfers mit der konkreten Erfahrung des endlichen und zeitlichen Geschöpfes ruft einen neuen, erwachenden Wert des Supremen ins Dasein. Das Konzept des Supremen ist unerlässlich zur Koordinierung der göttlichen und unveränderlichen oberen Welt mit der endlichen und sich ewig wandelnden unteren Welt. Der Raum kommt von allen nichtabsoluten Dingen absolutem Sein am nächsten. Der Raum ist offenbar vollkommen ultim. Die wahre Schwierigkeit, die uns das Verständnis des Raums auf der materiellen Ebene bereitet, kommt von der Tatsache, dass die materiellen Körper zwar im Raum existieren, der Raum aber auch in denselben materiellen Körpern existiert. Obwohl es im Zusammenhang mit dem Raum viel Absolutes gibt, heißt das nicht, dass der Raum absolut ist. Es mag euch helfen, die Raumbeziehungen besser zu verstehen, wenn ihr annehmt, dass, relativ gesprochen, der Raum letztlich eine Eigenschaft aller materiellen Körper ist. Wenn sich demnach ein Körper durch den Raum bewegt, nimmt er auch seine sämtlichen Eigenschaften mit sich, selbst den Raum, der in diesem sich fortbewegenden Körper enthalten ist und zu ihm gehört. Alle Modelle der Realität nehmen auf den materiellen Ebenen Raum ein, aber geistige Modelle existieren nur in Beziehung zum Raum; weder besetzen sie Raum, noch verschieben oder enthalten sie welchen. Aber für uns bezieht sich das Haupträtsel des Raums auf das Modell einer Idee. Wenn wir die Verstandesdomäne betreten, treffen wir auf manch ein Mysterium. Nimmt das Modell - die Realität - einer Idee Raum ein? Wir wissen es wirklich nicht, obwohl wir sicher sind, dass das Modell einer Idee keinen Raum enthält. Aber es wäre kaum vorsichtig zu behaupten, dass Immaterielles stets nichträumlich sei. ***** 118.4 Primäre und sekundäre Verursachung ***** Viele theologische Schwierigkeiten und metaphysische Dilemmas des sterblichen Menschen kommen von seiner irrigen Ortung der Gottheitspersönlichkeit und der daraus folgenden Zuschreibung unendlicher und absoluter Attribute an untergeordnete Göttlichkeit und evolutionäre Gottheit. Ihr dürft nicht vergessen, dass es trotz der Tatsache einer wahren Ersten Ursache auch eine Unmenge von zugeordneten und untergeordneten Ursachen gibt, von zugleich assoziierten und sekundären Ursachen. Der grundlegende Unterschied zwischen primären und sekundären Ursachen liegt darin, dass primäre Ursachen ursprüngliche Wirkungen hervorbringen, die von jeglichen aus früheren Ursachen stammenden Erbfaktoren frei sind. Sekundäre Ursachen zeitigen Wirkungen, die ausnahmslos ein aus anderen und früheren Ursachen hervorgegangenes Erbe erkennen lassen. Die dem Eigenschaftslosen Absoluten innewohnenden rein statischen Potentiale reagieren auf jene Verursachungen des Gottheits-Absoluten, die durch die Handlungen der Paradies-Trinität ausgelöst werden. In Gegenwart des Universalen Absoluten werden diese vom verursachenden Impuls durchdrungenen statischen Potentiale allsogleich aktiv und beginnen, auf die Einflüsse bestimmter transzendenter Wirkkräfte anzusprechen, deren Handlungen die Umwandlung dieser aktivierten Potentiale in einen Zustand wahrer universeller Entwicklungsmöglichkeiten, verwirklichter Wachstumsfähigkeiten, bewirken. Und auf den solcherart gereiften Potentialen spielen dann die Schöpfer und Überwacher des Großen Universums das nie endende Drama kosmischer Evolution. Von den existentiellen Realitäten abgesehen, ist die Verursachung ihrem fundamentalen Wesen nach dreifacher Natur. So wie sie in diesem Universumszeitalter und auf der endlichen Ebene der sieben Superuniversen wirkt, kann sie folgendermaßen aufgefasst werden: 1. Aktivierung statischer Potentiale. Die Schaffung einer Bestimmung im Universalen Absoluten durch die Handlungen des Gottheits-Absoluten, das im Eigenschaftslosen Absoluten und auf es wirkt, in Beantwortung der Willensdekrete der Paradies-Trinität. 2. Eventuierung von Universumskapazitäten. Dies schließt die Überführung undifferenzierter Potentiale in gesonderte und ganz bestimmte Pläne ein. Dies ist eine Handlung der Ultimität der Gottheit und der mannigfaltigen Organe der transzendenten Ebene. Solche Handlungen geschehen in vollkommener Vorwegnahme der zukünftigen Bedürfnisse des ganzen Alluniversums. Und gerade im Zusammenhang mit dieser Trennung der Potentiale existieren die Architekten des Alluniversums als die wahren Verkörperungen des Gottheitskonzeptes der Universen. Ihre Pläne scheinen letztlich durch die angenommene Peripherie des Alluniversums ausdehnungsmäßig im Raum beschränkt zu sein, aber als Pläne werden sie anderswie weder durch Zeit noch Raum bedingt. 3. Schöpfung und Evolution von verwirklichten Universumsrealitäten. Auf einen solchen Kosmos, der durchdrungen ist von der Fähigkeitstiftenden Gegenwart der Ultimität der Gottheit, wirken die Supremen Schöpfer ein, um die zeitlichen Umwandlungen gereifter Potentiale in erfahrungsmäßige verwirklichte Realitäten herbeizuführen. Innerhalb des Alluniversums wird alle Verwirklichung potentieller Realität durch die ultime Fähigkeit zur Entwicklung beschränkt und in den Stadien des schließlichen In-Erscheinung-Tretens durch die Zeit und den Raum bedingt. Die Schöpfersöhne, die aus dem Paradies ausziehen, sind im kosmischen Sinne in Wirklichkeit transformierende Schöpfer. Aber das tut der menschlichen Vorstellung von ihnen als Schöpfern in keiner Weise Abbruch; aus endlicher Sicht können sie bestimmt erschaffen und tun es auch. ***** 118.5 Allmacht und Vereinbarkeit ***** Die Allmacht der Gottheit schließt nicht die Macht ein zu tun, was nicht getan werden kann. Innerhalb des zeitlichen und räumlichen Rahmens und vom intellektuellen Bezugspunkt menschlichen Begreifens aus kann auch der unendliche Gott keine viereckigen Kreise erschaffen oder Übles hervorbringen, das von Grund auf gut ist. Gott kann keine ungöttlichen Dinge tun. Ein derartiger Widerspruch philosophischer Begriffe kommt dem Nichtsein gleich und bedeutet, dass nichts in dieser Weise erschaffen wird. Ein persönlicher Wesenszug kann nicht zugleich göttlich und ungöttlich sein. Die Vereinbarkeit ist der göttlichen Macht eingeboren. Und all das fließt aus der Tatsache, dass die Allmacht nicht nur Dinge erschafft, die eine Natur besitzen, sondern dass sie auch der Ursprung der Natur aller Dinge und Wesen ist. Am Anfang tut der Vater alles, aber während sich das Panorama der Ewigkeit in Beantwortung des Willens und der Gebote des Unendlichen entfaltet, wird es immer offensichtlicher, dass die Geschöpfe, selbst die Menschen, bei der Verwirklichung der finalen Bestimmung zu Partnern Gottes werden sollen. Und das gilt sogar schon für das irdische Leben; wenn Mensch und Gott Partner werden, können den zukünftigen Möglichkeiten einer solchen Partnerschaft keine Grenzen gesetzt werden. Wenn der Mensch realisiert, dass der Universale Vater in der ewigen Fortentwicklung sein Partner ist, wenn er mit der ihn bewohnenden Vater-Gegenwart fusioniert, hat er im Geist bereits die Ketten der Zeit gesprengt und mit den ewigen Fortschritten auf der Suche nach dem Universalen Vater begonnen. Das menschliche Bewusstsein geht von der Tatsache aus und gelangt über die Bedeutung schließlich zum Wert. Das Bewusstsein des Schöpfers schreitet vom Gedanken-Wert über die Wort-Bedeutung zur Tatsache der Handlung. Immer muss Gott handeln, um uneingeschränkter Einheit zu entrinnen, die der existentiellen Unendlichkeit innewohnt. Immer muss Gott das Urmuster-Universum liefern, die vollkommenen Persönlichkeiten, ursprüngliche Wahrheit, Schönheit und Güte, nach denen alle Schöpfungen streben, die sich unterhalb der Gottheit befinden. Immer muss zuerst Gott den Menschen finden, damit der Mensch später Gott finden kann. Immer muss es zuerst einen Universalen Vater geben, bevor es je universale Sohnschaft und daraus wachsende universale Bruderschaft geben kann. ***** 118.6 Allmacht und Alltat ***** Gott ist wahrhaft allmächtig, aber er ist nicht alltätig - er tut nicht persönlich alles, was getan wird. Die Allmacht umfasst das Machtpotential des Allmächtigen Supremen und des Supremen Wesens, aber die Willensakte des Supremen Gottes sind nicht die persönlichen Handlungen des Unendlichen Gottes. Die Alltat der uranfänglichen Gottheit zu verteidigen, käme einer Entrechtung von nahezu einer Million Schöpfersöhnen des Paradieses gleich, ganz zu schweigen von den zahllosen Armeen vielfältiger anderer Ordnungen von schöpferischen Helfern, die alle ihren Beitrag leisten. Es gibt im ganzen Universum nur eine einzige Ursache ohne Ursache. Alle anderen Ursachen leiten sich von diesem einen Ersten Großen Zentralen Ursprung ab. Und nichts in dieser Philosophie tut dem freien Willen der über ein ungeheuer großes Universum verstreuten Myriaden von Kindern der Gottheit irgendwelche Gewalt an. Innerhalb eines lokalen Rahmens mag es scheinen, als funktioniere der Wille wie eine Ursache ohne Ursache, aber er lässt ausnahmslos Erbfaktoren erkennen, die eine Verbindung zu der einzigen, ursprünglichen und absoluten Ersten Ursache herstellen. Alles Wollen ist relativ. In einem auf den Ursprung bezogenen Sinne besitzt nur das Vater-ICH BIN Finalität des Willens; in einem absoluten Sinn zeigen nur der Vater, der Sohn und der Geist Willensvorrechte, die weder durch die Zeit bedingt, noch durch den Raum begrenzt sind. Der sterbliche Mensch ist mit freiem Willen, mit der Macht der Wahl begabt, und obwohl solches Wählen nicht absolut ist, ist es nichtsdestoweniger auf der endlichen Ebene und bezüglich der Bestimmung der wählenden Persönlichkeit relativ final. Auf jeder Ebene außer der absoluten stößt der Wille auf Grenzen, die im Wesen der Persönlichkeit liegen, welche die Macht der Wahl ausübt. Der Mensch kann nicht außerhalb des Rahmens dessen wählen, was wählbar ist. Er kann z. B. nicht wählen, etwas anderes als ein menschliches Wesen zu sein, außer dass er sich dafür entscheiden kann, mehr als ein Mensch zu werden; er kann wählen, die aufsteigende Reise durch das Universum anzutreten, aber das ist nur deshalb möglich, weil es sich trifft, dass in diesem Punkt menschliche Wahl und göttlicher Wille übereinstimmen. Und was ein Sohn wünscht und der Vater will, wird mit Bestimmtheit eintreten. Im Leben des Sterblichen öffnen und schließen sich dauernd Pfade für verschiedenes Verhalten, und während der Zeiten, da die Wahl möglich ist, trifft die menschliche Persönlichkeit ständig eine Wahl zwischen diesen vielen Handlungsweisen. Das zeitliche Wollen ist an die Zeit gebunden, und es muss das Vergehen der Zeit abwarten, um eine Gelegenheit zu finden, sich auszudrücken. Geistiges Wollen hat begonnen, die Befreiung von den Fesseln der Zeit zu kosten, da es ihm teilweise gelungen ist, den zeitlichen Abfolgen zu entrinnen, und dem ist so, weil geistiges Wollen sich mit dem Willen Gottes identifiziert. Das Wollen, der Akt des Wählens, muss sich in dem Universumsrahmen betätigen, der sich in Beantwortung höheren und früheren Wählens verwirklicht hat. Die ganze Reichweite des menschlichen Willens beschränkt sich strikte auf das Endliche mit Ausnahme eines einzigen Falles: Wenn der Mensch wählt, Gott zu finden und zu werden wie er, ist solch eine Wahl überendlich; nur die Ewigkeit kann enthüllen, ob diese Wahl auch überabsonit ist. Die Allmacht der Gottheit anzuerkennen, heißt, in eurer Erfahrung des kosmischen Bürgerrechts ein Gefühl des Aufgehobenseins zu empfinden, auf der langen Reise nach dem Paradies die Gewissheit von Sicherheit zu besitzen. Aber den Trugschluss der Alltat zu akzeptieren, ist soviel wie in den kolossalen Irrtum des Pantheismus zu verfallen. ***** 118.7 Allwissenheit und Prädestination ***** Im Großen Universum arbeiten Schöpferwille und Geschöpfeswille innerhalb der durch die Hauptarchitekten festgesetzten Grenzen und gemäß den von diesen geschaffenen Möglichkeiten. Diese Voraus-Festlegung von maximalen Grenzen beschneidet indessen die Souveränität des Geschöpfeswillens innerhalb dieser Schranken nicht im Mindesten. Ebenso wenig stellt das ultime Vorauswissen - das volle In-Betracht-Ziehen jeder endlichen Wahl - eine Abschaffung des endlichen Willens dar. Ein reifes und weit blickendes Menschenwesen wäre vielleicht imstande, die Entscheidung eines jüngeren Gefährten genauestens vorauszusagen, aber dieses Vorauswissen schmälert in nichts die Freiheit und Echtheit der Entscheidung selber. Die Götter haben den Aktionsbereich des unreifen Willens weise eingeschränkt, aber es handelt sich - innerhalb dieser bestimmten Grenzen - trotzdem um echten Willen. Selbst die allerhöchste Korrelation zwischen allem vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Wählen tut der Authentizität solcher Entscheidungen keinen Abbruch. Sie ist eher ein Hinweis auf die im Voraus festgelegte Richtung des Kosmos und legt eine Vorauskenntnis jener Willensgeschöpfe nahe, die sich dafür entscheiden oder es ablehnen werden, ihr Teil zu der erfahrungsmäßigen Verwirklichung der ganzen Realität beizusteuern. Der Irrtum bei endlichem Wählen ist an die Zeit gebunden und wird durch die Zeit begrenzt. Er kann nur in der Zeit existieren und innerhalb der sich entwickelnden Gegenwart des Supremen Wesens. Solch irriges Wählen ist in der Zeit möglich und zeigt (nebst der Unvollständigkeit des Supremen) den gewissen Spielraum an, den unreife Geschöpfe zum Wählen besitzen müssen, um sich des Fortschrittes im Universum zu erfreuen, indem sie aufgrund ihres freien Willens mit der Realität in Kontakt treten. Das Vorhandensein der Sünde im zeitbedingten Raum beweist klar die zeitliche Freiheit - selbst Zügellosigkeit - des endlichen Willens. Sünde ist Ausdruck der Unreife, die sich durch die Freiheit des relativ souveränen Willens der Persönlichkeit blenden lässt und der es nicht gelingt, die höchsten Verpflichtungen und Schuldigkeiten des kosmischen Bürgerrechts zu erkennen. In der endlichen Domäne bringt Frevelhaftigkeit krass die flüchtige Realität aller nicht mit Gott identifizierten Ichbewusstheit zum Ausdruck. Nur in dem Maße, wie ein Geschöpf sich mit Gott identifiziert, wird es in den Universen wahrhaftig real. Die endliche Persönlichkeit hat sich nicht selber erschaffen, aber auf dem superuniversellen Kampfplatz der Wahl bestimmt sie ihr Schicksal tatsächlich selber. Das Geschenk des Lebens befähigt die materiell-energetischen Systeme zu Selbst-Fortpflanzung, Selbst-Vermehrung und Selbst-Anpassung. Das Geschenk der Persönlichkeit verleiht den lebendigen Organismen zusätzlich die Vorrechte der Selbst-Bestimmung, Selbst-Entwicklung und Selbst-Identifikation mit einem Fusionsgeist der Gottheit. Unterpersönliche lebendige Organismen lassen einen Verstand erkennen, der die Energie-Materie aktiviert und zuerst von den physischen Überwachern und danach von den mentalen Hilfsgeisten ausgeteilt wird. Die Begabung mit Persönlichkeit kommt vom Vater und verleiht dem lebendigen System einzigartige Vorrechte der Wahl. Aber wenn die Persönlichkeit das Vorrecht genießt, sich in bewusster Wahl für die Identifikation mit der Realität zu entscheiden, und wenn das eine wahre und freie Wahl sein soll, dann muss die sich entwickelnde Persönlichkeit ebenfalls die mögliche Wahl haben, sich selbst in Verwirrung zu stürzen, zu zerrütten und zu zerstören. Die Möglichkeit kosmischer Selbst-Zerstörung kann nicht vermieden werden, wenn die sich entwickelnde Persönlichkeit bei der Betätigung ihres endlichen Willens wahrhaft frei sein soll. Deshalb besteht eine größere Sicherheit, wenn die Wahl der Persönlichkeit auf den tieferen Existenzebenen in engeren Grenzen gehalten wird. Mit dem Emporsteigen durch die Universen wird die Wahl immer freier; schließlich nähert sie sich göttlicher Freiheit, wenn die aufsteigende Persönlichkeit den Status der Göttlichkeit erreicht und allerhöchste Hingabe an die Ziele des Universums, vollständige Erlangung kosmischer Weisheit und Finalität der Geschöpfesidentifikation mit dem Willen und den Wegen Gottes. ***** 118.8 Kontrolle und höchste Kontrolle ***** In den Zeit-Raum-Schöpfungen ist der freie Wille durch Einschränkungen, durch Begrenzungen eingeengt. Die Evolution des materiellen Lebens ist zuerst mechanisch, wird dann durch den Verstand aktiviert und kann (nach der Begabung mit Persönlichkeit) unter die Führung des Geistes kommen. Die organische Evolution auf den bewohnten Welten wird physisch beschränkt durch die Potentiale der durch die Lebensbringer vollzogenen ursprünglichen Ansiedlungen physischen Lebens. Der sterbliche Mensch ist eine Maschine, ein lebendiger Mechanismus; er hat seine Wurzeln wirklich in der physischen Welt der Energie. Viele menschliche Reaktionen sind mechanischer Natur; das Leben ist in manchem maschinenmäßig. Aber der Mensch, ein Mechanismus, ist viel mehr als eine Maschine; er ist mit Verstand begabt und vom Geist bewohnt; und obwohl er während seines ganzen materiellen Lebens nie den chemischen und elektrischen Mechanismen seiner Existenz zu entrinnen vermag, kann er immer besser lernen, diese Maschine physischen Lebens der aus Erfahrung gewonnenen, steuernden Weisheit unterzuordnen, indem er den menschlichen Verstand der Ausführung der geistigen Anstöße des innewohnenden Gedankenjustierers weiht. Der Geist befreit die Funktion des Willens, der Mechanismus begrenzt sie. Unvollkommene Wahl, die weder durch den Mechanismus kontrolliert wird, noch sich mit dem Geist identifiziert, ist gefährlich und destabilisierend. Mechanische Dominanz garantiert Stabilität auf Kosten des Fortschritts; der Bund mit dem Geist befreit die Wahl von der physischen Ebene und verschafft gleichzeitig jene göttliche Stabilität, die aus vertiefter Universumsschau und zunehmendem kosmischem Verständnis hervorgeht. Das Geschöpf befindet sich in großer Gefahr, wenn es eine Befreiung von den Fesseln der Lebensmechanismen erreicht, es aber versäumt, diesen Stabilitätsverlust durch die Herstellung einer harmonisch arbeitenden Verbindung mit dem Geist wettzumachen. Das wählende Geschöpf, das sich von der mechanischen Stabilität relativ freigemacht hat, kann versucht sein, eine noch weitergehende Selbstbefreiung unabhängig von stärkerer Identifikation mit dem Geist anzustreben. Das ganze Prinzip der biologischen Evolution macht es unmöglich, dass der primitive Mensch auf einer bewohnten Welt mit großen Gaben der Selbstbeherrschung erscheint. Deshalb sorgt derselbe schöpferische Plan, der die Evolution vorsah, ebenfalls für jene äußeren Zwänge von Zeit und Raum wie Hunger und Furcht, welche die untergeistigen Wahlmöglichkeiten solch unkultivierter Geschöpfe auf wirksame Art in engen Grenzen halten. In dem Maße, wie der menschliche Verstand immer schwierigere Hürden nimmt, hat derselbe schöpferische Plan auch für die langsame Anhäufung der rassischen Erbschaft von schmerzlich erworbener erfahrungsmäßiger Weisheit gesorgt - mit anderen Worten für die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen den abnehmenden äußeren Einschränkungen und den zunehmenden inneren Einschränkungen. Die Langsamkeit der Evolution, des menschlichen kulturellen Fortschritts, zeugt von der Wirksamkeit dieser Bremse - der materiellen Trägheit - die den Fortschritt so erfolgreich daran hindert, sich in gefährlicher Weise zu beschleunigen. So dämpft und verteilt die Zeit selber die andernfalls tödlichen Resultate eines verfrühten Ausbrechens aus den Schranken, die menschliches Handeln unmittelbar einengen. Denn wenn die Kultur zu rasch voranschreitet, wenn die materiellen Vollbringungen der Entwicklung von Anbetung und Weisheit vorauseilen, enthält die Zivilisation in sich selber die Keime der Rückbildung; und wenn eine solche menschliche Gesellschaft nicht durch eine rasche Zunahme erfahrungsmäßiger Weisheit gestützt wird, wird sie von den hohen, aber verfrühten Ebenen des Vollbringens zurückfallen und wird das "Mittelalter" des Interregnums der Weisheit zeugen von der unerbittlich erfolgenden Korrektur des Ungleichgewichts zwischen Selbstfreiheit und Selbstbeherrschung. Der Frevel Caligastias bestand im Umgehen des Zeitreglers der allmählichen menschlichen Befreiung - in der unverdienten Beseitigung lästiger Schranken, Schranken, welche die sterblichen Gemüter jener Zeiten noch nicht durch Erfahrung überwunden hatten. Ein Verstand, der zu einer teilweisen Abkürzung von Zeit und Raum gelangen kann, beweist gerade durch diese Leistung, dass er die Keime einer Weisheit besitzt, die erfolgreich anstelle der überwundenen einengenden Schranken dienen kann. Luzifer versuchte gleichfalls, den Zeitregler zu sprengen, der im Lokalsystem für die Verhinderung einer verfrühten Erringung gewisser Freiheiten sorgte. Ein im Licht und Leben verankertes Lokalsystem ist auf dem Erfahrungsweg zu Anschauungen und Erkenntnissen gelangt, die das Arbeiten vieler Techniken erlauben, welche in den vor der Verankerung liegenden Ären desselben Systems eine zerrüttende und zerstörerische Wirkung gehabt hätten. Im selben Maße, wie der Mensch die Fesseln der Furcht abschüttelt, mit seinen Maschinen Kontinente und Ozeane und mit seinen Aufzeichnungen Generationen und Jahrhunderte verbindet, muss er in Übereinstimmung mit den sittlichen Geboten wachsender menschlicher Weisheit jede überwundene Einschränkung durch eine neue und freiwillig akzeptierte Einschränkung ersetzen. Diese selbstauferlegten Einschränkungen sind zugleich die mächtigsten und die feinsten aller Faktoren der menschlichen Zivilisation - es sind Konzepte der Gerechtigkeit und Ideale der Brüderlichkeit. Der Mensch qualifiziert sich sogar dafür, das einengende Gewand der Barmherzigkeit zu tragen, wenn er es wagt, seine Mitmenschen zu lieben, während er die ersten Schritte in geistiger Bruderschaft tut, indem er beschließt, ihnen dieselbe Behandlung zuzugestehen, die er sich für sich selber wünschte, sogar jene Behandlung, die seiner Meinung nach ihnen Gott gewähren würde. Eine automatische Universums-Reaktion ist stabil und setzt sich in irgendeiner Form kontinuierlich im Kosmos fort. Eine Persönlichkeit, die Gott kennt und seinen Willen zu tun wünscht, die eine geistige Schau besitzt, ist göttlich stabil und existiert ewig. Das große Universumsabenteuer des Menschen besteht im Übergang seines sterblichen Verstandes von der Stabilität mechanischer Statik zur Göttlichkeit geistiger Dynamik, und er schafft diese Verwandlung durch die Kraft und Unveränderlichkeit seiner persönlichen Entscheidungen, indem er in jeder Lebenssituation erklärt: "Es ist mein Wille, dass dein Wille geschehe." ***** 118.9 Universumsmechanismen ***** Zeit und Raum sind ein vereinter Mechanismus des Alluniversums. Sie sind die Vorrichtungen, die die endlichen Geschöpfe befähigen, im Kosmos mit dem Unendlichen zu koexistieren. Die endlichen Geschöpfe werden durch Zeit und Raum auf wirksame Weise von den absoluten Ebenen isoliert. Aber diese isolierenden Medien, ohne die kein Sterblicher existieren könnte, wirken direkt dahin, den Spielraum endlichen Handelns zu begrenzen. Ohne sie könnte kein Geschöpf handeln, aber durch sie werden die Handlungen jedes Geschöpfes entschieden begrenzt. Von höheren Intelligenzen erschaffene Mechanismen funktionieren, um ihre schöpferischen Quellen zu befreien, begrenzen aber bis zu einem gewissen Grad ausnahmslos das Handeln aller untergeordneten Intelligenzen. Den Universumsgeschöpfen erscheint diese Begrenzung als der Mechanismus der Universen. Der Mensch besitzt keinen ungebundenen freien Willen. Dem Bereich seines Wählens sind Grenzen gesetzt, aber innerhalb dieser Zone des Wählens ist sein Wille relativ souverän. Der Lebensmechanismus der sterblichen Persönlichkeit, der menschliche Körper, ist das Ergebnis übermenschlichen schöpferischen Planens; deshalb kann er durch den Menschen selber nie vollkommen kontrolliert werden. Erst wenn der aufsteigende Mensch in Verbindung mit dem fusionierten Justierer selber den Mechanismus für den Ausdruck seiner Persönlichkeit erschafft, gelangt er zu einer vervollkommneten Kontrolle darüber. Das Große Universum ist ebenso sehr ein Mechanismus wie ein Organismus, mechanisch und lebendig zugleich - ein lebendiger Mechanismus, der durch einen Supremen Verstand aktiviert wird, sich mit einem Supremen Geist koordiniert und auf den höchsten Ebenen der Macht- und Persönlichkeitseinigung seinen Ausdruck im Supremen Wesen findet. Aber den Mechanismus der endlichen Schöpfung in Abrede stellen, heißt die Tatsachen verneinen und an der Realität vorbeisehen. Mechanismen sind die Produkte des Verstandes, eines kreativen Verstandes, der auf kosmische Potentiale und in ihnen wirkt. Mechanismen sind Schöpfergedanken, die feste Formen angenommen haben, und sie funktionieren immer getreu dem Willen und Konzept, die sie ins Leben gerufen haben. Aber die Zweckdienlichkeit jedes Mechanismus liegt in seinem Ursprung und nicht in seiner Funktion. Man sollte sich nicht vorstellen, diese Mechanismen würden das Handeln der Gottheit beschneiden; es ist eher so, dass die Gottheit gerade in diesen Mechanismen eine Phase ihres ewigen Ausdrucks realisiert hat. Die fundamentalen Universumsmechanismen sind in Antwort auf den absoluten Willen des Ersten Zentralen Ursprungs ins Dasein getreten, und sie werden deshalb ewig in vollkommener Harmonie mit dem Plan des Unendlichen arbeiten; sie sind in Tat und Wahrheit die des Willens entbehrenden Urmuster eben dieses Planes. Wir verstehen einigermaßen, wie der Mechanismus des Paradieses mit der Persönlichkeit des Ewigen Sohnes verbunden ist; das ist die Funktion des Mit-Vollziehers. Und wir besitzen Theorien über das Wirken des Universalen Absoluten bezüglich der theoretischen Mechanismen des Eigenschaftslosen Absoluten und der potentiellen Person des Gottheits-Absoluten. Aber bei den sich entwickelnden Gottheiten des Supremen und Ultimen beobachten wir, dass sich gewisse unpersönliche Phasen tatsächlich mit ihren willensmäßigen Entsprechungen einigen, und so entwickelt sich eine neue Beziehung zwischen Urmuster und Persönlichkeit. In der ewigen Vergangenheit wurden der Vater und der Sohn eins in der Einheit des Ausdrucks des Unendlichen Geistes. Wenn in der ewigen Zukunft die Schöpfersöhne und die Schöpferischen Geiste der Lokaluniversen von Zeit und Raum in den Reichen des Äußeren Raumes zu schöpferischer Einheit gelangen sollten, was würde dann wohl ihre Einheit als kombinierten Ausdruck ihrer göttlichen Naturen erzeugen? Es könnte sehr wohl sein, dass wir dann Zeugen einer bis dahin nicht offenbarten Manifestation der Ultimen Gottheit würden, eines neuartigen Typs von Überverwaltern. Solche Wesen würden in sich einzigartige Persönlichkeitsprivilegien vereinigen, da sie eine Einheit darstellten aus persönlichem Schöpfer, unpersönlichem schöpferischem Geist, Geschöpfeserfahrung der Sterblichen und progressiver Verpersönlichung der Göttlichen Ministerin. Solche Wesen könnten ultim sein, weil sie persönliche und unpersönliche Realität in sich schlössen und zugleich die Erfahrungen von Schöpfer und Geschöpf in sich vereinigten. Welcher Art die Attribute von solch dritten Personen dieser postulierten funktionierenden Trinitäten der Schöpfungen des Äußeren Raums auch immer wären, so würden sie wohl zu ihren Schöpfer-Vätern und Schöpferischen Müttern eine ähnliche Beziehung unterhalten wie der Unendliche Geist zum Universalen Vater und zum Ewigen Sohn. Der Supreme Gott ist die Personifizierung der gesamten Universumserfahrung, die Fokussierung der gesamten endlichen Evolution, das Maximum aller Geschöpfesrealität, die Erfüllung der kosmischen Weisheit, die Verkörperung der harmonischen Schönheiten der Galaxien der Zeit, die Wahrheit der Bedeutungen des kosmischen Verstandes und die Güte supremer geistiger Werte. Und der Supreme Gott wird in der ewigen Zukunft diese mannigfaltigen endlichen Verschiedenheiten zu einem einzigen erfahrungsmäßig bedeutungsvollen Ganzen zusammenfügen, gerade so, wie sie jetzt auf absoluten Ebenen in der Paradies-Trinität existentiell geeint sind. ***** 118.10 Funktionen der Vorsehung ***** Vorsehung bedeutet nicht, dass Gott für uns alles schon im Voraus bestimmt hat. Gott liebt uns zu sehr, um so etwas zu tun, denn das wäre nichts weniger als kosmische Tyrannei. Der Mensch hat tatsächlich ein relatives Wahlvermögen. Aber ebenso wenig ist die göttliche Liebe eine kurzsichtige Zuneigung, welche die Menschenkinder verhätscheln und verwöhnen würde. Vater, Sohn und Geist - als die Trinität - sind nicht der Allmächtige Supreme, aber die Suprematie des Allmächtigen kann sich nie ohne sie manifestieren. Das Wachstum des Allmächtigen ist in den Absoluten der Wirklichkeit zentriert und gründet auf den Absoluten der Potentialität. Aber die Funktionen des Allmächtigen Supremen sind mit den Funktionen der Paradies-Trinität verbunden. Es scheint so, als seien im Supremen Wesen alle Phasen der Universumsaktivität durch die Persönlichkeit dieser erfahrungsmäßigen Gottheit teilweise vereinigt. Wenn wir deshalb die Trinität als einen einzigen Gott zu betrachten wünschen und dieses Konzept auf das gegenwärtig bekannte und organisierte Große Universum beschränken, entdecken wir, dass das sich entwickelnde Supreme Wesen das teilweise Porträt der Paradies-Trinität ist. Und ferner finden wir, dass sich diese Supreme Gottheit als die Persönlichkeitssynthese endlicher Materie und endlichen Verstandes und Geistes im Großen Universum entwickelt. Die Götter haben Attribute, aber die Trinität hat Funktionen, und gleich der Trinität ist auch die Vorsehung eine Funktion, die vielfältige anders-als-persönliche höchste Kontrolle des Universums der Universen, die von den evolutionären Ebenen des Siebenfachen, die sich in der Macht des Allmächtigen einen, hinaufreicht in die transzendenten Reiche der Ultimität der Gottheit. Gott liebt jedes Geschöpf als ein Kind, und diese Liebe beschattet jedes Geschöpf in aller Zeit und Ewigkeit. Die Vorsehung wirkt im Blick auf das Ganze und befasst sich mit der Funktion jedes Geschöpfes insofern, als diese Funktion mit dem Ganzen verknüpft ist. Ein Intervenieren der Vorsehung im Falle irgendeines Einzelwesens ist ein Hinweis auf die Wichtigkeit der Funktion dieses Wesens in Bezug auf das evolutionäre Wachstum irgendeines Ganzen; es mag sich dabei um eine ganze Rasse, eine ganze Nation, einen ganzen Planeten oder sogar um ein noch höheres Ganzes handeln. Es ist die Wichtigkeit der Funktion eines Geschöpfes, welche die Vorsehung zum Einschreiten veranlasst, nicht die Wichtigkeit des Geschöpfes als einer Person. Nichtsdestoweniger kann der Vater als eine Person jederzeit mit väterlicher Hand in den Strom kosmischer Ereignisse eingreifen, ganz in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, in Harmonie mit der Weisheit Gottes und bewegt durch die Liebe Gottes. Aber was der Mensch Vorsehung nennt, ist nur allzu oft das Erzeugnis seiner eigenen Einbildung, das akzidentelle Nebeneinander zufälliger Umstände. Es gibt indessen in den endlichen Reichen der Universumsexistenz eine wirkliche, langsam erwachende Vorsehung, eine wahre, sich verwirklichende Wechselbeziehung zwischen den Energien des Raums, den Bewegungen der Zeit, den Gedanken des Intellekts, den Idealen des Charakters, den Sehnsüchten geistiger Naturen und den zielgerichteten Willensakten sich entwickelnder Persönlichkeiten. Die Gegebenheiten der materiellen Reiche finden ihre finale endliche Integration in den ineinander greifenden Gegenwarten des Supremen und des Ultimen. In dem Maße, wie sich die Mechanismen des Großen Universums durch die höchste Kontrolle des Verstandes bis zu einem Punkt finaler Präzision vervollkommnen und der Verstand der Geschöpfe durch vervollkommnetes Zusammenspiel mit dem Geist zur Vollkommenheit göttlichen Vollbringens aufsteigt und der Supreme deshalb als ein wirklicher Einiger all dieser Universumsphänomene erwacht, in dem Maße wird die Vorsehung immer deutlicher erkennbar. Gewisse der erstaunlich zufälligen Fügungen, die auf den evolutionären Welten gelegentlich vorherrschen, sind möglicherweise der allmählich erwachenden Gegenwart des Supremen zuzuschreiben und sind ein Vorgeschmack seiner künftigen Universumsaktivitäten. Das meiste, was ein Sterblicher als Vorsehung betrachten würde, ist es nicht; in solchen Dingen leidet sein Urteil stark unter dem Mangel an einer weit blickenden Vision der wahren Bedeutungen der Lebensumstände. Vieles, was ein Sterblicher Glück nennen würde, ist unter Umständen wirkliches Unglück; das Lächeln Fortunas, das unverdiente Muße und nicht erarbeiteten Reichtum beschert, kann sich als größte menschliche Heimsuchung erweisen; die scheinbare Grausamkeit eines launischen Schicksals, das einen leidenden Sterblichen mit Widerwärtigkeiten überhäuft, kann in Wirklichkeit das läuternde Feuer sein, welches das weiche Eisen der unreifen Persönlichkeit in den gehärteten Stahl eines wahren Charakters umwandelt. Es gibt in den sich entwickelnden Universen eine Vorsehung, und sie kann von den Geschöpfen in genau dem Maße entdeckt werden, wie sie die Fähigkeit erwerben, das Ziel dieser sich entwickelnden Universen wahrzunehmen. Die vollständige Fähigkeit, die Universumsziele zu erkennen, kommt der evolutionären Vollendung des Geschöpfes gleich; sie ist, anders ausgedrückt, das Erreichen des Supremen in den Grenzen des gegenwärtigen unvollständigen Zustandes der Universen. Die Liebe des Vaters wirkt direkt im Herzen des Einzelnen, unabhängig von den Handlungen und Reaktionen aller anderen Einzelwesen; die Beziehung ist persönlich - zwischen Mensch und Gott. Die unpersönliche Gegenwart der Gottheit (des Allmächtigen Supremen und der Paradies-Trinität) beschäftigt sich mit dem Ganzen, nicht mit den Teilen. Die Vorsehung der höchsten Kontrolle der Suprematie wird in dem Maße immer sichtbarer, wie die Universumsteile einer nach dem anderen bei der Realisierung endlicher Bestimmungen Fortschritte machen. Während die Systeme, Konstellationen, Universen und Superuniversen im Licht und Leben verankert werden, tritt der Supreme immer deutlicher als der bedeutungsvolle Korrelierer allen Geschehens hervor, während der Ultime allmählich als transzendenter Einiger aller Dinge erwacht. In den Anfängen einer evolutionären Welt scheinen die natürlichen Geschehnisse materieller Art und die persönlichen Sehnsüchte der menschlichen Wesen einander oft entgegenzulaufen. Vieles von dem, was sich auf einer evolutionären Welt abspielt, ist dem sterblichen Menschen eher schwer verständlich - das Naturgesetz ist oft so scheinbar grausam, herzlos und teilnahmslos gegenüber allem, was nach menschlichem Verständnis wahr, schön und gut ist. Aber während die Menschheit bei der planetarischen Entwicklung Fortschritte macht, beobachten wir, dass sich diese Betrachtungsweise unter dem Einfluss der folgenden Faktoren ändert: 1. Das wachsende Vorstellungsvermögen des Menschen - sein tieferes Verständnis der Welt, in der er lebt; seine zunehmende Fähigkeit, die materiellen Tatsachen der Zeit, die bedeutungsvollen Ideen des Denkens und die wertvollen Ideale geistiger Erkenntnis zu verstehen. Solange die Menschen nur die Dinge physischer Natur zum Maßstab nehmen, können sie nie hoffen, in Zeit und Raum zu einer Einheit zu finden. 2. Die zunehmende Herrschaft des Menschen - die allmähliche Anhäufung des Wissens um die Gesetze der materiellen Welt, um die Ziele der geistigen Existenz und die Möglichkeiten philosophischer Koordinierung dieser beiden Realitäten. Der Wilde stand dem Ansturm der Naturkräfte hilflos gegen-über, lebte als Sklave unter der grausamen Herrschaft seiner inneren Ängste. Der halbzivilisierte Mensch beginnt, die Schatzkammer der Geheimnisse des Naturreichs aufzuschließen, und seine Wissenschaft zerstört langsam, aber sicher seinen Aberglauben und liefert ihm zugleich eine neue und breitere Tatsachenbasis für die Bedeutungen der Philosophie und die Werte wahrer geistiger Erfahrung. Der zivilisierte Mensch wird eines Tages zu einer relativen Beherrschung der physischen Kräfte seines Planeten gelangen; die Liebe Gottes in seinem Herzen wird sich mit Erfolg als Liebe zu seinen Mitmenschen verströmen, und die Werte der irdischen Existenz werden sich den Grenzen menschlichen Vermögens nähern. 3. Die Integration des Menschen in das Universum - das Wachstum menschlicher Erkenntnis zusätzlich des Wachstums menschlichen erfahrungsmäßigen Vollbringens bringt ihn in engere Harmonie mit den einigenden Gegenwarten der Suprematie - mit der Paradies Trinität und dem Supremen Wesen. Und gerade das ist es, was die Souveränität des Supremen auf Welten begründet, die seit langem im Licht und Leben verankert sind. Solch fortgeschrittene Planeten sind in der Tat Gedichte von Harmonie, Gemälde von Schönheit vollendeter Güte, die durch den Dienst an der kosmischen Wahrheit erworben wurden. Und wenn so etwas auf einem Planeten geschehen kann, dann können sich noch wunderbarere Dinge in einem System und in den höheren Einheiten des Großen Universums ereignen, wenn auch diese zur Stabilität gelangen, Hinweis darauf, dass die Potentiale endlichen Wachstums erschöpft sind. Auf einem Planeten einer solch fortgeschrittenen Ordnung ist die Vorsehung eine Wirklichkeit geworden, die Lebensumstände sind korreliert, aber nicht nur, weil es dem Menschen gelungen ist, die materiellen Probleme seiner Welt in den Griff zu bekommen, sondern auch, weil er begonnen hat, in Übereinstimmung mit der Marschrichtung der Universen zu leben; er folgt dem Pfad der Suprematie, der zum Universalen Vater führt. Das Königreich Gottes befindet sich in den Herzen der Menschen, und wenn dieses Reich im Herzen jedes einzelnen Bewohners einer Welt wirklich geworden ist, ist die Herrschaft Gottes auf diesem Planeten Wirklichkeit geworden; und das heißt, dass die Souveränität des Supremen Wesens erreicht ist. Um die Vorsehung in der Zeit zu verwirklichen, muss der Mensch die Aufgabe bewältigen, vollkommen zu werden. Aber der Mensch kann bereits jetzt von dieser Vorsehung in ihren ewigen Bedeutungen einen Vorgeschmack bekommen, wenn er die universale Tatsache bedenkt, dass alle Dinge, gute und böse, zusammenwirken, um den Fortschritt der Gott kennenden Sterblichen bei ihrer Suche nach dem Vater aller zu begünstigen. Die Vorsehung wird immer deutlicher erkennbar, je mehr sich die Menschen vom Materiellen zum Geistigen hinwenden. Das Erreichen einer vervollständigten geistigen Schau befähigt die aufsteigende Persönlichkeit, dort Harmonie wahrzunehmen, wo sie zuvor nur Chaos sah. Selbst die morontielle Mota stellt einen wirklichen Fortschritt in dieser Richtung dar. Die Vorsehung ist zum Teil die höchste Kontrolle des unvollständigen Supremen, wie er sich in den unvollständigen Universen kundgibt, und sie muss deshalb immer sein: 1. Partiell - wegen der Unvollständigkeit der Verwirklichung des Supremen Wesens, und 2. Unvorhersehbar - aufgrund der fluktuierenden Geschöpfeshaltung, die sich von Ebene zu Ebene stets ändert und im Supremen offenbar eine veränderliche wechselseitige Antwort auslöst. Wenn die Menschen für ein Eingreifen der Vorsehung in ihre Lebensumstände beten, ist die Antwort auf ihr Gebet oft die Änderung ihrer eigenen Haltung gegenüber dem Leben. Aber die Vorsehung ist nicht launisch, weder phantastisch noch magisch. Sie ist das langsame und sichere Erwachen des mächtigen Souveräns der endlichen Universen, dessen majestätische Gegenwart von den sich entwickelnden Geschöpfen während ihres Vorrückens im Universum gelegentlich wahrgenommen wird. Die Vorsehung ist die sichere und gewisse Bewegung der Galaxien des Raums und der Persönlichkeiten der Zeit auf die Ziele der Ewigkeit hin, zuerst im Supremen, dann im Ultimen und vielleicht einmal im Absoluten. Und wir glauben, dass es in der Unendlichkeit dieselbe Vorsehung gibt, und das ist der Wille, die Handlungen und das Vorhaben der Paradies-Trinität, der Triebkraft hinter dem kosmischen Panorama von Universen ohne Zahl. [Dargeboten von einem sich vorübergehend auf Urantia aufhaltenden Mächtigen Botschafter.] ****** Kapitel 119 Die Selbsthingaben von Christus Michael ****** ALS Chef der Abendsterne Nebadons bin ich von Gabriel mit der Mission beauftragt worden, auf Urantia die Geschichte der sieben Selbsthingaben des Universumssouveräns, Michaels von Nebadon, zu offenbaren, und mein Name ist Gavalia. Bei der Abfassung dieser Darstellung werde ich mich strikte an die mir von meiner Kommission auferlegten Beschränkungen halten. Das Attribut der Selbsthingabe liegt in der Natur der Paradies-Söhne des Universalen Vaters. In ihrem Wunsch, nahe an die Lebenserfahrungen ihrer untergeordneten lebendigen Geschöpfe heranzukommen, widerspiegeln die verschiedenen Ordnungen der Paradies-Söhne die göttliche Natur ihrer Eltern im Paradies. Der Ewige Sohn der Paradies-Trinität war wegweisend in dieser Praxis, als er sich zu der Zeit des Aufstiegs Großfandas und der ersten Pilger von Zeit und Raum siebenmal auf den sieben Kreisen Havonas hingab. Und der Ewige Sohn fährt fort, sich in den Personen seiner Repräsentanten, der Michael- und Avonal-Söhne, an die Lokaluniversen des Raums hinzugeben. Wenn der Ewige Sohn einem projektierten Lokaluniversum einen Schöpfersohn zuteilt, übernimmt dieser die volle Verantwortung für Fertigstellung, Kontrolle und ruhigen Gang dieses neuen Universums und legt dabei gegenüber der ewigen Trinität ein feierliches Gelübde ab, die volle Souveränität über die neue Schöpfung nicht vor dem erfolgreichen Abschluss der sieben Selbsthingaben in Geschöpfesgestalt und ihrer Bestätigung durch die Ältesten der Tage des betreffenden Superuniversums zu übernehmen. Diese Verpflichtung geht jeder Michael-Sohn ein, der das Paradies als Freiwilliger verlässt, um sich an die Organisation und Schöpfung eines Universums zu machen. Die Inkarnationen in Geschöpfesgestalt verfolgen den Zweck, die Schöpfer zu befähigen, weise, mitfühlende, gerechte und verstehende Souveräne zu werden. Diese göttlichen Söhne sind von Natur aus gerecht, aber sie gewinnen durch die Erfahrungen der aufeinander folgenden Selbsthingaben verstehendes Erbarmen; sie sind zwar von Natur aus erbarmungsvoll, aber diese Erfahrungen lassen sie auf neue und zusätzliche Weise barmherzig werden. Diese Selbsthingaben sind die letzten Schritte in ihrer Erziehung und Schulung für die erhabene Aufgabe, die Lokaluniversen in göttlicher Rechtschaffenheit und mit gerechtem Urteil zu regieren. Obwohl den verschiedenen Welten, Systemen und Konstellationen aus diesen Selbsthingaben ebenso wie den diversen Ordnungen von Universumsintelligenzen, die durch sie berührt werden und in ihren Genuss kommen, zahlreiche beiläufige Segnungen erwachsen, sind sie doch in erster Linie dazu bestimmt, die persönliche Schulung und universelle Erziehung des Schöpfersohnes selber zu vervollständigen. Die Selbsthingaben sind für die weise, gerechte und wirksame Führung eines Lokaluniversums nicht unerlässlich, aber absolut notwendig für eine faire, erbarmende und verständnisvolle Verwaltung einer solchen Schöpfung, in der es von den verschiedensten Formen des Lebens und Myriaden intelligenter, aber unvollkommener Geschöpfe nur so wimmelt. Die Michael-Söhne beginnen ihr Werk der Univerumsorganisation mit voller und wahrer Sympathie für die verschiedenen Ordnungen der von ihnen erschaffenen Wesen. Sie verfügen über gewaltige Vorräte an Barmherzigkeit für all diese verschiedenartigen Geschöpfe und sogar über Mitleid mit jenen, die eigensüchtig in ihrem selbsterzeugten Schlamm herumwaten. Aber solche Gaben der Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit genügen in den Augen der Ältesten der Tage nicht. Diese dreieinigen Lenker der Superuniversen werden nie einen Schöpfersohn als Universumssouverän bestätigen, der nicht tatsächlich den Standpunkt seiner eigenen Geschöpfe durch wirkliche Erfahrung in ihrem Existenzraum und als diese Geschöpfe selber erworben hat. Dadurch werden diese Söhne zu einsichtigen und verstehenden Herrschern; sie lernen die verschiedenen Gruppen kennen, über die sie herrschen und Universums-Autorität ausüben. Durch lebendige Erfahrung erlangen sie praktisches Erbarmen, faires Urteil und aus selbst erlebter Geschöpfesexistenz gewonnene Geduld. Das Lokaluniversum von Nebadon wird jetzt von einem Schöpfersohn regiert, der seinen Dienst der Selbsthingabe absolviert hat; er herrscht in gerechter und erbarmender Suprematie über all die gewaltigen Reiche seines in Entwicklung und Vervollkommnung begriffenen Universums. Michael von Nebadon ist die 611 121. Selbstausteilung des Ewigen Sohnes an die Universen von Zeit und Raum, und er begann mit der Organisation eures Lokaluniversums vor etwa vierhundert Milliarden Jahren. Michael machte sich für sein erstes Abenteuer der Selbsthingabe zu der Zeit bereit, als Urantia seine gegenwärtige Gestalt annahm, d. h. vor etwa einer Milliarde Jahren. Seine Selbsthingaben haben in einem Abstand von etwa hundertfünfzig Millionen Jahren stattgefunden, und die letzte davon ereignete sich vor ungefähr neunzehnhundert Jahren auf Urantia. Ich gehe jetzt daran, Wesen und Charakter dieser Selbsthingaben so ausführlich zu schildern, wie mein Auftrag es mir erlaubt. ***** 119.1 Die erste Selbsthingabe ***** Es war vor fast einer Milliarde Jahren ein feierlicher Anlass auf Salvington, als die versammelten Leiter und Chefs des Universums von Nebadon Michael ankündigen hörten, dass sein älterer Bruder, Immanuel, alsbald die Autorität über Nebadon übernehmen werde, während er (Michael) in unbekannter Mission abwesend sein werde. Und es gab im Zusammenhang mit diesem Geschehen keine andere Erklärung als die ferngemeldete Abschiedsbotschaft an die Väter der Konstellation, in der es nebst anderen Anweisungen hieß: "Und während dieser Zeitspanne gebe ich euch in die Fürsorge und Obhut Immanuels, während ich dem Gebot meines Paradies-Vaters Folge leiste." Nach der Übermittlung dieser Abschiedsbotschaft erschien Michael auf dem Abflugfeld Salvingtons gerade wie bei vielen früheren Anlässen, wenn er sich zur Abreise nach Uversa oder ins Paradies anschickte, nur dass er diesmal allein kam. Er schloss seine Abschiedserklärung mit den Worten: "Ich verlasse euch nur für kurze Zeit. Ich weiß, dass viele von euch mit mir kommen möchten, aber dahin, wo ich gehe, könnt ihr nicht kommen. Was zu tun ich im Begriffe stehe, könnt ihr nicht tun. Ich gehe, den Willen der Paradies-Gottheiten auszuführen, und wenn ich meine Sendung beendigt und diese Erfahrung gewonnen habe, werde ich wieder an meinen Platz in eurer Mitte zurückkehren." Und nachdem er so gesprochen hatte, entschwand Michael von Nebadon den Blicken aller Versammelten und erschien nicht wieder vor Ablauf von zwanzig Jahren Standardzeit. In ganz Salvington wussten nur die Göttliche Ministerin und Immanuel, was vor sich ging, und der Einiger der Tage teilte sein Geheimnis einzig mit dem Regierungschef des Universums, mit Gabriel, dem Hellen Morgenstern. Alle Bewohner Salvingtons und der Konstellations- und Systemhauptsitze versammelten sich an ihren jeweiligen Empfangsstationen für den universellen Nachrichtendienst in der Hoffnung, etwas über Mission und Verbleib des Schöpfersohnes zu erfahren. Bis zum dritten Tag nach Michaels Weggang empfingen sie keine irgendwie bedeutungsvolle Botschaft. An diesem Tag wurde auf Salvington eine von der Melchisedek-Sphäre, dem nebadonschen Hauptsitz dieser Ordnung, stammende Mitteilung registriert, die ganz einfach diesen außerordentlichen und nie dagewesenen Vorgang erwähnte: "Heute Mittag erschien auf dem Empfangsfeld dieser Welt ein seltsamer Melchisedek-Sohn, der nicht aus unserer Mitte stammt, aber ganz wie ein Mitglied unserer Ordnung ist. Er war von einem einzelnen Omniaphen begleitet, der ein Beglaubigungsschreiben von Uversa überbrachte und für unseren Chef bestimmte Weisungen der Ältesten der Tage vorlegte, die von Immanuel von Salvington bestätigt worden waren und geboten, dass dieser neue Melchisedek-Sohn in unsere Ordnung aufzunehmen und dem Notdienst der Melchisedeks von Nebadon zuzuteilen sei. Und es ist also angeordnet und ausgeführt worden." Und das ist ungefähr alles, was in den Archiven Salvingtons bezüglich der ersten Selbsthingabe Michaels erscheint. Es findet sich keine weitere Eintragung, bis nach hundert Jahren urantianischer Zeit die Tatsache der Rückkehr Michaels und seiner neuerlichen unangekündigten Übernahme der Leitung der Universumsgeschäfte festgehalten wurde. Aber ein seltsamer Bericht findet sich auf der Melchisedek-Welt, eine Beschreibung des Dienstes dieses einzigartigen Melchisedek-Sohnes, der dem Nothelferkorps jenes Zeitalters angehörte. Dieser Bericht wird in einem einfachen Tempel aufbewahrt, der den Raum vor der Wohnstätte des Melchisedek-Vaters einnimmt, und er enthält die Beschreibung des Dienstes dieses vorübergehenden Melchisedek-Sohnes im Zusammenhang mit seiner Entsendung zu vierundzwanzig Missionen in universellen Notsituationen. Und dieser Bericht, den ich ganz kürzlich wieder gelesen habe, endet folgendermaßen: "Und zur Mittagsstunde dieses Tages, ohne jede Vorankündigung und in Gegenwart von nur drei Angehörigen unserer Bruderschaft, verschwand der Besucher-Sohn unserer Ordnung von unserer Welt, wie er gekommen war, und nur von einem einzelnen Omniaphen begleitet; und dieser Bericht schließt jetzt mit der Bestätigung, dass dieser Besucher wie ein Melchisedek lebte, dass er in Gestalt eines Melchisedeks als ein Melchisedek arbeitete und all seine Aufträge als ein Nothelfersohn unserer Ordnung getreulich ausführte. Unter allgemeiner Zustimmung ist er der Chef der Melchisedeks geworden, nachdem er durch seine unvergleichliche Weisheit, hohe Liebe und großartige Hingabe an seine Pflicht unsere Liebe und Verehrung gewonnen hat. Er liebte uns, verstand uns und diente mit uns, und wir bleiben ewig seine treuen und ergebenen Melchisedek-Gefährten, denn dieser unserer Welt Fremde ist jetzt für immer ein Universumsdiener von der Art der Melchisedeks geworden." Und das ist alles, was mir erlaubt ist, euch über die erste Selbsthingabe Michaels mitzuteilen. Uns ist es natürlich völlig klar, dass der seltsame Melchisedek, der vor einer Milliarde Jahren auf so geheimnisvolle Weise bei den Melchisedeks diente, kein anderer als der inkarnierte Michael war, der die Mission seiner ersten Selbsthingabe erfüllte. Das Dokument erklärt nicht ausdrücklich, dass dieser einmalige und leistungsfähige Melchisedek Michael war, aber es wird allgemein geglaubt, dass er es war. Wahrscheinlich kann die wirkliche Sachdarstellung nirgends außerhalb der Archive Sonaringtons gefunden werden, und die Archive dieser geheimen Welt sind für uns unzugänglich. Nur auf dieser heiligen Welt der göttlichen Söhne kennt man die Mysterien von Inkarnation und Selbsthingabe völlig. Wir alle kennen die Tatsache der Selbsthingaben Michaels, aber wir begreifen nicht, wie sie vollzogen werden. Wir wissen nicht, wie der Lenker eines Universums, der Schöpfer der Melchisedeks, auf so plötzliche und mysteriöse Weise einer der ihren werden und als einer von ihnen unter ihnen leben und hundert Jahre lang als ein Melchisedek-Sohn arbeiten kann. Aber genau das ist geschehen. ***** 119.2 Die zweite Selbsthingabe ***** Nach der Selbsthingabe Michaels als Melchisedek verlief im Universum von Nebadon fast hundertfünfzig Millionen Jahre lang alles glatt, bis es im System 11 der Konstellation 37 zu gären begann. Die Unruhen gingen auf eine Misshelligkeit mit einem Lanonandek-Sohn, einem Systemsouverän, zurück, die durch einen Schiedsspruch der Konstellationsväter geregelt worden war. Diese Entscheidung hatte die Zustimmung des Getreuen der Tage, des Paradies-Ratgebers jener Konstellation, gefunden. Aber der protestierende Systemsouverän konnte sich mit dem Verdikt nicht recht abfinden. Nach über hundert Jahren der Unzufriedenheit riss er seine Mitarbeiter mit sich in eine der ausgedehntesten und verheerendsten im Universum von Nebadon je angezettelten Rebellionen wider die Souveränität des Schöpfersohnes, eine Rebellion, die durch das Handeln der Ältesten der Tage von Uversa längst gerichtet und beendet worden ist. Während über zwanzig Jahren nebadonscher Standardzeit regierte Lutentia, der rebellische Systemsouverän, selbstherrlich auf seinem Hauptsitzplaneten, worauf die Allerhöchsten mit Billigung Uversas seine Entfernung anordneten und die Lenker Salvingtons um die Designierung eines neuen Systemsouveräns angingen, damit dieser die Leitung des von Hader zerrissenen und verwirrten Systems bewohnter Welten übernähme. Gleichzeitig mit dem Eintreffen dieses Gesuchs auf Salvington schritt Michael zu der zweiten seiner außerordentlichen Absichtserklärungen, sich vom Universumshauptsitz wegzubegeben, um "zu tun, was mein Paradies-Vater mir gebietet". Er versprach, "zu gegebener Zeit zurückzukehren", und konzentrierte alle Autorität in den Händen seines Paradies-Bruders Immanuel, des Einigers der Tage. Und darauf verabschiedete sich Michael von seiner Hauptsitzsphäre wieder in derselben Art, die man zum Zeitpunkt seines Weggangs in Verbindung mit seiner Selbsthingabe als Melchisedek beobachtet hatte. Drei Tage nach seiner ohne Erklärung erfolgten Verabschiedung erschien inmitten des Reservekorps der primären Lanonandek-Söhne Nebadons ein neues und unbekanntes Mitglied. Dieser neue Sohn kam am Mittag an, unangemeldet und in Begleitung eines einzelnen Tertiaphen, der ein von Immanuel von Salvington bestätigtes Beglaubigungsschreiben der Ältesten der Tage Uversas überbrachte, das die Weisung enthielt, dass dieser neue Sohn dem System 37 als Nachfolger des abgesetzten Lutentia und in Erwartung der Ernennung eines neuen Souveräns als amtierender Systemsouverän mit voller Autorität zuzuteilen sei. Während über siebzehn Jahren universeller Zeit verwaltete dieser seltsame und unbekannte vorübergehende Herrscher die Angelegenheiten des verwirrten und demoralisierten Systems und regelte dessen Schwierigkeiten als weiser Schiedsrichter. Kein Systemsouverän wurde je glühender geliebt oder allgemeiner verehrt und geachtet. In Gerechtigkeit und Barmherzigkeit schuf der neue Herrscher in dem aufrührerischen System Ordnung, während er all seinen Schutzbefohlenen gewissenhaft diente und seinem rebellischen Vorgänger sogar das Privileg anbot, mit ihm den Thron der System-Autorität zu teilen, wenn er sich nur bei Immanuel für sein unüberlegtes Handeln entschuldigen wolle. Aber Lutentia wies das Angebot der Barmherzigkeit zurück, wohl wissend, dass der neue und seltsame Systemsouverän niemand anders war als Michael, der Universumsherrscher in Person, den er noch vor so kurzer Zeit herausgefordert hatte. Aber Millionen seiner missgeleiteten und getäuschten Gefolgsleute nahmen die Vergebung des neuen Herrschers an, den man in jenem Zeitalter den Erretter-Souverän des Systems von Palonia nannte. Und dann kam der denkwürdige Tag, an dem der neu ernannte Systemsouverän eintraf, welcher von den Universumsbehörden als dauernder Nachfolger des abgesetzten Lutentia bezeichnet worden war, und ganz Palonia trauerte über den Weggang des edelsten und gütigsten Systemherrschers, den Nebadon je gekannt hatte. Er wurde vom ganzen System geliebt und von seinen Gefährten, den Lanonandek-Söhnen aller Gruppen, vergöttert. Seine Abreise ging nicht ohne Förmlichkeiten vor sich; sein Abschied vom Systemhauptsitz wurde mit einer großen Feierlichkeit begangen. Selbst sein entgleister Vorgänger sandte diese Botschaft: "Gerecht und rechtschaffen bist du in all deinem Handeln. Obwohl ich bei meiner Ablehnung der Ordnung des Paradieses bleibe, bin ich gezwungen einzugestehen, dass du ein gerechter und barmherziger Verwalter bist." Darauf verließ dieser vorübergehende Herrscher über ein rebellisches System den Planeten seines kurzen administrativen Aufenthaltes, und drei Tage später erschien Michael auf Salvington und nahm die Leitung des Universums von Nebadon wieder an sich. Bald danach erfolgte auf Uversa die dritte Proklamation des sich erweiternden Zuständigkeitsbereichs der Souveränität und Autorität Michaels. Die erste Proklamation geschah zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Nebadon, die zweite wurde bald nach der Erfüllung der Selbsthingabe als Melchisedek gemacht, und nun folgte die dritte nach dem Abschluss der zweiten oder Lanonandek-Mission. ***** 119.3 Die dritte Selbsthingabe ***** Der höchste Rat Salvingtons hatte eben die Prüfung eines Gesuchs der Lebensbringer von Planet 217 im System 87 der Konstellation 61 um Entsendung eines Materiellen Sohnes zu ihrer Unterstützung beendet. Nun befand sich dieser Planet in einem System bewohnter Welten, in welchem ein anderer Systemsouverän auf Abwege geraten war. Es war bis zu diesem Zeitpunkt die zweite derartige Rebellion in ganz Nebadon. Auf Verlangen Michaels wurde die Antwort auf die Anfrage der Lebensbringer vertagt, bis Immanuel sie studiert und darüber Bericht erstattet hätte. Dies war ein regelwidriges Vorgehen, und ich erinnere mich sehr gut, wie wir uns alle auf etwas Außerordentliches gefasst machten, und wir wurden nicht lange in Atem gehalten. Denn Michael legte die Leitung des Universums in Immanuels Hände, während er Gabriel mit dem Kommando über die himmlischen Heerscharen betraute. Und nachdem er sich so seiner administrativen Verantwortung entledigt hatte, verabschiedete er sich vom Muttergeist des Universums und verschwand vom Abflugfeld Salvingtons genau wie bei zwei früheren Gelegenheiten. Und wie erwartet, erschien am dritten Tag danach auf der Hauptsitzwelt des Systems 87 der Konstellation 61 ein seltsamer, von den Ältesten der Tage Uversas beglaubigter und von Immanuel von Salvington bestätigter Materieller Sohn in Begleitung eines einzelnen Sekonaphen. Unverzüglich ernannte der amtierende Systemsouverän diesen neuen und geheimnisvollen Materiellen Sohn zum amtierenden Planetarischen Fürsten der Welt 217, und diese Designation wurde von den Allerhöchsten der Konstellation 61 sogleich bestätigt. So begann dieser einmalige Materielle Sohn seine schwierige Laufbahn auf einer in Quarantäne versetzten, abtrünnigen und rebellierenden Welt, die sich in einem heimgesuchten System ohne direkte Verbindung mit dem umliegenden Universum befand, und er arbeitete dort allein während einer ganzen Generation planetarischer Zeit. Dieser Materielle Nothelfersohn erreichte die Reue und Umkehr des fehlbaren Planetarischen Fürsten und dessen ganzen Stabes und wurde Zeuge der Rückkehr des Planeten zum loyalen Dienst an der Paradies-Ordnung, wie sie in den Lokaluniversen besteht. Zu gegebener Zeit trafen auf dieser verjüngten und erlösten Welt ein Materieller Sohn und eine Materielle Tochter ein, und nachdem sie sich als sichtbare planetarische Herrscher gebührend eingerichtet hatten, verabschiedete sich der vorübergehende Planetarische Nothelferfürst in aller Form und verschwand eines Tages zur Mittagsstunde. Am dritten Tag danach erschien Michael an seinem üblichen Platz auf Salvington. Und sehr bald lief über das superuniverselle Fernmeldewesen die vierte Proklamation der Ältesten der Tage, die eine abermalige Erweiterung der Souveränität Michaels von Nebadon bekannt gab. Ich bedaure, nicht die Erlaubnis zu haben, von der Geduld, Seelenstärke und Gewandtheit zu berichten, mit denen dieser Materielle Sohn den kritischen Situationen auf diesem wirren Planeten begegnete. Die Umkehr dieser isolierten Welt ist eines der rührend schönsten Kapitel in Nebadons Annalen der Errettung. Als die Mission zu Ende ging, war es ganz Nebadon klar geworden, weshalb sich sein geliebter Herrscher zu diesen wiederholten Selbsthingaben in Gestalt von intelligenten Wesen subalterner Ordnungen entschloss. Michaels Selbsthingaben als ein Melchisedek-Sohn, dann als ein Lanonandek-Sohn und hierauf als ein Materieller Sohn sind alle gleich mysteriös und unerklärlich. In allen drei Fällen trat er plötzlich und als ein vollentwickeltes Einzelwesen der Gruppe auf, an die er sich hingab. Nie wird jemand die Geheimnisse solcher Inkarnationen erfahren außer jenen, die Zugang zum inneren Kreis der Archive der heiligen Sphäre Sonarington haben. Nie seit dieser wunderbaren Selbsthingabe als Planetarischer Fürst einer isolierten und aufrührerischen Welt ist irgendein Materieller Sohn oder irgendeine Materielle Tochter Nebadons versucht gewesen, sich über ihre Zuteilung zu beklagen oder an den Schwierigkeiten ihrer planetarischen Mission Kritik zu üben. Die Materiellen Söhne wissen für alle Zeiten, dass sie im Schöpfersohn des Universums einen verstehenden Souverän und mitfühlenden Freund besitzen, einen, der "in jeder Hinsicht versucht und geprüft wurde", wie auch sie versucht und geprüft werden müssen. Auf jede dieser Missionen folgte ein Zeitalter hingebungsvolleren Dienstes und größerer Treue aller himmlischen Intelligenzen lokaluniversellen Ursprungs, und jedes auf eine Selbsthingabe folgende Zeitalter charakterisierte sich durch Fortschritte und Verbesserungen aller Methoden der Universumsverwaltung und aller Regierungstechniken. Seit dieser Selbsthingabe hat sich nie ein Materieller Sohn oder eine Materielle Tochter bewusst einer Rebellion gegen Michael angeschlossen; sie lieben und ehren ihn zu sehr, um ihn jemals bewusst zurückzuweisen. Nur durch Täuschungsmanöver und Sophisterei sind die Adame jüngerer Zeit durch rebellische Persönlichkeiten einer höheren Art in die Irre geführt worden. ***** 119.4 Die vierte Selbsthingabe ***** Es war am Ende eines der periodischen Jahrtausend-Namensaufrufe Uversas, als Michael die Regierung Nebadons in Immanuels und Gabriels Hände legte; und eingedenk dessen, was sich in vergangenen Zeiten nach einem solchen Vorgang zu ereignen pflegte, bereiteten wir uns natürlich darauf vor, den zu seiner vierten Mission der Selbsthingabe aufbrechenden Michael verschwinden zu sehen. Und er ließ uns nicht lange warten, denn er begab sich kurz darauf zum Abflugfeld Salvingtons und entschwand unseren Blicken. Am dritten Tag nach diesem Aufbruch zur Selbsthingabe stießen wir in dem Uversa betreffenden universellen Sendedienst auf folgende bedeutsame Nachricht aus dem seraphischen Hauptquartier Nebadons: "Wir berichten über die unangemeldete Ankunft eines unbekannten Seraphen in Begleitung eines einzelnen Supernaphen und Gabriels von Salvington. Dieser nichtregistrierte Seraph hat die Eigenschaften der Ordnung Nebadons und besitzt ein von Immanuel von Salvington bestätigtes Beglaubigungsschreiben der Ältesten der Tage Uversas. Er stellt sich als ein Angehöriger der höchsten Engelsordnung eines Lokaluniversums heraus und ist bereits dem Korps der Lehrer-Berater zugeteilt worden." Für diese seraphische Selbsthingabe war Michael während einer Periode von über vierzig Jahren universeller Standardzeit von Salvington abwesend. In dieser Zeit war er als seraphischer Lehrer-Berater, was ihr vielleicht Privatsekretär nennen würdet, eingeteilt, der auf zweiundzwanzig verschiedenen Welten wirkte und sechsundzwanzig verschiedenen Meisterlehrern diente. Sein letzter oder abschließender Dienst war der eines Ratgebers und Helfers, welcher der Mission der Selbsthingabe eines Lehrersohns der Trinität auf der Welt 84 der Konstellation 3 des Universums von Nebadon beigegeben war. Während dieses ganze sieben Jahre dauernden Dienstes war dieser Lehrersohn der Trinität von der Identität seines seraphischen Mitarbeiters nie völlig überzeugt. Es ist wahr, dass man in dieser Zeit allen Seraphim mit besonderem Interesse und forschendem Blick begegnete. Wir wussten alle sehr wohl, dass sich unser geliebter Souverän irgendwo draußen im Universum unter der Maske eines Seraphen aufhielt, aber nie konnten wir mit Sicherheit seine Identität ausmachen. Nie wurde er eindeutig identifiziert bis zu der Zeit seiner Zuteilung zu der Selbsthingabemission dieses Lehrersohnes der Trinität. Aber während dieser ganzen Zeit waren die höchsten Seraphim Gegenstand besonderen Eifers aus Furcht, einer von uns könnte herausfinden, dass er, ohne es zu wissen, Gastgeber des Souveräns des Universums auf Selbsthingabe-Mission in Geschöpfesgestalt gewesen war. Und so hat es sich, was die Engel betrifft, für immer bewahrheitet, dass ihr Schöpfer und Herrscher "als eine seraphische Persönlichkeit in jeder Hinsicht versucht und geprüft wurde". In dem Maße, wie die aufeinander folgenden Selbsthingaben in der Natur immer niedrigerer Formen universellen Lebens erfolgten, wurde Gabriel bei diesen Inkarnationsabenteuern immer mehr zum Mitarbeiter, indem er als Universumsbindeglied zwischen dem sich hingebenden Michael und dem amtierenden Universumsherrscher Immanuel funktionierte. Michael hat sich selbst hingebend die Erfahrung von drei Ordnungen seiner erschaffenen Universumssöhne gemacht: der Melchisedeks, der Lanonandeks und der Materiellen Söhne. Als Nächstes geruht er, das Engelsleben verkörpernd, sich als ein höchster Seraph zu personifizieren, bevor er sein Augenmerk den verschiedenen Phasen der aufsteigenden Laufbahn der niedrigsten Art seiner Willensgeschöpfe, den evolutionären Sterblichen von Zeit und Raum, zuwendet. ***** 119.5 Die fünfte Selbsthingabe ***** Vor etwas mehr als dreihundert Millionen Jahren urantianischer Zeitrechnung waren wir Zeugen einer weiteren Übergabe der Universumsautorität an Immanuel und beobachteten, dass Michael Anstalten zum Weggehen traf. Dieses Ereignis unterschied sich von den früheren insofern, als er ankündigte, sein Reiseziel sei Uversa, der Hauptsitz des Superuniversums von Orvonton. Zu gegebener Zeit verreiste unser Souverän, aber nie erwähnte der Nachrichtendienst des Superuniversums eine Ankunft Michaels am Hof der Ältesten der Tage. Hingegen fand sich kurz nach seinem Weggang aus Salvington in den Übermittlungen aus Uversa diese bedeutungsvolle Erklärung: "Heute traf ein unangemeldeter und unnummerierter aufsteigender Pilger sterblichen Ursprungs aus dem Universum von Nebadon ein, der von Immanuel von Salvington beglaubigt und von Gabriel von Nebadon begleitet war. Dieses nicht identifizierte Wesen lässt den Status eines wahren Geistes erkennen und ist in unsere Gemeinschaft aufgenommen worden." Wenn ihr heute Uversa besuchtet, würdet ihr von den Tagen erzählen hören, als Eventod sich dort aufhielt, jener besondere und unbekannte Pilger von Zeit und Raum, den man auf Uversa unter diesem Namen kannte. Und dieser aufsteigende Sterbliche, eine gelinde gesagt prächtige Persönlichkeit und genaue Verkörperung des geistigen Stadiums der aufsteigenden Sterblichen, lebte und wirkte auf Uversa während einer Dauer von elf Jahren der Standardzeit Orvontons. Gemeinsam mit seinen Gefährten aus den verschiedenen Lokaluniversen Orvontons erhielt dieses Wesen die Aufträge und bewältigte die Aufgaben eines vergeistigten Sterblichen. "In jeder Hinsicht wurde er geprüft und versucht, ganz so wie seine Gefährten", und bei jeder Gelegenheit erwies er sich als des Vertrauens seiner Vorgesetzten würdig, während er in seinen geistigen Gefährten ausnahmslos Respekt und treue Bewunderung wachrief. Auf Salvington verfolgten wir die Laufbahn dieses geistigen Pilgers mit größtem Interesse, da wir wegen Gabriels Gegenwart sehr wohl wussten, dass dieser bescheidene und unnummerierte Pilgergeist niemand anders als der sich selbst hingebende Herrscher unseres Lokaluniversums war. Dieser erste Auftritt des in der Rolle eines Stadiums menschlicher Evolution inkarnierten Michaels war ein Ereignis, das ganz Nebadon elektrisierte und in seinen Bann schlug. Wir hatten von solchen Dingen gehört, aber jetzt konnten wir sie betrachten. Michael erschien auf Uversa als voll entwickelter und vollendet geschulter vergeistigter Sterblicher und setzte als solcher seine Laufbahn fort bis zum Zeitpunkt des Weitergehens einer Gruppe aufsteigender Sterblicher nach Havona. Hierauf besprach er sich mit den Ältesten der Tage und verließ Uversa sogleich in Begleitung Gabriels auf plötzliche und unauffällige Weise. Kurz darauf erschien er an seinem gewohnten Platz in Salvington. Erst nach Abschluss dieser Selbsthingabe begann es in uns endlich zu dämmern, dass Michael sich wohl in Gestalt seiner verschiedenen Ordnungen von Universumspersönlichkeiten inkarnieren würde, von den höchsten Melchisedeks bis hinunter zu den Sterblichen aus Fleisch und Blut der evolutionären Welten von Zeit und Raum. Ungefähr zu dieser Zeit begann man an den Melchisedek-Hochschulen die Wahrscheinlichkeit zu lehren, dass Michael sich eines Tages als ein Sterblicher inkarnieren werde, und es wurden viele Mutmaßungen über die für solch eine unerklärliche Selbsthingabe mögliche Technik angestellt. Die Tatsache, dass Michael in Person in der Rolle eines aufsteigenden Sterblichen aufgetreten war, lenkte neues und zusätzliches Interesse auf den ganzen Plan des Geschöpfesfortschritts auf dem langen Weg aufwärts durch Lokal- und Superuniversum. Indessen blieb die Technik dieser aufeinander folgenden Selbsthingaben ein Mysterium. Selbst Gabriel bekennt, dass er die Methode nicht versteht, welche diesem Paradies-Sohn und Universumsschöpfer erlaubte, die Persönlichkeit eines seiner untergeordneten Geschöpfe anzunehmen und dessen Leben zu leben. ***** 119.6 Die sechste Selbsthingabe ***** Nun, da ganz Salvington mit den Präliminarien einer unmittelbar bevorstehenden Selbsthingabe vertraut war, rief Michael die Bewohner des Hauptsitzplaneten zusammen und breitete vor ihnen zum ersten Mal den Rest des Inkarnationsplanes aus, indem er ankündigte, dass er Salvington bald verlassen würde, um die Laufbahn eines morontiellen Sterblichen am Hof der Allerhöchsten Väter auf dem Hauptsitzplaneten der fünften Konstellation anzutreten. Und dann vernahmen wir zum ersten Mal die Ankündigung, dass er seine siebente und letzte Selbsthingabe in Menschengestalt auf irgendeiner evolutionären Welt zu machen gedenke. Bevor Michael Salvington verließ, um seine sechste Selbsthingabe anzutreten, sprach er zu den versammelten Bewohnern der Sphäre und entfernte sich dann vor aller Augen, nur in Begleitung eines einzelnen Seraphen und des Hellen Morgensterns von Nebadon. Während die Leitung des Universums wiederum Immanuel anvertraut worden war, gab es diesmal eine bedeutendere Verteilung administrativer Verantwortlichkeiten. Michael erschien am Hauptsitz der Konstellation fünf als ausgewachsener morontieller Sterblicher mit aufsteigendem Status. Ich bedaure, dass es mir untersagt ist, die Einzelheiten der Laufbahn dieses unnummerierten morontiellen Sterblichen zu enthüllen, denn es war einer der außerordentlichsten und erstaunlichsten Abschnitte in Michaels Erfahrung der Selbsthingabe, sein dramatischer und tragischer Aufenthalt auf Urantia nicht ausgenommen. Aber unter den vielen Einschränkungen, die mir bei der Annahme dieses Auftrags auferlegt wurden, findet sich auch eine, die mir untersagt, die Einzelheiten dieser wunderbaren Laufbahn Michaels als morontieller Sterblicher von Endantum darzustellen. Als Michael von dieser morontiellen Selbsthingabe zurückkehrte, wurde für uns alle offenkundig, dass unser Schöpfer ein kameradschaftliches Geschöpf geworden war, dass der Universumssouverän auch der Freund und einfühlsame Helfer selbst der niedrigsten Form erschaffener Intelligenzen seiner Reiche war. Wir hatten diese allmähliche Aneignung des Geschöpfesstandpunktes in der Universumsadministration schon früher festgestellt, denn sie hatte sich schrittweise bemerkbar gemacht, aber sie sprang nach dem Abschluss seiner Selbsthingabe als morontieller Sterblicher mehr in die Augen und wurde nach der Rückkehr von seiner Laufbahn als Zimmermannssohn auf Urantia noch offensichtlicher. Wir erfuhren durch Gabriel im Voraus den Zeitpunkt der Entlassung Michaels aus seiner morontiellen Selbsthingabe, und wir bereiteten auf Salvington einen den Umständen entsprechenden Empfang vor. Millionen und Abermillionen von Wesen aus den Hauptsitzwelten der Konstellationen Nebadons versammelten sich, und von den Nachbarwelten Salvingtons fand sich die Mehrheit der Aufenthalter ein, um ihn anlässlich seiner Wiederaufnahme der Leitung seines Universums willkommen zu heißen. In Beantwortung unserer zahlreichen Grußworte und unserer Würdigungen eines Souveräns, der so entschiedenen Anteil an seinen Geschöpfen nahm, erwiderte er bloß: "Ich habe mich einfach um die Angelegenheiten meines Vaters gekümmert. Ich handle nur aus der Freude der Paradies-Söhne heraus, die ihre Geschöpfe lieben und deren sehnlichster Wunsch es ist, sie zu verstehen." Aber von diesem Tag an bis zu der Stunde, da sich Michael zu seinem Abenteuer als Menschensohn auf Urantia aufmachte, fuhr ganz Nebadon fort, die vielen Großtaten seines Souveränen Herrschers auf Endantum zu diskutieren, wo er in der Selbsthingabe-Inkarnation eines evolutio-nären aufsteigenden morontiellen Sterblichen gewirkt hatte und gleich seinen den materiellen Welten der ganzen Konstellation seines Aufenthaltes entstammenden Gefährten in jeder Hinsicht auf die Probe gestellt worden war. ***** 119.7 Die siebente und letzte Selbsthingabe ***** Während Zehntausenden von Jahren schauten wir alle Michaels siebenter und letzter Selbsthingabe entgegen. Gabriel hatte uns gelehrt, dass diese abschließende Selbsthingabe in menschlicher Gestalt erfolgen würde, aber wir waren in völliger Unwissenheit über Zeitpunkt, Ort und Art dieses kulminierenden Abenteuers. Die öffentliche Ankündigung, dass Michael Urantia zum Schauplatz seiner letzten Selbsthingabe auserkoren hatte, erfolgte kurz nachdem wir von der Pflichtverletzung Adams und Evas erfahren hatten. Und so nahm eure Welt über fünfunddreißigtausend Jahre lang in den Räten des gesamten Universums eine sehr auffallende Stellung ein. Kein Geheimnis (abgesehen vom Mysterium der Inkarnation) umgab irgendwelchen Schritt in der Selbsthingabe auf Urantia. Von Anfang bis Ende, bis zu der abschließenden, triumphierenden Rückkehr Michaels als höchster Universumssouverän nach Salvington, wurde im Universum über alles, was auf eurer kleinen, aber so sehr geehrten Welt vor sich ging, ausgiebig berichtet. Obwohl wir dachten, dass diese Methode gewählt werden würde, wussten wir bis zum Eintritt des tatsächlichen Ereignisses nie, dass Michael auf Erden als ein hilfloses Kindlein dieser Welt erscheinen würde. Bis dahin war er immer als voll entwickelter Angehöriger der für die Selbsthingabe gewählten Persönlichkeitsgruppe erschienen, und erregend war nun die aus Salvington übermittelte Ansage, dass auf Urantia das Kindlein von Bethlehem geboren worden sei. Wir realisierten damals nicht nur, dass unser Schöpfer und Freund den gefährlichsten Schritt seiner gesamten Laufbahn tat - riskierte er doch offensichtlich in dieser Selbsthingabe als hilfloser Säugling seine Position und Autorität - sondern wir begriffen auch, dass seine in dieser letzten, menschlichen Selbsthingabe gewonnene Erfahrung ihn für ewig als unbestrittenen und höchsten Souverän über das Universum von Nebadon inthronisieren würde. Aus allen Teilen des Lokaluniversums richteten sich während eines Jahrhundertdrittels irdischer Zeit alle Blicke auf Urantia. Allen Intelligenzen wurde klar, dass sich die letzte Selbsthingabe abwickelte, und da wir seit langem um die Rebellion Luzifers in Satania und den Abfall Caligastias auf Urantia wussten, begriffen wir nur zu gut, wie heiß der Kampf sein würde, der entstünde, wenn unser Herrscher hinabstiege, um sich in der demütigen Gestalt eines Menschenwesens zu inkarnieren. Josua ben Joseph, das jüdische Kindlein, wurde genau gleich wie alle anderen Kinder vor und nach ihm empfangen und in die Welt hinein geboren, außer dass dieses besondere Kind die Inkarnation Michaels von Nebadon war, eines göttlichen Paradies-Sohnes und Schöpfers dieses ganzen Lokaluniversums von Dingen und Wesen. Und dieses Rätsel der Inkarnation der Gottheit in der menschlichen Gestalt Jesu, der im Übrigen einen natürlichen Ursprung in der Welt hatte, wird für immer ungelöst bleiben. Selbst in der Ewigkeit werdet ihr die Technik und Methode der Inkarnation des Schöpfers in der Gestalt seiner Geschöpfe nie kennen lernen. Das ist das Geheimnis von Sonarington, und diese Mysterien sind der ausschließliche Besitz jener göttlichen Söhne, die durch die Erfahrung der Selbsthingabe gegangen sind. Auf der Erde wussten bestimmte weise Männer um Michaels bevorstehende Ankunft. Über Kontakte von einer Welt zur anderen erfuhren diese geistig hellsichtigen, weisen Männer von der bevorstehenden Selbsthingabe Michaels auf Urantia. Und über die Mittler-Geschöpfe machten die Seraphim die Ankündigung einer Gruppe von chaldäischen Priestern, deren Führer Ardnon war. Diese Gottesmänner besuchten das neugeborene Kind. Das einzige mit der Geburt von Jesus verbundene übernatürliche Ereignis war diese Mitteilung an Ardnon und seine Gefährten durch die Seraphim, die einst im ersten Garten Adam und Eva zugeteilt gewesen waren. Jesu menschliche Eltern waren durchschnittliche Wesen jener Tage und Generation, und so wurde dieser inkarnierte Gottessohn von einer Frau geboren und in der für die Kinder jener Rasse und Zeit üblichen Art aufgezogen. Die Geschichte von Michaels Aufenthalt auf Urantia, die Erzählung der menschlichen Selbsthingabe des Schöpfersohnes auf eurer Welt ist etwas, was über den Rahmen und Zweck dieser Schrift hinausgeht. ***** 119.8 Michaels Status nach seinen Selbsthingaben ***** Nach Michaels letzter und erfolgreicher Selbsthingabe auf Urantia wurde er nicht nur von den Ältesten der Tage als souveräner Herrscher Nebadons akzeptiert, sondern auch vom Universalen Vater als fest etablierter Lenker des Lokaluniversums eigener Schöpfung anerkannt. Nach seiner Rückkehr nach Salvington wurde Michael, der Menschensohn und der Gottessohn, zum unbestrittenen Herrscher Nebadons proklamiert. Aus Uversa kam die achte Proklamation der Souveränität Michaels, während aus dem Paradies eine gemeinsame Erklärung des Universalen Vaters und des Ewigen Sohnes eintraf, die diese Einheit aus Gott und Mensch zum alleinigen Oberhaupt des Universums ernannte und den auf Salvington stationierten Einiger der Tage anwies, seine Absicht zu bekunden, sich ins Paradies zurückzuziehen. Desgleichen wurde den Getreuen der Tage an den Hauptsitzen der Konstellationen bedeutet, sich aus den Räten der Allerhöchsten zurückzuziehen. Aber Michael wollte in den Abzug der Söhne der Trinität nicht einwilligen, nicht auf ihren Rat und ihre Mitarbeit verzichten. Er versammelte sie auf Salvington und bat sie persönlich, für immer in ihrem Amt in Nebadon zu bleiben. Sie drückten ihren Vorgesetzten im Paradies gegenüber ihren Wunsch aus, dieser Bitte nachzukommen, und kurz darauf kamen Erlasse heraus, welche diese Söhne des Zentraluniversums vom Paradies trennten und sie für immer an den Hof Michaels von Nebadon banden. Es waren fast eine Milliarde Jahre nötig gewesen, um Michaels Laufbahn der Selbsthingaben zu vollenden und die endgültige Festigung seiner höchsten Autorität im selbsterschaffenen Universum zu bewerkstelligen. Michael war als ein Schöpfer geboren, als ein Verwalter erzogen und als ein Regierender geschult worden, aber es wurde von ihm verlangt, seine Souveränität durch Erfahrung zu verdienen. Und so ist eure kleine Welt in ganz Nebadon als jener Schauplatz bekannt geworden, wo Michael die Erfahrung abrundete, die von jedem Schöpfersohn des Paradieses verlangt wird, bevor an ihn die uneingeschränkte Gewalt über das von ihm selber erschaffene Universum und dessen Leitung übertragen werden. Während eures Aufstiegs durch das Lokaluniversum werdet ihr mehr über die Ideale der Persönlichkeiten von Michaels früheren Selbsthingaben erfahren. Durch die Vervollständigung seiner Selbsthingaben in Geschöpfesgestalt begründete Michael nicht nur seine eigene Souveränität, sondern verstärkte auch die sich entwickelnde Souveränität des Supremen Gottes. Im Laufe der Selbsthingaben unternahm der Schöpfersohn nicht nur in absteigender Reihenfolge die Erforschung der verschiedenen Naturen der Geschöpfespersönlichkeiten, sondern vollbrachte auch die Offenbarung der verschiedenen Willensarten der Paradies-Gottheiten, deren zusammenfassende Einheit, wie sie durch die Supremen Schöpfer offenbart wird, die Offenbarung des Willens des Supremen Wesens ist. Diese verschiedenen Willensaspekte der Gottheit sind ewig in den unterschiedlichen Naturen der Sieben Hauptgeiste personifiziert, und jede von Michaels Selbsthingaben brachte insbesondere eine dieser Göttlichkeitsmanifestationen zum Ausdruck. Während seiner Selbsthingabe als Melchisedek manifestierte er den vereinigten Willen von Vater, Sohn und Geist, während der Selbsthingabe als Lanonandek den Willen von Vater und Sohn; während der adamischen Selbsthingabe offenbarte er den Willen von Vater und Geist, während der seraphischen Selbsthingabe den Willen von Sohn und Geist; während der Selbsthingabe als Sterblicher auf Uversa brachte er den Willen des Mit-Vollziehers zum Ausdruck, während der Selbsthingabe als morontieller Sterblicher den Willen des Ewigen Sohnes; und während der materiellen Selbsthingabe auf Urantia lebte er den Willen des Universalen Vaters als ein Sterblicher aus Fleisch und Blut. Die Erfüllung dieser sieben Selbsthingaben trug Michael die höchste Souveränität ein und schuf auch die Möglichkeit für die Souveränität des Supremen in Nebadon. In keiner seiner Selbsthingaben offenbarte Michael den Supremen Gott, aber die Summe aller sieben Selbsthingaben ist eine neue nebadonsche Offenbarung des Supremen Wesens. Gleichzeitig mit seiner Erfahrung des Niedersteigens vom Gott zum Menschen erlebte Michael den Aufstieg von partieller Manifestationsmöglichkeit zur Suprematie endlichen Handelns und zur Finalität der Befreiung seines Potentials für absonite Funktionen. Michael, ein Schöpfersohn, ist ein Schöpfer von Zeit und Raum, aber Michael, ein siebenfacher Meistersohn, ist ein Mitglied einer der göttlichen Körperschaften, die die Ultime Trinität bilden. Indem der Schöpfersohn die Erfahrung machte, die sich in den Sieben Hauptgeisten ausdrückenden sieben Willen der Trinität zu offenbaren, machte er zugleich die Erfahrung, den Willen des Supremen zu offenbaren. Indem er als Offenbarer des Willens der Suprematie wirkte, hat sich Michael gleich allen anderen Meistersöhnen auf ewig mit dem Supremen identifiziert. In diesem Universumszeitalter offenbart er den Supremen und nimmt an der Verwirklichung der Souveränität der Suprematie teil. Aber wir glauben, dass er im nächsten Universumszeitalter für die Universen des Äußeren Raums und in ihnen mit dem Supremen Wesen in der ersten erfahrungsmäßigen Trinität zusammenarbeiten wird. Urantia ist das gefühlsmäßige Heiligtum ganz Nebadons, die erste unter zehn Millionen bewohnter Welten, die menschliche Heimat von Christus Michael, dem Souverän ganz Nebadons, die Heimat eines Melchisedeks, der den Welten beisteht, eines Systemretters, eines adamischen Wiedergutmachers, eines seraphischen Gefährten, eines Kameraden aufsteigender Geistwesen, eines morontiellen Vorwärtsstrebenden, des Menschensohns in sterblicher Gestalt und des Planetarischen Fürsten Urantias. Und eure Schrift spricht wahr, wenn sie sagt, dass dieser selbe Jesus versprochen hat, eines Tages auf die Welt seiner letzten Selbsthingabe, auf die Welt des Kreuzes, zurückzukehren. [Diese Schrift, die die sieben Selbsthingaben von Christus Michael schildert, ist die dreiundsechzigste einer Serie von Darstellungen, denen zahlreiche Persönlichkeiten Pate gestanden haben und die die Geschichte Urantias bis zum Zeitpunkt des Erscheinens Michaels in Menschengestalt auf Erden wiedergeben. Diese Schriften wurden von einer nebadonschen Zwölferkommission gutgeheißen, die unter der Leitung von Mantutia Melchisedek stand. Wir verfassten diese Berichte und übertrugen sie in die englische Sprache im Jahre 1935 urantianischer Zeitrechnung mittels einer von unseren Vorgesetzten gebilligten Technik.] ****** Part 4 Das Leben und die Lehren Jesu ****** ****** Kapitel 120 Die Selbsthingabe Michaels auf Urantia ****** VON Gabriel mit der Überwachung einer neuen Darstellung des Lebens Michaels beauftragt, als dieser in Menschengestalt auf Urantia weilte, bin ich, ein Melchisedek und Leiter der mit dieser Aufgabe betrauten Offenbarungskommission, ermächtigt worden, die nachfolgende Schilderung von gewissen Ereignissen vorzulegen, die der Ankunft des Schöpfersohnes auf Urantia unmittelbar vorangingen, wo er die letzte Phase der Erfahrung, sich an sein Universum hinzugeben, antreten sollte. Ein Teil des Preises, den jeder Schöpfersohn für die unumschränkte Souveränität über sein selbsterschaffenes Universum von Dingen und Wesen zu bezahlen hat, besteht darin, ebensolche Leben, wie er sie den intelligenten Wesen seiner eigenen Schöpfung auferlegt, selber zu leben, sich also in der Gestalt der verschiedenen Ordnungen seiner erschaffenen Wesen hinzugeben. Vor den Ereignissen, die ich gleich beschreiben werde, hatte sich Michael von Nebadon sechsmal in der Erscheinungsform von sechs verschiedenen Ordnungen seiner vielfältigen Schöpfung intelligenter Wesen hingegeben. Danach machte er sich bereit, in Gestalt eines Sterblichen der niedersten Ordnung seiner intelligenten Willensgeschöpfe auf Urantia hinabzusteigen und gemäß den Weisungen der göttlichen Lenker des Universums der Universen im Paradies als ein Mensch der materiellen Welt im Drama der Gewinnung der Universumssouveränität den letzten Akt zu vollziehen. Während jeder dieser vorausgegangenen Selbsthingaben hatte Michael nicht nur die endliche Erfahrung einer Einzelgruppe seiner erschaffenen Wesen erworben, sondern auch eine wesentliche Erfahrung in der Zusammenarbeit mit dem Paradies gewonnen, die in und durch sich noch mehr zur Begründung seiner Souveränität über sein selbsterschaffenes Universum beitragen sollte. Zu jedem Zeitpunkt in der langen Vergangenheit des Lokal-universums hätte Michael als ein Schöpfersohn Anspruch auf die persönliche Souveränität erheben und als ein Schöpfersohn sein Universum nach eigenem Gutdünken regieren können. In einem solchen Fall hätten Immanuel und die ihm beigeordneten Paradies-Söhne das Universum verlassen. Aber Michael wollte Nebadon nicht nach seinem eigenen, isolierten Recht als Schöpfersohn regieren. Er wünschte, durch wirkliche Erfahrung in kooperativer Unterordnung unter die Paradies-Trinität zu jenem hohen Universums-Status aufzusteigen, der ihn dazu berechtigen würde, sein Universum und dessen Angelegenheiten mit jener vollendeten Einsicht und Weisheit im Handeln zu lenken, die dereinst die glorreiche Herrschaft des Supremen Wesens kennzeichnen werden. Er strebte nicht nach der Vollkommenheit der Herrschaft eines Schöpfersohnes, sondern nach der Suprematie der Verwaltung als einer Verkörperung der Universumsweisheit und göttlichen Erfahrung des Supremen Wesens. Michael verfolgte also mit diesen sieben Selbsthingaben an die verschiedenen Ordnungen von Geschöpfen seines Universums ein doppeltes Ziel: Erstens vervollständigte er die zum Verständnis der Geschöpfe notwendige Erfahrung, die von allen Schöpfersöhnen verlangt wird, bevor sie die vollständige Souveränität übernehmen. Zu jeder Zeit kann ein Schöpfersohn sein Universum selbständig regieren, aber als der supreme Repräsentant der Paradies-Trinität kann er nur herrschen, wenn er zuvor durch die sieben Selbsthingaben an die Geschöpfe seines Universums gegangen ist. Zweitens strebte er nach dem Privileg, die maximale Autorität der Paradies-Trinität zu repräsentieren, die in der direkten persönlichen Verwaltung eines Lokaluniversums ausgeübt werden kann. Also unterzog sich Michael während jeder seiner Universums-Selbsthingaben aus freiem Entschluss erfolgreich und zufrieden stellend dem unterschiedlich beschaffenen Willen der verschiedenen Personenverbindungen der Paradies-Trinität. Das heißt, er war während der ersten Selbsthingabe dem vereinigten Willen des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterworfen; während der zweiten dem Willen des Vaters und des Sohnes; während der dritten dem Willen des Vaters und des Geistes; während der vierten dem Willen des Sohnes und des Geistes; während der fünften dem Willen des Unendlichen Geistes; während der sechsten dem Willen des Ewigen Sohnes; und während der siebenten und letzten Selbsthingabe auf Urantia dem Willen des Universalen Vaters. Michael verbindet demnach in seiner persönlichen Souveränität die sieben Phasen des göttlichen Willens der universalen Schöpfer mit der verstehenden Erfahrung der Geschöpfe seines Lokaluniversums. Damit ist seine Verwaltung repräsentativ für die größtmögliche Macht und Autorität geworden, die indessen frei von jeder willkürlichen Anmaßung ist. Seine Macht ist unbegrenzt, da sie aus erfahrener Verbindung mit den Paradies-Gottheiten stammt; seine Autorität ist unbestritten, da sie durch tatsächliche Erfahrung in der Gestalt der Universumsgeschöpfe erworben wurde; seine Souveränität ist suprem, da sie zugleich den siebenfachen Gesichtspunkt der Paradies-Gottheit und den Gesichtspunkt der Geschöpfe von Zeit und Raum in sich schließt. Nachdem er den Zeitpunkt seiner letzten Selbsthingabe bestimmt und den Planeten, auf dem dieses außergewöhnliche Ereignis stattfinden sollte, ausgewählt hatte, hielt Michael mit Gabriel die übliche, einer Selbsthingabe vorausgehende Besprechung ab und suchte darauf seinen älteren Paradies-Bruder und Ratgeber Immanuel auf. Michael vertraute jetzt der Obhut Immanuels alle Machtbefugnisse der Universumsverwaltung an, die nicht schon vorher an Gabriel übertragen worden waren. Und unmittelbar vor Michaels Abreise zu seiner Inkarnation auf Urantia willigte Immanuel ein, für die Dauer der Selbsthingabe auf Urantia die Aufsicht über das Universum zu übernehmen. Und dann ging er dazu über, Michael für die Selbsthingabe Ratschläge zu erteilen, die ihm als Richtlinien für die Inkarnation dienen sollten, wenn er in Kürze als ein Sterblicher der Welt auf Urantia aufwachsen würde. Man sollte in diesem Zusammenhang daran denken, dass sich Michael dafür entschieden hatte, diese Selbsthingabe in Menschengestalt in Unterordnung unter den Willen des Paradies-Vaters durchzuführen. Der Schöpfersohn hätte für die Bewältigung der Inkarnation niemandes Instruktionen nötig gehabt, wenn sein einziges Ziel die Erlangung der Souveränität über sein Universum gewesen wäre. Aber er hatte sich auf ein Programm der Offenbarung des Supremen festgelegt, welches das bereitwillige Zusammenwirken mit den verschiedenen Willen der Paradies-Gottheiten in sich schloss. Auf diese Weise würde seine Souveränität, einmal endgültig und persönlich erworben, tatsächlich den siebenfachen Willen der Gottheit, wie er im Supremen gipfelt, voll und ganz beinhalten. Deshalb hatte er zuvor schon sechsmal von den persönlichen Vertretern der verschiedenen Paradies-Gottheiten und ihrer Verbindungen Weisungen erhalten; und jetzt erhielt er sie vom Einiger der Tage, dem Botschafter der Paradies-Trinität beim Lokal-universum von Nebadon, der im Auftrag des Universalen Vaters handelte. Sofortige Vorteile und außerordentliche Belohnungen erwuchsen aus der Bereitschaft dieses mächtigen Schöpfersohnes, sich einmal mehr aus freien Stücken dem Willen der -Gottheiten zu unterwerfen, diesmal demjenigen des Universalen Vaters. Durch diesen Entschluss zu kooperativer Unterordnung würde Michael während dieser Inkarnation nicht nur die Natur des sterblichen Menschen, sondern auch den Willen des Paradies-Vaters aller erfahren. Und ferner konnte er diese einmalige Selbsthingabe nicht nur in der völligen Gewissheit antreten, dass Immanuel während seiner durch die Selbsthingabe bedingten Abwesenheit auf Urantia sein Universum mit der vollen Autorität des Paradies-Vaters verwalten würde, sondern auch im trostreichen Wissen darum, dass die Ältesten der Tage des Superuniversums für die ganze Dauer der Selbsthingabe die Sicherheit seines Reichs dekretiert hatten. Dies waren die Hintergründe des bedeutungsvollen Anlasses, bei dem Immanuel seine Empfehlungen für die siebente Selbsthingabe machte. Und von diesen der Selbsthingabe vorausgegangenen Anweisungen Immanuels an den Universumsherrscher, der anschließend Jesus von Nazareth (Christus Michael) auf Urantia wurde, ist mir gestattet, die folgenden Auszüge vorzulegen: ***** 120.1 Die Anweisungen zur siebenten Selbsthingabe ***** "Mein Schöpferbruder, ich werde in Kürze Zeuge deiner siebenten und letzten Selbsthingabe an das Universum werden. Du hast die sechs früheren Sendungen höchst gewissenhaft und vollendet ausgeführt, und ich zweifle nicht daran, dass du aus dieser letzten Selbsthingabe zur Erlangung der Souveränität ebenso siegreich hervorgehen wirst. Bis jetzt bist du auf den Welten deiner Selbsthingaben stets als ein vollentwickeltes Wesen einer von dir ausgewählten Ordnung erschienen. Aber jetzt hast du vor, auf Urantia, dem in Unordnung befindlichen und durcheinander geratenen Planeten deiner Wahl, nicht als ein vollentwickelter Sterblicher, sondern als ein hilfloses Kindlein zu erscheinen. Das wird für dich, mein Freund, eine neue, noch nicht gemachte Erfahrung sein. Du schickst dich an, den vollen Preis der Selbsthingabe zu bezahlen und aus der Inkarnation eines Schöpfers in der Gestalt eines Geschöpfes eine vollständige Erleuchtung zu empfangen. Während jeder deiner früheren Selbsthingaben hast du freiwillig beschlossen, dich dem Willen der drei Paradies-Gottheiten und ihrer göttlichen Verbindungen zu unterwerfen. In deinen vorherigen Selbsthingaben bist du allen sieben Phasen des Willens des Supremen außer dem persönlichen Willen deines Paradies-Vaters untertan gewesen. Nachdem du dich jetzt dafür entschieden hast, dich während deiner siebenten Selbsthingabe völlig dem Willen deines Vaters unterzuordnen, übernehme ich als der persönliche Vertreter unseres Vaters für die Zeit deiner Inkarnation die unbeschränkte Verfügungsgewalt über dein Universum. Mit dem Beginn deiner Selbsthingabe auf Urantia hast du aus freiem Willen auf jeden außerplanetarischen Rückhalt und jeden besonderen Beistand verzichtet, den dir Geschöpfe deiner eigenen Schöpfung leisten könnten. So wie deine eigenen erschaffenen Söhne Nebadons während ihres ganzen Werdegangs im Universum für sichere Führung gänzlich von dir abhängig sind, so musst du jetzt zur sicheren Führung durch die unbekannten Wechselfälle deiner baldigen irdischen Laufbahn völlig und vorbehaltlos von deinem Paradies-Vater abhängig werden. Und wenn du die Erfahrung der Selbsthingabe beendet hast, wirst du in ihrer ganzen Wahrheit den vollen Sinn und die tiefe Bedeutung des glaubenden Vertrauens kennen, dessen Erwerbung du so ausnahmslos von all deinen Geschöpfen als Teil ihrer innigen Beziehung zu dir als ihrem lokaluniversellen Schöpfer und Vater verlangst. Während deiner ganzen Selbsthingabe auf Urantia hast du nur auf eines zu achten, nämlich auf die ununterbrochene Verbindung zwischen dir und deinem Paradies-Vater. Und gerade dank der Vollkommenheit einer solchen Beziehung wird die Welt deiner Selbsthingabe, ja sogar das ganze Universum deiner Schöpfung eine neue und besser verständliche Offenbarung deines und meines Vaters, des Universalen Vaters aller, erhalten. Du brauchst dich also nur um dein persönliches Leben auf Urantia zu kümmern. Ich werde vom Augenblick deiner freiwilligen Autoritätsabtretung an meine Verantwortung für die Sicherheit und ununterbrochene Verwaltung deines Universums in vollem Umfang und in wirksamer Weise wahrnehmen, bis du, vom Paradies bestätigt, als Souverän des Universums zu uns zurückkehren und aus meinen Händen anstelle der Autorität eines stellvertretenden Lenkers, die du mir jetzt abtrittst, die höchste Macht und richterliche Gewalt über dein Universum empfangen wirst. Und damit du mit Sicherheit weißt, dass ich alles, was ich jetzt verspreche, auch zu tun ermächtigt bin (du weißt sehr wohl, dass ich selber die Gewähr des ganzen Paradieses für die getreue Ausführung meines Wortes bin) teile ich dir mit, dass ich eben von einem Erlass der Ältesten der Tage von Uversa in Kenntnis gesetzt worden bin, der für die Dauer deiner freiwilligen Selbsthingabe jegliche geistige Gefährdung Nebadons ausschließt. Vom Augenblick an, da du zu Beginn deiner Inkarnation als Sterblicher dein Bewusstsein aufgibst, bis du als supremer und unumschränkter Souverän über das von dir erschaffene und organisierte Universum wieder zu uns zurückkehrst, kann in ganz Nebadon nichts Schwerwiegendes vorfallen. Für die Zwischenzeit deiner Inkarnation befielt mir die Weisung der Ältesten der Tage, unterschiedslos die augenblickliche und automatische Auslöschung jedes Wesens anzuordnen, das sich der Rebellion schuldig machen oder sich anmaßen sollte, während deiner durch die Selbsthingabe bedingten Abwesenheit im Universum von Nebadon eine Revolte anzustiften. Mein Bruder, angesichts der in mir verkörperten Autorität des Paradieses, die durch den richterlichen Erlass aus Uversa noch verstärkt wird, wird dein Universum mit all seinen dir ergebenen Geschöpfen während deiner Selbsthingabe in Sicherheit sein. Du kannst deine Sendung mit dem alleinigen Gedanken antreten, den intelligenten Wesen deines Universums eine höhere Offenbarung unseres Vaters zu machen. Wie bei jeder deiner früheren Selbsthingaben möchte ich dich daran erinnern, dass ich die Gerichtsbarkeit über dein Universum als dein brüderlicher Treuhänder empfange. Ich übe alle Autorität und Macht in deinem Namen aus. Ich handle so, wie unser Paradies-Vater handeln würde, und entsprechend deinem ausdrücklichen Wunsch, in dieser Weise an deiner Stelle zu wirken. Angesichts dieser Sachlage kannst du alle übertragene Autorität zu jedem Zeitpunkt, den du zu ihrer Rückgabe als günstig erachtest, wieder zurückfordern. Deine Selbsthingabe ist von Anfang bis Ende völlig freiwillig. Als ein auf der Welt inkarnierter Sterblicher besitzt du keine himmlischen Begabungen, aber zu jedem von dir gewählten Zeitpunkt kannst du deine abgelegte Macht wieder ergreifen und erneut die Universums-Autorität übernehmen. Solltest du dich entschließen, Macht und Autorität wieder an dich zu nehmen, so denke daran, dass es einzig aus persönlichen Gründen geschähe, denn ich bin der lebendige und höchste Bürge, dessen Gegenwart und Versprechen für die sichere Verwaltung deines Universums gemäß dem Willen deines Vaters Gewähr bietet. Keine Rebellionen, wie sie dreimal in Nebadon vorgekommen sind, können während deiner Abwesenheit von Salvington ausbrechen. Für die Zeitspanne deiner Selbsthingabe auf Urantia haben die Ältesten der Tage verfügt, dass jeder Aufstand in Nebadon sich automatisch selbst vernichten würde. Solange du während dieser letzten, außerordentlichen Selbsthingabe abwesend bist, verbürge ich mich (unter Gabriels Mitwirkung) für die gewissenhafte Verwaltung deines Universums. Und wenn ich dir jetzt den Auftrag erteile, dieses Amt göttlicher Offenbarung zu übernehmen und dich dieser Erfahrung vervollkommneten Verständnisses der Menschen zu unterziehen, handle ich im Auftrag meines Vaters und deines Vaters und erteile dir die folgenden Ratschläge, die dich in deinem Erdenleben leiten sollten, während du dir immer mehr der göttlichen Mission deines langen Aufenthaltes in Menschengestalt bewusst werden wirst: ***** 120.2 Die Beschränkungen der Selbsthingabe ***** "1. Gemäß den Gepflogenheiten und im Einklang mit der Technik Sonaringtons habe ich - in Erfüllung der Weisungen des Ewigen Sohnes des Paradieses - alles in die Wege geleitet, damit du in Übereinstimmung mit den von dir ausgearbeiteten Plänen, die Gabriel in meinen Gewahrsam gegeben hat, deine Selbsthingabe in Menschengestalt unverzüglich antreten kannst. Du wirst auf Urantia als ein Kind der Welt heranwachsen, deine menschliche Erziehung abschließen - dabei immer dem Willen deines Paradies-Vaters untertan - dein Leben auf Urantia so leben, wie du es bestimmt hast, deinen Aufenthalt auf dem Planeten beenden und dich zur Himmelfahrt zu deinem Vater bereitmachen, um von ihm die supreme Souveränität über dein Universum zu empfangen. 2. Unabhängig von deiner irdischen Sendung und deiner Offenbarung an das Universum, aber im Zusammenhang mit beiden, rate ich dir, nachdem du ein genügendes Bewusstsein deiner göttlichen Identität erlangt hast, die zusätzliche Aufgabe zu übernehmen, die Rebellion Luzifers im System von Satania technisch zu beenden, und all dies als der Menschensohn zu tun. Ich schlage dir also vor, als ein sterbliches Geschöpf der Welt, das bei all seiner Schwachheit durch die gläubige Unterwerfung unter den Willen seines Vaters mächtig geworden ist, all das gnädig zu vollenden, was du durch Gewalt und Macht zu erreichen wiederholt abgelehnt hast, obwohl diese dir bei Ausbruch der sündhaften und ungerechtfertigten Rebellion zu Gebote standen. Ich sähe es als eine angemessene Krönung deiner Selbsthingabe in Menschengestalt, wenn du zu uns nicht nur als Gottessohn und supremer Souverän deines Universums, sondern auch als Menschensohn und als Planetarischer Fürst von Urantia zurückkehrtest - wenn du als ein sterblicher Mensch, der zu der niedersten Gattung intelligenter Geschöpfe Nebadons gehört, der gotteslästerlichen Anmaßung Caligastias und Luzifers begegnen und sie richten würdest und in dem von dir angenommenen demütigen Zustand den schamlosen Irrlehren dieser gefallenen Kinder des Lichts für immer ein Ende bereitetest. Nachdem du es stets unbeirrt abgelehnt hast, den Ruf dieser Rebellen in Ausübung deiner Schöpfervorrechte zu schädigen, wäre es jetzt angezeigt, als eines der niedrigsten Geschöpfe deiner Schöpfung den Händen dieser gefallenen Söhne die Herrschaft zu entreißen. Und dein ganzes Lokaluniversum könnte in aller Klarheit deutlich und für immer die Gerechtigkeit deiner Handlungsweise erkennen, wenn es dich in der Rolle eines Sterblichen die Dinge tun sähe, welche dir Barmherzigkeit kraft willkürlicher Autorität zu tun verbot. Und nachdem du so in Nebadon durch deine Selbsthingabe die Möglichkeit für die Souveränität des Supremen geschaffen haben wirst, wirst du tatsächlich auch die noch eines Urteils harrenden Angelegenheiten der früheren Revolten zum Abschluss gebracht haben, ungeachtet der zur Verwirklichung dieses Ziels nötigen längeren oder kürzeren Frist. Durch diesen Akt werden die anhängigen Strittigkeiten in deinem Universum im Wesentlichen erledigt sein. Und wenn du danach mit der supremen Souveränität über dein Universum ausgestattet wirst, kann es nie wieder in irgendeinem Teil deiner großen persönlichen Schöpfung zu einer ähnlichen Anfechtung deiner Autorität kommen. 3. Wenn du der Sezession Urantias erfolgreich ein Ende gesetzt haben wirst, woran ich nicht zweifle, rate ich dir, von Gabriel den Titel eines `Planetarischen Fürsten Urantias' als Zeichen ewiger Würdigung deiner letzten Hingabeerfahrung durch dein Universum entgegenzunehmen. Und weiter rate ich dir, alles in deiner Macht Stehende zu tun, was mit dem Sinn deiner Selbsthingabe vereinbar ist, um das Leid und die Verwirrung wieder gutzumachen, die der Verrat Caligastias und die spätere adamische Verfehlung über Urantia gebracht haben. 4. Du hast den Wunsch ausgedrückt, deine Selbsthingabe auf Urantia mit der Abhaltung eines Dispensationsgerichts der Welt zu beschließen, einhergehend mit der Beendigung eines Zeitalters, der Wiedererweckung der schlafenden fortlebenden Sterblichen und dem Dispensationsbeginn der Austeilung des Geistes der Wahrheit. Deinem Verlangen entsprechend werden Gabriel und alle Beteiligten dabei mit dir zusammenarbeiten. 5. Was den Planeten deiner Selbsthingabe und die Generation von Menschen betrifft, die dort gerade zur Zeit deines irdischen Aufenthaltes leben, so rate ich dir, vor allem in der Rolle eines Lehrers aufzutreten. Deine erste Sorge sei die Befreiung und Inspiration der geistigen Natur des Menschen. Als Nächstes erleuchte den verfinsterten menschlichen Intellekt, heile die Seelen der Menschen und befreie ihre Gemüter von uralten Ängsten. Und kümmere dich schließlich gemäß deiner menschlichen Weisheit um das physische Wohlergehen und das materielle Behagen deiner Menschenbrüder. Lebe ein ideales religiöses Leben zur Inspiration und Erbauung deines ganzen Universums. 6. Schenke den durch die Rebellion isolierten Menschen auf dem Planeten deiner Selbsthingabe die geistige Freiheit. Leiste auf Urantia einen Beitrag mehr zur Souveränität des Supremen, wodurch du diese Souveränität in den weiten Domänen deiner persönlichen Schöpfung weiter festigst. Du schickst dich jetzt an, in dieser materiellen Selbsthingabe als ein Mensch die abschließende Erleuchtung eines Zeit-Raum-Schöpfers zu erleben, die doppelte Erfahrung, in der Natur eines Menschen mit dem Willen deines Paradies-Vaters zu arbeiten. In deinem zeitlichen Leben sollen der Wille des endlichen Geschöpfes und der Wille des unendlichen Schöpfers eins werden, geradeso, wie sie sich auch in der sich entwickelnden Gottheit des Supremen Wesens einigen. Gieße über dem Planeten deiner Selbsthingabe den Geist der Wahrheit aus und mache dadurch alle normalen Sterblichen dieses isolierten Planeten unmittelbar und voll erreichbar für das Wirken der gesonderten Gegenwart unseres Paradies-Vaters, der Gedankenjustierer der Welten. 7. Behalte bei allem, was du auf der Welt deiner Selbsthingabe unternehmen magst, stets vor Augen, dass du ein Leben zur Belehrung und Erbauung deines ganzen Universums lebst. Du gibst dich in diesem Leben eines inkarnierten Sterblichen an Urantia hin, aber du musst dieses Leben zur geistigen Inspiration jeder menschlichen und übermenschlichen Intelligenz leben, die auf jeder der bewohnten Welten lebte, lebt oder leben wird, die ein Bestandteil der ungeheuren Galaxie des von dir verwalteten Gebietes war, ist oder sein wird. Du sollst dein Erdendasein in Menschengestalt nicht so leben, dass es den zur Zeit deines irdischen Aufenthaltes auf Urantia lebenden Sterblichen oder irgendeiner späteren Generation menschlicher Wesen Urantias oder einer anderen Welt als Beispiel diene. Dein Leben als Mensch auf Urantia soll vielmehr für alles Leben auf allen Welten Nebadons während aller Generationen künftiger Zeitalter Inspiration sein. 8. Die große Aufgabe, die du in deiner Inkarnation als Sterblicher zu verwirklichen und zu erfahren hast, ist in deinem Entschluss enthalten, ein von dem einzigen Gedanken, den Willen deines Paradies-Vaters zu tun, beherrschtes Leben zu leben, und damit Gott, deinen Vater, im Fleisch und insbesondere den Geschöpfen des Fleisches zu offenbaren. Zugleich wirst du unseren Vater auch für alle übersterblichen Wesen ganz Nebadons auf neue, erhebende Art interpretieren. Und ebenso wie du den menschlichen und übermenschlichen Verstandestypen mit diesem Wirken eine neue Offenbarung und gesteigerte Interpretation des Paradies-Vaters geben wirst, wirst du auch auf eine Art und Weise leben, die eine neue Offenbarung des Menschen an Gott ist. Zeige in deinem einen kurzen Menschenleben - wie man es in ganz Nebadon nie zuvor gesehen hat - welch transzendente Möglichkeiten ein Gott kennender Mensch in seinem kurzen sterblichen Dasein erreichen kann, und gib allen übermenschlichen Intelligenzen ganz Nebadons für alle Zeiten eine neue und erleuchtende Interpretation vom Menschen und von den Wechselfällen seines planetarischen Lebens. Du gehst jetzt zur Inkarnation nach Urantia hinab, wo du das Leben eines Menschen deiner Zeit und Generation leben wirst, und du wirst es in einer Weise tun, die deinem gesamten Universum das Ideal vervollkommneter Methode in der höchsten Hingabe an die Angelegenheiten deiner weiten Schöpfung vor Augen führen wird: Die Erfüllung des Ziels Gottes, der den Menschen sucht und ihn findet, und das Phänomen des Menschen, der Gott sucht und ihn findet. Und du wirst all das zu wechselseitiger Zufriedenheit und in einem einzigen kurzen Menschenleben verrichten. 9. "Ich ermahne dich, immer daran zu denken, dass du potentiell ein Schöpfersohn des Paradies Vaters bleibst, auch wenn du tatsächlich zu einem gewöhnlichen Menschen der Welt wirst. Obwohl du während dieser Inkarnation wie ein Menschensohn leben und handeln wirst, werden dir die schöpferischen Attribute deiner persönlichen Göttlichkeit von Salvington nach Urantia folgen. Es wird immer in der Macht deines Willens liegen, die Inkarnation zu jedem Zeitpunkt nach der Ankunft deines Gedankenjustierers zu beenden. Vor der Ankunft und dem Empfang des Justierers bürge ich für die Integrität deiner Persönlichkeit. Aber nach seinem Eintreffen und im selben Maße, wie du allmählich Wesen und Bedeutung deiner Mission der Selbsthingabe erkennst, solltest du dich in Anbetracht des Umstandes, dass deine Schöpfervorrechte mit deiner sterblichen Persönlichkeit verbunden bleiben, jeglicher Formulierung übermenschlichen Wollens, Vollbringens oder Machtbegehrens enthalten; denn diese Attribute können nicht von deiner persönlichen Gegenwart getrennt werden. Aber abgesehen vom Willen des Paradies-Vaters wird nichts Übermenschliches auf deine irdische Laufbahn einwirken, es sei denn, du solltest durch einen bewussten und vorsätzlichen Willensakt eine klare Entscheidung treffen, die am Ende von deiner Gesamtpersönlichkeit angenommen würde." ***** 120.3 Weitere Ratschläge und Ermahnungen ***** "Und jetzt, mein Bruder, da du dich anschickst, nach Urantia aufzubrechen, und ich mich von dir verabschiede, erlaube mir, dir nach meinen die allgemeine Linie deiner Selbsthingabe betreffenden Hinweisen noch bestimmte Ratschläge zu erteilen, die aus einer Besprechung mit Gabriel hervorgegangen sind und sich auf unbedeutendere Aspekte deines Menschenlebens beziehen. Wir empfehlen des Weiteren: 1. Dass du bei der Verfolgung deines Ideals eines menschlichen Erdenlebens auch darauf achtest, in beispielhafter Weise einige praktische und deinen Mitmenschen unmittelbar hilfreiche Dinge zu tun. 2. Was die familiären Beziehungen betrifft, so gib den geltenden Gewohnheiten des Familienlebens, so wie du sie zum Zeitpunkt und in der Generation deiner Selbsthingabe vorfindest, den Vorrang. 3. Was dein Verhältnis zur sozialen Ordnung angeht, raten wir dir, deine Bemühungen im Wesentlichen auf die geistige Erneuerung und intellektuelle Befreiung zu richten. Vermeide alle Verwicklungen in Wirtschaftsgefüge und politische Bewegungen deiner Zeit. Widme dich insbesondere der Aufgabe, auf Urantia das ideale religiöse Leben zu leben. 4. Unter gar keinen Umständen und auch nicht im Geringsten solltest du in die normale und geordnete fortschreitende Entwicklung der Rassen Urantias eingreifen. Aber dieses Verbot darf nicht dahingehend interpretiert werden, als beschränke es deine Anstrengungen, auf Urantia ein dauerndes und verbessertes System positiver religiöser Ethik zu hinterlassen. Als einem Dispensationssohn werden dir gewisse Vorrechte gewährt, die die Förderung des geistigen und religiösen Status der Völker der Welt betreffen. 5. Nach deinem Ermessen wirst du dich mit den bestehenden religiösen und geistigen Bewegungen, wie du sie auf Urantia vorfindest, identifizieren müssen, aber suche auf jede erdenkliche Weise die offizielle Einrichtung eines organisierten Kultes, einer kristallisierten Religion oder einer abgesonderten ethischen Gruppierung sterblicher Wesen zu vermeiden. Dein Leben und deine Lehren sollen das gemeinsame Erbe aller Religionen und aller Völker werden. 6. Damit du auf Urantia nicht unnötigerweise zur Bildung späterer stereotyper religiöser Glaubenssysteme oder zu andersgearteten, nichtprogressiven religiösen Loyalitäten beiträgst, raten wir dir ferner: Lasse auf dem Planeten nichts Geschriebenes zurück. Sieh davon ab, irgendetwas auf dauerhaftes Material zu schreiben. Schärfe deinen Gefährten ein, keine Bilder oder andere Darstellungen von deiner menschlichen Erscheinung zu machen. Sieh zu, dass zum Zeitpunkt deines Weggangs auf dem Planeten nichts zurückbleibt, was zu Götzendienst führen könnte. 7. Während du auf dem Planeten als normale Person männlichen Geschlechts ein normales und durchschnittliches Leben in der Gesellschaft führst, wirst du wohl kaum eine eheliche Verbindung eingehen, obwohl eine solche Beziehung durchaus ehrenwert wäre und sich mit deiner Selbsthingabe vertrüge; aber ich muss dich daran erinnern, dass einer der Inkarnationsanweisungen Sonaringtons es einem Sohn der Selbsthingabe paradiesischen Ursprungs verbietet, auf irgendeinem Planeten menschliche Nachkommen zu hinterlassen. 8. Für alle übrigen Einzelheiten deiner bevorstehenden Selbsthingabe möchten wir dich der Führung des innewohnenden Justierers anvertrauen, der Unterweisung durch den stets gegenwärtigen göttlichen Geist menschlicher Lenkung sowie dem vernünftigen Urteil deines mit vererbten Talenten ausgestatteten, wachsenden menschlichen Verstandes. Eine derartige Verbindung von Geschöpfes- und Schöpferattributen wird dich befähigen, für uns das vollkommene Leben eines Menschen auf einer planetarischen Sphäre zu leben - nicht notwendigerweise vollkommen aus der Sicht irgendeines Menschen irgendeiner Generation irgendeiner Welt (und noch viel weniger Urantias), aber gänzlich, höchst erfüllt in der Bewertung durch die stärker vervollkommneten und in Vervollkommnung begriffenen Welten deines unermesslichen Universums. Möge dein Vater und mein Vater, der uns bei allen vergangenen Unternehmungen stets unterstützt hat, dich jetzt führen und tragen und bei dir sein von dem Augenblick an, da du uns verlässt und dein Persönlichkeits-Bewusstsein aufgibst, und danach während des allmählichen Wiedererlangens des Wissens um deine in Menschengestalt inkarnierte göttliche Identität und endlich während der ganzen Dauer deiner Erfahrung der Selbsthingabe auf Urantia bis zu deiner Befreiung vom Leib und deinem Aufstieg zu der souveränen Rechten unseres Vaters. Wenn ich dich bei deiner Rückkehr zu uns auf Salvington wieder sehe, werden wir dich als den supremen und uneingeschränkten Souverän dieses Universums bewillkommnen, das du selbst erschaffen hast, dem du gedient hast und das du dann noch vollkommener verstehst. "Ich regiere jetzt an deiner Statt. Ich übernehme die Verfügungsgewalt über ganz Nebadon als amtierender Souverän während des Interims deiner siebenten, menschlichen Selbsthingabe auf Urantia. Und dich, Gabriel, betraue ich solange mit dem Schutz des künftigen Menschensohnes, bis er in Kürze in Macht und Herrlichkeit als Menschensohn und Gottessohn zu mir zurückkehrt. Und bis zu dieser Rückkehr Michaels bin ich dein Souverän, Gabriel." * * * * * In Gegenwart des ganzen versammelten Salvingtons entfernte sich Michael darauf sofort aus unserer Mitte, und wir erblickten ihn an seinem gewohnten Ort nicht wieder bis zu seiner Rückkehr als supremer und persönlicher Führer des Universums nach Abschluss seiner Laufbahn der Selbsthingabe auf Urantia. ***** 120.4 Die Inkarnation - Verschmelzung von zwei in eins ***** Und so wurden gewisse unwürdige Kinder Michaels, die ihren Schöpfer-Vater angeklagt hatten, selbstsüchtig nach der Herrschaft zu streben, und die gar durchblicken ließen, der Schöpfersohn halte sich nur dank der blinden Treue eines genarrten Universums unterwürfiger Geschöpfe willkürlich und selbstherrlich an der Macht, für immer zum Schweigen gebracht, beschämt und ihrer Illusionen beraubt durch das Leben selbstvergessenen Dienens, das der Gottessohn jetzt als Menschensohn antrat - stets "dem Willen des Paradies-Vaters unterworfen". Aber irrt euch nicht; Christus Michael, obwohl wahrhaftig ein Wesen doppelten Ursprungs, war keine doppelte Persönlichkeit. Er war nicht Gott in Verbindung mit dem Menschen, sondern vielmehr Gott inkarniert im Menschen. Und er war immer gerade dieses vereinigte Wesen. Der einzige Entwicklungsaspekt in dieser unverständlichen Beziehung war die progressive bewusste Realisierung und Erkenntnis (durch den menschlichen Verstand) dieser Tatsache, Gott und Mensch zu sein. Christus Michael wurde nicht schrittweise Gott. Gott wurde nicht Mensch in irgendeinem entscheidenden Augenblick des irdischen Lebens Jesu. Jesus war Gott und Mensch - immer und sogar auf ewig. Und dieser Gott und dieser Mensch waren und sind jetzt eins, so wie auch die aus drei Wesen bestehende Paradies-Trinität in Wirklichkeit eine Gottheit ist. Verliert nie die Tatsache aus den Augen, dass der höchste geistige Zweck von Michaels Selbsthingabe eine höhere Offenbarung Gottes war. Die Sterblichen Urantias haben verschiedene Vorstellungen vom Mirakulösen, aber für uns Bürger des Lokaluniversums gibt es nur wenige Wunder, und von diesen sind die bei weitem rätselhaftesten die inkarnierten Selbsthingaben der Paradies-Söhne. Wir betrachten das Erscheinen eines göttlichen Sohnes in und auf eurer Welt durch scheinbar natürliche Vorgänge als ein Wunder - als das Wirken universeller Gesetze jenseits unseres Verstehens. Jesus von Nazareth war eine mirakulöse Person. Gott der Vater entschied, sich in dieser ganzen außerordentlichen Erfahrung und durch sie so zu manifestieren, wie er es immer tut - auf die übliche Weise - in der normalen, natürlichen und verläßlichen Weise göttlichen Handelns. ****** Kapitel 121 Die Epoche der Selbsthingabe Michaels ****** ICH bin der sekundäre Mittler, der seinerzeit dem Apostel Andreas zugeteilt war, und arbeite unter der Aufsicht einer Kommission von zwölf Mitgliedern der vereinigten Bruderschaft der urantianischen Mittler, die vom präsidierenden Haupt unserer Ordnung und dem für diesen Bericht zuständigen Melchisedek gemeinsam unterstützt werden. Ich bin autorisiert, den Bericht über die Geschehnisse im Leben Jesu von Nazareth zu verfassen, so wie sie von meiner Ordnung irdischer Geschöpfe beobachtet und später von dem mir für eine Zeit anvertrauten menschlichen Wesen teilweise niedergeschrieben wurden. Da Andreas wusste, wie gewissenhaft sein Meister es vermied, Schriftliches zu hinterlassen, weigerte er sich entschieden gegen eine Vervielfältigung seiner Niederschrift. Eine ähnliche Haltung seitens der anderen Apostel verzögerte die Niederschrift der Evangelien beträchtlich. ***** 121.1 Das Abendland im ersten Jahrhundert nach Christus ***** Jesus kam nicht zu einer Zeit geistigen Niedergangs in diese Welt. Zur Zeit seiner Geburt erlebte Urantia eine Renaissance geistigen Denkens und religiösen Lebens, wie es sie weder in seiner ganzen vorangegangenen nach-adamischen Geschichte gekannt noch in irgendeiner Epoche danach erfahren hat. Als sich Michael auf Urantia inkarnierte, bot die Welt für die Selbsthingabe des Schöpfersohns eine günstigere Voraussetzung, als sie je zuvor oder danach existierte. In den diesen Zeiten unmittelbar vorausgehenden Jahrhunderten hatten sich griechische Kultur und Sprache über das Abendland und den Vorderen Orient ausgebreitet. Die Juden als levantinische Rasse und von Natur aus halb abend-, halb morgenländisch, brachten hervorragende Voraussetzungen mit, um derartige kulturelle und sprachliche Grundlagen zur wirksamen Verbreitung einer neuen Religion in Ost und West zu verwenden. Diese äußerst günstigen Umstände wurden durch das tolerante politische Regiment der Römer in der Mittelmeerwelt noch verbessert. Dieses ganze Ineinandergreifen von Welteinflüssen wird durch das Wirken des Paulus gut veranschaulicht, der, seiner religiösen Kultur nach ein Hebräer unter den Hebräern, das Evangelium eines jüdischen Messias in griechischer Sprache verkündete, während er selber ein römischer Bürger war. Man hat vor oder seit jenen Tagen im Abendland nichts gesehen, was der Zivilisation der Zeit Jesu vergleichbar wäre. Die europäische Zivilisation wurde durch drei außerordentliche Einflüsse geeint und koordiniert: 1. Die römischen politischen und sozialen Systeme. 2. Die griechische Sprache und Kultur - und in einem gewissen Ausmaß auch die Philosophie. 3. Der sich rasch ausbreitende Einfluss jüdischer religiöser und sittlicher Lehren. Bei Jesu Geburt war die ganze Mittelmeerwelt ein geeintes Imperium. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte verbanden gute Straßen viele wichtige Zentren. Die Meere waren von Piraten gesäubert, und schnell entwickelte sich eine große Ära des Handels und der Reisen. Europa erfreute sich danach nie wieder einer solchen Handels- und Reiseperiode bis zum neunzehnten Jahrhundert nach Christus. Trotz inneren Friedens und oberflächlichen Wohlstandes der griechisch-römischen Welt lebte die Mehrzahl der Einwohner des Reichs in Schmutz und Armut. Die kleine Oberschicht war reich. Eine elende und verarmte niedere Klasse umfasste die große Masse der Menschheit. In jenen Tagen gab es keine glückliche und wohlhabende Mittelschicht; sie war in der römischen Gesellschaft erst gerade im Entstehen begriffen. Die ersten Kämpfe zwischen dem römischen und dem parthischen Staat, beide auf Expansion bedacht, waren eben beendet worden, wobei Syrien in die Hände der Römer übergegangen war. Zurzeit Jesu erfreuten sich Palästina und Syrien einer Phase des Wohlstands, relativen Friedens und ausgedehnter Handelsbeziehungen mit den Ländern des Ostens und Westens. ***** 121.2 Das jüdische Volk ***** Die Juden waren ein Teil der älteren semitischen Rasse, die auch die Babylonier, die Phönizier und die erst seit kurzem mit Rom verfeindeten Karthager umfasste. Anfangs des ersten nachchristlichen Jahrhunderts waren die Juden die einflussreichste Gruppe unter den semitischen Völkern, und es traf sich, dass sie in der Welt, wie sie damals regiert wurde und für den Handel organisiert war, strategisch eine besondere geographische Lage innehatten. Manche der großen, die Nationen des Altertums miteinander verbindenden Straßen führten durch Palästina, das dadurch zum Treffpunkt oder Wegekreuz von drei Kontinenten wurde. Der Handel, der Verkehr und die Armeen Babyloniens, Assyriens, Ägyptens, Syriens, Griechenlands, Parthiens und Roms zogen nacheinander durch Palästina. Seit undenklichen Zeiten führten viele Karawanenstraßen aus dem Orient durch einen Teil dieser Region zu den wenigen guten Seehäfen des östlichen Mittelmeerendes, von wo Schiffe ihre Ladungen an alle Küsten des Abendlandes trugen. Und mehr als die Hälfte dieses Karawanenverkehrs führte durch die kleine Stadt Nazareth in Galiläa oder nahe daran vorbei. Obgleich Palästina die Heimat der religiösen Kultur der Juden und die Geburtsstätte des Christentums war, wohnten die Juden überall in der Welt, lebten in vielen Nationen und trieben in jeder Provinz Roms und Partiens Handel. Griechenland steuerte seine Sprache und Kultur bei, Rom baute die Strassen und einte ein Imperium, aber die Zerstreuung der Juden, mit ihren mehr als zweihundert über die ganze römische Welt verteilten Synagogen und ihren gut organisierten religiösen Gemeinden, lieferte die kulturellen Zentren, wo das neue Evangelium des Himmelreichs zuerst Aufnahme fand, und von wo aus es danach bis in die entlegensten Gegenden der Welt verbreitet wurde. Jede jüdische Synagoge duldete eine kleine Zahl nichtjüdischer Glaubensbrüder, "devoter" oder "gottesfürchtiger" Menschen, und gerade aus den Reihen dieser Proselyten gewann Paulus die meisten seiner früh zum Christentum Bekehrten. Sogar der Tempel in Jerusalem besaß seinen reich geschmückten Hof der Heiden. Zwischen der Kultur, dem Handel und dem Kult von Jerusalem und Antiochia bestanden sehr enge Bande. Die Anhänger von Paulus wurden zuerst in Antiochia "Christen" genannt. Die Zentralisierung des Tempelkults der Juden in Jerusalem war zugleich das Geheimnis des Überlebens ihres Monotheismus und das Versprechen des Erstarkens und der weltweiten Ausbreitung eines neuen und erweiterten Konzepts dieses einen Gottes aller Nationen und Vaters aller Sterblichen. Der Tempeldienst in Jerusalem versinnbildlichte das Fortleben eines religiösen und kulturellen Konzepts angesichts des Sturzes einer Reihe von heidnischen Oberherren und Verfolgern der Rasse. Trotz römischer Oberhoheit erfreuten sich die damaligen Juden eines beträchtlichen Maßes an Selbstverwaltung. Sie hatten die heroischen Befreiertaten des Judas Makkabäus und seiner direkten Nachfolger noch in frischer Erinnerung und sahen mit fieberhafter Erwartung dem unmittelbar bevorstehenden Erscheinen eines noch größeren Befreiers, des lang ersehnten Messias, entgegen. Das Geheimnis des Überlebens Palästinas, des jüdischen Königreiches, als eines halb unabhängigen Staates lag in der Außenpolitik der römischen Regierung begründet, welche die Kontrolle über die palästinensische Handelsstraße zwischen Syrien und Ägypten ebenso wie über die westlichen Endstationen der das Abendland mit dem Orient verbindenden Karawanenstraßen zu behalten wünschte. Rom stellte sich jeder Machtbildung in der Levante entgegen, die seine zukünftige Expansion in diese Gegenden hätte beschränken können. Die Intrigenpolitik mit dem Ziel, das seleuzidische Syrien und das ptolemäische Ägypten gegeneinander auszuspielen, machte das Fortdauern Palästinas als eines getrennten und unabhängigen Staates notwendig. Die römische Politik, der Niedergang Ägyptens und die zunehmende Schwächung der Seleuziden angesichts der wachsenden Macht Parthiens erklären die Tatsache, dass eine kleine, machtlose Gruppe von Juden über mehrere Generationen imstande war, ihre Unabhängigkeit gegen die Seleuziden im Norden und die Ptolemäer im Süden zu behaupten. Diese zufällige Freiheit und Unabhängigkeit von der politischen Herrschaft der umliegenden, mächtigeren Völker schrieben die Juden dem direkten Eingreifen Jahves zu und dem Umstand, das "auserwählte Volk" zu sein. Ein solches Bewusstsein rassischer Überlegenheit machte es ihnen umso schwerer, die römische Oberhoheit zu ertragen, als ihr Land dieser schließlich anheim fiel. Aber selbst in dieser traurigen Stunde weigerten sich die Juden zu lernen, dass ihre Mission in der Welt geistiger und nicht politischer Natur war. Zur Zeit Jesu waren die Juden ungewöhnlich beunruhigt und misstrauisch, weil sie von einem Außenseiter, dem Idumäer Herodes, regiert wurden. Dieser hatte sich der Oberhoheit über Judäa bemächtigt, indem er sich auf geschickte Weise in die Gunst der römischen Herren eingeschmeichelt hatte. Und obgleich Herodes seine Loyalität gegenüber der Einhaltung des hebräischen Zeremoniells beteuerte, machte er sich doch an den Tempelbau für viele fremde Götter. Die freundlichen Beziehungen zwischen Herodes und den römischen Herren erlaubten den Juden ein sicheres Reisen in der Welt und gaben den Weg frei für ein wachsendes jüdisches Eindringen mit dem neuen Evangelium des Königreichs des Himmels auch in entlegene Gebiete des römischen Reiches und in fremde Nationen, die mit diesem durch Verträge verbunden waren. Die Herrschaft des Herodes trug auch viel zu der späteren Vermischung von hebräischer und hellenistischer Philosophie bei. Herodes baute den Hafen von Cäsarea, der dazu beitrug, aus Palästina den Knotenpunkt der zivilisierten Welt zu machen. Er starb im Jahr 4 v. Chr., und sein Sohn Herodes Antipas herrschte über Galiläa und Peräa während der Jugend und des öffentlichen Wirkens Jesu und bis zum Jahr 39. Wie sein Vater, war auch Antipas ein großer Bauherr. Er baute viele Städte Galiläas neu auf, unter ihnen das wichtige Handelszentrum Sepphoris. Jerusalems führende Priester und rabbinische Lehrer betrachteten die Galiläer nicht mit Wohlwollen. Zurzeit von Jesu Geburt war Galiläa mehr heidnisch als jüdisch. ***** 121.3 Unter den Heiden ***** Obwohl sich der römische Staat nicht in der besten sozialen und wirtschaftlichen Verfassung befand, waren doch der innere Friede und die Prosperität günstige Voraussetzungen für Michaels Selbsthingabe. Im ersten Jahrhundert nach Christus bestand die Gesellschaft des Mittelmeerraums aus fünf wohl definierten Schichten: 1. Die Aristokratie. Die oberen Klassen mit Geld und politischer Macht, die privilegierten und regierenden Gruppen. 2. Die Geschäftsgruppen. Die handeltreibenden Fürsten und die Bankiers, die Handelsleute - die großen Importeure und Exporteure - die internationalen Kaufleute. 3. Die kleine Mittelklasse. Obwohl tatsächlich klein, war diese Gruppe sehr einflussreich und lieferte das sittliche Rückgrat der frühchristlichen Kirche, welche diese Gruppen ermunterte, ihre verschiedenen Handwerke und Geschäfte weiterzuführen. Unter den Juden gehörten manche Pharisäer zu dieser Klasse von Handelsleuten. 4. Das freie Proletariat. Seine Vertreter besaßen einen geringen oder gar keinen sozialen Status. Sie waren auf ihre Freiheit stolz, aber sehr benachteiligt, da sie zum Wettbewerb mit der Sklavenarbeit gezwungen waren. Die oberen Klassen schauten verächtlich auf sie herab und fanden, sie seien zu nichts nütze, außer zu "Fortpflanzungszwecken". 5. Die Sklaven. Die Hälfte der Bevölkerung des römischen Staates bestand aus Sklaven. Unter ihnen gab es viele höher stehende Einzelne, die sich inmitten des freien Proletariats und sogar der Händler rasch einen Weg nach oben bahnten. Aber die Mehrheit war entweder mittelmäßig oder sehr tiefstehend. Die Versklavung auch höher stehender Völker war ein Merkmal der militärischen Eroberungen Roms. Der Herr hatte uneingeschränkte Gewalt über seinen Sklaven. Die frühe christliche Kirche setzte sich weitgehend aus Angehörigen der niederen Klassen und aus diesen Sklaven zusammen. Höhere Sklaven wurden oft entlohnt und konnten sich mit ihrem ersparten Verdienst die Freiheit erkaufen. Viele dieser frei gewordenen Sklaven stiegen zu hohen Positionen in Staat, Kirche und Geschäftswelt auf. Und es waren gerade solche Möglichkeiten, die die frühe christliche Kirche so tolerant gegenüber dieser abgeänderten Form der Sklaverei machten. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert gab es im Römischen Reich kein weit verbreitetes soziales Problem. Die Mehrzahl der Bevölkerung betrachtete sich als derjenigen Klasse zugehörig, in die sie zufällig hineingeboren worden war. Es gab immer eine offene Tür, durch die begabte und fähige Einzelne aus den niedrigeren in die höheren Schichten der römischen Gesellschaft aufsteigen konnten; aber im Allgemeinen waren die Leute mit ihrem sozialen Rang zufrieden. Sie waren weder klassenbewusst, noch empfanden sie diese Klassenunterschiede als ungerecht oder falsch. Das Christentum war in keiner Hinsicht eine wirtschaftliche Bewegung mit dem Ziel, das elende Los der bedrückten Klassen zu verbessern. Auch wenn die Frau überall im Römischen Reich mehr Freiheit genoss als unter den sie beengenden Bedingungen in Palästina, so übertrafen doch die Hingabe an die Familie und die natürliche Güte der Juden bei weitem jene der heidnischen Welt. ***** 121.4 Die Philosophie der Heiden ***** Die Heiden waren zwar von einem sittlichen Standpunkt aus betrachtet den Juden etwas unterlegen, aber in den Herzen ihrer edleren Vertreter war im Überfluss ein Boden an natürlicher Güte und verborgener menschlicher Zuneigung vorhanden, auf dem es der Saat des Christentums möglich war, zu keimen und reiche Ernte an sittlichen Charakteren und geistiger Verwirklichung zu bringen. Vier große Philosophien, welche sich alle mehr oder minder aus dem früheren Platonismus der Griechen ableiteten, waren damals in der heidnischen Welt vorherrschend. Diese philosophischen Schulen waren folgende: 1. Die Epikuräer. Diese geistige Richtung widmete sich der Suche nach dem Glück. Die besseren Epikuräer gaben sich keinen sinnlichen Exzessen hin. Wenigstens half diese Doktrin, die Römer von einer eher verhängnisvollen Art von Fatalismus zu befreien. Sie lehrte, dass die Menschen etwas tun können, um ihre irdische Lage zu verbessern, und sie bekämpfte wirksam den unwissenden Aberglauben. 2. Die Stoiker. Der Stoizismus war die höhere Philosophie der gehobenen Klassen. Die Stoiker glaubten, ein lenkendes, vernünftiges Schicksal beherrsche die ganze Natur. Sie lehrten, dass die Seele des Menschen göttlich sei, aber im schlechten Körper physischer Natur gefangen gehalten werde, und dass sie durch ein Leben in Harmonie mit der Natur, mit Gott, zur Freiheit gelange. So wurde die Tugend zu ihrer eigenen Belohnung. Der Stoizismus erhob sich zu einer sublimen Sittlichkeit und zu Idealen, welche seither nie von irgendeinem rein menschlichen philosophischen System übertroffen worden sind. Obgleich die Stoiker verkündeten, "von Gott abzustammen", gelang es ihnen nicht, Gott zu kennen, und deshalb auch nicht, zu ihm zu finden. Der Stoizismus blieb eine Philosophie und wurde nie zu einer Religion. Seine Anhänger bemühten sich, ihr Denken auf die Harmonie des Universalen Verstandes einzustimmen, aber es war ihnen versagt, sich selber als die Kinder eines liebenden Vaters zu sehen. Paulus lehnte sich stark an den Stoizismus an, als er schrieb: "Ich habe gelernt, in welcher Lage ich mich auch immer befinden mag, mit dieser zufrieden zu sein." 3. Die Kyniker. Obwohl die Kyniker ihre Philosophie auf Diogenes von Athen zurückführten, bezogen sie viel von ihrer Lehre aus den Überresten der Unterweisungen von Machiventa Melchisedek. Der Zynismus war früher mehr eine Religion als eine Philosophie gewesen. Wenigstens machten die Kyniker ihre religiöse Philosophie demokratisch. Auf dem Land und auf den Marktplätzen verkündeten sie fortwährend ihre Lehre, dass "der Mensch sich retten könnte, wenn er nur wollte". Sie predigten Einfachheit und Tugend und legten den Menschen nahe, dem Tod ohne Furcht zu begegnen. Diese kynischen Wanderprediger taten viel, um das nach Geistigem hungernde Volk auf die späteren christlichen Missionare vorzubereiten. Ihre Art der volkstümlichen Predigt glich von Anlage und Stil her stark den Briefen des Paulus. 4. Die Skeptiker. Der Skeptizismus erklärte, dass alles Wissen trügerisch und dass Überzeugung und Gewissheit unmöglich seien. Es war eine rein negative Haltung, die nie weite Verbreitung fand. Diese Philosophien waren halbreligiös. Sie waren oft stärkend, ethisch und veredelnd, aber für das einfache Volk meist zu schwierig. Der Zynismus vielleicht ausgenommen, waren es Philosophien für die Starken und Weisen, aber keine Religionen, die auch den Armen und Schwachen das Heil bringen konnten. ***** 121.5 Die Religionen der Heiden ***** Während der früheren Zeitalter war die Religion vor allem Sache des Stammes oder der Nation gewesen und nur in seltenen Fällen eine individuelle Angelegenheit. Die Götter waren Stammes- und Nationalgötter, keine persönlichen Götter. Solche religiösen Systeme gewährten der individuellen geistigen Sehnsucht des Durchschnittsmenschen nur geringe Befriedigung. Zu Jesu Zeiten umfassten die Religionen des Abendlandes: 1. Die heidnischen Kulte. Sie stellten ein Gemisch aus Mythologie, Patriotismus und Tradition der hellenischen und lateinischen Völker dar. 2. Der Kaiserkult. Diese Vergöttlichung des Menschen als Symbol für den Staat kränkte die Juden und die ersten Christen zutiefst und führte geradewegs zu den erbitterten Verfolgungen beider Kirchen durch die römische Regierung. 3. Die Astrologie. Diese Pseudo-Wissenschaft Babyloniens entwickelte sich zu einer Religion im ganzen griechisch-römischen Imperium. Selbst im 20. Jahrhundert ist der Mensch von diesem Aberglauben nicht ganz befreit. 4. Die Religionen der Mysterien. Über diese geistig hungernde Welt war eine Flut von Mysterienkulten hereingebrochen, neuer und seltsamer, aus der Levante stammender Religionen, welche die einfachen Leute bezauberten und ihnen individuelle Erlösung versprachen. Diese Religionen wurden von den niedrigeren Klassen der griechisch-römischen Welt bald als Glaube angenommen. Sie taten viel, um der raschen Ausbreitung der weit überlegenen, christlichen Lehren den Weg zu bereiten, jener Lehren, die ein majestätisches Gottheitskonzept vermittelten, verbunden mit einer fesselnden Theologie für die Intelligenten und einem tiefgründigen Heilsangebot für alle, einschließlich der unwissenden, aber geistig hungrigen Durchschnittsmenschen jener Tage. Die Mysterienreligionen führten das Ende des national gebundenen Glaubens herbei und hatten die Entstehung zahlreicher persönlicher Kulte zur Folge. Es gab viele Mysterien, aber allen war Folgendes gemein: 1. Irgendeine mythische Legende, ein Mysterium - daher ihr Name. In der Regel bezog sich dieses Mysterium auf die Geschichte vom Leben und Sterben und der Rückkehr zum Leben irgendeines Gottes, wie aus den Lehren des Mithraskultes ersichtlich, der eine Weile neben dem wachsenden Kult des Paulinischen Christentums bestand und mit ihm wetteiferte. 2. Die Mysterien waren weder an eine Nation, noch an eine Rasse gebunden. Sie waren persönlich und brüderlich und bewirkten das Entstehen religiöser Bruderschaften und zahlreicher Splittergesellschaften. 3. Merkmal ihrer Gottesdienste waren bis ins Einzelne durchdachte Einweihungszeremonien und beeindruckende Kulthandlungen. Ihre geheimen Riten und Rituale waren manchmal grauenerregend und abstoßend. 4. Aber ungeachtet der Natur ihrer Zeremonien oder des Grades ihrer Auswüchse versprachen diese Mysterien ihren Anhängern ausnahmslos Rettung, "Erlösung vom Bösen, Fortleben nach dem Tode und dauerndes Leben in glücklichen Gefilden jenseits dieser Welt der Trübsal und Sklaverei". Begeht aber nicht den Fehler, die Lehren Jesu mit den Mysterien zu verwechseln. Die Beliebtheit der Mysterien offenbart des Menschen Verlangen nach dem Fortleben und zeigt seinen wahren Hunger und Durst nach persönlicher Religion und individueller Rechtschaffenheit. Obwohl die Mysterien dieses Verlangen nicht angemessen zu stillen vermochten, waren sie doch wegbereitend für das spätere Auftreten Jesu, der dieser Welt wahrlich das Brot und das Wasser des Lebens brachte. Im Bestreben, die weit verbreitete Zugehörigkeit zu den besseren der Mysterienreligionen zu nutzen, nahm Paulus an den Lehren Jesu gewisse Anpassungen vor, um sie einer größeren Zahl möglicher Konvertiten annehmbar zu machen. Aber selbst dieser Kompromiss des Paulus mit den Lehren Jesu (Christentum) war dem Besten in den Mysterien in Folgendem überlegen: 1. Paulus lehrte eine sittliche Erlösung, eine ethische Errettung. Das Christentum wies auf ein neues Leben hin und verkündete ein neues Ideal. Paulus gab die magischen Riten und den Zauber der Zeremonien auf. 2. Das Christentum bot eine Religion an, welche sich mit den endgültigen Lösungen des menschlichen Problems befasste, da es nicht nur Erlösung von Leid und sogar Tod, sondern auch Befreiung von Sünde versprach, gefolgt vom Geschenk eines aufrechten, zu ewigem Leben befähigenden Charakters. 3. Die Mysterien waren auf Mythen aufgebaut. Das Christentum, wie Paulus es predigte, gründete auf einer historischen Tatsache: auf der Selbsthingabe Michaels, des Gottessohnes, an die Menschheit. Unter den Heiden bestand nicht notwendigerweise eine Beziehung zwischen Sittlichkeit und Philosophie oder Religion. Außerhalb Palästinas war es für die Leute nicht immer selbstverständlich, dass der Priester einer Religion auch ein sittliches Leben zu führen hatte. Die jüdische Religion, dann Jesu Lehren und später das sich entwickelnde Christentum des Paulus waren die ersten europäischen Religionen, die eine Verbindung zu Sittlichkeit einerseits und Ethik andererseits herstellten und darauf bestanden, dass die Gläubigen ihr Augenmerk auf alle beide lenkten. In eine solche menschliche Generation, beherrscht von so unvollkommenen philosophischen Systemen und verwirrt durch so undurchschaubare Religionskulte, wurde in Palästina Jesus hineingeboren. Und dieser selben Generation schenkte er später sein Evangelium persönlicher Religion - das Evangelium der Sohnesbeziehung zu Gott. ***** 121.6 Die hebräische Religion ***** Am Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts war das religiöse Denken Jerusalems durch die Lehren der griechischen Kultur und sogar der griechischen Philosophie außerordentlich stark beeinflusst und etwas verändert worden. In der langen Auseinandersetzung zwischen den Sichtweisen der östlichen und westlichen Schulen jüdischen Denkens übernahmen Jerusalem und das übrige Abendland sowie die Levante im Allgemeinen die westliche jüdische oder abgeänderte hellenistische Betrachtungsweise. Zu Jesu Zeiten waren drei Sprachen in Palästina vorherrschend: Das gemeine Volk sprach einen aramäischen Dialekt, die Priester und Rabbiner sprachen hebräisch, und die gebildeten Klassen und die oberen Schichten der Juden sprachen im Allgemeinen griechisch. Die in Alexandria früh vorgenommene Übersetzung der jüdischen Schriften ins Griechische war in nicht geringem Maße für das spätere Überwiegen des griechischen Zweigs jüdischer Kultur und Theologie verantwortlich. Und bald erschienen auch die Schriften der christlichen Lehrer in derselben Sprache. Die Renaissance des Judaismus geht auf die griechische Übersetzung der hebräischen Schriften zurück. Dies war ein wichtiger Einfluss, der die spätere Ausbreitung des christlichen Kults des Paulus nach Westen und nicht nach Osten lenkte. Während die Lehren der Epikuräer kaum Einfluss auf die hellenisierten jüdischen Glaubensvorstellungen ausübten, wirkten Platos Philosophie und die Lehren der Stoiker von der Selbstverleugnung umso nachhaltiger auf sie ein. Das vierte Buch der Makkabäer liefert ein Beispiel für diesen großen Einfluss des Stoizismus, während das Eindringen platonischer Philosophie und stoischen Gedankenguts in der Weisheit des Salomos in Erscheinung tritt. Die hellenisierten Juden interpretierten die hebräischen Schriften in so allegorischer Weise, dass es ihnen nicht schwer fiel, die hebräische Theologie mit der von ihnen verehrten aristotelischen Philosophie in Einklang zu bringen. Aber all das führte zu einer heillosen Verwirrung, bis Philon von Alexandria sich dieser Probleme annahm und daran ging, griechische Philosophie und hebräische Theologie in einem geschlossenen und relativ widerspruchsfreien Ganzen religiösen Glaubens und religiöser Praxis zu harmonisieren und zu systematisieren. Diese spätere, aus griechischer Philosophie und hebräischer Theologie kombinierte Lehre herrschte in Palästina vor, als Jesus lebte und lehrte, und sie diente Paulus als Grundlage für die Errichtung seines fortschrittlicheren und aufgeklärteren christlichen Kults. Philon war ein großer Lehrer. Seit Moses hatte kein Mensch mit einer solch tiefen Wirkung auf das ethische und religiöse Denken der abendländischen Welt gelebt. Was die Kombination der besseren Elemente zeitgenössischer ethischer und religiöser Lehrsysteme anbelangt, hat es sieben herausragende menschliche Lehrer gegeben: Sethard, Moses, Zarathustra, Lao-Tse, Buddha, Philon und Paulus. Paulus erkannte viele, aber nicht alle Ungereimtheiten, die sich aus Philons Bestreben ergaben, griechische mystische Philosophie und römische stoische Glaubenslehren mit der gesetzesbetonten Theologie der Hebräer zu verbinden, und er entfernte sie wohlweislich aus seiner ursprünglichen vorchristlichen Theologie. Die wegbereitenden Arbeiten Philons erlaubten es Paulus, das Konzept der Trinität des Paradieses, das lange in der jüdischen Theologie geschlummert hatte, wiederherzustellen. Nur in einem Punkt gelang es Paulus nicht, mit Philon Schritt zu halten oder über die Lehren dieses reichen und gebildeten Juden aus Alexandria hinauszugehen, nämlich in der Lehre von der Sühne. Philon lehrte die Abkehr von der Vorstellung der Vergebung aufgrund bloßen Blutvergießens. Wahrscheinlich hatte er von der Wirklichkeit und Anwesenheit der Gedankenjustierer eine klarere Vorstellung als Paulus. Aber die Theorie des Paulus von der Erbsünde, die Lehren von der vererbbaren Schuld, vom angeborenen Bösen und von der Erlösung davon, waren teilweise mithraischen Ursprungs und hatten mit hebräischer Theologie, mit Philons Philosophie und mit Jesu Lehren wenig gemeinsam. Einige Aspekte der die Erbsünde und die Sühne betreffenden Lehren des Paulus stammen von ihm selber. Das Evangelium des Johannes, die letzte der Beschreibungen des irdischen Lebens Jesu, war an die westlichen Völker gerichtet. Diese Darstellung steht stark im Lichte der Anschauung der späteren Christen Alexandrias, die auch Anhänger der Lehren Philons waren. Um die Zeit Christi ereignete sich in Alexandria ein merkwürdiger Stimmungsumschwung gegenüber den Juden, und von dieser früheren jüdischen Hochburg ging eine heftige Verfolgungswelle aus, die sogar Rom erreichte, aus dem viele Tausende verbannt wurden. Aber diese Verleumdungskampagne war kurzlebig; sehr bald stellte die kaiserliche Regierung die beschnittenen Freiheiten der Juden im ganzen Reich wieder voll her. Überall auf der Welt, ganz gleich, wohin Handel oder Unterdrückung die Juden verschlagen hatten, hielten sie ihre Herzen alle einmütig auf den heiligen Tempel in Jerusalem ausgerichtet. Die jüdische Theologie überlebte so, wie sie in Jerusalem ausgelegt und ausgeübt wurde. Mehrere Male jedoch wurde sie durch das rechtzeitige Eingreifen gewisser babylonischer Lehrer vor dem Vergessen bewahrt. Nicht weniger als zweieinhalb Millionen dieser verstreuten Juden pflegten nach Jerusalem zur Feier ihrer nationalen religiösen Feste zu kommen. Ungeachtet der theologischen oder philosophischen Unterschiede zwischen den östlichen (babylonischen) und den westlichen (hellenistischen) Juden betrachteten sie einhellig Jerusalem als Zentrum ihrer Gottesverehrung und fuhren fort, sich auf das Kommen des Messias zu freuen. ***** 121.7 Die Juden und die Heiden ***** Zur Zeit Jesu waren die Juden zu einer sehr festen Vorstellung von ihrer Herkunft, Geschichte und Bestimmung gekommen. Sie hatten eine starre Trennmauer zwischen sich und der heidnischen Welt errichtet. Sie schauten auf alle heidnischen Gewohnheiten mit äußerster Verachtung herab. Sie verehrten den Buchstaben des Gesetzes und neigten zu einer Art Selbstgerechtigkeit, die auf einem falschen Ahnenstolz beruhte. Sie besaßen bezüglich des versprochenen Messias vorgefasste Meinungen, und die meisten dieser Erwartungen rechneten mit einem Messias, der als Teil der Geschichte ihrer Nation und Rasse auftreten würde. Für die Hebräer jener Tage war die jüdische Theologie unwiderruflich und für immer festgelegt. Die Lehren und Handlungen Jesu bezüglich Toleranz und Güte liefen dieser althergebrachten Einstellung der Juden zu den anderen Völkern, die sie als Heiden betrachteten, zuwider. Generationenlang hatten die Juden gegenüber der Außenwelt eine Haltung genährt, die es ihnen unmöglich machte, des Meisters Lehren von der geistigen Bruderschaft der Menschen anzunehmen. Sie waren nicht willens, Jahve mit den Heiden als Gleichberechtigten zu teilen, und ebenso wenig waren sie bereit, einen, der so neue und befremdende Lehren verkündete, als Gottessohn anzuerkennen. Die Schriftgelehrten, die Pharisäer und die Priesterschaft hielten die Juden in einer schrecklichen Knechtschaft aus Ritualismus und Legalismus, die bei weitem wirklicher war als die durch Roms politische Herrschaft ausgeübte. Zur Zeit Jesu waren die Juden nicht nur vom Gesetz unterjocht, sondern ebenso durch die sklavischen Forderungen der Traditionen gebunden, die jede Sparte des persönlichen und sozialen Lebens einschlossen und durchdrangen. Genaueste Regeln der Lebensführung verfolgten und beherrschten jeden treuen Juden, und es überrascht nicht, dass sie sogleich einen aus ihrer Mitte ablehnten, der sich anmaßte, ihre heiligen Traditionen zu ignorieren, und der es wagte, ihre so lange hochgehaltenen gesellschaftlichen Regeln zu missachten. Sie konnten schwerlich die Lehren eines Mannes günstig beurteilen, der nicht zögerte, Dogmen zu widersprechen, die ihrer Meinung nach Vater Abraham höchst persönlich aufgestellt hatte. Moses hatte ihnen ihr Gesetz gegeben, und sie würden keinen Kompromiss eingehen. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert war die mündliche Auslegung des Gesetzes durch anerkannte Lehrer, die Schriftgelehrten, zu höherer Autorität aufgestiegen als das geschriebene Gesetz selber. All dies erleichterte es gewissen religiösen Führern der Juden, das Volk gegen die Annahme eines neuen Evangeliums um sich zu scharen. Diese Umstände machten es den Juden unmöglich, ihre göttliche Bestimmung als Boten des neuen Evangeliums religiöser Befreiung und geistiger Freiheit zu erfüllen. Sie konnten die Fesseln der Tradition nicht sprengen. Jeremia hatte vom "Gesetz, das ins Herz der Menschen geschrieben werden sollte", gesprochen, Hesekiel von einem "neuen Geist, der in des Menschen Seele wohnen sollte", und der Psalmist hatte gebetet: "Gott, schaffe in mir ein reines Herz und gib mir einen neuen Geist". Aber als die jüdische Religion der guten Werke und der Knechtschaft gegenüber dem Gesetz ein Opfer der Stagnation und der erstarrten Tradition wurde, verlagerte sich die Bewegung der religiösen Evolution westwärts zu den europäischen Völkern. Und so erging an ein anderes Volk der Ruf, der Welt eine fortschreitende Theologie zu bringen, ein Lehrsystem, das in sich vereinigte: die Philosophie der Griechen, das Gesetz der Römer, die Sittenstrenge der Hebräer und das Evangelium der Heiligkeit der Persönlichkeit und der geistigen Freiheit, das Paulus formuliert hatte und das auf Jesu Lehren gründete. Die Sittlichkeit des christlichen Kults des Paulus war ein jüdisches Erbteil. Die Juden fassten die Geschichte als die Vorsehung Gottes auf - Javeh am Werk. Die Griechen steuerten zu der neuen Lehre klarere Vorstellungen über das ewige Leben bei. Nicht nur Jesu Lehren, sondern auch Plato und Philon beeinflussten die Theologie und Philosophie des Paulus. Seine Ethik war nicht nur von Christus, sondern auch von den Stoikern inspiriert. Das Evangelium Jesu, wie es in den christlichen Kult des Paulus in Antiochia einging, wurde mit folgenden Lehren vermischt: 1. Die philosophischen Überlegungen der zum Judentum bekehrten Griechen, einige ihrer Vorstellungen über das ewige Leben mit eingeschlossen. 2. Die ansprechenden Lehren der vorherrschenden Mysterienkulte, insbesondere die mithraischen Lehren von Erlösung, Sühne und Errettung durch die Opfertat irgendeines Gottes. 3. Die starke Sittlichkeit der herrschenden jüdischen Religion. Zurzeit Jesu hatten das römische Mittelmeerreich, das parthische Königreich und die umliegenden Völker alle bezüglich Weltgeographie, Astronomie, Gesundheit und Krankheit grobe und primitive Vorstellungen und waren natürlich verblüfft über die neuen und erstaunlichen Verkündigungen des Zimmermanns von Nazareth. Die Ideen von Geisterbesessenheit, von Gut und Böse wurden nicht nur auf Menschen angewandt; in den Augen vieler war auch jeder Fels und jeder Baum von Geistern besessen. Es war ein magisches Zeitalter, und jedermann glaubte an Wunder als ganz gewöhnliche Vorgänge. ***** 121.8 Frühere Aufzeichnungen ***** Wir waren bestrebt, so weit wie möglich und in Übereinstimmung mit unserem Auftrag die das Leben Jesu auf Urantia betreffenden vorhandenen Berichte zu benutzen und bis zu einem gewissen Grade zu koordinieren. Obwohl wir erfreulicherweise Zugang zum verloren gegangenen Bericht des Apostels Andreas hatten und aus der Mitarbeit einer großen Schar himmlischer Wesen Nutzen ziehen durften, die zur Zeit von Jesu Selbsthingabe auf Erden weilten (besonders seines jetzt Personifizierten Gedankenjustierers), haben wir uns vorgenommen, auch von den so genannten Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes Gebrauch zu machen. Diese Aufzeichnungen des Neuen Testamentes verdanken ihre Entstehung den folgenden Umständen: 1. Das Markusevangelium. Johannes Markus schrieb (die Aufzeichnungen des Andreas ausgenommen) den frühesten, kürzesten und einfachsten Bericht über Jesu Leben. Er stellte den Meister als Dienenden dar, als einen Menschen unter Menschen. Obwohl Markus als Knabe selber Zeuge mancher von ihm beschriebener Szenen war, ist sein Bericht in Wahrheit das Evangelium des Simon Petrus. Er war ein früher Mitarbeiter des Petrus, später des Paulus. Markus schrieb diesen Bericht auf Veranlassung des Petrus und auf das dringende Gesuch der Kirche von Rom hin. Da er wusste, wie konsequent es der Meister ablehnte, seine Lehren niederzuschreiben, als er in Menschengestalt auf Erden war, zögerte Markus gleich den Aposteln und anderen führenden Jüngern, sie schriftlich festzuhalten. Aber Petrus spürte, dass die Kirche von Rom den Beistand einer solchen geschriebenen Erzählung nötig hatte, worauf sich Markus einverstanden erklärte, eine solche vorzubereiten. Er machte vor dem Tod des Petrus im Jahre 67 viele Notizen und begann, seinen Bericht in Übereinstimmung mit dem von Petrus genehmigten Entwurf kurz nach Petri Tod für die Kirche von Rom niederzuschreiben. Gegen Ende des Jahres 68 war das Evangelium abgeschlossen. Markus schrieb allein aus eigener Erinnerung und derjenigen des Petrus. Die Niederschrift ist seitdem beträchtlich abgeändert worden. Zahlreiche Abschnitte wurden daraus entfernt und spätere Inhalte am Ende hinzugefügt, um das letzte Fünftel des ursprünglichen Evangeliums zu ersetzen, das vom ersten Manuskript verloren gegangen war, bevor es jemals abgeschrieben wurde. Dieser Bericht des Markus bildete zusammen mit den Aufzeichnungen von Andreas und Matthäus die geschriebene Basis aller späteren Evangeliumserzählungen, die Jesu Leben und Lehren darzustellen versuchten. 2. Das Matthäusevangelium . Das sogenannte Matthäusevangelium ist die für die Erbauung jüdischer Christen geschriebene Aufzeichnung des Lebens des Meisters. Ihr Verfasser sucht ständig zu zeigen, dass vieles, was Jesus in seinem Leben tat, geschah, auf dass "die Worte des Propheten in Erfüllung gingen". Das Matthäusevangelium zeichnet ein Bild von Jesus als Sohn Davids, der dem Gesetz und den Propheten große Achtung zollt. Der Apostel Matthäus ist nicht der Verfasser dieses Evangeliums. Isidor, einer seiner Schüler, schrieb es. Ihm halfen bei seiner Arbeit nicht nur Matthäus' persönliche Erinnerungen an diese Ereignisse, sondern auch eine gewisse Niederschrift der Reden Jesu, die Matthäus unmittelbar nach der Kreuzigung angefertigt hatte. Diese Schrift war auf aramäisch verfasst. Isidor hingegen schrieb griechisch. Es geschah nicht in Täuschungsabsicht, wenn das Werk dem Matthäus zugeschrieben wurde. In jenen Tagen war es Brauch, dass die Schüler ihre Lehrer in dieser Weise ehrten. Matthäus bearbeitete und vervollständigte seine ursprüngliche Schrift im Jahre 40, kurz bevor er Jerusalem verließ, um das Evangelium zu predigen. Es war eine persönliche Aufzeichnung, deren letzte Abschrift während des Brandes eines syrischen Klosters im Jahre 416 zerstört wurde. Isidor entkam aus Jerusalem im Jahre 70 nach der Einschließung der Stadt durch die Armee des Titus. Er nahm damals eine Kopie der Aufzeichnungen des Matthäus mit sich nach Pella, wo er im Jahre 71 das Evangelium nach Matthäus verfasste. Er besaß auch die ersten vier Fünftel des Markusberichts. 3. Das Lukasevangelium. Der Arzt Lukas aus Antiochia in Pisidien war ein durch Paulus bekehrter Heide, der eine ganz andere Lebensgeschichte des Meisters schrieb. Im Jahre 47 begann er, Paulus zu folgen und Leben und Lehre Jesu zu studieren. Lukas, der die Tatsachen von Paulus und anderen zusammentrug, bewahrt in seinem Bericht viel von der "Anmut des Herrn Jesus Christus". Lukas beschreibt den Meister als "Freund von Zöllnern und Sündern". Er gab seinen vielen Aufzeichnungen erst nach Paulus' Tod die Form des Evangeliums, das er in Achaia im Jahre 82 niederschrieb. Er plante drei Bücher über die Geschichte Christi und der Christenheit, aber er starb anno 90 gerade vor der Vollendung des zweiten dieser Werke, der "Apostelgeschichte". Beim Zusammenstellen des Materials für sein Evangelium bezog sich Lukas in erster Linie auf die ihm von Paulus mitgeteilte Darstellung von Jesu Leben. Das Lukasevangelium ist deshalb in gewissem Sinne das Paulusevangelium. Aber Lukas hatte noch andere Informationsquellen. Er befragte nicht nur Hunderte von Augenzeugen der von ihm erwähnten zahlreichen Episoden aus Jesu Leben, sondern er besaß auch eine Abschrift des Markusevangeliums, genauer: der ersten vier Fünftel davon, ferner Isidors Darstellung und eine kurze, von einem Gläubigen namens Cedes im Jahre 78 in Antiochia verfasste Aufzeichnung. Auch befand sich eine verstümmelte und stark überarbeitete Abschrift einiger angeblich vom Apostel Andreas stammender Notizen in seinem Besitz. 4. Das Johannesevangelium. Das Evangelium nach Johannes berichtet vieles über Jesu Wirken in Judäa und in der Umgebung von Jerusalem, was in den anderen Aufzeichnungen nicht enthalten ist. Es ist das sogenannte Evangelium nach Johannes, Sohn des Zebedäus. Auch wenn Johannes es nicht selber schrieb, so inspirierte er es doch. Seit seiner ersten Niederschrift erfuhr es mehrere Überarbeitungen, um den Anschein zu erwecken, als stamme es von der Hand des Johannes selber. Zur Zeit seiner Aufzeichnung verfügte Johannes über die anderen Evangelien, und er sah, dass vieles unerwähnt geblieben war. Folgerichtig ermunterte er im Jahr 101 seinen Mitarbeiter Nathan, einen griechischen Juden aus Cäsarea, mit der Niederschrift zu beginnen. Johannes entnahm den Stoff seinem Gedächtnis und stützte sich auch auf die drei schon bestehenden Berichte. Er besaß keine eigenen schriftlichen Aufzeichnungen. Der als "Erster Johannes" bekannte Brief wurde als Begleitbrief für das Werk, das Nathan unter seiner Leitung ausführte, von Johannes selber verfasst. All diese Verfasser gaben ehrliche Darstellungen von Jesus, so wie sie ihn sahen, sich an ihn erinnerten oder von ihm gehört hatten und wie ihre spätere Annahme der christlichen Theologie des Paulus ihre Sicht jener fernen Ereignisse beeinflusste. Und diese Schriften genügten trotz ihrer Unvollkommenheit, um den Lauf der Geschichte Urantias seit fast zweitausend Jahren zu verändern. [Erklärung: In Ausführung meines Auftrags der Neudarstellung der Lehren Jesu von Nazareth und der Neuerzählung seines Wirkens habe ich frei aus allen Quellen von Aufzeichnungen und planetarischer Information geschöpft. Mein leitender Gedanke war die Erstellung eines Berichtes, der nicht nur für die Generation der heute lebenden Menschen erhellend, sondern auch allen zukünftigen Generationen hilfreich wäre. Aus dem mir zugänglich gemachten, umfangreichen Informationsmaterial habe ich das zur Erreichung dieses Ziels am besten Geeignete ausgewählt. Soweit als möglich habe ich meine Informationen aus rein menschlichen Quellen bezogen. Nur in Ermangelung solcher Quellen habe ich übermenschliche Aufzeichnungen in Anspruch genommen. Jedes Mal, wenn Ideen und Konzepte von Jesu Leben und Lehren durch einen Menschen zufrieden stellend ausgedrückt worden waren, gab ich solchen offensichtlich menschlichen Denkmustern den Vorzug. Obwohl ich bemüht war, den verbalen Ausdruck mit unserer Vorstellung vom wirklichen Sinn und von der wahren Bedeutung von Leben und Lehren des Meisters in Einklang zu bringen, habe ich doch bei all meinen Darstellungen so weit wie möglich an den geläufigen menschlichen Begriffsbildungen und Denkmustern festgehalten. Ich weiß sehr wohl, dass solche Vorstellungen, die ihren Ursprung im menschlichen Bewusstsein haben, sich auch für das Bewusstsein aller anderen Menschen annehmbarer und hilfreicher erweisen werden. Wenn ich unfähig war, die nötigen Begriffsbildungen in den menschlichen Aufzeichnungen oder Ausdrücken zu finden, habe ich als nächstes die Erinnerungsreserven meiner eigenen Ordnung irdischer Geschöpfe, der Mittler, in Anspruch genommen. Und wenn sich auch diese zweite Informationsquelle als unzureichend erwies, habe ich ohne zu zögern von überplanetarischen Informationsquellen Gebrauch gemacht. Das von mir zusammengetragene Material, auf dem mein Bericht von Jesu Leben und Lehren aufbaut, umfasst - abgesehen von der Erinnerung an das, was Andreas aufschrieb - die gesammelten Gedankenjuwele und höheren Konzepte von Jesu Lehren von mehr als zweitausend menschlichen Wesen, die seit den Tagen Jesu bis zur Zeit der Abfassung dieser Offenbarungen, oder richtiger Neudarstellungen, auf Erden gelebt haben. Die Erlaubnis zur Offenbarung wurde nur benutzt, wenn menschliche Berichterstattung und menschliche Konzepte kein angemessenes Gedankenmodell liefern konnten. Meine Offenbarungskommission verbot mir, auf außermenschliche Informations- oder Ausdrucksquellen zurückzugreifen, solange ich nicht bezeugen konnte, dass meine Bemühungen, den benötigten begrifflichen Ausdruck in rein menschlichen Quellen ausfindig zu machen, erfolglos verlaufen waren. Zusammen mit meinen Gefährten und Mitarbeitern, den elf Mittlern, und unter der Oberaufsicht des für den Bericht verantwortlichen Melchisedeks, habe ich zwar diese Erzählung gemäß meiner Vorstellung von ihrer wirkungsvollsten Verarbeitung verfasst und selbst den unmittelbaren Ausdruck gewählt; nichtsdestoweniger stammen die Mehrzahl der Ideen und sogar einige der treffenden Ausdrücke, die ich benutzt habe, von Menschen vieler Rassen, die in den dazwischenliegenden Generationen auf Erden gelebt haben bis hin zu jenen, die zur Zeit dieses Unternehmens noch am Leben sind. In mancher Hinsicht habe ich mehr die Rolle eines Sammlers und Herausgebers, als die eines originalen Erzählers wahrgenommen. Ich habe ohne zu zögern zu jenen vorzugsweise menschlichen Ideen und Konzepten gegriffen, die mich befähigten, das Leben Jesu am wirkungsvollsten zu schildern und seine unvergleichlichen Lehren in einer Ausdrucksweise neu zu formulieren, die durch ihre Aussagekraft hilfreich und universal erhebend sein würde. Im Namen der Bruderschaft der vereinigten Mittler Urantias anerkenne ich in größter Dankbarkeit unsere Verbindlichkeit gegenüber allen Berichts- und Konzeptquellen, die zur Ausarbeitung unserer jetzt folgenden Neudarstellung von Jesu Leben auf Erden herangezogen worden sind.] ****** Kapitel 122 Jesu Geburt und Kindheit ****** ES wird kaum möglich sein, die vielen Gründe erschöpfend zu erörtern, die zur Wahl Palästinas als dem Land der Selbsthingabe Michaels führten, und im besonderen, wieso gerade die Familie Josephs und Marias als unmittelbarer Rahmen für das Erscheinen dieses Gottessohnes auf Urantia gewählt wurde. Nach dem Studium eines von den Melchisedeks in Abstimmung mit Gabriel vorbereiteten Spezialberichts über den Status abgesonderter Welten wählte Michael schließlich Urantia zum Planeten seiner letzten Selbsthingabe. Nach diesem Entscheid stattete Gabriel Urantia einen persönlichen Besuch ab. Sein Studium menschlicher Gruppen und seine Übersicht über die geistigen, intellektuellen, rassischen und geographischen Charakteristika der Welt und ihrer Völker führten ihn im Endergebnis zu der Überzeugung, dass die Hebräer jene relativen Vorteile besaßen, die ihre Wahl als Rasse für die Selbsthingabe rechtfertigten. Nach Michaels Genehmigung dieses Entscheids ernannte Gabriel die aus ausgewählten Persönlichkeiten der höheren Ordnungen des Universums bestehende Familienkommission der Zwölf, die mit der Untersuchung des jüdischen Familienlebens beauftragt wurde, und entsandte sie nach Urantia. Als diese Kommission ihre Arbeiten abgeschlossen hatte, war Gabriel auf Urantia anwesend und nahm den Bericht entgegen, der drei in Frage kommende Ehepaare nannte, die nach Meinung der Kommission für Michaels geplante Inkarnation gleich günstige familiäre Voraussetzungen erfüllten. Unter den drei vorgeschlagenen Ehepaaren traf Gabriel die persönliche Wahl von Joseph und Maria, welcher er später in Person erschien und die frohe Botschaft überbrachte, dass sie zur irdischen Mutter des Kindes der Verheißung auserwählt worden sei. ***** 122.1 Joseph und Maria ***** Joseph, der menschliche Vater von Jesus (Josua ben Joseph), war ein Hebräer unter Hebräern, auch wenn sich in seinem Blut viele nichtjüdische Rassenanteile mischten, die seinem Stammbaum von Zeit zu Zeit durch die weiblichen Linien seiner Ahnen zugeführt worden waren. Seine Vorfahren reichten zurück bis in die Tage Abrahams und von diesem ehrwürdigen Patriarchen über frühere Vererbungslinien bis hin zu den Sumerern und Noditen und über die südlichen Stämme der alten blauen Menschen bis zu Andon und Fonta. David und Salomon waren keine direkten Vorfahren Josephs, noch führte dessen Ahnenlinie direkt zu Adam zurück. Josephs unmittelbare Vorfahren waren Handwerker - Bau- und Zimmerleute, Maurer und Schmiede. Joseph selber war Zimmermann und später Unternehmer. Seine Familie gehörte zu einem alten und berühmten Geschlecht aus dem Volksadel, das sich hin und wieder durch das Erscheinen außergewöhnlicher Einzelner hervortat, die sich im Zusammenhang mit der Entwicklung der Religion auf Urantia auszeichneten. Maria, Jesu irdische Mutter, war Nachfahrin einer langen Reihe von einzigartigen Ahnen, die viele der bemerkenswertesten Frauengestalten der Rassengeschichte Urantias einschloss. Obwohl Maria in ihrer Zeit und Generation eine durchschnittliche Frau mit ganz normaler Veranlagung war, zählte sie doch zu ihren Ahnfrauen so berühmte Namen wie Annon, Tamar, Ruth, Batseba, Ansie, Cloa, Eva, Enta und Ratta. Keine jüdische Frau jener Tage besaß eine glänzendere Ahnenreihe, noch eine, die zu vielversprechenderen Anfängen zurückreichte. Gleich denjenigen Josephs waren auch Marias Vorfahren überwiegend starke, aber durchschnittliche Individuen, aus denen ab und zu zahlreiche außergewöhnliche Persönlichkeiten herausragten, die sich im Fortschritt der Zivilisation und in der Höherentwicklung der Religion hervortaten. Vom rassischen Standpunkt aus gesehen, ist es kaum richtig, Maria als eine Jüdin zu betrachten. In ihrer Kultur und in ihrem Glauben war sie eine Jüdin, in hereditärer Hinsicht aber mehr ein Gemisch aus syrischen, hethitischen, phönizischen, griechischen und ägyptischen Erbanteilen. Ihr rassisches Erbe war also breiter angelegt als dasjenige Josephs. Von allen zur Zeit der geplanten Selbsthingabe Michaels in Palästina lebenden Ehepaaren besaßen Joseph und Maria die idealste Kombination weitreichender rassischer Verbindungen und überdurchschnittlicher Persönlichkeitsanlagen. Michaels Plan war es, als durchschnittlicher Mensch auf Erden zu erscheinen, damit das einfache Volk ihn verstehen und annehmen könnte, weshalb Gabriel gerade Menschen wie Joseph und Maria als Eltern für die Selbsthingabe auswählte. ***** 122.2 Gabriel erscheint Elisabeth ***** Jesu Lebenswerk auf Urantia wurde in Wahrheit durch Johannes den Täufer begonnen. Zacharias, der Vater des Johannes, gehörte zur jüdischen Priesterschaft, während seine Mutter Elisabeth ein Mitglied des wohlhabenderen Zweiges desselben großen Familienverbandes war, dem auch Maria, die Mutter Jesu, angehörte. Zacharias und Elisabeth, obschon seit vielen Jahren verheiratet, waren kinderlos geblieben. Es war spät im Monat Juni des Jahres 8 v. Chr., ungefähr drei Monate nach der Heirat von Joseph und Maria, als Gabriel eines Tages um die Mittagsstunde Elisabeth erschien, genauso wie er später Maria seine Gegenwart kundtat. Er sprach: "Während dein Mann Zacharias in Jerusalem vor dem Altar steht und das versammelte Volk für das Kommen eines Erlösers betet, bin ich, Gabriel, gekommen, um dir zu verkünden, dass du bald einen Sohn gebären wirst, der der Vorläufer des göttlichen Lehrers sein wird. Und du sollst deinen Sohn Johannes heißen. Er wird ganz dem Herrn, deinem Gott hingegeben aufwachsen, und als Mann wird er dein Herz erfreuen, weil er viele Seelen zu Gott hinwenden wird. Er wird auch das Kommen des Seelenheilers deines Volkes und des Geist-Befreiers der ganzen Menschheit ankündigen. Deine Verwandte Maria wird die Mutter dieses Kindes der Verheißung sein, und ich werde ihr ebenfalls erscheinen." Elisabeth erschrak gewaltig über diese Erscheinung. Nach Gabriels Fortgang überdachte sie das Erlebnis immer von neuem, lange die Worte des majestätischen Besuchers abwägend, aber sprach zu niemandem mit Ausnahme ihres Mannes über die Offenbarung bis zu ihrem Gespräch mit Maria Anfang Februar des folgenden Jahres. Fünf Monate lang verbarg Elisabeth ihr Geheimnis sogar vor ihrem Mann. Nachdem sie ihm die Geschichte von Gabriels Besuch eröffnet hatte, war Zacharias sehr skeptisch, und wochenlang bezweifelte er das ganze Erlebnis. Er begann erst halbherzig an Gabriels Besuch bei seiner Frau zu glauben, als er nicht länger in Frage stellen konnte, dass sie guter Hoffnung war. Zacharias war über die Maßen erstaunt über Elisabeths bevorstehende Mutterschaft, zweifelte aber trotz seines vorgerückten Alters nicht an der Unbescholtenheit seiner Frau. Erst etwa sechs Wochen vor der Geburt des Johannes gelangte Zacharias infolge eines beeindruckenden Traums zu der vollen Überzeugung, dass Elisabeth einen Sohn der Vorsehung gebären werde, einen, der dem kommenden Messias den Weg bereiten sollte. Gabriel erschien Maria etwa Mitte November des Jahres 8 v. Chr., während sie in ihrem Heim in Nazareth bei der Arbeit war. Später, als Maria mit Sicherheit wusste, dass sie Mutter werden würde, überzeugte sie Joseph, sie nach der Stadt Juda im Hügelgebiet vier Kilometer westlich von Jerusalem reisen zu lassen, um Elisabeth zu besuchen. Gabriel hatte jede dieser werdenden Mütter von seinem Besuch bei der anderen in Kenntnis gesetzt. Natürlich lag ihnen viel daran zusammenzukommen, ihre Erfahrungen auszutauschen und über die wahrscheinliche Zukunft ihrer Söhne zu reden. Maria blieb drei Wochen lang bei ihrer entfernten Kusine. Elisabeth tat viel, um Marias Glauben an Gabriels Erscheinung zu festigen. Maria kehrte nach Hause zurück, bereiter, dem Ruf zu folgen und das Kind der Vorsehung zu gebären, das sie der Welt schon so bald als hilflosen Säugling, als ein durchschnittliches und normales Kind dieser Welt schenken würde. Johannes wurde am 25. März des Jahres 7 v. Chr. in der Stadt Juda geboren. Zacharias und Elisabeth waren von großer Freude erfüllt, als ihnen klar wurde, dass ihnen ein Sohn geschenkt worden war, wie Gabriel es versprochen hatte, und als sie das Kind am achten Tag zur Beschneidung brachten, tauften sie es auf den Namen Johannes, wie ihnen zuvor nahe gelegt worden war. Schon hatte sich ein Neffe des Zacharias nach Nazareth aufgemacht mit Elisabeths Botschaft an Maria, dass sie einen Sohn geboren habe und sein Name Johannes sein werde. Vom zartesten Kindesalter an wurde Johannes von seinen Eltern mit Bedacht die Idee eingepflanzt, er sei bestimmt, zu einem geistigen Führer und religiösen Lehrer heranzuwachsen. Und der Boden seines Herzens nahm solch eine suggestive Saat immer willig auf. Schon als Kind fand man ihn oft im Tempel während der Dienstzeiten seines Vaters, und die Bedeutung all dessen, was er sah, beeindruckte ihn gewaltig. ***** 122.3 Gabriels Verkündigung an Maria ***** Eines Abends bei Sonnenuntergang und vor Josephs Heimkehr erschien Gabriel Maria neben einem niedrigen Steintisch und sprach zu ihr, nachdem sie ihre Fassung wiedererlangt hatte: "Ich komme auf Geheiß eines, der mein Meister ist und den du lieben und nähren sollst. Dir, Maria, bringe ich eine frohe Botschaft mit der Kunde, dass deine Empfängnis vom Himmel bestimmt ist und dass du zur gegebenen Zeit Mutter eines Sohnes werden wirst. Du sollst ihn Josua nennen, und er wird unter den Menschen das Königreich des Himmels auf Erden eröffnen. Sprich mit niemandem darüber außer mit Joseph und deiner Verwandten Elisabeth, der ich ebenfalls erschienen bin und die auch bald einen Sohn zur Welt bringen wird; er wird Johannes heißen und der Wegbereiter für die Erlösungsbotschaft sein, die dein Sohn den Menschen mit großer Macht und tiefer Überzeugung verkünden wird. Und zweifle nicht an meinen Worten, Maria; denn dieses Haus wurde zum menschlichen Heim des Kindes der Vorsehung ausgewählt. Mein Segen ruht auf dir, die Kraft der Allerhöchsten wird dich stärken und der Herr der ganzen Erde wird über dir wachen." Viele Wochen lang sann Maria im Stillen in ihrem Herzen über diesen Besuch nach, bis sie mit Sicherheit wusste, dass sie schwanger war. Erst dann wagte sie es, ihrem Ehemann diese ungewöhnlichen Ereignisse zu eröffnen. Als Joseph all das gehört hatte, war er sehr beunruhigt und konnte manche Nächte hindurch nicht schlafen, obwohl er großes Vertrauen zu Maria hatte. Zuerst hegte Joseph Zweifel am Besuch Gabriels. Als er so gut wie zu der Überzeugung gelangt war, dass Maria die Stimme wirklich gehört und die Gestalt des göttlichen Boten gesehen hatte, war er innerlich zerrissen, als er hin und her überlegte, wie solche Dinge möglich sein konnten. Wie konnte der Abkömmling menschlicher Wesen ein Kind mit göttlichem Schicksal sein? Joseph war außerstande, diese widersprüchlichen Ideen in Einklang zu bringen. Endlich, nach mehreren Wochen des Nachdenkens, gelangte er mit Maria zu der Überzeugung, dass sie als Eltern des Messias ausgewählt worden waren, obwohl die Juden kaum die Vorstellung hatten, dass der erwartete Erlöser göttlicher Natur sein sollte. Kaum waren sie zu diesem bedeutsamen Schluss gekommen, als Maria sich eilends zum Besuch Elisabeths aufmachte. Nach ihrer Rückkehr besuchte Maria ihre Eltern Joachim und Hannah. Ihre beiden Brüder, ihre beiden Schwestern ebenso wie ihre Eltern waren wegen der göttlichen Mission Jesu immer sehr skeptisch, obwohl sie zu jener Zeit vom Besuch Gabriels natürlich nichts wussten. Aber Maria vertraute ihrer Schwester Salome an, sie glaube, ihr Sohn sei bestimmt, ein großer Lehrer zu werden. Gabriels Verkündigung an Maria hatte am Tag nach der Empfängnis Jesu stattgefunden und war das einzige übernatürliche Ereignis im Zusammenhang mit Marias gesamter Erfahrung, das Kind der Verheißung zu tragen und zu gebären. ***** 122.4 Josephs Traum ***** Joseph konnte sich mit der Idee, Maria würde die Mutter eines außergewöhnlichen Kindes werden, nur schwer anfreunden bis zu dem Augenblick, als er einen sehr eindrucksvollen Traum hatte. In diesem Traum erschien ihm ein strahlender himmlischer Bote, der ihm unter anderem sagte: "Joseph, ich erscheine dir auf Geheiß Dessen, der jetzt im Himmel herrscht, und ich habe den Auftrag, dich über den Sohn, den Maria gebären und der ein großes Licht in der Welt sein wird, zu unterrichten. In ihm wird das Leben wohnen, und sein Leben soll zum Licht der Menschheit werden. Er wird zuerst zu seinem eigenen Volk kommen, aber dieses wird ihn kaum aufnehmen. All jenen hingegen, die ihn aufnehmen, wird er offenbaren, dass sie Kinder Gottes sind." Nach dieser Erfahrung zweifelte Joseph nie wieder gänzlich an Marias Geschichte vom Besuch Gabriels und an dessen Versprechen, dass das ungeborene Kind ein göttlicher Sendbote für die Welt werden würde. Während all dieser Besuche wurde das Haus David mit keinem Wort erwähnt. Es fehlte auch jeglicher Hinweis darauf, dass Jesus der "Befreier der Juden" oder gar der lang erwartete Messias sein würde. Jesus war nicht ein Messias, wie ihn die Juden erwartet hatten, aber er war der Befreier der Welt. Seine Sendung galt allen Rassen und Völkern, nicht nur einer bestimmten Gruppe. Joseph stammte nicht vom Geschlecht König Davids ab. Maria hatte mehr Vorfahren vom Stamm Davids als Joseph. Es stimmt zwar, dass Joseph nach Bethlehem, der Stadt Davids, ging, um sich für die römische Volkszählung einschreiben zu lassen, aber das geschah nur deshalb, weil sechs Generationen zuvor Josephs väterlicher Vorfahr aus jener Generation als Waise von einem gewissen Zadok, einem direkten Nachkommen Davids, adoptiert worden war; deshalb betrachtete man Joseph auch als zum "Hause Davids" gehörig. Die meisten der so genannten messianischen Prophetien des Alten Testaments wurden lange nachdem Jesus auf Erden gelebt hatte geschrieben, um auf ihn Anwendung zu finden. Jahrhundertelang hatten die hebräischen Propheten das Kommen eines Erlösers verkündet, und diese Verheißungen deuteten die aufeinander folgenden Generationen so, als bezögen sie sich auf einen neuen jüdischen Herrscher, der auf dem Throne Davids sitzen und es unternehmen würde, mit Hilfe der angeblich mirakulösen Methoden des Moses die Juden in Palästina als mächtige, von aller Fremdherrschaft befreite Nation wiederherzustellen. Wiederum wurden viele bildliche Stellen, die überall in den hebräischen Schriften zu finden waren, später fälschlich auf Jesu Lebenssendung angewendet. Viele alttestamentliche Aussagen wurden so verändert, dass sie sich auf irgendeine Episode des irdischen Lebens des Meisters zu beziehen schienen. Jesus selber bestritt einmal öffentlich jede Verbindung mit dem königlichen Hause Davids. Sogar die Stelle "eine junge Frau wird einen Sohn gebären" lautete nun: "eine Jungfrau wird einen Sohn gebären". Dasselbe trifft auch auf die vielen Stammbäume sowohl Josephs wie auch Marias zu, die nach Jesu Erdentagen konstruiert wurden. Manche dieser Abstammungslinien enthalten viele Vorfahren des Meisters, sind aber im Großen und Ganzen nicht authentisch und, was die Fakten betrifft, nicht verlässlich. Die frühen Anhänger Jesu unterlagen nur allzu oft der Versuchung, all die alten prophetischen Äußerungen in ein solches Licht zu rücken, dass sie im Leben ihres Herrn und Meisters in Erfüllung zu gehen schienen. ***** 122.5 Jesu irdische Eltern ***** Joseph war ein Mann von sanftem Umgang, äußerst gewissenhaft und in jeder Weise den religiösen Sitten und Gebräuchen seines Volkes treu ergeben. Er sprach wenig, aber dachte viel. Die missliche Lage des jüdischen Volkes erfüllte ihn mit großer Trauer. Als Jugendlicher zwischen seinen acht Brüdern und Schwestern war er heiterer gewesen, aber in den ersten Ehejahren (während Jesu Kindheit) war er periodisch leichter geistiger Entmutigung unterworfen. Diese Stimmungsäußerungen besserten sich erheblich kurz vor seinem frühzeitigen Tod und nachdem die wirtschaftliche Lage seiner Familie sich durch seinen Aufstieg vom Rang eines Zimmermanns zur Rolle eines wohlhabenden Bauunternehmers verbessert hatte. Marias Temperament war demjenigen ihres Ehemanns ganz und gar entgegengesetzt. Sie war im Allgemeinen fröhlich, war nur sehr selten niedergeschlagen und besaß ein immer sonniges Wesen. Maria gab ihren Gefühlen gern frei und häufig Ausdruck, und niemand hatte sie bis zum plötzlichen Tod Josephs je traurig gesehen. Kaum hatte sie sich von diesem Schock erholt, als die Ängste und Fragen im Zusammenhang mit dem außerordentlichen Werdegang ihres ältesten Sohnes, der sich vor ihren erstaunten Augen so schnell entwickelte, sie bedrängten. Aber während dieser ganzen ungewöhnlichen Erfahrung war Maria gefasst, mutig und recht besonnen im Umgang mit ihrem seltsamen und wenig verstandenen erstgeborenen Sohn und seinen überlebenden Brüdern und Schwestern. Seinem Vater verdankte Jesus viel von seiner ungewöhnlichen Sanftheit und seinem wunderbar mitfühlenden Verstehen der menschlichen Natur. Von seiner Mutter erbte er seine Gabe als großer Lehrer und seine gewaltige Fähigkeit zu gerechter Empörung. Als Erwachsener war Jesus in seinen gefühlsmäßigen Reaktionen auf seine Umwelt zeitweilig wie sein Vater, nachdenklich und andächtig, manchmal von offensichtlicher Traurigkeit gekennzeichnet; aber häufiger schritt er in der zuversichtlichen und entschiedenen Art seiner Mutter voran. Alles in allem schien Marias Temperament im Werdegang des göttlichen Sohnes mehr und mehr die Oberhand zu gewinnen, während er aufwuchs und die bedeutsamen Schritte in sein Erwachsenenleben tat. In gewissen Eigenschaften war Jesus eine Mischung der Charakterzüge beider Elternteile; in anderer Hinsicht zeigte er die Züge des einen im Kontrast zu denen des anderen. Von Joseph erhielt Jesus seine strenge Schulung in den Gebräuchen des jüdischen Zeremo-niells und seine außergewöhnliche Vertrautheit mit den hebräischen Schriften; Maria verdankte er eine weniger enge Auffassung vom religiösen Leben und eine großzügigere Vorstellung von persönlicher geistiger Freiheit. Die Familien beider, sowohl Josephs als auch Marias, waren für ihre Zeit sehr gebildet. Die Bildung Josephs und Marias lag weit über dem Durchschnitt jener Tage und ihrer gesellschaftlichen Stellung. Er war ein Denker; sie war eine Planerin, verstand es, sich mit Leichtigkeit anzupassen und war praktisch in der unmittelbaren Ausführung. Joseph hatte schwarze Augen und braune Haare; Maria hatte braune Augen und war fast blond. Hätte Joseph gelebt, so wäre er zweifellos zum festen Glauben an die göttliche Sendung seines ältesten Sohnes gelangt. Maria schwankte zwischen Glauben und Zweifeln und stand dabei stark unter dem Einfluss der von ihren übrigen Kindern und von ihren Freunden und Verwandten vertretenen Ansichten, aber immer wurde sie in ihrer endgültigen Haltung bestärkt durch die Erinnerung an die Erscheinung Gabriels vor ihr unmittelbar nach der Empfängnis des Kindes. Maria war eine geschickte Weberin und besaß eine überdurchschnittliche Fertigkeit in den meisten Haushaltstätigkeiten jener Tage. Sie war eine gute Haushälterin und eine hervorragende Hausfrau. Joseph und Maria waren beide gute Lehrer, und sie wachten darüber, dass ihre Kinder im Wissen jener Zeit gut bewandert waren. Als junger Mann arbeitete Joseph für Marias Vater an einem Anbau für dessen Haus, und so geschah es, als Maria während eines Mittagessens Joseph eine Schale mit Wasser brachte, dass die eigentliche Zeit des Werbens für das Paar begann, das bestimmt war, Jesu Eltern zu werden. Joseph und Maria wurden gemäß jüdischem Brauch in Marias Haus in der Umgebung von Nazareth verheiratet, als Joseph einundzwanzig Jahre alt war. Diese Heirat stand am Ende einer normalen, fast zweijährigen Zeit des Werbens. Kurz darauf bezogen sie ihr neues Heim in Nazareth, das Joseph mit Hilfe zweier seiner Brüder gebaut hatte. Das Haus lag dicht am Fuße des nahen Hügels, der sich so reizvoll über der umgebenden Landschaft erhob. In diesem eigens dazu vorbereiteten Haus gedachten die jungen und erwartungsvollen Eltern, das Kind der Vorsehung willkommen zu heißen, nicht ahnend, dass dieses für ein ganzes Universum hochbedeutende Ereignis während ihrer Abwesenheit von zu Hause in Bethlehem in Judäa stattfinden würde. Der größere Teil von Josephs Familie schloss sich Jesu Lehren an, aber nur sehr wenige von Marias Anhang glaubten an ihn, bevor er aus dieser Welt schied. Joseph neigte mehr dem geistigen Konzept vom erwarteten Messias zu, aber Maria und ihre Familie, besonders ihr Vater, hielten sich an die Idee vom Messias als einem zeitlichen Befreier und politischen Herrscher. Marias Vorfahren hatten sich in vorderster Reihe den Aktivitäten der Makkabäer angeschlossen, die damals erst sehr kurze Zeit zurücklagen. Joseph hielt sich entschieden an die östlichen oder babylonischen Sichtweisen der jüdischen Religion, während Maria stark der freieren und großzügigeren westlichen oder hellenistischen Auslegung des Gesetzes und der Propheten zuneigte. ***** 122.6 Das Heim in Nazareth ***** Das Heim Jesu lag nicht weit von der Anhöhe, die sich über dem nördlichen Teil von Nazareth erhob, und in einiger Entfernung vom Dorfbrunnen, der sich im östlichen Teil der Stadt befand. Jesu Familie wohnte am Stadtrand, und das machte es ihm später umso leichter, sich an häufigen Spaziergängen auf dem Lande zu erfreuen und Ausflüge zum höchsten Punkt der nahen Anhöhe zu machen. Es war die höchste Erhebung in Südgaliläa mit Ausnahme des Berges Tabor im Osten und des Berges von Nain, der etwa gleich hoch war. Ihr Heim befand sich ein wenig südöstlich von der dem Berg im Süden vorgelagerten Erhebung und ungefähr auf halbem Wege zwischen dem Fuß des Berges und der von Nazareth nach Kana führenden Straße. Abgesehen von dem Besteigen des Berges war es Jesu Lieblingsspaziergang, einem engen Pfad, der sich an dessen Fuß entlangwand, in nordöstlicher Richtung bis zu einem Punkt zu folgen, wo er in die Straße nach Sepphoris einmündete. Josephs und Marias Heim war ein aus einem einzigen Raum bestehendes Steingebäude mit einem Flachdach und einem Anbau zur Unterbringung der Tiere. Die Einrichtung bestand aus einem niedrigen Steintisch, irdenen und steinernen Schalen und Töpfen, einem Webstuhl, einer Lampe, mehreren kleinen Schemeln und Schlafmatten auf dem Steinboden. Im Hinterhof, nahe dem Anbau für die Tiere, war eine überdachte Stelle für den Ofen und die Mühle, in der das Korn gemahlen wurde. Zwei Personen waren erforderlich, um diese Art Mühle zu betätigen, eine, um zu mahlen und eine, um das Korn hineinzugeben. Als kleiner Junge schüttete Jesus oft das Korn in diese Mühle, während seine Mutter den Mühlstein drehte. In späteren Jahren, als die Familie zahlreicher geworden war, pflegten sie alle um den vergrößerten Steintisch herum zu hocken und sich gemeinsam ihr Essen aus einer Schale oder einem Topf schmecken zu lassen. Im Winter erhellte während der Abendmahlzeit eine kleine, flache, mit Olivenöl gefüllte Lampe aus Ton den Tisch. Nach Marthas Geburt fügte Joseph diesem Haus einen großen Raum an, der tagsüber als Zimmermannswerkstatt und nachts als Schlafraum diente. ***** 122.7 Die Reise nach Betlehem ***** Im März des Jahres 8 v. Chr. (dem Monat der Heirat Josephs und Marias) verordnete Kaiser Augustus, dass alle Einwohner des Römischen Reiches gezählt werden sollten. Diese Volkszählung sollte einer besseren Besteuerung dienen. Die Juden hatten sich gegenüber jedem Versuch, "das Volk zu zählen", immer sehr ablehnend verhalten. Dies, zusammen mit ernsten innenpolitischen Schwierigkeiten des Herodes, König von Judäa, bewirkte eine Verschiebung der Volkszählung im jüdischen Königreich um ein Jahr. Im ganzen römischen Reich wurde diese Zählung im Jahre 8 v. Chr. durchgeführt, außer im palästinensischen Königreich des Herodes, wo sie erst ein Jahr später, im Jahre 7 v. Chr., abgehalten wurde. Es war nicht nötig, dass Maria zur Eintragung in die Register nach Bethlehem ging - Joseph war dazu für die ganze Familie ermächtigt - aber Maria, die eine unternehmungslustige und energische Person war, bestand darauf, ihn zu begleiten. Sie fürchtete sich davor, das Kind allein und in Josephs Abwesenheit zur Welt zu bringen, und da Bethlehem nicht weit von der Stadt Juda entfernt war, sah sie außerdem der Möglichkeit eines angenehmen Besuchs bei ihrer Verwandten Elisabeth entgegen. Eigentlich verbot Joseph es Maria, ihn zu begleiten, aber ohne Erfolg. Beim Einpacken des Proviants für die drei- bis viertägige Wanderung sah sie doppelte Rationen vor und machte sich reisefertig. Aber noch bevor sie aufbrachen, hatte sich Joseph damit abgefunden, dass Maria mitkam, und in froher Stimmung verließen sie bei Tagesanbruch Nazareth. Joseph und Maria waren arm, und da sie nur ein Lasttier besaßen, ritt Maria, weil sie in anderen Umständen war, mitsamt dem Proviant auf dem Tier, während Joseph daneben herging und es führte. Das Bauen und Einrichten eines Hauses hatte Joseph finanziell schwer belastet, zumal er auch zum Lebensunterhalt seiner Eltern beitragen musste, nachdem sein Vater kurz zuvor erwerbsunfähig geworden war. Und so verließ das jüdische Paar sein bescheidenes Heim am frühen Morgen des 18. August im Jahr 7 v. Chr. und begab sich auf die Reise nach Bethlehem. Ihr erster Reisetag führte sie um die dem Berg Gilboa vorgelagerten Hügel herum, wo sie ihr Nachtlager am Jordan aufschlugen und sich in allerlei Mutmaßungen über das Wesen des Sohnes ergingen, der ihnen geboren werden sollte, wobei Joseph die Vorstellung von einem geistigen Lehrer bevorzugte, während Maria an der Idee eines jüdischen Messias, eines Befreiers der hebräischen Nation festhielt. In froher Stimmung und früh am Morgen des 19. August waren Joseph und Maria wieder auf dem Weg. Sie nahmen ihr Mittagsmahl zu Füßen des Berges Sartaba ein, von wo sie das Jordantal überblickten, und gelangten bis nach Jericho, wo sie für die Nacht in einer Herberge an der Hauptstraße außerhalb der Stadt abstiegen. Nach dem Abendessen und vielen Gesprächen über den Druck der römischen Herrschaft, über Herodes, die Volkszählung und über einen Vergleich des Einflusses von Jerusalem und Alexandria als Zentren jüdischer Gelehrsamkeit und Kultur, zogen sich die Reisenden aus Nazareth zur Nachtruhe zurück. Frühmorgens am 20. August nahmen sie ihre Reise wieder auf, erreichten Jerusalem vor Mittag, besuchten den Tempel und langten in Bethlehem, ihrem Reiseziel, mitten am Nachmittag an. Die Herberge war überfüllt und Joseph sah sich deshalb nach einer Unterkunft bei entfernten Verwandten um, aber jeder Raum in ganz Bethlehem war überbelegt. Bei seiner Rückkehr in den Hof der Herberge erfuhr er, dass man aus den Karawanenställen, die in die Felswand gehauen waren und sich gerade unterhalb der Herberge befanden, die Tiere entfernt und die Ställe für die Aufnahme von Gästen gereinigt hatte. Joseph ließ den Esel im Hof, lud ihre Kleider- und Proviantsäcke auf die Schultern und stieg mit Maria die Steinstufen zu ihrer Unterkunft hinab. Sie fanden sich in einer früheren Kornkammer auf der Vorderseite der Boxen und Krippen untergebracht. Vorhänge aus Zeltstoff waren aufgehängt worden, und sie schätzten sich glücklich, ein so bequemes Quartier zu haben. Joseph hatte beabsichtigt, sofort loszugehen und sich einschreiben zu lassen, aber Maria war müde. Sie war sehr bekümmert und bat ihn sehr, an ihrer Seite zu bleiben, was er auch tat. ***** 122.8 Jesu Geburt ***** Die ganze Nacht über war Maria unruhig, so dass keiner von beiden viel schlief. Bei Tagesanbruch war es klar, dass die Geburtswehen eingesetzt hatten, und um die Mittagsstunde des 21. August, 7 v. Chr., wurde Maria dank der Hilfe und den freundlichen Diensten mitreisender Frauen von einem Knaben entbunden. Jesus von Nazareth war in diese Welt hineingeboren, man wickelte ihn in die Tücher, die Maria für solch einen Fall mitgebracht hatte und legte ihn nahebei in eine Krippe. In eben der Weise, in der alle Säuglinge seit eh und je zur Welt gekommen sind, wurde auch das Kind der Verheißung geboren. Und am achten Tage wurde es nach jüdischem Brauch beschnitten und in aller Form Josua (Jesus) genannt. Am Tag nach Jesu Geburt schrieb Joseph sich ein. Er traf auf einen Mann, mit dem sie sich zwei Abende zuvor in Jericho unterhalten hatten, und dieser brachte ihn zu einem wohlhabenden Freund, der ein Zimmer in der Herberge hatte und sie wissen ließ, dass er gerne bereit wäre, mit dem Paar aus Nazareth die Quartiere zu tauschen. Am selben Nachmittag zogen sie in die darüber liegende Herberge um und blieben dort fast drei Wochen lang, bis sie im Hause eines entfernten Verwandten Josephs Unterkunft fanden. Am zweiten Tage nach der Geburt Jesu sandte Maria Elisabeth die Nachricht, dass ihr Kind angekommen sei und erhielt als Antwort eine Einladung für Joseph nach Jerusalem, um mit Zacharias über all ihre Angelegenheiten zu sprechen. In der folgenden Woche begab sich Joseph zur Unterredung mit Zacharias nach Jerusalem. Sowohl Zacharias wie auch Elisabeth waren zu der aufrichtigen Überzeugung gelangt, dass Jesus tatsächlich der jüdische Befreier, der Messias werden würde, und ihr Sohn Johannes das Haupt seiner Helfer, seine vom Schicksal bestimmte rechte Hand. Und da Maria dieselben Gedanken hatte, war es nicht schwer, Joseph zu überreden, in Bethlehem, der Stadt Davids zu bleiben, damit Jesus aufwachsen könne, um Davids Nachfolger auf dem Thron von ganz Israel zu werden. Also blieben sie länger als ein Jahr in Bethlehem. Joseph ging in dieser Zeit einigen Zimmermannsarbeiten nach. An jenem Mittag der Geburt Jesu sangen die unter ihren Leitern versammelten Seraphim von Urantia Hymnen der Lobpreisung über der Krippe von Bethlehem, aber kein menschliches Ohr vernahm sie. Weder Hirten noch irgendwelche anderen menschlichen Geschöpfe kamen, um das Kind von Bethlehem zu verehren, bis zum Tage der Ankunft gewisser Priester aus Ur, die Zacharias von Jerusalem herabgesandt hatte. Ein eigenartiger Religionslehrer ihres Landes hatte diesen Priestern aus Mesopotamien einige Zeit zuvor eröffnet, ihm sei in einem Traum mitgeteilt worden, dass das "Licht des Lebens" in Kürze auf Erden als ein Kind und unter den Juden erscheinen werde. Dahin lenkten diese drei Lehrer ihre Schritte auf der Suche nach dem "Licht des Lebens". Nach vielen Wochen vergeblichen Nachforschens in Jerusalem waren sie nahe daran, nach Ur zurückzukehren, als Zacharias sie traf und ihnen seine Ansicht eröffnete, dass Jesus das Objekt ihrer Suche sei, und sie nach Bethlehem wies, wo sie das Kind fanden und ihre Geschenke bei seiner irdischen Mutter Maria ließen. Das Kind war zur Zeit ihres Besuchs fast drei Wochen alt. Diese weisen Männer sahen keinen Stern, der sie nach Bethlehem führte. Die schöne Legende vom Stern von Bethlehem entstand folgendermaßen: Jesus wurde am Mittag des 21. August 7 v. Chr. geboren. Am 29. Mai 7 v. Chr. fand eine außergewöhnliche Konjunktion von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische statt. Und es ist eine bemerkenswerte astronomische Tatsache, dass gleiche Konjunktionen sich auch am 29. September und am 5. Dezember desselben Jahres ereigneten. Von diesen außerordentlichen, aber völlig natürlichen Vorgängen ausgehend, schufen die Glaubenseiferer der nächsten Generation in gut gemeinter Absicht die rührende Legende vom Stern von Bethlehem und den verehrenden Magiern, die von ihm zur Krippe geführt wurden, wo sie das neugeborene Kind erblickten und anbeteten. Die fern- und nahöstlichen Gemüter ergötzen sich an Märchen, und sie weben immer wieder solch schöne Mythen um das Leben ihrer religiösen Führer und politischen Helden. Als der größte Teil des menschlichen Wissens in Ermangelung von Druckerzeugnissen mündlich von einer Generation auf die nächste überging, geschah es sehr leicht, dass Mythen zu Traditionen und diese schließlich als Tatsachen anerkannt wurden. ***** 122.9 Die Darbringung im Tempel ***** Moses hatte die Juden gelehrt, dass jeder erstgeborene Sohn dem Herrn gehöre, dass er aber, anstatt geopfert zu werden, wie es bei den heidnischen Völkern der Brauch war, unter der Voraussetzung am Leben bleiben könne, dass seine Eltern ihn gegen Bezahlung von fünf Schekel bei irgendeinem bevollmächtigten Priester loskauften. Es gab auch eine mosaische Verordnung, welche verlangte, dass eine Mutter nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Reinigung im Tempel zu erscheinen hatte (oder das angemessene Opfer durch jemand anderen an ihrer Stelle erbringen lassen musste). Es war Sitte, beide Zeremonien gleichzeitig zu vollziehen. Also gingen Joseph und Maria selber zum Tempel nach Jerusalem, um Jesus den Priestern darzubringen, seinen Loskauf zu erwirken und auch, um das erforderliche Opfer zu bringen, das die zeremonielle Reinigung Marias von der angeblichen Unreinheit der Geburt gewährleisten sollte. Zwei bemerkenswerte Gestalten, der Sänger Simeon und die Dichterin Anna, hielten sich ständig in den Tempelhöfen auf. Simeon war Judäer, Anna aber Galiläerin. Dieses Paar war häufig beisammen, und beide waren auch enge Freunde des Priesters Zacharias, der ihnen das Geheimnis von Johannes und Jesus anvertraut hatte. Sowohl Simeon wie Anna sehnten sich nach dem Kommen des Messias, und ihr Vertrauen in Zacharias ließ sie daran glauben, dass Jesus der erwartete Erlöser des jüdischen Volkes sei. Zacharias wusste, an welchem Tag Joseph und Maria mit Jesus im Tempel erwartet wurden, und er verabredete sich im Voraus mit Simeon und Anna, durch den Gruß seiner erhobenen Hand anzudeuten, welcher in der Prozession der erstgeborenen Kinder Jesus sei. Für diesen Anlass hatte Anna ein Gedicht geschrieben, das Simeon zum größten Erstaunen Josephs, Marias und all derer, die im Tempelhof versammelt waren, zu singen anhub. Dies war ihr Lobgesang anlässlich des Loskaufs des erstgeborenen Sohns: Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat uns gesegnet und seinem Volk Befreiung gebracht; Er hat für uns alle im Hause seines Dieners David Ein Füllhorn des Heils aufgerichtet. Und so hat er gesprochen durch den Mund seiner heiligen Propheten - Er hat uns errettet vor unseren Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen; Er hat unseren Vätern Barmherzigkeit erzeigt und sich seines heiligen Bundes erinnert, Des Eides, den er Abraham, unserem Vater, geschworen; Er hat uns gewährt, dass wir, aus Feindeshand befreit, Ihm ohne Furcht dienen In Heiligkeit und Rechtschaffenheit vor ihm all unsere Tage. Ja, und du, Kind der Verheißung, wirst Prophet des Allerhöchsten genannt werden; Denn du wirst vor des Herrn Angesicht treten und sein Königreich errichten; Du wirst seinem Volk die Kunde des Heils bringen In der Vergebung seiner Sünden. Freut euch der liebevollen Barmherzigkeit unseres Gottes, denn der Tagesanbruch aus der Höhe hat uns jetzt besucht, Um allen zu leuchten, die in der Dunkelheit sitzen und im Schatten des Todes, Und unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken. Und lass jetzt, oh Herr, deinem Wort gemäß deinen Diener in Frieden ziehen. Denn meine Augen haben dein Heil gesehen, Das du vor den Augen aller Völker bereitet hast; Ein Licht, das sogar die Heiden erleuchten und der Ruhm deines Volkes Israel sein wird. Auf dem Heimweg nach Bethlehem waren Joseph und Maria schweigsam - verwirrt und eingeschüchtert. Maria war durch den Abschiedsgruß Annas, der betagten Dichterin, sehr verstört und Joseph war nach diesem verfrühten Anlauf, Jesus zum erwarteten Messias des jüdischen Volkes zu erklären, missgestimmt. ***** 122.10 Herodes handelt ***** Aber die Späher des Herodes waren nicht untätig. Als sie ihm über den Besuch der Priester von Ur in Bethlehem Meldung erstatteten, forderte Herodes diese Chaldäer auf, vor ihm zu erscheinen. Er erkundigte sich bei den weisen Männern eingehend nach dem neuen "König der Juden", aber sie gaben ihm nur die unbefriedigende Auskunft, dass das Kind von einer Frau, die mit ihrem Mann zur Volkszählung nach Bethlehem gekommen war, zur Welt gebracht worden sei. Herodes war mit dieser Antwort nicht zufrieden, gab ihnen Geld und schickte sie mit dem Befehl aus, das Kind ausfindig zu machen, damit auch er hingehen und es anbeten könne, da sie ja erklärt hätten, dessen Königreich werde geistiger, nicht zeitlicher Art sein. Als aber die weisen Männer nicht zurückkehrten, schöpfte Herodes Verdacht. Während er gerade über diese Angelegenheit nachsann, kamen seine Spitzel zurück und gaben ihm eine ausführliche Darstellung der kürzlichen Vorkommnisse im Tempel. Sie händigten ihm eine Abschrift von Teilen des Liedes aus, das Simeon während der Loskaufzeremonie für Jesus gesungen hatte. Aber es war ihnen nicht gelungen, Joseph und Maria zu folgen, und Herodes war sehr zornig auf sie, als sie nicht imstande waren, ihm zu sagen, wohin das Paar das Kind gebracht hatte. Daraufhin sandte er Kundschafter aus, um Joseph und Maria ausfindig zu machen. Da Zacharias und Elisabeth wussten, dass Herodes die Familie aus Nazareth verfolgte, blieben sie Bethlehem fern. Der kleine Knabe wurde bei Verwandten Josephs verborgen. Joseph fürchtete sich, Arbeit zu suchen, und ihre kleinen Ersparnisse schwanden rasch dahin. Schon anlässlich der Reinigungszeremonien im Tempel stufte sich Joseph als arm genug ein, um das Opfer von zwei jungen Tauben für Maria zu rechtfertigen, wie Moses es für die Reinigung von Müttern der Armen bestimmt hatte. Als die Häscher des Herodes nach mehr als einjähriger Suche Jesus nicht gefunden hatten, und weil der Verdacht bestand, dass das Kind noch immer in Bethlehem versteckt gehalten wurde, ordnete er eine systematische Durchsuchung jedes Hauses in Bethlehem und die Tötung aller männlichen Kinder unter zwei Jahren an. Auf diese Weise hoffte Herodes sicherzugehen, dass dieses Kind, das der "König der Juden" werden sollte, beseitigt würde. Dadurch kamen an einem Tag sechzehn Knäblein in Bethlehem in Judäa um. Aber Intrigen und Morde, sogar in seiner eigenen Familie, waren am Hofe des Herodes an der Tagesordnung. Dieser Kindermord geschah Mitte Oktober 6 v.Chr., als Jesus etwas über ein Jahr alt war. Es gab aber sogar unter den Höflingen des Herodes einige, die an den kommenden Messias glaubten, und einer von ihnen, der vom Befehl zur Abschlachtung der Knäblein von Bethlehem Kenntnis erhalten hatte, setzte sich mit Zacharias in Verbindung, der seinerseits einen Boten zu Joseph sandte. Am Abend vor dem Massaker verließen Joseph und Maria Bethlehem mit ihrem Kind in Richtung Alexandria in Ägypten. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, reisten sie allein mit Jesus nach Ägypten. Sie bestritten die Reise nach Alexandria mit Geldmitteln, die Zacharias zur Verfügung gestellt hatte. Dort arbeitete Joseph in seinem Beruf, während Maria und Jesus bei wohlhabenden Verwandten der Familie Josephs Wohnung fanden. Ihr Aufenthalt in Alexandria dauerte zwei volle Jahre, und sie kehrten erst nach dem Tode des Herodes nach Bethlehem zurück. ****** Kapitel 123 Jesu Frühe Kindheit ****** WEGEN der Ungewissheiten und Befürchtungen, die mit dem Aufenthalt in Bethlehem verbunden waren, entwöhnte Maria den Säugling nicht eher, als bis die Familie sicher in Alexandria angekommen war, wo sie wieder ein normales Leben führen konnten. Sie wohnten bei Verwandten, und Joseph, der kurz nach ihrer Ankunft Arbeit gefunden hatte, war gut in der Lage, für seine Familie zu sorgen. Er war einige Monate lang als Zimmermann angestellt und stieg dann zum Vorarbeiter einer großen Gruppe von Werktätigen auf, die bei einem der damals im Bau befindlichen öffentlichen Gebäude beschäftigt waren. Diese neue Erfahrung brachte ihn auf die Idee, nach ihrer Rückkehr nach Nazareth Unternehmer und Bauherr zu werden. Während all der frühen Jahre der hilflosen Kindheit Jesu befand sich Maria in einem andauernden Zustand erhöhter Wachsamkeit, dass ihrem Kinde nichts zustoße, was sein Wohlergehen hätte gefährden oder in irgendeiner Weise seine künftige Sendung auf Erden hätte beeinträchtigen können. Nie hatte es eine hingebungsvollere Mutter gegeben. Mit Jesus zusammen im selben Hause lebten noch zwei andere Kinder ungefähr seines Alters, und unter den nächsten Nachbarn gab es sechs weitere Kinder, die ihm altersmäßig nahe genug standen, um ihm gute Spielgefährten zu sein. Zuerst neigte Maria dazu, Jesus ganz in ihrer Nähe zu behalten. Sie befürchtete, es könnte ihm etwas zustoßen, wenn ihm erlaubt würde, mit den anderen Kindern im Garten zu spielen, aber Joseph, unterstützt von seinen Verwandten, vermochte sie zu überzeugen, dass eine solche Verhaltensweise Jesus der nützlichen Erfahrung berauben würde, sich Kindern seines eigenen Alters anpassen zu lernen. Maria sah ein, dass ein solches Programm übertriebener Abschirmung und ungewöhnlicher Beschützung leicht dazu führen könnte, ihn zu selbstbewusst und ein wenig ichbezogen zu machen, und sie willigte schließlich in den Plan ein, das Kind der Verheißung genau wie jedes andere Kind aufwachsen zu lassen; und obgleich sie sich an diese Entscheidung hielt, machte sie es sich zur Aufgabe, immer wachsam zu sein, während die kleinen Leute im Hause oder im Garten spielten. Nur eine liebende Mutter kann ermessen, welche Sorge um die Sicherheit ihres Sohnes während der Jahre seiner Säuglingszeit und frühen Kindheit auf Marias Herzen lastete. In den zwei Jahren ihres Aufenthaltes in Alexandria erfreute sich Jesus guter Gesundheit und wuchs weiterhin normal auf. Außer einigen Freunden und Verwandten erfuhr niemand, dass Jesus ein "Kind der Verheißung" war. Eine Verwandte Josephs enthüllte es einigen Freunden in Memphis, Abkömmlingen des fernen Echnaton. Diese versammelten sich mit einer kleinen Schar von Gläubigen aus Alexandria in dem palastartigen Heim des Verwandten und Wohltäters Josephs kurz vor der Rückkehr nach Palästina, um der Familie aus Nazareth alles Gute zu wünschen und dem Kind ihre Aufwartung zu machen. Bei dieser Gelegenheit schenkten die versammelten Freunde Jesus eine vollständige Abschrift der griechischen Übersetzung der hebräischen Schriften. Aber diese Abschrift der jüdischen Schriften wurde Joseph erst ausgehändigt, nachdem er und Maria schließlich die Einladung ihrer Freunde aus Memphis und Alexandria, in Ägypten zu bleiben, abgelehnt hatten. Diese Gläubigen behaupteten beharrlich, dass das Kind der Vorsehung als Bewohner von Alexandria in der Lage wäre, einen weit größeren Einfluss auf die Welt auszuüben, als von irgendeinem bestimmten Ort in Palästina aus. Diese Überredungsbemühungen schoben ihre Abreise nach Palästina noch eine Zeit lang, nachdem sie die Nachricht vom Tode des Herodes erhalten hatten, hinaus. Joseph und Maria verließen Alexandria schließlich auf einem ihrem Freunde Ezraeon gehörigen Schiff mit Ziel Jaffa und langten in diesem Hafen Ende August 4 v. Chr. an. Sie begaben sich geradewegs nach Bethlehem und verbrachten dort den ganzen Monat September mit ihren Freunden und Verwandten in Beratungen darüber, ob sie dort bleiben oder nach Nazareth zurückkehren sollten. Maria hatte die Idee nie ganz aufgegeben, dass Jesus in Bethlehem, der Stadt Davids, aufwachsen sollte. Joseph glaubte nicht wirklich daran, dass ihr Sohn zum königlichen Befreier Israels bestimmt sei. Im Übrigen wusste er, dass er selbst kein richtiger Abkömmling Davids war; dass er nur durch die Adoption eines seiner Vorfahren in die davidische Linie zu dessen Nachkommen gezählt wurde. Maria hielt natürlich die Stadt Davids für den passendsten Ort, um den neuen Anwärter auf Davids Thron aufzuziehen. Joseph hingegen zog vor, es eher mit Herodes Antipas als mit dessen Bruder Archelaus zu riskieren. Er fürchtete sehr für des Kindes Sicherheit in Bethlehem oder irgendeiner anderen Stadt Judäas und vermutete, dass Archelaus eher die drohende Politik seines Vaters Herodes fortsetzen würde als Antipas in Galiläa. Abgesehen von all diesen Gründen gab Joseph Galiläa eindeutig den Vorzug als dem Ort, den er für die Erziehung und Ausbildung des Kindes besser geeignet hielt. Aber drei Wochen waren nötig, um Marias Einwände zu überwinden. Bis zum ersten Oktober hatte Joseph Maria und all ihre Freunde überzeugt, dass es das Beste für sie wäre, nach Nazareth zurückzukehren. Folglich verließen sie Anfang Oktober 4 v. Chr. Bethlehem und gingen über Lydda und Skythopolis nach Nazareth. Sie brachen früh an einem Sonntagmorgen auf. Maria ritt mit dem Kind auf ihrem neu erstandenen Lasttier, während Joseph und fünf Begleiter aus der Verwandtschaft zu Fuß mitgingen; Josephs Verwandte hatten sich geweigert, sie allein nach Nazareth ziehen zu lassen. Sie fürchteten sich davor, über Jerusalem und das Jordantal nach Galiläa zu gehen, und die Wege im Westen waren für zwei einzelne Reisende mit einem Kind im zarten Alter nicht allzu sicher. ***** 123.1 Zurück in Nazareth ***** Am vierten Reisetag erreichte die Gruppe sicher ihr Reiseziel. Sie kamen unangemeldet in ihrem Heim in Nazareth an, in dem seit über drei Jahren einer von Josephs verheirateten Brüdern wohnte. Dieser war sehr erstaunt, sie zu erblicken; denn sie hatten so in aller Stille gehandelt, dass weder Josephs noch Marias Familie überhaupt wussten, dass sie Alexandria verlassen hatten. Am folgenden Tag zog Josephs Bruder mit seiner Familie aus, und Maria richtete sich mit ihrer kleinen Familie ein, um sich zum ersten Mal seit Jesu Geburt des Lebens in ihrem eigenen Heim zu erfreuen. In weniger als einer Woche hatte Joseph Arbeit als Zimmermann gefunden, und sie waren über die Maßen glücklich. Jesus war zur Zeit ihrer Rückkehr nach Nazareth ungefähr drei Jahre und zwei Monate alt. Er hatte all diese Reisen sehr gut überstanden, war bei ausgezeichneter Gesundheit und voll kindlicher Fröhlichkeit und Ausgelassenheit darüber, Raum für sich zum Herumtollen und Spielen zu haben. Aber er vermisste die Gesellschaft seiner Spielgefährten in Alexandria sehr. Auf dem Weg nach Nazareth hatte Joseph Maria davon überzeugt, dass es unklug wäre, unter ihren galiläischen Freunden und Verwandten zu verbreiten, dass Jesus ein Kind der Verheißung sei. Sie vereinbarten, diese Angelegenheit niemandem gegenüber zu erwähnen. Und beide hielten sich treu an dieses Versprechen. Das ganze vierte Lebensjahr Jesu war eine Periode normaler körperlicher Entwicklung und ungewöhnlich reger geistiger Tätigkeit. Unterdessen hatte er eine sehr enge Freundschaft mit Jakob, einem Nachbarjungen seines Alters, geschlossen. Jesus und Jakob waren immer glücklich, zusammen zu spielen, und sie wuchsen heran und wurden große Freunde und treue Gefährten. Das nächste wichtige Ereignis im Leben der Familie von Nazareth war die Geburt des zweiten Kindes, Jakobus, in den frühen Morgenstunden des zweiten April 3 v. Chr. Jesus war entzückt von dem Gedanken, ein kleines Brüderchen zu haben, und häufig stand er stundenweise dabei, um die frühen Aktivitäten des Säuglings zu beobachten. Im Hochsommer desselben Jahres baute Joseph eine kleine Werkstatt dicht beim Dorfbrunnen nahe dem Platz, wo die Karawanen verweilten. Von da an führte er nur noch sehr wenige Zimmermannsarbeiten am Tage aus. Er hatte als Mitarbeiter zwei seiner Brüder und mehrere andere Handwerker, die er zur Arbeit ausschickte, während er selber in der Werkstatt blieb und Joche, Pflüge und andere Gegenstände aus Holz anfertigte. Auch mit Leder, Seilen und Segeltuch arbeitete er. Und als Jesus größer wurde, verbrachte er seine Zeit, wenn er nicht in der Schule war, zu ungefähr gleichen Teilen damit, seiner Mutter bei den Hausarbeiten zu helfen und seinem Vater bei der Arbeit in der Werkstatt zuzuschauen, während er den Unterhaltungen und Plaudereien der Karawanenführer und Reisenden aus allen vier Himmelsrichtungen der Erde zuhörte. Im Juli dieses Jahres, ein Monat, bevor Jesus vier Jahre alt wurde, brach in Nazareth eine von Karawanenreisenden eingeschleppte, bösartige Darmgrippe aus und breitete sich in der ganzen Stadt aus. Maria ängstigte sich so sehr, Jesus könnte durch diese epidemische Krankheit angesteckt werden, dass sie ihre beiden Kinder auflud und zum Landhaus ihres Bruders floh, das einige Kilometer südlich von Nazareth an der Straße nach Megiddo in der Nähe von Sarid lag. Sie kehrten erst nach Ablauf von mehr als zwei Monaten nach Nazareth zurück; Jesus hatte große Freude an dieser seiner ersten Erfahrung auf einem Bauernhof. ***** 123.2 Das Fünfte Jahr (2 v. Chr.) ***** Etwas mehr als ein Jahr nach ihrer Rückkehr nach Nazareth erreichte der Knabe Jesus das Alter seiner ersten persönlichen, von ganzem Herzen getroffenen sittlichen Entscheidung, worauf ein Gedankenjustierer, eine göttliche Gabe des Vaters im Paradies, zu ihm kam, derselbe, der früher Machiventa Melchisedek gedient hatte und dabei seine Erfahrungen in Verbindung mit der Inkarnation eines übermenschlichen Wesens in Menschengestalt gewonnen hatte. Dieses Ereignis fand am 11. Februar 2 v. Chr. statt. Jesus war sich der Ankunft des göttlichen Mentors ebenso wenig bewusst, wie es die Millionen und Abermillionen anderen Kinder sind, die vor und nach diesem Tag in ähnlicher Weise solche Gedankenjustierer empfangen haben, damit diese ihrem Verstand innewohnten und für dessen höchste Vergeistigung und für das ewige Leben ihrer sich entwickelnden unsterblichen Seelen arbeiteten. An diesem Februartag endete die direkte und persönliche Überwachung durch die Herrscher des Universums insofern, als sie sich auf die Unversehrtheit der kindlichen Inkarnation Michaels bezog. Von da an und während der menschlichen Entfaltung der Inkarnation war Jesus der Obhut dieses ihm innewohnenden Gedankenjustierers und der ihm beigesellten seraphischen Hüter anvertraut, dann und wann ergänzt durch die Dienste von Mittlern, die mit der Ausführung ganz bestimmter Aufgaben gemäß den Anweisungen ihrer planetarischen Vorgesetzten betraut waren. Jesus wurde im August dieses Jahres fünf Jahre alt, und wir werden uns deshalb hierauf als auf sein - kalendarisch - fünftes Lebensjahr beziehen. In diesem Jahr 2 v. Chr., etwas mehr als ein Monat vor seinem fünften Geburtstag, machte die Ankunft seiner Schwester Miriam Jesus überglücklich, die in der Nacht vom 11. Juni zur Welt kam. Am Abend des folgenden Tages sprach Jesus lange mit seinem Vater über die Weise, in der die verschiedenen Arten von Lebewesen als gesonderte Individuen zur Welt kommen. Der wertvollste Teil der frühen Erziehung Jesu kam von seinen Eltern als Antwort auf seine tiefsinnigen und forschenden Fragen. Joseph versäumte es nie, seine volle Pflicht zu tun, und scheute weder Mühe noch Zeit für die Beantwortung der zahlreichen Fragen des Knaben. Von seinem fünften bis zu seinem zehnten Lebensjahr war Jesus ein einziges fortwährendes Fragezeichen. Joseph und Maria waren nicht immer imstande, seine Fragen zu beantworten; aber sie versäumten nie, seine Erkundigungen gründlich mit ihm zu besprechen und ihn in jeder erdenklichen Weise bei seinem Bemühen zu unterstützen, für das Problem, welches sein reger Geist aufgeworfen hatte, eine befriedigende Lösung zu finden. Seit ihrer Rückkehr nach Nazareth war im Haus immer viel Betrieb gewesen, und Joseph war durch den Bau der neuen Werkstatt und die Wiederinbetriebnahme seines Geschäftes außerordentlich in Anspruch genommen worden; so sehr, dass er nicht einmal Zeit gefunden hatte, für Jakobus eine Wiege anzufertigen. Aber dem hatte er lange, bevor Miriam ankam, Abhilfe geschaffen, so dass diese sich in einem sehr bequemen Kinderbettchen kuscheln konnte, während die Familie sie bewunderte. Und das Kind Jesus nahm an all diesen natürlichen und normalen häuslichen Ereignissen herzlichen Anteil. Jesus freute sich sehr über seinen kleinen Bruder und sein Schwesterchen und war Maria eine große Hilfe bei ihrer Betreuung. Es gab in der heidnischen Welt jener Zeit nur wenige Familien, die einem Kind eine bessere intellektuelle, sittliche und religiöse Erziehung geben konnten als die jüdischen Familien Galiläas. Diese Juden hatten ein systematisches Programm für die Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder. Sie unterteilten das Leben eines Kindes in sieben Abschnitte: 1. Das neugeborene Kind, vom ersten bis zum achten Tag. 2. Das zu stillende Kind. 3. Das entwöhnte Kind. 4. Die Zeit der Abhängigkeit von der Mutter, bis zum Ende des fünften Lebensjahres. 5. Der Beginn der Unabhängigkeit des Kindes. Im Falle der Söhne übernimmt der Vater die Verantwortung für ihre Erziehung. 6. Die heranwachsenden Jünglinge und Mädchen. 7. Die jungen Männer und die jungen Frauen. Bei den Juden Galiläas war es Sitte, dass die Mutter die Verantwortung für die Erziehung der Kinder bis zum fünften Geburtstag trug. Wenn das Kind ein Junge war, ging von da an die Verantwortung für die Erziehung des Knaben an den Vater über. Jesus trat also in diesem Jahr in den fünften Abschnitt der Entwicklung eines kleinen jüdischen Galiläers ein, und Maria übergab ihn demgemäß am 21. August 2 v. Chr. in aller Form an Joseph für die weitere Erziehung. Auch wenn Joseph nun die unmittelbare Verantwortung für Jesu intellektuelle und religiöse Erziehung übernahm, fuhr seine Mutter doch fort, ihn in den häuslichen Angelegenheiten zu üben. Durch sie lernte er die Weinstöcke und Blumen kennen und pflegen, die entlang der das ganze Anwesen einfassenden Gartenmauer wuchsen. Auch stellte sie auf dem im Sommer als Schlafstelle dienenden Flachdach niedrige Sandkästen bereit, in denen Jesus Landkarten erstellte und sich früh im Schreiben von Aramäisch, Griechisch und später Hebräisch übte; denn mit der Zeit lernte er alle drei Sprachen lesen, schreiben und fließend sprechen. Es zeigte sich, dass Jesus physisch ein beinahe vollkommenes Kind war und auch im mentalen und emotionalen Bereich weiterhin normale Fortschritte machte. Am Ende seines fünften (kalendarischen) Lebensjahres durchlitt er eine leichte Verdauungsstörung, seine erste geringfügige Krankheit. Joseph und Maria sprachen zwar oft über die Zukunft ihres ältesten Kindes; wäret ihr jedoch zugegen gewesen, hättet ihr nichts weiter als das Heranwachsen eines normalen, gesunden, sorglosen, aber über die Maßen wissbegierigen Kindes seiner Zeit und Umgebung beobachten können. ***** 123.3 Die Ereignisse des Sechsten Jahres (1 v. Chr.) ***** Schon beherrschte Jesus dank der Hilfe seiner Mutter den galiläischen Dialekt der aramäischen Sprache; und nun begann sein Vater, ihn in Griechisch zu unterrichten. Maria konnte nur wenig Griechisch, aber Joseph sprach sowohl Aramäisch als auch Griechisch fließend. Als Lehrbuch zum Studium der griechischen Sprache diente das Exemplar der hebräischen Schriften - eine vollständige Übersetzung des Gesetzes und der Propheten unter Einschluss der Psalmen - die sie beim Verlassen Ägyptens als Geschenk erhalten hatten. Es gab in ganz Nazareth nur zwei vollständige Exemplare der Schriften, und der Umstand, dass die eine davon sich im Besitz der Zimmermannsfamilie befand, machte aus Josephs Heim einen viel besuchten Ort und verschaffte dem heranwachsenden Jesus die Begegnung mit einer nahezu endlosen Reihe von sich ernsthaft bemühenden Studierenden und aufrichtigen Wahrheitssuchenden. Noch vor diesem Jahresende wurde das unschätzbare Manuskript der Obhut Jesu anvertraut. An seinem sechsten Geburtstag hatte er erfahren, dass das heilige Buch ihm von Freunden und Verwandten in Alexandria geschenkt worden war. Nach sehr kurzer Zeit konnte er es mühelos lesen. Der erste große Schock im jungen Leben Jesu ereignete sich, als er noch nicht ganz sechs Jahre alt war. Es hatte dem Knaben geschienen, als ob sein Vater, oder zumindest Vater und Mutter zusammengenommen, allwissend seien. Man stelle sich deshalb das Erstaunen des wissbegierigen Kindes vor, das auf seine Frage nach der Ursache eines leichten Erdbebens seinen Vater sagen hörte: "Mein Sohn, ich weiß es wirklich nicht." So begann jene lange und beunruhigende Desillusionierung, in deren Verlauf Jesus herausfand, dass seine irdischen Eltern weder allweise noch allwissend waren. Josephs erster Gedanke war, Jesus zu sagen, Gott habe das Erdbeben verursacht, aber eine kurze Überlegung warnte ihn, dass eine solche Antwort sofort weitere und noch unbequemere Fragen hervorrufen würde. Schon in einem sehr frühen Alter fiel es schwer, Jesu Fragen bezüglich physischer oder sozialer Phänomene damit abzutun, dass man ihm gedankenlos sagte, Gott oder der Teufel sei dafür verantwortlich. In Übereinstimmung mit dem vorherrschenden Glauben der Juden war Jesus lange Zeit bereit, die Lehre von den guten und bösen Geistern als mögliche Erklärung mentaler und geistiger Phänomene anzunehmen, aber es stiegen schon sehr früh Zweifel in ihm auf, ob solche unsichtbaren Einflüsse auch für die physischen Ereignisse der Natur verantwortlich zu machen seien. Im Frühsommer des Jahres 1 v. Chr., bevor Jesus sechs Jahre alt war, kamen Zacharias, Elisabeth und ihr Sohn Johannes zur Familie von Nazareth auf Besuch. Jesus und Johannes verbrachten miteinander eine glückliche Zeit während dieses in ihrer Erinnerung ersten Besuches. Obwohl die Besucher nur einige Tage bleiben konnten, sprachen die Eltern über vieles, einschließlich der Zukunftspläne für ihre Söhne. Während sie damit beschäftigt waren, spielten die Kinder oben auf dem Dach mit Klötzen im Sand und vergnügten sich nach richtiger Jungenart auf manch andere Weise. Nach dem Zusammensein mit Johannes, der aus der Nähe Jerusalems kam, begann Jesus ein ungewöhnliches Interesse an der Geschichte Israels zu zeigen und sich bis in kleinste Einzelheiten nach der Bedeutung der Sabbatbräuche, der Predigten in der Synagoge und der periodisch wiederkehrenden Erinnerungsfeste zu erkundigen. Sein Vater erklärte ihm die Bedeutung all dieser Festzeiten. Die erste, mitten im Winter, war die acht Tage dauernde festliche Beleuchtung, die mit einer Kerze am ersten Abend begann, welcher an jedem folgenden Abend eine neue hinzugefügt wurde; dies geschah im Gedenken an die feierliche Weihe des Tempels nach der Wiederherstellung des mosaischen Zeremoniells durch Judas Makkabäus. Als nächste kam zu Frühlingsbeginn die Purimsfeier, das Fest Esthers und der Befreiung Israels durch sie. Dann folgte das feierliche Passahfest, das die Erwachsenen, wenn immer möglich, in Jerusalem begingen, während die Kinder zu Hause daran denken mussten, dass die ganze Woche über nur ungesäuertes Brot gegessen werden durfte. Später kam das Fest der ersten Früchte, die Einbringung der Ernte; und zuletzt, das feierlichste von allen, das Neujahrsfest oder der Tag der Versöhnung. Obwohl einige dieser Feierlichkeiten und Gebräuche dem jungen Fassungsvermögen Jesu Schwierigkeiten bereiteten, so dachte er doch ernsthaft darüber nach und überließ sich dann ganz und gar der Freude des Laubhüttenfestes. Das war für das ganze jüdische Volk die jährliche Ferienzeit, während der sie alle in blättergeschmückten Hütten hausten und sich der Fröhlichkeit und Vergnügungen hingaben. Im Laufe dieses Jahres hatten Joseph und Maria mit Jesus Schwierigkeiten wegen seiner Gebete. Er bestand darauf, mit seinem himmlischen Vater ungefähr so zu sprechen wie mit Joseph, seinem irdischen Vater. Diese Abkehr von den feierlicheren und ehrerbietigeren Formen der Kommunikation mit der Gottheit befremdete seine Eltern ein wenig, insbesondere seine Mutter, aber trotz allem Zureden war er nicht davon abzubringen. Er sagte seine Gebete, wie er es gelernt hatte, aber danach bestand er darauf, "nur gerade ein bisschen mit meinem Vater im Himmel" zu sprechen. Im Juni dieses Jahres übergab Joseph seinen Brüdern die Werkstatt in Nazareth und arbeitete von da an ganz als Bauunternehmer. Vor Jahresende hatte sich das Familieneinkommen mehr als verdreifacht. Nie wieder bis nach Josephs Tod fühlte die Familie in Nazareth den Druck der Armut. Die Familie wurde immer größer, und viel Geld wurde für zusätzliche Erziehung und Reisen ausgegeben; aber Josephs wachsendes Einkommen hielt stets mit den zunehmenden Ausgaben Schritt. In den nächsten paar Jahren unternahm Joseph größere Arbeiten in Kana, Bethlehem (in Galiläa), Magdala, Nain, Sepphoris, Kapernaum und Endor, und baute viel in Nazareth und außerhalb. Als Jakobus alt genug geworden war, um seiner Mutter im Haushalt und bei der Versorgung der jüngeren Geschwister zu helfen, begab sich Jesus oft mit seinem Vater von zu Hause fort in diese Städte und Dörfer der Umgebung. Jesus war ein scharfer Beobachter und erwarb auf diesen Ausflügen fern von daheim viele praktische Kenntnisse. Unermüdlich erweiterte er sein Wissen über die Menschen und ihre Lebensweise auf dieser Erde. In diesem Jahr gelang es Jesus immer besser, seine starken Gefühle und kräftigen Impulse den Anforderungen des Zusammenlebens in der Familie und der häuslichen Disziplin anzupassen. Maria war eine liebende Mutter, hielt aber eine recht strenge Disziplin. Indessen übte Joseph in mancher Hinsicht größere Autorität über Jesus aus, da es seine Gewohnheit war, sich mit dem Knaben hinzusetzen und ihm in aller Ausführlichkeit die wirklichen Gründe zu erklären, die eine disziplinarische Beschneidung persönlicher Wünsche aus Rücksichtnahme auf das Wohlergehen und die Ruhe der ganzen Familie erforderten. Nachdem man ihm die Situation auseinandergesetzt hatte, kam Jesus den elterlichen Wünschen und Familienregeln immer einsichtig und willig nach. Wenn seine Mutter seine Hilfe im Haus nicht benötigte, verbrachte er einen großen Teil seiner Freizeit mit dem Beobachten von Blumen und Pflanzen bei Tag und der Sterne des Nachts. Er bekundete eine beunruhigende Neigung, noch lange nach der in diesem geordneten Haushalt Nazareths üblichen Schlafenszeit auf dem Rücken zu liegen und mit Staunen zum Sternenhimmel aufzuschauen. ***** 123.4 Das Siebente Jahr (1 n. Chr.) ***** Das war wirklich ein ereignisreiches Jahr im Leben Jesu. Früh im Januar gab es in Galiläa einen gewaltigen Schneesturm. Es fielen sechzig Zentimeter Schnee, der stärkste Schneefall, den Jesus zeit seines Lebens sah und einer der stärksten in Nazareth im Laufe von hundert Jahren. Der Zeitvertreib jüdischer Kinder mit Spielen zur Zeit Jesu war ziemlich begrenzt; allzu oft ahmten die Kinder in ihren Spielen die ernsteren Dinge nach, die sie die Erwachsenen tun sahen. Sie spielten viel Hochzeit und Beerdigung, Zeremonien, die sie so häufig sahen und die so beeindruckend waren. Sie tanzten und sangen, besaßen aber nur wenige organisierte Spiele, an denen Kinder späterer Zeiten so viel Freude haben. Es machte Jesus viel Vergnügen, zusammen mit einem Nachbarjungen und später mit seinem Bruder Jakobus in der entferntesten Ecke der häuslichen Zimmermannswerkstatt zu spielen, wo sie großen Spaß an Hobelspänen und Holzklötzen hatten. Jesus fiel es schwer, das Schädliche gewisser Spiele, die am Sabbat verboten waren, zu verstehen, aber er kam den Wünschen seiner Eltern stets nach. Er besaß Anlagen zu Humor und Spiel, für die es in der Umgebung seiner Zeit und Generation nur geringe Ausdrucksmöglichkeit gab, aber bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr war er meistens fröhlich und unbeschwert. Maria unterhielt auf dem Dach des Stalles neben dem Haus einen Taubenschlag. Der Erlös aus dem Verkauf der Tauben ging in eine gesonderte Wohltätigkeitskasse, die Jesus verwaltete, nachdem er den Zehnten abgezogen und ihn dem Vorgesetzten der Synagoge übergeben hatte. Der einzige richtige Unfall, den Jesus bis zu dieser Zeit hatte, war ein Sturz die Steintreppe hinunter, welche vom Hinterhof zum leinwandüberdachten Schlafzimmer hinaufführte. Er ereignete sich während eines unerwarteten Julisandsturms aus dem Osten. Die heißen Winde, die Wolken von feinem Sand herantrugen, bliesen gewöhnlich während der Regenzeit, besonders im März und April. Ein solcher Sturm im Juli war außergewöhnlich, und als er aufkam, spielte Jesus wie immer auf dem Hausdach; denn dies war während eines großen Teils der trockenen Jahreszeit sein gewohnter Spielplatz. Der Sand machte ihn blind, und er stürzte, als er die Treppe hinunterstieg. Nach diesem Unfall brachte Joseph beiderseits der Treppe Geländer an. Dieser Unfall hätte in keiner Weise vermieden werden können. Er konnte nicht der Nachlässigkeit der beiden mit der irdischen Obhut betrauten Mittler zugeschrieben werden, waren doch ein primärer und ein sekundärer Mittler mit der Behütung des Knaben betraut. Ebenso wenig konnte der Schutzengel verantwortlich gemacht werden. Es hätte ganz einfach nicht vermieden werden können. Aber nach diesem leichten Unfall, der sich ereignete, als Joseph in Endor war, entwickelte sich in Maria eine solche Überängstlichkeit, dass sie unklugerweise versuchte, Jesus einige Monate lang ganz eng an ihrer Seite zu behalten. Die himmlischen Persönlichkeiten greifen bei materiellen Unfällen, alltäglichen Vorkommnissen physischer Natur, nicht willkürlich ein. Unter gewöhnlichen Umständen können nur Mittler auf die materiellen Bedingungen einwirken, um Männer und Frauen der Vorsehung zu bewahren, und selbst in Ausnahmesituationen können diese Wesen nur in Befolgung bestimmter Anweisungen ihrer Vorgesetzten auf diese Weise eingreifen. Und dies war nur einer von einer ganzen Anzahl kleinerer Unfälle, die diesem wissbegierigen und abenteuerlustigen Jungen in der Folge zustießen. Wenn ihr euch die normale Kindheit und Jugend eines lebhaften Jungen vor Augen haltet, dann habt ihr eine recht gute Vorstellung von der jugendlichen Laufbahn Jesu, und ihr werdet auch in der Lage sein zu ermessen, wieviel Besorgnis er in seinen Eltern und insbesondere seiner Mutter wachrief. Joseph, das vierte Kind der Familie von Nazareth, kam am Mittwoch, dem 16. März 1 n. Chr., morgens zur Welt. ***** 123.5 Schulzeit in Nazareth ***** Jesus hatte jetzt mit sieben Jahren das Alter erreicht, in dem die jüdischen Kinder offiziell ihre Erziehung in den Synagogenschulen zu beginnen hatten. Folglich trat er im August dieses Jahres seine bewegte Schulzeit in Nazareth an. Schon las, schrieb und sprach dieser Knabe fließend zwei Sprachen, das Aramäische und das Griechische. Er hatte sich nun an die Aufgabe zu machen, die hebräische Sprache lesen, schreiben und sprechen zu lernen. Er war wirklich begierig auf das neue Schulleben, das da vor ihm lag. Drei Jahre lang, bis er zehn war, besuchte Jesus die Grundschule der Synagoge von Nazareth. Während dieser drei Jahre studierte er die Anfangsgründe des Gesetzbuches, wie es in hebräischer Sprache überliefert war. In den folgenden drei Jahren studierte er in der Schule für Fortgeschrittene die tieferen Lehren des heiligen Gesetzes und lernte sie durch die Methode der lauten Wiederholung auswendig. Er machte seinen Abschluss an dieser Synagogenschule während seines dreizehnten Lebensjahres und wurde seinen Eltern von den Leitern der Synagoge als ein ausgebildeter "Sohn des Gebotes" übergeben, der von nun an ein verantwortlicher Bürger der Gemeinschaft Israels war, was notwendigerweise seine Anwesenheit am Passahfest in Jerusalem erforderte. So wohnte er in jenem Jahr, von seinen Eltern begleitet, zum ersten Mal dem Passahfest bei. In Nazareth saßen die Schüler in einem Halbkreis am Boden, während der Chazan, ihr Lehrer, ein Angestellter der Synagoge, ihnen gegenüber saß. Sie begannen mit dem Levitikus und gingen dann zum Studium der anderen Bücher des Gesetzes über, dem sich das Studium der Propheten und der Psalmen anschloss. Die Synagoge von Nazareth besaß ein vollständiges Exemplar der Schriften auf Hebräisch. Vor dem zwölften Lebensjahr wurde nichts anderes als die Schriften studiert. In den Sommermonaten war die Unterrichtszeit beträchtlich kürzer. Jesus wurde früh ein Meister im Hebräischen, und als jungen Mann bat man ihn oft, der gläubigen Gemeinde während der ordentlichen Sabbatgottesdienste aus den hebräischen Schriften vorzulesen, wenn sich gerade kein Besucher von Bedeutung in Nazareth aufhielt. Diese Synagogenschulen verfügten natürlich über keine Lehrbücher. Um zu unterrichten, machte der Chazan eine Aussage, und die Schüler sprachen sie alle miteinander nach. Wenn sie zu den geschriebenen Gesetzbüchern Zugang hatten, lernten sie den Stoff durch lautes Lesen und fortwährende Wiederholung. Zusätzlich zu seiner mehr formalen Schulung begann Jesus, mit der Natur des Menschen aller vier Himmelsrichtungen der Erde Bekanntschaft zu machen, da in seines Vaters Reparaturwerkstatt Menschen aus vielen Ländern ein- und ausgingen. Als er älter wurde, mischte er sich frei unter die Karawanen, wenn sie, um sich auszuruhen und zu verpflegen, in der Nähe des Brunnens Halt machten. Da er fließend griechisch sprach, fiel es ihm nicht schwer, sich mit der Mehrzahl der Karawanenreisenden und -führer zu unterhalten. Nazareth war Rastplatz an der Karawanenstraße, Kreuzungspunkt vieler Reiserouten, und hatte eine zum großen Teil heidnische Bevölkerung; auch war es weithin bekannt als Zentrum einer freien Auslegung des althergebrachten jüdischen Gesetzes. In Galiläa mischten sich die Juden freier unter die Heiden, als es in Judäa üblich war. Und von allen Städten Galiläas waren die Juden von Nazareth diejenigen, die die freieste Auslegung der sozialen Einschränkungen hatten, welche auf der Furcht vor Ansteckung durch Kontakt mit den Heiden beruhten. All dies war der Grund, weshalb man in Jerusalem zu sagen pflegte: "Kann irgendetwas Gutes aus Nazareth kommen?" Jesus erhielt seine sittliche Schulung und geistige Kultur hauptsächlich in seinem eigenen Heim. Seine intellektuelle und theologische Erziehung empfing er zum großen Teil vom Chazan. Aber seine eigentliche Erziehung - jene Ausrüstung von Verstand und Herz für die wirkliche Prüfung in der Auseinandersetzung mit den schwierigen Lebensproblemen - erlangte er, indem er sich unter seine Mitmenschen mischte. Und gerade diese enge Verbindung zu seinen Mitmenschen, Jungen und Alten, Juden und Heiden, verschaffte ihm die Möglichkeit, die menschliche Rasse kennen zu lernen. Jesus war hochgebildet in dem Sinne, dass er die Menschen durch und durch verstand und sie mit Hingabe liebte. Während seiner Synagogenjahre war er ein glänzender Schüler, der den großen Vorteil besaß, drei Sprachen zu beherrschen. Anlässlich des Abschlusses der Studien Jesu an seiner Schule bemerkte der Chazan von Nazareth zu Joseph, er fürchte, "von den tiefschürfenden Fragen Jesu mehr gelernt zu haben", als er "imstande gewesen war, dem Jungen beizubringen". Jesus lernte viel während seiner Studienzeit, und die regelmäßigen Sabbatpredigten in der Synagoge waren für ihn eine große Quelle der Inspiration. Man pflegte bedeutende Besucher, die sich den Sabbat über in Nazareth aufhielten, zu bitten, das Wort in der Synagoge zu ergreifen. Während Jesus heranwuchs, hörte er viele große Denker aus der ganzen jüdischen Welt ihre Ansichten darlegen, unter ihnen viele kaum orthodoxe Juden, da die Synagoge von Nazareth ein fortschrittliches und aufgeschlossenes Zentrum hebräischer Denkweise und Kultur war. Wenn sie mit sieben Jahren in die Schule eintraten (gerade in dieser Zeit hatten die Juden ein obligatorisches Erziehungsgesetz eingeführt), war es üblich, dass die Schüler ihren "Geburtstagstext" auswählten, eine Art goldener Regel, die sie während ihrer Studien leiten sollte und über die sie sich anlässlich ihres Schulabschlusses mit dreizehn Jahren oft ausführlich ausließen. Der von Jesus gewählte Text stammte vom Propheten Jesaja: "Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, dass ich den Demütigen gute Botschaft bringe und all jene heile, die gebrochenen Herzens sind, den Unterdrückten Freiheit verkünde und die geistig Gefangenen befreie." Nazareth war eines der vierundzwanzig Priesterzentren der hebräischen Nation. Aber die galiläische Priesterschaft war in der Auslegung der traditionellen Gesetze großzügiger als die judäischen Schriftgelehrten und Rabbiner. Und in Nazareth waren sie auch in der Beachtung des Sabbats weniger streng. Deshalb pflegte Joseph an Sabbatnachmittagen Jesus auf Spaziergänge mitzunehmen. Einer ihrer bevorzugten Ausflüge war die Besteigung der in der Nähe ihres Heimes liegenden Anhöhe, von wo aus sie einen Rundblick über ganz Galiläa genossen. An klaren Tagen konnten sie im Nordwesten die lange, zum Meer abfallende Kammlinie des Berges Karmel sehen; und viele Male hörte Jesus seinen Vater die Geschichte von Elias erzählen, eines der ersten in der langen Reihe hebräischer Propheten, der den Achab angeklagt und die Priester des Baal entlarvt hatte. Im Norden ragte am Horizont der schneebedeckte Gipfel des Hermon in majestätischer Pracht empor und beherrschte den Horizont. Auf seinen oberen Hängen glänzte das Weiß des ewigen Schnees auf einer Länge von über einem Kilometer. Weit im Osten konnten sie das Jordantal unterscheiden, und noch viel weiter dahinter lagen die felsigen Berge des Moabs. Auch vermochten sie im Süden und Osten die griechisch-römischen Städte der Dekapolis mit ihren Amphitheatern und anmaßenden Tempeln zu sehen, wenn die Sonne ihre Marmormauern beschien. Und wenn sie bis gegen Sonnenuntergang verweilten, konnten sie im Westen auf dem fernen Mittelmeer die Segelschiffe ausmachen. Nach vier Richtungen hin konnte Jesus beobachten, wie die Karawanenzüge ihren Weg nach Nazareth hinein und wieder hinaus nahmen, und gegen Süden konnte er das weite und fruchtbare Flachland Esdraelon überschauen, das sich bis zum Berg Gilboa und nach Samarien erstreckte. Wenn sie nicht die Höhen bestiegen, um in die Ferne zu schauen, streiften sie durch das Land und beobachteten die mit den Jahreszeiten wechselnden Stimmungen der Natur. Jesu früheste Schulung, abgesehen von jener, die er zu Hause empfing, bestand aus einem ehrfürchtigen und innigen Kontakt mit der Natur. Noch bevor er acht Jahre zählte, kannten ihn alle Mütter und jungen Frauen von Nazareth, die ihn am Dorfbrunnen getroffen und mit ihm gesprochen hatten. Der Brunnen befand sich nicht weit von seinem Zuhause und war eines der geselligen Zentren der Stadt, wo man sich zum Schwatzen traf. In diesem Jahr lernte Jesus die Familienkuh melken und die anderen Tiere versorgen. Während dieses und des folgenden Jahres lernte er auch das Zubereiten von Käse und das Weben. Mit zehn Jahren war er bereits ein geschickter Arbeiter am Webstuhl. Ungefähr zu dieser Zeit wurden Jesus und der Nachbarjunge Jakob enge Freunde des Töpfers, der bei der sprudelnden Quelle arbeitete. Wenn sie zuschauten, wie Nathans flinke Finger den Ton auf der Töpferscheibe formten, beschlossen sie beide mehrmals, später einmal Töpfer zu werden. Nathan fasste eine große Zuneigung zu den Knaben und gab ihnen oft Ton zum Spielen. Er versuchte, ihre schöpferische Vorstellungskraft anzuregen, indem er sie anspornte, verschiedene Gegenstände und Tiere um die Wette zu modellieren. ***** 123.6 Sein Achtes Jahr (2 n. Chr.) ***** Dies war ein interessantes Jahr in der Schule. Jesus war zwar kein außergewöhnlicher, aber doch ein fleißiger Schüler und gehörte zum fortgeschritteneren Drittel der Klasse. Er machte seine Arbeit so gut, dass er jeden Monat eine Woche vom Unterricht befreit war. Diese Woche verbrachte er gewöhnlich entweder in der Nähe von Magdala am Ufer des Sees Genezareth bei seinem Onkel, der Fischer war, oder auf dem Hof eines anderen Onkels (des Bruders seiner Mutter) acht Kilometer südlich von Nazareth. Seine Mutter machte sich zwar übertriebene Angst um seine Gesundheit und Sicherheit, söhnte sich aber nach und nach mit diesen Ausflügen außer Hause aus. Jesu Onkel und Tanten liebten ihn alle sehr, und es entstand in diesem und den unmittelbar folgenden Jahren ein lebhafter Wettstreit zwischen ihnen, um sich für die monatlichen Besuche seine Gesellschaft zu sichern. Sein erster einwöchiger Aufenthalt (seit seiner frühen Kindheit) auf seines Onkels Bauernhof fand im Januar dieses Jahres statt, das erste einwöchige Erlebnis beim Fischen auf dem See Genezareth im Monat Mai. Um diese Zeit begegnete Jesus einem Mathematiklehrer aus Damaskus, und nachdem er sich einige neue Zahlentechniken angeeignet hatte, verbrachte er während mehrerer Jahre viel Zeit mit Mathematik. Er entwickelte einen scharfen Sinn für Zahlen, Strecken und Propor-tionen. Jesus begann, an seinem Bruder Jakobus große Freude zu haben. Noch vor Jahresende fing er an, ihm das Alphabet beizubringen. In diesem Jahr traf Jesus auch eine Abmachung für Harfenstunden im Austausch gegen Milchprodukte. Er fühlte sich in ungewöhnlichem Maße zu allem Musikalischen hingezogen. Später unternahm er viel, um das Interesse seiner jungen Gefährten an Vokalmusik zu fördern. Mit elf Jahren war er ein gewandter Harfenspieler und liebte es sehr, Familie und Freunde mit seinen außerordentlichen Wiedergaben und gekonnten Improvisationen zu erfreuen. Während Jesus in der Schule weiterhin beneidenswerte Fortschritte machte, verlief für die Eltern und die Lehrer nicht alles so glatt. Hartnäckig stellte er immer wieder viele unbequeme Fragen bezüglich Wissenschaft und Religion, vor allem in Geographie und Astronomie. Insbesondere ließ er nicht locker, um herauszufinden, wieso es in Palästina eine trockene und eine regnerische Jahreszeit gab. Wiederholt suchte er die Erklärung für den großen Unterschied zwischen den Temperaturen Nazareths und des Jordantals. Er hörte ganz einfach nie auf, solche intelligenten, aber verwirrenden Fragen zu stellen. Am Freitag, dem 14. April dieses Jahres 2 n. Chr., wurde abends sein dritter Bruder, Simon, geboren. Im Februar kam Nahor, ein Lehrer an einer rabbinischen Akademie Jerusalems, nach Nazareth, um Jesus zu beobachten, nachdem er in gleicher Mission in Zacharias' Heim in der Nähe von Jerusalem gewesen war. Er kam auf Betreiben von Johannes' Vater nach Nazareth. Zuerst war er durch die Offenheit Jesu und seine unkonventionelle Art, mit religiösen Dingen umzugehen, einigermaßen schockiert, schrieb sie dann aber der Entfernung Galiläas von den Zentren hebräischer Gelehrsamkeit und Kultur zu und riet Joseph und Maria, ihm zu erlauben, Jesus mit sich zurück nach Jerusalem zu nehmen, wo er in den Genuss der Vorteile von Bildung und Schulung im Herzen der jüdischen Kultur käme. Maria war halb bereit zuzustimmen; sie war überzeugt, dass ihr ältester Sohn zum Messias, zum jüdischen Befreier bestimmt war. Joseph zögerte; er hatte ebenfalls die Überzeugung, dass Jesus ein Mann der Vorsehung werden würde, aber er war sich über die Art dieser Vorsehung völlig im Unklaren. Aber nie zog er ernstlich in Zweifel, dass sein Sohn auf Erden eine große Sendung zu erfüllen habe. Je mehr er über Nahors Rat nachdachte, umso mehr stellte er die Weisheit des vorgeschlagenen Aufenthaltes in Jerusalem in Frage. Angesichts dieser Meinungsverschiedenheit zwischen Joseph und Maria bat Nahor um die Erlaubnis, die ganze Angelegenheit Jesus zu unterbreiten. Jesus hörte aufmerksam zu, sprach mit Joseph, Maria und einem Nachbarn, dem Steinmetzen Jakob, dessen Sohn sein bester Spielgefährte war, und gab seine Antwort erst nach zwei Tagen: Da die Meinungen seiner Eltern und Ratgeber so weit auseinanderklafften und er sich außerstande fühle, die Verantwortung für eine solche Entscheidung zu übernehmen, und weil es ihn eindeutig weder in die eine noch in die andere Richtung ziehe, habe er sich schließlich angesichts der ganzen Lage entschlossen, "mit meinem Vater im Himmel zu sprechen"; und obschon er bezüglich der Antwort nicht ganz sicher sei, rate ihm das Gefühl, eher zu Hause "bei meinem Vater und meiner Mutter" zu bleiben; und er fügte hinzu: "Sie, die mich so sehr lieben, sollten in der Lage sein, mehr für mich zu tun und mich sicherer zu führen als Fremde, die nur meinen Körper sehen und meinen Verstand beobachten, mich aber kaum wirklich kennen können." Sie staunten alle, und Nahor kehrte nach Jerusalem zurück. Und es vergingen viele Jahre, bevor Jesu Weggang von zu Hause wiederum Gegenstand von Überlegungen wurde. ****** Kapitel 124 Die Spätere Kindheit Jesu ****** VIELLEICHT wäre Jesus in Alexandria in den Genuss einer besseren Schulung gekommen als in Galiläa, aber er hätte dort kein so hervorragendes Umfeld gefunden, um mit seinen Lebensproblemen bei geringster erzieherischer Lenkung selbst fertig zu werden und gleichzeitig den riesigen Vorteil zu genießen, in ständigem Kontakt mit einer so großen Zahl von Männern und Frauen sämtlicher Schichten aus allen Teilen der zivilisierten Welt zu sein. Wäre er in Alexandria geblieben, dann wäre seine Erziehung durch Juden und nach ausschließlich jüdischen Richtlinien erfolgt. Die Erziehung und Schulung, die ihm in Nazareth zuteil wurde, bereitete ihn auf ein besseres Verständnis der Heiden vor und vermittelte ihm eine bessere und ausgewogenere Vorstellung von den relativen Vorzügen der östlichen oder babylonischen und der westlichen oder hellenistischen Anschauungen der hebräischen Theologie. ***** 124.1 Jesu Neuntes Jahr (3 n. Chr.) ***** Man kann wohl kaum sagen, dass Jesus jemals ernsthaft krank war; aber in diesem Jahr machte er zusammen mit seinen Brüdern und seinem Schwesterchen einige der kleineren Kinderkrankheiten durch. Die Schule ging weiter und er war immer noch ein begünstigter Schüler, der jeden Monat eine Woche frei hatte. Er fuhr fort, diese Zeit zu ungefähr gleichen Teilen mit Ausflügen in die Nachbarstädte zusammen mit seinem Vater, mit Aufenthalten auf seines Onkels Bauernhof südlich von Nazareth und beim Fischfang außerhalb Magdalas zu verbringen. Der bis dahin ernsteste Zwischenfall in der Schule ereignete sich spät im Winter, als Jesus es wagte, den Chazan bezüglich der Lehre herauszufordern, alle Statuen, Bilder und Zeichnungen seien götzendienerischer Natur. Jesus hatte viel Freude am Zeichnen von Landschaften und am Modellieren einer großen Zahl von Gegenständen in Töpferton. All dies war durch das jüdische Gesetz strikt verboten, aber bis jetzt hatte er es so gut verstanden, die Einwände seiner Eltern zu entkräften, dass sie ihm erlaubt hatten, mit diesen Tätigkeiten fortzufahren. Neue Unruhe entstand in der Schule, als einer der eher zurückgebliebenen Schüler Jesus dabei ertappte, wie er gerade mit Kohle ein Porträt des Lehrers auf den Boden des Klassenzimmers zeichnete. Da war es, sonnenklar, und mehrere Älteste hatten es sich angesehen, bevor ein Komitee Joseph aufsuchte, um ihn aufzufordern, etwas zu unternehmen, um der Gesetzlosigkeit seines ältesten Sohnes ein Ende zu machen. Obwohl dies nicht das erste Mal war, dass Klagen über das Tun ihres vielseitigen und ungestümen Kindes zu Joseph und Maria gelangten, war dies doch die ernsteste aller bis dahin gegen ihn erhobenen Beschuldigungen. Jesus hörte eine Zeit lang den Anklagen gegen seine künstlerischen Versuche zu, während er auf einem großen Stein gleich außerhalb der Hintertür saß. Er war darüber aufgebracht, dass man seinen Vater für seine angeblichen Missetaten tadelte. Also ging er hinein und trat seinen Anklägern furchtlos gegenüber. Die Ältesten gerieten in Verlegenheit. Die einen neigten dazu, das Ganze mit Humor zu nehmen, während einer oder zwei zu denken schienen, der Knabe sei frevlerisch, wenn nicht gar gotteslästerlich. Joseph war verdutzt, Maria empört, aber Jesus bestand darauf, angehört zu werden. Er durfte sprechen, verteidigte mutig seinen Standpunkt und erklärte mit vollendeter Selbstkontrolle, er werde sich in dieser wie in allen anderen strittigen Angelegenheiten an die Entscheidung seines Vaters halten. Und die Abordnung der Ältesten ging schweigend hinaus. Maria versuchte Joseph dahin zubringen, es Jesus zu erlauben, zu Hause in Ton zu modellieren, wenn er verspreche, in der Schule nicht mehr mit so fragwürdigen Aktivitäten fortzufahren. Aber Joseph fühlte sich genötigt zu entscheiden, dass die rabbinische Interpretation des zweiten Gebotes maßgebend sei. Von diesem Tag an zeichnete oder modellierte Jesus nie wieder etwas, solange er im Hause seines Vaters wohnte. Aber er war nicht überzeugt, etwas Schlechtes getan zu haben, und das Aufgeben eines so geliebten Zeitvertreibs war eine der schweren Prüfungen seines jungen Lebens. In der zweiten Junihälfte stieg Jesus mit seinem Vater zum ersten Mal auf den Gipfel des Berges Tabor. Es war ein klarer Tag, und die Sicht war großartig. Es schien diesem neunjährigen Knaben, als hätte er wirklich die ganze Welt mit Ausnahme Indiens, Afrikas und Roms gesehen. Jesu zweite Schwester Martha wurde am Donnerstag, dem 13. September, abends geboren. Drei Wochen nach ihrer Ankunft begann Joseph, der sich einige Zeit zu Hause aufhielt, mit einem Hausanbau, einem mit einer Werkstatt kombinierten Schlafraum. Für Jesus wurde eine kleine Werkbank angefertigt, und zum ersten Mal besaß er eigene Werkzeuge. Während vieler Jahre arbeitete er gelegentlich an dieser Werkbank und wurde äußerst geschickt in der Herstellung von Jochen. Dieser und der nächste Winter waren seit vielen Jahrzehnten die kältesten in Nazareth. Jesus hatte auf den Bergen schon Schnee gesehen, und einige Male war auch in Nazareth Schnee gefallen, der nur kurze Zeit am Boden liegen blieb. Aber vor diesem Winter hatte er noch nie Eis gesehen. Die Tatsache, dass Wasser fest, flüssig und als Dampf existieren konnte - er hatte lange über den aus den Kochtöpfen entweichenden Dampf nachgesonnen - veranlasste den Knaben, sehr viel über die physische Welt und ihre Beschaffenheit nachzudenken. Und doch war die in diesem heranwachsenden Jungen verkörperte Persönlichkeit die ganze Zeit über der tatsächliche Schöpfer und Organisator all dieser Dinge in einem ausgedehnten Universum. Das Klima von Nazareth war nicht hart. Der Januar war der kälteste Monat mit einer mittleren Temperatur von ca. 10°. Im Juli und August, den heißesten Monaten, lag die Temperatur zwischen 24° und 32°. Von den Bergen über den Jordan bis zum Tal des Toten Meeres reichte das Klima Palästinas von Kälte bis zu sengender Hitze. So waren die Juden in gewissem Sinne dafür ausgerüstet, in jedwedem der vielfältigen Klimas der Welt zu leben. Auch während der heißesten Sommermonate blies meist von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends eine kühle Meeresbrise von Westen her. Aber von Zeit zu Zeit fegten schrecklich heiße Winde aus der östlichen Wüste über ganz Palästina hinweg. Diese heißen Sturmwinde kamen gewöhnlich im Februar und März auf, kurz vor Ende der Regenzeit. Damals fiel der Regen in erfrischenden Schauern von November bis April, aber es regnete nicht ununterbrochen. Es gab in Palästina nur zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter, die trockene und die Regenperiode. Im Januar begannen die Blumen zu blühen und Ende April war das ganze Land ein einziger großer Blumengarten. Auf dem Bauernhof seines Onkels half Jesus im Mai dieses Jahres zum ersten Mal bei der Getreideernte. Bevor er dreizehn Jahre alt war, hatte er es fertig gebracht, sich mit Ausnahme von Metallarbeit praktisch mit jeder von Männern und Frauen um Nazareth herum ausgeübten Tätigkeit in etwa bekannt zu machen, und als er älter war, nach seines Vaters Tod, verbrachte er mehrere Monate in einer Schmiede. Bei flauem Geschäftsgang und geringem Karawanenbetrieb machte Jesus mit seinem Vater viele geschäftliche oder Vergnügungsausflüge in die Nachbarorte Kana, Endor und Nain. Schon als Knabe besuchte er häufig Sepphoris, das nur etwa sechs Kilometer nordwestlich von Nazareth lag und von 4 v. Chr. bis ungefähr 25 n. Chr. die Hauptstadt Galiläas und eine der Residenzen des Herodes Antipas war. Jesus wuchs körperlich, intellektuell, geistig und in gesellschaftlicher Hinsicht. Seine Ausflüge außer Haus trugen viel dazu bei, ihm ein besseres und großzügigeres Verständnis für seine eigene Familie zu vermitteln, und unterdessen begannen sogar seine Eltern, während sie ihn lehrten, von ihm zu lernen. Jesus war ein selbständiger Denker und ein begabter Lehrer, sogar schon in seiner Jugend. Er stieß sich ständig am so genannten "mündlichen Gesetz", aber er suchte sich immer den Gepflogenheiten seiner Familie anzupassen. Er verstand sich mit den gleichaltrigen Kindern recht gut, aber die Langsamkeit ihres Denkens entmutigte ihn oft. Noch nicht zehn Jahre alt, wurde er der Anführer einer Gruppe von sieben Jungen, die zusammen eine Gemeinschaft zur Erwerbung der Eigenschaften des Mannesalters - in körperlicher, intellektueller und religiöser Hinsicht - bildeten. Es gelang Jesus, diese Jungen für viele neue Spiele und verschiedene verbesserte Methoden körperlicher Erholung zu gewinnen. ***** 124.2 Das Zehnte Jahr (4 n. Chr.) ***** Am 5. Juli, dem ersten Sabbat des Monats, während er mit seinem Vater durch die Gegend streifte, drückte Jesus zum ersten Mal Gefühle und Ideen aus, die darauf hinwiesen, dass er sich der ungewöhnlichen Natur seiner Lebensaufgabe bewusst wurde. Joseph hörte den bedeutsamen Worten seines Sohnes aufmerksam zu, sagte aber nur wenig dazu und gab selber keine Auskunft. Am nächsten Tag hatte Jesus mit seiner Mutter ein ähnliches, aber längeres Gespräch. Maria hörte den Erklärungen des Jungen in gleicher Weise zu, aber auch sie gab keinerlei Auskunft. Es dauerte fast zwei Jahre, bevor Jesus erneut mit seinen Eltern über die zunehmende Offenbarung im eigenen Bewusstsein bezüglich der Natur seiner Persönlichkeit und der Art seiner Sendung auf Erden sprach. Im August trat er in die Schule für Fortgeschrittene der Synagoge ein. Hier sorgte er ständig für Aufregung durch die Fragen, die er hartnäckig stellte. In wachsendem Maße sorgte er in ganz Nazareth für mehr oder weniger Unruhe. Seine Eltern waren nicht willens, ihm diese beunruhigenden Fragen zu verbieten, und sein Hauptlehrer war über die Neugier, das Verständnis und den Wissenshunger des Jungen höchst verblüfft. Die Gefährten Jesu sahen in seinem Verhalten nichts Übernatürliches. Er war in fast jeder Hinsicht genau wie sie. Sein Interesse am Lernen war etwas überdurchschnittlich, aber nicht völlig ungewöhnlich. Tatsächlich stellte er mehr Fragen in der Schule als andere aus seiner Klasse. Sein ungewöhnlichster und auffallendster Charakterzug war vielleicht, dass er es ablehnte, für seine Rechte zu kämpfen. Da er doch ein für sein Alter so gut entwickelter Knabe war, kam es seinen Spielgefährten merkwürdig vor, dass er eine Abneigung hatte, sich selber zu verteidigen, sogar wenn er Unrecht erlitt oder persönlich misshandelt wurde. Es fügte sich, dass er dank seiner Freundschaft mit Jakob, einem um ein Jahr älteren Nachbarsjungen, wegen dieser Eigenheit nicht viel zu leiden hatte. Dieser war der Sohn des Steinmetzen, eines Geschäftspartners Josephs. Jakob war ein großer Bewunderer von Jesus und machte es sich zur Aufgabe, darüber zu wachen, dass niemand es wagte, Jesu Abneigung gegen körperlichen Kampf auszunützen. Mehrere Male griffen ältere und rohe Jugendliche Jesus an, sich auf seine bekannte Fügsamkeit verlassend, erlitten aber jedes Mal rasche und sichere Vergeltung durch die Hände seines selbsternannten Beschützers und immer bereiten Verteidigers Jakob, des Steinmetzensohnes. Jesus war der allgemein anerkannte Anführer derjenigen Jungen von Nazareth, die für die höheren Ideale ihrer Zeit und Generation eintraten. Seine jungen Gefährten liebten ihn wirklich, nicht nur, weil er Gerechtigkeitsgefühl besaß, sondern auch, weil ihm eine seltene und verständnisvolle Art von Sympathie zu eigen war, die Liebe ahnen ließ und an eine verhaltene Form von Mitgefühl grenzte. In diesem Jahr begann er, eine offenkundige Vorliebe für die Gesellschaft älterer Personen zu zeigen. Er liebte es, sich mit Älteren über kulturelle, erzieherische, soziale, wirtschaftliche, politische und religiöse Dinge zu unterhalten, und die Tiefe seiner Gedankengänge und die Schärfe seiner Beobachtung bezauberten seine erwachsenen Gesprächspartner so sehr, dass sie ihn nur zu gern für ein Gespräch aufsuchten. Bis zu der Zeit, da er für den Unterhalt der Familie verantwortlich wurde, bemühten sich seine Eltern stets, ihn dahingehend zu beeinflussen, anstelle der Gesellschaft älterer und kenntnisreicherer Leute, für die er eine solche Vorliebe bekundete, diejenige von Gleichaltrigen oder nur wenig Älteren zu suchen. Spät in diesem Jahr war er zwei Monate lang mit seinem Onkel auf Fischfang auf dem See Genezareth und war dabei sehr erfolgreich. Noch vor Erreichen des Mannesalters war er ein erfahrener Fischer geworden. Er entwickelte sich körperlich weiter; in der Schule war er ein fortgeschrittener und privilegierter Schüler; zu Hause kam er mit seinen jüngeren Brüdern und Schwestern recht gut aus, wobei er den Vorteil besaß, dreieinhalb Jahre älter als das älteste der anderen Kinder zu sein. Man war ihm in Nazareth freundlich gesinnt mit Ausnahme der Eltern einiger der schwerfälligeren Kinder, die ihm oft vorlautes Wesen und Mangel an angemessener Bescheidenheit und der Jugend geziemender Zurückhaltung vorwarfen. Er zeigte eine wachsende Neigung, die Spiele seiner jungen Gefährten in ernstere und überlegtere Bahnen zu lenken. Er war ein geborener Lehrer und konnte ein entsprechendes Verhalten einfach nicht unterdrücken, auch wenn er vermeintlich ganz beim Spiel war. Joseph begann früh damit, Jesus über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren, wie man seinen Lebensunterhalt verdienen könne, wobei er ihm die Vorteile der Landwirtschaft gegenüber Gewerbe und Handel erklärte. Galiläa war eine schönere und wohlhabendere Gegend als Judäa, und die Lebenskosten betrugen etwa ein Viertel von denen Jerusalems und Judäas. Es war eine Provinz mit Bauerndörfern und blühenden, gewerbetreibenden Orten und zählte mehr als zweihundert Städte mit über fünftausend und dreißig mit über fünfzehntausend Einwohnern. Auf seinem ersten Ausflug mit seinem Vater, den sie unternahmen, um das Fischereigewerbe am See Genezareth zu beobachten, hatte sich Jesus fast entschlossen, Fischer zu werden; aber seine enge Beziehung zum Beruf seines Vaters beeinflusste ihn später, Zimmermann zu werden, und noch später führte ihn das Zusammenwirken verschiedener Einflüsse zu der endgültigen Wahl, ein religiöser Lehrer einer neuen Art zu werden. ***** 124.3 Das Elfte Jahr (5 n. Chr.) ***** Das ganze Jahr hindurch unternahm Jesus mit seinem Vater weitere Ausflüge in die Umgebung; er hielt sich aber auch des Öfteren auf dem Bauernhof seines Onkels auf und ging gelegentlich nach Magdala hinüber, um mit dem anderen Onkel, der seinen Wohnsitz in der Nähe dieser Stadt hatte, auf Fischfang zu gehen. Oft waren Joseph und Maria versucht, Jesus in irgendeiner Weise besonders zu begünstigen oder anderswie ihr Wissen zu verraten, dass er ein Kind der Verheissung, ein Sohn der Vorsehung war. Aber beide Eltern waren außerordentlich weise und klug in all diesen Dingen. Die wenigen Male, da sie ihn irgendwie, und sei es auch nur andeutungsweise, bevorzugten, wies der Knabe sofort jegliche besondere Behandlung zurück. Jesus brachte beträchtliche Zeit im Karawanen-Versorgungsladen zu und erwarb durch die Unterhaltung mit Reisenden aus aller Herren Länder eine für sein Alter erstaunliche Menge an Kenntnissen über internationale Angelegenheiten. Dies war das letzte Jahr, in dem er sich ausgiebig freiem Spiel und kindlicher Fröhlichkeit hingeben konnte. Von dieser Zeit an nahmen die Schwierigkeiten und Verantwortlichkeiten im Leben dieses Jungen sehr rasch zu. Am Mittwoch, dem 5 n. Chr. abends wurde Jude geboren. Die Geburt dieses siebenten Kindes war mit Komplikationen verbunden. Maria war mehrere Wochen lang so sehr krank, dass Joseph zu Hause blieb. Jesus war vollauf beschäftigt mit Besorgungen für seinen Vater und mit vielen Pflichten, die sich aus der ernsthaften Erkrankung seiner Mutter ergaben. Nie wieder wurde es diesem Jungen möglich, zu dem kindlichen Verhalten seiner früheren Jahre zurückzukehren. Von der Krankheit seiner Mutter an - gerade bevor er elf Jahre alt wurde - war er gezwungen, die Verpflichtungen des erstgeborenen Sohnes zu übernehmen, und zwar ein oder zwei Jahre früher, als diese Last normalerweise auf seine Schultern hätte fallen sollen. Der Chazan verbrachte jede Woche einen Abend mit Jesus, um ihm beim Studium der hebräischen Schriften zu helfen. Er nahm äußerst regen Anteil an den Fortschritten seines viel versprechenden Schülers und war deshalb gewillt, ihm in mancherlei Weise beizustehen. Dieser jüdische Pädagoge übte einen großen Einfluss auf seinen wachsenden Verstand aus, aber er konnte nie begreifen, wieso Jesus gegenüber allen seinen Anregungen, nach Jerusalem zu gehen und dort seine Studien unter Leitung der gelehrten Rabbiner fortzusetzen, so indifferent blieb. Etwa Mitte Mai begleitete der Knabe seinen Vater auf einem geschäftlichen Gang nach Skythopolis, der bedeutendsten griechischen Stadt der Dekapolis und einstigen hebräischen Siedlung Beth-Shean. Unterwegs erzählte Joseph ausführlich die Geschichte von König Saul und den Philistern sowie die späteren Ereignisse von Israels bewegter Vergangenheit. Jesus war gewaltig beeindruckt von der Sauberkeit und wohlgeordneten Anlage dieser sogenannten heidnischen Stadt. Er bestaunte das Freilufttheater und bewunderte den prächtigen, dem Kult "heidnischer" Götter geweihten Marmortempel. Joseph war durch die Begeisterung des Knaben sehr beunruhigt und versuchte, diesen günstigen Eindrücken entgegenzuwirken, indem er die Schönheit und Größe des jüdischen Tempels in Jerusalem pries. Jesus hatte diese prachtvolle griechische Stadt oft neugierig von der Anhöhe von Nazareth aus betrachtet und sich häufig nach den ausgedehnten öffentlichen Anlagen und den reichverzierten Bauten erkundigt, aber sein Vater hatte stets versucht, der Beantwortung dieser Fragen auszuweichen. Nun standen sie den Schönheiten dieser heidnischen Stadt unmittelbar gegenüber, und Joseph konnte die Fragen Jesu ganz einfach nicht länger überhören. Es traf sich, dass gerade zu dieser Zeit im Amphitheater von Skythopolis unter den griechischen Städten der Dekapolis die jährlichen Wettspiele und öffentlichen Darbietungen physischer Mutproben ausgetragen wurden, und Jesus drang in seinen Vater, dass er ihn zu den Spielen mitnehme, und zwar so heftig, dass Joseph es ihm nicht abschlagen konnte. Jesus wurde von den Spielen gepackt und ging ganz im Geist dieser Vorführungen körperlicher Schulung und athletischer Gewandtheit auf. Joseph war über die Begeisterung seines Sohnes angesichts dieser Zurschaustellung "heidnischer" Prahlerei unbeschreiblich bestürzt. Nachdem die Spiele vorüber waren, erlebte Joseph die Überraschung seines Lebens, als er hören musste, wie Jesus diese guthieß und zu bedenken gab, es wäre gut für die jungen Männer Nazareths, wenn auch sie in den Genuss solcher gesunder körperlicher Übungen im Freien kämen. Joseph sprach ernsthaft und lange mit Jesus über die schlimme Natur solcher Praktiken, aber er wusste genau, dass sein Sohn nicht überzeugt war. Das einzige Mal, dass Jesus seinen Vater gegen sich aufgebracht sah, war an jenem Abend im Zimmer in der Herberge, als Jesus im Laufe der Gespräche das geltende jüdische Denken soweit vergaß, dass er vorschlug, sie sollten nach Hause gehen und sich für den Bau eines Amphitheaters in Nazareth einsetzen. Als Joseph seinen erstgeborenen Sohn solch unjüdische Gefühle ausdrücken hörte, verließ ihn seine übliche Gelassenheit. Er packte Jesus an den Schultern und rief zornig: "Dass ich dich nie wieder, solange du lebst, einen so verwerflichen Gedanken aussprechen höre." Jesus war über den Gefühlsausbruch seines Vaters bestürzt; er hatte selber nie zuvor die Wucht der Empörung seines Vaters zu spüren bekommen und war unbeschreiblich verblüfft und schockiert. Er erwiderte nur: "Sehr gut, mein Vater, es soll so sein." Und nie wieder zu Lebzeiten seines Vaters erwähnte er auch nur andeutungsweise die Spiele und übrigen athletischen Aktivitäten der Griechen. Später sah Jesus das griechische Amphitheater in Jerusalem und erfuhr, wie hassenswert solche Dinge vom jüdischen Standpunkt aus waren. Dessen ungeachtet bemühte er sich zeitlebens, die Idee gesunder Erholung in seine persönlichen Pläne und, soweit jüdischer Brauch es zuließ, auch in das spätere Programm regelmäßiger Aktivitäten seiner zwölf Apostel aufzunehmen. Am Ende seines elften Jahres war Jesus ein kräftiger, gut entwickelter, leicht humorvoller und recht unbeschwerter Junge, aber von diesem Jahr an gab er sich mehr und mehr seltsamen Perioden tiefer Versenkung und ernster Betrachtung hin. Er dachte viel darüber nach, wie er seinen Verpflichtungen gegenüber seiner Familie nachkommen und gleichzeitig der Berufung zu seiner Weltsendung treu bleiben konnte; schon hatte er begriffen, dass sein Wirken sich nicht nur auf die Besserung des jüdischen Volkes zu beschränken hatte. ***** 124.4 Das Zwölfte Jahr (6 n. Chr.) ***** Dies war ein ereignisreiches Jahr in Jesu Leben. In der Schule machte er weiterhin Fortschritte und beobachtete unermüdlich die Natur, während er sich immer eingehender mit den Methoden beschäftigte, mit denen die Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen. Er begann, regelmäßig zu Hause in der Werkstatt zu arbeiten und erhielt die Erlaubnis, über seinen Verdienst frei zu verfügen, eine für eine jüdische Familie sehr ungewöhnliche Übereinkunft. In diesem Jahr lernte er auch, dass es weiser war, solche Angelegenheiten als Familiengeheimnis zu behandeln. Er wurde sich bewusst, wodurch er im Dorf für Aufregung gesorgt hatte und wurde deshalb immer zurückhaltender, indem er alles verbarg, was Anlass zu der Meinung hätte geben können, er sei anders als seine Gefährten. Während dieses Jahres durchlebte er manche Zeit der Unsicherheit, wenn nicht gar richtigen Zweifels bezüglich der Natur seiner Sendung. Sein sich natürlich entwickelnder menschlicher Verstand erfasste die Tatsache seiner Doppelnatur noch nicht ganz. Der Umstand, dass er nur eine einzige Persönlichkeit besaß, machte es seinem Bewusstsein schwer, den doppelten Ursprung der Faktoren zu erkennen, die die Natur ausmachten, mit der ebendiese Persönlichkeit verbunden war. Von dieser Zeit an hatte er im Umgang mit seinen Brüdern und Schwestern eine glücklichere Hand. Er wurde immer taktvoller, war stets mitfühlend und um ihr Wohlergehen und Glück besorgt und erfreute sich guter Beziehungen zu ihnen bis zum Beginn seines öffentlichen Wirkens. Um es genauer zu sagen: Er verstand sich ganz ausgezeichnet mit Jakob, Miriam und den beiden jüngeren (damals noch nicht geborenen) Kindern Amos und Ruth. Mit Martha kam er stets ziemlich gut zurecht. Wenn es zu Hause irgendwelche Schwierigkeiten gab, dann entstanden sie meist aus Reibereien mit Joseph und insbesondere mit Jude. Die Erziehung Jesu, der auf nie dagewesene Weise Göttliches und Menschliches in sich vereinigte, war für Joseph und Maria eine schwierige Erfahrung, und sie verdienen hohes Lob für die gewissenhafte und erfolgreiche Wahrnehmung ihrer elterlichen Pflichten. Immer stärker kam es Jesu Eltern zum Bewusstsein, dass etwas Übermenschliches in diesem ältesten Sohn wohnte, aber nie kam ihnen auch nur die leistete Ahnung, dass dieser Sohn der Verheißung wirklich und wahrhaftig der Schöpfer dieses Lokaluniversums von Dingen und Wesen war. Joseph und Maria lebten und starben, ohne je zu erfahren, dass ihr Sohn Jesus tatsächlich der in einem sterblichen Körper inkarnierte Schöpfer des Universums war. In diesem Jahr beschäftigte Jesus sich mehr als je zuvor mit Musik, und er fuhr fort, seine Brüder und Schwestern zu Hause zu unterrichten. Ungefähr um diese Zeit kam ihm der Unterschied zwischen den Standpunkten Josephs und Marias hinsichtlich der Natur seiner Sendung klar zu Bewusstsein. Er sann viel über die unterschiedlichen Auffassungen seiner Eltern nach, da er ihren Auseinandersetzungen oft zuhörte, wenn sie ihn in tiefem Schlaf wähnten. Er neigte immer stärker der Anschauung seines Vaters zu, und seiner Mutter war die schmerzliche Erkenntnis beschieden, dass ihr Sohn in Dingen, die mit seiner Laufbahn zu tun hatten, ihre Führung schrittweise zurückwies. Und im Laufe der Jahre vertiefte sich diese Kluft zwischen ihren Auffassungen. Maria verstand die Bedeutung von Jesu Sendung immer weniger, und immer gekränkter war diese gute Mutter darüber, dass ihr Lieblingssohn ihre teuersten Erwartungen nicht erfüllte. Der Glaube Josephs an die geistige Natur der Sendung Jesu wuchs. Und wenn es da nicht andere und wichtigere Faktoren gegeben hätte, könnte man es als bedauerlich bezeichnen, dass er die Erfüllung seiner Idee von Jesu Mission auf Erden nicht erleben durfte. Während seines letzten Schuljahres, als Zwölfjähriger, lehnte sich Jesus bei seinem Vater gegen den jüdischen Brauch auf, bei jedem Betreten und Verlassen des Hauses das Stück an den Türpfosten genagelten Pergaments zu berühren und anschließend den Finger, welcher das Pergament berührt hatte, zu küssen. Als Teil dieses Rituals pflegte man zu sagen: "Der Herr wird unseren Ausgang und unseren Eingang behüten, von jetzt an bis in alle Ewigkeit." Joseph und Maria hatten Jesus zu wiederholten Malen die Gründe dargelegt, weshalb man weder Statuen herstellen noch Bilder zeichnen durfte, und ihm erklärt, dass solche Werke zu götzendienerischen Zwecken missbraucht werden könnten. Wenn Jesus auch ihr Verbot von Statuen und Abbildungen nicht ganz zu begreifen vermochte, so besaß er doch einen hoch entwickelten Sinn für Folgerichtigkeit und wies deshalb gegenüber seinem Vater auf die grundsätzlich götzendienerische Natur dieses dem Türpfostenpergament bekundeten Gehorsams hin. Nach diesen Einwänden Jesu entfernte Joseph das Pergament. Im Laufe der Zeit unternahm Jesus viel, um ihre Praxis religiöser Formen wie Familiengebete und andere Bräuche zu verändern. In Nazareth war es möglich, manche derartige Dinge zu tun, da seine Synagoge unter dem Einfluss einer liberalen Rabbinerschule stand, deren beispielhafter Vertreter der berühmte Lehrer Jose aus Nazareth war. Während dieses und der beiden folgenden Jahre litt Jesus unter großer Gedankenqual infolge seines ständigen Bemühens, seine persönlichen Ansichten über Religionsausübung und soziale Konventionen den festverankerten Meinungen seiner Eltern anzupassen. Er wurde gepeinigt durch den Konflikt zwischen dem inneren Druck, seinen eigenen Überzeugungen treu zu bleiben und der gewissenhaften Beflissenheit, sich seinen Eltern pflichtgetreu unterzuordnen. Sein größter Konflikt bestand zwischen zwei großen Geboten, die seinen jugendlichen Sinn am meisten beherrschten. Das eine hieß: "Stehe treu zu dem, was deine höchsten Überzeugungen von Wahrheit und Rechtschaffenheit dir zu tun gebieten." Das andere hieß: "Ehre deinen Vater und deine Mutter, denn sie haben dich gezeugt, ernährt und erzogen." Er drückte sich indessen nie vor der Verantwortung, die notwendigen täglichen Anpassungen zwischen diesen Bereichen der Treue zu seinen persönlichen Überzeugungen und der Pflicht gegenüber der Familie vorzunehmen, und er erlebte die Genugtuung, zu einer immer harmonischeren Verschmelzung persönlicher Überzeugungen und familiärer Verpflichtungen zu gelangen und diese in einem meisterhaften Konzept von Gruppensolidarität, fußend auf Treue, Gerechtigkeitssinn, Toleranz und Liebe, zu vereinen. ***** 124.5 Sein Dreizehntes Jahr (7 n. Chr.) ***** In diesem Jahr ging der Junge aus Nazareth vom Knabenalter zum Jünglingsalter über; der Stimmbruch begann und andere Zeichen an Geist und Körper kündeten den herannahenden Status des Mannesalters an. Am Sonntagabend, dem 9. Januar 7 n. Chr., wurde sein kleiner Bruder Amos geboren. Jude war noch nicht zwei Jahre alt und das Schwesterchen Ruth noch nicht geboren. Man mag daraus ersehen, dass Jesus eine beträchtliche Schar kleiner Kinder zu betreuen hatte, als sein Vater im folgenden Jahr tödlich verunglückte. Ungefähr Mitte Februar gelangte Jesus menschlich zur Gewissheit, dass er dazu ausersehen sei, auf Erden eine Sendung zur Erleuchtung der Menschheit und zur Offenbarung Gottes auszuführen. Im Geist dieses Jungen, der nach außen hin ein durchschnittlicher jüdischer Knabe von Nazareth zu sein schien, kam es zu bedeutenden Entscheidungen im Zusammenhang mit weitreichenden Plänen. Das intelligente Leben von ganz Nebadon sah wie gebannt und staunend zu, als all dies sich im Denken und Handeln des nun zum Jüngling gewordenen Zimmermannssohns zu entfalten begann. Am 20. März 7 n. Chr., dem ersten Tag der Woche, bestand Jesus die Abschlussprüfung an der örtlichen Schule, die der Synagoge von Nazareth angeschlossen war. Dies war ein großer Tag im Leben jeder ehrgeizig strebenden jüdischen Familie, der Tag, an dem der erstgeborene Sohn zum "Sohn des Gebots" und zum freigekauften Erstgeborenen Gottes, des Herrn Israels, erklärt wurde, zum "Kind des Allerhöchsten" und zum Diener des Herrn der ganzen Erde. Am Freitag zuvor war Joseph von Sepphoris, wo er die Arbeiten an einem neuen öffentlichen Gebäude leitete, herübergekommen, um bei diesem frohen Ereignis zugegen zu sein. Jesu Lehrer glaubte zuversichtlich, dass sein aufgeweckter und fleißiger Schüler zu einer außergewöhnlichen Laufbahn, zu einer hervorragenden Sendung bestimmt sei. Die Ältesten waren trotz all ihrer Schwierigkeiten mit den nonkonformistischen Neigungen Jesu auf den Knaben sehr stolz und hatten schon begonnen, Pläne zu schmieden, um Jesus die Fortsetzung seiner Ausbildung an den berühmten hebräischen Akademien in Jerusalem zu ermöglichen. Je mehr Jesus von Zeit zu Zeit über diese Pläne sprechen hörte, umso sicherer wurde er, dass er nie nach Jerusalem gehen würde, um bei den Rabbinern zu studieren. Aber er ahnte kaum etwas von der so schnell herannahenden Tragödie, die dafür sorgen würde, dass alle derartigen Pläne fallen gelassen werden mussten; denn bald würde er die Verantwortung für den Unterhalt und die Führung einer großen Familie zu übernehmen haben, die neben seiner Mutter und ihm selber bald aus fünf Brüdern und drei Schwestern bestehen sollte. Jesus machte mit dem Aufziehen dieser Familie eine umfassendere und längere Erfahrung, als es Joseph, seinem Vater, beschieden war; und er wurde den Ansprüchen gerecht, die er später an sich selber stellte: für diese - seine - so plötzlich von Leid heimgesuchte und so unerwartet verwaiste Familie ein weiser, geduldiger, verständnisvoller und wirksamer Lehrer und ältester Bruder zu werden. ***** 124.6 Die Reise nach Jerusalem ***** Jesus, der nun die Schwelle des Jünglingsalters erreicht und seine Abschlussprüfung an der Synagogenschule in aller Form bestanden hatte, erfüllte die Voraussetzungen, um sich mit seinen Eltern nach Jerusalem zu begeben und dort mit ihnen an seinem ersten Passahfest teilzunehmen. Das Passahfest dieses Jahres fiel auf Samstag, den 9. April 7 n. Chr. Eine ansehnliche Schar (103 Personen) war am Montagmorgen, dem 4. April, bereit, sich von Nazareth nach Jerusalem aufzumachen. Sie reisten südwärts in Richtung Samarien, bogen aber in Jesreel nach Osten ab und gingen um den Berg Gilboa herum ins Jordantal, um eine Durchquerung Samariens zu vermeiden. Joseph und seine Familie wären gerne auf dem Weg des Jakobsbrunnens und Bethels durch Samarien gezogen, aber da es den Juden widerstrebte, mit den Samaritanern zu tun zu haben, entschlossen sie sich, zusammen mit ihren Nachbarn den Weg durchs Jordantal zu gehen. Der viel gefürchtete Archelaus war abgesetzt worden, und sie hatten kaum etwas zu befürchten, wenn sie Jesus nach Jerusalem mitnahmen. Zwölf Jahre waren vergangen, seit Herodes der Erste dem Kind von Bethlehem nach dem Leben getrachtet hatte, und niemand wäre jetzt noch auf den Gedanken gekommen, zwischen jenem Ereignis und dem unbekannten Jungen aus Nazareth eine Verbindung herzustellen. Sehr bald, noch vor der Wegscheide von Jesreel, zogen sie am alten Dorf Sumen zu ihrer Linken vorüber, und wiederum hörte Jesus vom schönsten Mädchen ganz Israels erzählen, das einst hier gelebt, und von den wunderbaren Taten, die Elisa hier vollbracht hatte. Als sie an Jesreel vorüberkamen, erzählten Jesu Eltern die Geschichte Achabs und Isebels und die Taten Jehus. Als sie den Berg Gilboa umwanderten, sprachen sie viel über Saul, der sich am Abhang dieses Bergs das Leben genommen hatte, über König David und das mit diesem historischen Ort Verbundene. Während sie so am Fuß des Gilboa entlang wanderten, konnten die Pilger zu ihrer Linken die griechische Stadt Skythopolis sehen. Sie wurden der Marmorgebäude aus der Ferne ansichtig, aber näherten sich der heidnischen Stadt nicht aus Furcht, sich zu verunreinigen und danach nicht an den bevorstehenden feierlichen und heiligen Passahfesthandlungen in Jerusalem teilnehmen zu können. Maria konnte nicht verstehen, wieso weder Joseph noch Jesus von Skythopolis sprechen wollten. Sie wusste nichts von ihrer Auseinandersetzung im vorausgegangenen Jahr, da sie ihr nie etwas von diesem Vorkommnis erzählt hatten. Die Straße führte nun geradewegs ins tropische Jordantal hinunter, und bald bot sich dem staunenden Auge Jesu der verschlungene und windungsreiche Lauf des Jordans dar, der mit seinen glitzernden und gekräuselten Wassern zum Toten Meer hinabfloss. Auf ihrer Wanderung gegen Süden durch dieses tropische Tal legten sie ihre wärmere Kleidung ab und freuten sich über die üppigen Kornfelder und herrlichen, mit rosa Blüten beladenen Oleandersträuche, während weit im Norden der gewaltige, schneebedeckte Berg Hermon aufragte und majestätisch auf das historische Tal hinunterblickte. Seit Skythopolis waren sie mehr als drei Stunden gewandert, als sie zu einer sprudelnden Quelle kamen, wo sie sich unter dem sternenübersäten Himmel für die Nacht niederließen. An ihrem zweiten Reisetag kamen sie an der Stelle vorbei, wo der Jabbok aus Osten in den Jordan einmündet, und, mit den Augen dem Flusstal nach Osten folgend, ließen sie die Tage Gideons aufleben, als die Midianiter in diese Gegend einfielen und das Land überrannten. Gegen Ende des zweiten Reisetages lagerten sie am Fuße des Sartaba, des höchsten das Jordantal überblickenden Berges. Auf seinem Gipfel stand die alexandrinische Festung, wo Herodes eine seiner Frauen gefangen gehalten und seine zwei erwürgten Söhne begraben hatte. Am dritten Tag kamen sie an zwei kurze Zeit zuvor von Herodes erbauten Dörfern vorüber, deren erlesene Architektur und schöne Palmengärten ihnen auffielen. Mit Einbruch der Nacht erreichten sie Jericho, wo sie bis zum nächsten Morgen blieben. An diesem Abend wanderten Joseph, Maria und Jesus zur gut drei Kilometer entfernten Stelle des alten Jericho hinaus, wo Josua, nach dem Jesus benannt war, laut jüdischer Tradition seine berühmten Taten vollbracht hatte. Bis zum vierten und letzten Reisetag war die Straße eine ununterbrochene Prozession von Pilgern. Nun begannen sie die Jerusalem vorgelagerten Höhen hinanzusteigen. Als sie sich dem Gipfel näherten, konnten sie die jenseits des Jordans liegenden Berge und im Süden die trägen Wasser des Toten Meeres sehen. Ungefähr auf halbem Wege nach Jerusalem erblickte Jesus zum ersten Mal den Ölberg (den Ort, der ein so wichtiger Teil seines späteren Lebens werden sollte), und Joseph machte ihn darauf aufmerksam, dass die heilige Stadt gerade hinter diesem Bergrücken liege. Das Herz des Jungen schlug schnell in freudiger Erwartung des baldigen Anblicks der Stadt und des Hauses seines himmlischen Vaters. Auf dem östlichen Abhang des Ölberges hielten sie am Rande eines kleinen Dorfes namens Bethanien an, um auszuruhen. Die gastfreundlichen Dorfbewohner kamen heraus, um sich der Pilger anzunehmen, und es traf sich, dass Joseph mit seiner Familie nahe dem Haus eines gewissen Simon halt gemacht hatte, der drei Kinder ungefähr in Jesu Alter besaß - Maria, Martha und Lazarus. Sie luden die Familie aus Nazareth ein hereinzukommen, um sich zu erfrischen, und eine lebenslange Freundschaft entstand zwischen den beiden Familien. Viele Male machte Jesus später in seinem ereignisreichen Leben in diesem Hause Halt. Sie hatten Eile weiterzugehen, standen bald auf der Kuppe des Ölberges, und Jesus sah zum ersten Mal (in seiner Erinnerung) die Heilige Stadt, die anmaßenden Paläste und den inspirierenden Tempel seines Vaters. Zu keiner Zeit seines Lebens erlebte Jesus so eine rein menschliche Erregung wie jene, die ihn ganz und gar ergriff, als er an diesem Aprilnachmittag auf dem Ölberg stand und zum ersten Mal den Anblick Jerusalems in sich aufnahm. Jahre danach stand er an derselben Stelle und weinte über die Stadt, die sich wiederum anschickte, einen Propheten, den letzten und größten ihrer himmlischen Lehrer, zurückzuweisen. Sie eilten nach Jerusalem weiter. Es war jetzt Donnerstagnachmittag. In der Stadt angelangt, kamen sie am Tempel vorbei, und noch nie hatte Jesus so dichtgedrängte Menschenmassen gesehen. Er sann intensiv darüber nach, wie sich diese Juden aus den entlegensten Gebieten der bekannten Welt hier versammelt hatten. Bald erreichten sie den im Voraus bestimmten Ort ihrer Unterkunft während der Passahwoche, das große Haus eines wohlhabenden Verwandten Marias, dem durch Zacharias etwas von der frühen Geschichte von Johannes und Jesus bekannt war. Am folgenden Tag, dem Tag der Vorbereitung, rüsteten sie sich zur angemessenen Begehung des Passahsabbats. Während ganz Jerusalem auf den Beinen war, um das Passahfest vorzubereiten, fand Joseph Zeit, seinen Sohn zu einem Besuch der Akademie mitzunehmen, wo er einer für ihn getroffenen Abmachung gemäß zwei Jahre später, sobald er das erforderliche Alter von fünfzehn Jahren erreicht haben würde, seine Ausbildung fortsetzen sollte. Joseph stand wirklich vor einem Rätsel angesichts des geringen Interesses, das Jesus für all diese so sorgfältig ausgearbeiteten Pläne bekundete. Jesus war vom Tempel und all den damit verbundenen Diensten und anderen Tätigkeiten tief beeindruckt. Zum ersten Mal seit seinem vierten Lebensjahr war er mit seinen eigenen Betrachtungen zu sehr beschäftigt, um viele Fragen zu stellen. Trotzdem richtete er an seinen Vater (wie bei früheren Gelegenheiten) einige unbequeme Fragen, wie z. B. diejenige nach dem Grund, weshalb der himmlische Vater die Abschlachtung so vieler unschuldiger und hilfloser Tiere verlange. Und sein Vater konnte an Jesu Gesichtsausdruck gut ablesen, dass seine Antworten und Erklärungsversuche für seinen tiefsinnigen und scharf urteilenden Sohn unbefriedigend ausfielen. Am Abend des Passah-Sabbats rollten Flutwellen geistiger Erleuchtung durch das sterbliche Bewusstsein Jesu und füllten sein menschliches Herz bis zum Überquellen mit liebendem Erbarmen für die geistig blinden und sittlich unwissenden Massen, die da zur alten Passaherinnerungsfeier versammelt waren. Dies war einer der außerordentlichsten Tage, die der Mensch gewordene Sohn Gottes erlebte; und während der Nacht erschien ihm zum ersten Mal auf seinem irdischen Lebensweg ein von Immanuel beauftragter Bote aus Salvington, der sagte: "Die Stunde ist gekommen. Es ist Zeit, dass du beginnst, dich um die Angelegenheiten deines Vaters zu kümmern." So kam jetzt, noch bevor die schwere Verantwortung für die Familie von Nazareth auf seine jungen Schultern fiel, ein himmlischer Bote daher, um diesen noch nicht ganz dreizehnjährigen Jungen daran zu erinnern, dass die Stunde gekommen sei, damit zu beginnen, die Verantwortung für ein ganzes Universum wieder aufzunehmen. Dies war der Auftakt zu einer langen Reihe von Ereignissen, die schließlich in der Erfüllung der Selbsthingabe des Sohnes auf Urantia und in der erneuten Übertragung "der Herrschaft über ein Universum auf seine menschlich-göttlichen Schultern" gipfelten. Je mehr Zeit verstrich, umso unergründlicher erschien uns allen das Geheimnis der Menschwerdung Jesu. Es fiel uns schwer zu verstehen, dass dieser Junge aus Nazareth der Schöpfer von ganz Nebadon war. Wir fassen es heute noch nicht, wie der Geist eben dieses Schöpfersohns und der Geist seines Vaters im Paradies mit den Seelen der Menschen verbunden sind. Wie wir im Laufe der Zeit feststellten, erlangte sein menschlicher Verstand mehr und mehr Klarheit darüber, dass, während er sein Leben im Körper lebte, im Geiste auf seinen Schultern die Verantwortung für ein Universum ruhte. Damit endet der Werdegang des Knaben von Nazareth und beginnt die Geschichte des heranwachsenden Jünglings - des sich seiner selbst immer bewusster werdenden göttlichen Menschen - der sich nun anschickt, über seinen weltlichen Lebensweg nachzusinnen, während er sich gleichzeitig bemüht, seine sich entfaltende Lebensaufgabe mit den Wünschen seiner Eltern und den Verpflichtungen gegenüber seiner Familie und der damaligen Gesellschaft in Einklang zu bringen. ****** Kapitel 125 Jesu in Jerusalem ****** KEIN Vorkommnis auf dem gesamten ereignisreichen irdischen Lebensweg Jesu war anziehender, menschlich erregender als dieser in seiner Erinnerung erste Besuch Jerusalems. Die Erfahrung, an den Tempeldiskussionen ganz auf sich selber gestellt teilzunehmen, regte ihn besonders an, und lange hob sie sich aus seinen Erinnerungen als das große Ereignis seiner späten Kindheit und frühen Jugend heraus. Das war die erste Gelegenheit, einige Tage unabhängigen Lebens und das Vergnügen zu genießen, ohne Zwang und ohne Einschränkung zu kommen und zu gehen. Diese kurze, ohne Führung verlebte Zeit in der auf das Passahfest folgenden Woche war das erste vollkommene Freisein von Verantwortung, das er je genossen hatte. Und es sollte danach viele Jahre dauern, ehe ihm wiederum, und sei es auch nur für kurze Zeit, eine ähnliche, von allem Verantwortungsgefühl freie Periode vergönnt war. Selten kamen Frauen zum Passahfest nach Jerusalem; ihre Gegenwart war nicht erforderlich. Aber Jesus hatte es faktisch abgelehnt, ohne die Begleitung seiner Mutter mitzugehen. Und als Maria sich dazu entschied, ließen sich auch viele andere Frauen von Nazareth zur Reise bewegen, so dass die Passahfestgesellschaft im Verhältnis zu den Männern die größte Anzahl von Frauen aufwies, die je von Nazareth zum Passahfest aufgebrochen war. Auf dem Wege nach Jerusalem sangen sie von Zeit zu Zeit den hundertdreißigsten Psalm. Vom Augenblick an, als sie Nazareth verließen, bis sie auf dem Gipfel des Ölbergs anlangten, lebte Jesus in andauernder gespannter und erwartungsvoller Vorfreude. Während seiner ganzen fröhlichen Kindheit hatte er mit Ehrfurcht von Jerusalem und seinem Tempel sprechen hören; nun würde er sie bald in Wirklichkeit sehen. Vom Ölberg aus und von außen, bei näherer Betrachtung, erfüllte und übertraf der Tempel Jesu Erwartungen; aber sobald er durch die heiligen Portale geschritten war, begann die große Ernüchterung. In Begleitung seiner Eltern ging er durch die Tempelvorhöfe, um sich zur Gruppe der neuen Söhne des Gesetzes zu gesellen, die im Begriffe waren, die Weihe als Bürger Israels zu empfangen. Er war ein bisschen enttäuscht von dem allgemeinen Verhalten der Menge im Tempel, aber den ersten großen Schock des Tages erhielt er, als seine Mutter sich von ihnen trennte, um auf die Frauengalerie zu gehen. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass seine Mutter ihn nicht zu den Weihehandlungen begleiten dürfte, und er war zutiefst empört darüber, dass sie eine solch ungerechte Diskriminierung zu erdulden hatte. Auch wenn ihn dies heftig aufbrachte, sagte er nichts außer einigen Bemerkungen des Protestes zu seinem Vater. Aber er dachte lange und intensiv darüber nach, wie es seine Fragen zeigen sollten, die er eine Woche später an die Schriftgelehrten und Lehrer richtete. Er ging durch die Riten der Weihe, war aber von ihrer oberflächlichen und routinemäßigen Natur enttäuscht. Er vermisste die persönliche Anteilnahme, wie sie den Zeremonien in der Synagoge von Nazareth eigen war. Darauf kehrte er zurück, um seine Mutter zu begrüßen, und machte sich dann bereit, seinen Vater auf seinem ersten Gang durch den Tempel und dessen verschiedene Höfe, Galerien und Korridore zu begleiten. Die Tempelvorhöfe konnten mehr als zweihunderttausend Gläubige auf einmal fassen, und obschon die Größe dieser Gebäude - im Vergleich mit allen, die er je gesehen hatte - mächtigen Eindruck auf ihn machte, so fesselte es ihn doch mehr, über die geistige Bedeutung der Tempelzeremonien und den diese begleitenden Kult nachzusinnen. Obgleich viele Tempelrituale seinen Sinn für das Schöne und Symbolische sehr berührten und beeindruckten, war er doch immer enttäuscht von der Erklärung der wirklichen Bedeutung dieser Zeremonien, welche seine Eltern ihm in Beantwortung seiner vielen forschenden Fragen gaben. Jesus wollte ganz einfach keine Erklärungen über Anbetung und religiöse Verehrung annehmen, die einen Glauben an den Zorn Gottes oder den Unwillen des Allmächtigen beinhalteten. Als sie diese Fragen nach Beendigung des Tempelbesuchs weiterdiskutierten und sein Vater milde darauf bestand, dass er sich die orthodoxen jüdischen Glaubensinhalte zu eigen mache, wandte sich Jesus plötzlich seinen Eltern zu, schaute seinem Vater flehend in die Augen und sagte: "Mein Vater, es kann nicht wahr sein - so kann der Vater im Himmel seine verirrten Kinder auf Erden nicht anschauen. Der himmlische Vater kann seine Kinder nicht weniger lieben als du mich liebst. Und ich weiß genau - ganz gleich, was für unbesonnene Dinge ich auch immer täte - du würdest nie deine Wut an mir auslassen, noch deiner Empörung gegen mich Luft machen. Wenn du, mein irdischer Vater, solch einen menschlichen Widerschein des Göttlichen besitzt, wieviel gütiger und voll überfließender Barmherzigkeit muss dann der himmlische Vater sein! Ich weigere mich zu glauben, dass mein Vater im Himmel mich weniger liebt als mein Vater auf Erden." Als Joseph und Maria diese Worte ihres erstgeborenen Sohnes hörten, blieben sie ruhig. Und nie wieder versuchten sie, ihn bezüglich der Liebe Gottes und der Barmherzigkeit des Vaters im Himmel umzustimmen. ***** 125.1 Jesus besichtigt den Tempel ***** Wo immer Jesus in den Tempelhöfen hinkam, war er schockiert und angewidert vom Geist der Ehrfurchtslosigkeit, den er beobachtete. Er fand, dass das Benehmen der Menschenmenge im Tempel mit ihrer Gegenwart im "Hause seines Vaters" nicht vereinbar sei. Aber der Schock seines jungen Lebens traf ihn, als sein Vater ihn in den Hof der Heiden begleitete, wo sich lärmende Gassensprache, lautes Reden und Fluchen in wildem Durcheinander mit dem Geblöke der Schafe und den klimpernden Geräuschen vermischten, welche die Anwesenheit der Geldwechsler und der Anbieter von Opfertieren und allerlei anderen Handelswaren verrieten. Aber am stärksten wurde sein Anstandsgefühl beim Anblick der frivolen Kurtisanen verletzt, die sich innerhalb des Tempelvorhofes zur Schau stellten, gerade solch geschminkter Frauen, wie er sie kürzlich während eines Besuchs in Sepphoris gesehen hatte. Diese Entweihung des Tempels erregte vollends seine ganze jugendliche Empörung, und er zögerte nicht, sich dazu Joseph gegenüber frei zu äußern. Jesus bewunderte die Atmosphäre und den Dienst des Tempels, aber er erschrak ob der geistigen Hässlichkeit, die er auf den Gesichtern so vieler gedankenloser Tempelgänger wahrnahm. Sie stiegen nun in den unterhalb des Felsenrandes gegenüber dem Tempel gelegenen Hof der Priester hinunter, wo der Altar stand, um zuzusehen, wie die Tiere herdenweise getötet wurden und wie sich die diensttuenden Schlächterpriester am Bronzebrunnen das Blut von den Händen wuschen. Das blutverschmierte Pflaster, die besudelten Hände der Priester und die Schreie der verendenden Tiere waren mehr, als dieser naturliebende Knabe ertragen konnte. Der schreckliche Anblick ekelte den Jungen aus Nazareth an; er fasste seinen Vater am Arm und bat darum, fortgebracht zu werden. Sie gingen durch den Hof der Heiden zurück, und sogar das grobe Gelächter und die profanen Späße, die er hier zu hören bekam, waren eine Erleichterung nach dem eben Erlebten. Joseph hatte gesehen, wie seinem Sohn beim Anblick der Tempelriten übel wurde, und er nahm ihn klugerweise mit, um ihm das "schöne Tor", das künstlerische Tor aus korinthischer Bronze zu zeigen. Aber Jesus hatte genug von seinem ersten Tempelbesuch. Sie kehrten in den oberen Hof zu Maria zurück und gingen dann eine Stunde lang abseits der Menschenmengen an der frischen Luft spazieren und besichtigten den Palast der Hasmonäer, den prachtvollen Wohnsitz des Herodes, und den Turm der römischen Garde. Unterwegs erklärte Joseph Jesus, dass es einzig den Bewohnern Jerusalems gestattet sei, den täglichen Opferungen im Tempel beizuwohnen, und dass die Bewohner Galiläas nur dreimal im Jahr herkamen, um am Tempelgottesdienst teilzunehmen: zum Passahfest, zum Pfingstfest (sieben Wochen nach Passah) und zum Laubhüttenfest im Oktober. Diese Feste hatte Moses eingeführt. Dann sprachen sie über die zwei Feste, die später eingeführt worden waren: das Tempelweihfest und das Purimfest. Anschließend begaben sie sich zu ihrer Unterkunft und bereiteten sich auf die Passahfeier vor. ***** 125.2 Jesus und Passah ***** Fünf Familien aus Nazareth waren die Gäste bzw. Freunde der Familie Simons von Bethanien bei der Passahfeier. Simon hatte das Passahlamm für die ganze Gesellschaft gekauft. Gerade die Abschlachtung dieser Lämmer in riesiger Zahl hatte Jesus während seines Tempelbesuchs so mitgenommen. Es war geplant, das Passahmahl mit Marias Verwandten einzunehmen, aber Jesus überredete seine Eltern, die Einladung nach Bethanien anzunehmen. An diesem Abend kamen sie für die Passahrituale zusammen und aßen das gebratene Fleisch mit ungesäuertem Brot und bitteren Kräutern. Da Jesus nun ein neuer Sohn des Bundes war, forderte man ihn auf, den Ursprung des Passahfestes zu erzählen, was er gut machte; aber er beunruhigte seine Eltern ein wenig durch die Einflechtung zahlreicher Bemerkungen, welche in milder Form die Eindrücke wiedergaben, die die kürzlich gesehenen und gehörten Dinge in seinem jugendlichen, aber nachdenklichen Gemüt hinterlassen hatten. Das war der Beginn der siebentägigen Feierlichkeiten des Passahfestes. Obwohl er seinen Eltern solche Angelegenheiten verschwieg, hatte Jesus schon so früh darüber nachzusinnen begonnen, ob es angemessen wäre, Passah ohne das geschlachtete Lamm zu feiern. Er fühlte in sich die Gewissheit, dass der Vater im Himmel sich an diesem Anblick der Opfergaben nicht erfreute, und im Laufe der Jahre wurde er immer entschlossener, eines Tages die Passahfeier ohne Blutvergießen einzuführen. In dieser Nacht schlief Jesus nur sehr wenig. Abstoßende Träume von Schlächtereien und Leiden beeinträchtigten seine Nachtruhe sehr. Sein Sinn war aufgewühlt und sein Herz zerrissen angesichts der Ungereimtheiten und Absurditäten der Theologie des ganzen jüdischen zeremoniellen Systems. Auch seine Eltern schliefen kaum. Die Ereignisse des gerade zu Ende gegangenen Tages beunruhigten sie sehr. Sie waren in ihren Herzen völlig aus der Fassung gebracht durch die ihrer Meinung nach befremdliche und entschlossene Haltung des Jungen. Maria litt während der ersten Hälfte der Nacht unter nervösen Störungen, aber Joseph bewahrte seine Ruhe, obwohl auch er vor einem Rätsel stand. Beide hatten Angst, offen mit dem Jungen über diese Probleme zu sprechen, obgleich Jesus über eine Aussprache mit seinen Eltern glücklich gewesen wäre, wenn sie nur gewagt hätten, ihn dazu zu ermutigen. Die Gottesdienste des nächsten Tages im Tempel waren für Jesus annehmbarer und trugen viel dazu bei, die unerfreulichen Eindrücke des Vortages abzuschwächen. Am darauf folgenden Morgen nahm sich der junge Lazarus Jesu an, und sie begannen, Jerusalem und seine Umgebung systematisch zu erkunden. Vor Tagesende hatte Jesus die verschiedenen Orte rund um den Tempel ausfindig gemacht, wo Lehr- und Fragestunden abliefen; abgesehen von einigen Besuchen im Allerheiligsten, wo er sich staunend fragte, was sich wohl wirklich hinter dem Trennungsschleier verberge, verbrachte er die meiste Zeit im Tempelbereich und bei den Lehrvorträgen. Während der ganzen Passahwoche behielt Jesus seinen Platz inmitten der neuen Söhne des Gebotes, und das bedeutete, dass er sich außerhalb des Geländers zu setzen hatte, das alle Personen, die nicht vollwertige Bürger Israels waren, absonderte. In dieser Weise auf seine Jugend aufmerksam gemacht, enthielt er sich der vielen Fragen, die in seinem Geiste auftauchten; wenigstens enthielt er sich ihrer solange, bis die Passahfeierlichkeiten vorüber und die Beschränkungen für die neu geweihten Jugendlichen aufgehoben waren. Am Mittwoch der Passahwoche erhielt Jesus die Erlaubnis, Lazarus nach Hause zu begleiten und die Nacht in Bethanien zu verbringen. An diesem Abend hörten Lazarus, Martha und Maria Jesus von zeitlichen und ewigen, menschlichen und göttlichen Dingen sprechen, und von diesem Abend an liebten ihn alle drei, als wäre er ihr eigener Bruder. Am Wochenende sah Jesus Lazarus weniger oft, da dieser nicht einmal zur Zulassung im äußeren Kreis der Tempeldiskussionen berechtigt war, aber wenigstens einigen öffentlichen Reden beiwohnte, die in den äußeren Höfen gehalten wurden. Lazarus war gleich alt wie Jesus, aber in Jerusalem waren die Jungen selten zur Weihe der Söhne des Gesetzes vor vollendetem dreizehntem Lebensjahr zugelassen. Während der Passahwoche fanden Jesu Eltern ihn immer wieder abseits für sich dasitzen, den jugendlichen Kopf in den Händen und tief in Gedanken versunken. Sie hatten ihn sich nie so verhalten gesehen, und da sie nicht wussten, wie sehr seine Gedanken in Aufruhr und sein Geist in Bedrängnis waren wegen der Erfahrung, die er durchlebte, waren sie in arger Verlegenheit; sie wussten nicht, was sie tun sollten. Sie waren froh, dass die Tage der Passahwoche vorübergingen, und sehnten sich danach, ihren sich so seltsam gebärdenden Sohn sicher in Nazareth zurück zu haben. Tag für Tag durchdachte Jesus all seine Probleme. Bis zum Wochenende hatte er manches zurechtgerückt; aber als es an der Zeit war, nach Nazareth zurückzukehren, wimmelte es in seinem jugendlichen Geist immer noch von Ungewissheiten, und eine Menge unbeantworteter Fragen und ungelöster Probleme bedrängte ihn. Vor ihrer Abreise aus Jerusalem trafen Joseph und Maria zusammen mit Jesu Lehrer aus Nazareth endgültige Abmachungen, dass Jesus mit Erreichen des fünfzehnten Lebensjahres zurückkehren solle, um mit seinem langen Studiengang an einer der bestbekannten Rabbiner-akademien zu beginnen. Jesus begleitete seine Eltern und seinen Lehrer bei ihren Schulbesuchen, aber sie waren alle unglücklich festzustellen, wie unberührt er von allem, was sie sagten und taten, zu sein schien. Seine Reaktionen auf den Besuch Jerusalems erfüllten Maria mit tiefem Schmerz, und Joseph war völlig aus der Fassung gebracht durch die seltsamen Bemerkungen und das ungewöhnliche Verhalten des Jungen. Alles in allem war die Passahwoche ein großes Ereignis in Jesu Leben gewesen. Er hatte sich über die Gelegenheit gefreut, mit einer großen Anzahl gleichaltriger Knaben Bekanntschaft zu machen, die wie er Kandidaten für die Weihe waren, und er nutzte solche Kontakte als Mittel zu erfahren, wie die Leute in Mesopotamien, Turkestan und Parthien und in den fernen westlichen Provinzen Roms lebten. Er war schon recht gut vertraut damit, wie die Jugend Ägyptens und anderer Gegenden in der Nähe Palästinas aufwuchs. Zu jenem Zeitpunkt waren Tausende von jungen Leuten in Jerusalem anwesend, und der Knabe aus Nazareth machte persönlich Bekanntschaft mit über hundertfünfzig von ihnen und befragte sie mehr oder weniger eingehend. Besonderes Interesse brachte er jenen entgegen, die aus den fernöstlichen und abgelegenen westlichen Ländern kamen. Diese Kontakte hatten zur Folge, dass der Junge fortan den Wunsch verspürte, die Welt zu bereisen, um zu erfahren, wie die verschiedenen Gruppen seiner Mitmenschen sich für ihr Fortkommen abmühten. ***** 125.3 Abreise Josephs und Marias ***** Es war verabredet worden, dass die Gruppe aus Nazareth sich etwa um zehn Uhr vormittags am ersten Wochentag nach Beendigung der Passahfestlichkeiten in der Gegend des Tempels versammeln sollte. So geschah es auch, und man machte sich auf die Rückreise nach Nazareth. Jesus war in den Tempel gegangen, um den Diskussionen zuzuhören, während seine Eltern die Versammlung ihrer Reisegefährten abwarteten. Bald war die Gesellschaft bereit zum Aufbruch. Die Männer gingen in einer Gruppe und die Frauen in einer andern, wie es ihre Gewohnheit war, wenn sie sich zu den Festen nach Jerusalem begaben und von dort zurückkehrten. Jesus war in Gesellschaft seiner Mutter und der Frauen nach Jerusalem gekommen. Da er nun ein junger Mann der Weihe war, hätte er mit seinem Vater und den Männern nach Nazareth zurückreisen sollen. Aber während sich die Gesellschaft aus Nazareth auf dem Weg nach Bethanien befand, war Jesus im Tempel vollkommen in eine Diskussion über die Engel vertieft und sich überhaupt nicht bewusst, dass die Zeit der Abreise seiner Eltern verstrichen war. Und er wurde erst gewahr, zurückgelassen worden zu sein, als die Tempelvorträge zur Mittagsstunde unterbrochen wurden. Die Reisenden aus Nazareth vermissten Jesus nicht, weil Maria annahm, er sei bei den Männern, während Joseph dachte, er sei bei den Frauen, da er auch mit ihnen nach Jerusalem gekommen war und Marias Esel geführt hatte. Sie entdeckten seine Abwesenheit erst, als sie Jericho erreichten und sich bereitmachten, dort die Nacht zu verbringen. Nachdem sie sich bei den zuletzt in Jericho angelangten Reisegefährten erkundigt und von ihnen erfahren hatten, dass keiner ihren Sohn gesehen hatte, verbrachten sie eine schlaflose Nacht. Sie fragten sich, was ihm wohl zugestoßen sei, erinnerten sich an seine vielen ungewöhnlichen Reaktionen auf die Ereignisse der Passahwoche und machten einander gegenseitig leise Vorwürfe, dass sie sich vor ihrer Abreise aus Jerusalem nicht seiner Anwesenheit in einer der beiden Gruppen versichert hatten. ***** 125.4 Erster und zweiter Tag im Tempel ***** Unterdessen war Jesus den ganzen Nachmittag über im Tempel geblieben, wo er den Diskussionen zuhörte und die stillere und würdigere Atmosphäre genoss, nachdem die großen Mengen der Passahwoche nahezu verschwunden waren. Nach dem Abschluss der nachmittäglichen Diskussionen, an denen sich Jesus nicht beteiligt hatte, begab er sich nach Bethanien, wo er gerade eintraf, als Simons Familie sich anschickte, das Abendessen einzunehmen. Die drei jungen Leute waren außer sich vor Freude, Jesus zu empfangen, und er blieb über Nacht in Simons Haus. Er plauderte nur wenig im Verlaufe des Abends und hielt sich lange Zeit allein und in Gedanken versunken im Garten auf. Am nächsten Morgen war Jesus schon früh auf dem Weg zum Tempel. Auf der Kuppe des Ölbergs blieb er stehen und weinte über den Anblick, der sich seinem Auge bot - ein geistig verarmtes, traditionsgebundenes Volk, das unter der Überwachung der römischen Legionen lebte. Am frühen Vormittag war er mit dem festen Vorsatz im Tempel, an den Diskussionen teilzunehmen. Unterdessen waren auch Joseph und Maria in der frühen Morgendämmerung aufgestanden, entschlossen, nach Jerusalem zurückzukehren. Zuerst begaben sie sich in aller Eile zu ihren Verwandten, wo sie als Familie in der Passahwoche gewohnt hatten, aber ihre Erkundigungen erbrachten, dass niemand Jesus gesehen hatte. Nachdem sie den ganzen Tag vergeblich gesucht und keine Spur von ihm gefunden hatten, kehrten sie für die Nacht zu ihren Verwandten zurück. In der zweiten Gesprächsrunde erkühnte sich Jesus, Fragen zu stellen, und in einer höchst erstaunlichen Weise nahm er nun an den Tempeldiskussionen teil, jedoch immer in einer seiner Jugend geziemenden Art. Manchmal brachten seine gezielten Fragen die gelehrten Lehrer des jüdischen Gesetzes einigermaßen in Verlegenheit, aber er legte einen solchen Geist aufrichtiger Anständigkeit und einen so offensichtlichen Wissenshunger an den Tag, dass die Mehrzahl der Tempellehrer geneigt war, ihn mit aller Achtung zu behandeln. Als er sich aber herausnahm zu bezweifeln, ob es gerecht sei, einen betrunkenen Heiden hinzurichten, der außerhalb des Hofes der Heiden umhergegangen war und ahnungslos die verbotenen und angeblich heiligen Tempelvorhöfe betreten hatte, verlor einer der weniger verständnisvollen Lehrer angesichts der versteckten Kritik des Jungen die Geduld und fragte, ihn finster anblickend, wie alt er sei. Jesus antwortete: "Es fehlen etwas mehr als vier Monate bis zu meinem dreizehnten Jahr." Der nun erzürnte Lehrer erwiderte: "Und wieso bist du hier, obschon du nicht das Alter eines Sohnes des Gesetzes hast?" Und nachdem Jesus erklärt hatte, dass er die Weihe während des Passah erhalten und seinen Lehrgang an den Schulen von Nazareth abgeschlossen hatte, gaben die Lehrer einhellig in spöttischem Ton zurück: "Wir hätten es wissen können; er kommt aus Nazareth." Aber der Leiter betonte, dass man nicht Jesus dafür tadeln dürfe, wenn die Verantwortlichen der Synagoge von Nazareth ihn technisch mit zwölf statt dreizehn Jahren zur Schlussprüfung zugelassen hatten; und obwohl einige seiner Kritiker sich erhoben und weggingen, wurde beschlossen, dass der Junge weiterhin unbehelligt als Schüler an den Tempeldiskussionen teilnehmen dürfe. Als dieser sein zweiter Tag im Tempel zu Ende war, begab er sich für die Nacht wieder nach Bethanien. Und wiederum ging er in den Garten, um zu meditieren und zu beten. Ganz offensichtlich war sein Geist mit der Betrachtung schwerwiegender Probleme beschäftigt. ***** 125.5 Dritter Tag im Tempel ***** Am dritten Tag, den Jesus mit den Schriftgelehrten und Lehrern im Tempel verbrachte, fanden sich viele Zuschauer ein, die von diesem Jungen aus Galiläa gehört hatten, um sich am Anblick eines Knaben, der die weisen Männer des Gesetzes in Verlegenheit brachte, zu ergötzen. Auch Simon kam von Bethanien herunter, um zu sehen, was der Junge vorhatte. Den ganzen Tag über setzten Joseph und Maria angsterfüllt ihre Suche nach Jesus fort. Mehrmals gingen sie sogar in den Tempel, dachten aber nie daran, sich die verschiedenen Diskussionsgruppen näher anzusehen, obwohl sie einmal beinahe in Hörweite seiner faszinierenden Stimme kamen. Bevor der Tag zu Ende ging, hatte sich die ganze Aufmerksamkeit der Haupt-Diskussionsgruppe des Tempels auf die Fragen konzentriert, die Jesus stellte. Unter seinen vielen Fragen befanden sich folgende: 1. Was existiert wirklich im Allerheiligsten hinter dem Schleier? 2. Wieso müssen die israelischen Mütter von den männlichen Tempelgängern getrennt sein? 3. Wenn Gott ein Vater ist, der seine Kinder liebt, wozu dann diese Tierschlächterei, um göttliche Gunst zu gewinnen - wurde die Lehre des Moses missverstanden? 4. Da doch der Tempel zur Anbetung des Vaters im Himmel bestimmt ist, ist es dann folgerichtig, die Anwesenheit jener zu gestatten, die sich mit weltlichen Tauschgeschäften und Handel befassen? 5. Wird der erwartete Messias ein weltlicher Fürst sein und auf Davids Thron sitzen, oder wird er als Licht des Lebens bei der Errichtung eines geistigen Königreichs wirken? Und den ganzen Tag über staunten alle, die zuhörten, über diese Fragen, und niemand wunderte sich mehr als Simon. Mehr als vier Stunden lang setzte dieser Knabe aus Nazareth den jüdischen Lehrern mit zum Nachdenken herausfordernden und das Gewissen erforschenden Fragen zu. Zu den Bemerkungen der Älteren nahm er nur wenig Stellung. Er übermittelte seine Unterweisung durch die Fragen, die er stellte. Durch deren geschickte und subtile Formulierung gelang es ihm, zu gleicher Zeit die Auffassung der Lehrer anzufechten und seine eigene durchblicken zu lassen. Seine Art, eine Frage zu stellen, war eine ansprechende Kombination aus Scharfsinn und Humor, die ihn selbst bei jenen beliebt machte, die sich mehr oder weniger an seiner Jugend stießen. Er war immer äußerst fair und rücksichtsvoll in seinen tiefschürfenden Fragen. An diesem bewegten Nachmittag im Tempel legte er genau jene Abneigung an den Tag, seine Überlegenheit über einen Gegner auszunutzen, die später sein ganzes öffentliches Wirken kennzeichnen sollte. Als Junge und später als Mann schien er vollkommen frei von jedem egoistischen Wunsch, eine Auseinandersetzung zu gewinnen, bloß um den Triumph der Logik über seine Gefährten auszukosten; denn nur eines interessierte ihn im höchsten Maße: die ewige Wahrheit zu verkünden und dadurch eine umfassendere Offenbarung des ewigen Gottes zu bewirken. Als der Tag vorüber war, kehrten Simon und Jesus nach Bethanien zurück. Den größten Teil der Strecke legten der Mann und der Knabe schweigend zurück. Wieder hielt Jesus auf der Kuppe des Ölbergs an, aber beim Anblick der Stadt und des Tempels weinte er nicht; er neigte nur den Kopf in schweigsamer Ehrfurcht. Nach dem Abendessen in Bethanien lehnte er es wiederum ab, sich der fröhlichen Gesellschaft anzuschließen. Stattdessen ging er in den Garten, wo er sich bis tief in die Nacht hinein aufhielt und vergebens versuchte, einen bestimmten Plan zu ersinnen, wie das Problem seines Lebenswerkes anzugehen sei, und zu entscheiden, wie er am besten vorgehen könnte, um seinen geistig blinden Landsleuten eine schönere Vorstellung vom himmlischen Vater zu offenbaren und sie dadurch von ihrem schrecklichen Joch des Gesetzes, der Riten, Zeremonien und verstaubten Traditionen zu befreien. Aber der nach Wahrheit suchende Junge gewann keine Klarheit. ***** 125.6 Vierter Tag im Tempel ***** Jesus dachte seltsamerweise nicht an seine irdischen Eltern; auch als Lazarus' Mutter beim Frühstück bemerkte, seine Eltern seien nun wohl bald zu Hause, schien Jesus nicht zu begreifen, dass sie über sein Zurückbleiben einigermaßen in Sorge sein mussten. Er begab sich wiederum zum Tempel, blieb aber nicht oben auf dem Ölberg stehen, um nachzudenken. Während der morgendlichen Diskussionen wurde viel Zeit auf das Gesetz und die Propheten verwendet, und die Lehrer waren erstaunt, dass Jesus mit den Schriften sowohl in Hebräisch wie auch in Griechisch so vertraut war. Aber seine Jugend erstaunte sie noch mehr als seine Kenntnis der Wahrheit. Am Nachmittag hatten sie kaum begonnen, seine Frage zu beantworten, die den Zweck des Gebetes betraf, als der Vorsitzende den Jungen aufforderte, nach vorn zu kommen. Und als er neben ihm saß, lud er ihn ein, seine eigenen Anschauungen über das Gebet und die Gottesverehrung darzulegen. Am Abend zuvor hatten Jesu Eltern von dem seltsamen Jungen gehört, der sich mit den Gesetzesauslegern so geschickt Wortgefechte lieferte, aber es war ihnen nicht in den Sinn gekommen, dass dieser Knabe ihr Sohn war. Sie hatten nahezu entschieden, sich zum Haus des Zacharias zu begeben, da sie dachten, Jesus sei möglicherweise dorthin gegangen, um Elisabeth und Johannes zu besuchen. Sie überlegten sich, Zacharias könnte vielleicht im Tempel sein und machten dort auf ihrem Weg nach der Stadt Juda Halt. Man stelle sich ihre Überraschung und Verwunderung vor, als sie auf ihrem Gang durch die Tempelhöfe die Stimme des vermissten Jungen erkannten und ihn mitten unter den Tempelgelehrten sitzend erblickten. Joseph war sprachlos, aber Maria machte ihrem lange aufgestauten Bangen und ihrer Beklemmung Luft, indem sie auf den Jungen zueilte, der aufgestanden war, um seine erstaunten Eltern zu begrüßen, und zu ihm sagte: "Mein Kind, warum hast du uns so behandelt? Seit mehr als drei Tagen suchen dein Vater und ich dich voller Kummer. Was ist nur in dich gefahren, uns zu verlassen?" Es war ein spannungsgeladener Augenblick. Aller Augen waren auf Jesus gerichtet in Erwartung dessen, was er sagen würde. Sein Vater schaute ihn vorwurfsvoll an, sagte aber nichts. Es sollte in Erinnerung gerufen werden, dass Jesus nun eigentlich als junger Mann galt. Er hatte die vorschriftsmäßige Schulzeit eines Kindes abgeschlossen, war als Sohn des Gesetzes anerkannt worden und hatte die Weihe als Bürger Israels erhalten. Dennoch erteilte ihm seine Mutter vor all den versammelten Leuten eine eher unsanfte Rüge, und zwar mitten in der ernstesten und erhabensten Anstrengung seines jungen Lebens, und sie brachte dadurch eine der größten Gelegenheiten, die sich Jesus je bot, als Lehrer der Wahrheit, Prediger der Rechtschaffenheit und Offenbarer des liebenden Charakters seines himmlischen Vaters zu wirken, zu einem unrühmlichen Ende. Aber der Junge zeigte sich den Umständen gewachsen. Wenn man alle an der Entstehung dieser Situation mitwirkenden Faktoren richtig in Betracht zieht, ist man besser imstande, die Weisheit der Antwort des Knaben auf den unabsichtlichen Tadel seiner Mutter zu ergründen. Nach kurzer Überlegung antwortete Jesus seiner Mutter folgendermaßen: "Warum habt ihr mich so lange gesucht? Würdet ihr nicht erwarten, mich in meines Vaters Haus zu finden, da die Zeit gekommen ist, dass ich mich um die Angelegenheiten meines Vaters kümmere?" Jedermann staunte über des Jungen Art zu sprechen. Schweigend zogen sich alle zurück und ließen ihn mit seinen Eltern allein. Augenblicklich verscheuchte er die Betretenheit aller drei, als er ruhig sprach: "Kommt, meine Eltern, jeder von uns hat nur getan, was ihm das Beste zu sein schien. Unser Vater im Himmel hat diese Dinge so angeordnet; lasst uns nach Hause gehen." Schweigend machten sie sich auf den Weg und kamen zur Übernachtung in Jericho an. Nur einmal hielten sie auf der Kuppe des Ölbergs an, als der Junge seinen Wanderstab hob und, vor starker Erregung von Kopf bis Fuß zitternd, sprach: "Oh Jerusalem, Jerusalem und deine Bewohner, was für Sklaven seid ihr - dem römischen Joch unterworfen und Opfer eurer eigenen Traditionen - aber ich werde zurückkehren, um den Tempel zu reinigen und mein Volk von dieser Knechtschaft zu befreien!" Auf der dreitägigen Rückreise nach Nazareth sprach Jesus nur wenig; auch seine Eltern sagten in seiner Gegenwart nicht viel. Sie wussten wirklich nicht mehr, wie sie das Verhalten ihres erstgeborenen Sohnes verstehen sollten, aber sie bewahrten seine Worte als kostbares Gut in ihren Herzen, auch wenn sie deren Bedeutung nicht ganz begreifen konnten. Als sie zu Hause anlangten, gab Jesus gegenüber seinen Eltern eine kurze Erklärung ab. Er versicherte sie seiner Zuneigung und gab ihnen zu verstehen, sie brauchten nicht zu fürchten, dass er ihnen je wieder Anlass zu Besorgnis wegen seines Verhaltens geben würde. Er schloss diese wichtige Erklärung mit den Worten: "Obwohl ich den Willen meines Vaters im Himmel tun muss, werde ich auch meinem irdischen Vater gehorsam sein. Ich werde meine Stunde abwarten." Auch wenn sich Jesus in seinem Innern oft weigerte, den gut gemeinten, aber irrigen Versuchen seiner Eltern zuzustimmen, seinen Gedanken die Richtung vorzuschreiben oder den Plan seines irdischen Wirkens festzulegen, so fügte er sich dennoch auf geziemende Art den Wünschen seines irdischen Vaters und den Bräuchen seiner leiblichen Familie in jeder Weise, die sich mit seiner Hingabe an den Willen seines paradiesischen Vaters vereinbaren ließ. Selbst wenn er nicht zustimmen konnte, tat er doch alles nur Mögliche, um sich anzupassen. Er war ein Künstler, wenn es darum ging, seine Hingabe an seine Aufgabe mit den Verpflichtungen gegenüber der Familie und dem Dienst an der Gemeinschaft abzustimmen. Joseph stand vor einem Rätsel, aber Maria, je länger sie über das Erlebte nachdachte, fasste neuen Mut und betrachtete schließlich seinen Ausspruch auf dem Ölberg als prophetisch im Sinne der messianischen Sendung ihres Sohnes als Befreier Israels. Sie machte sich mit neuer Energie daran, seine Gedanken in patriotische und nationalistische Kanäle zu lenken und gewann dafür die Unterstützung ihres Bruders, des Lieblingsonkels Jesu. Und auf jede erdenkliche andere Weise widmete sich Jesu Mutter der Aufgabe, ihren erstgeborenen Sohn darauf vorzubereiten, dereinst die Führung jener zu übernehmen, die den Thron Davids wiederherstellen und das heidnische Joch politischer Knechtung für immer abschütteln würden. ****** Kapitel 126 Die Beiden Entscheidenden Jahre ****** VON allen irdischen Lebenserfahrungen Jesu waren jene des vierzehnten und fünfzehnten Jahres die entscheidendsten. Diese zwei Jahre zwischen dem Zeitpunkt, da er sich seiner Göttlichkeit und Sendung bewusst wurde und jenem, da er mit seinem ihm innewohnenden Gedankenjustierer einen weitgehenden Kontakt erreichte, waren die schwierigsten seines ereignisreichen Lebens auf Urantia. Es ist diese zweijährige Zeitspanne, die man die große Prüfung, die eigentliche Versuchung, nennen sollte. Kein junger Mensch, der durch die frühen Wirren und Anpassungsprobleme der Adoleszenz hindurchgegangen ist, hat je eine entscheidendere Prüfung erlebt als jene, welche Jesus während des Übergangs vom Kindes- zum Mannesalter durchmachte. Diese wichtige Zeit in Jesu jugendlicher Entwicklung begann mit dem Ende des Besuchs in Jerusalem und mit seiner Rückkehr nach Nazareth. Anfangs war Maria glücklich bei dem Gedanken, ihren Jungen wieder zu Hause zu haben und darüber, dass Jesus zurückgekehrt war, um ein pflichtbewusster Sohn zu sein - nicht dass er jemals etwas anderes gewesen wäre - und dass er hinfort empfänglicher sein würde für ihre Pläne für sein zukünftiges Leben. Aber sie sollte sich nicht lange in mütterlicher Täuschung und unbewusstem Familienstolz sonnen; sehr bald sollte sie nur noch mehr ernüchtert werden. Der Sohn war immer öfter in der Gesellschaft seines Vaters und kam immer seltener mit seinen Problemen zu ihr, während beiden Eltern sein häufiger Wechsel zwischen den Dingen dieser Welt und dem Sinnen über seine Verbindung mit den Angelegenheiten seines himmlischen Vaters immer unverständlicher wurde. Sie begriffen ihn ganz einfach nicht, aber sie liebten ihn wahrhaftig. Je älter er wurde, umso stärker wurde Jesu Mitleid mit dem jüdischen Volk und seine Liebe zu ihm, aber im Laufe der Jahre wuchs in ihm auch eine gerechte Empörung gegen die Anwesenheit von Priestern in seines Vaters Tempel, die aus politischen Gründen eingesetzt worden waren. Jesus hatte große Achtung vor den aufrichtigen Pharisäern und den ehrlichen Schriftgelehrten, aber er verabscheute die scheinheiligen Pharisäer und die unehrlichen Theologen; er schaute mit Verachtung auf alle unaufrichtigen religiösen Führer. Bei näherer Betrachtung der Führung Israels war er manchmal versucht, mit der Möglichkeit zu liebäugeln, selber der von den Juden erwartete Messias zu werden, aber er gab einer solchen Versuchung nie nach. Über die Geschichte seines rühmlichen Auftretens unter den weisen Männern des Tempels in Jerusalem freute sich ganz Nazareth, und insbesondere seine früheren Lehrer an der Synagogenschule. Eine Zeit lang war sein Lob in aller Munde. Das ganze Dorf sprach von seiner frühen Weisheit und seinem löblichen Benehmen und sagte voraus, dass er ein großer Führer in Israel werden würde; endlich sollte ein wirklich großer Lehrmeister aus Nazareth in Galiläa hervorgehen. Und sie freuten sich alle auf die Zeit, da er, fünfzehn Jahre alt geworden, das Recht erhalten würde, offiziell am Sabbat in der Synagoge die Schriften zu lesen. ***** 126.1 Sein Vierzehntes Jahr (8 n. Chr.) ***** Dies ist das Kalenderjahr seines vierzehnten Geburtstags. Er war ein tüchtiger Hersteller von Jochen geworden und arbeitete gut mit Tuch und Leder. Er entwickelte sich auch rasch zu einem geschickten Zimmermann und Möbeltischler. In diesem Sommer begab er sich oft auf die Bergkuppe nordwestlich von Nazareth, um zu beten und nachzudenken. Schrittweise wurde er sich der Natur seiner Selbsthingabe auf Erden bewusster. Nur etwas mehr als hundert Jahre zuvor war diese Anhöhe die "hohe Stätte Baals" gewesen, und nun befand sich hier das Grab Simeons, eines bekannten heiligen Mannes Israels. Vom Gipfel dieser Simeon-Anhöhe konnte Jesus Nazareth und die umliegende Gegend überschauen. Megiddo erblickend, erinnerte er sich an die Geschichte der ägyptischen Armee, die hier ihren ersten großen Sieg in Asien errang, und daran, wie später eine andere solche Armee Joschija, den König von Juda, bezwang. Nicht weit davon konnte er Tanach sehen, wo Deborah und Barak Sisera vernichtet hatten, und in der Ferne die Berge von Dothan, wo, wie man ihn gelehrt hatte, Joseph von seinen Brüdern in die ägyptische Sklaverei verkauft worden war. Er ließ dann seinen Blick nach Ebal und Gerizim hinüberschweifen und ging in Gedanken die Überlieferungen von Abraham, Jakob und Abimelech durch. Und so rief er sich die historischen und von der Tradition überlieferten Ereignisse des Volkes seines Vaters Joseph in Erinnerung und sann darüber nach. Er setzte seinen Leseunterricht für Fortgeschrittene bei den Synagogenlehrern fort, und fuhr zu Hause auch mit der Erziehung seiner Brüder und Schwestern fort, sobald diese das erforderliche Alter erreicht hatten. Zu Beginn dieses Jahres traf Joseph Vorkehrungen, das Einkommen aus seinem Besitz in Nazareth und Kapernaum zur Seite zu legen, um Jesu langen Studiengang in Jerusalem bezahlen zu können; denn es war geplant, dass Jesus im August des nächsten Jahres mit Erreichen des fünfzehnten Lebensjahres nach Jerusalem gehen sollte. Zu Beginn dieses Jahres kamen Joseph und Maria oft Zweifel bezüglich der Sendung ihres erstgeborenen Sohnes. Er war wirklich ein hochbegabtes und liebenswertes Kind, aber er war so schwer zu verstehen und so unergründlich, und zudem geschah nie etwas Außergewöhnliches oder Wunderbares. Unzählige Male hielt seine stolze Mutter in atemloser Spannung inne, weil sie erwartete, ihr Sohn werde irgendeine übermenschliche und wunderbare Tat vollbringen, aber ihre Hoffnungen wurden immer grausam enttäuscht. Und all das war entmutigend, sogar bedrückend. Die frommen Leute jener Tage glaubten tatsächlich, dass Propheten und Männer der Verheißung ihre Berufung stets unter Beweis stellten und ihre göttliche Autorität auf das Wirken von Mirakeln und Wundertaten gründeten. Aber Jesus tat nichts dergleichen; deshalb wuchs die Ratlosigkeit seiner Eltern ständig, wenn sie sich über seine Zukunft Gedanken machten. Die besser gewordene finanzielle Lage der Familie von Nazareth kam im Hause auf mancherlei Weise zum Ausdruck und insbesondere in der wachsenden Zahl glatter weißer Platten, welche als Schreibtafeln verwendet wurden und worauf man mit Kohle schrieb. Jesus durfte auch seine Musikstunden wieder aufnehmen; er liebte das Harfenspiel sehr. Man kann wirklich sagen, dass Jesus während dieses Jahres "in der Gunst Gottes und der Menschen wuchs". Die Aussichten für die Familie schienen gut; die Zukunft war hell. ***** 126.2 Josephs Tod ***** Alles ging gut bis zu jenem verhängnisvollen Dienstag, dem 25. September, als ein Läufer von Sepphoris in das Heim von Nazareth die tragische Nachricht brachte, dass Joseph, während er am Amtssitz des Landesherrn arbeitete, durch das Umstürzen eines Hebebaums schwer verletzt worden sei. Der Bote von Sepphoris hatte auf dem Wege zu Josephs Heim in der Werkstatt Halt gemacht und Jesus über den Unfall seines Vaters informiert, und zusammen gingen sie nach Hause, um Maria die traurige Nachricht zu eröffnen. Jesus wünschte, sich augenblicklich zu seinem Vater zu begeben, aber Maria wollte von nichts anderem hören, als an ihres Gatten Seite zu eilen. Sie bestimmte, dass der damals zehnjährige Jakobus sie nach Sepphoris begleiten, Jesus hingegen mit den jüngeren Kindern bis zu ihrer Rückkehr zu Hause bleiben solle; denn sie wusste nicht, wie schwer Joseph verletzt worden war. Aber Joseph erlag seinen Verletzungen, bevor Maria ankam. Man brachte ihn nach Nazareth, und am folgenden Tag wurde er neben seinen Vorfahren zur letzen Ruhe gebettet. Gerade in dem Augenblick, da die Aussichten gut waren und die Zukunft verheißungsvoll schien, streckte eine vermeintlich grausame Hand das Haupt dieses nazarenischen Haushalts nieder, das Leben in diesem Hause wurde jäh unterbrochen, und jeglicher Plan für Jesus und seine zukünftige Erziehung war zunichte gemacht worden. Dieser junge Zimmermann, der gerade sein vierzehntes Lebensjahr vollendet hatte, wurde auf einmal inne, dass er nicht nur den Auftrag seines himmlischen Vaters, die göttliche Natur auf Erden und im Fleisch zu offenbaren, zu erfüllen hatte, sondern dass seine junge menschliche Natur auch die Verantwortung für seine verwitwete Mutter und sieben Brüder und Schwestern - und ein noch Ungeborenes - auf sich nehmen musste. Dieser Junge von Nazareth wurde auf einmal die einzige Stütze und der einzige Trost dieser so plötzlich verwaisten Familie. Und so durften diese in der natürlichen Ordnung der Dinge auf Urantia liegenden Begebenheiten geschehen, die diesen jungen Mann der Verheißung zwangen, schon so früh die schweren, aber höchst erzieherischen und die Selbstzucht fördernden Verantwortlichkeiten zu übernehmen, die ihm daraus erwuchsen, dass er nun das Haupt einer menschlichen Familie geworden war, der Vater seiner eigenen Brüder und Schwestern, und dass er seine Mutter zu unterstützen und zu beschützen und über seines Vaters Heim zu wachen hatte, das einzige Heim, das er kennen sollte, während er auf dieser Erde weilte. Jesus nahm die Verantwortung, die so plötzlich auf ihn fiel, willig an, und trug sie getreu bis zum Ende. Auf diese Weise hatte wenigstens ein großes Problem und eine voraussehbare Schwierigkeit in seinem Leben eine wenn auch tragische Lösung gefunden - niemand erwartete jetzt mehr von ihm, dass er nach Jerusalem ginge, um bei den Rabbinern zu studieren. Es blieb immer wahr, dass Jesus "niemand zu Füßen saß". Er war stets bereit, sogar vom unscheinbarsten kleinen Kind zu lernen, aber nie leitete er die Autorität, Wahrheit zu lehren, aus menschlichen Quellen ab. Er wusste immer noch nichts vom Besuch Gabriels bei seiner Mutter vor seiner Geburt; er erfuhr davon erst durch Johannes am Tage seiner Taufe zu Beginn seines öffentlichen Wirkens. Im Laufe der Jahre maß dieser junge Zimmermann aus Nazareth immer mehr jede gesellschaftliche Einrichtung und jede religiöse Gepflogenheit an dem unveränderlichen Kriterium: Was tut sie für die menschliche Seele? Bringt sie Gott dem Menschen näher? Bringt sie den Menschen Gott näher? Auch wenn dieser Junge die gesellschaftlichen und freizeitlichen Aspekte des Lebens nicht ganz vernachlässigte, so verwandte er doch seine Zeit und Energie immer mehr auf zwei Aufgaben: die Sorge für seine Familie und die Vorbereitung darauf, seines Vaters himmlischen Willen auf Erden zu tun. In diesem Jahr wurde es für die Nachbarn zur Gewohnheit, während der Winterabende hereinzukommen, um Jesus auf der Harfe spielen zu hören, seinen Geschichten zu lauschen (denn der Junge war ein meisterhafter Geschichtenerzähler) und ihn aus den griechischen Schriften vorlesen zu hören. Die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Familie verliefen weiterhin recht zufrieden stellend, da bei Josephs Tod eine ziemlich ansehnliche Geldsumme vorhanden war. Jesus zeigte früh ein ausgeprägtes Urteilsvermögen in Geschäftlichem und Scharfsinn in Geldangelegenheiten. Er war weitherzig, aber genügsam; er war sparsam, aber freigebig. Er erwies sich als weiser und tüchtiger Verwalter des väterlichen Besitzes. Aber trotz aller Bemühungen Jesu und der Nachbarn von Nazareth, eine heitere Stimmung ins Haus zu bringen, lag Traurigkeit über Maria und sogar den Kindern. Joseph war nicht mehr da. Joseph war ein außergewöhnlicher Gatte und Vater gewesen, und sie vermissten ihn alle. Und es schien umso tragischer, denken zu müssen, dass er gestorben war, ehe sie hatten mit ihm sprechen oder seinen Abschiedssegen hören können. ***** 126.3 Das Fünfzehnte Jahr (9 n. Chr.) ***** Bis zur Mitte seines fünfzehnten Jahres - wir rechnen die Zeit gemäß dem Kalender des zwanzigsten Jahrhunderts, nicht nach dem jüdischen Jahr - hatte Jesus die Angelegenheiten seiner Familie fest in den Griff bekommen. Noch vor Jahresende waren ihre Ersparnisse so ziemlich aufgebraucht, und sie fanden sich vor der Notwendigkeit, eines der Häuser von Nazareth zu veräußern, das sich im gemeinsamen Besitz Josephs und seines Nachbarn Jakob befand. Ruth, die Jüngste der Familie, wurde am Mittwochabend, dem 17. April 9 n. Chr., geboren, und Jesus bemühte sich nach besten Kräften, seiner Mutter während dieser schweren und besonders traurigen Prüfung anstelle seines Vaters beizustehen und zu helfen. Während fast zwanzig Jahren (bis zum Beginn seines öffentlichen Wirkens) hätte kein Vater seine Tochter inniger und treuer lieben und aufziehen können, als Jesus es für die kleine Ruth tat. Und er war allen anderen Familienmitgliedern ein ebenso guter Vater. In diesem Jahr formulierte Jesus zum ersten Mal das Gebet, das er später seine Apostel lehrte und das so vielen als "Vaterunser" bekannt wurde. Es war in gewissem Sinne eine Weiterentwicklung des Familienaltars; die Familie besaß viele Formen der Lobpreisung und mehrere förmliche Gebete. Nach seines Vaters Tod versuchte Jesus, die älteren Kinder zu lehren, sich individuell im Gebet auszudrücken - gerade wie er es selber so gern tat - aber sie vermochten seine Idee nicht zu fassen und fielen unweigerlich immer wieder in ihre auswendig gelernten Gebetsformen zurück. In dem Bemühen, seine älteren Brüder und Schwestern anzuregen, sich im Gebet individuell auszudrücken, versuchte Jesus, sie mit suggestiven Sätzen anzuleiten, und nun fand es sich, ganz ohne seine Absicht, dass sie alle eine Gebetsform benutzten, die weitgehend auf den Leitlinien aufbaute, die Jesus sie gelehrt hatte. Schließlich ließ Jesus die Idee fallen, jedes Familienmitglied dahin zubringen, sich in spontanen Gebeten auszudrücken, und so setzte er sich eines Abends im Oktober neben die kleine flache Lampe an den niedrigen Steintisch und schrieb mit einem Stück Kohle auf ein glattes Zedernholzbrett von fünfundvierzig Zentimetern im Quadrat das Gebet, das von da an zum üblichen Bittgebet der Familie wurde. In diesem Jahr machten verwirrende Gedanken Jesus viel zu schaffen. Die Verantwortung für die Familie hatte sehr wirksam alle Überlegungen für die sofortige Ausführung jedweden Plans vertrieben, welcher der Direktive des ihm in Jerusalem erschienenen Sendboten entsprochen hätte, "sich der Angelegenheiten seines Vaters anzunehmen". Jesus überlegte sich zu Recht, dass der Sorge um die Familie seines irdischen Vaters vor allen anderen Pflichten Vorrang gebühre, dass der Unterhalt seiner Familie seine wichtigste Verpflichtung zu sein habe. Im Laufe dieses Jahres fand Jesus im sogenannten Buch Enoch einen Abschnitt, der ihn bei der späteren Wahl des Ausdrucks "Menschensohn" als Bezeichnung für seine Mission der Selbsthingabe auf Urantia beeinflusste. Er hatte über die Idee des jüdischen Messias gründlich nachgedacht und war zu der festen Überzeugung gelangt, dass er nicht dieser Messias sein würde. Er sehnte sich danach, dem Volk seines Vaters zu helfen, aber er dachte nie daran, an der Spitze jüdischer Armeen die Fremdherrschaft über Palästina zu beenden. Er wusste, dass er nie auf dem Thron Davids in Jerusalem sitzen würde. Auch glaubte er nicht, dass seine Aufgabe die eines geistigen Befreiers oder sittlichen Erziehers ausschließlich für das jüdische Volk sei. Deshalb konnte seine Lebensaufgabe in keiner Weise die Erfüllung der sehnlichen Erwartungen und vermeintlichen messianischen Weissagungen der hebräischen Schriften sein; wenigstens nicht auf die Art, wie die Juden diese Weissagungen der Propheten verstanden. Ebenso sicher war er, dass er nie als der vom Propheten Daniel geschilderte Menschensohn erscheinen würde. Aber wie würde er sich selber nennen, wenn einmal seine Zeit gekommen wäre, als Lehrer der Welt hervorzutreten? Welchen Anspruch sollte er hinsichtlich seiner Sendung erheben? Bei welchem Namen würden ihn jene nennen, die an seine Lehren zu glauben begännen? Während er über all diese Probleme nachsann, fand er in der Bibliothek der Synagoge von Nazareth unter den apokalyptischen Büchern, die er gerade studiert hatte, dieses "das Buch Enoch" genannte Manuskript; und obgleich er sicher war, dass es nicht vom historischen Enoch stammte, so fesselte es ihn doch sehr, und er las und las es immer wieder. Es kam da ein Abschnitt vor, der ihn besonders beeindruckte und in welchem der Ausdruck "Menschensohn" vorkam. Der Verfasser dieses so genannten Buchs Enoch fuhr fort, von dem Menschensohn zu erzählen, indem er das Werk beschrieb, das dieser auf Erden verrichten würde, und erklärte, dass dieser Menschensohn, bevor er auf die Erde hinabgestiegen war, um den Menschen das Heil zu bringen, mit seinem Vater, dem Vater von allem, durch die Hallen himmlischer Herrlichkeit geschritten war; und dass er all diese Größe und Pracht hinter sich gelassen hatte, um auf die Erde hinab zu kommen und den bedürftigen sterblichen Menschen das Heil zu verkünden. Während Jesus diese Zeilen las (und dabei sehr wohl begriff, dass vieles vom östlichen Mystizismus, das diesen Lehren beigemischt worden war, falsch war), sagten ihm Herz und Verstand, dass von allen messianischen Weissagungen der hebräischen Schriften und allen Theorien über den jüdischen Befreier keine der Wahrheit so nahe kam wie gerade diese Geschichte, die im nur teilweise anerkannten Buch Enoch verborgen lag; dort und damals beschloss er, sich unter dem Titel "Menschensohn" einzuführen. Und genau das tat er zu Beginn seines späteren öffentlichen Wirkens. Jesus hatte ein untrügliches Gespür bei der Wahrheitsfindung, und er zögerte nie, die Wahrheit anzunehmen, aus welcher Quelle auch immer sie stammen mochte. Um diese Zeit hatte er vieles im Zusammenhang mit seinem künftigen Wirken für die Welt schon gründlich festgelegt, aber er sprach über diese Angelegenheiten nie zu seiner Mutter, die zäh an ihrer Überzeugung festhielt, dass er der jüdische Messias sei. Aber nun begann für Jesus die große Verwirrung seiner Jugendjahre. Nachdem er sich einigermaßen über die Natur seiner Mission auf Erden klar geworden war, "sich um die Angelegenheiten seines Vaters zu kümmern" - der ganzen Menschheit die liebende Natur seines Vaters zu verkünden - begann er von neuem über die vielen Schriftstellen nachzusinnen, die sich auf das Kommen eines nationalen Befreiers, eines jüdischen Lehrers oder Königs bezogen. Auf welches Ereignis wiesen diese Prophezeiungen hin? War er ein Jude, oder war er keiner? War er vom Geschlecht Davids oder nicht? Seine Mutter behauptete: ja; sein Vater hatte geurteilt: nein. Er entschied, dass er es nicht war. Hatten die Propheten etwa die Natur und die Sendung des Messias durcheinander gebracht? Wäre es am Ende möglich, dass seine Mutter doch Recht hatte? Wenn in der Vergangenheit Meinungsverschiedenheiten aufgetreten waren, hatte sie meistens Recht gehabt. Wenn er ein neuer Lehrer, aber nicht der Messias wäre, wie sollte er dann den jüdischen Messias erkennen, wenn ein solcher in Jerusalem während seiner irdischen Mission erscheinen sollte, und weiter, welcher Art sollte seine Beziehung zu diesem jüdischen Messias sein ? Und wie sollte seine Beziehung zu seiner Familie aussehen, nachdem er mit seiner Lebenssendung begonnen hätte? Und zur jüdischen Gemeinschaft und Religion? Zum römischen Kaiserreich? Zu den Heiden und ihren Religionen? Jedes dieser bedeutenden Probleme bewegte dieser junge Galiläer in seinem Geist, und er sann ernsthaft darüber nach, während er an der Hobelbank arbeitete und mühsam den Lebensunterhalt für sich, seine Mutter und acht andere hungrige Münder verdiente. Gegen Ende dieses Jahres sah Maria, dass die Mittel der Familie abnahmen. Sie übertrug Jakobus den Verkauf der Tauben. Bald darauf kauften sie eine zweite Kuh und begannen, mit Miriams Hilfe ihren Nachbarn in Nazareth Milch zu verkaufen. Jesu Zeiten tiefer Meditation, seine häufigen Gänge zum Gipfel der Anhöhe, um zu beten, und die vielen seltsamen Ideen, die er hin und wieder äußerte, beunruhigten seine Mutter zutiefst. Manchmal dachte sie, der Junge sei verrückt, aber dann beruhigte sie ihre Ängste, indem sie sich in Erinnerung rief, dass er schließlich ein Kind der Verheißung und auf gewisse Weise anders als die übrigen Jungen war. Aber Jesus lernte es, nicht über all seine Gedanken zu reden und seine Ideen nicht jedermann, nicht einmal seiner eigenen Mutter, mitzuteilen. Von diesem Jahr an wurden die Äußerungen Jesu über das, was in seinen Gedanken vorging, immer spärlicher; das heißt, er sprach weniger über Dinge, die eine durchschnittliche Person nicht fassen konnte, und die dazu führen würden, dass man ihn als sonderbar oder verschieden von den Durchschnittsbürgern ansähe. Nach außen hin wurde er alltäglich und konventionell, obgleich er sich sehr nach jemandem sehnte, der seine Probleme hätte verstehen können. Es verlangte ihn heftig nach einem vertrauenswürdigen und engen Freund, aber seine Probleme waren zu komplex, um von seinen Mitmenschen verstanden zu werden. Die Einzigartigkeit der ungewöhnlichen Situation zwang ihn dazu, seine Bürden allein zu tragen. ***** 126.4 Erste Predigt in der Synagoge ***** Von seinem fünfzehnten Geburtstag an stand es Jesus offiziell zu, am Sabbat auf der Synagogenkanzel zu stehen. Viele Male zuvor hatte man ihn gebeten, die Schriften zu lesen, wenn gerade kein Redner anwesend war, aber nun war der Tag gekommen, da er laut Gesetz den Gottesdienst leiten durfte. Deshalb traf der Chazan die nötigen Anordnungen, damit Jesus am ersten Sabbat nach seinem fünfzehnten Geburtstag den Morgendienst in der Synagoge übernehmen konnte. Und nachdem sich alle Gläubigen von Nazareth versammelt hatten, stand der junge Mann, der seine Auswahl unter den Schriften getroffen hatte, auf und begann zu lesen: "Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Sanftmütigen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, die gebrochenen Herzens sind; damit ich den Gefangenen die Freiheit verkündige und die in geistiger Gefangenschaft sind befreie; damit ich ein Gnadenjahr des Herrn und den Tag der Abrechnung unseres Gottes ausrufe; damit ich alle Trauernden tröste und ihnen Schönheit statt Asche bringe, Freudenöl statt Wehklagen und ein Preislied anstelle des Trauergeistes. Und man wird sie die Bäume der Rechtschaffenheit nennen, die Pflanzung des Herrn, durch die er verherrlicht werden möge. Sucht das Gute, nicht das Böse, damit ihr lebet, und der Herr, der Gott der Heerscharen, wird mit euch sein. Hasst das Böse und liebt das Gute, und verschafft dem Recht vor Gericht Geltung! Vielleicht wird Gott, der Herr, den Nachkommen Josephs gnädig sein. Wascht euch, reinigt euch! Lasst ab von eurem üblen Treiben! Hört auf, vor meinen Augen Böses zu tun! Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für Gerechtigkeit! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Vaterlosen Recht und tretet für die Witwen ein! Womit soll ich vor den Herrn treten und mich verneigen vor dem Gott der ganzen Erde? Soll ich mit Brandopfern vor ihn treten, mit einjährigen Kälbern? Hat der Herr Gefallen an Tausenden von Widdern, an Zehntausenden von Schafen und an Strömen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für meine Vergehen, die Frucht meines Leibes für die Sünde meiner Seele? Nein! Denn der Herr hat uns, oh Menschen, gezeigt, was gut ist. Was verlangt der Herr anderes von euch, als Recht zu tun, die Barmherzigkeit zu lieben und in Demut den Weg mit eurem Gott zu gehen? Mit wem wollt ihr Gott vergleichen, der über dem Erdkreis thront? Blickt auf und seht, wer all diese Welten erschaffen hat, wer ihre Heerscharen in großer Zahl hervorbringt und sie alle bei ihrem Namen nennt! Er tut all diese Dinge durch seine große Macht, und da seine Kraft gewaltig ist, versagt auch nicht einer. Er gibt den Schwachen Kraft und den Müden neue Energie. Fürchtet euch nicht, denn ich bin bei euch; bleibt unbeirrt, denn ich bin eurer Gott. Ich werde euch stärken und euch helfen. Ja, mit der rechten Hand meiner Gerechtigkeit werde ich euch aufrechthalten, denn ich bin der Herr, euer Gott. Und ich werde eure rechte Hand halten und euch sagen: fürchtet euch nicht, denn ich werde euch helfen. "Und du bist mein Zeuge, spricht der Herr, und mein Diener, den ich auserwählt habe, damit alle mich kennen und mir glauben und begreifen, dass ich der Ewige bin. Ich, ja ich bin der Herr, und außer mir gibt es keinen Retter." Und nachdem er gelesen hatte, setzte er sich, und die Leute gingen nach Hause und dachten über die Worte nach, die er ihnen so freundlich vorgelesen hatte: Nie hatten seine Mitbürger ihn so wunderbar feierlich gesehen; nie hatte sich seine Stimme so ernst und aufrichtig angehört; nie war er ihnen so männlich und entschlossen, so voller Autorität, erschienen. An diesem Sabbatnachmittag erklomm Jesus mit Jakobus die Anhöhe von Nazareth, und bei ihrer Rückkehr schrieb er mit Kohle die Zehn Gebote in Griechisch auf zwei glatte Tafeln. Später färbte und schmückte Martha diese Tafeln, und lange Zeit hingen sie an der Wand über Jakobus' kleiner Werkbank. ***** 126.5 Finanzielles Ringen ***** Allmählich kehrten Jesus und seine Familie zu dem einfachen Leben ihrer früheren Jahre zurück. Ihre Kleidung und sogar ihre Nahrung wurden einfacher. Sie hatten reichlich Milch, Butter und Käse und ernteten im Wechsel der Jahreszeiten die Früchte ihres Gartens, aber jeder kommende Monat nötigte sie zu noch größerer Einschränkung. Ihr Frühstück war sehr genügsam; sie sparten die besten Speisen für das Abendessen auf. Dessen ungeachtet zog unter den Juden der Mangel an materiellen Gütern keine gesellschaftliche Schlechterstellung nach sich. Schon hatte dieser junge Mensch ein beinahe vollkommenes Verständnis der Lebensweise der Menschen seiner Zeit erworben. Und wie gut er das Leben im Hause, auf dem Feld und in der Werkstatt kannte, zeigt sich in seinen späteren Lehren, die ein so beredter Ausdruck seiner innigen Vertrautheit mit allen Aspekten menschlicher Erfahrung sind. Der Chazan von Nazareth hielt nach wie vor an seinem Glauben fest, Jesus werde einmal ein großer Lehrer, möglicherweise der Nachfolger des berühmten Gamaliel in Jerusalem. Offenbar waren alle Pläne Jesu für seinen Werdegang durchkreuzt worden. So wie die Dinge sich jetzt entwickelten, sah die Zukunft nicht rosig aus. Aber er schwankte nicht und ließ sich nicht entmutigen. Er lebte weiter, Tag für Tag, löste die jeweils anstehende Aufgabe gut und nahm gewissenhaft seine unmittelbare Verantwortung in der jeweiligen Lebenslage wahr. Das Leben Jesu ist der immerwährende Trost aller enttäuschten Idealisten. Der Lohn eines gewöhnlichen, im Tagelohn arbeitenden Zimmermanns ging langsam zurück. Am Ende dieses Jahres vermochte Jesus, obwohl von früh bis spät an der Arbeit, nur etwa fünfundzwanzig heutige Cents pro Tag zu verdienen. Im nächsten Jahr hatten sie Mühe, die Bürgersteuer zu bezahlen, ganz zu schweigen von den Synagogenabgaben und der Tempelsteuer von einem halben Schekel. Im Laufe dieses Jahres versuchte der Steuereinzieher, zusätzliche Einnahmen aus Jesus herauszupressen und drohte sogar, ihm die Harfe wegzunehmen. Weil er befürchtete, sein Exemplar der griechischen Schriften könnte von den Steuereinziehern entdeckt und beschlagnahmt werden, schenkte Jesus es an seinem fünfzehnten Geburtstag mit erreichter Reife der Bibliothek der Synagoge von Nazareth als Gabe an den Herrn. Ein harter Schlag traf den fünfzehnjährigen Jesus, als er nach Sepphoris hinüberging, um einen Schiedsspruch des Herodes entgegenzunehmen. Es ging dabei um die Berufung, die bei diesem in der Auseinandersetzung um den Geldbetrag eingelegt worden war, den man Joseph zum Zeitpunkt seines Unfalltodes schuldete. Jesus und Maria hatten gehofft, eine beträchtliche Summe Geldes zu erhalten; der Schatzmeister in Sepphoris hatte ihnen aber nur einen schäbigen Betrag angeboten. Josephs Brüder hatten sich mit einer Berufung an Herodes selbst gewendet, und nun stand Jesus im Palast und hörte Herodes verfügen, dass seinem Vater im Augenblick seines Todes nichts zugestanden hätte. Wegen einer so ungerechten Entscheidung traute Jesus Herodes Antipas nie wieder. Es ist nicht erstaunlich, dass er einst auf ihn als "jenen Fuchs" anspielte. Die harte Zimmermannsarbeit an der Werkbank nahm Jesus in diesem und in den folgenden Jahren die Möglichkeit, sich unter die Karawanenreisenden zu mischen. Der Bedarfsladen der Familie war schon von seinem Onkel übernommen worden, und Jesus arbeitete jetzt ganz und gar zu Hause in der Werkstatt, wo er stets nahe war, Maria mit der Familie zu helfen. Um diese Zeit begann er damit, Jakob in die Karawanserei zu schicken, um Informationen über das Geschehen in der Welt zu erhalten. Auf diese Weise versuchte er, sich über die Tagesneuheiten auf dem Laufenden zu halten. Während er zum Mann heranwuchs, machte er all jene Konflikte und Wirrnisse durch, welche die meisten jungen Leute vor und nach ihm durchgemacht haben. Aber die harte Erfahrung, seine Familie zu unterhalten, schützte ihn sicher davor, zu viel Zeit auf müßiges Meditieren zu verwenden oder mystischen Neigungen nachzugeben. In diesem Jahr mietete Jesus ein ansehnliches, gleich im Norden ihres Hauses gelegenes Stück Land, das als Garten für die Familienmitglieder aufgeteilt wurde. Jedes der älteren Kinder hatte seinen eigenen Garten, und sie traten untereinander bei ihren landwirtschaftlichen Bemühungen in lebhaften Wettstreit. Zur Zeit des Gemüseanbaus verbrachte ihr ältester Bruder jeden Tag einige Zeit mit ihnen im Garten. Während Jesus mit seinen jüngeren Geschwistern im Garten arbeitete, hegte er oft den Wunsch, sie könnten alle auf einem Bauernhof draußen auf dem Lande wohnen und dort ein freies und ungebundenes Leben führen. Aber sie konnten sich mit dem Gedanken, auf dem Lande aufzuwachsen, nicht anfreunden; und Jesus, der sowohl ein durch und durch praktischer Junge, als auch ein Idealist war, packte sein Problem so, wie er es vorfand, mit Intelligenz und Tatkraft an, und tat alles in seiner Macht Stehende, um sich und seine Familie den Realitäten ihrer Situation anzupassen und ihre Lage auf die größtmögliche Befriedigung ihrer individuellen und kollektiven Wünsche hin auszurichten. Einmal hegte Jesus die schwache Hoffnung, genügend Mittel zusammenzubringen, um den Erwerb eines kleinen Bauernhofs ins Auge zu fassen, vorausgesetzt, sie könnten sich die beträchtliche Summe verschaffen, die man seinem Vater für die am Palast des Herodes ausgeführten Arbeiten schuldete. Er hatte wirklich allen Ernstes geplant, mit seiner Familie aufs Land zu ziehen. Aber als Herodes sich weigerte, ihnen auch nur den kleinsten Teil der Beträge zu bezahlen, die man Joseph schuldete, gaben sie den Wunsch nach einem eigenen Haus auf dem Lande auf. Unter den gegebenen Umständen brachten sie es trotzdem fertig, sich vieler Erfahrungen des Bauernlebens zu erfreuen, da sie nun zusätzlich zu den Tauben noch drei Kühe, vier Schafe, eine Schar Hühner, einen Esel und einen Hund besaßen. Sogar die ganz Kleinen hatten ihre regelmäßigen Pflichten innerhalb des wohlgeordneten Organisationsplans, der charakteristisch für das häusliche Leben dieser nazarenischen Familie war. Mit Beendigung seines fünfzehnten Jahres vollendete Jesus auch die Durchquerung jenes gefährlichen und schwierigen Abschnittes der menschlichen Existenz, jener Übergangszeit zwischen den eher unbeschwerten Jahren der Kindheit und dem Bewusstsein des nahenden Mannesalters mit seinen wachsenden Verantwortlichkeiten und Gelegenheiten, immer mehr Erfahrungen zum Erwerb eines edlen Charakters zu sammeln. Die Wachstumsphase für Verstand und Körper war abgeschlossen, und nun begann der wirkliche Lebensweg dieses jungen Mannes aus Nazareth. ****** Kapitel 127 Die Jünglingsjahre ****** BEI Antritt seines Jünglingsalters war Jesus Haupt und einzige Stütze einer großen Familie. Nur wenige Jahre nach seines Vaters Tod war ihr ganzer Besitz dahingeschmolzen. Mit den Jahren wurde er sich seiner früheren Existenz immer bewusster; zugleich begann er klarer zu erkennen, dass es der ausdrückliche Zweck seiner inkarnierten Anwesenheit auf Erden war, den Menschenkindern seinen Paradies-Vater zu offenbaren. Kein heranwachsender Jugendlicher, der auf dieser oder einer anderen Welt gelebt hat oder jemals leben wird, musste - oder wird es jemals müssen - gewichtigere Probleme lösen oder verwickeltere Schwierigkeiten entwirren. Von keinem jungen Urantianer wird je verlangt werden, durch konfliktreichere Prüfungen oder schwierigere Situationen zu gehen als diejenigen, welche Jesus selber während jener harten Jahre zwischen fünfzehn und zwanzig durchmachte. Durch diese konkrete Erfahrung, seine Jünglingsjahre auf einer vom Übel bedrängten und von der Sünde gequälten Welt zu verleben, gelangte der Menschensohn auch zur vollen Kenntnis der Lebenserfahrungen der Jugendlichen aller Reiche Nebadons und wurde dadurch derjenige, bei dem die geängstigten und ratlosen Heranwachsenden aller Zeiten und aller Welten des Lokaluniversums immer Zuflucht suchen und Verständnis finden können. Langsam, aber sicher und durch wirkliche Erfahrung verdient dieser göttliche Sohn das Recht, Herr über sein Universum zu werden, als unbestrittener und höchster Herrscher über alle geschaffenen Intelligenzen auf allen Welten des Lokaluniversums und verständnisvoller Zufluchtsort für Wesen jeden Alters und jeder Stufe persönlicher Begabung und Erfahrung. ***** 127.1 Das Sechzehnte Jahr (10 n. Chr.) ***** Der inkarnierte Sohn durchlebte das Säuglingsalter und eine ereignisarme Kindheit. Darauf trat er aus jener prüfungsreichen und kritischen Übergangszeit zwischen Kindheit und frühem Mannesalter heraus und wurde zum Jüngling Jesus. In diesem Jahr erreichte er sein volles physisches Wachstum. Er war ein männlicher und attraktiver Jüngling. Er wurde immer sachlicher und ernster, war aber liebenswürdig und mitfühlend. Sein Blick war freundlich, aber forschend; sein Lächeln war immer gewinnend und beruhigend. Seine Stimme war musikalisch, aber voller Autorität; sein Gruß herzlich, aber ungekünstelt. Immer, und sogar in den gewöhnlichsten Kontakten, schien etwas von seiner Doppelnatur, der menschlichen und göttlichen, durchzuschimmern. Immer ließ er diese Kombination aus teilnehmendem Freund und Lehrer mit Autorität erkennen. Diese Züge seiner Persönlichkeit begannen sich schon in seinen frühen Jünglingsjahren zu zeigen. Dieser physisch kräftige und robuste Junge erlangte auch die volle Entfaltung seines menschlichen Intellekts, nicht die ganze Erfahrung menschlichen Denkens, wohl aber die Fülle der Befähigung für eine solche intellektuelle Entwicklung. Er besaß einen gesunden und wohlproportionierten Körper, einen scharfen und analytischen Verstand, eine freundliche und mitfühlende Art, ein draufgängerisches Temperament, das zeitweilig Schwankungen unterworfen war, und all das organisierte sich immer mehr zu einer starken, eindrucksvollen und anziehenden Persönlichkeit. Im Laufe der Zeit wurde es für seine Mutter und seine Brüder und Schwestern schwieriger, ihn zu verstehen; sie stolperten über seine Worte und missdeuteten seine Taten. Sie waren alle außerstande, das Leben ihres ältesten Bruders zu begreifen, da ihre Mutter ihnen zu verstehen gegeben hatte, dass er dazu bestimmt sei, der Befreier des jüdischen Volkes zu werden. Stellt euch ihre Verwirrung vor, als Jesus, nachdem sie von Maria derartige Andeutungen als Familiengeheimnis erhalten hatten, all solche Ideen und Absichten rundweg verneinte. In diesem Jahr begann Simon mit der Schule, und sie sahen sich gezwungen, ein weiteres Haus zu verkaufen. Jakobus übernahm nun den Unterricht seiner drei Schwestern, von denen zwei jetzt alt genug waren, um ernsthaft mit dem Lernen zu beginnen. Sobald Ruth größer geworden war, nahmen Miriam und Martha sie in ihre Obhut. Im allgemeinen erhielten die Mädchen in den jüdischen Familien nur wenig Erziehung, aber Jesus vertrat die Ansicht (und seine Mutter stimmte ihm darin zu), dass Mädchen genauso wie Knaben zur Schule gehen sollten; und da die Synagogenschule sie nicht aufnahm, blieb nichts anderes übrig, als eigens für sie eine Hausschule einzurichten. Dieses ganze Jahr über war Jesus eng an seine Werkbank gebunden. Zum Glück hatte er reichlich Arbeit; die seine war von so hervorragender Qualität, dass er nie untätig blieb, wie wenig es auch in jener Gegend zu tun geben mochte. Manchmal hatte er so viel Arbeit, dass Jakobus ihm helfen musste. Gegen Ende dieses Jahres war er sich mehr oder weniger schlüssig geworden, öffentlich als Lehrer der Wahrheit und Offenbarer des himmlischen Vaters für die Welt aufzutreten, sobald er seine Geschwister erzogen hätte und sie verheiratet sähe. Er wusste, dass er nicht dazu bestimmt war, der erwartete jüdische Messias zu werden, und kam zu dem Schluss, dass es so gut wie nutzlos war, über diese Dinge mit seiner Mutter zu sprechen; er entschied, ihr freizustellen, sich ihre eigenen Gedanken zu machen; denn alles, was er in der Vergangenheit gesagt hatte, hatte sie nur wenig oder überhaupt nicht beeindruckt, und er erinnerte sich, dass sein Vater nie in der Lage gewesen war, sie durch Worte umzustimmen. Von diesem Jahr an sprach er immer weniger mit seiner Mutter oder irgendjemand anderem über diese Probleme. Seine Sendung war von so besonderer Art, dass niemand auf Erden ihm Ratschläge für ihre Durchführung geben konnte. Er war seiner Familie ein wahrer, wenn auch jugendlicher Vater; er verbrachte jede seiner freien Stunden mit den Kleinen, und sie liebten ihn aufrichtig. Es schmerzte seine Mutter, ihn so hart arbeiten zu sehen; sie war betrübt, dass er sich Tag für Tag für den Unterhalt der Familie an der Hobelbank abmühte, anstatt in Jerusalem bei den Rabbinern zu studieren, wie sie es so sehnlichst gewünscht hatten. Obwohl es bei ihrem Sohn vieles gab, was Maria nicht verstehen konnte, so liebte sie ihn doch wirklich und hatte größte Achtung vor der Willigkeit, mit der er die Verantwortung für das Elternhaus trug. ***** 127.2 Das Siebzehnte Jahr (11 n. Chr.) ***** Um diese Zeit herrschte besonders in Jerusalem und Judäa eine beträchtliche Agitation zugunsten einer Volkserhebung gegen die Entrichtung von Steuern an Rom. Es entstand eine starke nationalistische Partei, die man bald die Zeloten nannte. Im Unterschied zu den Pharisäern waren die Zeloten nicht gewillt, das Kommen des Messias abzuwarten. Sie schlugen vor, die Dinge durch einen politischen Aufstand zu entscheiden. Eine Gruppe von Organisatoren aus Jerusalem traf in Galiläa ein und hatte bereits gute Fortschritte erzielt, bevor sie nach Nazareth kam. Als diese Leute Jesus aufsuchten, hörte er ihnen aufmerksam zu und stellte viele Fragen, weigerte sich aber, der Partei beizutreten. Er lehnte es ab, alle Gründe für die Verweigerung seiner Mitarbeit anzugeben. Seine Absage hatte zur Folge, dass viele seiner jugendlichen Kameraden aus Nazareth von einem Beitritt abgehalten wurden. Maria tat ihr Möglichstes, ihn zu einer Beteiligung zu bewegen, vermochte aber nicht, ihn von seinem Standpunkt abzubringen. Sie ging so weit, ihm zu verstehen zu geben, dass seine Weigerung, die Sache der Nationalisten auf ihr Geheiß hin zu unterstützen, eine Auflehnung darstelle und eine Verletzung seines auf dem Rückweg von Jerusalem abgegebenen Versprechens, seinen Eltern ergeben zu sein; aber als Antwort auf diese Anspielung legte er bloß freundlich seine Hand auf ihre Schulter, sah sie an und sagte: "Meine Mutter, wie kannst du nur?" Und Maria nahm das Gesagte zurück. Einer von Jesu Onkeln (Marias Bruder Simon) hatte sich der Gruppe schon angeschlossen und wurde in der Folgezeit ein Offizier in der galiläischen Abteilung. Und für mehrere Jahre kam es zu einer gewissen Entfremdung zwischen Jesus und seinem Onkel. Aber Unheil braute sich über Nazareth zusammen. Die Haltung Jesu in dieser Angelegenheit hatte eine Spaltung unter den jungen Juden der Stadt zur Folge gehabt. Ungefähr die Hälfte war der nationalistischen Organisation beigetreten, und die andere Hälfte begann eine Gegengruppe von gemäßigteren Patrioten zu bilden und erwartete von Jesus, dass er deren Führung übernehme. Sie waren verblüfft, als er die ihm angebotene Ehre abwies, und als Entschuldigung seine schwere Verantwortung für die Familie vorschützte, was sie alle gelten ließen. Aber die Sache komplizierte sich noch, als bald darauf Isaak, ein reicher Jude und Geldverleiher an die Heiden, sich bereit erklärte, für die Familie von Jesus aufzukommen, wenn dieser nur seine Werkzeuge niederlegen und die Führung der nazarenischen Patrioten übernehmen wolle. Jesus, damals kaum siebzehnjährig, sah sich mit einer der heikelsten und schwierigsten Situationen seines jungen Lebens konfrontiert. Für geistige Führer gestalten sich die Beziehungen zu patriotischen Bewegungen immer schwierig, insbesondere wenn sie durch steuereintreibende, ausländische Unterdrücker kompliziert werden, und das traf in diesem Fall doppelt zu, da die jüdische Religion in diese ganze Agitation gegen Rom verwickelt war. Jesu Lage erschwerte sich durch den Umstand, dass seine Mutter, sein Onkel und sogar sein jüngerer Bruder Jakobus in ihn drangen, sich der nationalistischen Sache anzuschließen. Alle besseren Juden von Nazareth hatten sich anwerben lassen, und all die jungen Männer, die sich der Bewegung noch nicht angeschlossen hatten, würden den Schritt in dem Augenblick tun, da Jesus sich umbesänne. Er hatte in ganz Nazareth nur einen einzigen weisen Ratgeber, seinen alten Lehrer, den Chazan, der ihn bei seiner Erklärung gegenüber der Bürgerabordnung von Nazareth beriet, die gekommen war, um seine Antwort auf den eben ergangenen öffentlichen Aufruf entgegenzunehmen. In seinem ganzen jungen Leben war dies das erste Mal, dass Jesus bewusst von öffentlicher Taktik Gebrauch machte. Bis dahin hatte er sich zur Klärung einer Situation immer auf eine offene, wahrheitsgetreue Aussage verlassen, aber in diesem Fall konnte er nicht die ganze Wahrheit sagen. Er konnte nicht zu verstehen geben, dass er mehr als ein Mensch war. Ebenso wenig konnte er die Idee von seiner Sendung preisgeben, welche warten musste, bis er ein reiferes Mannesalter erreicht hätte. Trotz dieser Einschränkungen waren seine religiöse Treue und seine nationale Loyalität unmittelbar herausgefordert. Seine Familie war aufgewühlt, seine jugendlichen Freunde gespalten und die ganze jüdische Bevölkerung der Stadt in Aufruhr. Und zu denken, dass er die Schuld an alledem trug! Wie fern hatte ihm alle Absicht gelegen, irgendwelche Unannehmlichkeiten zu verursachen, und wieviel weniger einen Tumult dieser Art! Etwas musste getan werden. Er musste seinen Standpunkt bekannt geben und tat dies mutig und diplomatisch zur Zufriedenheit vieler, aber nicht aller. Er blieb seiner ursprünglichen Begründung treu und hielt daran fest, dass seine erste Verpflichtung gegenüber seiner Familie bestehe, dass eine verwitwete Mutter und acht Geschwister mehr brauchten, als man einfach mit Geld kaufen könne - das materiell Lebensnotwendige -, dass sie vielmehr ein Anrecht auf die Obhut und Führung eines Vaters hätten und er sich nicht mit reinem Gewissen der Verpflichtung, die ein grausamer Unfall ihm aufgebürdet hatte, entziehen könne. Er lobte seine Mutter und seinen ältesten Bruder für ihre Bereitschaft, ihn davon zu entbinden, und wiederholte, dass die Treue zum verstorbenen Vater es ihm verbiete, die Familie zu verlassen, ganz unabhängig davon, wieviel Geld sich für ihren materiellen Unterhalt finde. Dabei sagte er das unvergessliche Wort: "Geld kann nicht lieben." Im Laufe seiner Erklärung machte Jesus einige versteckte Anspielungen auf seine "Lebenssendung", erklärte aber, dass er diese, ungeachtet dessen, ob sie mit der militärischen Idee vereinbar sei oder nicht, zusammen mit allem anderen in seinem Leben zurückgestellt habe, um in der Lage zu sein, der Verpflichtung gegenüber seiner Familie treu nachzukommen. Jedermann in Nazareth wusste, dass er seiner Familie ein guter Vater war, und da dies jedem edlen Juden ein tiefes Anliegen war, fand Jesu Verteidigung in den Herzen vieler seiner Zuhörer eine günstige Aufnahme; und einige, die nicht so dachten, wurden durch eine Rede des Jakobus entwaffnet, die jetzt folgte, obwohl sie nicht vorgesehen war. An demselben Tage hatte der Chazan mit Jakobus diese Rede geprobt, aber das war ihr Geheimnis. Jakobus erklärte, er sei sicher, dass Jesus bei der Befreiung seines Volkes helfen würde, wenn er (Jakobus) nur alt genug wäre, um die Verantwortung für die Familie auf sich zu nehmen, und wenn sie nur einwilligten, Jesus zu erlauben, "bei uns zu bleiben, unser Vater und Lehrer zu sein, dann werdet ihr aus dem Hause Josephs nicht nur einen Führer, sondern bald auch fünf ergebene Nationalisten haben; denn sind wir nicht fünf Jungen, die unter der Leitung unseres Bruder-Vaters heranwachsen und antreten werden, um unserer Nation zu dienen?" Auf diese Weise brachte der Junge eine sehr gespannte und bedrohliche Situation zu einem recht glücklichen Ende. Die Krise war für diesmal abgewendet, aber dieser Zwischenfall wurde in Nazareth nie vergessen. Die Agitation ging weiter; nie wieder stand Jesus in allgemeiner Gunst; die gefühlsmäßige Spaltung wurde nie ganz überwunden. Und dies, gesteigert durch andere Ereignisse der Folgezeit, war einer der Hauptgründe, weshalb er in späteren Jahren nach Kapernaum zog. Von diesem Tag an hegte man in Nazareth gegenüber dem Menschensohn gespaltene Gefühle. Jakobus machte in diesem Jahr seinen Schulabschluss und begann, zu Hause ganztags in der Zimmermannswerkstatt zu arbeiten. Er hatte gelernt, mit den Werkzeugen geschickt umzugehen und übernahm nun die Herstellung von Jochen und Pflügen, während Jesus sich mehr auf Inneneinrichtung und fachmännische Möbeltischlerei verlegte. In diesem Jahr machte Jesus große Fortschritte in der Ordnung seiner Gedanken. Nach und nach hatte er seine göttliche und menschliche Natur zusammengebracht, und er vollbrachte diese ganze Organisation des Intellekts kraft seiner eigenen Entscheidungen und einzig mit Hilfe des ihm innewohnenden Mentors, genau eines solchen Mentors, wie ihn alle Sterblichen auf allen Welten nach der Selbsthingabe eines Sohnes in ihrem Gemüt beherbergen. Bis dahin hatte sich im Leben dieses jungen Mannes nichts Übernatürliches ereignet, wenn man von dem Besuch eines ihm von seinem älteren Bruder Immanuel gesandten Boten absieht, der ihm einst zu nächtlicher Stunde in Jerusalem erschienen war. ***** 127.3 Das Achtzehnte Jahr (12 n. Chr.) ***** Im Laufe dieses Jahres wurde mit Ausnahme von Haus und Garten der gesamte Familienbesitz veräußert. Ihr letzes, schon unter Hypothek stehendes Grundstück in Kapernaum wurde verkauft (mit Ausnahme eines Anteils an einem anderen). Der Erlös wurde zur Bezahlung der Steuern, zum Kauf einiger neuer Werkzeuge für Jakobus und zu einer Anzahlung an den alten Ausrüstungs- und Reparaturladen der Familie nahe des Karawanenplatzes verwendet, den zurückzukaufen Jesus sich jetzt vornahm, da Jakobus alt genug war, um in der Heimwerkstatt zu arbeiten und Maria im Haus zur Hand zu gehen. Dadurch hatte der finanzielle Druck vorübergehend nachgelassen, und Jesus entschied, Jakobus zum Passahfest mitzunehmen. Sie brachen einen Tag zu früh nach Jerusalem auf, um allein zu sein, und gingen durch Samarien. Auf ihrer Wanderung erzählte Jesus Jakobus von den historischen Stätten, so wie sein Vater es ihn fünf Jahre zuvor auf einer ebensolchen Reise gelehrt hatte. Auf ihrem Weg durch Samarien bot sich ihnen manch befremdlicher Anblick. Während dieser Reise sprachen sie über viele ihrer Probleme persönlicher, familiärer und nationaler Art. Jakobus war ein sehr religiös veranlagter Junge, und obwohl er mit seiner Mutter in Bezug auf das Wenige, das er über die Pläne für Jesu Lebenswerk wusste, nicht ganz übereinstimmte, so freute er sich doch auf die Zeit, da er die Verantwortung für die Familie zu übernehmen imstande wäre und Jesus mit seiner Mission beginnen könnte. Er war sehr glücklich darüber, dass Jesus ihn zur Passahfeier mitnahm, und sie sprachen ausgiebiger über die Zukunft als je zuvor. Jesus dachte viel nach, während sie durch Samarien zogen, insbesondere in Betel und als er aus dem Jakobsbrunnen trank. Er und sein Bruder besprachen die Überlieferungen von Abraham, Isaak und Jakob. Er bemühte sich sehr, Jakobus auf das, was er in Jerusalem bald erleben würde, vorzubereiten, um dadurch den Schock, wie er ihn selbst anlässlich seines ersten Tempelbesuchs erfahren hatte, zu mildern. Aber Jakobus reagierte nicht so sensibel beim Anblick einiger dieser Szenen. Er kommentierte die routinemäßige und herzlose Art, in der einige Priester ihres Amtes walteten, insgesamt aber empfand er sehr große Freude über seinen Aufenthalt in Jerusalem. Jesus nahm Jakobus zum Passahabendessen nach Bethanien mit. Simon war neben seinen Vorfahren zur Ruhe gebettet worden, und Jesus, der das Passahlamm vom Tempel mitgebracht hatte, saß als Haupt der Passahfamilie bei Tische vor. Nach dem Passahmahl schickte sich Maria an, mit Jakobus zu plaudern, während sich Martha, Lazarus und Jesus bis tief in die Nacht hin-ein unterhielten. Am nächsten Tag wohnten sie den Gottesdiensten im Tempel bei, und Jakobus wurde in die Gemeinschaft Israels aufgenommen. Als sie an diesem Morgen auf dem Kamm des Ölbergs Halt machten, um auf den Tempel zu schauen, blickte Jesus schweigend auf Jerusalem hinab, während Jakobus sein Staunen laut hinausrief. Jakobus konnte das Verhalten seines Bruders nicht verstehen. An diesem Abend gingen sie wieder nach Bethanien zurück und wären am nächsten Tag nach Hause aufgebrochen, hätte Jakobus nicht darauf gedrungen, den Tempel auf dem Rückweg noch einmal zu besuchen, und erklärt, er wolle gerne die Lehrer hören. Obgleich das der Wahrheit entsprach, so war doch sein geheimer Herzenswunsch, nach allem, was seine Mutter ihm erzählt hatte, zu erleben, wie Jesus sich an den Diskussionen beteiligte. Also gingen sie zum Tempel und hörten sich die Diskussionen an, aber Jesus stellte keine Fragen. All dies schien seinem erwachenden menschlichen und göttlichen Bewusstsein so kindisch und unbedeutend - es erregte nur sein Mitleid. Jakobus war enttäuscht, dass Jesus nichts sagte. Auf seine forschenden Fragen gab Jesus nur zur Antwort: "Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Am nächsten Tag machten sie sich auf den Heimweg über Jericho und das Jordantal, und Jesus erzählte unterwegs vieles, unter anderem von seiner früheren Reise, als er mit dreizehn Jahren denselben Weg gegangen war. Nach ihrer Rückkehr nach Nazareth begann Jesus in der alten Reparaturwerkstatt der Familie zu arbeiten und war hocherfreut darüber, jeden Tag so viele Leute aus allen Landesteilen und den umliegenden Gegenden zu treffen. Jesus liebte die Menschen wahrhaftig, und gerade die ganz einfachen Leute. Jeden Monat entrichtete er seine Zahlung für die Werkstatt und fuhr fort, mit Jakobus' Hilfe für die Familie zu sorgen. Mehrere Male im Jahr las Jesus am Sabbat in der Synagoge aus den Schriften, wenn keine Besucher für dieses Amt da waren, und gab häufig Erläuterungen zu den gelesenen Stellen; aber meistens wählte er die Abschnitte so, dass sich ein Kommentar erübrigte. Er war geschickt darin, die Reihenfolge der verschiedenen vorgelesenen Stellen so auszuwählen, dass eine die andere erhellte. Sofern das Wetter es erlaubte, unterließ er es nie, am Sabbatnachmittag mit seinen Brüdern und Schwestern in der Natur her-umzustreifen. Um diese Zeit rief der Chazan einen philosophischen Debattierklub für junge Männer ins Leben, der sich jeweils bei einem der Mitglieder und oft in seinem eigenen Hause traf, und Jesus wurde ein führendes Mitglied dieser Gruppe. Dadurch gelang es ihm, etwas von seinem lokalen Ansehen zurückzugewinnen, das er während der unlängst erfolgten nationalistischen Auseinandersetzungen eingebüßt hatte. Obwohl sein geselliges Leben eingeschränkt war, vernachlässigte er es nicht ganz. Er hatte viele Freunde, die ihm sehr zugetan waren, und viele treue Bewunderer sowohl unter den jungen Männern wie jungen Frauen Nazareths. Im September kamen Elisabeth und Johannes die Familie in Nazareth besuchen. Johannes, der seinen Vater verloren hatte, beabsichtigte, in die Berge Judäas zurückzukehren und sich der Landwirtschaft und Schafzucht zu widmen, es sei denn, Jesus riete ihm, in Nazareth zu bleiben und mit dem Zimmermannshandwerk oder irgendeiner anderen Arbeit zu beginnen. Johannes und seine Mutter wussten nicht, dass die Familie von Nazareth so gut wie mittellos war. Je länger Maria und Elisabeth über ihre Söhne sprachen, umso stärker wurde ihre Überzeugung, dass es für die beiden jungen Männer gut wäre, gemeinsam zu arbeiten und sich häufiger zu sehen. Jesus und Johannes führten viele Gespräche miteinander; sie redeten über einige sehr vertrauliche und persönliche Angelegenheiten. Am Ende dieses Besuches beschlossen sie, einander nicht eher wiederzusehen, als bis "der himmlische Vater sie riefe", an ihre Arbeit zu gehen, und sie sich während ihres öffentlichen Wirkens wiederbegegneten. Johannes war von dem, was er in Nazareth sah, so tief beeindruckt, dass er beschloss, heimzukehren und für den Unterhalt seiner Mutter zu arbeiten. Er gelangte zur Überzeugung, dass er bestimmt sei, ein Teil von Jesu Lebenssendung zu werden, sah aber zugleich, dass Jesus noch auf Jahre hinaus mit dem Großziehen seiner Familie beschäftigt sein würde. Umso williger kehrte er deshalb nach Hause zurück, um sich um seinen kleinen Bauernhof zu kümmern und für den Unterhalt seiner Mutter zu sorgen. Und nie sahen Johannes und Jesus einander wieder bis zu jenem Tag, als Jesus am Jordan erschien, um sich taufen zu lassen. Am 3. Dezember dieses Jahres, einem Samstagnachmittag, suchte der Tod die Familie von Nazareth zum zweiten Mal heim. Ihr kleiner Bruder Amos starb, nachdem er eine Woche lang mit hohem Fieber gelegen hatte. Nachdem Maria diese schmerzvolle Zeit mit ihrem erstgeborenen Sohn als einziger Stütze durchgemacht hatte, erkannte sie Jesus endlich voll und ganz als wirkliches Familienoberhaupt an; und er war in der Tat ein würdiges Haupt. Während vier Jahren war ihr Lebensstandard dauernd gesunken. Jahr für Jahr fühlten sie, wie ihre Armut immer drückender wurde. Am Ende dieses Jahres erlebten sie einen der schwierigsten Augenblicke ihres ganzen mühseligen Ringens. Jakobus verdiente noch nicht viel, und ob der Ausgaben für ein Begräbnis, die zu allem anderen noch hinzukamen, wurde ihnen schwindlig. Aber Jesus sagte zu seiner besorgten und schmerzerfüllten Mutter nur: "Mutter Maria, Kummer wird uns nicht helfen; wir tun alle unser Bestes, und vielleicht würde das Lächeln unserer Mutter uns sogar noch zu Besserem anspornen. Tag für Tag werden wir für unsere Aufgaben durch die Hoffnung auf kommende bessere Zeiten gestärkt." Sein unerschütterlicher und praktischer Optimismus wirkte wahrhaftig ansteckend; alle Kinder lebten in einer Atmosphäre der Erwartung besserer Zeiten und Dinge. Und dieser hoffnungsvolle Mut trug trotz ihrer bedrückenden Armut kräftig zur Entwicklung starker und edler Charaktere bei. Jesus besaß die Fähigkeit, all seine Verstandes-, Seelen- und Körperkräfte für die unmittelbar zu bewältigende Aufgabe einzusetzen. Er konnte seinen tief denkenden Verstand auf das eine Problem konzentrieren, das er lösen wollte; und dies, zusammen mit seiner unermüdlichen Geduld, befähigte ihn, die Prüfungen einer schwierigen sterblichen Existenz heiteren Sinnes zu ertragen - zu leben, als "sähe er Ihn, der unsichtbar ist". ***** 127.4 Das Neunzehnte Jahr (13 n. Chr.) ***** Um diese Zeit kamen Jesus und Maria viel besser miteinander zurecht. Sie betrachtete ihn weniger als einen Sohn; er war für sie mehr ein Vater ihrer Kinder geworden. Jeden Tag tauchten ungezählte praktische, unmittelbare Schwierigkeiten auf. Sie sprachen seltener von seinem Lebenswerk, da sie sich im Laufe der Zeit mit ihrem ganzen Denken gemeinsam dem Unterhalt und der Erziehung ihrer Familie von vier Knaben und drei Mädchen widmeten. Mit Beginn dieses Jahres hatte Jesus seine Mutter ganz für seine Methode der Kindererziehung gewonnen - der positiven Aufforderung, Gutes zu tun, anstelle der älteren jüdischen Methode, die verbot, Böses zu tun. Zu Hause und während seiner öffentlichen Lehrtätigkeit gebrauchte Jesus stets die positive Form der Aufforderung. Immer und überall sagte er: "Ihr sollt dies tun - ihr solltet das tun." Nie benutzte er die negative Lehrweise, die sich von den alten Tabus herleitete. Er hütete sich davor, das Üble durch Verbieten zu betonen, und er stellte vielmehr das Gute höher, indem er seine Ausübung verlangte. Die Gebetszeit war in diesem Hause die Gelegenheit, über alles und jedes zu diskutieren, was das Wohl der Familie betraf. Jesus begann, seine Brüder und Schwestern in einem so frühen Alter weise zur Disziplin anzuhalten, dass es nur geringer oder gar keiner Bestrafung bedurfte, um ihren unverzüglichen und unbedingten Gehorsam zu erreichen. Die einzige Ausnahme bildete Jude, den Jesus verschiedentlich wegen seiner Verstöße gegen die Hausregeln zu strafen für nötig befand. Bei drei Gelegenheiten, als eine Bestrafung von Jude weise erschien, weil er zugab, Familienverhaltensregeln vorsätzlich verletzt zu haben, setzten die älteren Kinder mit einstimmigem Beschluss die Strafe fest, und Jude stimmte ihr zu, bevor sie vollzogen wurde. Obgleich Jesus in allem, was er tat, sehr methodisch und systematisch vorging, gab es doch bei seiner Lenkung der häuslichen Angelegenheiten eine erfrischende Flexibilität der Interpretation und eine individuelle Anpassung, die alle Kinder durch den Geist der Gerechtigkeit beeindruckte, der ihren Vater-Bruder bewegte. Er bestrafte seine Geschwister nie willkürlich, und eine solche gleichbleibende Fairness und das Eingehen auf die einzelne Persönlichkeit machten Jesus seiner ganzen Familie sehr lieb. Die heranwachsenden Brüder Jakobus und Simon versuchten, der Methode Jesu zu folgen, ihre kampfeslustigen und manchmal wütenden Spielkameraden durch Überzeugung und Widerstandslosigkeit zu besänftigen. Das gelang ihnen recht gut; aber Joseph und Jude, die solchen Lehren zu Hause zwar zustimmten, verteidigten sich augenblicklich, sobald sie von ihren Kameraden angegriffen wurden; insbesondere machte sich Jude der Verletzung des Geistes dieser Lehren schuldig. Aber die Widerstandslosigkeit war keine Familienregel. Die Zuwiderhandlung gegen persönliche Unterweisung zog keine Bestrafung nach sich. Im Allgemeinen holten sich alle Kinder, und besonders die Mädchen, in ihren kindlichen Nöten bei Jesus Rat und setzten ihr Vertrauen in ihn wie in einen liebenden Vater. Jakobus entwickelte sich zu einem ausgeglichenen jungen Mann von ruhiger Gemütsart, aber er fühlte sich weniger zu Geistigem hingezogen als Jesus. Er war ein viel besserer Schüler als Joseph, der, obschon ein zuverlässiger Arbeiter, Geistigem gegenüber noch weniger aufgeschlossen war. Joseph war ein Arbeitstier und erreichte das intellektuelle Niveau der übrigen Kinder nicht. Simon war ein gutartiger Knabe, aber allzu sehr Träumer. Er brauchte lange, um im Leben zurechtzukommen und bereitete Jesus und Maria beträchtliche Sorgen. Aber er war immer ein guter Junge voll guten Willens. Jude war ein Unruhestifter. Er hatte die höchsten Ideale, aber ein wechselhaftes Temperament. Er besaß die Entschiedenheit und Dynamik seiner Mutter sogar noch in erhöhtem Maße, hingegen mangelte es ihm sehr an ihrem Sinn für Maß und Zurückhaltung. Miriam war eine ausgeglichene, klar denkende Tochter mit einem ausgesprochenen Gespür für erhebende und geistige Dinge. Martha war langsam in ihrem Denken und Handeln, aber ein sehr zuverlässiges und tüchtiges Kind. Die kleine Ruth war der Sonnenschein des Hauses. Obwohl sie gedankenlos daherredete, war sie von ganzem Herzen aufrichtig. Sie vergötterte ihren großen Bruder und Vater nahezu. Aber man verwöhnte sie nicht. Sie war ein schönes Kind, aber doch nicht ganz so attraktiv wie Miriam, die die Schönheit der Familie, wenn nicht der Stadt, war. Im Lauf der Jahre tat Jesus viel, um die in der Familie gültigen, die Einhaltung des Sabbats betreffenden Lehren und Gebräuche und viele andere Vorschriften der Religion zu lockern und abzuändern; und zu all diesen Neuerungen gab Maria ihre volle Zustimmung. Um diese Zeit war Jesus unbestrittenes Haupt des Hauses geworden. In diesem Jahr begann Jude mit der Schule, und Jesus sah sich gezwungen, seine Harfe zu verkaufen, um die Kosten bestreiten zu können. Und damit verschwand auch die letzte seiner der Entspannung dienenden Freuden. Er liebte es sehr, auf der Harfe zu spielen, wenn sein Geist und Körper müde waren, aber er tröstete sich bei dem Gedanken, dass die Harfe so wenigstens davor sicher war, dem Steuereinzieher in die Hände zu fallen. ***** 127.5 Rebekka, die Tochter Ezras ***** Obwohl Jesus arm war, erfuhr seine gesellschaftliche Stellung in Nazareth dadurch keinerlei Beeinträchtigung. Er war einer der führenden jungen Männer der Stadt und stand bei den meisten jungen Frauen in hohem Ansehen. Da Jesus ein so vollendetes Beispiel robuster und intellektueller Männlichkeit war, und wenn man seinen Ruf als geistiger Führer in Betracht zieht, ist es nicht verwunderlich, dass Rebekka, die älteste Tochter Ezras, eines reichen Kaufmanns und Händlers von Nazareth, entdecken sollte, dass sie sich allmählich in diesen Sohn Josephs verliebte. Sie vertraute ihre Zuneigung zuerst Miriam, der Schwester Jesu an, und Miriam ihrerseits besprach all dies mit ihrer Mutter. Maria war sehr erregt. Stand ihr der Verlust ihres Sohnes bevor, der zum unentbehrlichen Familienoberhaupt geworden war? Würden die Sorgen nie ein Ende nehmen? Und was würde danach geschehen? Und dann hielt sie inne und überlegte, wie sich eine Heirat auf Jesu zukünftige Laufbahn auswirken könnte; nicht oft, aber wenigstens hin und wieder, erinnerte sie sich der Tatsache, dass Jesus ein "Kind der Verheißung" war. Nachdem sie und Miriam diese Angelegenheit durchgesprochen hatten, beschlossen sie, ihr ein Ende zu bereiten, bevor Jesus davon erfuhr. Sie begaben sich direkt zu Rebekka, unterbreiteten ihr die ganze Geschichte und vertrauten ihr in aller Aufrichtigkeit ihre Überzeugung an, dass Jesus ein Sohn der Vorsehung sei und dass er ein großer religiöser Führer, vielleicht der Messias, werden würde. Rebekka hörte gespannt zu. Die Erzählung begeisterte sie, und sie war mehr denn je entschlossen, ihr Glück mit dem Mann ihrer Wahl zu versuchen und mit ihm seine Führerlaufbahn zu teilen. Sie kam für sich zu dem Schluss, dass ein solcher Mann umso mehr einer treuen und tatkräftigen Frau bedürfe. Sie legte Marias Bemühungen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, als natürliche Angstreaktion aus, das Haupt und die einzige Stütze ihrer Familie zu verlieren; aber da sie wusste, dass ihr Vater ihre Neigung für den Zimmermannssohn guthieß, rechnete sie zu Recht damit, dass er glücklich wäre, der Familie ein genügend großes Einkommen zu verschaffen, um den Verlust des Verdienstes Jesu auszugleichen. Nachdem ihr Vater diesem Plan zugestimmt hatte, kam es zu weiteren Unterredungen zwischen Rebekka und Maria und Miriam. Und als es ihr nicht gelang, deren Unterstützung zu gewinnen, fasste sie sich ein Herz und wandte sich direkt an Jesus. Das tat sie im Zusammenwirken mit ihrem Vater, der Jesus zur Feier ihres siebzehnten Geburtstages zu sich nach Hause einlud. Jesus hörte aufmerksam und teilnehmend zu, als zuerst der Vater und nach ihm Rebekka selber diese Dinge darlegten. Er erwiderte darauf freundlich, dass keine Geldsumme an die Stelle seiner Verpflichtung treten könne, die Familie seines Vaters persönlich aufzuziehen, "die heiligste aller menschlichen Verantwortungen wahrzunehmen - die Treue zu seinem eigenen Fleisch und Blut". Rebekkas Vater war durch Jesu Worte über Familientreue tief berührt und zog sich von der Unterredung zurück. Zu Maria, seiner Gattin, bemerkte er nur: "Wir können ihn nicht zum Sohn haben; er ist zu edel für uns." Darauf begann das denkwürdige Gespräch mit Rebekka. Bis dahin hatte Jesus in seinem Leben nur wenig Unterschied in seinen Beziehungen zu Knaben und Mädchen, zu jungen Männern und jungen Frauen gemacht. Seine Gedanken waren mit den dringenden Problemen praktischer irdischer Angelegenheiten und der faszinierenden Betrachtung seines künftigen Werdegangs, "die Angelegenheiten seines Vaters betreffend", viel zu beschäftigt gewesen, als dass er dem Vollzug persönlicher Liebe in der menschlichen Ehe jemals ernste Beachtung geschenkt hätte. Aber nun fand er sich noch einem jener Probleme gegenüber, mit denen jedes gewöhnliche sterbliche Wesen konfrontiert wird und die es lösen muss. Er wurde tatsächlich "in jeder Beziehung geprüft wie ihr". Nachdem er ihr aufmerksam zugehört hatte, dankte er Rebekka aufrichtig dafür, dass sie ihm soviel Bewunderung entgegenbrachte und fügte hinzu: "Es wird mich alle Tage meines Lebens beglücken und ermutigen." Er erklärte, er sei nicht frei, mit irgendeiner Frau andere Beziehungen aufzunehmen als solche, die einzig auf brüderlicher Achtung und reiner Freundschaft beruhten. Er machte klar, dass seine erste und hauptsächlichste Pflicht die Erziehung der Familie seines Vaters sei, und dass er, solange dies nicht erfüllt sei, an keine Heirat denken könne; und dann fügte er hinzu: "Wenn ich ein Sohn der Vorsehung bin, darf ich keine lebenslänglichen Verpflichtungen eingehen vor der Zeit, in der sich meine Bestimmung kundtun wird." Rebekka war völlig gebrochen. Sie lehnte jeden Trost ab und drang so lange in ihren Vater, Nazareth zu verlassen, bis er endlich einwilligte, nach Sepphoris überzusiedeln. In den Jahren danach gab sie den vielen Männern, die um ihre Hand anhielten, immer nur dieselbe Antwort: Sie lebe nur einem Ziel - der Erwartung der Stunde, in der dieser für sie größte Mann, der je gelebt habe, seine Sendung als Lehrer der lebendigen Wahrheit antreten werde. Und sie folgte ihm mit Hingabe durch die bewegten Jahre seines öffentlichen Wirkens. Sie war (von Jesus unbemerkt) am Tage anwesend, da er triumphierend in Jerusalem einritt, und sie stand "unter den anderen Frauen" an der Seite Marias an jenem schicksalsschweren und tragischen Nachmittag, als der Menschensohn am Kreuz hing. Für sie, wie für ungezählte höhere Welten, war er "der einzige wirklich Liebenswerte und der Größte unter Zehntausend". ***** 127.6 Sein Zwanzigstes Jahr (14 n. Chr.) ***** Man erzählte sich in Nazareth und später in Kapernaum die Geschichte von der Liebe Rebekkas für Jesus, so dass er, obschon ihn in den folgenden Jahren viele Frauen als auch Männer liebten, nie wieder das persönliche Liebesangebot einer anderen achtbaren Frau zurückzuweisen hatte. Von dieser Zeit an hatte die menschliche Zuneigung für Jesus mehr den Charakter verehrender und anbetender Hochachtung. Sowohl Männer wie Frauen liebten ihn mit Hingabe als den, der er war, ganz ohne jeden Anflug selbstbezogener Befriedigung oder eines Wunsches nach gefühlsmäßiger Inbesitznahme. Aber viele Jahre lang, wann immer die Geschichte der menschlichen Persönlichkeit Jesu erzählt wurde, war auch von Rebekkas Liebe die Rede. Miriam, die über Rebekkas Angelegenheit umfassend unterrichtet war und wusste, wie ihr Bruder sogar die Liebe eines schönen Mädchens ausgeschlagen hatte (aber die Tatsache seiner zukünftigen Schicksalssendung nicht erkannte) begann, Jesus zu idealisieren und für ihren Bruder rührende und tiefe Gefühle wie für einen Vater zu empfinden. Obgleich sie es sich kaum leisten konnten, hatte Jesus ein seltsames Verlangen, zum Passahfest nach Jerusalem hinaufzugehen. Da seine Mutter um sein kürzliches Erlebnis mit Rebekka wusste, drängte sie ihn klugerweise, die Reise zu machen. Am meisten suchte er, auch wenn er sich dessen nicht deutlich bewusst war, eine Gelegenheit, mit Lazarus zu reden und mit Martha und Maria zu plaudern. Neben seiner eigenen Familie liebte er diese drei über alles. Er zog über Megiddo, Antipatris und Lydda nach Jerusalem und nahm dabei teilweise denselben Weg, den er anlässlich seiner Rückkehr von Ägypten nach Nazareth gekommen war. Er brauchte vier Tage für seine Reise zum Passahfest, und er sann viel über die vergangenen Geschehnisse nach, die sich in und um Megiddo, dem internationalen Schlachtfeld Palästinas, abgespielt hatten. Jesus durchquerte Jerusalem und hielt nur an, um den Tempel und die versammelten Besuchermassen zu betrachten. Er hatte eine seltsame und wachsende Abneigung gegen diesen von Herodes erbauten Tempel mit seiner nach politischen Gesichtspunkten ausgewählten Priesterschaft. Aber am allermeisten wünschte er Lazarus, Martha und Maria zu sehen. Lazarus war im selben Alter wie Jesus und jetzt Familienoberhaupt; zum Zeitpunkt dieses Besuches war auch die Mutter von Lazarus bereits zu Grabe getragen worden. Martha war etwas über ein Jahr älter als Jesus, während Maria zwei Jahre jünger war. Jesus war das angebetete Ideal aller drei. Während dieses Besuchs ereignete sich einer von seinen periodischen Ausbrüchen der Auflehnung gegen die Tradition, Ausdruck des Grolls gegen jene zeremoniellen Bräuche, die nach Jesu Meinung eine falsche Vorstellung von seinem himmlischen Vater gaben. Da Lazarus nicht wusste, dass Jesus kommen würde, hatte er Vorkehrungen getroffen, das Passahfest mit Freunden in einem Nachbardorf zu feiern, das an der Straße nach Jericho hinunter lag. Jesus schlug nun vor, das Fest da, wo sie waren, im Hause des Lazarus, zu begehen. "Aber wir haben kein Passahlamm", sagte Lazarus. Darauf begann Jesus eine lange und überzeugende Rede des Inhalts, dass der Vater im Himmel sich wahrlich nicht um solch kindische und bedeutungslose Riten kümmere. Nach einem feierlichen und inbrünstigen Gebet erhoben sie sich, und Jesus sagte: "Lasst die kindlichen und verdunkelten Gemüter meines Volkes ihrem Gott dienen, wie Moses es gelehrt hat; sie tun besser so, aber wir, die wir das Licht des Lebens gesehen haben, wollen unserem Vater nicht länger in der Dunkelheit des Todes entgegengehen. Lasst uns frei sein im Wissen um die Wahrheit der ewigen Liebe unseres Vaters." An diesem Abend bei Sonnenuntergang setzten sich die vier und nahmen am ersten Passahfest teil, das je von frommen Juden ohne Passahlamm gefeiert wurde. Das ungesäuerte Brot und der Wein waren für dieses Fest vorbereitet worden, und Jesus reichte seinen Freunden diese Sinnbilder, die er "Brot des Lebens" und "Wasser des Lebens" nannte, und sie aßen feierlich in Befolgung der eben erhaltenen Unterweisung. Er pflegte diese sakramentale Handlung jedes Mal vorzunehmen, wann immer er in Zukunft nach Bethanien auf Besuch kam. Bei seiner Heimkehr erzählte er das alles seiner Mutter. Sie erschrak zuerst, gelangte aber allmählich dahin, seinen Standpunkt zu verstehen; immerhin war sie sehr erleichtert, als Jesus ihr versicherte, dass es nicht seine Absicht sei, diese neue Art Passafest in ihrer Familie einzuführen. Zu Hause mit den Kindern fuhr er Jahr für Jahr fort, das Passahmahl "nach dem Gesetz Moses" einzunehmen. Im Laufe dieses Jahres führte Maria mit Jesus ein langes Gespräch über die Ehe. Sie fragte ihn frei heraus, ob er heiraten würde, wenn er seiner Familienpflichten enthoben wäre. Jesus erklärte ihr, dass er darüber nicht viel nachgedacht habe, da seine unmittelbare Pflicht eine Heirat ausschließe. Er drückte seine Zweifel aus, dass er jemals in den Ehestand treten werde; er sagte, dass all diese Dinge auf "meine Stunde", die Zeit, da "meines Vaters Werk beginnen muss", zu warten hätten. Da er sich bereits darüber klar geworden war, dass er nicht Vater leiblicher Kinder werden dürfe, dachte er kaum über das Thema der menschlichen Heirat nach. In diesem Jahr machte er sich erneut an die Aufgabe, seine sterbliche und göttliche Natur zu einer einfachen und wirksamen menschlichen Individualität zu verschmelzen. Seine Sittlichkeit und sein geistiges Verständnis wuchsen weiterhin. Obwohl all ihr Besitz in Nazareth (ihr Haus ausgenommen) dahin war, erhielten sie in diesem Jahr eine kleine finanzielle Hilfe aus dem Verkauf eines Anteils an einem Grundstück in Kapernaum. Dies war der letzte Rest von Josephs gesamtem Nachlass. Dieser Immobilienhandel in Kapernaum wurde mit einem Bootsbauer namens Zebedäus abgeschlossen. Joseph legte in diesem Jahr sein Schlussexamen an der Synagogenschule ab und schickte sich an, die Arbeit an der kleinen Werkbank in der häuslichen Zimmermannswerkstatt aufzunehmen. Obwohl der Besitz ihres Vaters aufgezehrt war, bestand doch Aussicht, die Armut erfolgreich zu bekämpfen, da nun drei von ihnen regelmäßig arbeiteten. Jesus wird jetzt rasch zum Mann, nicht nur zu einem jungen Mann, sondern zu einem Erwachsenen. Er hat gut gelernt, Verantwortung zu tragen. Er weiß, wie man angesichts von Enttäuschungen weitermacht. Er hält tapfer stand, wenn seine Pläne durchkreuzt und seine Vorhaben zeitweilig zunichte gemacht werden. Er hat gelernt, sogar angesichts von Ungerechtigkeit unparteiisch und gerecht zu sein. Er lernt jetzt, seine Ideale geistigen Lebens an den praktischen Erfordernissen der irdischen Existenz auszurichten. Er lernt, auf ein höheres und entferntes idea-listisches Ziel hinzuarbeiten, während er sich ernsthaft abmüht, ein näheres, unmittelbares, von der Notwendigkeit bestimmtes Ziel zu erreichen. Er erwirbt schrittweise die Kunst, seine Erwartungen den gewöhnlichen Erfordernissen des menschlichen Alltags anzupassen. Er hat beinahe die Technik gemeistert, die Energie des geistigen Antriebs zu benutzen, um den Mechanismus der materiellen Leistungen in Schwung zu bringen. Er lernt langsam, das himmlische Leben zu leben, während er mit seiner irdischen Existenz fortfährt. Er verlässt sich immer mehr auf die höchste Führung durch seinen himmlischen Vater, während er die väterliche Rolle in der Lenkung und Beratung der Kinder seiner irdischen Familie übernimmt. Er wird erfahren darin, dem Rachen der Niederlage mit Gewandtheit Siege zu entreißen; er lernt, die Schwierigkeiten der Zeit in Triumphe der Ewigkeit zu verwandeln. Die Jahre vergehen, und dieser junge Mann aus Nazareth macht weiterhin die Erfahrung des Lebens, wie es im sterblichen Fleisch auf den Welten von Zeit und Raum gelebt wird. Er lebt auf Urantia ein vollständiges, beispielhaftes und erfülltes Leben. Er verließ diese Welt mit der reifen Erfahrung, durch die seine Geschöpfe während der kurzen und mühsamen Jahre ihres ersten Lebens, des Lebens im Fleische, gehen. Und diese ganze menschliche Erfahrung ist nun ewiger Besitz des Herrn des Universums. Er ist unser verstehender Bruder, teilnehmender Freund, erfahrener Herrscher und erbarmungsvoller Vater. Als Kind sammelte er eine große Menge Wissen; als Jugendlicher sichtete und ordnete er diese Informationen und stellte Beziehungen her; und nun, als ein Mensch dieser Welt, beginnt er diese geistigen Errungenschaften zu organisieren, bevor er sie später in seiner Lehrtätigkeit anwendet, in seiner Seelsorge und im Dienen an seinen sterblichen Brüdern dieser und aller anderen bewohnten Welten des gesamten Universums von Nebadon. Als ein irdischer Säugling in diese Welt hineingeboren, hat er seine Kindheit durchlebt und die aufeinander folgenden Abschnitte der Jugend und des frühen Mannesalters durchschritten; er steht jetzt an der Schwelle zum vollen Mannesalter, ist reich an menschlicher Lebenserfahrung, hat umfassendes Verständnis für die menschliche Natur und ist voller Mitgefühl für deren Schwächen. Er wird Meister in der göttlichen Kunst, den sterblichen Geschöpfen aller Alters- und Entwicklungsstufen seinen Paradies-Vater zu offenbaren. Und nun, als voll erwachsener Mann - als ein Erwachsener dieser Welt - macht er sich daran, seine höchste Sendung fortzusetzen, Gott den Menschen zu offenbaren und die Menschen zu Gott zu führen. ****** Kapitel 128 Jesu Frühes Mannesalter ****** ALS Jesus von Nazareth in die ersten Jahre seines Erwachsenenlebens eintrat, hatte er ein normales und durchschnittliches menschliches Leben auf Erden hinter sich und fuhr fort, ein solches zu leben. Jesus kam in diese Welt genauso wie andere Kinder auch; er hatte mit der Wahl seiner Eltern nichts zu tun. Allerdings hatte er gerade diese Welt als den Planeten ausgesucht, auf dem er seine siebente und letzte Selbsthingabe, seine Verkörperung im sterblichen Fleisch, durchführen wollte, aber davon abgesehen trat er auf natürliche Weise in die Welt ein, wuchs als eines ihrer Kinder heran und rang mit den Wechselfällen seiner Umgebung genauso wie andere Sterbliche auf dieser und ähnlichen Welten. Man sollte sich stets des doppelten Zwecks der Selbsthingabe Michaels auf Erden erinnern: 1. Die Meisterung der Erfahrung, das ganze Leben eines menschlichen Geschöpfes im sterblichen Körper zu leben, die Vollendung seiner Souveränität über Nebadon. 2. Den sterblichen Bewohnern auf den Welten der Zeit und des Raums den Universalen Vater zu offenbaren und sie auf wirksamere Weise zu einem besseren Verständnis des Universalen Vaters zu bringen. Alle übrigen Wohltaten für die Geschöpfe und Vorteile für das Universum waren beiläufig und zweitrangig gegenüber diesen Hauptzwecken der sterblichen Selbsthingabe. ***** 128.1 Das Einundzwanzigste Jahr (15 n. Chr.) ***** Mit Erreichen des Erwachsenenalters machte sich Jesus allen Ernstes und mit vollem Bewusstsein an die Aufgabe, sich durch weitere Erfahrungen das ganze Wissen um das Leben der niedrigsten Art seiner intelligenten Geschöpfe anzueignen, wodurch er sich das endgültige und volle Recht auf uneingeschränkte Herrschaft über sein selbsterschaffenes Universum verdienen würde. Er trat an dieses gewaltige Unternehmen im vollen Bewusstsein seiner doppelten Natur heran. Aber er hatte diese beiden Naturen schon erfolgreich in einer einzigen - Jesus von Nazareth - vereinigt. Josua ben Joseph wusste sehr gut, dass er ein Mensch, ein sterblicher, von einer Frau geborener Mensch war. Das zeigt sich in der Wahl seines ersten Titels: der Menschensohn. Er war wirklich ein Wesen aus Fleisch und Blut, und auch heute, da er mit unumschränkter Autorität die Geschicke eines Universums lenkt, trägt er unter seinen zahlreichen wohlverdienten Titeln auch denjenigen des Menschensohns. Es ist buchstäblich wahr, dass das Schöpferwort - der Schöpfersohn - des Universalen Vaters "Fleisch wurde und als ein Mensch dieser Welt auf Urantia lebte". Er arbeitete, wurde müde, ruhte sich aus und schlief. Er hatte Hunger und stillte solch Bedürfnis mit Nahrung; er hatte Durst und löschte ihn mit Wasser. Er erlebte die ganze Skala menschlicher Gefühle und Gemütsbewegungen; er wurde "in allen Dingen geprüft wie Ihr", und er litt und starb. Er erlangte Wissen, erwarb Erfahrung und verband beides zu Weisheit, wie das auch andere Sterbliche der Welt tun. Vor seiner Taufe gebrauchte er keine übernatürlichen Kräfte. Er setzte kein Mittel ein, das nicht ein Teil seines menschlichen Erbes als Sohn Josephs und Marias gewesen wäre. Was die Attribute seiner vormenschlichen Existenz anbelangt, so entledigte er sich ihrer. Vor dem Beginn seines öffentlichen Wirkens schöpfte er seine Kenntnis von Menschen und Ereignissen einzig aus sich selbst. Er war wirklich ein Mensch unter Menschen. Es ist für immer und so wunderbar wahr: "Wir haben einen hohen Herrscher, der von unseren Schwächen angerührt werden kann. Wir haben einen Souverän, der in allem geprüft und versucht worden ist wie wir, außer dass er frei von Sünde war." Und da er selber gelitten und Prüfungen und Versuchungen durchgemacht hat, ist er in hohem Maße befähigt, all jene zu verstehen und aufzurichten, die nicht mehr aus noch ein wissen und niedergeschlagen sind. Der Zimmermann von Nazareth war sich nun voll über die vor ihm liegende Aufgabe im Klaren, aber er entschied sich dafür, sein menschliches Leben seinen natürlichen Lauf nehmen zu lassen. Und in vieler Hinsicht ist er seinen sterblichen Geschöpfen wirklich ein Vorbild, wie es auch geschrieben steht: "Lasst in euch denselben Geist herrschen, der auch Jesus Christus erfüllte, der göttlicher Natur war und der sich nicht darüber wunderte, Gott gleich zu sein. Aber er maß sich nur geringe Bedeutung bei, und indem er die Gestalt eines Geschöpfes annahm, wurde er als Mensch unter Menschen geboren. Und also in Menschengestalt erniedrigte er sich und wurde gehorsam bis zum Tode, sogar bis zum Tode am Kreuz." Er lebte sein sterbliches Leben genauso, wie alle anderen in der menschlichen Familie das ihre leben, "er, der sich in den Tagen seines Erdenlebens so oft tief bewegt und unter Tränen mit Gebeten und Bitten an Ihn wandte, der aus allem Übel erretten kann; und seine Gebete hatten Wirkung, weil er glaubte". Deshalb musste er in jeder Hinsicht wie seine Brüder sein, um ihnen ein erbarmender und verstehender höchster Gebieter werden zu können. Er war nie im Zweifel über seine menschliche Natur; diese sprach für sich selbst und war in seinem Bewusstsein stets gegenwärtig. Aber bezüglich seiner göttlichen Natur gab es stets Raum für Zweifel und Mutmaßungen: wenigstens war das bis zum Ereignis seiner Taufe der Fall. Das Gewahrwerden seiner Göttlichkeit war eine langsame und vom menschlichen Standpunkt aus natürliche, evolutionäre Offenbarung. Diese Offenbarung und Bewusstwerdung seiner Göttlichkeit begann in Jerusalem mit der ersten übernatürlichen Begebenheit seiner menschlichen Existenz, als er noch nicht ganz dreizehn Jahre alt war; und der Prozess der Bewusstwerdung seiner göttlichen Natur vollendete sich bei seiner zweiten übernatürlichen Erfahrung als Mensch, bei dem Geschehen, das mit seiner Taufe durch Johannes im Jordan einherging und am Anfang seiner öffentlichen Seelsorge- und Lehrtätigkeit stand. Zwischen diesen zwei himmlischen Besuchen, dem einen in seinem dreizehnten Lebensjahr und dem anderen bei seiner Taufe, geschah nichts Übernatürliches oder Übermenschliches im Leben dieses inkarnierten Schöpfersohnes. Dessen ungeachtet waren das Kindlein von Bethlehem, der Knabe, Jüngling und Mann von Nazareth in Wahrheit der inkarnierte Schöpfer eines Universums; aber nicht ein einziges Mal in seinem menschlichen Leben, bis zu dem Tag, an dem Johannes ihn taufte, bediente er sich auch nur im geringsten dieser Macht, noch nahm er die Führung himmlischer Persönlichkeiten in Anspruch, abgesehen von seinem Schutzengel. Und wir, die uns solches bezeugen, wissen, wovon wir sprechen. Und doch war er während all dieser irdischen Jahre wahrhaftig göttlich. Er war tatsächlich ein Schöpfersohn des Paradies-Vaters. Nachdem seine rein menschliche Erfahrung, die zur Erlangung der Souveränität erforderlich war, ihre technische Vollendung erreicht und er seine öffentliche Laufbahn begonnen hatte, zögerte er nicht, öffentlich zu erklären, dass er der Sohn Gottes sei. Er zögerte nicht zu erklären: "Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte." Er erhob in späteren Jahren keinen Einspruch, wenn man ihn Herr der Herrlichkeit nannte, oder Gebieter über ein Universum, Gott, der Herr der ganzen Schöpfung, der Heilige Israels, der Herr über alles, unser Herr und unser Gott, Gott mit uns, der einen Namen hat, höher als alle Namen und über allen Welten, die Allmacht eines Universums, der Universums-Intellekt dieser Schöpfung, der Eine, in dem alle Schätze der Weisheit und des Wissens verborgen sind, die Fülle Dessen, der alle Dinge erfüllt, das ewige Wort des ewigen Gottes, der Eine, der vor allen Dingen war und in dem alle Dinge bestehen, der Schöpfer von Himmel und Erde, die Stütze eines Universums, der Richter über die ganze Erde, der Spender des ewigen Lebens, der Wahre Hirte, der Befreier der Welten und der Führer zu unserer Erlösung. Er wehrte sich nie gegen irgendeine dieser Benennungen, wie sie nach dem Abschluss seiner rein menschlichen Existenz in späteren Jahren für ihn verwendet wurden, als er das volle Bewusstsein seiner göttlichen Aufgabe in der Menschheit, für die Menschheit und gegenüber der Menschheit auf dieser und allen anderen Welten erlangt hatte. Nur einen Titel, den man ihm gab, wies Jesus zurück: Als er einmal mit Immanuel angeredet wurde, antwortete er bloß: "Das bin nicht ich, das ist mein älterer Bruder." Sogar nach diesem Eintritt in das erweiterte Leben auf Erden ordnete sich Jesus immer gehorsam dem Willen seines Vaters im Himmel unter. Nach seiner Taufe ließ er es geschehen, dass die, die aufrichtig an ihn glaubten und ihm dankbar folgten, ihn anbeteten. Als er noch gegen die Armut kämpfte und durch seiner Hände Arbeit seiner Familie das Lebensnotwendige verschaffte, wuchs in ihm das Bewusstsein, ein Sohn Gottes zu sein; er wusste, dass er der Schöpfer der Himmel und eben dieser Erde war, auf der er jetzt seine menschliche Existenz durchlebte. Und ebenso wussten die Heerscharen himmlischer Wesen von einem Ende des großen und ihm zuschauenden Universums zum anderen, dass dieser Mann von Nazareth ihr geliebter Herr und Schöpfer-Vater war. Während all dieser Jahre herrschte eine starke Spannung im Universum von Nebadon; alle himmlischen Blicke waren fortwährend auf Urantia, auf Palästina gerichtet. In diesem Jahr ging Jesus mit Joseph nach Jerusalem zur Passahfeier. Nachdem er Jakobus zur Tempelweihe gebracht hatte, hielt er es für seine Pflicht, nun auch Joseph mitzunehmen. Jesus zeigte gegenüber seiner Familie nie die geringste Parteilichkeit. Er nahm mit Joseph den üblichen Weg durch das Jordantal nach Jerusalem, aber er kehrte über den durch Amathus führenden Weg östlich des Jordans nach Nazareth zurück. Als sie den Jordan hinuntergingen, erzählte Jesus Joseph aus der jüdischen Geschichte, und auf dem Rückweg berichtete er ihm von den Erlebnissen der berühmten Stämme Ruben, Gad und Gilead, die nach der Überlieferung diese östlich des Flusses gelegenen Gebiete bewohnt hatten. Joseph stellte Jesus viele auf seine Lebenssendung zielende Fragen, aber auf die meisten dieser Erkundigungen antwortete Jesus nur: "Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Trotzdem fiel während dieser vertraulichen Unterhaltungen manches Wort, woran Joseph sich während der aufwühlenden Ereignisse der späteren Jahre erinnerte. Jesus verbrachte die Passahzeit mit Joseph bei seinen drei Freunden in Bethanien, wie es seine Gewohnheit war, wenn er in Jerusalem den Gedächtnisfeierlichkeiten beiwohnte. ***** 128.2 Das Zweiundzwanzigste Jahr (16 n. Chr.) ***** Dies war eines von mehreren Jahren, in denen die Prüfungen und Bedrängnisse, die die Adoleszenz mit sich bringt, den Geschwistern Jesu zu schaffen machten. Jesus hatte jetzt Brüder und Schwestern zwischen sieben und achtzehn Jahren, und er war dauernd damit beschäftigt, ihnen bei den Anpassungen angesichts des Erwachens ihres Verstandes- und Gefühlslebens zu helfen. Er hatte sich jedes Mal mit den Problemen der Adoleszenz auseinanderzusetzen, wenn sie im Leben seiner jüngeren Geschwister auftraten. In diesem Jahr schloss Simon die Schule ab und begann, mit dem alten Spielgefährten Jesu aus der Knabenzeit und seinem immer bereiten Verteidiger, Jakob, dem Steinmetzen, zu arbeiten. Nach mehreren Familienberatungen wurde entschieden, dass es unklug wäre, wenn alle Söhne das Zimmerhandwerk erlernten. Man dachte, dass sie durch verschiedenartige Berufe in die Lage versetzt würden, Aufträge zur Errichtung ganzer Gebäude anzunehmen. Außerdem waren sie nicht immer alle beschäftigt gewesen, seit drei von ihnen ganztags als Zimmerleute arbeiteten. Jesus fuhr auch in diesem Jahr mit Fertigstellungsarbeiten an Häusern und mit Möbeltischlerei fort, aber die meiste Zeit verbrachte er in der Karawanen-Reparaturwerkstatt. Jakobus begann, mit ihm im Wechsel den Laden zu bedienen. Später in diesem Jahr, als es in Nazareth wenig Zimmermannsarbeiten gab, übertrug Jesus Jakobus die Reparaturwerkstatt und Joseph die Werkbank zu Hause, und er selbst ging nach Sepphoris hinüber, um bei einem Schmied zu arbeiten. Er arbeitete sechs Monate lang mit Metallen und erlangte beträchtliche Fertigkeit am Amboss. Bevor Jesus seine neue Beschäftigung in Sepphoris aufnahm, hielt er eine seiner regelmäßigen Beratungen in der Familie ab und setzte dabei Jakobus, der gerade achtzehn Jahre alt geworden war, feierlich als stellvertretendes Familienoberhaupt ein. Er versprach seinem Bruder kräftige Unterstützung und volle Zusammenarbeit und verlangte von jedem Familienmitglied ein klares Versprechen, Jakobus zu gehorchen. Von diesem Tag an übernahm Jakobus die gesamte finanzielle Verantwortung für die Familie, und Jesus leistete wöchentliche Zahlungen an seinen Bruder. Nie wieder nahm Jesus Jakobus die Zügel aus der Hand. Während er in Sepphoris arbeitete, hätte er, wenn nötig, jeden Abend nach Hause gehen können, aber er blieb absichtlich fern, wobei er das Wetter und andere Gründe vorschützte. Sein wahrer Beweggrund aber war, Jakobus und Joseph Gelegenheit zu geben, sich im Tragen der Familienverantwortung zu üben. Er hatte mit dem langsamen Ablösungsprozess von seiner Familie begonnen. An jedem Sabbat und manchmal auch während der Woche, wenn die Ereignisse es erforderten, kehrte er nach Nazareth zurück, um zu sehen, wie sich der neue Plan anließ, und um mit Rat und hilfreichen Anregungen zur Stelle zu sein. Die sechs zumeist in Sepphoris verbrachten Monate gaben Jesus eine neue Gelegenheit, mit der heidnischen Lebensauffassung vertrauter zu werden. Er arbeitete mit Heiden und lebte unter Heiden und ließ sich nicht die kleinste Gelegenheit entgehen, ihre Lebensgewohnheiten und ihre Denkweise aus nächster Nähe und gründlich kennen zu lernen. Das sittliche Niveau dieser Residenzstadt des Herodes Antipas war sogar noch niedriger als das des Karawanenviertels von Nazareth. Deshalb war Jesus nach sechsmonatigem Aufenthalt in Sepphoris nicht abgeneigt, unter einem Vorwand nach Nazareth zurückzukehren. Das Unternehmen, für das er arbeitete, sollte in Sepphoris und in der neuen Stadt Tiberias öffentliche Arbeiten ausführen, und Jesus wollte mit keinerlei Beschäftigung unter der Oberaufsicht des Herodes Antipas das Geringste zu tun haben. Und es gab auch noch andere Gründe, die es Jesus weise erscheinen ließen, nach Nazareth zurückzugehen. Als er in die Reparaturwerkstatt zurückkehrte, übernahm er die persönliche Leitung der Familienangelegenheiten nicht wieder. Er arbeitete zusammen mit Jakobus in der Werkstatt und erlaubte ihm soweit wie möglich, die häusliche Leitung fortzuführen. Auch Jakobus' Kontrolle der Familienausgaben und seine Verwaltung des Haushaltbudgets blieben unangetastet. Durch solch weises und überlegtes Planen bereitete Jesus den Weg für seinen schließlichen Rückzug von aller aktiven Teilnahme an den Angelegenheiten seiner Familie. Nachdem Jakobus zwei Jahre lang als Familienoberhaupt Erfahrungen gesammelt hatte - bis zu seiner Heirat sollte es noch volle zwei Jahre dauern - wurde Joseph mit der Verwaltung der Haushaltsmittel und der allgemeinen Leitung des Heims betraut. ***** 128.3 Das Dreiundzwanzigste Jahr (17 n. Chr.) ***** In diesem Jahr ließ der finanzielle Druck leicht nach, da jetzt vier von ihnen arbeiteten. Miriam verdiente beträchtlich mit dem Verkauf von Milch und Butter; und Martha war eine Meisterin im Weben geworden. Der Kaufpreis für die Reparaturwerkstatt war zu über einem Drittel bezahlt. Die Lage erlaubte es Jesus, seine Arbeit drei Wochen lang zu unterbrechen, um mit Simon nach Jerusalem zum Passahfest zu gehen. Das war die längste Zeitspanne, die er seit dem Tode seines Vaters fern von der täglichen Mühsal genossen hatte. Sie reisten durch die Dekapolis und über Pella, Gerasa, Philadelphia, Heschbon und Jericho nach Jerusalem. Sie kehrten auf dem Küstenweg nach Nazareth zurück und berührten dabei Lydda, Joppe und Cäsarea. Dann gingen sie um den Karmelberg herum nach Ptolemäus und Nazareth. Diese Reise machte Jesus recht gut mit ganz Palästina nördlich der Gegend von Jerusalem bekannt. In Philadelphia machten Jesus und Simon die Bekanntschaft eines Kaufmanns von Damaskus, der das Paar aus Nazareth so lieb gewann, dass er sie drängte, mit ihm an seinem Jerusalemer Geschäftssitz abzusteigen. Während Simon den Tempel besuchte, verbrachte Jesus viel Zeit mit diesem hochgebildeten und vielgereisten Mann mit weltweiten Geschäftsverbindungen. Dieser Kaufmann besaß über viertausend Karawanenkamele; er hatte im ganzen römischen Reich Geschäftsinteressen und befand sich jetzt auf dem Weg nach Rom. Er schlug Jesus vor, nach Damaskus zu kommen und dort in sein orientalisches Importunternehmen einzutreten. Doch Jesus erklärte, er fühle, dass er nicht das Recht habe, sich gerade jetzt so weit von seiner Familie wegzubegeben. Auf dem Wege nach Hause dachte er aber viel über diese fernen Städte und die noch weiter abgelegenen Länder des Fernen Westens und Fernen Ostens nach, von denen er die Karawanenreisenden und -führer so oft hatte erzählen hören. Simon genoss seinen Besuch in Jerusalem sehr. Er wurde bei der Passahweihe der neuen Söhne des Gesetzes gebührend in die Gemeinschaft Israels aufgenommen. Während Simon den Passahzeremonien beiwohnte, mischte sich Jesus unter die Besucherscharen und nahm an vielen interessanten, persönlichen Unterhaltungen mit zahlreichen heidnischen Proselyten teil. Vielleicht der bemerkenswerteste all dieser Kontakte war der mit einem jungen Hellenisten namens Stephanus. Dieser junge Mann befand sich zum ersten Mal zu Besuch in Jerusalem und begegnete Jesus durch Zufall am Donnerstagnachmittag der Passahwoche. Während beide umherschlenderten und sich den Palast der Hasmonäer anschauten, begann Jesus eine beiläufige Unterhaltung, bei der sie sich füreinander zu interessieren begannen und die schließlich in eine vierstündige Diskussion über die Lebensweise und den wahren Gott und seine Anbetung mündete. Jesu Worte beeindruckten Stephanus zutiefst; er vergaß sie niemals. Dieser nämliche Stephanus war es, der später an die Lehren Jesu zu glauben begann, und dessen Unerschrockenheit beim Predigen des frühen Evangeliums bewirkte, dass er durch erzürnte Juden zu Tode gesteinigt wurde. Ein Teil der außerordentlichen Kühnheit, mit der er seine Sicht des neuen Evangeliums verkündete, war die direkte Folge dieser früheren Unterhaltung mit Jesus. Aber Stephanus ahnte nie auch nur im Entferntesten, dass der Galiläer, mit dem er fünfzehn Jahre zuvor gesprochen hatte, mit demjenigen, den er später zum Retter der Welt erklärte, identisch war, und für den er so bald sterben und dadurch zum ersten Märtyrer des neu entstehenden christlichen Glaubens werden sollte. Als Stephanus sein Leben hingab als Preis für seinen Angriff auf den jüdischen Tempel und dessen althergebrachte Bräuche, war da ein Bürger von Tarsus mit Namen Saulus zugegen. Und als Saulus sah, wie dieser Grieche für seinen Glauben zu sterben bereit war, bemächtigten sich seines Herzens jene Gefühle, die ihn schließlich dazu führten, sich für die Sache, für die Stephanus sein Leben hingegeben hatte, einzusetzen; später wurde aus ihm der draufgängerische und unbezwingbare Paulus, der Philosoph, wenn nicht gar alleinige Begründer der christlichen Religion. Am Sonntag nach der Passahwoche begaben sich Simon und Jesus auf die Rückreise nach Nazareth: Niemals vergaß Simon, was Jesus ihn unterwegs lehrte. Er hatte Jesus immer geliebt, aber nun fühlte er, dass er begonnen hatte, seinen Vater-Bruder kennen zu lernen. Während sie über Land gingen und ihre Mahlzeiten am Wegrand zubereiteten, hatten sie viele offenherzige Gespräche miteinander. Sie kamen am Donnerstag um die Mittagsstunde zu Hause an, und Simon hielt die Familie mit dem Erzählen seiner Erlebnisse bis spät in die Nacht hinein wach. Maria war sehr bestürzt, als Simon ihr erzählte, dass Jesus die meiste Zeit in Jerusalem "in Gesellschaft von Ausländern, insbesondere von solchen aus fernen Ländern" verbracht habe. Jesu Familie konnte nie verstehen, wieso er sich so sehr für die Menschen interessierte, wieso es ihn so sehr drängte, mit ihnen zu plaudern, ihre Lebensweise kennen zu lernen und herauszufinden, wie sie dachten. Die Familie von Nazareth wurde immer mehr durch ihre unmittelbaren menschlichen Probleme in Anspruch genommen; die künftige Sendung Jesu wurde nicht oft erwähnt, und er selber sprach nur sehr selten von seiner kommenden Lebensaufgabe. Seine Mutter dachte fast nie daran, dass er ein Kind der Verheißung war. Langsam gab sie die Idee auf, dass Jesus irgendeine göttliche Sendung auf Erden zu erfüllen habe; jedoch lebte ihr Glaube von Zeit zu Zeit wieder auf, wenn sie innehielt und sich Gabriels Besuch vor der Geburt des Kindes in Erinnerung rief. ***** 128.4 Die Episode in Damaskus ***** Jesus verbrachte die vier letzten Monate dieses Jahres in Damaskus als Gast des Kaufmanns, dem er zum ersten Mal in Philadelphia auf dem Weg nach Jerusalem begegnet war. Ein Beauftragter dieses Kaufmanns hatte Jesus auf der Durchreise durch Nazareth aufgespürt und ihn nach Damaskus begleitet. Dieser Kaufmann mit teilweise jüdischer Abstammung schlug vor, eine außergewöhnliche Summe Geldes für die Gründung einer Schule für religiöse Philosophie in Damaskus aufzuwenden. Er plante die Schaffung eines Studienzentrums, das Alexandria den Rang ablaufen würde. Und er schlug Jesus vor, sich unverzüglich auf eine lange Reise zu den Weltzentren der Bildung zu begeben, bevor er Leiter dieses neuen Projektes würde. Dies war eine der größten Versuchungen, denen Jesus im Laufe seines rein menschlichen Lebens ausgesetzt war. Bald stellte dieser Kaufmann Jesus eine Gruppe von zwölf Kaufleuten und Bankiers vor, die sich mit der Unterstützung der neu geplanten Schule einverstanden erklärten. Jesus bekundete tiefes Interesse an dieser Schule und half ihnen bei der Planung ihrer Organisation, gab aber immer seiner Befürchtung Ausdruck, dass seine anderen unerwähnten, aber früheren Verpflichtungen ihn an der Annahme der Leitung einer so anspruchsvollen Unternehmung hindern würden. Sein Möchtegern-Gönner war beharrlich und, während er Jesus in seinem Hause in nützlicher Weise mit Übersetzungsarbeiten beschäftigte, bemühte er sich mit seiner Frau, seinen Söhnen und Töchtern, ihn zur Annahme der ihm angebotenen Ehre zu bewegen. Aber Jesus willigte nicht ein. Er wusste gut, dass seine Sendung auf Erden nicht durch Bildungsinstitute unterstützt werden durfte ; er wusste, dass er keine Verpflichtungen eingehen durfte, die ihn auch nur im geringsten von den "Ratsversammlungen der Menschen" abhängig machen würden, ganz gleich, wie wohlgemeint sie sein mochten. Er, den die religiösen Führer Jerusalems sogar noch ablehnten, nachdem er seine Führungsqualitäten unter Beweis gestellt hatte, wurde von den Geschäftsleuten und Bankiers von Damaskus schon als ein hervorragender Lehrmeister anerkannt und begrüßt, als er in Nazareth noch ein unauffälliges und unbekanntes Dasein als Zimmermann führte. Er sagte seiner Familie nie etwas von diesem Angebot, und Ende dieses Jahres ging er in Nazareth wiederum seinen täglichen Pflichten nach, gerade, als wäre er nie durch die schmeichelhaften Vorschläge seiner damaszenischen Freunde versucht worden. Ebenso wenig brachten die Männer von Damaskus je den späteren Bürger von Kapernaum, der das ganze Judentum vollkommen durcheinander brachte, mit dem einstigen Zimmermann aus Nazareth in Verbindung, der es gewagt hatte, die Ehre zurückzuweisen, die ihr vereinigter Reichtum ihm hätte einbringen können. Jesus gelang es auf äußerst intelligente Weise und mit Absicht, die verschiedenen Abschnitte seines Lebens voneinander zu trennen, so dass sie in den Augen der Welt nie als das Tun einer einzigen Person miteinander in Verbindung gebracht wurden. Oft hörte er sich in späteren Jahren die Erzählung dieser nämlichen Geschichte von dem seltsamen Galiläer an, der das Angebot, in Damaskus eine mit Alexandria rivalisierende Schule zu gründen, ausgeschlagen hatte. Wenn Jesus sich bemühte, gewisse Aspekte seiner irdischen Erfahrung voneinander zu sondern, so verfolgte er damit ein bestimmtes Ziel. Er wollte vermeiden, dass sein Lebensweg zu vielgestaltig und Aufsehen erregend erschiene und künftige Generationen dazu bewegen könnte, den Lehrer zu verehren, anstatt der Wahrheit zu gehorchen, die er gelebt und gelehrt hatte. Jesus wollte nicht Anlass zum Entstehen solch eines menschlichen Leistungskataloges geben, der die Aufmerksamkeit von seinen Lehren ablenken würde. Er erkannte schon sehr früh, dass seine Anhänger versucht sein würden, eine Religion über ihn zu begründen, die mit dem Evangelium des Königreichs, das er der Welt zu verkündigen beabsichtigte, in Konkurrenz treten könnte. Deshalb trachtete er ständig danach, auf seinem bewegten Lebensweg alles zu verhindern, was ihm dieser natürlichen menschlichen Neigung entgegenzukommen schien, den Lehrer zu vergöttern, anstatt seine Lehren zu verkünden. Derselbe Beweggrund erklärt auch, weshalb er es zuließ, dass man ihn während der vielfältigen Abschnitte seines abwechslungsreichen Erdenlebens unter verschiedenen Benennungen kannte. Außerdem wollte er seine Familie oder andere nicht irgendeinem unangebrachten Einfluss aussetzen, der sie dazu bringen würde, entgegen ihren ehrlichen Überzeugungen an ihn zu glauben. Er lehnte es immer ab, in ungebührlicher oder unbilliger Weise seinen Vorteil aus dem menschlichen Denken zu ziehen. Er wollte nicht, dass die Menschen an ihn glaubten, wenn sie in ihren Herzen für die in seinen Lehren offenbarten geistigen Realitäten nicht empfänglich waren. Am Ende dieses Jahres verlief in der Familie in Nazareth alles recht glatt. Die Kinder wuchsen heran und Maria gewöhnte sich daran, dass Jesus von zu Hause abwesend war. Er fuhr fort, Jakobus seinen Verdienst für den Unterhalt der Familie zu überweisen und behielt für seine unmittelbaren persönlichen Ausgaben nur einen kleinen Teil zurück. Im Laufe der Jahre wurde es immer schwieriger sich vorzustellen, dass dieser Mann ein Gottessohn auf Erden war. Er schien wie irgendein Individuum der Welt zu werden, ganz einfach Mensch unter Menschen. Denn es war vom Vater im Himmel bestimmt worden, dass die Selbsthingabe gerade in dieser Weise zu geschehen habe. ***** 128.5 Das Vierundzwanzigste Jahr (18 n. Chr.) ***** Dies war das erste Jahr, da Jesus vergleichsweise frei von Familienverantwortung war. Jakobus, von Jesus mit Rat und Geld unterstützt, war in der Führung der häuslichen Angelegenheiten sehr erfolgreich. In der auf das Passahfest dieses Jahres folgenden Woche kam ein junger Mann aus Alexandria nach Nazareth, um zwischen Jesus und einer Gruppe alexandrinischer Juden ein Treffen vorzubereiten, das später im Jahr irgendwo an der Küste Palästinas stattfinden sollte. Diese Begegnung wurde für Mitte Juni vereinbart, und Jesus ging nach Cäsarea hinüber, um mit fünf angesehenen Juden aus Alexandria zusammenzutreffen, die ihn dringend baten, sich in ihrer Stadt als religiö-ser Lehrer niederzulassen, und die ihm für den Anfang als Anreiz die Stelle eines Assistenten des Chazans in ihrer Hauptsynagoge anboten. Der Sprecher dieser Abordnung erklärte Jesus, dass Alexandria bestimmt sei, Weltmittelpunkt der jüdischen Kultur zu werden, und dass die hellenistische Strömung im Judentum die babylonische Geistesrichtung praktisch überholt habe. Sie erinnerten Jesus an das bedrohliche Grollen eines Volksaufstandes in Jerusalem und ganz Palästina und versicherten ihm, dass jede Revolte der palästinensischen Juden einem nationalen Selbstmord gleichkäme, dass die eiserne Hand Roms den Aufstand innerhalb dreier Monate niederschlagen, Jerusalem zerstören und den Tempel derart vernichten würde, dass kein Stein auf dem anderen bliebe. Jesus hörte allem zu, was sie zu sagen hatten, dankte ihnen für ihr Vertrauen und sagte zur Begründung seiner Weigerung, nach Alexandria zu gehen, im Wesentlichen: "Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Seine offensichtliche Indifferenz gegenüber der Ehre, die sie ihm hatten erweisen wollen, machte sie sprachlos. Bevor sie von Jesus Abschied nahmen, überreichten sie ihm einen Geldbeutel als Zeichen der Hochachtung seiner alexandrinischen Freunde und als Entschädigung für Zeit und Geld, die er für die Reise nach Cäsarea aufgewendet hatte, um sich mit ihnen zu besprechen. Aber er wies auch das Geld mit den Worten zurück: "Das Haus Josephs hat nie Almosen entgegengenommen, und wir können nicht anderer Leute Brot essen, solange ich starke Arme habe und meine Brüder arbeiten können." Seine ägyptischen Freunde segelten wieder nach Hause, und wenn ihnen in späteren Jahren Gerüchte zu Ohren kamen von dem Bootsbauer aus Kapernaum, der in Palästina eine solche Aufregung verursachte, ahnten nur wenige von ihnen, dass dieser Mann das herangewachsene Kind von Bethlehem und der nämliche, so seltsam handelnde Galiläer war, der die Aufforderung, ein großer Lehrer in Alexandria zu werden, ohne Umschweife zurückgewiesen hatte. Jesus kehrte nach Nazareth zurück. Bis zum Jahresende folgten die sechs ereignisärmsten Monate seines ganzen Daseins. Er genoss diese vorübergehende Atempause im üblichen Programm von zu lösenden Aufgaben und zu überwindenden Schwierigkeiten. Er war viel mit seinem himmlischen Vater in Verbindung und machte gewaltige Fortschritte in der Beherrschung seines menschlichen Verstandes. Aber die menschlichen Angelegenheiten auf den Welten von Zeit und Raum pflegen nicht lange glatt zu verlaufen. Im Dezember hatte Jakobus eine private Unterredung mit Jesus, bei der er ihm eröffnete, dass er sehr in Esta, eine junge Frau aus Nazareth, verliebt sei und dass sie heiraten möchten, sofern sich das machen ließe. Er hob die Tatsache hervor, dass Joseph bald achtzehn Jahre alt und es für ihn eine gute Erfahrung wäre, wenn er die Gelegenheit bekäme, das Amt eines stellvertretenden Familienvorstandes auszuüben. Jesus erklärte sich mit Jakobus' Heirat in zwei Jahren unter der Voraussetzung einverstanden, dass er in der Zwischenzeit Joseph gut auf die Übernahme des Familienhaushalts vorbereite. Und nun kamen die Ereignisse in Gang - das Heiraten lag in der Luft. Der Erfolg des Jakobus, der von Jesus die Zustimmung zu seiner Heirat erhalten hatte, ermutigte auch Miriam, mit ihren Plänen an ihren Bruder-Vater heranzutreten. Jakob, der jüngere Steinmetz, einstmals selbsternannter Verteidiger Jesu und jetzt Geschäftspartner von Jakobus und Joseph, hatte schon seit langem daran gedacht, um Miriams Hand anzuhalten. Nachdem Miriam Jesus ihre Pläne dargelegt hatte, bestimmte er, dass Jakob zu ihm kommen möge, um einen förmlichen Antrag zu stellen, und versprach, seinen Segen zur Heirat in dem Augenblick zu geben, da sie fühle, dass Martha bereit sei, ihre Pflichten als älteste Tochter wahrzunehmen. War er zu Hause, lehrte er weiterhin dreimal wöchentlich in der Abendschule, las am Sabbat oft in der Synagoge aus den Schriften, machte zusammen mit seiner Mutter Besuche, unterrichtete die Kinder und führte in allem das Leben eines würdigen und geachteten Bürgers von Nazareth in der Gemeinschaft Israels. ***** 128.6 Das Fünfundzwanzigste Jahr (19 n. Chr.) ***** Zu Beginn dieses Jahres war die ganze Familie von Nazareth bei bester Gesundheit, und sie sah die regelmäßige Schulzeit aller Kinder zu Ende gehen mit Ausnahme gewisser Arbeiten, die Martha für Ruth tun musste. Jesus war eines der kräftigsten und verfeinertsten menschlichen Wesen, die seit den Tagen Adams auf Erden erschienen waren. Seine physische Entwicklung war prächtig. Sein Verstand war aktiv, scharf und durchdringend - im Vergleich mit den durchschnittlichen Verstandesfähigkeiten seiner Zeitgenossen hatte er riesige Ausmaße angenommen - und sein Geist war wahrhaftig auf menschliche Weise göttlich. Seit dem Dahinschwinden von Josephs Vermögen war es um die Finanzen der Familie noch nie so gut bestellt gewesen. Die letzten Zahlungen für die Karawanen-Reparaturwerkstatt waren erfolgt; sie schuldeten niemandem mehr etwas, und zum ersten Mal seit Jahren hatten sie einige Barmittel zur Verfügung. Unter diesen Umständen entschloss sich Jesus, Jude, der gerade sein Schlussexamen an der Synagogenschule abgelegt hatte, bei seinem ersten Tempelbesuch zu begleiten, zumal er auch seine anderen Brüder für ihre ersten Passahzeremonien nach Jerusalem mitgenommen hatte. Sie zogen durch das Jordantal nach Jerusalem hinauf und kehrten auf demselben Weg zurück, da Jesus Unannehmlichkeiten befürchtete, wenn er seinen jungen Bruder durch Samarien führen würde. Schon in Nazareth war Jude wegen seines heftigen Temperaments und seiner glühenden patriotischen Gefühle mehrmals in kleinere Schwierigkeiten geraten. Sie langten rechtzeitig in Jerusalem an und befanden sich eben auf dem Weg zu ihrem ersten Besuch des Tempels, dessen bloßer Anblick Jude bis in die Tiefe seiner Seele aufwühlte und erregte, als sie zufällig auf Lazarus von Bethanien stiessen. Während Jesus mit Lazarus sprach und ihre gemeinsame Passahfeier planen wollte, löste Jude einen für sie alle bedenklichen Zwischenfall aus. Nahe bei ihnen stand ein römischer Wachsoldat, der ungehörige Bemerkungen machte, als ein jüdisches Mädchen vorüberging. Jude wurde rot vor hitziger Empörung und zögerte nicht, gegenüber dem Soldaten und in dessen Hörweite seinem Unmut über eine solche Ungehörigkeit Luft zu machen. Nun muss man wissen, dass die römischen Legionäre auf alles, was von Seiten der Juden an Respektlosigkeit grenzte, sehr empfindlich reagierten; deshalb verhaftete der Wachsoldat Jude auf der Stelle. Das war zu viel für den jungen Patrioten und, noch ehe Jesus ihn durch einen mahnenden Blick hätte warnen können, hatte er sich sehr wortreich seiner aufgestauten antirömischen Gefühle entledigt, was alles nur noch verschlimmerte. Jude, mit Jesus an seiner Seite, wurde augenblicklich ins Militärgefängnis abgeführt. Jesus bemühte sich darum, für Jude entweder ein unverzügliches Verhör oder aber seine Entlassung noch vor der Passahfeier dieses Abends zu erwirken, aber beide Versuche schlugen fehl. Da der nächste Tag in Jerusalem eine "heilige Zusammenrufung" war, wagten selbst die Römer nicht, sich Klagen gegen einen Juden anzuhören. Folglich blieb Jude bis zum Morgen des zweiten Tages nach seiner Verhaftung in Gewahrsam, und Jesus blieb bei ihm im Gefängnis. Sie waren bei der Tempelfeier nicht anwesend, als die Söhne des Gesetzes in das volle Bürgerrecht Israels aufgenommen wurden. Jude nahm erst Jahre später an dieser förmlichen Zeremonie teil, als er das nächste Mal zur Passahfeier in Jerusalem weilte in Verbindung mit seiner Propagandaarbeit zugunsten der Zeloten, der patriotischen Organisation, der er angehörte und in der er sehr aktiv war. Am Morgen, der ihrem zweiten Tag im Gefängnis folgte, erschien Jesus für Jude vor dem Militärrichter. Jesus entschuldigte sich für seines Bruders Jugend, und mit weiteren erklärenden, aber wohlüberlegten Worten, die auch auf die herausfordernde Art der Szene Bezug nahmen, die zur Verhaftung seines Bruders geführt hatte, handhabte Jesus die Angelegenheit so, dass der Richter der Meinung Ausdruck gab, der junge jüdische Mann möge einen entschuldbaren Grund zu seinem heftigen Ausbruch gehabt haben. Nachdem er Jude davor gewarnt hatte, sich nicht wieder einer solchen Unbesonnenheit schuldig zu machen, sagte er zu Jesus, indem er beide entließ: "Du tätest gut daran, auf den Burschen ein Auge zu haben; er ist leicht imstande, euch allen viele Unannehmlichkeiten zu bereiten." Und der römische Richter sprach die Wahrheit. Jude bereitete Jesus beträchtliche Schwierigkeiten, und immer waren sie von derselben Art: Konflikte mit der zivilen Obrigkeit wegen seiner gedankenlosen und unklugen patriotischen Ausbrüche. Jesus und Jude gingen für die Nacht nach Bethanien hinüber und erklärten, weshalb sie ihre Abmachung für das Passahabendessen nicht hatten einhalten können. Am nächsten Tag machten sie sich nach Nazareth auf. Jesus sagte seiner Familie nichts von der Verhaftung seines Bruders in Jerusalem, aber drei Wochen nach ihrer Rückkehr hatte er mit Jude ein langes Gespräch über den Zwischenfall. Nach diesem Gespräch berichtete Jude seiner Familie von sich aus darüber. Nie vergaß er die Geduld und Nachsicht seines Bruder-Vaters während dieses ganzen kritischen Erlebnisses. Das war das letzte Passahfest, dem Jesus mit einem Mitglied seiner eigenen Familie beiwohnte. Immer mehr lockerte der Menschensohn die engen Bande zu seinem eigenen Fleisch und Blut. In diesem Jahr wurden seine tiefen Meditationen oft durch Ruth und ihre Spielgefährten unterbrochen. Und jedes Mal war Jesus bereit, die Betrachtung seines künftigen Werks für die Welt und das Universum auf später zu verschieben, um in die kindliche Freude und jugendliche Fröhlichkeit dieser Kleinen einzustimmen, die nie müde wurden, Jesus erzählen zu hören, was er auf seinen verschiedenen Reisen nach Jerusalem alles erlebt hatte. Sie hatten auch große Freude an seinen Geschichten über Tiere und die Natur. Die Kinder waren in der Reparaturwerkstatt immer willkommen. Jesus stellte neben der Werkstatt Sand, Holzklötze und Steine bereit, und die Kleinen kamen scharenweise herbei, um sich zu vergnügen. Wenn sie des Spielens müde waren, spähten die Unerschrockeneren in die Werkstatt, und wenn der Meister gerade nicht beschäftigt war, erkühnten sie sich hineinzugehen und zu sagen: "Onkel Josua, komm heraus und erzähle uns eine große Geschichte." Dann führten sie ihn hinaus, indem sie ihn so lange an den Händen zerrten, bis er auf seinem bevorzugten Stein an der Ecke der Werkstatt saß, mit den Kindern am Boden im Halbkreis vor sich. Und wie sich das kleine Volk an Onkel Josua ergötzte! Sie lernten lachen, und von Herzen lachen. Zwei oder drei der kleinsten Kinder pflegten auf seine Knie zu klettern, darauf zu sitzen und in Bewunderung zu seinen ausdrucksvollen Gesichtszügen aufzuschauen, während er seine Geschichten erzählte. Die Kinder liebten Jesus, und Jesus liebte die Kinder. Es fiel seinen Freunden schwer, die Spannweite seiner intellektuellen Tätigkeiten zu erfassen, zu begreifen, wie er so unvermittelt und vollständig von tiefen Diskussionen über Politik, Philosophie oder Religion zu der unbeschwerten und fröhlichen Ausgelassenheit dieser fünf- bis zehnjährigen Knirpse übergehen konnte. Als seine eigenen Geschwister größer wurden und er mehr Mußestunden gewann, und noch bevor Enkelkinder ankamen, bekundete er für diese Kleinen ein sehr reges Interesse. Aber er lebte nicht lange genug auf Erden, um sich der Enkelkinder so recht erfreuen zu können. ***** 128.7 Das Sechsundzwanzigste Jahr (20 n. Chr.) ***** Zu Beginn dieses Jahres wurde sich Jesus von Nazareth zutiefst bewusst, dass er sehr weitreichende potentielle Macht besaß. Aber er war ebenso fest überzeugt, dass seine Persönlichkeit als Menschensohn sich dieser Macht nicht bedienen dürfe, zumindest nicht, bevor seine Stunde käme. Zu dieser Zeit dachte er viel über seine Beziehung zu seinem Vater im Himmel nach, sprach aber kaum darüber. Das Ergebnis dieser ganzen Gedankenarbeit drückte er einmal oben auf der Anhöhe in einem Gebet aus, als er sagte: "Ganz gleich, wer ich bin und welche Macht auch immer ich ausüben mag oder nicht, habe ich stets dem Willen meines Vaters im Paradies gehorcht und werde ihm stets gehorchen." Und während dieser Mann sich in Nazareth zur Arbeit begab und von ihr zurückkehrte, war es - was ein riesiges Universum betraf - buchstäblich wahr, dass "in ihm alle Schätze der Weisheit und des Wissens verborgen lagen". Das ganze Jahr über verlief für die Familie alles gut, ausgenommen für Jude. Jahrelang hatte Jakobus mit seinem jüngsten Bruder Schwierigkeiten; weder zeigte dieser Neigung zu einer festen Arbeit, noch konnte man sich auf ihn verlassen, dass er seinen Teil zu den Ausgaben der Familie beisteuerte. Obwohl er zu Hause lebte, versäumte er es, gewissenhaft seinen Anteil zum Familien-unterhalt zu verdienen. Jesus war ein Mann des Friedens und Judes Streitlust und zahlreiche patriotische Ausbrüche bereiteten ihm hin und wieder Verdruss. Jakobus und Joseph waren dafür, ihn hinauszuwerfen, aber Jesus willigte nicht ein. Wenn ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt wurde, gab er nur den Rat: "Seid geduldig. Seid bedacht in euren Ratschlägen und beispielhaft durch euer Leben, damit euer junger Bruder zuerst den besseren Weg kennen lerne und dann gedrängt werde, euch auf ihm zu folgen." Der weise und liebevolle Ratschlag Jesu verhinderte einen Bruch in der Familie; sie blieben zusammen. Aber Jude kam erst nach seiner Heirat zur Vernunft. Maria sprach selten über Jesu künftige Sendung. Jedes Mal, wenn darauf angespielt wurde, erwiderte Jesus nur: "Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Jesus hatte die schwierige Aufgabe mehr oder weniger abgeschlossen, seine Familie aus der Abhängigkeit von seiner unmittelbaren Anwesenheit zu entlassen. Er bereitete sich rasch auf den Tag vor, an dem er sein Heim in Nazareth bedenkenlos verlassen könnte, um die aktivere Einleitung seines wahren Dienstes an den Menschen zu beginnen. Verliert nie die Tatsache aus den Augen, dass es die wichtigste Aufgabe Jesu während seiner siebenten Selbsthingabe war, die Erfahrung der Geschöpfe zu erwerben und dadurch seine Souveränität über Nebadon zu erlangen. Und während er eben diese Erfahrung zusammentrug, vermittelte er Urantia und seinem gesamten Lokaluniversum die höchste Offenbarung seines Paradies-Vaters. Neben diesen Vorhaben unternahm er es auch, die komplizierten Angelegenheiten dieses Planeten in ihrer Beziehung zur Rebellion Luzifers zu entwirren. In diesem Jahr verfügte Jesus über mehr Muße als gewöhnlich, und er verbrachte viel Zeit mit Jakobus, den er in der Führung der Reparaturwerkstatt, und mit Joseph, den er in der Leitung der häuslichen Angelegenheiten unterwies. Maria spürte, dass er sich bereitmachte, sie zu verlassen. Sie zu verlassen, um wohin zu gehen? Um was zu tun? Sie hatte den Gedanken, dass Jesus der Messias war, so ziemlich aufgegeben. Sie konnte ihn nicht verstehen; sie konnte ihren erstgeborenen Sohn einfach nicht ergründen. Jesus verbrachte in diesem Jahr einen großen Teil seiner Zeit mit den einzelnen Familienmitgliedern. Er führte sie auf lange und häufige Spaziergänge auf die Anhöhe und durch die ländliche Gegend. Vor der Ernte brachte er Jude zu seinem Onkel auf den Bauernhof im Süden von Nazareth, aber Jude blieb nach der Ernte nicht lange dort. Er lief weg, und Simon fand ihn später bei den Fischern am See. Als Simon ihn nach Hause zurückbrachte, redete Jesus mit dem Ausreißer über alles, und da es dessen Wunsch war, Fischer zu werden, ging er mit ihm hinüber nach Magdala und gab ihn einem Verwandten, einem Fischer, in die Obhut; und von da an bis zu seiner Heirat arbeitete Jude recht gut und regelmäßig und behielt seinen Fischerberuf nach der Heirat bei. Endlich war der Tag gekommen, da alle Brüder Jesu ihren Beruf fürs Leben gewählt hatten und darin untergebracht waren. Die Voraussetzungen für Jesu Abschied von zu Hause waren geschaffen. Im November gab es eine Doppelhochzeit. Jakobus heiratete Esta, und Miriam Jakob. Es war wirklich ein freudiger Anlass. Sogar Maria war wieder einmal glücklich, außer wenn ihr von Zeit zu Zeit bewusst wurde, dass Jesus sich zum Weggehen bereitmachte. Sie litt unter der Last einer großen Ungewissheit: Wenn Jesus sich doch nur zu ihr setzen und mit ihr frei über alles sprechen wollte, wie er es als Knabe getan hatte! Aber er blieb beharrlich verschlossen und schwieg sich über die Zukunft vollkommen aus. Jakobus bezog mit seiner Braut Esta ein hübsches kleines Haus im Westteil der Stadt, das Geschenk ihres Vaters. Jakobus fuhr fort, den Haushalt seiner Mutter zu unterstützen, aber sein Beitrag wurde wegen der Heirat halbiert, und Jesus setzte Joseph in aller Form als Familien-oberhaupt ein. Jude sandte nun jeden Monat sehr pflichtgetreu seinen Anteil nach Hause. Die Hochzeiten von Jakobus und Miriam übten auf Jude einen sehr wohltuenden Einfluss aus, und bevor er an dem der Doppelhochzeit folgenden Tag wegging, um zu seinen Fischgründen zurückzukehren, versicherte er Joseph, er könne sich auf ihn verlassen, "dass ich meine volle Pflicht erfülle, und wenn nötig, noch mehr". Und er hielt Wort. Miriam lebte gleich neben Maria im Hause Jakobs, da der ältere Jakob neben seinen Vätern zur Ruhe gebettet worden war. Martha trat im Hause an Miriams Stelle, und noch ehe das Jahr zur Ende war, funktionierte die neue Organisation bestens. Am Tage nach dieser Doppelhochzeit hatte Jesus mit Jakobus eine wichtige Unterredung. Er sagte ihm im Vertrauen, dass er sich darauf vorbereite, von zu Hause wegzugehen. Er übertrug das volle Eigentumsrecht an der Reparaturwerkstatt auf Jakobus, verzichtete in aller Form und feierlich auf seine Stellung als Oberhaupt der Familie Josephs und setzte seinen Bruder Jakobus in ergreifender Weise als "Haupt und Beschützer des Hauses meines Vaters" ein. Er verfasste einen geheimen Vertrag, den sie beide unterzeichneten, und in dem vereinbart wurde, dass Jakobus hinfort als Gegenleistung für die Schenkung der Reparaturwerkstatt die volle finanzielle Verantwortung für die Familie übernehme und Jesus dadurch aus allen weiteren diesbezüglichen Pflichten entlasse. Nachdem der Vertrag unterzeichnet und der Haushaltplan so aufgestellt war, dass die effektiven Ausgaben der Familie ohne jegliche Zuwendung Jesu bestritten werden konnten, sagte Jesus zu Jakobus: "Aber, mein Sohn, ich werde euch weiterhin jeden Monat etwas senden, bis meine Stunde gekommen ist, aber was ich schicke, sollst du nach den jeweiligen Erfordernissen verwenden. Gib meine Geldmittel für die Bedürfnisse oder die Vergnügen der Familie aus, so wie es dir passend scheint. Gebrauche sie im Krankheitsfall, oder um unvorhergesehenen Notlagen zu begegnen, in die irgendein Familienmitglied geraten könnte." Auf diese Weise schickte sich Jesus an, in die zweite, von zu Hause losgelöste Phase seines Erwachsenendaseins einzutreten, bevor er sich in aller Öffentlichkeit der Angelegenheiten seines Vaters annehmen würde. ****** Kapitel 129 Jesu Späteres Leben als Erwachsener ****** JESUS hatte sich vollständig und endgültig von der Leitung der häuslichen Angelegenheiten der Familie von Nazareth und von der unmittelbaren Führung ihrer Mitglieder losgelöst. Er trug indessen bis zu seiner Taufe weiterhin zu den Finanzen der Familie bei und nahm nach wie vor ein lebhaftes persönliches Interesse am geistigen Wohlergehen jedes seiner Geschwister. Und immer war er bereit, alles nur Menschenmögliche für das Wohlbefinden und das Glück seiner verwitweten Mutter zu tun. Der Menschensohn hatte nun alle Vorbereitungen getroffen, um sich für immer vom Heim in Nazareth zu trennen; und das fiel ihm nicht leicht. Jesus liebte die Seinen von Natur aus; er liebte seine Familie, und diese natürliche Zuneigung war durch seine außerordentliche Hingabe an sie beträchtlich gewachsen. Je mehr wir uns unseren Mitmenschen hingeben, umso größer wird unsere Liebe zu ihnen; und da Jesus sich seiner Familie so ganz und gar geschenkt hatte, liebte er sie mit einer großen und glühenden Zuneigung. Die ganze Familie war sich langsam bewusst geworden, dass Jesus sich anschickte, sie zu verlassen. Die Trauer über die vorausgefühlte Trennung wurde nur durch die stufenweise Methode gemildert, in der Jesus sie auf die Ankündigung seines beabsichtigten Abschieds vorbereitete. Seit mehr als vier Jahren spürten sie, dass er auf diese schließliche Trennung hinwirkte. ***** 129.1 Das Siebenundzwanzigste Jahr (21 n. Chr.) ***** Im Januar des Jahres 21 n. Chr., an einem regnerischen Sonntagmorgen, nahm Jesus ganz zwanglos von seiner Familie Abschied und erklärte nur, er gehe nach Tiberias hinüber, von wo aus er anschließend andere Orte am galiläischen Meer besuchen werde. So verließ er sie und gehörte fortan diesem Haushalt nie wieder als ständiges Mitglied an. Er verbrachte eine Woche in der neuen Stadt Tiberias, die bestimmt war, Sepphoris bald als Hauptstadt Galiläas abzulösen. Und da er hier nur wenig Interessantes fand, ging er über Magdala und Bethsaida nach Kapernaum, wo er Halt machte, um Zebedäus, den Freund seines Vaters zu besuchen. Die Söhne des Zebedäus waren Fischer; er selber war Bootsbauer. Jesus von Nazareth hatte große Erfahrung sowohl im Entwerfen wie im Bauen; er war ein Meister in der Holzverarbeitung, und Zebedäus wusste schon lange um die Fähigkeiten des Handwerkers von Nazareth. Seit langer Zeit hatte Zebedäus sich mit dem Gedanken getragen, verbesserte Boote herzustellen; jetzt unterbreitete er Jesus seine Pläne und lud den auf Besuch weilenden Zimmermann ein, sich an dem Unternehmen zu beteiligen, und Jesus willigte sofort ein. Jesus arbeitete nur etwas länger als ein Jahr mit Zebedäus, aber während dieser Zeit schuf er einen neuen Bootstyp und erfand völlig neue Methoden der Bootsanfertigung. Mit verfeinerter Technik und beträchtlich verbesserten Methoden, die Bretter mit Dampf zu behandeln, begannen Jesus und Zebedäus, Boote eines sehr überlegenen Typs zu bauen, die für das Segeln auf dem See wesentlich sicherer waren als diejenigen älterer Bauart. Mehrere Jahre lang hatte Zebedäus mit der Herstellung dieser neuartigen Boote mehr Arbeit, als sein kleines Unternehmen bewältigen konnte; nach weniger als fünf Jahren fuhren auf dem See praktisch nur noch Boote aus der Werkstatt des Zebedäus in Kapernaum. Bei den galiläischen Fischerleuten kannte man Jesus bald gut als den Entwerfer der neuen Boote. Zebedäus war ein mäßig begüterter Mann; seine Werkstätten für den Bootsbau befanden sich südlich von Kapernaum am See, während sein Heim unten am Seeufer in der Nähe des Fischereizentrums von Bethsaida lag. Jesus lebte während seines mehr als einjährigen Aufenthaltes in Kapernaum im Hause des Zebedäus. Lange Zeit hatte er ganz allein, das heißt ohne Vater, in der Welt gearbeitet, und er genoss diese Zeit der Zusammenarbeit mit einem Vater-Partner sehr. Salome, die Frau des Zebedäus, war eine Verwandte von Hannas, dem ehemaligen Hohepriester von Jerusalem und immer noch Einflussreichsten unter den Sadduzäern, der erst acht Jahre zuvor abgesetzt worden war. Salome wurde eine große Bewunderin von Jesus. Sie liebte ihn wie ihre eigenen Söhne Jakobus, Johannes und David, während ihre vier Töchter Jesus wie ihren älteren Bruder betrachteten. Jesus ging oft mit Jakobus, Johannes und David fischen, und sie stellten fest, dass er ein ebenso erfahrener Fischer wie geschickter Bootsbauer war. Das ganze Jahr hindurch sandte Jesus dem Jakobus jeden Monat Geld. Er ging im Oktober nach Nazareth zurück, um an Marthas Hochzeit teilzunehmen, und kehrte dann erst nach über zwei Jahren kurz vor der Doppelhochzeit von Simon und Jude nach Nazareth zurück. Das ganze Jahr hindurch baute Jesus Boote und beobachtete weiterhin, wie die Menschen auf Erden lebten. Häufig besuchte er die Karawanenwerkstatt, da Kapernaum auf dem direkten Reiseweg von Damaskus in den Süden lag. Kapernaum war ein bedeutender römischer militärischer Standort, und der Garnisonskommandant war ein an Jahve glaubender Heide, "ein frommer Mann", wie die Juden solche Proselyten zu bezeichnen pflegten. Dieser Offizier gehörte einer reichen römischen Familie an, und er hatte aus eigenen Mitteln in Kapernaum eine schöne Synagoge errichten lassen, die den Juden, kurz bevor Jesus sich bei Zebedäus niederließ, übergeben worden war. Jesus leitete während dieses Jahres mehr als die Hälfte der Gottesdienste in der neuen Synagoge, und einige der zufällig beiwohnenden Karawanenreisenden erkannten in ihm den früheren Zimmermann von Nazareth. Als die Steuern bezahlt werden mussten, trug sich Jesus als "gelernter Handwerker von Kapernaum" ein. Von diesem Tag an bis ans Ende seines irdischen Lebens kannte man ihn als Einwohner von Kapernaum. Er nahm für sich nie irgendeinen anderen gesetzlichen Wohnort in Anspruch, obwohl er es anderen aus verschiedenen Gründen erlaubte, als seinen Wohnsitz Damaskus, Bethanien, Nazareth und sogar Alexandria zu nennen. In den Schränken der Synagogenbibliothek von Kapernaum fand er viele neue Bücher und verbrachte mindestens fünf Abende pro Woche mit intensivem Studium. Einen Abend widmete er geselligen Kontakten mit älteren Leuten, und einen verbrachte er mit den jungen. In der Persönlichkeit Jesu lag etwas Anmutiges und Inspirierendes, das auf die jungen Leute stets anziehend wirkte. Er gab sich so, dass sie sich in seiner Gegenwart stets unbefangen fühlten. Vielleicht lag das große Geheimnis, wieso er so gut mit ihnen auskam, in der zweifachen Tatsache, dass er sich immer für das, was sie taten, interessierte und ihnen selten Ratschläge erteilte, es sei denn, sie hätten ihn darum gebeten. Die Familie des Zebedäus betete Jesus nahezu an und versäumte es nie, an den Gesprächen mit Fragen und Antworten teilzunehmen, die er jeden Abend nach Tisch leitete, bevor er in die Synagoge zum Studieren ging. Auch die jungen Nachbarn kamen häufig herein, um bei diesen Zusammenkünften nach dem Abendessen dabei zu sein. Dieser kleinen Zuhörerschar gab Jesus vielfältige und fortgeschrittene Unterweisung, so anspruchsvoll, dass sie sie gerade verstehen konnten. Er unterhielt sich mit ihnen sehr frei, gab seinen Ideen und Idealen über Politik, Soziologie, Wissenschaft und Philosophie Ausdruck, maßte sich aber nie an, mit autoritativer Endgültigkeit zu sprechen außer in Gesprächen über Religion - der Beziehung des Menschen zu Gott. Jede Woche einmal versammelte Jesus alle Gehilfen aus Haushalt, Werkstatt und vom Ufer; denn Zebedäus hatte viele Angestellte. Hier unter diesen Arbeitern war es, dass Jesus zum ersten Mal "der Meister" genannt wurde. Sie alle liebten ihn. Er hatte Freude an seiner Arbeit bei Zebedäus in Kapernaum, aber er vermisste die Kinder, die draußen neben seiner Zimmermannswerkstatt in Nazareth gespielt hatten. Von den Söhnen des Zebedäus war Jakobus an Jesus vor allem als Lehrer und Philosoph interessiert. Johannes war am meisten von seinen religiösen Unterweisungen und Meinungen angetan. David schätzte ihn als Handwerker, machte sich aber nur wenig aus seinen religiösen Anschauungen und philosophischen Lehren. Häufig kam Jude am Sabbat herüber, um Jesus in der Synagoge sprechen zu hören und blieb dann noch bei ihm zu Besuch. Und je länger Jude seinen ältesten Bruder beobachtete, umso mehr wuchs in ihm die Überzeugung, dass er wahrhaftig ein großer Mann sei. In diesem Jahr machte Jesus große Fortschritte in der zunehmenden Beherrschung seines menschlichen Verstandes und erreichte neue und hohe Ebenen bewussten Kontaktes mit seinem ihm innewohnenden Gedankenjustierer. Das war sein letztes Jahr mit festem Wohnsitz. Nie wieder verbrachte Jesus ein ganzes Jahr am selben Ort oder mit derselben Beschäftigung. Die Tage seiner irdischen Pilgerreisen kamen rasch näher. Zeiten intensiver Aktivität lagen in nicht allzu ferner Zukunft, aber es sollten jetzt zwischen sein einfaches, aber äußerst aktives Leben der Vergangenheit und sein noch intensiveres und anstrengenderes öffentliches Wirken einige Jahre ausgedehnter Reisen und höchst verschiedenartiger persönlicher Aktivitäten treten. Seine Ausbildung als ein Mensch dieser Welt bedurfte noch der Vervollständigung, bevor er seine Lehr-und Predigertätigkeit als der vervollkommnete Gott-Mensch der göttlichen und posthumanen Phasen seiner Selbsthingabe auf Urantia aufnehmen konnte. ***** 129.2 Das Achtundzwanzigste Jahr (22 n. Chr.) ***** Im März des Jahres 22 n. Chr. nahm Jesus Abschied von Zebedäus und von Kapernaum. Er bat um eine geringe Geldsumme, um seine Auslagen für eine Reise nach Jerusalem bestreiten zu können. Während der Zeit seiner Zusammenarbeit mit Zebedäus hatte er nur kleine Geldbeträge bezogen, die er jeden Monat seiner Familie nach Nazareth schickte. In einem Monat war es Joseph, der nach Kapernaum kam, das Geld zu holen, und im nächsten nahm Jude es von Jesus entgegen und brachte es hinauf nach Nazareth. Judes Fischereizentrum lag nur wenige Kilometer südlich von Kapernaum. Als Jesus sich von der Familie des Zebedäus verabschiedete, willigte er ein, bis zum Passahfest in Jerusalem zu bleiben, und sie versprachen, sich alle zu diesem Ereignis einzufinden. Sie planten sogar, das Passahabendessen gemeinsam zu feiern. Sie waren alle traurig, als Jesus sie verließ, insbesondere die Töchter des Zebedäus. Bevor er aus Kapernaum wegzog, führte Jesus ein langes Gespräch mit seinem neugefundenen Freund und engen Gefährten Johannes Zebedäus. Er sagte Johannes, er gedenke, ausgedehnte Reisen zu unternehmen, bis "meine Stunde kommt", und bat ihn, seiner Familie in Nazareth an seiner Statt jeden Monat solange etwas Geld zu senden, bis die ihm geschuldete Summe aufgebraucht sein würde. Und Johannes gab ihm dieses Versprechen: "Mein Lehrer, geh deinen Geschäften nach, tue dein Werk in der Welt; ich werde in dieser oder jeder anderen Angelegenheit an deiner Stelle handeln, und ich werde deine Familie so im Auge behalten, als nähme ich mich meiner eigenen Mutter an oder als sorgte ich für meine eigenen Geschwister. Ich werde dein Geld, das mein Vater verwahrt, nach deinen Weisungen und je nach Bedürfnis ausgeben, und wenn dein Geld ganz aufgebraucht ist und ich von dir kein neues erhalte und wenn deine Mutter in Not ist, werde ich meinen eigenen Verdienst mit ihr teilen. Gehe hin in Frieden. Ich werde in all diesen Angelegenheiten an deiner Stelle handeln." Also besprach sich Johannes nach Jesu Abreise nach Jerusalem mit seinem Vater Zebedäus wegen des Jesus geschuldeten Geldes und war erstaunt, dass es sich um eine so große Summe handelte. Da Jesus ihnen die Angelegenheit so völlig überlassen hatte, hielten sie es für die bessere Lösung, das Geld in Eigentum anzulegen und das Einkommen daraus zur Unterstützung der Familie von Nazareth zu verwenden; und da Zebedäus in Kapernaum ein kleines Haus kannte, auf dem eine Hypothek lag und das zu verkaufen war, riet er Johannes, dieses Haus mit Jesu Geld zu kaufen und für seinen Freund treuhänderisch zu verwalten. Und Johannes folgte dem Rat seines Vaters. Zwei Jahre lang wurde die Miete für das Haus zur Abtragung der Hypothek verwendet. Hinzu kam eine große Geldsumme, die Jesus bald darauf an Johannes sandte, um von der Familie je nach Bedarf verwendet zu werden. Beides zusammen entsprach fast dem Betrag dieser Verbindlichkeit; und da Zebedäus noch das Fehlende beisteuerte, konnte Johannes die ganze Resthypothek bezahlen, als sie fällig wurde, und erwarb dadurch das volle Besitzrecht auf dieses Zweizimmerhaus. Auf diese Weise wurde Jesus Eigentümer eines Hauses in Kapernaum, aber man teilte ihm dies nicht mit. Als seine Angehörigen in Nazareth hörten, dass Jesus Kapernaum verlassen habe, glaubten sie, es sei jetzt für sie an der Zeit, in Zukunft ohne die Hilfe Jesu auszukommen, da sie von der finanziellen Absprache mit Johannes nichts wussten. Jakobus erinnerte sich an seine Übereinkunft mit Jesus und übernahm, von seinen Brüdern unterstützt, fortan die volle Verantwortung für den Unterhalt der Familie. Aber kehren wir nach Jerusalem zurück, um dort Jesus zu beobachten. Fast zwei Monate lang verbrachte er den größeren Teil seiner Zeit mit dem Anhören der Tempeldiskussionen und mit gelegentlichen Besuchen der verschiedenen Rabbinerschulen. An den Sabbattagen war er meist in Bethanien. Jesus hatte ein Empfehlungsschreiben Salomes, der Frau des Zebedäus, an den früheren Hohepriester Hannas mit sich nach Jerusalem gebracht, in dem sie von Jesus sprach, "als wäre er mein eigener Sohn". Hannas verbrachte viel Zeit mit ihm und besuchte persönlich mit ihm die zahlreichen Akademien der religiösen Lehrer Jerusalems. Während Jesus diese Schulen eingehend besichtigte und ihre Unterrichtsmethoden genau studierte, stellte er öffentlich nie eine einzige Frage. Obwohl Hannas Jesus als einen großen Mann betrachtete, wusste er wirklich nicht, wie er ihn beraten sollte. Er sah klar, dass es töricht wäre, ihm als Studenten den Eintritt in irgendeine der Schulen Jerusalems nahe zu legen. Andererseits wusste er genau, dass man Jesus niemals den ordentlichen Lehrerstatus verleihen würde, da er nie eine Ausbildung an diesen Schulen genossen hatte. Die Passahzeit rückte näher, und zugleich mit den Menschenmengen aus allen vier Himmelsrichtungen langte von Kapernaum her auch Zebedäus mit seiner ganzen Familie in Jerusalem an. Sie stiegen alle in dem weiträumigen Hause des Hannas ab, wo sie das Passafest als eine glückliche Familie feierten. Noch vor Ende dieser Passahwoche traf Jesus durch scheinbaren Zufall auf einen reichen Reisenden und dessen Sohn, einen ungefähr siebzehnjährigen jungen Mann. Diese Reisenden kamen aus Indien, und da sie sich auf dem Weg nach Rom und verschiedenen anderen Orten am Mittelmeer befanden, hatten sie geplant, zur Passahzeit in Jerusalem einzutreffen in der Hoffnung, jemanden zu finden, den sie als Dolmetscher für beide und als Privatlehrer für den Sohn anstellen könnten. Der Vater drängte Jesus, dass er einwillige und mit ihnen reise. Jesus erzählte ihm von seiner Familie und dass es wohl kaum recht wäre, sich fast zwei Jahre lang fortzubegeben, da sie in dieser Zeit in Not geraten könnte. Daraufhin schlug der Reisende aus dem Orient vor, Jesus ein ganzes Jahresgehalt vorzustrecken, damit er seinen Freunden dieses Geld anvertrauen könne, um seine Familie davor zu schützen, Not zu leiden. Da willigte Jesus in die Reise ein. Jesus übergab Johannes, dem Sohn des Zebedäus, die große Geldsumme. Ihr habt schon erfahren, wie Johannes dieses Geld zur Tilgung der Hypothek auf dem Haus in Kapernaum verwendete. Jesus zog Zebedäus wegen dieser Mittelmeerreise restlos ins Vertrauen, auferlegte ihm aber, niemandem, auch nicht seinem eigenen Fleisch und Blut, etwas davon zu sagen, und Zebedäus verriet nie, dass er wusste, wo sich Jesus in diesen fast zwei langen Jahren aufhielt. Vor Jesu Rückkehr von seiner Reise hatte ihn seine Familie nahezu als tot aufgegeben. Einzig die zuversichtlichen Erklärungen von Zebedäus, der zu verschiedenen Gelegenheiten mit seinem Sohn Johannes nach Nazareth kam, hielten die Hoffnung in Marias Herzen am Leben. Während dieser Zeit kam die Familie in Nazareth sehr gut zurecht; Jude hatte seinen Beitrag beträchtlich erhöht und hielt diesen Zuschuss bis zu seiner Heirat aufrecht. Obwohl Maria und Ruth nur eine kleine Unterstützung benötigten, pflegte Johannes ihnen jeden Monat Geschenke zu bringen, wie Jesus ihn zu tun beauftragt hatte. ***** 129.3 Das Neunundzwanzigste Jahr (23 n. Chr.) ***** Jesus verbrachte sein ganzes neunundzwanzigstes Jahr mit der Rundreise durch die Welt des Mittelmeers. Soweit wir die Erlaubnis zur Enthüllung seiner Erlebnisse haben, bilden die wichtigsten Ereignisse dieser Reise den Inhalt der Berichte, die dieser Schrift unmittelbar folgen. Während dieser Reise durch die römische Welt war Jesus aus verschiedenen Gründen als der Schreiber von Damaskus bekannt. In Korinth und bei anderen Halten auf der Rückreise nannte man ihn indessen den jüdischen Privatlehrer. Das war eine ereignisreiche Zeit im Leben Jesu. Auch wenn er auf dieser Reise viele Kontakte mit seinen Mitmenschen hatte, blieb diese Erfahrung in seinem Leben doch ein Abschnitt, den er weder irgendeinem Familienmitglied noch irgendeinem Apostel entdeckte. Jesus beendete sein irdisches Leben und verließ diese Welt, ohne dass irgendjemand (mit Ausnahme des Zebedäus von Bethsaida) etwas davon wusste, dass er diese ausgedehnte Reise unternommen hatte. Einige seiner Freunde dachten, er sei nach Damaskus zurückgekehrt; andere dachten, er sei nach Indien gegangen. Seine eigene Familie neigte zur Annahme, er befinde sich in Alexandria, da sie wusste, dass er früher einmal dorthin eingeladen worden war, um Stellvertreter des Chazans zu werden. Als Jesus nach Palästina zurückkehrte, unternahm er nichts, um seine Familie von der Meinung abzubringen, er sei von Jerusalem nach Alexandria gegangen; er ließ sie weiterhin im Glauben, er habe die ganze Zeit seiner Abwesenheit von Palästina in dieser Stadt der Gelehrsamkeit und Kultur zugebracht. Nur Zebedäus, der Bootsbauer von Bethsaida, kannte die Wahrheit in dieser Angelegenheit, aber er sprach mit niemandem darüber. Bei all euren Bemühungen, euch über die Bedeutung des Lebens Jesu auf Urantia klar zu werden, müsst ihr euch der Beweggründe für die Selbsthingabe Michaels bewusst bleiben. Wenn ihr den Sinn vieler seiner scheinbar seltsamen Handlungen verstehen möchtet, müsst ihr euch das Ziel seines Aufenthaltes auf eurer Welt vergegenwärtigen. Mit Bedacht sorgte er dafür, keinen überattraktiven und alle Aufmerksamkeit auf sich lenkenden persönlichen Lebensweg aufzubauen. Er wollte keine ungewöhnlichen oder überwältigenden Appelle an seine Mitmenschen richten. Er weihte sich dem Werk, seinen Mitmenschen den himmlischen Vater zu offenbaren, und gab sich zugleich ganz der erhabenen Aufgabe hin, sein sterbliches irdisches Dasein ständig in Unterwerfung unter den Willen desselben Paradies-Vaters zu leben. Um Jesu Leben auf Erden zu verstehen, wird es auch immer hilfreich sein, wenn sich alle Sterblichen, die seine göttliche Selbsthingabe studieren, daran erinnern, dass er das inkarnierte Leben, das er auf Urantia lebte, für sein gesamtes Universum lebte. Für jeden einzelnen bewohnten Planeten im ganzen Universum von Nebadon gab es etwas Besonderes und Inspirierendes im Zusammenhang mit dem Leben, das er als Sterblicher lebte. Dasselbe gilt auch für all jene Welten, die seit den bewegten Zeiten seines Aufenthaltes auf Urantia bewohnbar geworden sind. Und es wird ebenso wahr sein für alle Welten, die in der ganzen zukünftigen Geschichte dieses Lokaluniversums möglicherweise von willensbegabten Geschöpfen bewohnt sein werden. Mit Hilfe der auf seiner Reise durch die römische Welt gesammelten Erfahrungen vollendete der Menschensohn praktisch seine Bildung und Schulung im Kontakt mit den verschiedenartigen Völkern der Welt seiner Tage und Generation. Bis zu seiner Rückkehr nach Nazareth hatte er dank dieser Reiseschulung so ziemlich erfahren, wie die Menschen auf Urantia lebten und mit ihren Existenzproblemen fertig wurden. Das wahre Ziel seiner Reise rund um das Mittelmeerbecken war, die Menschen kennen zu lernen. Er kam während der Reise mit Hunderten von Menschen in sehr engen Kontakt. Er traf und liebte alle Arten von Menschen, reiche und arme, hohe und niedrige, schwarze und weiße, gebildete und ungebildete, kultivierte und unkultivierte, sinnliche und vergeistigte, religiöse und irreligiöse, sittliche und unsittliche. Auf dieser Mittelmeerreise kam Jesus in seiner menschlichen Aufgabe rasch damit voran, seinen materiellen menschlichen Verstand zu meistern, und sein ihm innewohnender Gedankenjustierer machte große Fortschritte bei der Höherentwicklung und geistigen Eroberung dieses nämlichen menschlichen Intellekts. Am Ende der Reise wusste Jesus praktisch - mit aller menschlichen Gewissheit - , dass er ein Gottessohn, ein Schöpfersohn des Universalen Vaters war. Dem Justierer gelang es immer besser, ins Bewusstsein des Menschensohns schattenhafte Erinnerungen an seine Erfahrungen der Verbundenheit mit seinem göttlichen Vater im Paradies treten zu lassen, lange bevor er auszog, das Lokaluniversum von Nebadon zu organisieren und zu verwalten. Auf diese Weise brachte der Justierer notwendige Erinnerungen an seine frühere göttliche Existenz in den verschiedenen Epochen einer beinah ewigen Vergangenheit nach und nach ins menschliche Bewusstsein Jesu zurück. Die letzte Episode seiner vormenschlichen Existenz, welche der Justierer in ihm wachrief, war seine Abschiedsunterredung mit Immanuel von Salvington, gerade bevor er sein persönliches Bewusstsein aufgab, um mit seiner Inkarnation auf Urantia zu beginnen. Und dieses abschließende Erinnerungsbild vormenschlicher Existenz trat am Tage seiner Taufe im Jordan durch Johannes klar in Jesu Bewusstsein. ***** 129.4 Der menschliche Jesus ***** Für die zuschauenden himmlischen Intelligenzen des Lokaluniversums war diese Mittelmeerreise die fesselndste aller irdischen Erfahrungen Jesu, zumindest seines ganzen Lebensweges bis zu seiner Kreuzigung und seinem Tod. Es war die faszinierende Periode seines persönlichen Wirkens im Unterschied zu der bald darauf folgenden Zeit öffentlichen Wirkens. Diese einzigartige Periode war umso spannender, als er zu dieser Zeit immer noch der Zimmermann von Nazareth, der Bootsbauer von Kapernaum und der Schreiber von Damaskus war; er war immer noch der Menschensohn. Er hatte noch nicht die volle Herrschaft über seinen menschlichen Verstand erreicht; ebenso wenig hatte sein Justierer die sterbliche Identität ganz gemeistert und dazu ein Gegenstück geschaffen. Jesus war immer noch ein Mensch unter Menschen. Die rein menschliche religiöse Erfahrung - das persönliche geistige Wachstum - des Menschensohns erreichte während dieses neunundzwanzigsten Jahres beinahe die Höhe der Vollendung. Die von ihm durchlebte geistige Entwicklung war ein stetiges allmähliches Wachsen vom Augenblick der Ankunft seines Gedankenjustierers an bis zum Tag der Erfüllung und Bestätigung jener natürlichen und normalen menschlichen Beziehung zwischen dem materiellen Verstand des Menschen und der Verstandesgabe des Geistes - dem Phänomen, dass diese beiden Denker zu einem einzigen werden. Und zu dieser vollkommenen und endgültigen Erfahrung gelangte der Menschensohn als inkarnierter Sterblicher dieser Welt am Tage seiner Taufe im Jordan. Obwohl er nicht häufig in förmliche Verbindung mit seinem himmlischen Vater zu treten schien, so vervollkommnete er im Laufe dieser Jahre doch immer wirksamere Methoden persönlicher Kommunikation mit der ihm innewohnenden Gegenwart des Geistes des Paradies-Vaters. Er lebte ein wirkliches Leben, ein volles Leben, und ein wahrhaft normales, natürliches und durchschnittliches irdisches Leben. Aus persönlicher Erfahrung kennt er die genaue Entsprechung dessen, was die Wirklichkeit der ganzen Summe und Substanz des Daseins ausmacht, das die menschlichen Wesen auf den materiellen Welten von Zeit und Raum leben. Der Menschensohn erfuhr den ganzen Umfang menschlicher Gefühle, welche von übermächtiger Freude bis zu tiefem Schmerz reichen. Er war ein Kind der Freude und ein Wesen von selten guter Laune; er war aber auch "ein Mann des Leids und mit Schmerz vertraut". In geistigem Sinne durchlebte er das sterbliche Leben tatsächlich von zuunterst bis zuoberst, von Anfang bis Ende. Materiell gesehen könnte es scheinen, als habe er es vermieden, die beiden sozialen Extreme der menschlichen Existenz zu leben, aber intellektuell wurde er mit der ganzen und uneingeschränkten Erfahrung der Menschheit vollkommen vertraut. Jesus kennt die Gedanken und Gefühle, die Triebe und Impulse der evolutionären und aufsteigenden Sterblichen der Welten von der Geburt bis zum Tod. Er hat das menschliche Leben vom Erwachen des physischen, intellektuellen und geistigen Selbst an über Säuglingsalter, Kindheit, und Jugendzeit bis zum Erwachsenendasein - und sogar bis zur menschlichen Todeserfahrung - durchlebt. Er schritt nicht nur durch diese gewöhnlichen und uns vertrauten menschlichen Perioden intellektuellen und geistigen Wachstums, sondern er machte auch die vollständige Erfahrung jener höheren und fortgeschritteneren Phasen des Einklangs zwischen Mensch und Justierer, die so wenige Sterbliche Urantias je erreichen. Solcherweise machte er die vollständige Erfahrung des menschlichen Lebens, und zwar nicht nur, wie es auf eurer Welt, sondern auch auf allen anderen evolutionären Welten von Zeit und Raum gelebt wird, und sogar auf den höchsten und fortgeschrittensten aller Welten, den im Licht und Leben verankerten. Wenn auch sein vollkommenes, in sterblicher Gestalt gelebtes Leben vielleicht bei seinen Mitmenschen, die zufällig seine Zeitgenossen auf Erden waren, nicht unbedingte und allgemeine Zustimmung fand, so anerkannte indessen der Universale Vater das Leben Jesu von Nazareth als Mensch auf Urantia voll und uneingeschränkt; denn dieses Leben war - zu ein und derselben Zeit und in ein und derselben Persönlichkeit - die Fülle der Offenbarung des ewigen Gottes an die sterblichen Menschen und die den unendlichen Schöpfer zufrieden stellende Darstellung vervollkommneter menschlicher Persönlichkeit. Und gerade das war sein wahres und oberstes Ziel. Er stieg nicht herab, um auf Urantia als vollkommenes und in allen Einzelheiten gültiges Vorbild für alle Kinder und Erwachsenen, Männer und Frauen dieses oder irgendeines anderen Zeitalters zu leben. Es ist allerdings wahr, dass wir alle in seinem vollen, reichen, schönen und edlen Leben vieles finden können, das von erlesener Vorbildlichkeit und göttlich inspirierend ist; aber das kommt daher, dass er ein wahres und echt menschliches Dasein lebte. Jesus lebte sein Erdenleben nicht, um allen anderen menschlichen Wesen ein Beispiel zur Nachahmung zu geben. Er lebte sein irdisches Leben aus jenem Geiste tätiger Barmherzigkeit heraus, welcher euch alle in eurem Erdenleben erfüllen sollte. Und während er sein Leben als Sterblicher in seiner Zeit und so, wie er war, lebte, gab er uns allen dadurch zugleich das Beispiel, unser Leben in unserer Zeit und so, wie wir sind, zu leben. Es mag sein, dass ihr nicht danach strebt, sein Leben zu leben, aber ihr könnt euch dafür entscheiden, euer Leben so und in derselben Art zu leben, wie er das seine lebte. Jesus ist vielleicht nicht bis in alle technischen Einzelheiten das Vorbild für alle Sterblichen aller Zeitalter in allen Welten dieses Lokaluniversums, aber er ist für immer die Inspiration und der Führer aller Paradies-Pilger von den Welten des Aufstiegsbeginns durch ein Universum von Universen über Havona bis zum Paradies. Jesus ist der neue und lebendige Weg vom Menschen zu Gott, vom Bruchstückhaften zum Vollkommenen, vom Irdischen zum Himmlischen, von der Zeit zur Ewigkeit. Am Ende seines neunundzwanzigsten Lebensjahres hatte Jesus das von den Sterblichen während ihres irdischen Aufenthaltes verlangte Leben praktisch erfüllt. Er war auf die Erde gekommen, damit sich den Menschen die Fülle Gottes offenbare; er war nun nahezu die Vollkommenheit eines Menschen geworden, die auf die Gelegenheit wartete, sich Gott zu offenbaren. Und all das vollbrachte er, bevor er dreißig Jahre alt war. ****** Kapitel 130 Auf dem Weg nach Rom ****** DIE Rundreise durch die römische Welt füllte den größten Teil des achtundzwanzigsten und das ganze neunundzwanzigste Jahr von Jesu Erdenleben aus. Jesus und die zwei gebürtigen Inder - Gonod und sein Sohn Ganid - verließen Jerusalem an einem Sonntagmorgen, dem 26. April 22 n. Chr. Ihre Reise verlief planmäßig, und Jesus verabschiedete sich von Vater und Sohn in der Stadt Charax am persischen Golf am 10. Dezember des folgenden Jahres, 23 n. Chr. Von Jerusalem aus gingen sie über Joppe nach Cäsarea. In Cäsarea bestiegen sie ein Schiff nach Alexandria. Von Alexandria segelten sie nach Lasea auf Kreta. Von hier segelten sie nach Karthago, mit Kurzaufenthalt in Kyrene. In Karthago nahmen sie ein Schiff nach Neapel und hielten unterwegs in Malta, Syrakus und Messina an. Von Neapel gingen sie nach Capua, und reisten von hier aus über die Via Appia nach Rom weiter. Nach ihrem Romaufenthalt gingen sie über den Landweg nach Tarent, von wo sie nach Athen in Griechenland ausliefen mit Aufenthalten in Nikopolis und Korinth. Von Athen ging es über die Troas nach Ephesus. Von hier segelten sie nach Zypern mit Zwischenhalt auf Rhodos. Auf Zypern verbrachten sie beträchtliche Zeit mit Besuchen und Ausruhen und segelten dann nach Antiochien in Syrien weiter. Von Antiochien reisten sie südwärts nach Sidon und anschließend hinüber nach Damaskus. Von da reisten sie mit einer Karawane über Thapsakus und Larissa nach Mesopotamien. Sie hielten sich einige Zeit in Babylon auf, besuchten Ur und andere Orte und gingen dann nach Susa. Von Susa reisten sie nach Charax, von wo aus Gonod und Ganid sich nach Indien einschifften. Während der vier Monate, die Jesus in Damaskus arbeitete, hatte er sich die Grundelemente der Sprache Gonods und Ganids angeeignet. Zusammen mit einem aus Gonods Heimatgegend stammenden Mitarbeiter hatte er dort einen großen Teil der Zeit auf Übersetzungen aus dem Griechischen in eine von Indiens Sprachen verwendet. Auf dieser Mittelmeerreise verbrachte Jesus ungefähr die Hälfte jeden Tages damit, Ganid zu unterrichten und für Gonod bei dessen geschäftlichen Verhandlungen und gesellschaftlichen Kontakten zu dolmetschen. Über die restliche Zeit konnte er jeden Tag frei verfügen, und er nutzte sie für jene engen persönlichen Kontakte mit seinen Mitmenschen, für jenen vertrauten Umgang mit den Sterblichen dieser Welt, der das auffallende Merkmal seiner Tätigkeit während der beiden Jahre war, die seinem öffentlichen Wirken unmittelbar vorausgingen. Durch eigene Beobachtung und direkten Kontakt machte sich Jesus mit der gehobeneren materiellen und intellektuellen Zivilisation des Abendlandes und der Levante vertraut; von Gonod und dessen hochbegabtem Sohn erfuhr er sehr viel über die Zivilisation und Kultur Indiens und Chinas, denn Gonod, der selber indischer Bürger war, hatte drei ausgedehnte Reisen ins Reich der gelben Rasse unternommen. Der junge Mann Ganid lernte viel von Jesus während dieser langen und engen Zusammenarbeit. Es entwickelte sich zwischen ihnen eine tiefe Zuneigung, und der Vater des jungen Mannes versuchte Jesus viele Male zu überreden, mit ihnen nach Indien zurückzureisen, aber Jesus lehnte stets ab, wobei er sich auf die Notwendigkeit berief, zu seiner Familie nach Palästina zurückzukehren. ***** 130.1 In Joppe - Gespräch über Jonas ***** Während ihres Aufenthaltes in Joppe begegnete Jesus dem Philister Gadiah, einem Dolmetscher, der für einen Gerber namens Simon arbeitete. Gonods Beauftragte in Mesopotamien hatten mit diesem Simon viele Geschäfte abgewickelt; deshalb wünschten Gonod und sein Sohn ihn auf ihrem Weg nach Cäsarea zu besuchen. Während sie in Joppe verweilten, wurden Jesus und Gadiah enge Freunde. Dieser junge Philister war ein Wahrheitssucher. Jesus war ein Wahrheitsspender; er war die Wahrheit für jene Generation Urantias. Wenn ein großer Wahrheitssucher und ein großer Wahrheitsspender einander begegnen, ist das Ergebnis eine aus der Erfahrung neuer Wahrheit geborene große und befreiende Erleuchtung. Eines Tages spazierten Jesus und der junge Philister nach dem Abendessen am Meer entlang, und Gadiah, der nicht wusste, dass dieser "Schreiber von Damaskus" sich in den hebraïschen Überlieferungen so gut auskannte, machte Jesus auf die Anlegestelle aufmerksam, wo sich Jonas der Sage nach zu seiner unglückseligen Reise nach Tarschisch eingeschifft hatte. Am Ende seiner Bemerkungen stellte er Jesus folgende Frage: "Aber glaubst du, dass der große Fisch Jonas tatsächlich verschlungen hat?" Jesus erkannte, dass diese überlieferte Geschichte das Leben des jungen Mannes außerordentlich beeinflusst hatte und dass die Beschäftigung mit ihr in ihm die Torheit bewirkt hatte, vor der Pflicht davonlaufen zu wollen; deshalb sagte Jesus nichts, was plötzlich die Grundlagen der gegenwärtigen Motivation Gadiahs für das praktische Leben hätte zerstören können. Auf die Frage antwortete er: "Mein Freund, wir sind alle Jonasse, die ihr Leben in Übereinstimmung mit Gottes Willen leben sollen, und jedes Mal, wenn wir versuchen, uns der gegenwärtigen Lebensaufgabe zu entziehen, um fernen Lockungen nachzurennen, begeben wir uns unter die unmittelbare Kontrolle von Einflüssen, welche weder von den Mächten der Wahrheit noch von den Kräften der Rechtschaffenheit bestimmt werden. Die Flucht vor der Pflicht ist die Opferung der Wahrheit. Die Flucht vor dem Dienst für Licht und Leben mündet unweigerlich in derartige leidvolle Konflikte mit den schwierigen Riesenfischen der Selbstsucht, die schließlich in Finsternis und Tod führen, es sei denn, solche Jonasse, die Gott aufgegeben haben, besinnen sich, auch wenn sie sich in tiefster Verzweiflung befinden, und suchen Gott und seine Güte. Wenn solche entmutigten Seelen aufrichtig nach Gott suchen - nach Wahrheit hungern und nach Rechtschaffenheit dürsten - dann kann nichts sie noch länger in Gefangenschaft halten. In wie große Tiefen sie auch immer gefallen sein mögen, wenn sie das Licht von ganzem Herzen suchen, wird der Geist Gottes des Herrn im Himmel sie aus ihrer Gefangenschaft befreien; die üblen Lebensumstände werden sie ausspeien aufs trockene Land neuer Gelegenheiten, den Dienst wieder aufzunehmen und weiser zu leben." Gadiah war zutiefst bewegt von Jesu Unterweisung, und sie sprachen miteinander am Meeresufer noch bis tief in die Nacht hinein. Bevor sie ihre Unterkünfte aufsuchten, beteten sie zusammen und füreinander. Dieser nämliche Gadiah hörte später Petrus predigen, begann zutiefst an Jesus von Nazareth zu glauben, und führte eines Abends im Hause des Dorcas mit Petrus ein denkwürdiges Gespräch. Und Gadiah hatte auch einen wesentlichen Anteil daran, dass der reiche Lederhändler Simon den endgültigen Entschluss fasste, das Christentum anzunehmen. (In diesem Bericht über Jesu persönliche Beschäftigung mit seinen Mitmenschen auf der Mittelmeerreise übersetzen wir seine Worte in Übereinstimmung mit unserem Auftrag frei in moderne, zur Zeit dieser Darstellung auf Urantia übliche Ausdrucksweise.) Während ihres letzten Zusammentreffens hatten Jesus und Gadiah eine Diskussion über das Gute und das Böse. Ein Gefühl der Ungerechtigkeit wegen des Vorhandenseins des Bösen in der Welt Seite an Seite mit dem Guten beunruhigte diesen jungen Philister sehr. Er sagte: "Wie kann Gott, wenn er unendlich gut ist, es zulassen, dass wir das leidvolle Böse erdulden müssen? Wer erschafft eigentlich das Böse?" Viele glaubten damals noch, dass Gott der Urheber sowohl des Guten als auch des Bösen sei, aber Jesus lehrte nie einen solchen Irrtum. Er beantwortete die Frage wie folgt: "Mein Bruder, Gott ist Liebe, deshalb muss er gut sein, und seine Güte ist so groß und wirklich, dass sie die kleinen und unwirklichen Dinge des Üblen nicht enthalten kann. Gott ist so positiv gut, dass in ihm absolut kein Platz für negatives Übel vorhanden ist. Das Üble ist die unreife Wahl und der gedankenlose Fehltritt derjenigen, die dem Guten widerstehen, das Schöne von sich weisen und die Wahrheit verraten. Das Üble ist bloß die falsche Anpassung der Unreife oder der zerrüttende und entstellende Einfluss der Unwissenheit. Das Üble ist die unvermeidliche Finsternis, die der törichten Ablehnung des Lichts auf dem Fuße folgt. Das Üble ist das Dunkle und Unwahre, das zur Sünde wird, wenn man es bewusst annimmt und willentlich billigt. "Als dein Vater im Himmel dir die Macht verlieh, zwischen Wahrheit und Irrtum zu wählen, schuf er zum positiven Weg des Lichts und Lebens auch das potentiell Negative; aber solche Irrtümer des Üblen haben keine wirkliche Existenz bis zu dem Augenblick, in dem ein intelligentes Geschöpf sie durch falsche Wahl der Lebensweise willentlich ins Dasein ruft. Das derartig entstandene Übel kann dann später in Sünde übergehen, wenn solch ein eigenwilliges und sich auflehnendes Geschöpf eine bewusste und vorsätzliche Wahl trifft. Deshalb erlaubt unser Vater im Himmel dem Guten und dem Bösen, bis ans Ende des Lebens nebeneinander herzugehen, gleich wie die Natur es dem Weizen und dem Unkraut erlaubt, bis zur Ernte Seite an Seite zu wachsen." Jesu Antwort auf seine Frage stellte Gadiah völlig zufrieden, nachdem ihre anschließende Diskussion ihm den wirklichen Sinn dieser wichtigen Äußerungen hatte klar werden lassen. ***** 130.2 In Cäsarea ***** Jesus und seine Freunde hielten sich in Cäsarea länger als vorgesehen auf, da man entdeckte, dass eines der gewaltigen Steuerruder des Schiffs, das sie besteigen sollten, in Gefahr war, in die Brüche zu gehen. Der Kapitän entschloss sich, bis zur Anfertigung eines neuen Ruders im Hafen zu bleiben. Da es für diese Aufgabe an erfahrenen Zimmerleuten mangelte, bot Jesus von sich aus seine Hilfe an. An den Abenden schlenderten Jesus und seine Freunde auf dem schönen Schutzwall, der als Promenade rund um den Hafen diente. Ganid begeisterte sich sehr für Jesu Erklärung des Wassersystems der Stadt und der Technik, welche die Flut dazu benutzte, die Straßen und Abwasserkanäle zu spülen. Dieser junge Inder war sehr beeindruckt vom Tempel des Augustus, der auf einer Anhöhe stand und den eine kolossale Statue des römischen Kaisers krönte. Am zweiten Nachmittag ihres Aufenthaltes besuchten die drei eine Aufführung in dem riesigen Amphitheater, das zwanzigtausend Menschen fassen konnte, und am Abend sahen sie sich im Theater ein griechisches Stück an. Das waren die ersten Aufführungen dieser Art, denen Ganid je beigewohnt hatte, und er stellte Jesus viele Fragen darüber. Am Morgen des dritten Tages statteten sie im Regierungspalast einen formellen Besuch ab, da Cäsarea die Hauptstadt Palästinas und Residenz des römischen Prokurators war. In ihrem Gasthaus wohnte auch ein Kaufmann aus der Mongolei, und da dieser Mann aus dem fernen Osten recht gut griechisch sprach, hatte Jesus mehrere lange Unterhaltungen mit ihm. Jesu Lebensphilosophie beeindruckte diesen Mann sehr, und nie vergaß er die weisen Worte, die sich darauf bezogen, "das himmlische Leben während unseres Erdendaseins zu leben, indem wir uns täglich dem Willen des himmlischen Vaters unterwerfen". Dieser Kaufmann war Taoist und war dadurch zu einem entschiedenen Anhänger der Lehre einer universalen Gottheit geworden. Bei seiner Rückkehr in die Mongolei begann er, seine Nachbarn und Geschäftspartner diese fortgeschrittenen Wahrheiten zu lehren, und als unmittelbare Folge dieser Tätigkeiten beschloss sein ältester Sohn, Taopriester zu werden. Während seines ganzen Lebens übte dieser Sohn einen großen Einfluss zugunsten fortgeschrittener Wahrheit aus. Ihm folgten ein Sohn und ein Enkel, die der Lehre von dem Einen Gott - dem Höchsten Himmlischen Herrscher - ebenso treu ergeben waren. Da der östliche Zweig der frühen christlichen Kirche, der sein Hauptquartier in Philadelphia hatte, sich treuer an die Lehren Jesu hielt als die Brüder in Jerusalem, ist es bedauerlich, dass sich niemand wie Petrus fand, um nach China zu gehen, oder wie Paulus, um Indien zu betreten, wo der geistige Boden für den Samen des neuen Evangeliums des Königreichs zu jener Zeit so aufnahmebereit war. Gerade Jesu Lehren, wie die Philadelphianer sie vertraten, hätten ebenso unmittelbar und wirksam an das Bewusstsein der geistig hungernden Völker Asiens appelliert, wie es die Predigten von Petrus und Paulus im Westen taten. Einer der jungen Männer, die eines Tages mit Jesus am Steuerruder arbeiteten, horchte mit immer größerem Interesse auf die Worte, die er von Zeit zu Zeit fallen ließ, während sie sich auf der Werft abmühten. Als Jesus die Bemerkung machte, der Vater im Himmel kümmere sich um das Wohlergehen seiner Kinder auf Erden, sagte dieser junge Grieche Anaxand: "Wenn die Götter sich wirklich für mich interessieren, wieso entfernen sie dann den grausamen und ungerechten Vorarbeiter nicht von diesem Werkplatz?" Er war verblüfft, als Jesus ihm zur Antwort gab: "Da du Art und Weise der Güte kennst und die Gerechtigkeit schätzt, haben die Götter vielleicht diesen verirrten Mann in deine Nähe gebracht, damit du ihn auf den besseren Weg führen mögest. Vielleicht bist du das Salz, das bestimmt ist, diesen Bruder all seinen Mitmenschen angenehmer zu machen, vorausgesetzt, du hast deinen Geschmack nicht verloren. So wie die Dinge jetzt liegen, ist dieser Mann dein Meister, weil seine üble Art dich ungünstig beeinflusst. Weshalb willst du nicht, durch die Macht der Güte, deine Herrschaft über das Böse durchsetzen und dadurch Herr aller Beziehungen zwischen euch beiden werden? Ich sage voraus, dass das Gute in dir das Böse in ihm überwinden könnte, wenn du ihm eine gerechte und lebendige Möglichkeit geben wolltest. Es gibt im Laufe des sterblichen Daseins kein fesselnderes Abenteuer als die belebende Freude, materieller Lebenspartner der geistigen Energie und der göttlichen Wahrheit in einer ihrer triumphierenden Auseinandersetzungen mit dem Irrtum und dem Übel zu werden. Es ist eine wunderbare und verwandelnde Erfahrung für einen Sterblichen, der sich in geistiger Finsternis befindet, zu einem lebendigen Kanal des geistigen Lichtes zu werden. Wenn du mehr als dieser Mann mit Wahrheit gesegnet bist, dann sollte seine Not dich herausfordern. Du bist sicherlich nicht der Feigling, der am Meeresufer stehen und zusehen könnte, wie ein des Schwimmens unkundiger Mitmensch umkommt! Um wieviel wertvoller ist die in der Finsternis herumtappende Seele dieses Mannes im Vergleich zu seinem im Wasser ertrinkenden Körper!" Jesu Worte bewegten Anaxand mächtig. Bald erzählte er seinem Vorgesetzten, was Jesus gesagt hatte, und noch am selben Abend suchten sie beide bei Jesus Rat für das Wohl ihrer Seelen. Und später, nachdem die christliche Botschaft in Cäsarea verkündet worden war, glaubten beide, der eine Grieche und der andere Römer, an die Predigten Philipps und wurden angesehene Mitglieder der Kirche, die er gründete. Später wurde dieser junge Grieche Hausverwalter bei Cornelius, einem römischen Zenturio, der durch das Wirken des Petrus zum Glauben kam. Anaxand fuhr fort, denen, die in der Finsternis waren, Licht zu bringen bis zur Zeit von Paulus' Gefangensetzung in Cäsarea, als auch er in dem großen Gemetzel von zwanzigtausend Juden zufällig umkam, während er sich der Leidenden und Sterbenden annahm. Um diese Zeit begann Ganid zu bemerken, wie sein Hauslehrer seine Freizeit mit dem ungewöhnlichen persönlichen Dienen an seinen Mitmenschen verbrachte, und der junge Inder nahm sich vor, die Beweggründe für dieses unablässige Tätigsein herauszufinden. Er fragte: "Wieso pflegst du so ständigen Umgang mit Fremden?" Und Jesus antwortete: "Ganid, für einen, der Gott kennt, ist niemand ein Fremder. Wenn man die Erfahrung macht, den Vater im Himmel zu finden, entdeckt man, dass alle Menschen unsere Brüder sind. Ist es dann verwunderlich, dass man sich über das Glück, einen neu entdeckten Bruder zu treffen, freut? Seine Brüder und Schwestern kennen zu lernen, ihre Probleme zu kennen und sie lieben zu lernen, ist die allerhöchste Erfahrung im Leben." Das war ein Gespräch, das bis tief in die Nacht hinein dauerte und in dessen Verlauf der junge Mann Jesus bat, ihm den Unterschied zwischen dem Willen Gottes und jenem Akt des Wählens im menschlichen Verstand zu erklären, der ebenfalls Wille genannt wird. Im Wesentlichen sagte Jesus dazu Folgendes: Der Wille Gottes ist der Weg Gottes, ist Beteiligung an der Wahl Gottes angesichts jeder möglichen Alternative. Den Willen Gottes zu tun, ist deshalb die fortschreitende Erfahrung, immer gottähnlicher zu werden, und Gott ist der Ursprung und die Bestimmung von allem, was gut, schön und wahr ist. Der Wille des Menschen ist der Weg des Menschen, die Summe und Substanz dessen, was der Sterbliche zu sein und zu tun wählt. Der Wille ist die wohldurchdachte Wahl eines sich selber bewussten Wesens, die zu einem Entscheidungsverhalten führt, das auf intelligenter Überlegung beruht. Am selben Nachmittag hatten sich Jesus und Ganid beim Spiel mit einem sehr intelligenten Schäferhund vergnügt, und Ganid wollte wissen, ob der Hund eine Seele und einen Willen habe, worauf ihm Jesus zur Antwort gab: "Der Hund hat einen Verstand, der einen materiellen Menschen, seinen Meister, kennen kann, aber nicht Gott, der Geist ist; der Hund besitzt also keine geistige Natur und kann sich deshalb auch keiner geistigen Erfahrung erfreuen. Mag der Hund auch einen Willen besitzen, der aus der Natur stammt und durch Übung verstärkt werden kann, so ist doch ein solch verstandesmäßiges Vermögen keine geistige Kraft, noch ist es mit dem menschlichen Willen vergleichbar, da es nicht auf Überlegung beruht - es resultiert nicht aus der Unterscheidung höherer und sittlicher Bedeutungen oder aus der Wahl geistiger und ewiger Werte. Erst der Besitz solcher Fähigkeiten der geistigen Unterscheidung und der Wahrheitswahl macht aus dem sterblichen Menschen ein sittliches Wesen, ein Geschöpf, das mit den Attributen geistiger Verantwortung und dem Potential ewigen Lebens ausgestattet ist." Jesus fuhr fort zu erklären, dass die Abwesenheit solcher mentaler Fähigkeiten im Tier es der Tierwelt für immer unmöglich macht, im Zeitlichen eine Sprache zu entwickeln und in der Ewigkeit etwas dem Fortleben der Persönlichkeit Vergleichbares zu erfahren. Der Unterricht dieses Tages hatte zur Folge, dass Ganid nie wieder an die Wanderung von menschlichen Seelen in Tierkörper glaubte. Am nächsten Tag besprach Ganid all dies mit seinem Vater, und auf eine Frage Gonods erklärte Jesus: "Menschen, deren Wille ausschließlich zeitgebundene Entscheidungen fällt, die mit den materiellen Problemen der animalischen Existenz zu tun haben, sind dazu verurteilt, mit dem Zeitlichen unterzugehen. Diejenigen, die mit ganzem Herzen sittliche Entscheidungen treffen und vorbehaltlos geistige Ziele wählen, identifizieren sich dadurch zunehmend mit dem ihnen innewohnenden, göttlichen Geist und verwandeln sich dabei mehr und mehr in die Werte des ewigen Fortlebens - des endlosen Fortschreitens im göttlichen Dienst." An eben diesem Tage hörten wir zum ersten Mal jene bedeutungsvolle Wahrheit, die, in heutiger Sprache ausgedrückt, etwa lauten würde: "Der Wille ist die Manifestation des menschlichen Verstandes, welche das subjektive Bewusstsein befähigt, sich objektiv auszudrücken und das Phänomen des Strebens nach Gottähnlichkeit zu erfahren." In diesem Sinne kann jedes nachdenkliche und geistig ausgerichtete menschliche Wesen schöpferisch werden. ***** 130.3 In Alexandria ***** Der Aufenthalt in Cäsarea war ereignisreich gewesen, und als das Schiff seeklar war, fuhren Jesus und seine zwei Freunde eines Mittags nach Alexandria in Ägypten ab. Die drei erfreuten sich einer sehr angenehmen Überfahrt nach Alexandria. Ganid war von der Reise begeistert und bestürmte Jesus mit Fragen. Als sie sich dem Hafen der Stadt näherten, wurde der junge Mann durch den großen Leuchtturm von Pharos in helle Begeisterung versetzt. Dieser stand auf der Insel, die Alexander durch einen Damm mit dem Festland verbunden hatte, wodurch zwei prächtige Häfen geschaffen wurden, die Alexandria zum Umschlagsplatz für den Seehandel zwischen Afrika, Asien und Europa machten. Dieser große Leuchtturm war eines der sieben Weltwunder und der Vorläufer aller späteren Leuchttürme. Die drei erhoben sich in aller Frühe, um dieses grandiose, lebensrettende Menschenwerk zu sehen, und mitten in die Ausrufe Ganids hinein sagte Jesus: "Und du, mein Sohn, wirst diesem Leuchtturm gleichen, wenn du nach Indien zurückkehrst und nachdem dein Vater zur letzten Ruhe gebettet ist; du wirst wie das Licht des Lebens sein für die, die sich um dich herum in der Finsternis befinden, und allen, denen danach verlangt, den Weg zeigen, damit sie den Hafen der Rettung in Sicherheit erreichen mögen." Und Ganid drückte Jesus fest die Hand und sprach: "Das werde ich." Und wiederum vermerken wir, dass die frühen Lehrer der christlichen Religion einen großen Fehler machten, als sie ihre Aufmerksamkeit so ausschließlich der westlichen Zivilisation des Römischen Reiches zuwandten. Die Lehren Jesu, wie sie im ersten Jahrhundert von den Gläubigen Mesopotamiens vertreten wurden, wären von den verschiedenen religiösen Gruppierungen Asiens bereitwillig aufgenommen worden. Etwa vier Stunden nach ihrer Landung hatten sie sich in der Nähe des östlichen Endes der acht Kilometer langen und dreißig Meter breiten Prachtstrasse einquartiert, die sich bis an den westlichen Rand dieser Einmillionenstadt erstreckte. Nach einer ersten Besichtigung der hauptsächlichsten Sehenswürdigkeiten der Stadt - der Universität (des Museums), der Bibliothek, des königlichen Mausoleums Alexanders, des Palastes, des Neptuntempels, des Theaters und der Sporthalle - wandte sich Gonod seinen Geschäften zu, während Jesus und Ganid die Bibliothek, die größte der Welt, aufsuchten. Hier waren nahezu eine Million Manuskripte aus der ganzen zivilisierten Welt zusammengetragen worden: aus Griechenland, Rom, Palästina, Parthien, Indien, China und sogar aus Japan. In dieser Bibliothek sah Ganid die umfangreichste Sammlung indischer Literatur auf der ganzen Welt; und während ihres Aufenthaltes in Alexandria verbrachten sie hier jeden Tag einen Teil ihrer Zeit. Jesus berichtete Ganid über die hier erfolgte Übersetzung der hebräischen Schriften ins Griechische. Und immer wieder sprachen sie über alle Religionen der Welt, und Jesus bemühte sich, für diesen jungen Verstand auf die in jeder von ihnen enthaltene Wahrheit hinzuweisen, indem er jeweils hinzufügte: "Aber Jahve ist der Gott, der sich aus den Offenbarungen Melchisedeks und aus dessen Bund mit Abraham entwickelt hat. Die Juden waren die Nachkommen Abrahams und besetzten später genau das Land, wo Melchisedek gelebt und gelehrt und von wo aus er Lehrer in die ganze Welt gesandt hatte; und ihre Religion schuf schließlich im Herrn Gott Israels ein Bild, in welchem der Universale Himmlische Vater klarer erkennbar war denn in irgendeiner anderen Weltreligion." Unter Jesu anleitung legte Ganid eine Sammlung der Lehren all jener Weltreligionen an, welche eine universale Gottheit anerkannten, auch wenn sie daneben untergeordneten Gottheiten mehr oder weniger Anerkennung zollten. Nach vielem Diskutieren entschieden Jesus und Ganid, dass die Römer in ihrer Religion keinen wirklichen Gott besaßen und dass ihre Religion kaum mehr als ein Kaiserkult war. Die Griechen, so schlossen sie, hatten zwar eine Philosophie, aber kaum eine Religion mit einem persönlichen Gott. Sie schieden die Mysterienkulte wegen ihrer verwirrenden Vielfalt aus und weil ihre verschiedenen Gottesvorstellungen aus anderen und älteren Religionen abgeleitet zu sein schienen. Obwohl diese Übersetzungen in Alexandria gemacht wurden, ordnete Ganid diese ausgewählten Texte unter Hinzufügung seiner persönlichen Schlussfolgerungen endgültig doch erst kurz vor dem Ende ihres Romaufenthaltes. Groß war seine Überraschung, als er entdeckte, dass die besten Autoren der heiligen Literatur der Welt alle mehr oder weniger klar die Existenz eines ewigen Gottes anerkannten und sich hinsichtlich seines Charakters und seiner Beziehung zu den sterblichen Menschen recht einig waren. Jesus und Ganid verbrachten während ihres Aufenthaltes in Alexandria viel Zeit im Museum. Dieses war keine Sammlung seltener Gegenstände, sondern eher eine Universität der schönen Künste, der Wissenschaft und der Literatur. Gelehrte Professoren hielten hier täglich Vorlesungen, und in jenen Tagen war es der intellektuelle Mittelpunkt der abendländischen Welt. Tag für Tag erklärte Jesus Ganid die Vorlesungen; eines Tages während der zweiten Woche rief der junge Mann aus: "Lehrer Joshua, du weißt mehr als diese Professoren; du solltest dich erheben und ihnen die großen Dinge mitteilen, die du mir gesagt hast; sie sind vom vielen Denken benebelt. Ich werde mit meinem Vater darüber sprechen und ihn bitten, es in die Wege zu leiten." Jesus lächelte und sagte: "Du bist ein bewundernder Schüler, aber diese Lehrer sind nicht der Ansicht, dass du und ich sie belehren sollten. Der Stolz auf unvergeistigtes Wissen ist etwas Heimtückisches in der menschlichen Erfahrung. Der wahre Lehrer bewahrt seine intellektuelle Integrität, indem er immer ein Lernender bleibt." Alexandria war die Stadt, wo sich alle Kulturen des Abendlandes mischten, und nach Rom die größte und prächtigste der Welt. Hier befand sich die größte jüdische Synagoge der Welt, der Amtssitz des Sanhedrins von Alexandria, der siebzig regierenden Ältesten. Unter den vielen Männern, mit denen Gonod Geschäfte tätigte, war auch Alexander, ein jüdischer Bankier, dessen Bruder Philo ein berühmter religiöser Philosoph jener Zeit war. Philo befasste sich mit der lobenswerten, aber ungemein schwierigen Aufgabe, griechische Philosophie und hebräische Theologie in Einklang zu bringen. Ganid und Jesus sprachen viel über Philos Lehren und hofften, einigen seiner Vorlesungen beizuwohnen, aber während ihres ganzen Aufenthaltes in Alexandria lag dieser berühmte hellenistische Jude krank im Bett. Jesus empfahl Ganid vieles aus der griechischen Philosophie und den Lehren der Stoiker, wies den Jungen aber mit Nachdruck auf die Wahrheit hin, dass diese Glaubenssysteme, genauso wie die unklaren Lehren einiger Angehöriger seines eigenen Volkes nur Religionen in dem Sinne waren, als sie die Menschen dahin brachten, Gott zu finden und sich einer lebendigen Erfahrung in der Kenntnis des Ewigen zu erfreuen. ***** 130.4 Die Abhandlung über die Realität ***** Am Vorabend ihrer Abreise von Alexandria waren Ganid und Jesus lange mit einem der leitenden Professoren der Universität zusammen, der Vorlesungen über die Lehren Platos gab. Jesus dolmetschte für den gelehrten griechischen Professor, brachte aber keine eigenen Lehren zur Widerlegung der griechischen Philosophie ein. Gonod war an jenem Abend aus geschäftlichen Gründen abwesend; deshalb führten der Lehrer und sein Schüler nach dem Weggang des Professors ein langes und offenes Gespräch über Platos Lehren. Einigen griechischen Lehrmeinungen, die sich mit der Theorie befassten, die materiellen Dinge der Welt seien bloß schattenhafte Spiegelungen unsichtbarer, aber substanziellerer geistiger Realitäten, stimmte Jesus zwar mit Vorbehalt zu, versuchte aber dem Denken des Jünglings eine zuverlässigere Grundlage zu geben; und so begann er eine lange Abhandlung über die Natur der Realität im Universum. Im Wesentlichen und in heutiger Ausdrucksweise sagte Jesus zu Ganid: Die Quelle der Realität des Universums ist das Unendliche. Die materiellen Dinge der endlichen Schöpfung sind die Zeit-Raum-Widerspiegelungen der Paradies-Urbilder und des Universalen Verstandes des ewigen Gottes. Kausalität in der physischen Welt, Selbstbewusstheit in der intellektuellen Welt und fortschreitendes Selbst in der Welt des Geistes - diese Realitäten, auf einen universalen Maßstab projiziert, in ewigen Bezügen verknüpft und in vollkommener Qualität und mit göttlichem Wert erfahren, bilden die Realität des Supremen. Aber in einem sich ewig verändernden Universum ist die Ursprüngliche Persönlichkeit der Kausalität, der Intelligenz und der geistigen Erfahrung unveränderlich, absolut. Alle Dinge, sogar in einem ewigen Universum unbegrenzter Werte und göttlicher Eigenschaften, können sich verändern und tun es auch oft außer den Absoluten und allem, was einen absoluten physischen Zustand, ein absolutes intellektuelles Begreifen oder eine absolute geistige Identität erreicht hat. Die höchste Stufe, zu der ein endliches Geschöpf gelangen kann, ist das Erkennen des Universalen Vaters und das Wissen um den Supremen. Aber auch dann noch fahren solche Wesen mit Finalistenbestimmung fort, die Veränderung in den Bewegungen der physischen Welt und in ihren materiellen Phänomenen zu erfahren. Und ebenso bleiben sie sich der Fortschritte des Selbst während ihres unablässigen Aufstiegs im geistigen Universum bewusst sowie einer wachsenden Klarheit ihrer sich vertiefenden Würdigung des intellektuellen Kosmos und ihrer Resonanz auf ihn. Das Geschöpf kann mit dem Schöpfer nur in der Vollkommenheit, Harmonie und Übereinstimmung des Willens eins werden; und ein solcher Zustand der Göttlichkeit wird nur erreicht und aufrechterhalten, wenn das Geschöpf fortfährt, in der Zeit und in der Ewigkeit ein Leben der beharrlichen Ausrichtung seines endlichen persönlichen Willens auf den göttlichen Willen des Schöpfers zu führen. Das Verlangen, den Willen des Vaters zu tun, muss in der Seele eines aufsteigenden Gottessohnes stets übermächtig sein und seinen Sinn beherrschen. Ein Einäugiger kann nie hoffen, die Tiefe der Perspektive zu schauen. Ebenso wenig können einäugige materielle Wissenschaftler oder einäugige geistige Mystiker und Allegoristen die wahren Tiefen der Realität des Universums richtig schauen und angemessen begreifen. Alle wahren Werte der Erfahrung der Geschöpfe sind in den Tiefen der Erkenntnis verborgen. Des Verstandes entbehrende Ursachen vermögen nicht, aus dem Rohen und Einfachen das Verfeinerte und Komplexe hervorzubringen, und ebenso wenig kann eine des Geistes entbehrende Erfahrung aus dem materiellen Verstand der zeitgebundenen Sterblichen einen göttlichen, zum ewigen Leben befähigten Charakter entwickeln. Das besondere Merkmal des Universums, welches die unendliche Gottheit so ausschließlich charakterisiert, ist diese nie endende, schöpferische Verleihung der Persönlichkeit, die fortleben kann, indem sie sich der Gottheit immer mehr annähert. Die Persönlichkeit ist jene kosmische Gabe, jene Phase der universalen Realität, die mit unbegrenztem Wandel koexistieren und zugleich ihre Identität inmitten all dieser Veränderungen und für ewig danach bewahren kann. Das Leben ist eine Anpassung der ursprünglichen kosmischen Ursache an die Forderungen und Möglichkeiten der Gegebenheiten des Universums und kommt ins Dasein durch das Wirken des Universalen Verstandes und die Aktivierung des Geistfunkens Gottes, der Geist ist: Die Bedeutung des Lebens ist seine Anpassungsfähigkeit; der Wert des Lebens ist seine Fähigkeit zum Fortschritt - sogar bis zu den Höhen des Gottesbewusstseins. Die Fehlanpassung des sich selbst bewussten Lebens an das Universum hat kosmische Disharmonie zur Folge. Eine endgültige Abweichung des Persönlichkeitswillens von der Entwicklungsrichtung der Universen endet in intellektuel-ler Isolation, in der Absonderung der Persönlichkeit. Der Verlust des innewohnenden geistigen Lotsen folgt unmittelbar auf das geistige Ende der Existenz. Deshalb wird intelligentes und fortschreitendes Leben in sich und durch sich zum unwiderlegbaren Beweis für die Existenz eines zielgerichteten Universums, das den Willen eines göttlichen Schöpfers ausdrückt. Und dieses Leben insgesamt ringt sich zu immer höheren Werten empor, wobei der Universale Vater sein Endziel ist. Der Verstand des Menschen liegt nur um einige Grade über der tierischen Ebene, wenn man von den höheren und sozusagen geistigen Leistungen des Intellekts absieht. Daher können die Tiere (die weder Anbetung noch Weisheit kennen) das Überbewusstsein, das Bewusstsein des Bewusstseins, nicht erfahren. Der tierische Verstand ist sich nur des objektiven Universums bewusst. Das Wissen ist die Sphäre des materiellen, die Tatsachen erkennenden Verstandes. Die Wahrheit ist das Gebiet des geistbegabten Intellekts, der sich bewusst ist, Gott zu kennen. Wissen ist beweisbar; Wahrheit wird erfahren. Wissen ist ein Besitz des Verstandes, Wahrheit eine Erfahrung der Seele, des fortschreitenden Selbst. Wissen ist eine Funktion der nichtgeistigen Ebene, Wahrheit ist eine Phase der Verstandes-Geistesebene der Universen. Das Auge des materiellen Verstandes nimmt eine Welt des faktischen Wissens wahr; das Auge des vergeistigten Intellekts erkennt eine Welt wahrer Werte. Wenn diese beiden Betrachtungsweisen miteinander synchronisiert und harmonisiert sind, enthüllen sie die Welt der Realität, in der die Weisheit die Phänomene des Universums im Sinne der fortschreitenden persönlichen Erfahrung interpretiert. Irrtum (das Üble) ist die Strafe für Unvollkommenheit. Die Eigenschaften der Unvollkommenheit oder die Tatsachen von Fehlanpassung eröffnen sich auf der materiellen Ebene der kritischen Beobachtung und der wissenschaftlichen Analyse und auf der sittlichen Ebene der menschlichen Erfahrung. Das Vorhandensein des Üblen bildet den Beweis für Ungenauigkeiten des Denkens und für die Unreife des sich entwickelnden Selbst. Bei der Interpretation des Universums ist deshalb das Üble auch das Maß für die Unvollkommenheit. Die Möglichkeit, Fehler zu begehen, ist der Erwerbung von Weisheit inhärent, liegt im Plan des Fortschreitens vom Partiellen und Zeitlichen zum Vollständigen und Ewigen, vom Relativen und Unvollkommenen zum Endgültigen und Vervollkommneten. Der Irrtum ist der Schatten der relativen Unvollkommenheit, der unvermeidlich auf den durch das Universum zur paradiesischen Vollkommenheit hinaufführenden Pfad des Menschen fällt. Ein Irrtum (das Üble) ist kein wirklicher Wert im Universum; er ist einfach die Beobachtung einer Relativität in der Beziehung zwischen der Unvollkommenheit des unvollendeten Endlichen und den aufsteigenden Ebenen des Supremen und Ultimen. Obwohl Jesus dem Jüngling all dies in einer Sprache sagte, die seinem Verständnis am besten angepasst war, wurden Ganid am Ende der Unterhaltung die Lider schwer und er fiel bald in Schlaf. Sie erhoben sich früh am nächsten Morgen, um an Bord des Schiffes zu gehen, das für Lasea auf der Insel Kreta bestimmt war. Aber bevor sie sich einschifften, hatte der Junge noch weitere Fragen in Bezug auf das Üble, die Jesus wie folgt beantwortete: Das Üble ist ein relativer Begriff. Er geht aus der Beobachtung der Unvollkommenheiten hervor, die im Schatten, den ein endliches Universum von Dingen und Wesen wirft, auftreten; denn ein solcher Kosmos verdunkelt das lebendige Licht des universalen Ausdrucks der ewigen Realitäten des Unendlichen Einen. Das potentiell Üble wohnt der notwendigen Unvollkommenheit der Offenbarung Gottes als eines durch Zeit und Raum begrenzten Ausdrucks der Unendlichkeit und der Ewigkeit inne. Der Tatbestand des Partiellen in Gegenwart des Vollständigen bildet die Relativität der Realität, schafft die Notwendigkeit verstandesmäßigen Wählens und begründet Wertebenen geistiger Erkenntnis und Reaktion. Die unvollkommene und endliche Vorstellung, die der zeitgebundene und begrenzte Verstand des Geschöpfs von der Unendlichkeit hat, ist in sich und durch sich das potentiell Üble. Aber der zunehmende Irrtum, der es unentschuldbar versäumt, diese ursprünglichen inhärenten intellektuellen Disharmonien und geistigen Unzulänglichkeiten durch vernünftige Geistesarbeit zu korrigieren, kommt der Verwirklichung des tatsächlich Üblen gleich. Alle statischen, toten Vorstellungen sind potentiell übel. Der endliche Schatten, den die relative und lebendige Wahrheit wirft, bewegt sich unablässig. Statische Vorstellungen verlangsamen unweigerlich Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Religion. Sie mögen ein bestimmtes Wissen repräsentieren, aber sie ermangeln der Weisheit und entbehren der Wahrheit. Erlaubt jedoch dem Begriff der Relativität nicht, euch so irrezuführen, dass ihr die Koordination des Universums unter der Führung des Kosmischen Verstandes und seine stabilisierte Kontrolle durch die Energie und den Geist des Supremen verkennt. ***** 130.5 Auf der Insel Kreta ***** Mit ihrem Ausflug nach Kreta verfolgten die Reisenden nur das eine Ziel, zu spielen, auf der Insel herumzuwandern und die Berge zu besteigen. Die Kreter jener Tage erfreuten sich unter den Nachbarvölkern keines beneidenswerten Rufs. Trotzdem gewannen Jesus und Ganid viele Seelen für höhere Ebenen des Denkens und Lebens und legten dadurch das Fundament zur späteren raschen Aufnahme der Lehren des Evangeliums, als die ersten Prediger von Jerusalem ankamen. Jesus liebte diese Kreter trotz der harten Worte, die Paulus später über sie sprach, als er Titus auf die Insel entsandte, um ihre Kirchen zu reorganisieren. An einem Berghang auf Kreta hatte Jesus sein erstes langes Gespräch mit Gonod über Religion. Der Vater war sehr beeindruckt und sagte: "Kein Wunder, dass der Junge alles, was du ihm sagst, glaubt, aber ich hatte keine Ahnung, dass es in Jerusalem eine solche Religion gibt, und noch viel weniger in Damaskus." Während des Inselaufenthaltes schlug Gonod Jesus zum ersten Mal vor, mit ihnen nach Indien zurückzukehren, und Ganid war hocherfreut bei dem Gedanken, Jesus könnte einer solchen Abmachung zustimmen. Als Ganid Jesus eines Tages fragte, wieso er sich nicht der Aufgabe eines öffentlichen Lehrers verschrieben habe, sagte er: "Mein Sohn, alles muss seine Zeit abwarten. Du wirst in die Welt geboren, aber kein noch so brennendes Verlangen noch alle Ungeduldsbezeugungen werden dir helfen heranzuwachsen. In allen diesen Dingen musst du die Zeit abwarten. Nur die Zeit wird die grüne Frucht auf dem Baum reifen lassen. Jahreszeit folgt auf Jahreszeit und Sonnenuntergang auf Sonnenaufgang nur mit der verrinnenden Zeit. Ich bin jetzt mit dir und deinem Vater unterwegs nach Rom, und das genügt für heute. Mein Morgen ruht ganz und gar in den Händen meines Vaters im Himmel." Und dann erzählte er Ganid die Geschichte von Moses und den vierzig Jahren wachsamen Wartens und ständiger Vorbereitung. Einen Vorfall, der sich während eines Besuches in Kaloi Limenes zutrug, vergaß Ganid nie; die Erinnerung an dieses Ereignis rief in ihm immer den Wunsch wach, etwas zu unternehmen, um das Kastensystem seines indischen Vaterlandes zu ändern. Ein degenerierter Trunkenbold fiel auf öffentlicher Straße ein Sklavenmädchen an. Als Jesus die Notlage des Mädchens sah, stürzte er nach vorn und entzog es dem Angriff des Verrückten. Während das erschrockene Kind sich an ihn klammerte, hielt er den Rasenden mit seinem kräftigen ausgestreckten rechten Arm in sicherer Distanz, bis der jämmerliche Kerl sich mit wilden Schlägen in die Luft erschöpft hatte. Ganid fühlte sich stark gedrängt, Jesus beizustehen, aber sein Vater verbot es ihm. Obwohl sie die Sprache des Mädchens nicht sprechen konnten, vermochte es doch, ihr barmherziges Handeln zu verstehen, und es gab seiner tiefempfundenen Dankbarkeit Ausdruck, während alle drei es nach Hause begleiteten. Das war wahrscheinlich der engste persönliche Zusammenstoß, den Jesus mit einem seiner Mitmenschen während seines ganzen Erdenlebens hatte. Aber er stand an diesem Abend vor einer schwierigen Aufgabe, als er Ganid zu erklären versuchte, wieso er den betrunkenen Mann nicht geschlagen hatte. Ganid meinte, dieser Mann hätte zumindest ebenso oft geschlagen werden sollen, wie er das Mädchen geschlagen hatte. ***** 130.6 Der junge Mann, der Angst hatte ***** Während sie oben in den Bergen weilten, hatte Jesus ein langes Gespräch mit einem jungen Mann, der furchtsam und niedergeschlagen war. Da es diesem Jüngling nicht gelungen war, durch den Anschluss an seine Altersgefährten Zuspruch und Mut zu erhalten, hatte er die Einsamkeit der Berge aufgesucht; er war mit einem Gefühl der Hilflosigkeit und Minderwertigkeit herangewachsen. Diese natürlichen Tendenzen waren durch zahlreiche schwierige Umstände verstärkt worden, denen der Junge während seiner Entwicklung begegnet war, namentlich durch den Verlust seines Vaters, als er zwölf Jahre alt war. Als sie einander trafen, sagte Jesus: "Grüß dich, mein Freund! Warum so niedergeschlagen an einem so schönen Tag? Wenn etwas vorgefallen ist, was dich betrübt, kann ich dir vielleicht in irgendeiner Weise beistehen. Auf jeden Fall ist es mir ein wahres Vergnügen, dir meine Hilfe anzubieten." Der junge Mann war nicht willens zu sprechen, und so unternahm Jesus eine zweite Annäherung an seine Seele und sagte: "Ich verstehe, dass du in diese Berge hinaufgehst, um von den Leuten wegzukommen; deshalb willst du natürlich nicht mit mir sprechen, aber ich würde gerne wissen, ob du mit den Bergen hier vertraut bist; weißt du, wohin die Pfade führen? Und könntest du mir vielleicht den besten Weg nach Phenix weisen?" Da nun der Jüngling diese Berge bestens kannte, begann sich in ihm ein so großes Interesse zu regen, Jesus den Weg nach Phenix zu zeigen, dass er alle Pfade auf den Boden zeichnete und ausführlich erklärte. Aber er erschrak und wurde neugierig, als sich Jesus, nachdem er ihm Lebewohl gesagt hatte und sich zum Weggehen anschickte, plötzlich umwandte und sagte: "Ich weiß wohl, dass du mit deiner Betrübnis allein gelassen werden möchtest; aber es wäre von mir weder höflich noch recht, von dir so großzügige Hilfe bei der Suche nach dem besten Weg nach Phenix anzunehmen, und dann gedankenlos von dir wegzugehen, ohne den geringsten Versuch unternommen zu haben, auf deinen dringenden Wunsch um Hilfe und Führung bezüglich des besten Weges nach dem Ziel deiner Bestimmung zu antworten, den du in deinem Herzen suchst, während du hier am Bergabhang weilst. So gut wie du die Pfade nach Phenix kennst, weil du sie oftmals gegangen bist, so gut kenne ich den Weg zur Stadt deiner enttäuschten Hoffnungen und deines durchkreuzten Strebens. Und da du mich um Hilfe gefragt hast, werde ich dich nicht enttäuschen." Der junge Mann war fast überwältigt, aber er brachte es gerade noch fertig zu stammeln: "Aber - ich habe dich um nichts gebeten -" Und Jesus sagte, indem er ihm liebevoll seine Hand auf die Schulter legte: "Nein, mein Sohn, nicht mit Worten, aber mit sehnsüchtigen Blicken hast du mein Herz angerufen. Mein Junge, für einen, der seine Mitmenschen liebt, liegt ein beredter Hilferuf in deinem Ausdruck der Entmutigung und der Verzweiflung. Setz dich zu mir, während ich dir von den Pfaden des Dienstes und den Straßen des Glücks erzähle, die aus dem Leid des Selbst zu den Freuden liebender Tätigkeiten in der Brüderlichkeit der Menschen und im Dienste des Gottes im Himmel führen." Nun verlangte es den jungen Mann sehr stark danach, mit Jesus zu sprechen, und er kniete zu seinen Füßen nieder und flehte ihn an, ihm zu helfen, ihm den Ausweg aus seiner Welt persönlicher Kümmernis und Niederlage zu zeigen. Jesus sprach: "Mein Freund, erhebe dich! Steh' auf wie ein Mann! Du magst von kleinen Feinden umgeben und wegen vieler Hindernisse aufgehalten worden sein, aber die großen und wirklichen Dinge dieser Welt und des Universums sind auf deiner Seite. Die Sonne geht jeden Morgen auf, um dich zu grüßen, genau so wie den mächtigsten und erfolgreichsten Menschen auf Erden. Schau - du hast einen kräftigen Körper und starke Muskeln - deine physische Ausrüstung ist überdurchschnittlich. Natürlich ist sie so gut wie nutzlos, solange du hier am Bergabhang sitzt und dich über dein wirkliches und eingebildetes Unglück grämst. Aber du könntest mit deinem Körper große Dinge vollbringen, wenn du dich dahin aufmachen wolltest, wo große Dinge darauf warten, vollbracht zu werden. Du versuchst, deinem unglücklichen Selbst zu entfliehen, aber das ist nicht möglich. Du und deine Lebensprobleme sind wirklich; du kannst ihnen nicht entrinnen, solange du lebst. Und schau, dein Verstand ist klar und fähig. Dein kräftiger Körper wird von einem intelligenten Verstand gesteuert. Lass deinen Verstand arbeiten, um deine Probleme zu lösen; lehre deinen Intellekt, für dich zu arbeiten; lehne es ab, dich länger von Furcht beherrschen zu lassen wie ein des Denkens nicht mächtiges Tier. Dein Verstand sollte bei der Lösung deiner Lebensprobleme dein mutiger Verbündeter sein und nicht du, wie bisher, sein elender, von Angst beherrschter Sklave und ein Leibeigener der Entmutigung und der Niederlage. Aber kostbarer als alles ist der in dir lebende Geist, dein Potential für wirkliche Leistungen. Er wird deinen Verstand anregen und inspirieren, damit er sich selber unter Kontrolle bringen und den Körper aktivieren kann, sofern du ihn von den Fesseln der Angst befreien und damit deine geistige Natur befähigen willst, mit der Befreiung von dem Übel der Untätigkeit durch die kraftvolle Gegenwart des lebendigen Glaubens zu beginnen. Und dann wird dieser Glaube unverzüglich deine Angst vor den Menschen durch die bezwingende Gegenwart der neuen und alles beherrschenden Liebe zu deinen Mitmenschen besiegen. Sie wird deine Seele bald bis zum Überfließen erfüllen, weil in deinem Herzen das Bewusstsein geboren wurde, dass du ein Kind Gottes bist. "Heute, mein Sohn, sollst du wiedergeboren werden und neuerstehen als ein Mann des Glaubens und des Mutes, der dem Dienst an den Menschen hingegeben ist aus Liebe zu Gott. Und wenn du dich innerlich auf diese Weise wieder dem Leben angepasst hast, bist du auch wieder im Einklang mit dem Universum; du bist wiedergeboren worden - aus dem Geist geboren - und von nun an wird dein ganzes Leben eine einzige siegreiche Erfüllung sein. Unannehmlichkeiten werden dich stärken, Enttäuschungen dich anspornen, Schwierigkeiten werden dich herausfordern und Hindernisse dich anregen. Steh auf, junger Mann! Sag' diesem Leben unterwürfiger Furcht und feiger Flucht Lebewohl. Kehre schleunigst zu deiner Pflicht zurück und lebe dein irdisches Leben als ein Sohn Gottes, als ein Sterblicher, der sich auf Erden dem veredelnden Dienst am Menschen verschrieben hat und in der Ewigkeit zum herrlichen und ewigen Dienst an Gott bestimmt ist." Und dieser junge Mann, Fortunatus, wurde später zum Oberhaupt der Christen auf Kreta und engen Mitarbeiter von Titus bei dessen Bemühungen um die kretischen Gläubigen. Die Reisenden waren richtig ausgeruht und erfrischt, als sie sich eines Tages um die Mittagsstunde zur Fahrt nach Karthago in Nordafrika bereitmachten. In Kyrene legten Sie einen zweitägigen Aufenthalt ein. Hier leisteten Jesus und Ganid einem Knaben namens Rufus erste Hilfe, der beim Zusammenbruch eines schwer beladenen Ochsenkarrens verletzt worden war. Sie trugen ihn nach Hause zu seiner Mutter, und Simon, sein Vater, ahnte später nicht, dass der Mann, dessen Kreuz er auf Befehl eines römischen Soldaten trug, derselbe Fremde war, der sich einst seines Sohnes angenommen hatte. ***** 130.7 In Karthago - Ausführungen über Zeit und Raum ***** Auf dem Wege nach Karthago sprach Jesus mit seinen Reisegefährten meistens über soziale, politische und geschäftliche Dinge; kaum ein Wort fiel über Religion. Zum ersten Mal entdeckten Gonod und Ganid, dass Jesus ein guter Geschichtenerzähler war, und sie wurden nicht müde, ihn über sein früheres Leben in Galiläa berichten zu hören. Dabei erfuhren sie auch, dass er in Galiläa und nicht in Jerusalem oder Damaskus aufgewachsen war. Als Ganid wissen wollte, was man tun könne, um Freunde zu gewinnen, nachdem er beobachtet hatte, dass die Mehrzahl der Menschen, denen sie begegneten, sich von Jesus angezogen fühlten, antwortete sein Lehrer: "Interessiere dich für deine Mitmenschen; lerne sie lieben und suche eine Gelegenheit, etwas für sie zu tun, wovon du mit Sicherheit weißt, dass es ihnen lieb wäre." Und dann zitierte er das alte jüdische Sprichwort: "Ein Mann, der gerne Freunde haben möchte, sollte sich selber freundlich zeigen." In Karthago führte Jesus ein langes und denkwürdiges Gespräch mit einem mithraischen Priester über Unsterblichkeit, Zeit und Ewigkeit. Dieser Perser hatte in Alexandria studiert und wünschte von ganzem Herzen, von Jesus zu lernen. Übersetzt in heutige Ausdrucksweise, beantwortete Jesus seine vielen Fragen im Wesentlichen wie folgt: Die Zeit ist der Strom der fließenden zeitlichen Ereignisse, wie ihn das Bewusstsein eines Geschöpfes wahrnimmt. Zeit ist eine Bezeichnung für diese Ordnung der Abfolge, dank der die Ereignisse erkannt und voneinander getrennt werden können. Von jeder inneren Position außerhalb des feststehenden Sitzes des Paradieses aus betrachtet, ist das Universum des Raums ein zeitbezogenes Phänomen. Die Bewegung der Zeit offenbart sich nur in Beziehung zu etwas, das sich im Raum nicht als ein Phänomen der Zeit bewegt. Im Universum der Universen transzendieren das Paradies und seine Gottheiten sowohl Zeit als auch Raum. Auf den bewohnten Welten ist die (vom Geist des Paradies-Vaters bewohnte und geleitete) menschliche Persönlichkeit die einzige mit dem Physischen verbundene Realität, die die materielle Abfolge der zeitlichen Ereignisse transzendieren kann. Die Tiere nehmen die Zeit nicht wie der Mensch wahr, und sogar dem Menschen in seiner ausschnittweisen und begrenzten Sicht kommt die Zeit wie eine Folge von Ereignissen vor; aber je weiter der Mensch aufsteigt, sich innerlich fortentwickelt, umso besser kann seine sich erweiternde Schau diese Ereigniskette in ihrer Gesamtheit erfassen. Das, was früher als eine Aneinanderreihung von Ereignissen erschien, wird dann als ein ganzer und vollkommen zusammenhängender Zyklus gesehen; auf diese Weise ersetzt die kreisförmige Gleichzeitigkeit immer mehr das frühere Bewusstsein von der linearen Abfolge der Geschehnisse. Es gibt sieben verschiedene Vorstellungen von dem durch die Zeit bedingten Raum. Der Raum wird durch die Zeit gemessen, nicht die Zeit durch den Raum. Die Verwirrung der Wissenschaftler rührt daher, dass sie die Realität des Raums verkennen. Der Raum ist nicht bloß ein intellektuelles Konzept für die Veränderung in den Beziehungen von Objekten im Universum. Der Raum ist nicht leer, und das einzige dem Menschen Bekannte, was den Raum sogar teilweise transzendieren kann, ist der Verstand. Der Verstand kann unabhängig vom Konzept der Raumbezogenheit materieller Objekte funktionieren. Der Raum ist relativ und vergleichsweise endlich für alle Wesen, die zu den Geschöpfen zählen. Je mehr sich das Bewusstsein der Wahrnehmung von sieben kosmischen Dimensionen nähert, umso mehr nähert sich das Konzept potentiellen Raums der Ultimität. Aber das Potential des Raums ist wahrhaft ultim erst auf der absoluten Ebene. Es muss klar sein, dass die universale Realität auf den aufsteigenden und sich vervollkommenden Ebenen des Kosmos eine expandierende und immer relative Bedeutung hat. Letzten Endes erreichen die fortlebenden Sterblichen ihre Identität in einem Universum mit sieben Dimensionen. Die Vorstellung von Raum und Zeit eines Verstandes materiellen Ursprungs ist dazu bestimmt, laufend Erweiterungen zu erfahren, während die bewusste und konzipierende Persönlichkeit auf den Ebenen der Universen emporsteigt. Wenn der Mensch die Verstandesebene erreicht, welche zwischen der materiellen und geistigen Ebene der Existenz liegt, haben sich seine Ideen über Zeit und Raum sowohl bezüglich der Qualität der Wahrnehmung als auch der Quantität der Erfahrung gewaltig erweitert. Die wachsenden kosmischen Vorstellungen einer sich vorwärts bewegenden geistigen Persönlichkeit fußen auf der Zunahme der Tiefe der Erkenntnis und des Bewusstseinsbereichs. Und während die Persönlichkeit nach oben und innen den transzendenten Ebenen der Gottähnlichkeit entgegen schreitet, nähert sich die Vorstellung von Zeit und Raum immer mehr den zeitlosen und raumlosen Konzepten der Absoluten. Relativ und in Übereinstimmung mit ihrer transzendenten Vollbringung werden sich die Kinder ultimer Bestimmung diese Konzepte der absoluten Ebene vorzustellen haben. ***** 130.8 Unterwegs nach Neapel und Rom ***** Die Insel Malta war der erste Halt auf dem Weg nach Italien. Hier hatte Jesus ein langes Gespräch mit einem niedergeschlagenen und entmutigten jungen Mann namens Klaudius. Dieser hatte erwogen, sich das Leben zu nehmen, aber nachdem er mit dem Schreiber von Damaskus gesprochen hatte, sagte er: "Ich werde dem Leben ins Auge sehen wie ein Mann; ich habe es satt, den Feigling zu spielen. Ich werde zu meinen Leuten zurückkehren und alles neu beginnen." Bald darauf wurde er ein begeisterter Prediger der Kyniker und noch später tat er sich mit Petrus zusammen, um in Rom und Neapel das Christentum zu verkünden. Nach Petri Tod ging er als Prediger des Evangeliums nach Spanien. Aber er erfuhr nie, dass der Mann, der ihn in Malta inspiriert hatte, derselbe Jesus war, den er später zum Erlöser der Welt erklärte. In Syrakus verbrachten sie eine ganze Woche. Das denkwürdige Ereignis ihres dortigen Aufenthaltes war die Rehabilitierung Ezras, eines vom Glauben abgefallenen Juden, der die Schenke führte, wo Jesus und seine Gefährten abgestiegen waren. Ezra war von der Art bezaubert, wie Jesus auf ihn zukam, und bat ihn, ihm zu helfen, zum Glauben Israels zurückzufinden. Er gab seiner Hoffnungslosigkeit mit diesen Worten Ausdruck: "Ich möchte ein rechter Sohn Abrahams sein, aber ich kann Gott nicht finden." Jesus sprach: "Wenn du Gott wirklich finden willst, dann ist dieser Wunsch in sich selber der Beweis dafür, dass du ihn schon gefunden hast. Dein Problem ist nicht, dass du Gott nicht finden kannst; denn der Vater hat dich bereits gefunden; dein Problem ist einfach, dass du Gott nicht kennst. Hast du im Propheten Jeremia nicht gelesen: ,Du sollst mich suchen und wirst mich finden, wenn du mit ganzem Herzen nach mir forschst'? Und sagt nicht derselbe Prophet auch: ,Ich werde dir ein Herz geben, damit du mich kennest und wissest, dass ich der Herr bin, und du sollst zu meinem Volk gehören, und ich will dein Gott sein'? Und hast du nicht auch in den Schriften gelesen, wo geschrieben steht: ,Er schaut auf die Menschen hinunter, und wenn einer sagt: ich habe gesündigt und habe verfälscht, was richtig war, und es hat mir keinen Gewinn gebracht, dann wird Gott dieses Menschen Seele aus der Dunkelheit erlösen, und er wird das Licht sehen' "? Und Ezra fand Gott, und seine Seele ward zufrieden. Später erbaute dieser Jude zusammen mit einem wohlhabenden griechischen Proselyten die erste christliche Kirche von Syrakus. In Messina hielten sie sich nur einen Tag lang auf, aber das genügte, um das Leben eines kleinen Jungen, eines Obstverkäufers, zu verändern. Jesus kaufte Früchte von ihm und gab ihm seinerseits vom Brot des Lebens zu essen. Nie vergaß der Knabe die Worte Jesu und den gütigen Blick, der sie begleitete, als er, seine Hand auf die Schulter des Knaben legend, sagte: "Lebewohl, mein Junge, sei guten Mutes, während du zum Mann heranwächst. Nachdem du den Körper gespeist hast, lerne auch, wie man die Seele speist. Und mein Vater im Himmel wird mit dir sein und vor dir hergehen." Der Junge wurde ein Anhänger der mithraischen Religion und nahm später den christlichen Glauben an. Endlich langten sie in Neapel an und spürten, dass sie nicht mehr weit von ihrem Bestimmungsort Rom entfernt waren. Gonod hatte in Neapel viele Geschäfte zu tätigen, und außerhalb der Zeiten, in denen Jesus als Dolmetscher gebraucht wurde, besuchte und erforschte dieser mit Ganid die Stadt in Muße. Ganid erlangte die Fähigkeit, diejenigen aufzuspüren, welche in Not zu sein schienen. Sie fanden in dieser Stadt große Armut und verteilten viele Almosen. Aber nie begriff Ganid, nachdem er einem Straßenbettler eine Münze gegeben hatte, die Bedeutung der Worte Jesu, der sich weigerte, anzuhalten und dem Mann Trost zuzusprechen. Jesus sagte: "Warum Worte an jemanden verschwenden, der die Bedeutung dessen, was du sagst, nicht verstehen kann? Der Geist des Vaters kann einen, der keine Fähigkeit zur Gotteskindschaft besitzt, weder unterrichten noch retten." Jesus wollte damit sagen, dass der Mann keinen normalen Verstand besaß, dass er außerstande war, geistiger Führung zu folgen. Sie erlebten in Neapel nichts Außergewöhnliches; Jesus und der junge Mann erforschten die Stadt gründlich und ermunterten mit ihrem Lächeln Hunderte von Männern, Frauen und Kindern. Von hier gelangten sie über Capua, wo sie sich drei Tage aufhielten, nach Rom. Über die Via Appia schritten sie neben ihren Lasttieren Rom zu, alle drei gespannt darauf, diese Gebieterin über das Kaiserreich und größte Stadt der ganzen Welt zu sehen. ****** Kapitel 131 Die Religionen der Welt ****** WÄHREND des Aufenthaltes von Jesus, Gonod und Ganid in Alexandrien verwendete Ganid einen großen Teil seiner Zeit und eine nicht unerhebliche Geldsumme seines Vaters für eine Sammlung der Lehren der Weltreligionen über Gott und dessen Beziehungen zu den sterblichen Menschen. Ganid beschäftigte über sechzig gelehrte Übersetzer für die Erstellung dieser Zusammenfassung der religiösen Weltlehren über die Gottheiten. Und es sollte aus dieser Schrift klar hervorgehen, dass alle diese den Monotheismus darstellenden Lehren in hohem Maße direkt oder indirekt aus der Predigertätigkeit der Missio-nare Machiventa Melchisedeks stammten, die von ihrem Hauptquartier in Salem ausgezogen waren, um die Lehre des einen Gottes - des Allerhöchsten - bis ans Ende der Welt zu tragen. Es folgt nun eine Kurzfassung von Ganids Manuskript, das er in Alexandrien und Rom erstellt hatte und das in Indien nach seinem Tod über Jahrhunderte aufbewahrt wurde. Er sammelte dieses Material unter zehn Titeln wie folgt: ***** 131.1 Der Zynismus ***** Die Überreste der Unterweisungen der Schüler Melchisedeks waren, ausgenommen was in der jüdischen Religion davon weiterbestand, in den Lehren der Kyniker am besten erhalten. Ganids Auswahl umfasste Folgendes: "Gott ist zualleroberst, er ist der Allerhöchste im Himmel und auf Erden. Gott ist der vollkommen gewordene Kreis der Ewigkeit, und er herrscht über das Universum der Universen. Er allein hat Himmel und Erde erschaffen. Wenn er etwas verfügt, dann existiert es. Unser Gott ist einzig, und er ist voller Mitleid und Erbarmen. Alles, was hoch, heilig, wahr und schön ist, gleicht unserem Gott. Der Allerhöchste ist das Licht des Himmels und der Erde; er ist der Gott des Ostens, des Westens, des Nordens und des Südens. Sollte auch die Erde vergehen, so bliebe doch das strahlende Angesicht des Höchsten in Majestät und Herrlichkeit. Der Allerhöchste ist der erste und der letzte, der Beginn und das Ende von allem. Es gibt nur diesen einen Gott, und sein Name ist Wahrheit. Gott existiert aus sich selber heraus, und er kennt weder Zorn noch Hass; er ist unsterblich und unendlich. Unser Gott ist allmächtig und freigebig. Obwohl er viele Erscheinungsformen hat, verehren wir nur ihn selber. Gott kennt alles - unsere Geheimnisse und was wir aussprechen; er weiß auch, was jeder von uns verdient. Seine Macht erstreckt sich auf alle Dinge. Gott gibt den Frieden, und er ist ein treuer Beschützer all derer, die ihn fürchten und auf ihn vertrauen. Er rettet alle, die ihm dienen. Die ganze Schöpfung verdankt ihr Dasein der Macht des Allerhöchsten. Seine göttliche Liebe entspringt seiner heiligen Kraft und seine Zuneigung kommt aus seiner machtvollen Größe. Der Allerhöchste hat die Einheit von Körper und Seele bestimmt und dem Menschen seinen eigenen Geist verliehen. Was der Mensch tut, muss ein Ende nehmen, aber was der Schöpfer tut, dauert ewig. Wir erhalten Wissen durch menschliche Erfahrung, aber Weisheit wird uns aus der Betrachtung des Allerhöchsten zuteil. Gott schüttet den Regen auf die Erde aus, er lässt die Sonne über dem keimenden Getreide scheinen, und er gibt uns reiche Ernte der guten Dinge dieses Lebens und ewiges Heil in der zukünftigen Welt. Unser Gott hat große Macht; er heißt der Erhabene und sein Wesen ist unergründlich. Wenn ihr krank seid, dann ist es der Allerhöchste, der euch heilt. Gott ist voller Güte für alle Menschen; wir haben keinen dem Allerhöchsten vergleichbaren Freund. Seine Barmherzigkeit füllt alle Winkel, und seine Güte nimmt sich aller Seelen an. Der Allerhöchste ist unveränderlich; und er ist unser Helfer, so oft wir in Not sind. Wohin wir uns auch mit unseren Gebeten wenden, da ist das Angesicht des Allerhöchsten und das offene Ohr unseres Gottes. Ihr könnt euch vor den Menschen verstecken, aber nicht vor Gott. Gott ist nicht weit weg von uns; er ist allgegenwärtig. Gott erfüllt jeden Ort und lebt im Herzen des Menschen, der seinen heiligen Namen fürchtet. Die Schöpfung ist im Schöpfer, und der Schöpfer ist in seiner Schöpfung. Wir suchen den Allerhöchsten und finden ihn schließlich in unserem Herzen. Ihr geht auf die Suche nach einem teuren Freund und findet ihn dann in eurer Seele. Der, welcher Gott kennt, sieht alle Menschen als Gleichwertige; sie sind seine Brüder. Nichts als Überdruss ist die Belohnung der Selbstsüchtigen und derer, die sich um ihre Mitbrüder nicht kümmern. Diejenigen, die ihre Gefährten lieben und reinen Herzens sind, werden Gott sehen. Gott vergisst Aufrichtigkeit nie. Er wird die von Herzen Ehrlichen zur Wahrheit führen, denn Gott ist Wahrheit. Besiegt den Irrtum und überwindet das Üble in eurem Leben durch die Liebe der lebendigen Wahrheit. In allen euren Beziehungen mit den Menschen vergeltet Böses mit Gutem. Gott der Herr ist voller Erbarmen und Liebe, und er verzeiht. Wir wollen Gott lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Durch Gottes Liebe und dank seiner Barmherzigkeit werden wir gerettet werden. Arme und Reiche sind Brüder. Gott ist ihr Vater. Fügt nicht anderen Böses zu, das ihr selber nicht erfahren möchtet. Ruft seinen Namen zu jeder Zeit an, und in dem Maße, wie ihr an seinen Namen glaubt, wird euer Gebet erhört werden. Welch große Ehre ist es, den Allerhöchsten anzubeten! Alle Welten und die Universen verehren den Allerhöchsten. Und bei allen euren Gebeten sagt Dank - erhebt euch zur Anbetung. Betende Verehrung hält das Böse fern und verbietet die Sünde. Lasst uns den Namen des Allerhöchsten zu jeder Zeit loben! Der Mensch, der beim Allerhöchsten Zuflucht nimmt, verbirgt seine Unvollkommenheit vor dem Universum. Wenn ihr reinen Herzens vor Gott steht, werdet ihr der ganzen Schöpfung gegenüber furchtlos. Der Allerhöchste ist wie ein liebender Vater und eine liebende Mutter; er liebt uns, seine Kinder auf Erden, wahrhaftig. Unser Gott wird uns verzeihen und unsere Schritte auf die Pfade des Heils lenken. Er wird uns an der Hand nehmen und zu sich führen. Gott rettet die, welche auf ihn bauen; er zwingt die Menschen nicht, seinem Namen zu dienen. "Wenn der Glaube an den Allerhöchsten in euer Herz eingezogen ist, werdet ihr alle Tage eures Lebens furchtlos verbringen. Ärgert euch nicht über das Gedeihen der Gottlosen; fürchtet euch nicht vor jenen, die Böses im Schilde führen; wendet eure Seele von der Sünde ab und setzt euer ganzes Vertrauen in den Gott des Heils. Die müde Seele der sterblichen Wanderer findet in den Armen des Allerhöchsten ewige Ruhe; den Weisen hungert nach göttlicher Umarmung; das Erdenkind sehnt sich nach der Sicherheit in den Armen des Universalen Vaters. Der edle Mensch trachtet nach jenem höheren Zustand, wo sich die Seele des Sterblichen mit dem Geist des Höchsten vermählt. Gott ist gerecht: Die Früchte, die unsere Pflanzungen auf dieser Welt nicht bringen, werden wir in der nächsten ernten." ***** 131.2 Der Judaismus ***** Die Keniten Palästinas retteten vieles von den Lehren Melchisedeks, und aus ihren Aufzeichnungen - von den Juden überliefert und abgeändert - trafen Jesus und Ganid folgende Auswahll: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und alle darin enthaltenen Dinge. Und siehe, alles, was er schuf, war sehr gut. Der Herr ist Gott; es gibt keinen neben ihm im Himmel oben noch hienieden auf Erden. Deshalb sollt ihr den Herrn, euren Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft lieben. Die Erde soll voll des Wissens über den Herrn sein, wie das Meer voller Wasser ist. Die Himmel verkünden die Herrlichkeit Gottes, und das Firmament zeigt das Werk seiner Hände. Tag für Tag spricht das Wort, Nacht für Nacht tut sich das Wissen kund. Es gibt weder Rede noch Sprache, wo ihre Stimme nicht gehört wird. Das Werk des Herrn ist groß, und er hat alle Dinge mit Weisheit getan; die Größe des Herrn ist unerforschlich. Er kennt die Zahl der Sterne; er nennt sie bei ihren Namen. Die Macht des Herrn ist groß und sein Begreifen unendlich. Der Herr spricht: `So wie die Himmel höher sind als die Erde, sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken.' Gott offenbart die tiefen und geheimen Dinge, weil das Licht bei ihm wohnt. Der Herr ist barmherzig und gnädig; er ist langmütig und reich an Güte und Wahrheit. Der Herr ist gut und rechtschaffen; die Demütigen wird er einsichtsvoll leiten. Prüft und seht, wie gut der Herr ist! Gesegnet ist derjenige, der auf Gott vertraut. Gott ist unsere Zuflucht und unsere Stärke, eine sehr gegenwärtige Hilfe in Schwierigkeiten. Die Barmherzigkeit des Herrn ist für immer mit jenen, die Ehrfurcht haben vor ihm und seiner Gerechtigkeit, sogar bis hin zu ihren Kindeskindern. Der Herr ist gnädig und voller Mitleid. Der Herr ist zu allen gut, und sein liebevolles Erbarmen umfasst seine ganze Schöpfung; er heilt, die gebrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden. Wohin soll ich mich von Gottes Geist wenden? Wohin soll ich vor der göttlichen Gegenwart fliehen? So spricht der Hohe und Erhabene Einzige, der die Ewigkeit bewohnt und dessen Name Heilig ist: `Ich wohne am hohen und heiligen Ort, aber auch bei demjenigen, der ein reuiges Herz und einen demütigen Geist besitzt.' Keiner kann sich vor unserem Gott verbergen, denn er füllt Himmel und Erde. Die Himmel sollen froh sein, und die Erde freue sich. Und alle Nationen sollen sagen: `Der Herr herrscht.' Danket Gott, denn seine Gnade währet ewiglich. Die Himmel verkündigen Gottes Gerechtigkeit, und alle Völker haben seine Herrlichkeit gesehen. Gott hat uns erschaffen, nicht wir uns selber; wir sind sein Volk, die Schafe auf seiner Weide. Seine Barmherzigkeit ist ewig, und seine Wahrheit ist für alle Generationen gültig. Unser Gott herrscht über die Nationen. Die Erde sei von seiner Herrlichkeit erfüllt! O wollten doch die Menschen den Herrn loben für seine Güte und seine wunderbaren Geschenke an die Menschenkinder! Gott hat den Menschen etwas weniger als göttlich erschaffen und ihn mit Liebe und Barmherzigkeit gekrönt. Der Herr kennt das Tun der Rechtschaffenen, aber das Tun der Gottlosen soll untergehen. Die Ehrfurcht vor dem Herrn ist der Anfang der Weisheit; die Kenntnis des Höchsten ist Verstehen. Der allmächtige Gott spricht: `Wandle vor mir und sei vollkommen.' Vergesst nicht, dass Stolz vor Zerstörung kommt und Hochmut vor dem Fall. Derjenige, der seinen eigenen Geist in der Gewalt hat, ist mächtiger als derjenige, der eine Stadt erobert. So spricht Gott der Herr, der Heilige: `Wenn du zu deiner geistigen Ruhe zurückkehrst, sollst du gerettet werden; in der Stille und im Vertrauen soll deine Stärke liegen.' Diejenigen, die dem Herrn dienen, werden neue Kraft finden; sie werden sich auf Flügeln adlergleich erheben. Sie werden laufen und nicht müde werden; sie werden gehen und nicht ermatten. Der Herr wird euch eure Furcht abnehmen. Der Herr spricht: `Fürchtet euch nicht, denn ich bin bei euch. Seid unbeirrt, denn ich bin euer Gott. Ich werde euch stärken; ich werde euch helfen; ja. ich werde euch aufrecht halten mit der rechten Hand meiner Gerechtigkeit.' Gott ist unser Vater; der Herr ist unser Erlöser. Gott hat die Heerscharen des Universums erschaffen, und er beschützt sie alle. Seine Gerechtigkeit ist wie die Berge und sein Ratschluss wie das tiefe Meer. Er lässt uns aus dem Fluss seiner Freuden trinken, und in seinem Licht wird uns Erleuchtung zuteil werden. Es ist gut, dem Herrn zu danken und dem Allerhöchsten Loblieder zu singen; am Morgen Herzensgüte zu zeigen und Gottvertrauen an jedem Abend. Das Königreich Gottes ist ein ewiges Königreich, und seine Herrschaft hat durch alle Generationen Bestand. Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er lässt mich lagern auf grünen Auen; er führt mich an stille Wasser. Er macht meine Seele gesund. Er führt mich auf den Pfaden der Rechtschaffenheit. Und sollte ich auch durch das Schattental des Todes wandern, so fürchte ich mich doch vor keinem Übel, denn Gott ist bei mir. Ich bin sicher, dass Güte und Barmherzigkeit mich alle Tage meines Lebens begleiten werden, und für immer werde ich im Hause des Herrn wohnen. Jahve ist der Gott meiner Rettung; deshalb will ich mein Vertrauen in seinen göttlichen Namen setzen. Ich will von ganzem Herzen auf den Herrn bauen; ich will mich nicht auf mein eigenes Begreifen verlassen. In jeder Weise will ich mich zu ihm bekennen, und er wird meine Schritte lenken. Der Herr ist treu; er hält sein Wort denen gegenüber, die ihm dienen; die Gerechten werden durch seine Treue leben. Wenn ihr Unrecht tut, dann weil die Sünde vor eurer Tür liegt; die Menschen ernten das Böse, das sie eingepflügt, und die Sünde, die sie gesät haben. Ärgert euch nicht über die Übeltäter. Wenn ihr in eurem Herzen Frevlerisches erwägt, wird euch Gott nicht erhören; wenn ihr gegen Gott sündigt, schadet ihr auch eurer eigenen Seele. Gott wird über eines jeden Menschen Werk mit allem Verborgenen, sei es gut oder böse, richten. Wie ein Mensch in seinem Herzen denkt, so ist er. Der Herr ist bei allen, die ihn in Aufrichtigkeit und Wahrheit anrufen. Man weint vielleicht eine Nacht lang, aber die Freude kommt mit dem Morgen. Ein fröhliches Herz tut gut wie eine Medizin. Gott wird denen, die ihren Weg rechtschaffen gehen, keine guten Dinge vorenthalten. Fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das ist die ganze Pflicht des Menschen. So spricht der Herr, der die Himmel schuf und die Erde gestaltete: `Neben mir, einem gerechten Gott und Retter, gibt es keinen anderen Gott. Von allen Enden der Erde schaut auf mich und seid errettet! Wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden, so ihr von ganzem Herzen nach mir forscht.' Die Sanftmütigen werden die Erde erben und sich des Friedens in Fülle erfreuen. Wer immer Unrecht sät, soll Unglück ernten; jene, die Wind säen, sollen Sturm ernten. `Kommt jetzt, und lasst uns vernünftig miteinander reden', spricht der Herr. `Wären eure Sünden auch scharlachrot, sie sollen weiß werden wie Schnee. Wären sie karminrot, sie sollen werden wie Wolle.' Aber es gibt keinen Frieden für die Gottlosen; eure eigenen Sünden sind es, die die guten Dinge von euch ferngehalten haben. Gott ist das Wohl meiner Gemütsruhe und die Freude meiner Seele. Der ewige Gott ist meine Kraft; er ist unsere Wohnstätte, und seine ewigen Arme tragen uns. Der Herr ist denen nahe, die gebrochenen Herzens sind; er rettet alle, die ein kindliches Gemüt haben. Der rechtschaffene Mensch leidet viel Ungemach, aber der Herr befreit ihn von allem. Befehlt eure Wege dem Herrn - vertraut ihm - und er wird alles zu einem guten Ende führen. Wer sich am geheimen Ort des Allerhöchsten aufhält, soll unter dem Schutz des Allmächtigen wohnen. Liebe deinen Nächsten wie dich selber; hege gegen niemanden Groll. Was auch immer du verabscheust, füge es niemandem zu. Liebe deinen Bruder, denn der Herr hat gesagt: `Ich will meine Kinder rückhaltlos lieben.' Der Pfad des Gerechten ist ein Licht, das immer heller scheint, bis es vollkommener Tag geworden ist. Die Weisen sollen für immer leuchten wie das helle Firmament, und wie die Sterne jene, die viele zur Rechtschaffenheit führen. Der Gottlose soll seinen üblen Weg verlassen und der Unredliche seine aufrührerischen Gedanken. Der Herr spricht: `Sie sollen zu mir zurückkehren, und ich werde mich ihrer erbarmen; ich werde reichlich vergeben.' So spricht Gott, der Schöpfer von Himmel und Erde: `Diejenigen, die mein Gesetz lieben, haben großen Frieden. Meine Gebote sind: Du sollst mich von ganzem Herzen lieben; du sollst keine Götter haben neben mir; du sollst meinen Namen nicht missbrauchen; du sollst den Sabbattag heilig halten; ehre deinen Vater und deine Mutter; du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst kein falsches Zeugnis ablegen; du sollst nicht anderer Gut begehren.' "Und zu jenen, die den Herrn über alles lieben und ihre Mitmenschen wie sich selber, spricht der Gott des Himmels: `Ich werde euch vom Grab loskaufen; ich werde euch vom Tod erlösen. Ich werde barmherzig und gerecht sein zu euren Kindern. Habe ich nicht von meinen Geschöpfen auf Erden gesagt: `Ihr seid die Söhne des lebendigen Gottes'? Und habe ich euch nicht mit ewig währender Liebe geliebt? Habe ich euch nicht aufgerufen, mir zu gleichen und für immer mit mir im Paradies zu wohnen?' " ***** 131.3 Der Buddhismus ***** Ganid entdeckte mit Betroffenheit, wie nahe der Buddhismus einer großen und schönen Religion ohne Gott kam, ohne eine persönliche und universale Gottheit. Er fand indessen Aufzeichnungen gewisser religiöser Anschauungen früherer Bekenntnisse, die etwas vom Einfluss der Lehren der Sendboten Melchisedeks widerspiegelten, die ihre Arbeit in Indien sogar bis zu Buddhas Zeiten weiterverfolgt hatten. Jesus und Ganid sammelten die folgenden Zeugnisse aus der buddhistischen Literatur: "Aus einem reinen Herzen wird Heiterkeit zum Unendlichen aufsteigen; mein ganzes Wesen soll in dieser überirdischen Glückseligkeit Frieden finden. Meine Seele ist mit Zufriedenheit erfüllt, und friedvolles Vertrauen lässt mein Herz vor Seligkeit überfließen. Ich kenne keine Furcht; ich bin frei von Angst. Ich lebe in Sicherheit, und meine Feinde können mich nicht aus der Fassung bringen. Ich bin zufrieden mit den Früchten meines Vertrauens. Ich habe den Zugang zum Unsterblichen leicht gefunden. Ich bete um den Glauben, dass er mich auf der langen Reise stütze; ich weiß, dass der aus dem Jenseits stammende Glaube mir nicht mangeln wird. Ich weiß, dass meine Brüder gedeihen werden, wenn der Glaube des Unsterblichen sie durchdringt, eben der Glaube, der Bescheidenheit, Geradheit, Weisheit, Mut, Wissen und Ausdauer hervorbringt. Lassen wir das Leid fahren und schütteln wir die Angst ab. Bemächtigen wir uns durch den Glauben der wahren Rechtschaffenheit und der echten Männlichkeit. Lernen wir, über Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nachzusinnen. Der Glaube ist der wahre Reichtum des Menschen; er schenkt uns Tugend und Ruhm. Unredlichkeit ist nichtswürdig, Sünde verachtenswert. Das Üble ist erniedrigend, sowohl in Gedanken als auch in die Tat umgesetzt. Schmerz und Leid folgen auf dem Pfad des Übels wie Staub dem Wind. Glück und Seelenruhe folgen reinen Gedanken und tugendhaftem Lebenswandel wie der Schatten der Substanz materieller Dinge. Das Üble ist die Frucht des in falsche Bahnen gelenkten Denkens. Es ist schlecht, dort Sünde zu sehen, wo keine vorhanden ist, und keine Sünde zu sehen, wo Sünde ist. Das Üble ist der Pfad falscher Lehren. Diejenigen, die das Üble vermeiden, indem sie die Dinge so sehen, wie sie sind, werden frohen Sinnes, da sie die Wahrheit annehmen. Macht eurem Elend ein Ende, indem ihr die Sünde verabscheut. Wenn ihr zu dem Erhabenen aufschaut, dann wendet euch mit ganzem Herzen von der Sünde ab. Rechtfertigt euch nicht für Böses, entschuldigt euch nicht für Sünde. Durch euer Bemühen, vergangene Sünden wieder gutzumachen, erlangt ihr die Kraft, in Zukunft solchen Neigungen zu widerstehen. Beherrschung entsteht aus Reue. Lasst vor dem Erhabenen nicht einen einzigen Fehler uneingestanden. Heiterkeit und Freude sind die Belohnung guter und zum Ruhm des Unsterblichen ausgeführter Taten. Niemand kann dich der Freiheit deiner eigenen Meinung berauben. Wenn der Glaube deiner Religion dein Herz befreit hat, wenn dein Sinn gleich einem Berg gefestigt und unverrückbar geworden ist, dann wird der Friede der Seele ruhig fließen wie die Wasser eines Stroms. All jene, die der Rettung sicher sind, sind für immer frei von sinnlicher Begierde, Neid, Hass und von der Verblendung des Reichtums. Obzwar der Glaube die Kraft des besseren Lebens ist, musst du trotzdem mit Beharrlichkeit an deiner eigenen Rettung arbeiten. Wenn du deiner endgültigen Rettung sicher sein willst, dann sorge dafür, dass du aufrichtig alle Gebote der Rechtschaffenheit zu erfüllen trachtest. Pflege die Gewissheit des Herzens, die aus dem Inneren entspringt, und gelange dadurch dazu, die Glückseligkeit ewigen Heils zu genießen. Kein religiöser Mensch, der fortfährt, faul, geistig träge, schwach, müßig, schamlos und selbstsüchtig zu sein, kann hoffen, die Erleuchtung unsterblicher Weisheit zu erlangen. Aber wer achtsam, besonnen, überlegt, inbrünstig und ernst ist, kann - sogar während er noch auf Erden lebt - zur höchsten Erleuchtung durch den Frieden und die Freiheit göttlicher Weisheit gelangen. Bedenkt, dass jede Handlung ihre Belohnung erhalten wird. Aus dem Übel geht Leid hervor, und Sünde endet im Schmerz. Freude und Glück sind das Ergebnis eines guten Lebens. Sogar dem Übeltäter ist eine Zeit der Gnade zugemessen, bevor seine schlechten Taten voll herangereift sind, aber am Ende ist die gesamte Ernte der Missetaten unabwendbar. Niemand soll leichtfertig über die Sünde denken und in seinem Inneren sagen: `Die Strafe für mein übles Tun wird mir fernbleiben.' Was ihr tut, das wird auch euch widerfahren nach dem Ratschluss der Weisheit. Unrecht, das ihr euren Mitmenschen angetan habt, wird auf euch zurückfallen. Das Geschöpf kann den Folgen seiner Taten nicht entrinnen. Der Törichte hat insgeheim gesagt: `Das Übel wird mich nicht überfallen'; aber man findet Sicherheit nur, wenn die Seele nach Kritik verlangt und der Verstand Weisheit sucht. Der weise Mensch ist eine edle Seele, die freundlich bleibt inmitten ihrer Feinde, ruhig unter den Ungestümen und freigebig unter den Habgierigen. Eigenliebe ist wie Unkraut in einem guten Feld. Selbstsucht führt zu Kummer; ständige Sorge tötet. Ein gezügelter Verstand bringt Glück hervor. Der größte Kriegsheld ist derjenige, der sich selbst besiegt und unterwirft. Zurückhaltung in allen Dingen ist gut. Nur wer sich an die Tugend hält und seiner Pflicht genügt, ist ein hoch stehender Mensch. Erlaubt weder Zorn noch Hass, euch zu beherrschen. Sprecht über niemanden harte Worte. Die Genügsamkeit ist der größte Reichtum. Was man weise gibt, ist gut aufgehoben. Tue nicht anderen an, was du nicht möchtest, dass man es dir antue. Zahle Böses mit Gutem zurück; besiege das Böse durch das Gute. "Eine lautere Seele ist wünschenswerter als die Herrschaft über die ganze Erde. Unsterblichkeit ist das Ziel der Aufrichtigkeit, der Tod steht am Ende eines gedankenlosen Lebens. Die Ernsthaften sterben nicht; die Gedankenlosen sind bereits tot. Gesegnet sind diejenigen, die den todlosen Zustand schauen. Die, welche die Lebenden quälen, werden nach dem Tod kaum glücklich sein. Die Selbstlosen gehen in den Himmel, wo sie sich der Seligkeit unendlicher Großzügigkeit erfreuen und ihre edle Hochherzigkeit weiterhin zunimmt. Jeder Sterbliche, dessen Gedanken rechtschaffen und dessen Worte edel sind und der selbstlos handelt, wird sich nicht nur hier während dieses kurzen Lebens der Tugend erfreuen, sondern auch nach der Auflösung des Körpers fortfahren, sich der Seligkeit des Himmels zu erfreuen." ***** 131.4 Der Hinduismus ***** Wohin auch immer die Abgesandten Melchisedeks reisten, brachten sie die Lehren von dem einen Gott mit. Vieles von dieser monotheistischen Lehre wurde zusammen mit anderen und älteren Anschauungen den späteren Lehren des Hinduismus einverleibt. Jesus und Ganid machten die folgenden Auszüge: "Er ist der große Gott, in jedem Sinn der höchste. Er ist der Herr, der alle Dinge in sich schließt. Er ist der Schöpfer und Gebieter des Universums der Universen. Gott ist ein Gott; er ist allein und durch sich selbst; er ist der Einzige. Und dieser eine Gott ist unser Schöpfer und das Endziel der Seele. Der Glanz des Höchsten ist unbeschreiblich; er ist das Licht allen Lichtes. Jedes Herz und jede Welt wird durch dieses göttliche Licht erleuchtet. Gott ist unser Beschützer - er steht seinen Geschöpfen zur Seite - und die, welche ihn kennen lernen, werden unsterblich. Gott ist die große Energiequelle; er ist die große Seele. Er übt über alles eine universale Herrschaft aus. Dieser eine Gott ist voller Liebe, herrlich und anbetungswürdig. Unser Gott ist allmächtig und bewohnt den allerhöchsten Ort. Diese wahre Person ist ewig und göttlich; er ist der allererste Herr des Himmels. Alle Propheten haben ihn gefeiert, und er hat sich uns offenbart. Wir beten ihn an. O Höchste Person, Ursprung aller Wesen, Herr der Schöpfung und Beherrscher des Universums, offenbare uns, deinen Geschöpfen, die Macht, dank welcher du immanent bleibst! Gott hat die Sonne und die Sterne geschaffen; er ist strahlend, rein und existiert durch sich selber. Sein ewiges Wissen ist göttlich weise. Das Böse kann keinen Eingang in den Ewigen finden. Da das Universum aus Gott entsprungen ist, regiert er es angemessen. Er ist die Ursache der Schöpfung, und deshalb sind alle Dinge in ihm aufgehoben. Gott ist der sichere Zufluchtsort für jeden guten Menschen, der sich in Not befindet; der Unsterbliche kümmert sich um die ganze Menschheit. Gott rettet mit kräftigem Arm und seine Freundlichkeit ist gnadenreich. Er ist ein liebevoller Beschützer, ein gesegneter Verteidiger. Der Herr spricht: `Ich wohne in ihren Seelen als eine Lampe der Weisheit. Ich bin die Pracht der Prächtigen und die Güte der Guten. Wo zwei oder drei zusammenkommen, da bin auch ich zugegen.' Das Geschöpf kann der Gegenwart des Schöpfers nicht entrinnen. Der Herr zählt sogar die unaufhörlichen Lidschläge jedes Sterblichen; und wir verehren dieses göttliche Wesen als unseren unzertrennlichen Weggefährten. Er ist allmächtig, voller Güte, allgegenwärtig und unendlich freundlich. Der Herr ist unser Gebieter, unsere Zuflucht und höchster Lenker, und sein Urgeist bewohnt die sterbliche Seele. Der Ewige Zeuge von Laster und Tugend wohnt im Menschenherzen. Lasst uns lange über den anbetungswürdigen und göttlichen Lebensspender nachsinnen; sein Geist lenke unsere Gedanken ganz und gar. Führe uns aus dieser unwirklichen in die wirkliche Welt! Aus der Dunkelheit führe uns ins Licht! Aus dem Tod leite uns zur Unsterblichkeit! Mit Herzen, aus denen aller Hass verbannt ist, lasst uns den Ewigen anbeten! Unser Gott ist der Herr des Gebets; er hört den Ruf seiner Kinder. Alle Menschen sollen ihren Willen ihm, dem Entschlossenen, unterordnen. Lasst uns selig sein in der Freigebigkeit des Herrn der Gebete. Macht das Gebet zu eurer innigsten Freundin und betet den Erhalter eurer Seele an. `Wenn ihr mich nur in Liebe anbeten wollt', spricht der Ewige, `will ich euch die Weisheit schenken, denn, mich zu verehren, ist die allen Geschöpfen gemeinsame Tugend.' Gott ist der Lichtbringer für die Trübsinnigen und die Kraft der Ermatteten. Da Gott unser starker Freund ist, haben wir keine Furcht mehr. Wir loben den Namen des nie besiegten Eroberers. Wir verehren ihn, weil er der treue und ewige Helfer des Menschen ist. Gott ist unser sicherer und unfehlbarer Führer. Er ist der große Urheber von Himmel und Erde und besitzt unbegrenzte Kraft und unendliche Weisheit. Seine Herrlichkeit ist erhaben und seine Schönheit göttlich. Er ist die höchste Zuflucht des Universums und der unveränderliche Hüter des ewigen Gesetzes: Unser Gott ist der Gott des Lebens und der Tröster aller Menschen; er liebt die Menschheit und hilft den Unglücklichen. Er ist unser Lebensspender und der Gute Hirte der menschlichen Herden. Gott ist unser Vater, Bruder und Freund. Und wir sehnen uns danach, diesen Gott in unserem Inneren zu kennen. Die Sehnsucht unserer Herzen hat uns gelehrt, Glauben zu erwerben. Durch die Bändigung unserer Sinne haben wir Weisheit erlangt, und durch die Weisheit haben wir den Frieden im Allerhöchsten erfahren. Wer ganz aus dem Glauben lebt, betet wahrhaftig an, wenn sein inneres Selbst in Gott versenkt ist. Unser Gott trägt die Himmel wie einen Mantel; er bewohnt auch die anderen sechs weit ausgedehnten Universen. Er ist der Höchste über allem und in allem. Wir erflehen Vergebung vom Herrn für alle unsere Verfehlungen gegenüber unseren Mitmenschen; und wir möchten unserem Freund das gegen uns begangene Unrecht nachsehen. Unser Geist verabscheut alles Üble; befreie uns deshalb, o Herr, von jeder Spur von Sünde. Wir beten zu Gott als Tröster, Beschützer und Retter - zu einem, der uns liebt. Der Geist des Erhalters des Universums tritt in die Seele des einfachen Geschöpfes ein. Derjenige ist weise, der den Einen Gott anbetet. Wer nach Vollendung strebt, muss wahrlich den Höchsten Herrn kennen. Wer die beseligende Sicherheit des Höchsten kennt, fürchtet sich nie, denn der Höchste spricht zu denen, die ihm dienen: `Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir.' Der Gott der Vorsehung ist unser Vater. Gott ist die Wahrheit. Und der Wunsch des Vaters ist es, dass seine Geschöpfe ihn begreifen - zur vollen Wahrheit gelangen. Die Wahrheit ist ewig; sie trägt das Universum. Unser höchstes Verlangen soll die Vereinigung mit dem Höchsten sein. Der Große Lenker bringt alle Dinge hervor - alles entwickelt sich aus ihm. Und dies ist unsere ganze Pflicht: Niemand tue einem anderen an, wovor er selber Abscheu hat; enthaltet euch aller Bosheit, schlagt den nicht, der euch schlägt, besiegt Zorn mit Barmherzigkeit und überwindet Hass durch Wohlwollen. Und das alles sollten wir tun, weil Gott ein lieber Freund und gnädiger Vater ist, der uns alle unsere irdischen Vergehen vergibt. Gott ist unser Vater, die Erde unsere Mutter, und das Universum unsere Geburtsstätte. Ohne Gott ist die Seele eine Gefangene; Gott zu kennen befreit die Seele. Das Nachsinnen über Gott, die Vereinigung mit ihm, bringt Erlösung von dem Blendwerk des Bösen und endgültige Befreiung von allen materiellen Fesseln. Wenn der Mensch den Raum wie ein Stück Leder zusammenrollt, dann kommt das Ende des Übels, weil der Mensch Gott gefunden hat. O Gott, rette uns vor dem dreifachen Verderben der Hölle - vor Begierde, Zorn und Geiz! O Seele, rüste dich für den geistigen Kampf der Unsterblichkeit! Wenn das Ende des sterblichen Lebens kommt, dann zögere nicht, diesen Körper für eine passendere und schönere Gestalt zu verlassen und im Reich des Höchsten und Unsterblichen zu erwachen, wo es weder Furcht noch Leid, Hunger, Durst oder Tod gibt. Gott kennen, heißt die Stricke des Todes zu zerreißen. Die Seele, die Gott kennt, steigt im Universum auf, wie die Sahne auf der Milch erscheint. Wir verehren Gott, den Urheber von allem, die Große Seele, der immer im Herzen seiner Geschöpfe wohnt. Und die, welche wissen, dass Gott seinen Sitz im menschlichen Herzen hat, sind dazu bestimmt, zu werden wie er - unsterblich. Das Üble muss in dieser Welt zurückgelassen werden, aber die Tugend folgt der Seele in den Himmel. "Nur die Gottlosen sagen: `Es gibt weder Wahrheit noch einen Herrscher im Universum; dieses wurde nur für unsere Begierden geschaffen.' Solche Seelen werden durch die Kleinheit ihres Verstandes in die Irre geführt. So geben sie sich ihren Begierden hin und berauben ihre Seelen der Freuden der Tugend und der Rechtschaffenheit. Was kann größer sein, als die Errettung von Sünde zu erfahren? Der Mensch, der den Höchsten gesehen hat, ist unsterblich. Des Menschen körperliche Freunde können den Tod nicht überleben; die Tugend allein geht an der Seite des Menschen weiter auf seiner langen Reise zu den heiteren und sonnigen Gefilden des Paradieses." ***** 131.5 Der Zoroastrismus ***** Zoroaster stand selber in direktem Kontakt mit den Nachkommen der ersten Sendboten Melchisedeks, und deren Doktrin des Einen Gottes wurde zu einer zentralen Lehre der Religion, die er in Persien begründete. Abgesehen vom Judaismus enthielt keine Religion jener Tage mehr von den Lehren Salems. Den Schriften dieser Religion entnahm Ganid die folgenden Auszüge: "Alle Dinge kommen von Ihm und gehören Ihm, dem allweisen, guten, gerechten, heiligen, strahlenden und ruhmreichen Einen Gott. Dieser unser Gott ist die Quelle alles Lichts. Er ist der Schöpfer, der Gott aller guten Zielsetzungen und der Schirmherr der Gerechtigkeit im Universum. Die weise Art zu leben besteht darin, in Übereinstimmung mit dem Geist der Wahrheit zu handeln. Gott sieht alles, sowohl die Übeltaten der Gottlosen als auch die guten Werke der Rechtschaffenen; unser Gott beobachtet alles mit einem blitzschnellen Blick. Wen er berührt, der ist geheilt. Der Herr ist ein allmächtiger Wohltäter. Gott streckt seine gütige Hand nach dem Rechtschaffenen ebenso wie nach dem Verruchten aus. Gott schuf die Welt und setzte die Belohnungen für das Gute und das Böse fest. Der allweise Gott hat den frommen Seelen, deren Gedanken rein und deren Handlungen rechtschaffen sind, die Unsterblichkeit versprochen. Ihr werdet so sein, wie ihr es zutiefst ersehnt. Die Weisheit ist für die, welche Gott im Universum erkennen, wie Sonnenlicht. Preiset Gott, indem ihr Ihn, den Einzigen Weisen, zu erfreuen sucht. Verehret den Gott des Lichts, indem ihr fröhlich auf den vorgeschriebenen Pfaden seiner offenbarten Religion wandert. Es gibt nur einen Allerhöchsten Gott, den Herrn des Lichts. Ihn, der Wasser, Pflanzen, Tiere, Erde und Himmel schuf, beten wir an. Unser Gott ist ein überaus wohltätiger Herr. Wir verehren den über alles schönen und großzügigen Unsterblichen, dem das ewige Licht eigen ist. Gott ist am weitesten von uns entfernt und uns zugleich am nächsten, da er in unserer Seele wohnt. Er ist der allerheiligste göttliche Geist des Paradieses, und doch ist er freundlicher zu den Menschen als das liebenswürdigste aller Geschöpfe. Gott ist uns sehr behilflich in der größten aller Aufgaben: ihn zu kennen. Gott ist unser über alles anbetungswürdiger und rechtschaffener Freund; er ist unsere Weisheit und unser Leben und die Kraft der Seele und des Körpers. Wenn wir redlich denken, wird uns der weise Schöpfer befähigen, nach seinem Willen zu handeln und dadurch zur Verwirklichung von allem zu gelangen, was göttlich vollkommen ist. Herr, lehre uns, dieses irdische Leben zu leben und uns zugleich auf das folgende geistige Leben vorzubereiten. Rede zu uns, Herr, und wir werden tun, was du von uns verlangst. Weise uns die guten Wege, und wir werden nicht fehlgehen. Vergönne uns, zur Vereinigung mit dir zu gelangen. Wir wissen, dass die Religion, die zur Harmonie mit der Rechtschaffenheit führt, die richtige ist. Gott ist unsere weise Natur, unser bester Gedanke und unsere tugendhafte Tat. Möge Gott uns die Vereinigung mit dem göttlichen Geist und die Unsterblichkeit in ihm gewähren! "Diese Religion des Allwissenden reinigt den Gläubigen von jedem schlechten Gedanken und jeder sündigen Handlung. Reuig verneige ich mich vor dem himmlischen Gott, sollte ich ihn - vorsätzlich oder unabsichtlich - in Gedanken, Worten oder Taten beleidigt haben, und bete zu ihm um Barmherzigkeit und lobpreise ihn für Vergebung. Wenn ich Beichte ablege und mir dabei vornehme, Übles fortan zu unterlassen, weiß ich, dass die Sünde von meiner Seele genommen wird. Ich weiß, dass die Vergebung die Fesseln der Sünde löst. Die Übeltäter werden bestraft werden, aber jene, die der Wahrheit nachfolgen, werden sich der Glückseligkeit ewigen Heils erfreuen. Ergreife Besitz von uns durch deine Gnade und spende unseren Seelen rettende Kraft! Wir flehen um Barmherzigkeit, weil wir nach Vollkommenheit streben; wir möchten gottähnlich werden." ***** 131.6 Der Suduanismus (Jainismus) ***** Die dritte Gruppe von Gläubigen, die die Lehre vom Einen Gott - das, was von Melchisedeks Unterweisungen weiterlebte - in Indien bewahrte, war in jenen Tagen als die Suduanisten bekannt, und später als die Anhänger des Jainismus. Sie lehrten: "Der Herr des Himmels steht über allem. Wer sündigt, wird nicht zum Himmel aufsteigen, aber jene, die auf den Pfaden der Rechtschaffenheit wandeln, werden einen Platz im Himmel finden. Wir sind des Lebens nach dem Tod sicher, wenn wir die Wahrheit kennen. Die menschliche Seele vermag zum höchsten Himmel aufzusteigen, um dort ihr wahres geistiges Wesen zu entfalten und zur Vollkommenheit zu gelangen. Der himmlische Zustand erlöst den Menschen von den Fesseln der Sünde und eröffnet ihm die endgültige Glückseligkeit; der Aufrechte hat das Ende der Sünde und allen damit verbundenen Elends bereits erfahren. Das Ich ist des Menschen unüberwindlicher Widersacher, und es tritt als die vier größten menschlichen Leidenschaften in Erscheinung: Zorn, Stolz, Täuschung und Habgier. Des Menschen größter Sieg ist die Eroberung seiner selbst. Wenn er sich an Gott um Vergebung wendet, und wenn er sich mutig eine derartige Freiheit herausnimmt, fällt damit die Furcht von ihm ab. Der Mensch sollte auf seinem Lebensweg seine Mitmenschen so behandeln, wie er es für sich selber wünschte." ***** 131.7 Der Schintoismus ***** Erst vor kurzem waren die Handschriften dieser fernöstlichen Religion der Bibliothek von Alexandria einverleibt worden. Es war die einzige Weltreligion, von der Ganid nie gehört hatte. Auch dieser Glaube enthielt Überreste der früheren Lehren Melchisedeks, wie aus den folgenden Auszügen ersichtlich ist: "So spricht der Herr: `Ihr alle seid Empfänger meiner göttlichen Kraft; allen Menschen kommt meine Barmherzigkeit zugute. Ich habe große Freude an der Zunahme rechtschaffener Menschen im Land. In der Schönheit der Natur ebenso wie in den menschlichen Tugenden sucht der Himmelsfürst sich zu offenbaren und sein gerechtes Wesen kundzutun. Da die alten Völker meinen Namen nicht kannten, gab ich mich ihnen dadurch zu erkennen, dass ich in der Welt als sichtbares Wesen geboren wurde, und ertrug solche Erniedrigung, damit die Menschen meinen Namen nicht vergäßen. Ich habe Himmel und Erde erschaffen; Sonne, Mond und alle Gestirne gehorchen meinem Willen. Ich bin der Herrscher über alle Geschöpfe zu Land und in den vier Meeren. Obwohl ich groß und erhaben bin, achte ich doch auf das Gebet des ärmsten Menschen. Wenn ein Geschöpf mich anbeten will, werde ich sein Gebet erhören und dem Wunsch seines Herzens stattgeben.' "`Jedes Mal, wenn ein Mensch der Furcht erliegt, entfernt er sich einen Schritt von der Führung durch den Geist in seinem Herzen.' Der Stolz verdunkelt Gott. Trachtet ihr nach der Hilfe des Himmels, dann legt euren Stolz ab; die geringste Anwandlung von Stolz schiebt sich wie eine große Wolke vor das rettende Licht. Wenn es in eurem Inneren nicht stimmt, ist es nutzlos, um das, was außerhalb ist, zu bitten. `Ich erhöre eure Gebete nur, wenn ihr reinen Herzens vor mich tretet, frei von Falschheit und Heuchelei, und mit einer Seele, die die Wahrheit wie ein Spiegel wiedergibt. Wollt ihr die Unsterblichkeit gewinnen, dann entsagt der Welt und kommt zu mir.' " ***** 131.8 Der Taoismus ***** Melchisedeks Sendboten drangen bis tief nach China hinein, und die Doktrin vom Einen Gott wurde ein Teil der frühen Lehre mehrerer chinesischer Religionen. Die Religion, die sich am längsten hielt und am meisten monotheistische Wahrheit enthielt, war der Taoismus, und Ganid trug aus den Lehren ihres Gründers das Folgende zusammen: "Wie rein und gelassen ist der Allerhöchste, und doch wie kraftvoll und mächtig, wie tief und unergründlich! Dieser Gott des Himmels ist der verehrte Ahnherr aller Dinge. Wenn ihr den Ewigen kennt, seid ihr erleuchtet und weise. Kennt ihr ihn aber nicht, dann äußert sich die Unwissenheit als Übel, und die Leidenschaften der Sünde erwachen. Dieses wunderbare Wesen existierte, bevor es Himmel und Erde gab. Gott ist wahrhaft geistig; er steht unerreicht da und ändert sich nicht. Er ist tatsächlich die Mutter der Welt, und die ganze Schöpfung dreht sich um ihn. Dieser Große gibt sich den Menschen und befähigt sie dadurch, sich auszuzeichnen und fortzuleben. Wenn einer auch nur ein ganz geringes Wissen besitzt, kann er trotzdem auf den Wegen des Allerhöchsten schreiten; er kann sich dem himmlischen Willen anpassen. Alle wahrhaft dienlichen guten Werke kommen vom Allerhöchsten. Alles hängt von der großen Quelle des Lebens ab. Der Große Allerhöchste verlangt keine Anerkennung für seine Gaben. Obschon er allmächtig ist, bleibt er unseren Blicken verborgen. Ohne Unterlass wandelt er seine Eigenschaften, während er seine Geschöpfe vervollkommnet. Die himmlische Vernunft ist langsam und geduldig in ihren Vorhaben, aber sicher, ihre Ziele zu erreichen. Der Höchste breitet sich über das ganze Universum aus und hält es in Gang. Wie groß und mächtig sind sein überströmender Einfluss und seine Anziehungskraft! Gleich dem Wasser ist wahre Güte für alles ein Segen und schadet niemandem. Und wie das Wasser sucht die wahre Güte die niedrigsten Orte auf, sogar Ebenen, die andere meiden, weil die Güte dem Höchsten verwandt ist. Der Höchste erschafft alle Dinge, hegt ihre Natur und vervollkommnet sie im Geiste. Und es ist ein tiefes Geheimnis, wie der Höchste das Geschöpf aufzieht, beschützt und vervollkommnet, ohne es doch zu zwingen. Er führt und lenkt, aber ohne seinen Anspruch geltend zu machen. Er unterstützt die Weiterentwicklung, ohne zu gebieten. Der Weise lässt sein Herz universal werden. Ein geringes Wissen ist eine gefährliche Sache. Wer sich nach Großem sehnt, muss lernen, bescheiden zu werden. In der Schöpfung ist der Höchste zur Mutter der Welt geworden. Seine Mutter zu kennen, heißt bejahen, dass man ihr Sohn ist. Wer alle Teile vom Gesichtspunkt des Ganzen aus betrachtet, ist ein weiser Mann. Verhaltet euch jedem Menschen gegenüber so, als wäret ihr an seiner Stelle. Vergeltet Kränkung mit Freundlichkeit. Wenn ihr die Menschen liebt, werden sie zu euch kommen - ihr werdet sie mühelos gewinnen. Der Große Allerhöchste durchdringt alles; er ist zur Linken und zur Rechten; er trägt die ganze Schöpfung und wohnt allen wahrheitsliebenden Wesen inne. Ihr könnt den Höchsten nicht finden, aber ihr könnt nirgendwohin gehen, wo er nicht ist. Wenn ein Mensch sich der Schlechtigkeit seines Tuns bewusst wird und die Sünde von Herzen bereut, dann kann er um Vergebung bitten, der Strafe entgehen und das Unglück in Segen verwandeln. Der Höchste ist der sichere Zufluchtsort der ganzen Schöpfung; er ist der Hüter und Erretter der Menschheit. Wenn ihr ihn täglich sucht, werdet ihr ihn finden. Da er Sünden vergeben kann, ist er wahrhaftig für alle Menschen sehr kostbar. Denkt stets daran, dass Gott den Menschen nicht für das belohnt, was er tut, sondern für das, was er ist. Deshalb solltet ihr euren Mitmenschen ohne Gedanken an Belohnung helfen. Tut Gutes, ohne an einen Gewinn für euch selber zu denken. "Diejenigen, welche die Gesetze des Ewigen kennen, sind weise. Die Unkenntnis des göttlichen Gesetzes bedeutet Elend und Unglück. Wer Gottes Gesetze kennt, ist vorurteilslos. Wenn ihr den Ewigen kennt, wird eure Seele im Dienste des Geistes weiterleben, wenngleich euer Körper zugrunde geht. Es zeugt von wahrer Weisheit, wenn ihr eure Unbedeutendheit erkennt. Wenn ihr im Licht des Ewigen lebt, werdet ihr euch der Erleuchtung des Höchsten erfreuen. Alle, die sich ganz dem Dienst des Höchsten widmen, sind in diesem Streben nach dem Ewigen von Freude erfüllt. Wenn der Mensch stirbt, beginnt der Geist, auf der langen großen Heimreise dahinzufliegen." ***** 131.9 Der Konfuzianismus ***** Selbst diejenige unter den großen Weltreligionen, die Gott am wenigsten wahrnahm, anerkannte den Monotheismus der Missionare Melchisedeks und ihrer beharrlichen Nachfolger. Ganids Zusammenfassung des Konfuzianismus beinhaltete Folgendes: Was der Himmel bestimmt, ist ohne Fehl. Die Wahrheit ist wirklich und göttlich. Alles hat seinen Ursprung im Himmel, und der Große Himmel begeht keine Irrtümer. Der Himmel hat zahlreiche untergeordnete Wesen dazu ausersehen, bei der Schulung und Hebung der geringeren Geschöpfe zu helfen. Groß, sehr groß ist der Eine Gott, der vom Himmel über die Menschen gebietet. Gott ist erhaben in seiner Macht und furchtbar in seinem Strafgericht. Aber dieser Große Gott hat sogar vielen tieferstehenden Menschen ein sittliches Gefühl verliehen. Die Großzügigkeit des Himmels hat kein Ende. Das Wohlwollen ist das erlesenste Geschenk des Himmels an die Menschen. Der Himmel hat der Seele des Menschen seine Würde geschenkt, und die menschlichen Tugenden sind die Früchte dieser Gabe der himmlischen Würde. Der Große Himmel sieht alles und begleitet den Menschen in seinem ganzen Tun. Und wir tun gut daran, den Großen Himmel unseren Vater und unsere Mutter zu nennen. Wenn wir unseren göttlichen Stammeltern also dienen, können wir vertrauensvoll zum Himmel beten. Zu jeder Zeit und in allem erfülle uns die Ehrfurcht vor der Erhabenheit des Himmels. O Gott, höchster und unumschränkter Herrscher, wir anerkennen, dass es in deinen Händen liegt zu richten, und dass alles Erbarmen aus dem göttlichen Herzen kommt. Gott ist bei uns; deshalb sind unsere Herzen ohne Furcht. Sollte in mir irgendwelche Tugend gefunden werden, dann ist sie Ausdruck des Himmels, der in mir wohnt. Aber dieser Himmel in mir stellt oft strenge Anforderungen an meinen Glauben. Da Gott bei mir ist, habe ich beschlossen, in meinem Herzen keinen Zweifel zu dulden. Der Glaube muss der Wahrheit der Dinge sehr nahe kommen, und ich verstehe nicht, wie ein Mensch ohne diesen guten Glauben leben kann. Das Gute und das Böse begegnen dem Menschen nicht ohne Grund. Der Himmel verfährt mit der Menschenseele im Einklang mit deren Zielsetzungen. Seid ihr im Unrecht, dann zögert nicht, euren Irrtum einzugestehen und eilends wieder gutzumachen. "Ein weiser Mann ist mit der Wahrheitssuche beschäftigt, und nicht bloß mit seinem Lebensunterhalt. Das Ziel des Menschen ist, die Vollkommenheit des Himmels zu erreichen. Der höhere Mensch arbeitet an seiner eigenen Einstimmung, und er ist ohne Ängstlichkeit und Furcht. Gott ist bei dir; zweifle nicht daran in deinem Herzen. Jede gute Tat hat ihre Belohnung. Der höhere Mensch begehrt nicht gegen den Himmel auf und trägt den Menschen nichts nach. Tut anderen nicht an, was ihr nicht möchtet, dass man euch antue. Lasst Erbarmen an jeder Bestrafung teilhaben; sucht auf jede Weise, die Bestrafung zu einem Segen werden zu lassen. So handelt der Große Himmel. Zwar müssen alle Geschöpfe sterben und zur Erde zurückkehren, aber der Geist des Edlen geht weiter, um sich droben zu entfalten und hinaufzusteigen zum siegreichen Licht der endgültigen Klarheit." ***** 131.10 "Unsere Religion" ***** Nach der mühsamen Arbeit an dieser Zusammenstellung der Lehren der Weltreligionen über den Vater im Paradies machte sich Ganid an die Aufgabe, das auszudrücken, was seines Erachtens die Zusammenfassung des Gottesglaubens darstellte, zu dem er durch Jesu Unterweisung gelangt war. Der junge Mann pflegte sich darauf als auf "unsere Religion" zu beziehen. Dies waren seine Aufzeichnungen: "Der Herr unser Gott ist alleiniger Herr, und ihr solltet ihn mit eurem ganzen Verstand und aus ganzem Herzen lieben und zugleich nach Kräften danach streben, alle seine Kinder zu lieben wie euch selber. Dieser einzige Gott ist unser himmlischer Vater, in welchem alles Bestand hat, und der mit seinem Geist jede aufrichtige Menschenseele bewohnt. Und wir, die Kinder Gottes, sollten lernen, ihm als einem treuen Schöpfer unsere Seelen anzuvertrauen. Bei unserem himmlischen Vater sind alle Dinge möglich. Es kann nicht anders sein, da er ja der Schöpfer aller Dinge und aller Wesen ist. Obwohl wir Gott nicht zu sehen vermögen, können wir ihn doch kennen. Und wenn wir Tag für Tag nach dem Willen des Vaters im Himmel leben, können wir ihn unseren Mitmenschen kundtun. Der göttliche Reichtum des Wesens Gottes muss unendlich tief und ewig weise sein. Wir können Gott nicht durch Kenntnisse ausfindig machen, aber ihn in unseren Herzen durch persönliche Erfahrung kennen. Mag seine Gerechtigkeit unserem Forschen auch unzugänglich sein, so kann doch seine Barmherzigkeit vom einfachsten Erdenwesen empfangen werden. Der Vater erfüllt das Universum, und zugleich lebt er auch in unseren Herzen. Der Verstand des Menschen ist menschlich und sterblich, aber sein Geist ist göttlich und unsterblich. Gott ist nicht nur allmächtig, sondern auch allweise. Wenn schon unsere irdischen Eltern trotz ihrer Veranlagung zum Üblen wissen, wie sie ihre Kinder lieben und ihnen gute Dinge schenken können, um wieviel besser muss es dann der gute Vater im Himmel verstehen, seine Kinder auf Erden mit Weisheit zu lieben und ihnen angemessene Segnungen zuteil werden zu lassen. Der Vater im Himmel wird nicht dulden, dass ein einziges Kind auf Erden zugrunde geht, wenn dieses Kind den Wunsch hat, den Vater zu finden und sich aufrichtig danach sehnt, ihm zu gleichen. Unser Vater liebt sogar die Gottlosen und ist immer freundlich zu den Undankbaren. Wenn nur mehr Menschenwesen von Gottes Güte erfahren könnten, würden sie bestimmt veranlasst, ihr übles Tun zu bereuen und von aller bewussten Sünde abzulassen. Alles Gute steigt vom Vater des Lichts herab, in welchem es weder Veränderung noch eine Spur von Wechsel gibt. Der Geist des wahren Gottes ist im Herzen des Menschen. Er möchte, dass alle Menschen Brüder werden. Wenn es die Menschen nach Gott zu verlangen beginnt, ist es offensichtlich, dass Gott sie gefunden hat und dass es sie nach Wissen über ihn verlangt. Wir leben in Gott und Gott wohnt in uns. Ich will mich nicht länger mit dem Glauben zufrieden geben, dass Gott der Vater meines ganzen Volkes ist; ich will fortan glauben, dass er auch mein Vater ist. Ich will stets versuchen, Gott mit Hilfe des Geistes der Wahrheit anzubeten, der mein Helfer ist, wenn ich tatsächlich die Gotteserfahrung gemacht habe. Aber vor allem will ich mich in der Anbetung Gottes üben, indem ich lerne, wie ich Gottes Willen auf Erden ausführen kann; das will heißen, dass ich mein Bestes tun werde, um jeden meiner Mitmenschen genau so zu behandeln, wie nach meiner Vorstellung Gott wünschte, dass er behandelt würde. Und wenn wir auf Erden so leben, können wir von Gott vieles erbitten, und er wird uns den Herzenswunsch eingeben, wir möchten besser ausgerüstet sein, um unseren Mitmenschen zu helfen. Und all dieses liebevolle Dienen der Kinder Gottes vergrößert unsere Fähigkeit, die Freuden des Himmels zu empfangen und die hohe Befriedigung des Wirkens des himmlischen Geistes zu erfahren. Ich will Gott jeden Tag für seine unaussprechlichen Gaben danken; ich will ihn lobpreisen für seine wundervollen Werke an den Menschenkindern. Für mich ist er der Allmächtige, der Schöpfer, die Kraft und die Barmherzigkeit, aber mehr als alles andere ist er mein geistiger Vater, und als sein Erdenkind werde ich mich eines Tages aufmachen, um ihn zu sehen. Und mein Lehrer hat gesagt, dass ich ihm gleichen werde, wenn ich nur nach ihm suche. Durch meinen Glauben an Gott bin ich zum Frieden mit ihm gelangt. Diese unsere neue Religion ist voller Freude und erzeugt ein dauerhaftes Glück. Ich vertraue darauf, treu zu bleiben bis zum Tod, und dass mir die Krone des ewigen Lebens mit Sicherheit zufallen wird. Ich lerne, alles zu prüfen und mich nur mit dem Guten zu verbünden. Was auch immer ich wünschte, die Menschen täten es für mich, das werde ich für meine Mitmenschen tun. Ich weiß, dass der Mensch durch diesen neuen Glauben ein Sohn Gottes werden kann, aber es erfüllt mich manchmal mit Schrecken, wenn ich beim Gedanken verweile, dass alle Menschen meine Brüder sind; doch muss es wahr sein. Ich sehe nicht ein, wie ich mich der Vaterschaft Gottes erfreuen kann, solange ich mich weigere, die Bruderschaft der Menschen anzunehmen. Wer auch immer den Namen Gottes anruft, wird gerettet werden. Wenn das wahr ist, müssen alle Menschen meine Brüder sein. "Von nun an will ich meine guten Werke im Verborgenen tun; ich werde auch meistens nur beten, wenn ich allein bin. Ich werde nicht urteilen, um gegen meine Mitmenschen nicht ungerecht zu sein. Ich werde nun meine Feinde lieben lernen; ich beherrsche diese Übung in der Gottähnlichkeit noch nicht wahrhaft. Obwohl ich Gott in diesen übrigen Religionen sehe, finde ich ihn doch in `unserer Religion' schöner, liebender, barmherziger, persönlicher und positiver. Aber vor allem ist dieses große und glorreiche Wesen mein geistiger Vater; und ich bin sein Kind. Und durch nichts anderes als meinen aufrichtigen Wunsch, ihm zu gleichen, werde ich ihn schließlich finden und ihm ewig dienen. Endlich habe ich eine Religion mit einem Gott, einem wunderbaren Gott, und er ist ein Gott ewigen Heils." ****** Kapitel 132 Der Aufenthalt in Rom ****** DA Gonod Grußbotschaften der indischen Fürsten an den römischen Herrscher Tiberius mitbrachte, erschienen die zwei Inder und Jesus vor ihm am dritten Tag nach ihrer Ankunft in Rom. Der mürrische Kaiser war an diesem Tag ungewöhnlich heiterer Laune und unterhielt sich lange mit den dreien. Und nachdem sie ihn verlassen hatten, bemerkte der Kaiser zum Adjutanten an seiner Rechten unter Anspielung auf Jesus: "Wenn ich die königliche Haltung und das liebenswürdige Benehmen dieses Burschen hätte, dann wäre ich wirklich ein Kaiser, nicht wahr?" In Rom hatte Ganid feste Zeiten für das Studium und den Besuch der interessanten Orte der Stadt. Sein Vater hatte viele Geschäfte abzuwickeln, und da es sein Wunsch war, seinen Sohn zu einem würdigen Nachfolger in der Führung seiner ausgedehnten Handelsinteressen heranzubilden, hielt er die Zeit für gekommen, den Jungen in die Geschäftswelt einzuführen. Es gab in Rom viele indische Staatsangehörige, und oft begleitete einer von seinen eigenen Angestellten Gonod als Dolmetscher, so dass Jesus ganze Tage zu seiner Verfügung hatte; das gab ihm Zeit, um mit dieser zwei Millionen Einwohner zählenden Stadt gründlich vertraut zu werden. Er war häufig auf dem Forum anzutreffen, dem Zentrum des politischen, gesetzlichen und geschäftlichen Lebens. Und oft stieg er zum Kapitol hinauf und sann beim Anblick dieses prachtvollen, Jupiter, Juno und Minerva geweihten Tempels über die Sklaverei der Unwissenheit nach, in der diese Römer gehalten wurden. Er brachte auch viel Zeit auf dem Palatinhügel zu, wo sich der Kaiserpalast, der Apollotempel und die griechische und lateinische Bibliothek befanden. Zu dieser Zeit schloss das Römische Reich das ganze südliche Europa, Kleinasien, Syrien, Ägypten und Nordwestafrika ein; und unter seinen Einwohnern gab es Angehörige aus jedem Land der östlichen Hemisphäre. Jesu Wunsch, sich unter diese kosmopolitische Ansammlung von Sterblichen Urantias zu mischen und sie zu studieren, war der Hauptgrund, weshalb er in diese Reise eingewilligt hatte. Jesus erfuhr in Rom vieles über die Menschen, aber die wertvollste der mannigfaltigen Erfahrungen seines sechsmonatigen Aufenthaltes in dieser Stadt war sein Kontakt mit den religiösen Führern der Hauptstadt des Kaiserreichs und sein auf sie ausgeübter Einfluss. Noch vor Ende der ersten Woche seiner Anwesenheit in Rom hatte Jesus die würdigsten Oberhäupter der Kyniker, der Stoiker und der Mysterienkulte, insbesondere der Mithras-Anhänger, ausfindig gemacht und kennen gelernt. Ob sich Jesus nun darüber im Klaren war oder nicht, dass die Juden seine Sendung ablehnen würden, sah er doch mit großer Gewissheit voraus, dass seine Sendboten sehr bald nach Rom kommen würden, um das Königreich des Himmels zu verkünden; und so schickte er sich auf die erstaunlichste Art und Weise an, ihnen den Weg für eine bessere und sicherere Aufnahme der Botschaft zu ebnen. Er wählte unter den Stoikern fünf, unter den Kynikern elf und unter den Oberhäuptern der Mysterienkulte sechzehn führende Persönlichkeiten aus und verbrachte fast sechs Monate lang einen großen Teil seiner Freizeit in enger Gemeinschaft mit diesen Religionslehrern. Seine Unterrichtsmethode bestand hierin: Nie griff er ihre Irrtümer an oder erwähnte auch nur die Schwachstellen ihrer Lehren. In jedem Fall entnahm er dem, was sie lehrten, die Wahrheit und ging dann daran, diese in ihrem Gemüt so zu verschönern und erleuchten, dass diese erweiterte Wahrheit in kürzester Zeit den damit verbundenen Irrtum verdrängte; und so waren diese von Jesus unterrichteten Männer und Frauen später vorbereitet, die zusätzlichen und verwandten Wahrheiten in den Lehren der frühen christlichen Missionare zu erkennen. Und gerade diese frühe Annahme der Lehren der Evangeliumsprediger gab der raschen Ausbreitung des Christentums in Rom und von hier aus über das ganze Kaiserreich einen machtvollen Anstoß. Die Bedeutung dieses bemerkenswerten Vorgehens kann angesichts der Tatsache besser gewürdigt werden, dass von den zweiunddreißig von Jesus in Rom unterrichteten religiösen Führern nur zwei unfruchtbar waren; die dreißig wurden zu Schlüsselfiguren im Aufbau des Christentums in Rom, und einige von ihnen halfen auch dabei, den wichtigsten mithraischen Tempel in die erste christliche Kirche der Stadt umzuwandeln. Wir, die wir die menschlichen Handlungen von den Kulissen aus und im Lichte von neunzehn Jahrhunderten betrachten, erkennen nur gerade drei Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung, die anfänglich die Vor-aussetzung für die rasche Ausbreitung des Christentums in ganz Europa schufen, nämlich: 1. Die Wahl von Simon Petrus zum Apostel und seine Beibehaltung. 2. Das Gespräch mit Stephanus in Jerusalem, dessen Tod dazu führte, dass Saulus von Tarsus gewonnen wurde. 3. Die vorgängige Vorbereitung dieser dreißig Römer auf ihre spätere Führungsrolle in der neuen Religion in Rom und im ganzen Reich. Bei allem, was sie erlebten, ahnten weder Stephanus noch die dreißig Ausgewählten je, dass sie einst mit dem Manne gesprochen hatten, dessen Name zum Gegenstand ihrer religiösen Unterweisung werden sollte. Jesu Arbeit mit den ursprünglichen Zweiunddreißig war ausschließlich persönlicher Art. In seinen Bemühungen um sie kam der Schreiber von Damaskus nie mit mehr als drei von ihnen auf einmal zusammen, selten mit mehr als zwei; aber am häufigsten unterrichtete er sie einzeln. Und er konnte dieses große Unternehmen religiöser Ausbildung nur durchführen, weil diese Männer und Frauen nicht traditionsgebunden waren; sie waren nicht Opfer fest gefügter Vorurteile hinsichtlich aller künftigen religiösen Entwicklungen. Unzählige Male hörten Petrus, Paulus und die anderen christlichen Lehrer in Rom in den so bald folgenden Jahren von diesem Schreiber aus Damaskus, der ihnen vorangegangen war und der so offensichtlich (aber ihrer Ansicht nach unbewusst) den Weg für ihr Kommen mit dem neuen Evangelium bereitet hatte. Obwohl Paulus die Identität dieses Schreibers aus Damaskus nie wirklich erahnte, gelangte er doch kurz vor seinem Tod aufgrund der Ähnlichkeit persönlicher Beschreibungen zu dem Schluss, dass der "Zeltmacher aus Antiochia" auch der "Schreiber aus Damaskus" sein musste. Als einmal Simon Petrus, als er in Rom predigte, einer Beschreibung des Schreibers aus Damaskus zuhörte, kam ihm der Gedanke, diese Person hätte Jesus sein können, aber er verwarf ihn sogleich wieder, da er (so glaubte er) genau wusste, dass der Meister nie in Rom gewesen war. ***** 132.1 Die Wahren Werte ***** Mit Angamon, dem Oberhaupt der Stoiker, sprach Jesus eine ganze Nacht lang zu Beginn seines Aufenthaltes in Rom. Dieser Mann wurde später ein enger Freund des Paulus und erwies sich als eine der stärksten Stützen der christlichen Kirche Roms. Im Wesentlichen und in heutiger Sprache ausgedrückt, lehrte Jesus Angamon Folgendes: Der Maßstab für wahre Werte muss in der geistigen Welt und auf den göttlichen Ebenen der ewigen Realität gesucht werden. Ein aufsteigender Sterblicher muss alle tieferen, materiellen Maßstäbe als vorübergehend, partiell und untergeordnet erkennen. Der Wissenschaftler als solcher ist auf die Entdeckung der Beziehungen materieller Tatsachen untereinander beschränkt. Rein technisch hat er kein Recht zu erklären, er sei Materialist oder Idealist, denn dadurch nimmt er es auf sich, die Haltung eines wahren Wissenschaftlers aufzugeben, ist doch jede derartige Stellungnahme der Wesenskern der Philosophie. Sofern das sittliche Bewusstsein und die geistigen Errungenschaften der Menschheit nicht entsprechend gesteigert werden, kann der unbeschränkte Fortschritt einer rein materialistischen Kultur schließlich zu einer Bedrohung für die Zivilisation werden. Eine rein materialistische Wissenschaft birgt in sich den Keim einer möglichen Zerstörung aller wissenschaftlichen Bestrebungen, denn eine solche Haltung kündigt den schließlichen Zusammenbruch einer Zivilisation an, die ihr Gespür für sittliche Werte verloren und sich von ihrem geistigen Ziel der Vervollkommnung abgekehrt hat. Der materialistische Wissenschaftler und der extreme Idealist sind dazu bestimmt, sich immer in den Haaren zu liegen. Das trifft aber für jene Wissenschaftler und Idealisten nicht zu, die einen gemeinsamen Maßstab hoher sittlicher Werte und geistiger Bezugsebenen haben. In jedem Zeitalter muss es den Vertretern von Wissenschaft und Religion klar sein, dass über sie vom Prüfstand menschlicher Bedürfnisse aus gerichtet wird. Sie sollen es vermeiden, sich untereinander zu befehden und tapfer danach streben, durch erhöhte Hingabe an den Dienst für den menschlichen Fortschritt ihr Fortleben nach dem Tode stets neu zu rechtfertigen. Wenn die sogenannte Wissenschaft oder Religion irgendeines Zeitalters falsch sind, dann müssen sie entweder ihre Tätigkeit einer Reinigung unterziehen oder aber untergehen, bevor eine neue materielle Wissenschaft oder geistige Religion einer wahreren und würdigeren Art aufkommt. ***** 132.2 Gut und Böse ***** Mardus war der anerkannte Führer der Kyniker Roms, und er wurde ein enger Freund des Schreibers von Damaskus. Tag für Tag unterhielt er sich mit Jesus, und Abend für Abend hörte er seinen göttlichen Unterweisungen zu. Unter den wichtigeren Gesprächen mit Mardus war eines, das die Frage dieses aufrichtigen Kynikers nach Gut und Böse beantwortete. Im Wesentlichen und in der Sprache des zwanzigsten Jahrhunderts ausgedrückt, sagte Jesus: Mein Bruder, gut und böse sind nur Worte, die relative Ebenen menschlichen Verständnisses des beobachtbaren Universums symbolisieren. Wer ethisch träge und sozial gleichgültig ist, kann die gängigen gesellschaftlichen Sitten zum Maßstab des Guten nehmen. Wer geistig indolent und sittlich stagnierend ist, mag die religiösen Gebräuche und Traditionen seiner Zeitgenossen zu seinen Richtlinien des Guten machen. Aber die Seele, die die Zeit überlebt und in die Ewigkeit eingeht, muss eine lebendige und persönliche Wahl zwischen Gut und Böse treffen. Beide werden bestimmt durch die wahren Werte geistiger Maßstäbe, festgelegt durch den göttlichen Geist, den der himmlische Vater ausgesandt hat, um in den Herzen der Menschen zu wohnen. Dieser innere Geist ist das Kriterium für das Fortleben der Persönlichkeit. Das Gute ist wie die Wahrheit immer relativ und steht unfehlbar im Gegensatz zum Üblen. Gerade das Erkennen der Eigenschaften des Guten und der Wahrheit ermöglicht es den sich höher entwickelnden Seelen der Menschen, beim Wählen jene persönlichen Entscheidungen zu treffen, die für das ewige Fortleben wesentlich sind. Das geistig blinde Individuum, das logischerweise dem Diktat der Wissenschaft, den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und religiösen Dogmen folgt, steht in ernster Gefahr, seine sittliche Freiheit zu opfern und seine geistige Unabhängigkeit zu verlieren. Eine solche Seele ist dazu bestimmt, ein intellektueller Papagei, ein gesellschaftlicher Automat und ein Sklave der religiösen Autorität zu werden. Das Gute erhebt sich immer zu neuen Ebenen zunehmender Freiheit in sittlicher Selbstverwirklichung und geistigem Fortschritt der Persönlichkeit - zur Entdeckung des innewohnenden Justierers und zur Identifikation mit ihm. Eine Erfahrung ist gut, wenn sie die Wertschätzung für das Schöne verstärkt, das sittliche Wollen steigert, die Erkenntnis der Wahrheit vertieft, die Fähigkeit, seine Mitmenschen zu lieben und ihnen zu dienen, vergrößert, die geistigen Ideale beflügelt und die höchsten menschlichen und zeitgebundenen Beweggründe und die ewigen Pläne des innewohnenden Justierers eint. All dies führt geradewegs zu dem verstärkten Wunsch, den Willen des Vaters zu tun, und nährt die göttliche Leidenschaft, Gott zu finden und ihm ähnlicher zu werden. Während eures Aufstiegs auf der universellen Entwicklungsleiter der Geschöpfe werdet ihr feststellen, dass das Gute zu- und das Üble abnehmen wird in vollkommener Übereinstimmung mit eurer Fähigkeit, das Gute zu erleben und die Wahrheit zu erkennen. Die Möglichkeit, im Irrtum zu verharren oder die Erfahrung des Üblen zu machen, wird nicht völlig verschwinden, bevor die aufsteigende menschliche Seele die endgültigen Geistesebenen erreicht hat. Das Gute ist lebendig, relativ, stets im Fortschritt begriffen, ohne Ausnahme eine persönliche Erfahrung und steht auf ewig in Beziehung zur Erkenntnis von Wahrheit und Schönheit. Man findet das Gute durch die Erkenntnis der positiven Wahrheitswerte der geistigen Ebene. Diese Werte müssen in der menschlichen Erfahrung einen Kontrast in ihrem negativen Gegenstück finden, in den Schatten des potentiell Üblen. Bis ihr die Ebenen des Paradieses erreicht habt, bleibt das Gute immer mehr Suche als Besitz, mehr Ziel als Erfahrung von Erreichtem. Aber auch während euch nach Rechtschaffenheit hungert und dürstet, erfahrt ihr in der teilweisen Erlangung des Guten wachsende Befriedigung. Die Gegenwart von Gut und Böse in der Welt ist in sich ein positiver Beweis für die Existenz und Realität des sittlichen Wollens des Menschen und seiner Persönlichkeit, die diese Werte erkennt und auch fähig ist, zwischen ihnen zu wählen. Wenn die aufsteigenden Sterblichen das Paradies erreichen, hat ihre Fähigkeit, das Selbst mit den wahren Geisteswerten zu identifizieren, so sehr zugenommen, dass sie die Vollkommenheit im Besitz des Lichts des Lebens erlangen. Eine solche vervollkommnete geistige Persönlichkeit wird auf göttliche und geistige Weise mit den positiven und höchsten Eigenschaften des Guten, Schönen und Wahren so ganz und gar eins, dass für diesen rechtschaffenen Geist keine Möglichkeit mehr besteht, den geringsten negativen Schatten potentieller Schlechtigkeit zu werfen, wenn er der forschenden Helle des göttlichen Lichts der unendlichen Gebieter des Paradieses ausgesetzt wird. In allen derartig vergeistigten Persönlichkeiten ist die Güte nicht mehr partiell, kontrastierend und relativ; sie ist vollkommen göttlich geworden und voll des Geistes; sie nähert sich der Reinheit und Vollkommenheit des Supremen. Die Möglichkeit des Üblen ist bei jeder sittlichen Entscheidung notwendig, nicht aber seine Verwirklichung. Ein Schatten ist nur relativ wirklich. Das verwirklichte Übel ist nicht notwendig als persönliche Erfahrung. Das potentielle Übel hat eine ebenso gute Wirkung als Entscheidungsstimulus in den Bereichen sittlichen Fortschritts auf den niedrigeren Ebenen geistiger Entwicklung. Das Üble wird nur dann zu einer Realität der persönlichen Erfahrung, wenn ein sittlicher Verstand sich dafür entscheidet. ***** 132.3 Wahrheit und Glaube ***** Nabon war ein griechischer Jude und führend unter den Leitern des wichtigsten Mysterienkults Roms, des mithraischen. Dieser Hohepriester des Mithraismus hatte viele Unterredungen mit dem Schreiber aus Damaskus, aber am nachhaltigsten beeindruckte ihn eines Abends ihre Diskussion über Wahrheit und Glauben. Nabon hatte daran gedacht, Jesus zu bekehren und ihm sogar vorgeschlagen, als Mithraslehrer nach Palästina zurückzukehren. Fern lag ihm der Gedanke, dass Jesus ihn darauf vorbereitete, sich als einer der ersten zum Evangelium des Königreichs zu bekehren. In moderner Ausdrucksweise neu formuliert, sagte Jesus im Wesentlichen Folgendes: Die Wahrheit kann nicht mit Worten definiert werden, sondern nur, indem man sie lebt. Wahrheit ist immer mehr als Kenntnis. Die Kenntnis bezieht sich auf beobachtete Dinge, aber die Wahrheit überschreitet solche rein materiellen Ebenen, indem sie sich der Weisheit zugesellt und so unwägbare Dinge wie menschliche Erfahrung und sogar geistige und lebendige Realitäten umfasst. Das Wissen entstammt der Wissenschaft; die Weisheit wahrer Philosophie; die Wahrheit der religiösen Erfahrung geistigen Lebens. Das Wissen beschäftigt sich mit Tatsachen; die Weisheit mit Beziehungen, die Wahrheit mit Werten der Realität. Der Mensch neigt dazu, die Wissenschaft zu konkretisieren, die Philosophie zu formulieren und die Wahrheit in Dogmen zu fassen, weil sein Denken träge ist in der Anpassung an die fortgesetzten Existenzkämpfe und auch, weil er fürchterliche Angst vor dem Unbekannten hat. Nur langsam ändert der natürliche Mensch seine Denkgewohnheiten und Lebenstechniken. Offenbarte Wahrheit, persönlich entdeckte Wahrheit ist das höchste Entzücken der menschlichen Seele; sie ist die gemeinsame Schöpfung des materiellen Verstandes und des innewohnenden Geistes. Das ewige Heil der die Wahrheit erkennenden und die Schönheit liebenden Seele wird durch dieses Hungern und Dürsten nach dem Guten gewährleistet, welches den Sterblichen dahin bringt, mehr und mehr dem einzigen Ziel zu leben, den Willen des Vaters zu tun, Gott zu finden und ihm ähnlich zu werden. Nie gibt es einen Konflikt zwischen wahrem Wissen und Wahrheit. Konflikte kann es geben zwischen Wissen und dem, woran der Mensch glaubt - seinen Anschauungen, die, von Vorurteilen getönt und durch Angst verzerrt, von der großen Furcht beherrscht werden, mit neuen Tatsachen materieller Entdeckungen oder geistigen Fortschritts konfrontiert zu werden. Aber ohne die Ausübung des Glaubens kann Wahrheit nie menschlicher Besitz werden. Das ist wahr, weil die Gedanken des Menschen, seine Weisheit, Ethik und Ideale nie höher reichen werden als sein Glaube, seine erhabenste Hoffnung. Und ein solcher wahrer Glaube fußt ganz und gar auf tiefem Nachdenken, aufrichtiger Selbstkritik und kompromisslosem sittlichem Bewusstsein. Glaube ist die Inspiration der vergeistigten schöpferischen Vorstellungskraft. Der Glaube bewirkt die Befreiung der übermenschlichen Tätigkeiten des göttlichen Funkens, des unsterblichen Keims, der dem menschlichen Verstand innewohnt und das Potential des ewigen Lebens darstellt. Die Pflanzen und die Tiere überleben in der Zeit durch die Technik der Weitergabe identischer Partikel ihrer selbst von einer Generation zur anderen. Die menschliche Seele (die Persönlichkeit des Menschen) überlebt den irdischen Tod durch die enge Verbindung ihrer Identität mit dem ihr innewohnenden Funken der Göttlichkeit, der unsterblich ist und die Aufgabe hat, die menschliche Persönlichkeit auf einer folgenden, höheren Ebene progressiven Daseins im Universum fortbestehen zu lassen. Der verborgene Keim in der menschlichen Seele ist ein unsterblicher Geist. Die zweite Generation der Seele ist die erste einer Abfolge von Erscheinungsformen der Persönlichkeit in geistigen und immer höheren Existenzen, die erst dann ihren Abschluss findet, wenn diese göttliche Wesenheit die Quelle ihrer Existenz, die persönliche Quelle aller Existenz, Gott, den Universalen Vater, erreicht. Das menschliche Leben dauert fort - lebt fort - weil es im Universum eine Funktion hat, nämlich die Aufgabe, Gott zu finden. Die durch den Glauben aktivierte Seele des Menschen kann nicht eher anhalten, als bis sie dieses Ziel ihrer Bestimmung erreicht hat; und wenn sie dieses göttliche Ziel einmal erreicht hat, kann sie nie mehr ein Ende nehmen, da sie wie Gott geworden ist - ewig. Geistige Evolution ist eine Erfahrung zunehmender und freier Wahl des Guten, die mit einer analogen fortwährenden Abnahme der Möglichkeit für das Üble einhergeht. Mit der Erlangung der Endgültigkeit in der Wahl des Guten und mit der voll entwickelten Fähigkeit, die Wahrheit zu würdigen, entsteht eine Vollkommenheit an Schönheit und Heiligkeit, deren Rechtschaffenheit für immer die Möglichkeit des Auftauchens auch nur der Vorstellung des potentiell Üblen verhindert. Eine solche Gott kennende Seele wirft keinen Schatten, der von ihrer Unschlüssigkeit zwischen Gut und Böse herrührte, wenn sie auf einer so hohen Geistesebene göttlicher Güte wirkt. Für jede Seele, die danach strebt, mit dem unsterblichen, ihr innewohnenden Geistesfragment des Universalen Vaters identisch zu werden, bedeutet die Gegenwart des Paradies-Geistes im menschlichen Verstand das Versprechen der Offenbarung und die feste Gewähr für eine ewige Existenz göttlichen Fortschritts. Der Fortschritt im Universum ist durch wachsende Freiheit der Persönlichkeit charakterisiert, da er einhergeht mit dem fortschreitenden Erreichen immer höherer Ebenen des Selbstverständnisses und der daraus hervorgehenden willentlichen Selbstbeherrschung. Das Erreichen der vollendeten geistigen Selbstbeherrschung ist gleichbedeutend mit vollkommener Freiheit im Universum und vollkommener persönlicher Freiheit. Der Glaube nährt und stützt die menschliche Seele inmitten der Verwirrung ihrer frühen Orientierungsversuche in einem so riesigen Universum, während das Gebet zum großen Einiger wird zwischen den verschiedenen Inspirationen der schöpferischen Vorstellungskraft und dem vorwärtstreibenden Glauben einer Seele, die versucht, sich mit den Geistidealen der ihr innewohnenden und zugeordneten göttlichen Gegenwart zu identifizieren. Zutiefst beeindruckten Nabon diese Worte ebenso wie alle anderen Gespräche mit Jesus. Diese Wahrheiten hörten nicht auf, in seinem Herzen zu brennen, und er war den später auftretenden Predigern des Evangeliums Jesu eine große Hilfe. ***** 132.4 Persönlicher Zuspruch ***** Jesus widmete während seines Romaufenthaltes nicht alle seine freie Zeit der Aufgabe, Männer und Frauen darauf vorzubereiten, künftige Jünger des kommenden Königreichs zu werden. Er verbrachte viel Zeit damit, eine gründliche Kenntnis aller Menschenrassen und -klassen zu erwerben, die in dieser größten und kosmopolitischsten Stadt der Welt lebten. Bei jedem dieser zahlreichen Kontakte mit Menschen verfolgte Jesus eine doppelte Absicht: Er wünschte, ihre Reaktionen auf das Leben, das sie als Menschen führten, kennen zu lernen, und er beabsichtigte auch, etwas zu sagen oder zu tun, was dieses Leben reicher und lebenswerter machen würde. Seine religiösen Unterweisungen während dieser Wochen unterschieden sich nicht von jenen, die sein späteres Leben als Lehrer der Zwölf und als Prediger vor der Menge charakterisierten. Der Schwerpunkt seiner Botschaft war immer: die Tatsache der Liebe des himmlischen Vaters und die Wahrheit seiner Barmherzigkeit zusammen mit der frohen Nachricht, dass der Mensch ein Glaubenssohn dieses Gottes der Liebe ist. Jesu übliche Technik im gesellschaftlichen Umgang bestand darin, die Leute durch Fragen aus sich herauszulocken und in ein Gespräch mit ihm zu ziehen. Die Unterhaltung begann meistens damit, dass er ihnen Fragen stellte, und endete damit, dass sie ihm Fragen stellten. Er war ein ebenso meisterhafter Lehrer im Stellen wie im Beantworten von Fragen. In der Regel lehrte er jene am meisten, zu denen er am wenigsten sagte. Diejenigen, die aus seiner persönlichen Zuwendung den größten Gewinn zogen, waren überlastete, ängstliche und niedergeschlagene Sterbliche, denen die Gelegenheit, ihr Herz vor einem mitfühlenden und verstehenden Zuhörer - und Jesus war all das und mehr - auszuschütten, eine große Wohltat bedeutete. Und nachdem diese unausgeglichenen menschlichen Wesen ihm ihre Nöte erzählt hatten, war er immer in der Lage, praktische und unmittelbar hilfreiche Anregungen zur Behebung ihrer wirklichen Schwierigkeiten zu geben. Dabei versäumte er es nie, Worte augenblicklicher Ermutigung und sofortigen Trostes zu sagen. Und ausnahmslos pflegte er zu diesen Betrübten über die Liebe Gottes zu sprechen und sie durch verschiedene Methoden davon in Kenntnis zu setzen, dass sie die Kinder dieses liebenden Vaters im Himmel seien. Auf diese Weise kam Jesus während seines Romaufenthaltes persönlich mit über fünfhundert irdischen Sterblichen in liebevollen und ermutigenden Kontakt. Er gelangte dadurch zu einer Kenntnis der verschiedenen menschlichen Rassen, die er in Jerusalem nie und auch in Alexandria kaum je hätte erwerben können. Er betrachtete diese sechs Monate stets als einen der fruchtbarsten und aufschlussreichsten Abschnitte seines irdischen Lebens. Wie zu erwarten war, konnte ein so vielseitiger und dynamischer Mann nicht sechs Monate lang in der Metropole der Welt in dieser Weise wirken, ohne dass zahlreiche Personen an ihn herangetreten wären, die seine Dienste in Anspruch nehmen wollten, sei es für ein Geschäft, oder - häufiger - für ein Unterrichtsprojekt, eine soziale Reform oder eine religiöse Bewegung. Es wurden ihm mehr als ein Dutzend solcher Angebote gemacht, und jedes nutzte er als Gelegenheit, einen geistig veredelnden Gedanken durch wohlüberlegte Worte oder eine Gefälligkeit zu übermitteln. Jesus liebte es sehr, für alle möglichen Menschen etwas, und seien es auch nur ganz kleine Dinge, zu tun. Mit einem römischen Senator sprach er über Politik und Staatskunst, und dieser einzige Kontakt mit Jesus machte auf diesen Gesetzgeber einen solchen Eindruck, dass er den Rest seines Lebens mit vergeblichen Versuchen verbrachte, seine Kollegen zu einem Kurswechsel in der herrschenden Politik zu bewegen und die Idee von der Regierung, die das Volk trägt und ernährt, durch jene vom Volk, das die Regierung trägt, zu ersetzen. Einen Abend verbrachte Jesus mit einem reichen Sklavenhalter und sprach dabei über den Menschen als einen Sohn Gottes. Am nächsten Tag schenkte dieser Klaudius hundertsiebzehn Sklaven die Freiheit. Während eines Abendessens bei einem griechischen Arzt sprach Jesus darüber, dass dessen Patienten nicht nur einen Körper, sondern auch einen Verstand und eine Seele besäßen. Er bewog dadurch diesen fähigen Arzt, bei seinen Mitmenschen eine weiterreichende Behandlung zu versuchen. Er sprach mit allen möglichen Leuten aus jeder sozialen Schicht. Der einzige Ort in Rom, den er nicht besuchte, waren die öffentlichen Bäder. Er weigerte sich, seine Freunde wegen der in den Bädern herrschenden sexuellen Promiskuität dahin zu begleiten. Zu einem römischen Soldaten sagte er während eines Spaziergangs entlang dem Tiber: "Dein Herz sei so mutig wie dein Arm. Wage es, Gerechtigkeit walten zu lassen, und sei großmütig genug, Gnade zu üben. Zwinge deine niedrigere Natur, deiner höheren Natur zu gehorchen, sowie du deinen Vorgesetzten gehorchst. Achte das Gute, und halte die Wahrheit hoch. Wähle das Schöne anstelle des Hässlichen. Liebe deine Mitmenschen und verlange von ganzem Herzen nach Gott, denn Gott ist dein Vater im Himmel." Zu einem Redner auf dem Forum sagte er: "Deine Beredsamkeit gefällt, deine Logik ist bewundernswert und deine Stimme angenehm, aber was du lehrst, entspricht kaum der Wahrheit. Wenn du dich doch nur an der beflügelnden Gewissheit freuen könntest, Gott als deinen geistigen Vater zu kennen, dann würdest du vielleicht die Macht deiner Rede dazu nutzen, deine Mitmenschen von den Fesseln der Finsternis und der Sklaverei der Unwissenheit zu befreien." Das war jener Markus, der Petrus in Rom predigen hörte und sein Nachfolger wurde. Als sie Simon Petrus kreuzigten, war es dieser Mann, der den römischen Verfolgern trotzte und unerschrocken mit dem Predigen des neuen Evangeliums fortfuhr. Als Jesus einem armen Mann begegnete, der fälschlicherweise angeklagt war, ging er mit ihm vor den Richter, und nachdem er eine Sondergenehmigung, zu seinen Gunsten aufzutreten, erhalten hatte, hielt er jene großartige Rede, in deren Verlauf er sagte: "Die Gerechtigkeit macht eine Nation groß, und je größer die Nation ist, umso eifriger wird sie darum bemüht sein, dass auch dem einfachsten Bürger keine Ungerechtigkeit widerfahre. Wehe einer Nation, wenn nur jene, die Geld und Einfluss besitzen, auf prompte Rechtsprechung vor ihren Gerichten zählen können! Es ist die heilige Pflicht eines Richters, den Unschuldigen freizusprechen und den Schuldigen zu bestrafen. Das Überdauern einer Nation hängt von der Unparteilichkeit, Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit seiner Gerichte ab. Die Zivilgewalt stützt sich auf die Rechtspflege wie eine wahre Religion auf die Barmherzigkeit." Der Richter rollte den Fall wieder auf, und nach sorgfältiger Prüfung des Beweismaterials sprach er den Gefangenen frei. Von allem, was Jesus in diesen Tagen persönlichen Wirkens unternahm, kam dies einem öffentlichen Auftritt am nächsten. ***** 132.5 Ratschläge für den Reichen Mann ***** Ein reicher Mann, römischer Bürger und Stoiker, begann großes Interesse für die Lehren Jesu zu bekunden, nachdem er diesen durch Angamon kennen gelernt hatte. Nach vielen vertraulichen Gesprächen fragte dieser reiche Bürger Jesus, was er mit Reichtum anfangen würde, wenn er welchen besäße, und Jesus gab ihm zur Antwort: "Ich würde materiellen Reichtum zur Anhebung des materiellen Lebens verwenden, genau so wie ich Kenntnisse, Weisheit und geistigen Dienst für die Bereicherung des intellektuellen Lebens, die Verfeinerung des gesellschaftlichen Lebens und den Fortschritt des geistigen Lebens einsetzen würde. Ich würde den materiellen Reichtum verwalten wie ein weiser und tüchtiger Treuhänder der Geldmittel einer Generation zum Nutzen und zur Veredlung der nächsten und der folgenden Generationen." Aber Jesu Antwort befriedigte den reichen Mann nicht ganz. Er erkühnte sich, abermals zu fragen: "Aber was sollte ein Mann meiner Stellung deiner Meinung nach mit seinem Reichtum tun? Sollte ich ihn behalten oder weggeben?" Und als Jesus erkannte, dass ihn wirklich nach mehr Wahrheit hinsichtlich seiner Treue gegenüber Gott und seiner Pflicht gegenüber den Menschen verlangte, führte er weiter aus: "Mein lieber Freund, ich nehme wahr, dass du aufrichtig nach Weisheit suchst und die Wahrheit ehrlich liebst; deshalb bin ich gewillt, dir meine Sicht der Lösung deiner Probleme darzulegen, Probleme, die mit der Verantwortung bei Reichtum zu tun haben. Ich tue dies, weil du um meinen Rat gebeten hast, aber wenn ich dir diesen Rat gebe, ist damit nicht der Reichtum irgendeines anderen reichen Mannes gemeint; der Rat, den ich dir gebe, ist ausschließlich für dich und deine persönliche Orientierung bestimmt. Wenn du ehrlich wünschst, deinen Besitz als ein anvertrautes Gut zu betrachten, wenn du wirklich ein weiser und fähiger Verwalter deines angesammelten Reichtums werden willst, dann würde ich dir raten, die folgende Analyse der Quellen deines Reichtums vorzunehmen: Frage dich, woher dieser Reichtum kam, und tue dein Bestes, um darauf eine ehrliche Antwort zu finden. Und als Hilfe beim Forschen nach den Quellen deines großen Vermögens würde ich dir empfehlen, dir die folgenden zehn verschiedenen Erwerbsweisen materiellen Reichtums zu vergegenwärtigen: 1. Ererbtes Vermögen - von Eltern und anderen Vorfahren stammender Reichtum. 2. Entdecktes Vermögen - Reichtum, der aus ungenutzten Schätzen von Mutter Erde stammt. 3. Vermögen aus Handel - Reichtum, der aus dem fairen Gewinn aus Tauschgeschäften mit materiellen Gütern stammt. 4. Unlauterer Reichtum - durch ungerechte Ausbeutung der Mitmenschen oder deren Versklavung erworbener Reichtum. 5. Vermögen aus Zinsen - aus den ehrlichen und gerechten Ertragsmöglichkeiten investierten Kapitals stammendes Einkommen. 6. Reichtum durch Genialität - Reichtum, der aus der Belohnung für schöpferische und erfinderische Leistungen des menschlichen Geistes erwächst. 7. Zufälliger Reichtum - Reichtum, der sich herleitet aus Freigebigkeit von Mitmenschen oder der seine Herkunft den Lebensumständen verdankt. 8. Gestohlener Reichtum - Reichtum, der durch Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit, Diebstahl oder Betrug erworben wurde. 9. Hinterlegte Werte - Vermögen, das dir durch Mitmenschen zu einer bestimmten augenblicklichen oder zukünftigen Verwendung übergeben worden ist. 10. Verdientes Vermögen - Reichtum, der direkt von deiner eigenen persönlichen Arbeit herrührt, der vernünftige und gerechte Lohn für den täglichen Einsatz unserer Geistes- und Körperkräfte. "Mein Freund, wenn du also vor Gott und im Dienste der Menschen ein getreuer und gerechter Verwalter deines großen Vermögens sein möchtest, dann musst du deinen Reichtum in ungefähr diese zehn wichtigen Bereiche unterteilen und dich dann daran machen, jeden Teil in Übereinstimmung mit der weisen und ehrlichen Auslegung der Gesetze der Gerechtigkeit, der Angemessenheit, der Anständigkeit und der wahren Effizienz zu verwalten. Indessen würde dich der Gott des Himmels nicht verurteilen, wenn du in zweifelhaften Situationen aus erbarmendem und selbstlosem Mitfühlen mit den Not leidenden Opfern unglücklicher Lebensumstände einen Irrtum begingest. Wenn du in wichtigen Situationen hinsichtlich Angemessenheit und Gerechtigkeit ehrliche Zweifel hast, dann fälle deine Entscheidungen zugunsten der Bedürftigen und derer, die unverdiente Not leiden." Nachdem sie mehrere Stunden lang über diese Dinge diskutiert hatten und als Antwort auf den Wunsch des reiches Mannes nach weiterer und ausführlicherer Anleitung, fuhr Jesus fort, ihm zusätzliche Ratschläge zu erteilen und sagte im Wesentlichen: "Wenn ich dir weitere Anregungen für deine Einstellung zum Reichtum gebe, möchte ich dich aber zugleich ermahnen, meinen Rat als nur für dich und deine persönliche Orientierung bestimmt entgegenzunehmen. Ich spreche nur für mich selber und zu dir als einem Freund, der mich fragt. Ich bitte dich eindringlich, für andere reiche Männer hinsichtlich ihrer Einstellung zu ihrem Reichtum nicht zu einem Diktator zu werden. Ich würde dir Folgendes raten: 1. Als Verwalter ererbten Vermögens solltest du dessen Herkunft untersuchen. Du hast die moralische Verpflichtung, die vergangene Generation in der ehrlichen Weitergabe rechtmäßigen Reichtums an die folgenden Generationen zu vertreten, nach Abzug eines angemessenen Betrags zugunsten der gegenwärtigen Generation. Aber du bist nicht verpflichtet, irgendwelche Unredlichkeit oder Ungerechtigkeit fortzusetzen, die deine Vorfahren bei der unlauteren Ansammlung von Reichtum begangen haben. Jeden Teil deines ererbten Vermögens, der erwiesenermaßen auf Betrug oder Ungerechtigkeit zurückgeht, kannst du in Übereinstimmung mit deinen Überzeugungen von Gerechtigkeit, Großzügigkeit und Wiedergutmachung ausgeben. Über den Rest deines rechtmäßigen ererbten Vermögens kannst du in angemessener Weise verfügen und ihn als Treuhänder von einer Generation zur nächsten in Sicherheit weitergeben. Weises Abwägen und ein gesundes Urteil sollten deine Entscheidungen beim Vermächtnis deiner Reichtümer an deine Nachfolger lenken. 2. Jeder, der durch eine Entdeckung reich geworden ist, sollte daran denken, dass der einzelne Mensch nur für kurze Zeit auf Erden lebt, und deshalb geeignete Vorkehrungen treffen, die größtmögliche Zahl seiner Mitmenschen an den Entdeckungen auf nützliche Weise zu beteiligen. Obwohl dem Entdecker für die Mühen der Entdeckung nicht jede Belohnung verweigert werden sollte, so dürfte er sich doch nicht anmaßen, selbstsüchtig auf alle Vorteile und Segnungen Anspruch zu erheben, die sich aus der Freilegung der natürlichen Bodenschätze ergeben. 3. Solange die Menschen es vorziehen, die Geschäfte der Welt über Handel und Tausch abzuwickeln, haben sie Anspruch auf einen angemessenen und rechtmäßigen Gewinn. Jeder Händler verdient eine Bezahlung für seine Dienste und jeder Kaufmann hat Anrecht auf sein Entgelt. Anständiges Geschäftsgebaren und die den Mitmenschen im organisierten Welthandel gewährte ehrliche Behandlung schaffen unterschiedliche Arten des Reichtums aus Gewinn, und all diese Reichtumsquellen müssen nach den höchsten Prinzipien der Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Angemessenheit beurteilt werden. Ein ehrlicher Geschäftsmann sollte nicht zögern, denselben Gewinn einzustreichen, den er seinem Geschäftspartner in einer ähnlichen Transaktion auch gerne zubilligen würde. Während diese Art Reichtum, bei der Geschäfte im großen Maßstab getätigt werden, nicht dieselbe ist wie individuell verdientes Einkommen, verleiht solch auf ehrliche Weise angehäufter Reichtum seinem Besitzer zugleich ein beträchtliches Mitspracherecht bei der späteren Verteilung. 4. Kein Sterblicher, der Gott kennt und danach trachtet, den göttlichen Willen zu tun, kann sich soweit erniedrigen, seinen Reichtum missbräuchlich einzusetzen. Kein edler Mensch wird danach streben, durch die Versklavung oder ungerechte Ausbeutung seiner Mitbrüder Reichtümer anzusammeln und dadurch Macht aufzubauen. Reichtümer sind ein moralischer Fluch und ein geistiger Schandfleck, wenn sie vom Schweiß unterdrückter Menschen stammen. Solcher Reichtum sollte den Ausgebeuteten oder ihren Kindern und Kindeskindern zurückerstattet werden. Eine dauerhafte Zivilisation kann nicht auf der Praxis aufgebaut werden, den Arbeiter um seinen Lohn zu prellen. 5. Ehrlich erworbener Reichtum hat Anrecht auf Zinsen. Solange die Menschen borgen und leihen, mögen angemessene Zinsen erhoben werden, vorausgesetzt, das geliehene Kapital war rechtmäßiger Reichtum. Reinige erst dein Kapital, bevor du Anspruch auf Zinsen erhebst. Werde nicht so klein und habgierig, dich zur Praxis des Zinswuchers zu erniedrigen. Erlaube dir nie, in deiner Selbstsucht soweit zu gehen, mit der Macht deines Geldes einen ungerechten Vorteil aus deinen sich abmühenden Mitmenschen zu ziehen. Gib nicht der Versuchung nach, von deinem Bruder in Geldnöten Wucherzinsen zu nehmen. 6. Wenn du deinen Reichtum zufälligerweise dem Höhenflug deines Genies verdankst, wenn er auf dem Entgelt von Erfindergaben beruht, dann erhebe keinen Anspruch auf einen unbilligen Anteil an solchem Entgelt. Das Genie schuldet sowohl seinen Vorfahren als auch seinen Nachkommen etwas; ebenso ist es der Rasse, der Nation und den Umständen seiner erfinderischen Entdeckungen verpflichtet; es sollte auch nicht vergessen, dass es seine Erfindungen als Mensch unter Menschen erarbeitete und ausführte. Es wäre aber gleichermaßen ungerecht, dem Genie jeden Vermögenszuwachs abzusprechen. Und es wird den Menschen nie möglich sein, Gesetze und Regelungen einzuführen, die auf all diese Probleme der gerechten Verteilung des Reichtums in gleicher Weise anwendbar sind. Vor allen Dingen musst du den Menschen als deinen Bruder ansehen, und wenn du aufrichtig danach strebst, an ihm zu handeln, wie du möchtest, dass er an dir handle, dann werden dich die üblichen Gebote von Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Anständigkeit bei der gerechten und unvoreingenommenen Lösung jedes wiederkehrenden Problems wirtschaftlicher Entlöhnung und sozialer Gerechtigkeit leiten. 7. Niemand sollte persönlichen Anspruch auf jenen Reichtum geltend machen, der ihm durch Zeit- und Glücksumstände zugefallen ist, abgesehen von der gerechten und legitimen Vergütung für dessen Verwaltung. Zufällige Reichtümer sollten in gewissem Sinne wie ein anvertrautes Gut betrachtet werden, das zum Nutzen der sozialen oder wirtschaftlichen Gruppe, der man angehört, ausgegeben werden sollte. Den Eigentümern solchen Reichtums sollte indessen bei der Entscheidung über die weise und nutzbringende Verteilung derart unverdienter Mittel das Hauptbestimmungsrecht zugestanden werden. Die zivilisierten Menschen werden nicht immer alles, was sie kontrollieren, als ihren persönlichen und privaten Besitz betrachten. 8. Wenn dir bekannt ist, dass irgendein Teil deines Besitzes aus Betrug stammt, wenn irgend-etwas von deinem Reichtum durch unehrliche Praktiken oder unfaire Methoden angesammelt wurde oder das Ergebnis ungerechter Behandlung deiner Mitmenschen ist, dann beeile dich, all diese unrechtmäßig erworbenen Gewinne ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückzuerstatten. Leiste vollkommenen Schadenersatz und reinige dein Vermögen so von allen unsauberen Anteilen. 9. Die treuhänderische Verwaltung des Vermögens einer Person zum Nutzen anderer ist eine ernste und heilige Verantwortung. Gefährde oder setze ein solch anvertrautes Gut nicht leichtfertig aufs Spiel. Nimm für dich selber vom Treuhandgut nur das, was jeder ehrliche Mann erlauben würde. "10. Jener Teil deines Vermögens, der der Lohn für deine eigenen geistigen und körperlichen Mühen ist, gehört wirklich dir, sofern du deine Arbeit auf anständige und gerechte Weise getan hast. Niemand kann dein Recht bestreiten, solchen Reichtum zu besitzen und nach deinem Ermessen zu gebrauchen, vorausgesetzt, dass die Ausübung dieses Rechts deinen Mitmenschen nicht schadet." Als Jesus ans Ende seiner Beratung gelangt war, erhob sich der reiche Römer von seinem Lager, wünschte Jesus eine gute Nacht und machte folgendes Versprechen: "Mein lieber Freund, ich erkenne, dass du ein Mann von großer Weisheit und Güte bist, und ab morgen werde ich beginnen, all mein Gut in Übereinstimmung mit deinen Ratschlägen zu verwalten." ***** 132.6 Soziales Wirken ***** Hier in Rom ereignete sich auch jener rührende Vorfall, bei dem der Schöpfer eines Universums mehrere Stunden damit zubrachte, einer bangen Mutter ihr verirrtes Kind zurückzubringen. Der kleine Junge war von zu Hause weggelaufen und weinte verzweifelt, als Jesus ihn fand. Jesus und Ganid waren auf dem Weg zu den Bibliotheken, aber sie setzten nun alles daran, den Knaben nach Hause zu bringen. Ganid vergaß Jesu Kommentar nie: "Weißt du, Ganid, die meisten Menschen sind wie dieses verirrte Kind. Sie bringen einen großen Teil ihrer Zeit mit angsterfülltem Weinen und kummervollem Leiden zu, obwohl sie in Wahrheit nur wenig von der rettenden Sicherheit entfernt sind, gerade wie dieses Kind, das sich gar nicht weit weg von zu Hause befand. All jene, die den Weg der Wahrheit gehen und sich der Gewissheit erfreuen, Gott zu kennen, sollten es als ein Vorrecht und nicht als eine Pflicht ansehen, ihren Mitmenschen mit Rat beizustehen, wenn diese sich bemühen, im Leben Erfüllung zu finden. Haben wir uns nicht im höchsten Maße über diesen Dienst gefreut, das Kind seiner Mutter zurückzugeben? Ebenso empfinden jene, die Menschen zur Gotteserfahrung führen, die allerhöchste Befriedigung im Dienst am Menschen." Von diesem Tag an bis an sein Lebensende hielt Ganid ständig nach verlorenen Kindern Ausschau, die er nach Hause führen könnte. Es war da auch eine Witwe mit fünf Kindern, deren Mann bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Jesus erzählte Ganid, wie er seinen eigenen Vater durch einen Unfall verloren hatte, und sie gingen mehrmals hin, um die Mutter und ihre Kinder zu trösten, und Ganid erbat sich von seinem Vater Geld für Essen und Kleidung. Sie ließen in ihren Bemühungen nicht nach, bis sie für den ältesten Sohn eine Anstellung gefunden hatten, damit er zum Familienunterhalt beitragen konnte. Als Gonod sich am Abend den Bericht dieser Erlebnisse anhörte, sagte er gutmütig zu Jesus: "Ich habe mir vorgenommen, aus meinem Sohn einen Gelehrten oder Geschäftsmann zu machen, und nun schickst du dich an, aus ihm einen Philosophen oder Philanthropen zu machen." Und Jesus antwortete lächelnd: "Vielleicht werden wir alle vier aus ihm machen; dann wird ihm im Leben eine vierfache Freude zuteil, da sein Gehör beim Vernehmen der menschlichen Melodie fähig sein wird, vier Töne statt eines einzigen wahrzunehmen." Darauf erwiderte Gonod: "Ich stelle fest, dass du wirklich ein Philosoph bist. Du musst für künftige Generationen ein Buch schreiben." Und Jesus antwortete: "Kein Buch - meine Sendung ist, in dieser Generation ein Leben für alle Generationen zu leben. Ich -" aber er hielt inne und sagte zu Ganid: "Mein Sohn, es ist Zeit, zu Bett zu gehen." ***** 132.7 Ausflüge in die Umgebung von Rom ***** Jesus, Gonod und Ganid unternahmen von Rom aus fünf Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Während ihrer Reise zu den oberitalienischen Seen führte Jesus mit Ganid ein langes Gespräch über die Unmöglichkeit, jemanden etwas über Gott lehren zu wollen, der nicht zutiefst wünscht, Gott zu kennen. Auf dem Wege zu den Seen hatten sie zufällig einen gedankenlosen Heiden getroffen, und Ganid wunderte sich darüber, dass Jesus mit diesem Mann nicht, wie es seine Gewohnheit war, eine Unterhaltung begann, die auf natürliche Weise in die Erörterung geistiger Fragen eingemündet wäre. Als Ganid seinen Lehrer fragte, warum er für diesen Heiden so wenig Interesse gezeigt hatte, gab Jesus zur Antwort: "Ganid, der Mann hatte keinen Hunger nach Wahrheit. Er war mit sich selber nicht unzufrieden. Er war nicht bereit, um Hilfe zu bitten, und sein geistiges Auge war nicht geöffnet, das Licht für die Seele zu empfangen. Dieser Mann war für die Ernte der Erlösung nicht reif; es muss ihm mehr Zeit zugestanden werden, damit er aufgrund der Prüfungen und Schwierigkeiten des Lebens zur Aufnahme von Weisheit und höherer Unterweisung bereit wird. Oder wir könnten ihm den Vater im Himmel durch unser Leben nahe bringen, wenn es ihm möglich wäre, mit uns zu leben. Er würde dann von unserer Lebensweise als Söhne Gottes so sehr angetan sein, dass er genötigt wäre, nach unserem Vater zu fragen. Man kann Gott denen nicht offenbaren, die nicht nach ihm suchen. Man kann keine Seele gegen ihren Willen den Freuden des Heils zuführen. Der Mensch muss als Ergebnis von Lebenserfahrungen nach Wahrheit verlangen oder infolge der Berührung mit solchen, die den göttlichen Vater kennen, den Wunsch haben, Gott kennen zu lernen, bevor ein anderes menschliches Wesen als Werkzeug handeln kann, einen solchen Mitmenschen zum Vater im Himmel zu führen. Wenn wir Gott kennen, besteht unsere wahre Aufgabe auf Erden darin, so zu leben, dass wir dem Vater erlauben, sich in unserem Leben zu offenbaren. So werden alle, die auf der Suche nach Gott sind, den Vater erblicken und unsere Hilfe verlangen, um mehr über den Gott zu erfahren, der sich in unserem Leben auf solche Weise ausdrückt." Während eines Abstechers in die Schweiz, in den Bergen oben, sprach Jesus einen ganzen Tag lang mit Vater und Sohn über den Buddhismus. Oft hatte Ganid an Jesus direkte Fragen über Buddha gerichtet, aber immer mehr oder weniger ausweichende Antworten erhalten. Diesmal stellte der Vater in Gegenwart des Sohnes eine gezielte Frage über Buddha und erhielt darauf eine direkte Antwort. Gonod sagte: "Ich möchte wirklich wissen, wie du über Buddha denkst." Und Jesus antwortete: "Euer Buddha war viel besser als euer Buddhismus. Buddha war ein großer Mensch und seinem Volk sogar ein Prophet, aber er war ein verwaister Prophet; damit will ich sagen, dass er schon früh seinen geistigen Vater, den Vater im Himmel, aus den Augen verlor. Seine Erfahrung war tragisch. Er versuchte, als ein Sendbote Gottes zu leben und zu lehren, aber ohne Gott. Buddha steuerte mit seinem Heilsschiff geradewegs dem sicheren Hafen, geradewegs dem Hafeneingang der Rettung der Sterblichen zu, und hier lief das Schiff wegen fehlerhafter Seekarten auf Grund. Dort hat es seit vielen Generationen gelegen, regungslos und fast hoffnungslos gestrandet. Und viele eurer Landsleute sind all diese Jahre darauf geblieben. Sie leben in Rufweite der sicheren Wasser der Ruhe, aber sie weigern sich hineinzufahren, weil das edle Schiff des guten Buddha das Unglück hatte, dicht vor dem Hafen zu stranden. Und die Buddhisten werden nie in diesen Hafen einlaufen, es sei denn, sie verlassen das philosophische Schiff ihres Propheten und erfassen seinen edlen Geist. Wäre euer Volk dem Geist Buddhas treu geblieben, hättet ihr seit langer Zeit euren Hafen des Geistesfriedens, der Seelenruhe und der Gewissheit der Erlösung erreicht. "Siehst du, Gonod, Buddha kannte Gott im Geist, aber es misslang ihm, ihn mit dem Verstand klar zu entdecken; die Juden entdeckten Gott mit dem Verstand, aber waren weitgehend außerstande, ihn im Geiste zu kennen. Heute tappen die Buddhisten in einer Philosophie ohne Gott herum, während meine Landsleute auf erbärmliche Weise von der Furcht vor einem Gott ohne eine rettende Philosophie des Lebens und der Freiheit beherrscht werden. Ihr habt eine Philosophie ohne Gott; die Juden haben einen Gott, ermangeln aber weitgehend einer darauf bezogenen Lebensphilosophie. Da Buddha Gott nicht als einen Geist und einen Vater zu sehen vermochte, war er auch nicht in der Lage, seiner Lehre die sittliche Energie und die treibende geistige Kraft zu geben, die eine Religion besitzen muss, wenn sie eine Rasse verändern und eine Nation veredeln soll." Da rief Ganid aus: "Mein Lehrer, machen wir zusammen, du und ich, eine neue Religion, gut genug für Indien und groß genug für Rom, und vielleicht können wir sie auch den Juden im Tausch gegen Jahve anbieten." Und Jesus erwiderte: "Ganid, Religionen werden nicht gemacht. Die Religionen der Menschen entwickeln sich über lange Perioden, während die Offenbarungen Gottes auf Erden im Leben derer kurz aufflammen, die ihren Zeitgenossen Gott offenbaren." Aber sie verstanden diese prophetischen Worte nicht. Nachdem sie sich an diesem Abend zur Ruhe gelegt hatten, konnte Ganid nicht schlafen. Er sprach lange mit seinem Vater und sagte endlich: "Weißt du, Vater, manchmal denke ich, Josua ist ein Prophet." Worauf sein Vater bloß schläfrig zurückgab: "Mein Sohn, es gibt noch andere -" Von diesem Tag an und für den Rest seines irdischen Lebens hörte Ganid nicht auf, eine eigene Religion zu entwickeln. Jesu liberale Gesinnung, seine Gerechtigkeit und Toleranz bewegten sein Gemüt mächtig. Bei all ihren Gesprächen über Philosophie und Religion hatte dieser junge Mann nie Gefühle des Unmuts oder Reaktionen des Widerstandes. Was für ein Schauspiel bot sich da den Blicken der himmlischen Intelligenzen, als der indische Bursche dem Schöpfer eines Universums vorschlug, eine neue Religion zu gründen! Und obwohl der junge Mann es nicht wusste, gründeten sie genau dann und dort eine neue und ewige Religion - diesen neuen Weg der Errettung, die Offenbarung Gottes an die Menschen durch und in Jesus. Wonach den jungen Burschen am meisten verlangte, tat er in Wirklichkeit bereits unbewusst. Und es war und ist immer so. Das, was die erleuchtete und überlegende menschliche Vorstellungskraft an geistigen Lehren und geistiger Führerschaft ersinnt und von ganzem Herzen selbstlos ausführen und sein will, das wird in messbarer Weise schöpferisch gemäß dem Bereitschaftsgrad des Sterblichen, den göttlichen Willen des Vaters zu tun. Wenn der Mensch sich auf eine Partnerschaft mit Gott einlässt, können große Dinge geschehen und geschehen auch tatsächlich. ****** Kapitel 133 Die Rückkehr von Rom ****** BEIM Verlassen Roms nahm Jesus von keinem seiner Freunde Abschied. Der Schreiber aus Damaskus erschien in Rom unangemeldet und ebenso verschwand er wieder. Ein volles Jahr verstrich, bis alle, die ihn kannten und liebten, die Hoffnung aufgaben, ihn wieder zu sehen. Vor Ablauf des zweiten Jahres verspürten kleine Gruppen derer, die ihn gekannt hatten, das Bedürfnis, einander zu treffen aufgrund ihres gemeinsamen Interesses an seinen Lehren und in Erinnerung an die guten mit ihm verbrachten Stunden. Und diese kleinen Gruppen von Stoikern, Kynikern und Anhängern der Mysterienkulte trafen sich weiterhin bei unregelmäßigen und zwanglosen Zusammenkünften, bis zu der Zeit, da die ersten Prediger der christlichen Religion in Rom erschienen. Gonod und Ganid hatten in Alexandria und Rom so viele Dinge eingekauft, dass sie all ihre Habe mit einer Tragtierkolonne nach Tarent vorausschickten, während die drei Reisenden auf der großen Via Appia gemütlich Italien durchquerten. Auf dieser Reise begegneten sie allen Arten menschlicher Wesen. Viele vornehme römische Bürger und griechische Siedler lebten entlang dieser Straße, aber es erschienen auch schon die Nachkommen einer großen Zahl tieferstehender Sklaven. Eines Tages während der Mittagsrast, ungefähr auf halbem Wege nach Tarent, fragte Ganid Jesus rundheraus, was er vom indischen Kastensystem halte. Jesus sprach: "Obwohl sich die menschlichen Wesen in vieler Hinsicht voneinander unterscheiden, sind vor Gott und in der geistigen Welt alle Sterblichen gleichgestellt. In den Augen Gottes gibt es nur zwei Gruppen von Sterblichen: diejenigen, die den Willen Gottes zu tun wünschen, und jene, die diesen Wunsch nicht haben. Wenn das Universum eine bewohnte Welt betrachtet, dann stellt es ebenso zwei große Klassen fest: jene, die Gott kennen, und jene, die ihn nicht kennen. Diejenigen, die Gott nicht kennen können, werden zu den Tieren irgendeiner bestimmten Welt gerechnet. Die Menschheit kann nach unterschiedlichen Kriterien auf passende Weise in viele Klassen eingeteilt werden, je nachdem, ob man sie vom physischen, mentalen, sozialen, berufsmäßigen oder sittlichen Standpunkt aus betrachtet. Aber wenn diese verschiedenen Klassen von Sterblichen vor dem Gericht Gottes erscheinen, sind sie alle gleichgestellt; Gott handelt wahrhaft ohne Ansehen der Person. Obwohl ihr nicht darum herumkommt, unterschiedliche menschliche Fähigkeiten und Begabungen auf intellektuellem, sozialem und sittlichem Gebiet festzustellen, solltet ihr in der geistigen Bruderschaft der Menschen keine derartigen Unterschiede machen, wenn ihr euch zur Anbetung in der Gegenwart Gottes versammelt." ***** 133.1 Barmherzigkeit und Gerechtigkeit ***** Ein sehr interessanter Vorfall ereignete sich eines Nachmittags am Straßenrand, als sie sich Tarent näherten. Sie beobachteten, wie ein grober und roher Junge sich brutal über einen kleineren Knaben hermachte. Jesus eilte dem überfallenen Jungen zu Hilfe, und als er ihn befreit hatte, hielt er den Angreifer so lange fest, bis der jüngere Knabe das Weite gesucht hatte. In dem Augenblick, als Jesus den kleinen Rohling freiließ, stürzte sich Ganid auf den Jungen und begann, ihn kräftig zu verprügeln. Aber zu Ganids Verblüffung trat Jesus rasch dazwischen. Nachdem er Ganid Einhalt geboten und dem erschreckten Knaben zu fliehen erlaubt hatte, rief der junge Mann, sobald er wieder zu Atem gekommen war, erregt aus: "Ich kann dich nicht verstehen, mein Lehrer. Wenn die Barmherzigkeit gebietet, dem kleineren Knaben zu Hilfe zu eilen, verlangt dann nicht die Gerechtigkeit die Bestrafung des größeren und übel handelnden Jungen?" Jesus gab darauf zur Antwort: "Wahrhaftig, Ganid, du begreifst nicht. Die Ausübung der Barmherzigkeit geschieht immer durch Einzelpersonen, aber die Bestrafung gemäß der Gerechtigkeit obliegt administrativen Gruppen auf sozialer, Regierungs- oder Universumsebene. Als Einzelperson bin ich gehalten, Barmherzigkeit zu üben; ich muss dem angegriffenen Knaben zu Hilfe eilen, und folgerichtig darf ich hinreichend Gewalt anwenden, um den Angreifer abzuhalten. Gerade das habe ich getan. Ich habe den angegriffenen Knaben befreit, und damit war der Dienst der Barmherzigkeit erfüllt. Dann habe ich den Angreifer genügend lange zurückgehalten, um dem schwächeren an der Auseinandersetzung Beteiligten die Flucht zu ermöglichen, worauf ich mich aus der Angelegenheit zurückgezogen habe. Ich habe über den Angreifer nicht zu Gericht gesessen, um über seinen Beweggrund ein Urteil zu fällen, - um über alles, was in dem Angriff auf seinen Kameraden eine Rolle spielte, zu urteilen - und dann zur Vollstreckung der Strafe zu schreiten, die mir mein Verstand als gerechte Vergeltung für seine Missetat eingegeben hätte. Ganid, Barmherzigkeit kann verschwenderisch sein, aber Gerechtigkeit ist präzise. Kannst du nicht erkennen, wie unwahrscheinlich es ist, dass zwei Personen bezüglich der Strafe, die den Anforderungen der Gerechtigkeit genügt, einer Meinung sind? Die eine würde vierzig, die andere zwanzig Peitschenhiebe auferlegen, während noch eine weitere die Einzelhaft als gerechte Bestrafung anriete. Siehst du nicht, dass in dieser Welt solche Verantwortung besser in den Händen einer Gruppe ruht oder von gewählten Vertretern dieser Gruppe wahrgenommen wird? Im Universum liegt die Urteilsfällung bei jenen, die alles über die Vorgeschichte sowie die Beweggründe jeder Übeltat wissen. In einer zivilisierten Gesellschaft und in einem organisierten Universum setzt die Rechtsprechung das Fällen gerechter, auf unparteiischer Entscheidung beruhender Gerichtsurteile voraus. Mit diesen Privilegien sind der Richterstand der Welten und die allwissenden Verwalter der höheren Universen der ganzen Schöpfung ausgestattet." Tagelang unterhielten sie sich über dieses Problem der Ausübung der Barmherzigkeit und der Anwendung des Rechts. Und Ganid begriff wenigstens bis zu einem gewissen Grad, wieso Jesus nicht persönlich kämpfen wollte. Aber er stellte noch eine letzte Frage, auf die er nie eine gänzlich befriedigende Antwort erhielt; und diese Frage lautete: "Aber was würdest du tun, mein Lehrer, wenn ein stärkeres und bösartiges Geschöpf dich angriffe und dich zu vernichten drohte? Würdest du nichts zu deiner Verteidigung unternehmen?" Obwohl Jesus die Frage des Jungen nicht erschöpfend und zufrieden stellend beantworten konnte, weil er ihm nicht eröffnen wollte, dass er hier auf Erden für ein ganzes zuschauendes Universum lebte, um die Liebe des Paradies-Vaters zu veranschaulichen, sagte er dennoch dieses: "Ganid, ich kann gut verstehen, dass einige dieser Probleme dich ratlos machen, und ich will mich bemühen, deine Frage zu beantworten. Bei jedem gegen mich unternommenen Angriff würde ich zuallererst feststellen, ob der Angreifer ein Sohn Gottes - mein Bruder im Fleisch - ist, oder nicht. Käme ich zum Schluss, dieses Geschöpf besitze weder sittliches Urteilsvermögen noch geistige Vernunft, dann würde ich mich ohne zu zögern verteidigen unter Einsatz meiner ganzen Widerstandskraft und ohne Rücksicht auf die Folgen für den Angreifer. Aber ich würde nie in dieser Weise gegen einen Mitmenschen Gewalt anwenden, der Sohnesrang besitzt, nicht einmal zur Selbstverteidigung. Das heißt, ich würde ihn nicht im Voraus und ohne Urteilsspruch für seinen Angriff auf mich bestrafen. Ich würde mit allen möglichen Kunstgriffen versuchen, ihn zu hindern und von einem solchen Angriff abzubringen oder diesen abzuschwächen, sollte es mir misslingen, ihn abzuwenden. Ganid, ich habe ein absolutes Vertrauen in die unbedingte Fürsorge meines himmlischen Vaters; ich tue mit ganzer Hingabe den Willen meines Vaters im Himmel. Ich glaube nicht, dass mir je wirkliches Unglück zustoßen könnte; ich glaube nicht, dass mein Lebenswerk durch irgendetwas, das mir meine Feinde antun möchten, wirklich in Frage gestellt werden könnte, und ganz bestimmt haben wir vonseiten unserer Freunde keine Gewalt zu befürchten. Ich bin absolut sicher, dass das ganze Universum mir freundlich gesinnt ist - in vollkommenem Vertrauen bleibe ich beharrlich in dem Glauben an diese allmächtige Wahrheit trotz allem, was dagegen zu sprechen scheint." Aber Ganid war noch nicht ganz zufrieden. Oft sprachen sie über diese Dinge, und Jesus erzählte ihm einige Erlebnisse aus seinen Knabenjahren, und auch von Jakob, dem Sohn des Steinmetzen. Als Ganid hörte, wie Jakob sich selbst zum Verteidiger Jesu ernannt hatte, sagte er: "Oh! Ich beginne zu begreifen! Erst einmal würde sich wohl kaum ein normales menschliches Wesen finden, um eine so freundliche Person wie dich anzugreifen, und selbst, wenn jemand so gedankenlos wäre, es zu tun, wäre da mit großer Sicherheit jemand anders zur Stelle, um dir beizustehen, genauso wie auch du selber stets denen zu Hilfe kommst, die du in Not siehst. Mein Lehrer, in meinem Herzen stimme ich dir zu, aber in meinem Kopf denke ich immer noch, dass ich anstelle Jakobs mit Vergnügen jene groben Flegel gezüchtigt hätte, die sich anmaßten, dich anzugreifen, nur weil sie dachten, du würdest dich nicht zur Wehr setzen. Ich nehme an, dass du auf deiner Lebensreise einigermaßen in Sicherheit bist, da du einen großen Teil deiner Zeit damit zubringst, anderen zu helfen und deinen Brüdern in der Not beizustehen - sehr wahrscheinlich wird stets jemand zur Stelle sein, um dich zu verteidigen." Und Jesus antwortete: "Diese Prüfung ist noch nicht gekommen, Ganid, und wenn sie kommt, werden wir uns an den Willen unseres Vaters halten müssen." Und das war ungefähr alles, was der Junge über dieses schwierige Thema der Selbstverteidigung und Widerstandslosigkeit aus seinem Lehrer herausbrachte. Bei anderer Gelegenheit entlockte er Jesus die Äußerung, eine organisierte Gesellschaft besitze jedes Recht zur Anwendung von Gewalt in Ausführung ihrer gerechten Verordnungen. ***** 133.2 Einschiffung in Tarent ***** Während sie an der Schiffslandestelle verweilten und die Ausladung der Güter abwarteten, beobachteten die Reisenden einen Mann, der seine Frau misshandelte. Wie es seine Gewohnheit war, schritt Jesus zugunsten der angegriffenen Person ein. Mit ein paar Schritten befand er sich hinter dem wutentbrannten Ehemann, klopfte ihm freundlich auf die Schulter und sagte: "Mein Freund, kann ich mit dir für einen Augenblick unter vier Augen sprechen?" Der wütende Mann war ob einer solchen Annäherung völlig verdutzt, und nach einigem verlegenen Zögern stammelte er: "Eh - warum - ja, was willst du von mir?" Jesus führte ihn zur Seite und sprach zu ihm: "Mein Freund, ich spüre, dass dir etwas Schreckliches zugestoßen sein muss. Ich würde sehr gerne von dir hören, was einen so kräftigen Mann wie dich dazu gebracht hat, seine Frau, die Mutter seiner Kinder, anzugreifen, und das noch hier draußen vor aller Augen. Ich bin sicher, dass du in dir einen guten Grund für diesen Angriff fühlst. Was hat die Frau getan, dass sie von ihrem Ehemann eine solche Behandlung verdient? Wenn ich dich so anschaue, meine ich in deinem Gesicht Liebe zur Gerechtigkeit zu lesen, wenn nicht gar den Wunsch, Barmherzigkeit zu üben. Ich gehe so weit zu sagen, dass du mir ohne Zögern zu Hilfe eilen würdest, fändest du mich am Wegrand von Räubern angegriffen. Ich wage zu sagen, dass du im Laufe deines Lebens oft so mutig gehandelt hast. Nun, mein Freund, sag mir, worum es geht! Hat die Frau etwas Unrechtes getan, oder hast du törichterweise den Kopf verloren und sie unbesonnen angegriffen?" Das Herz des Mannes wurde nicht so sehr durch das gerührt, was Jesus sagte, als durch den gütigen Blick und das mitfühlende Lächeln, das Jesus ihm am Ende seiner Bemerkungen schenkte. Der Mann sprach: "Es ist mir klar, dass du ein Priester der Kyniker bist, und ich bin dir dankbar, dass du mich zurückgehalten hast. Meine Frau hat nichts sehr Schlimmes getan. Sie ist eine gute Frau, aber ihre Art, in aller Öffentlichkeit gegen mich zu sticheln, ärgert mich, und dann verliere ich die Beherrschung. Ich bedaure meinen Mangel an Selbstbeherrschung, und ich verspreche zu versuchen, gemäß dem früheren Gelübde zu leben, das ich gegenüber einem deiner Mitbrüder abgelegt habe, der mich vor vielen Jahren den besseren Weg gelehrt hat. Ich verspreche es dir." Darauf sagte ihm Jesus zum Abschied: "Mein Bruder, vergiss nie, dass der Mann keine rechtmäßige Machtbefugnis über die Frau besitzt, es sei denn, diese habe sie ihm willentlich und freiwillig gegeben. Deine Frau hat eingewilligt, an deiner Seite durchs Leben zu gehen, dir in dessen Kämpfen beizustehen und die weitaus größere Bürde auf sich zu nehmen, deine Kinder unter dem Herzen zu tragen und aufzuziehen. Als Gegenleistung für diesen besonderen Dienst ist es nur billig, dass sie von dir jenen besonderen Schutz erhält, den der Mann seiner Frau als dem Ehepartner geben kann, der die Kinder tragen, gebären und aufziehen muss. Die liebevolle Fürsorge und die Achtung, die ein Mann seiner Frau und seinen Kindern entgegenzubringen gewillt ist, sind der Maßstab dafür, inwieweit dieser Mann die höheren Ebenen schöpferischen und geistigen Selbstbewusstseins erreicht hat. Weißt du nicht, dass Männer und Frauen insofern Gottes Partner sind, als sie zur Schaffung von Lebewesen zusammenwirken, die heranwachsen, um sich das Potential unsterblicher Seelen anzueignen? Der Vater im Himmel behandelt die Geist-Mutter der Kinder des Universums als eine ihm Ebenbürtige. Es ist gottähnlich, dein Leben und alles, was darauf Bezug hat, mit deiner Mutter-Partnerin als Gleichberechtigter zu teilen, die mit dir so ganz und gar die göttliche Erfahrung teilt, euch im Leben eurer Kinder fortzupflanzen. Wenn du erst einmal deine Kinder so lieben kannst, wie Gott dich liebt, dann wirst du auch deine Frau so lieben und hochhalten, wie der Vater im Himmel den Unendlichen Geist, die Mutter aller Geistkinder eines unermesslichen Universums, ehrt und verherrlicht." Als sie an Bord des Schiffes gingen, bot sich ihnen der Anblick eines Paares, das in stummer Umarmung und mit Tränen in den Augen dastand. Gonod, der die zweite Hälfte der an den Mann gerichteten Worte Jesu gehört hatte, sann den ganzen Tag darüber nach und entschloss sich, bei seiner Rückkehr nach Indien sein Familienleben auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Reise nach Nikopolis verlief angenehm, infolge ungünstigen Windes aber langsam. Die drei verbrachten viele Stunden damit, einander ihre Erlebnisse in Rom zu erzählen und sich alles, was sich seit ihrer ersten Begegnung in Jerusalem ereignet hatte, in Erinnerung zu rufen. Der Geist persönlicher Seelsorge erfüllte Ganid immer mehr. Er begann, an dem Schiffsverwalter zu arbeiten, aber als er am zweiten Tag in religiöse Untiefen geriet, rief er Josua herbei, damit ihm dieser wieder heraushelfen möge. Sie hielten sich mehrere Tage in Nikopolis auf. Augustus hatte diese Stadt fünfzig Jahre zuvor im Gedenken an die Schlacht von Aktium als "Stadt des Sieges" gegründet, denn hier hatte er vor der Schlacht mit seiner Armee sein Lager aufgeschlagen. Sie wohnten im Hause eines gewissen Jeramis, eines Griechen, der zum jüdischen Glauben übergetreten war und den sie an Bord des Schiffes kennen gelernt hatten. Der Apostel Paulus verbrachte mit dem Sohn des Jeramis im Laufe seiner dritten Missionsreise einen ganzen Winter in demselben Hause. Von Nikopolis fuhren sie mit dem gleichen Schiff nach Korinth weiter, der Hauptstadt der römischen Provinz Achaia. ***** 133.3 In Korinth ***** Zu der Zeit, als sie Korinth erreichten, begann sich Ganid sehr stark für die jüdische Religion zu interessieren. Als sie eines Tages an einer Synagoge vorüberkamen und die Leute hineingehen sahen, war es deshalb nicht befremdlich, dass Ganid Jesus bat, ihn zu dem Gottesdienst mitzunehmen. An diesem Tag hörten sie einen gelehrten Rabbiner über "die Bestimmung Israels" reden, und nach dem Gottesdienst lernten sie den obersten Leiter dieser Synagoge, einen gewissen Krispus, kennen. Oft kehrten sie zu den Gottesdiensten in die Synagoge zurück, aber hauptsächlich, um Krispus zu treffen. Ganid gewann ihn, seine Frau und seine fünf Kinder sehr lieb. Es erfüllte ihn mit Freude zu beobachten, wie ein Jude sein Familienleben gestaltete. Während Ganid das Familienleben studierte, lehrte Jesus den Krispus bessere Wege religiö-sen Lebens. Jesus hatte mit diesem aufgeschlossenen Juden mehr als zwanzig Unterredungen. Als Paulus Jahre danach in dieser nämlichen Synagoge predigte, die Juden aber seine Botschaft ablehnten und ihm durch Abstimmung alles weitere Predigen in der Synagoge untersagten, ging er zu den Heiden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Krispus mit seiner ganzen Familie die neue Religion annahm und zu einem der wichtigsten Pfeiler der christlichen Kirche wurde, die Paulus später in Korinth organisierte. In den achtzehn Monaten seines Predigens in Korinth lernte Paulus, dem sich später Silas und Timotheus zugesellten, noch viele andere kennen, die von dem "jüdischen Hauslehrer des Sohnes eines indischen Kaufmanns" Unterweisung empfangen hatten. In Korinth begegneten sie Menschen aller Rassen aus drei Kontinenten. Nach Alexandria und Rom war Korinth die kosmopolitischste Stadt des Mittelmeerreichs. Es gab in ihr viel Sehenswertes, und Ganid wurde nie müde, die Zitadelle zu besuchen, die sich etwa sechshundert Meter über dem Meer erhob. Einen großen Teil seiner Freizeit verbrachte er auch um die Synagoge herum und im Hause des Krispus. Die Stellung der Frau im jüdischen Heim schockierte ihn zunächst, bezauberte ihn aber dann; es war für diesen jungen Inder wie eine Offenbarung. Jesus und Ganid waren auch oft Gäste in einem anderen jüdischen Hause, nämlich in dem des Justus, eines frommen Kaufmannes, der gleich neben der Synagoge wohnte. Wenn der Apostel Paulus später in diesem Hause weilte, hörte er sich häufig die Berichte von den Besuchen des indischen Jungen und seines jüdischen Hauslehrers an, und Paulus und Justus fragten sich beide, was wohl aus einem so weisen und glänzenden hebräischen Lehrer geworden sein mochte. In Rom hatte Ganid die Beobachtung gemacht, dass Jesus sich weigerte, sie in die öffentlichen Bäder zu begleiten. Danach versuchte der junge Mann mehrmals, Jesus dazu zu bringen, sich ausgiebiger über die Beziehungen zwischen den Geschlechtern zu äußern. Er beantwortete zwar die Fragen des Jünglings, schien aber nie geneigt, sich über diese Themen ausführlicher auszulassen. Als sie eines Abends in Korinth umherschlenderten, wurden sie draußen, wo die Zitadellenmauer zum Meer hinunterlief, von zwei Dirnen angesprochen. Ganid war zu Recht von der Idee durchdrungen, dass Jesus ein Mann mit hohen Idealen sei und alles verabscheue, was mit Unreinheit behaftet war oder einen Beigeschmack von Schlechtigkeit hatte; demzufolge sprach er zu diesen Frauen in schroffem Ton und forderte sie unsanft zum Weggehen auf. Als Jesus das sah, sprach er zu Ganid: "Du meinst es gut, aber du solltest dir nicht anmaßen, in dieser Weise zu Kindern Gottes zu sprechen, auch wenn es zufällig seine auf Abwege geratenen Kinder sind. Wer sind wir, dass wir über diese Frauen zu Gericht sitzen dürfen? Kennst du etwa alle Umstände, die sie dazu geführt haben, zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zu solchen Methoden Zuflucht zu nehmen? Bleib hier mit mir stehen und lass uns über diese Dinge sprechen." Die Kurtisanen waren über das, was er sagte, sogar noch verwunderter als Ganid. Während sie alle im Mondlicht dastanden, fuhr Jesus fort: "In jedem menschlichen Verstand lebt ein göttlicher Geist, die Gabe des Vaters im Himmel. Dieser gute Geist bemüht sich unaufhörlich, uns zu Gott zu führen, uns dabei zu helfen, Gott zu finden und ihn zu kennen; aber in den Menschen gibt es auch viele natürliche physische Anlagen, die der Schöpfer in sie gelegt hat, um dem Wohlbefinden des Einzelnen und der Rasse zu dienen. Nun geraten Männer und Frauen oft in Verwirrung bei ihrem Bemühen, sich selber zu verstehen und mit den vielfältigen Schwierigkeiten fertig zu werden, denen sie beim Verdienen ihres Lebensunterhaltes in einer Welt begegnen, die so weitgehend von Selbstsucht und Sünde beherrscht wird. Es scheint mir, Ganid, dass keine dieser beiden Frauen mit Willen verworfen ist. Ich kann an ihren Gesichtern erkennen, dass sie viel Leid durchgemacht haben. Sie haben durch ein offenbar grausames Schicksal viel gelitten; sie haben diese Art Leben nicht absichtlich gewählt; sie haben, entmutigt und am Rande der Verzweiflung, dem Druck des Augenblicks nachgegeben und dieses widerliche Mittel zum Lebensunterhalt als den besten Ausweg aus einer Lage akzeptiert, die ihnen hoffnungslos erschien. Ganid, gewisse Leute sind wirklich von Grund auf böse; sie tun vorsätzlich Niederträchtiges. Aber sag' mir, ob du etwas Schlechtes oder Verworfenes in diesen nun tränenbenetzten Gesichtern erblickst?" Und während Jesus innehielt, um ihn antworten zu lassen, stammelte Ganid mit erstickter Stimme: "Nein, mein Lehrer, und ich entschuldige mich für meine Grobheit gegen sie - ich bitte sie dringend um Vergebung." Daraufhin sagte Jesus: "Und ich bestelle dir im Voraus von ihnen, dass sie dir vergeben haben, sowie ich im Namen meines Vaters im Himmel sage, dass er ihnen vergeben hat. Kommt nun alle mit mir in das Haus eines Freundes, wo wir um Erfrischung bitten und Pläne für ein neues und besseres Leben in der Zukunft schmieden wollen." Bis dahin hatten die völlig verblüfften Frauen kein Wort gesagt; sie schauten einander an und folgten schweigend, als die Männer vorausschritten. Stellt euch die Überraschung der Frau des Justus vor, als Jesus zu dieser späten Stunde mit Ganid und den zwei Fremden erschien und sagte: "Entschuldige unser Kommen zu dieser späten Stunde, aber Ganid und ich hätten gerne eine Kleinigkeit zu essen, und wir möchten es mit diesen unseren neu gefundenen Freundinnen teilen, die ebenfalls Nahrung nötig haben; und außerdem kommen wir zu dir, weil wir denken, du könntest interessiert sein, mit uns darüber zu beratschlagen, wie wir diesen Frauen am besten helfen könnten, ein neues Leben zu beginnen. Sie können dir ihre Geschichte erzählen, aber ich vermute, dass sie Schweres durchgemacht haben, und allein ihre Gegenwart hier in diesem Hause bezeugt, wie ernsthaft sie sich danach sehnen, gute Menschen zu kennen, und wie willig sie die Gelegenheit wahrnehmen wollen, der ganzen Welt - und sogar den Engeln des Himmels - zu zeigen, was für mutige und edle Frauen sie werden können." Als Martha, die Frau des Justus, das Essen aufgetischt hatte, verabschiedete sich Jesus unerwartet und sagte: "Da es spät geworden ist und der Vater des jungen Mannes wohl auf uns wartet, bitten wir euch, uns zu entschuldigen, wenn wir euch - drei Frauen - die geliebten Kinder des Allerhöchsten, nun hier zusammen allein lassen. Und ich werde für eure geistige Führung beten, während ihr Pläne für ein neues und besseres Leben auf Erden und für das ewige Leben im großen Jenseits macht." Und so nahmen Jesus und Ganid von den Frauen Abschied. Bis dahin hatten die beiden Kurtisanen nichts gesagt; und Ganid war ebenso sprachlos. Auch Martha fand einige Augenblicke lang nichts zu sagen, aber rasch zeigte sie sich der Lage gewachsen und tat für diese Fremden alles, was Jesus erhofft hatte. Die ältere der beiden Frauen starb kurz darauf mit glänzenden Hoffnungen auf ewiges Fortleben, während die jüngere am Geschäftssitz des Justus arbeitete und später bis an ihr Lebensende Mitglied der ersten christlichen Kirche von Korinth war. Oft trafen Jesus und Ganid im Hause des Justus einen gewissen Gaius, der später ein treuer Helfer des Paulus wurde. Während ihres zweimonatigen Aufenthaltes in Korinth führten sie mit Dutzenden von Personen, die es wert waren, vertrauliche Gespräche, und als Ergebnis all dieser scheinbar zufälligen Kontakte wurden mehr als die Hälfte der Betroffenen Mitglieder der späteren christlichen Gemeinde. Als Paulus zum ersten Mal nach Korinth kam, hatte er nicht die Absicht, sich hier längere Zeit aufzuhalten. Aber er wusste nicht, wie gute Vorarbeit der jüdische Hauslehrer für sein Werk geleistet hatte. Des Weiteren entdeckte er, dass Aquila und Priscilla bereits großes Interesse geweckt hatten. Aquila war einer der Kyniker, mit denen Jesus in Rom in Kontakt gekommen war. Das jüdische Paar war aus Rom geflohen und nahm rasch die Lehren des Paulus an. Dieser lebte und arbeitete mit den beiden, denn auch sie waren Zeltmacher. Es war diesen Umständen zuzuschreiben, dass Paulus seinen Aufenthalt in Korinth verlängerte. ***** 133.4 Persönliches Wirken in Korinth ***** Jesus und Ganid hatten in Korinth noch viele andere interessante Erlebnisse. Sie führten vertrauliche Gespräche mit einer großen Anzahl Menschen, die alle bedeutenden Nutzen aus der Unterweisung zogen, die sie von Jesus erhielten. Einen Müller lehrte er das Mahlen der Wahrheitskörner in der Mühle der Lebenserfahrung, um dadurch die schwierigen Dinge des göttlichen Lebens sogar den Schwachen und Beschränkten unter unseren Mitmenschen leicht zugänglich zu machen. Jesus sagte: "Gib denen die Milch der Wahrheit, die noch Säuglinge in der geistigen Wahrnehmung sind. Biete in deinem lebendigen Liebesdienst geistige Nahrung in anziehender Form an, die der Aufnahmefähigkeit eines jeden, der dich aufsucht, angepasst ist." Zu einem römischen Zenturio sagte er: "Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Es gibt keinen Konflikt zwischen dem aufrichtigen Dienst an Gott und dem treuen Dienst am Kaiser; es sei denn, der Kaiser maße sich an, für sich selber die Ehrenbezeugung in Anspruch zu nehmen, die allein die Gottheit fordern kann. Treue gegenüber Gott, solltest du dahin gelangen, ihn zu kennen, würde dich nur umso treuer und verlässlicher in deiner Ergebenheit gegenüber einem würdigen Kaiser machen." Zu dem aufrichtigen Oberhaupt des Mithraskultes sagte er: "Du tust recht, wenn du nach einer Religion des ewigen Heils suchst, aber du irrst dich, wenn du bei den von Menschen geschaffenen Mysterien und in menschlichen Philosophien nach einer so glorreichen Wahrheit auf die Suche gehst. Weißt du nicht, dass das Mysterium der ewigen Erlösung in deiner eigenen Seele wohnt? Weißt du nicht, dass der Gott des Himmels seinen Geist ausgesandt hat, um in dir zu leben, und dass dieser Geist alle wahrheitsliebenden und Gott dienenden Sterblichen aus diesem Leben hinaus- und durch die Pforte des Todes zu den ewigen Lichthöhen hinaufführen wird, wo Gott wartet, um seine Kinder zu empfangen? Und vergiss nie: Ihr, die ihr Gott kennt, seid Gottes Söhne, wenn ihr euch wahrhaftig danach sehnt, ihm zu gleichen." Zu einem epikureischen Lehrer sagte er: "Du tust gut daran, das Beste zu wählen und das Gute zu schätzen, aber ist es weise von dir, die höheren Dinge der menschlichen Existenz nicht wahrzunehmen, die sich im Geistigen befinden und aus der Bewusstwerdung der Gegenwart Gottes im Menschenherzen hervorgehen? Das Große in der gesamten menschlichen Erfahrung ist die Innewerdung Gottes, dessen Geist in dir wohnt und danach strebt, dich auf der langen und nahezu endlosen Reise bis in die persönliche Gegenwart unseres gemeinsamen Vaters zu führen, des Gottes der ganzen Schöpfung und des Herrn der Universen." Zu einem griechischen Unternehmer und Bauherrn sprach er: "Mein Freund, so wie du für die Menschen materielle Bauwerke errichtest, so bilde auch in dir einen geistigen Charakter heran, der dem göttlichen Geist in deiner Seele ähnelt. Lass deinen Erfolg als zeitlicher Bauherr nicht dein Wachstum als geistiger Sohn des Königreichs des Himmels überholen. Versäume nicht, während du für die anderen Häuser auf Zeit baust, dir selber das Anrecht auf die Häuser der Ewigkeit zu sichern. Denk immer daran, dass es eine Stadt gibt, deren Fundamente Rechtschaffenheit und Wahrheit sind, und deren Erbauer und Gestalter Gott ist." Zu einem römischen Richter sagte er: "Denke daran, wenn du über Menschen zu Gericht sitzt, dass eines Tages auch über dich selbst vor dem Richterstuhl der Herrscher eines Universums verhandelt werden wird. Richte gerecht, sogar barmherzig, denn auch du wirst eines Tages den höchsten Richter um barmherzige Behandlung anflehen. Richte so, wie du selber unter gleichen Umständen beurteilt zu werden wünschtest, und lasse dich dabei ebenso sehr vom Geiste wie vom Buchstaben des Gesetzes leiten. Und in dem Maße, wie du angesichts der Bedürfnisse derer, die vor dich gebracht werden, von Fairness geprägte Gerechtigkeit gewährst, sollst auch du das Recht haben, Gerechtigkeit zu erwarten, die durch Erbarmen gemildert wurde, wenn du dereinst vor dem Richter der ganzen Erde stehen wirst." Zu der Wirtin einer griechischen Herberge sagte er: "Übe deine Gastfreundschaft aus wie jemand, der die Kinder des Allerhöchsten bewirtet. Erhebe die Mühsal deines Tagewerks auf die Höhe einer Kunst, indem du dir zunehmend innewirst, dass du in den Menschen Gott dienst. Er bewohnt sie durch seinen Geist, der herabgestiegen ist, um in ihren Herzen zu leben und dadurch versucht, ihr Denken umzuwandeln und ihre Seele zur Kenntnis des Paradies-Vaters aller dieser Gaben des göttlichen Geistes zu führen." Jesus traf sich häufig mit einem chinesischen Kaufmann. Beim Abschied mahnte er ihn: "Bete nur Gott an, der dein wahrer geistiger Ahne ist. Denke daran, dass der Geist deines Vaters immer in dir lebt und deine Seele stets himmelwärts ausrichtet. Wenn du der unbewussten Führung durch diesen unsterblichen Geist folgst, bist du sicher, auf dem aufwärts weisenden Weg der Gottfindung weiterzuschreiten. Und wenn du schließlich den Vater im Himmel tatsächlich erreichst, so deshalb, weil du ihm auf deiner Suche immer ähnlicher geworden bist. Lebe wohl, Chang, aber nur für eine Weile, denn wir werden uns wieder sehen in den Welten des Lichts, wo der Vater der Geistseelen viele herrliche Rastplätze für jene eingerichtet hat, die nach dem Paradies unterwegs sind." Zu einem Reisenden aus Britannien sagte er: "Mein Bruder, ich erkenne, dass du nach der Wahrheit suchst, und ich möchte dir zu bedenken geben, dass der Geist des Vaters aller Wahrheit möglicherweise in dir wohnt. Hast du je aufrichtig versucht, mit dem Geist deiner eigenen Seele zu sprechen? Das ist in der Tat schwierig und lässt Erfolg selten bewusst werden; aber jeder ehrliche Versuch des materiellen Verstandes, mit dem ihm innewohnenden Geist in Verbindung zu treten, ist mit Sicherheit erfolgreich, wenngleich die Mehrzahl all dieser großartigen menschlichen Erlebnisse lange Zeit bloß überbewusste Eintragungen in den Seelen solcher Gott kennender Sterblicher bleiben müssen. Zu einem von zu Hause weggelaufenen jungen Burschen sagte Jesus: "Merke dir, dass es zwei Dinge gibt, denen du nicht davonlaufen kannst - weder Gott, noch dir selber. Wohin du dich auch immer wenden magst, nimmst du dich selber und den in deinem Herzen wohnenden Geist des himmlischen Vaters mit dir. Mein Sohn, gib die Versuche auf, dich selber zu betrügen; nimm die mutige Gewohnheit an, dich den Tatsachen des Lebens zu stellen; halte dich unerschütterlich an die Zusicherung, ein Sohn Gottes zu sein, und an die Gewissheit des ewigen Lebens, wie ich es dich gelehrt habe. Mache dir von heute an zum Vorsatz, ein wahrer Mann zu sein, ein Mann, der entschlossen ist, dem Leben tapfer und intelligent die Stirn zu bieten." Zu einem verurteilten Verbrecher sagte er in dessen letzter Stunde: "Mein Bruder, du hast schlimme Zeiten durchmachen müssen. Du hast deinen Weg verloren; du hast dich in den Schlingen des Verbrechens verstrickt. Nachdem ich mit dir gesprochen habe, weiß ich sehr wohl, dass du das, was dich in Kürze das zeitliche Leben kosten wird, nicht geplant hast: Aber du hast diese Übeltat begangen, und deine Mitbürger haben dich schuldig befunden; sie haben deinen Tod beschlossen. Weder du noch ich können dem Staat das Recht zur Selbstverteidigung in der von ihm gewählten Weise bestreiten. Es scheint keinen menschlichen Ausweg zu geben, der Bestrafung für deine Missetat zu entrinnen. Deine Mitmenschen müssen ihr Urteil über das, was du getan hast, fällen, aber es gibt einen Richter, den du um Vergebung anrufen kannst und der dich aufgrund deiner wirklichen Beweggründe und deiner besseren Absichten richten wird. Du brauchst das Gericht Gottes nicht zu fürchten, wenn deine Reue echt ist und dein Glaube aufrichtig. Die Tatsache, dass dein Irrtum die durch Menschen verordnete Todesstrafe nach sich zieht, beeinträchtigt nicht die Möglichkeit, dass deiner Seele vor dem himmlischen Gericht Gerechtigkeit widerfährt und sie in den Genuss der Barmherzigkeit gelangt." Jesus hatte Freude daran, mit einer großen Zahl hungriger Seelen vertrauliche Gespräche zu führen, zu viele, als dass sie in diesen Bericht eingeschlossen werden könnten. Die drei Reisenden genossen ihren Aufenthalt in Korinth. Abgesehen von dem mehr als Bildungszentrum berühmten Athen war Korinth in jener römischen Zeit die wichtigste Stadt Griechenlands, und der zweimonatige Aufenthalt in diesem blühenden Handelszentrum bot allen dreien Gelegenheit zu wertvollen Erfahrungen. Ihr Aufenthalt in dieser Stadt war von allen Stationen auf ihrem Rückweg von Rom einer der interessantesten. Gonod besaß in Korinth viele Interessen, aber schließlich brachte er seine Geschäfte zum Abschluss, und sie machten sich für die Seereise nach Athen bereit. Sie reisten auf einem kleinen Schiff, das auf dem Landweg über achtzehn Kilometer von einem Hafen Korinths zum anderen transportiert werden konnte. ***** 133.5 In Athen - Vortrag über die Wissenschaft ***** Sie kamen bald in dem alten Zentrum griechischer Wissenschaft und Gelehrsamkeit an, und Ganid war von dem Gedanken begeistert, in Athen, in Griechenland zu sein, dem kulturellen Mittelpunkt des einstigen Reichs Alexanders, das seine Grenzen sogar bis nach Indien, seinem eigenen Land, ausgedehnt hatte. Es gab hier nur wenige Geschäfte zu erledigen, und so verbrachte Gonod den größten Teil seiner Zeit mit Jesus und Ganid, besuchte mit ihnen die vielen bedeutenden Stätten und hörte den interessanten Gesprächen des Jünglings mit seinem vielseitigen Lehrer zu. Immer noch blühte eine große Universität in Athen, und das Trio besuchte häufig ihre Studien-säle. Jesus und Ganid hatten die Lehren Platos von Grund auf diskutiert, als sie den Vorlesungen im Museum von Alexandria beigewohnt hatten. Sie alle liebten die Kunst Griechenlands, von der sich da und dort in der Stadt immer noch Beispiele fanden. Sowohl der Vater als auch der Sohn genossen das Gespräch über Wissenschaft sehr, das Jesus eines Abends in ihrem Gasthaus mit einem griechischen Philosophen führte. Dieser Pedant sprach fast drei Stunden lang, und als er seine Rede beendet hatte, sagte Jesus, in heutiger Denkweise ausgedrückt, Folgendes: Die Wissenschaftler mögen eines Tages die Energie- oder Kraftauswirkungen von Gravitation, Licht und Elektrizität messen, aber dieselben Wissenschaftler werden euch (wissenschaftlich) nie sagen können, was diese Phänomene des Universums sind. Die Wissenschaft beschäftigt sich mit den Aktivitäten physischer Energie; die Religion beschäftigt sich mit ewigen Werten. Wahre Philosophie erwächst aus der Weisheit, die ihr Bestes tut, um diese quantitativen und qualitativen Beobachtungen in Beziehung zu setzen. Es besteht immer die Gefahr, dass der reine Naturwissenschaftler das Opfer von mathematischem Stolz und statischer Selbstüberhebung wird, ganz zu schweigen von geistiger Blindheit. Die Logik ist in der materiellen Welt gültig, und die Mathematik ist verlässlich, solange ihre Anwendung auf physische Dinge beschränkt bleibt. Aber weder die eine noch die andere kann, wenn auf die Probleme des Lebens angewendet, als völlig zuverlässig oder unfehlbar betrachtet werden. Das Leben schließt Phänomene ein, die nicht materiell sind. Die Arithmetik sagt, dass wenn ein Mann ein Schaf in zehn Minuten zu scheren vermag, zehn Männer es in einer Minute tun können. Das ist mathematisch folgerichtig, aber es ist nicht wahr, denn die zehn Männer würden es so nicht schaffen; sie würden sich sehr im Wege stehen und die Arbeit dadurch beträchtlich verzögern. Die Mathematik behauptet, dass, wenn eine Person für eine gewisse intellektuelle und moralische Werteinheit steht, zehn Personen dem Zehnfachen dieses Wertes entsprechen würden. Aber wenn es um die menschliche Persönlichkeit geht, käme man der Wahrheit näher zu sagen, dass der Wert einer solchen Vereinigung von Persönlichkeiten eher der Quadratzahl der in der Gleichung erfassten Persönlichkeiten als einfach ihrer arithmetischen Summe entspricht. Eine in Koordination und Harmonie zusammenarbeitende soziale Menschengruppe stellt eine Kraft dar, die die bloße Summe der Mitglieder bei weitem übersteigt. Quantität kann als Tatsache identifiziert werden und wird dadurch eine wissenschaftliche Konstante. Qualität ist eine Angelegenheit verstandesmäßiger Interpretation, stellt eine Einschätzung von Werten dar und muss deshalb eine Erfahrung des Individuums bleiben. Wenn sowohl Wissenschaft als auch Religion weniger dogmatisch und für Kritik offener werden, kann die Philosophie damit beginnen, die Einheit in einem intelligenten Verständnis des Universums herzustellen. Ihr würdet erkennen, dass im kosmischen Universum Einheit herrscht, könntet ihr nur sein tatsächliches Funktionieren wahrnehmen. Das wirkliche Universum ist jedem Kind des ewigen Gottes freundlich gesinnt. Das wahre Problem besteht darin: Wie kann der endliche menschliche Verstand zu einer logischen, wahren und korrespondierenden gedanklichen Einheit gelangen? Ein solcher das Universum kennender Geisteszustand kann nur durch die Vorstellung erreicht werden, dass quantitative Tatsache und qualitativer Wert ihre gemeinsame Ursache im Vater des Paradieses haben. Eine solche Auffassung von Realität ermöglicht eine tiefere Einsicht in die absichtsvolle Einheit der Phänomene des Universums; sie offenbart sogar ein geistiges Ziel fortschreitender Persönlichkeitsentfaltung. Dies ist ein Konzept von Einheit, das ein Gefühl vermitteln kann für den unveränderlichen Hintergrund eines lebendigen Universums von ständig sich verändernden unpersönlichen Zusammenhängen und sich entwickelnden persönlichen Beziehungen. Materie, Geist und der zwischen ihnen liegende Zustand sind drei Ebenen der wahren Einheit des wirklichen Universums, die untereinander in wechselseitigen Beziehungen und Verbindungen stehen. Ungeachtet dessen, wie voneinander abweichend die universellen Phänomene der Tatsachen und der Werte erscheinen mögen, sind sie doch letztlich alle im Supremen geeint. Die Realität der materiellen Existenz hat ebenso sehr Verbindung mit unerkannten Energien wie mit der sichtbaren Materie. Wenn die Energien des Universums so verlangsamt werden, bis sie den erforderlichen Geschwindigkeitsgrad besitzen, wird aus eben diesen Energien unter günstigen Bedingungen Masse. Und vergesst nicht, dass der Verstand, der allein die Gegenwart sichtbarer Realitäten feststellen kann, selber auch real ist. Die grundlegende Ursache dieses Universums von Energie-Masse, Verstand und Geist ist ewig - sie existiert und liegt in der Natur und den Reaktionen des Universalen Vaters und seiner absoluten Gleichgeordneten. Die Worte Jesu versetzten sie alle in mehr als Staunen, und der Grieche sagte beim Abschied: "Endlich bin ich eines Juden ansichtig geworden, der noch an etwas anderes als an die Überlegenheit seiner Rasse denkt und von anderen Dingen als Religion spricht." Und damit begaben sie sich zur Nachtruhe. Der Aufenthalt in Athen war angenehm und nützlich, aber nicht besonders ergiebig an menschlichen Kontakten. Zu viele Athener jener Tage litten entweder an intellektuellem Dünkel wegen ihres Rufs vergangener Zeiten, oder sie waren die geistig minderbemittelten und unwissenden Nachkommen der niedrigeren Sklaven jener früheren Epochen, als der Ruhm in Griechenland wohnte und Weisheit im Verstand seiner Bewohner. Aber noch gab es viele scharfsinnige Köpfe unter den Bürgern Athens. ***** 133.6 In Ephesus - Vortrag über die Seele ***** Nach dem Verlassen Athens begaben sich die Reisenden über die Troas nach Ephesus, der Hauptstadt der römischen Provinz Asien. Sie suchten häufig den berühmten, etwa vier Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen Artemis-Tempel auf. Artemis war die bekannteste Göttin von ganz Kleinasien; in ihr lebte die frühere Muttergottheit der anatolischen Vergangenheit weiter. Ihr grobes Standbild, das, wie es hieß, vom Himmel gefallen war, stand in dem ihrer Anbetung geweihten Tempel. Ganid war im Respekt vor Bildnissen als den Symbolen von Göttlichkeit erzogen worden, und nicht alles davon war ausgemerzt. Er fand, er tue gut daran, einen kleinen Silberschrein zu Ehren der kleinasiatischen Fruchtbarkeitsgöttin zu erstehen. An diesem Abend sprachen sie in aller Ausführlichkeit über die Verehrung von Gegenständen, die Menschenhand geschaffen hatte. Am dritten Tag ihres Aufenthaltes gingen sie flussabwärts, um die Ausschlammungsarbeiten am Hafeneingang zu beobachten. Um die Mittagsstunde sprachen sie mit einem jungen Phönizier, der vor Heimweh krank und völlig niedergeschlagen war; vor allem aber war er auf einen gewissen jungen Mann neidisch, der über seinen Kopf hinweg befördert worden war. Jesus sprach ihm Mut zu und zitierte das alte hebräische Sprichwort: "Es sind die Gaben eines Mannes, die ihm Raum schaffen und ihn in die Nähe großer Männer bringen." Von allen großen Städten, die sie während dieser Mittelmeerreise besuchten, richteten sie hier am wenigsten von dem aus, was für die spätere Arbeit der christlichen Missionare von Wert gewesen wäre. Das Christentum verdankte seinen Anfang in Ephesus weitgehend dem Einsatz des Paulus, der hier mehr als zwei Jahre lang lebte, wobei er seinen Unterhalt mit der Herstellung von Zelten verdiente und jeden Abend im größten Vorlesungsraum der Schule des Tyrannus über Religion und Philosophie sprach. Es gab da einen aufgeschlossenen Denker, der mit dieser örtlichen Philosophieschule verbunden war, und Jesus führte einige fruchtbare Gespräche mit ihm. Im Verlaufe dieser Unterhaltungen hatte Jesus wiederholt das Wort "Seele" gebraucht. Der gelehrte Grieche fragte ihn schließlich, was er unter "Seele" verstehe, und Jesus antwortete: "Die Seele ist jener Teil des Menschen, der das Selbst widerspiegelt, die Wahrheit erkennt und den Geist wahrnimmt und das menschliche Wesen für immer über die Ebene der Tierwelt hinaushebt. Die Selbstbewusstheit an und für sich ist nicht die Seele. Erst die sittliche Selbstbewusstheit ist die wahre menschliche Selbstverwirklichung und bildet die Grundlage der menschlichen Seele. Die Seele ist jener Teil des Menschen, der den potentiellen Überlebenswert der menschlichen Erfahrung darstellt. Die charakteristischen Merkmale der Seele sind: sittliche Entscheidung und geistige Vollbringung, die Fähigkeit, Gott zu kennen und der Antrieb, ihm zu gleichen. Die Seele des Menschen kann nicht getrennt von sittlichem Denken und geistiger Tätigkeit existieren. Eine stagnierende Seele ist eine sterbende Seele. Aber die Seele des Menschen ist etwas anderes als der göttliche Geist, welcher den Verstand bewohnt. Dieser göttliche Geist langt im Augenblick der ersten sittlichen Tätigkeit des menschlichen Verstandes an, und bei dieser Gelegenheit wird die Seele geboren. Die Rettung oder der Verlust einer Seele steht damit im Zusammenhang, ob das sittliche Bewusstsein durch einen ewigen Bund mit dem ihm verliehenen unsterblichen Geist den Überlebensstatus erreicht oder nicht. Die Errettung ist die Vergeistigung des sich selbst verwirklichenden sittlichen Bewusstseins, das dadurch Fortlebenswert erlangt. Alle Arten seelischer Konflikte beruhen auf mangelnder Harmonie zwischen der sittlichen oder geistigen Selbstbewusstheit und der rein intellektuellen Selbstbewusstheit. "Die gereifte, veredelte und vergeistigte menschliche Seele nähert sich insofern dem himmlischen Zustand, als sie beinahe eine Wesenheit ist, die zwischen dem Materiellen und dem Geistigen liegt, zwischen dem materiellen Selbst und dem göttlichen Geist. Es ist schwierig, die sich in Entwicklung befindliche Seele eines menschlichen Wesens zu beschreiben, und noch schwieriger, sie zu beweisen, da man sie weder mit den Methoden der materiellen Forschung noch mit denen des geistigen Nachweises entdecken kann. Weder materielle Wissenschaft noch rein geistige Untersuchung können ihre Existenz beweisen. Ungeachtet des Unvermögens der materiellen Wissenschaft und der geistigen Kriterien, die Existenz der menschlichen Seele zu entdecken, weiß doch jeder Sterbliche mit sittlichem Bewusstsein um die Existenz seiner Seele als einer wirklichen und tatsächlichen persönlichen Erfahrung." ***** 133.7 Der Aufenthalt auf Zypern - Ausführungen über den Verstand ***** Bald darauf liefen die Reisenden in Richtung Zypern aus und machten in Rhodos einen Zwischenhalt. Sie genossen die lange Seereise und langten ausgeruht und erfrischt an Körper und Seele auf der Insel ihrer Bestimmung an. Da ihre Mittelmeerreise sich dem Ende zuneigte, beabsichtigten sie, sich während dieses Zypernaufenthaltes eine Zeit wirklicher Ruhe und Muße zu gönnen. Sie landeten in Paphos und begannen sofort mit der Beschaffung von Vorräten für ihren mehrwöchigen Aufenthalt in den nahen Bergen. Am dritten Tag nach ihrer Ankunft setzten sie sich mit ihren vollbeladenen Tragtieren in Richtung der Berge in Bewegung. Zwei Wochen lang hatten die drei eine sehr fröhliche Zeit miteinander, als der junge Ganid ohne Vorwarnung plötzlich schwer erkrankte. Zwei Wochen lang litt er unter heftigem Fieber und phantasierte dabei häufig. Jesus und Gonod waren beide mit der Pflege des kranken Jungen voll beschäftigt. Jesus sorgte sachkundig und liebevoll für den Jungen, und der Vater staunte über die Sanftheit und das Geschick, die Jesus bei der Umsorgung des leidenden Jungen an den Tag legte. Sie waren von jeder menschlichen Behausung weit entfernt, und der Junge war zu krank, um transportiert zu werden; so richteten sie sich darauf ein, ihn, so gut sie es konnten, dort oben in den Bergen gesund zu pflegen. Während der dreiwöchigen Genesungszeit Ganids erzählte ihm Jesus viel Interessantes über die Natur und ihre vielfältigen Stimmungen. Und wieviel Freude hatten sie auf ihren Wanderungen über die Höhenzüge, wenn der Junge Fragen stellte, Jesus sie beantwortete und der Vater über die ganze Darbietung staunte! In der letzten Woche ihres Aufenthaltes in den Bergen führten Jesus und Ganid ein langes Gespräch über die Funktionen des menschlichen Verstandes. Nach mehrstündiger Diskussion stellte der Jüngling folgende Frage: "Aber, mein Lehrer, was meinst du damit, wenn du sagst, dass der Mensch eine höhere Form von Selbstbewusstsein hat als die höheren Tiere?" In heutiger Ausdrucksweise neu formuliert, lautete Jesu Antwort: "Mein Sohn, ich habe dir bereits Vieles über den menschlichen Verstand und den göttlichen Geist, der ihn bewohnt, erzählt, aber jetzt möchte ich nachdrücklich betonen, dass das Selbstbewusstsein eine Realität ist. Wann immer ein Tier selbstbewusst wird, wird aus ihm ein primitiver Mensch. Eine solche Errungenschaft fußt auf der koordinierten Funktionsweise von unpersönlicher Energie und geistempfänglichem Verstand, und dieses Phänomen rechtfertigt die Verleihung eines absoluten Brennpunktes an die menschliche Persönlichkeit, nämlich des Geistes des Vaters im Himmel. Ideen sind nicht einfach nur Registrierung von Empfindungen; Ideen sind Empfindungen zuzüglich der auf Überlegung beruhenden Deutung durch das persönliche Selbst; und das Selbst ist mehr als die Summe unserer Empfindungen. In einem sich entwickelnden Selbst beginnt so etwas wie eine Annäherung an die Einheit, und diese Einheit geht auf die innewohnende Gegenwart eines Teils absoluter Einheit zurück, der solch einen selbstbewussten Verstand tierischen Ursprungs geistig aktiviert. Kein bloßes Tier könnte ein zeitliches Selbstbewusstsein haben. Die Tiere besitzen eine physiologische Koordination von Empfindungen und damit verknüpften Wahrnehmungen und die Erinnerung daran, aber keines macht die Erfahrung einer sinnvollen Wahrnehmung von Empfindungen oder zeigt ein absichtsvolles Verknüpfen dieser kombinierten physischen Erfahrungen, wie sie sich in den Schlussfolgerungen intelligenter und überlegter menschlicher Interpretatio-nen manifestieren. Diese Tatsache sich selbst bewusster Existenz verbunden mit der Realität späterer geistiger Erfahrung macht aus dem Menschen einen potentiellen Sohn des Universums und lässt vorausahnen, dass er dereinst die höchste Einheit des Universums erreichen wird. Zudem ist das menschliche Selbst nicht nur die Summe aufeinander folgender Bewusstseinszustände. Ohne die wirksame Funktion des Sortierens und Verknüpfens der Bewusstseinsinhalte gäbe es nicht genügend Einheit, um die Bestimmung eines Selbst zu gewährleisten. Ein solcher nicht geeinter Verstand könnte kaum menschliche Bewusstseinsebenen erreichen. Wenn die Verknüpfungen des Bewusstseins nur ein Zufall wären, würde der Verstand aller Menschen die unkontrollierten und ziellosen Assoziationen gewisser Phasen von Geisteskrankheit zeigen. Ein menschlicher Verstand, der nur auf dem Bewusstsein physischer Empfindungen aufgebaut wäre, könnte nie geistige Ebenen erreichen. Einem solchen materiellen Verstand würde jeglicher Sinn für sittliche Werte fehlen, und er hätte kein Gespür für dominierende geistige Führung, die für die Erlangung der Einheit einer harmonischen Persönlichkeit in der Zeit so wesentlich und untrennbar ist von dem Fortleben der Persönlichkeit in der Ewigkeit. Der menschliche Verstand beginnt schon früh, Eigenschaften zu zeigen, die übermateriell sind; der wahrhaft denkende menschliche Intellekt ist nicht gänzlich durch die Grenzen der Zeit gebunden. Dass die Einzelpersonen sich in ihrer Lebensführung so sehr unterscheiden, deutet nicht nur auf die unterschiedlichen Erbanlagen und andersgearteten Umwelteinflüsse hin, sondern auch auf den Grad der Vereinigung mit dem innewohnenden Geist des Vaters, zu welchem das Selbst gelangt ist - auf das Maß der Identifikation des einen mit dem anderen. Der menschliche Verstand erträgt den Konflikt doppelter Zugehörigkeit schlecht. Zugleich dem Guten und dem Bösen dienen zu wollen, versetzt die Seele, die diese Erfahrung macht, in erhebliche Anspannung. Ein zutiefst glücklicher und wirkungsvoll geeinter Verstand ist jener, der sich vollkommen der Ausübung des Willens des Vaters im Himmel verschrieben hat. Ungelöste Konflikte zerstören die Einheit und können in geistiger Verwirrung enden. Aber die Fähigkeit einer Seele zum Fortleben wird nicht dadurch gefördert, dass man den Seelenfrieden um jeden Preis zu sichern sucht, edle Ziele aufgibt und geistige Ideale aufs Spiel setzt; man erreicht diesen Frieden vielmehr durch das unentwegte Bejahen des Triumphes der Wahrheit, und dieser Sieg wird errungen durch die Überwindung des Bösen durch die überzeugende Macht des Guten. Am nächsten Tag reisten sie nach Salamis ab, von wo aus sie sich nach Antiochien an der syrischen Küste einschifften. ***** 133.8 In Antiochia ***** Antiochia war die Hauptstadt der römischen Provinz Syrien und Residenz des kaiserlichen Statthalters. Es zählte eine halbe Million Einwohner und stand als drittgrößte Stadt des Reiches an erster Stelle hinsichtlich Verdorbenheit und schamloser Unsittlichkeit. Gonod hatte bedeutenden Geschäften nachzugehen; so waren Jesus und Ganid häufig unter sich. Sie sahen sich mit Ausnahme des Daphnishains in dieser vielsprachigen Stadt alles an. Gonod und Ganid besuchten diesen berüchtigten Ort der Schande, aber Jesus lehnte es ab, sie zu begleiten. Solche Szenen wirkten auf Inder nicht so schockierend, einem idealistischen Hebräer aber waren sie widerlich. Jesus wurde sachlich und nachdenklich, als er sich Palästina und damit dem Ende ihrer Reise näherte. Er besuchte in Antiochia nur wenige Leute und ging selten in der Stadt umher. Nach vielen Fragen, wieso sein Lehrer an Antiochia so geringes Interesse zeige, bewog Ganid Jesus endlich zu der Aussage: "Diese Stadt ist nicht weit von Palästina entfernt; vielleicht kehre ich eines Tages hierher zurück." Ganid hatte in Antiochia ein sehr interessantes Erlebnis. Der junge Mann hatte sich als fähiger Schüler erwiesen und bereits damit begonnen, einige von Jesu Lehren in die Praxis umzusetzen. Ein gewisser Inder im Unternehmen seines Vaters in Antiochia hatte sich so unangenehm und übelgelaunt entwickelt, dass man an seine Entlassung dachte. Als Ganid davon hörte, begab er sich an den Geschäftssitz seines Vaters und unterhielt sich lange mit seinem Landsmann. Dieser Mann hatte das Gefühl, man habe ihm nicht die richtige Arbeit gegeben. Ganid sprach zu ihm über den Vater im Himmel und erweiterte seine religiösen Ansichten in mancher Weise. Aber von alledem, was Ganid sagte, hatte ein zitiertes hebräisches Sprichwort die beste Wirkung, und dieses Wort der Weisheit lautete: "Was auch immer dir gerade zu tun gegeben ist, tue es mit ganzer Kraft." Nachdem sie ihr Gepäck für die Kamelkarawane bereitgestellt hatten, zogen sie nach Sidon hinab und von dort nach Damaskus hinüber, und drei Tage später waren sie bereit, die lange Reise durch den Wüstensand anzutreten. ***** 133.9 In Mesopotamien ***** Die Durchquerung der Wüste mit der Karawane war für diese weitgereisten Männer keine neue Erfahrung. Ganid hatte seinem Lehrer beim Beladen ihrer zwanzig Kamele zugeschaut. Als er nun sah, wie dieser sich freiwillig anbot, ihr eigenes Tier zu führen, rief er aus: "Mein Lehrer, gibt es irgendetwas, was du nicht kannst?" Jesus lächelte nur und sagte: "Es ist wohl so, dass der Lehrer in den Augen eines fleißigen Schülers Hochachtung genießt." Und sie machten sich nach der alten Stadt Ur auf. Jesus interessierte sich sehr für die frühe Geschichte von Ur, der Geburtsstätte Abrahams, und ebenso sehr fesselten ihn die Ruinen und Überlieferungen von Susa, und dies in einem Maß, dass Gonod und Ganid ihren Aufenthalt in dieser Gegend um drei Wochen ausdehnten, damit Jesus über mehr Zeit verfüge, um seinen Forschungen nachgehen zu können, und auch, um ihn besser davon überzeugen zu können, mit ihnen nach Indien zurückzukehren. In Ur hatte Ganid ein langes Gespräch mit Jesus über den Unterschied zwischen Wissen, Weisheit und Wahrheit. Er war sehr beeindruckt von den Worten eines hebräischen Weisen: "Die Weisheit ist das Wichtigste; erlange deshalb Weisheit. Bei all deinem Streben nach Wissen suche zu verstehen. Stelle die Weisheit über alles, und sie wird dich fördern. Sie wird dir Ehre bringen, wenn du sie dir nur zu Eigen machst." Schließlich kam der Tag der Trennung. Sie waren alle gefasst, besonders der Junge, aber es war eine schwere Prüfung. Zwar standen ihnen Tränen in den Augen, aber sie waren tapferen Herzens. Von seinem Lehrer Abschied nehmend, sagte Ganid: "Lebewohl, mein Lehrer, aber nicht für immer. Wenn ich wieder nach Damaskus komme, werde ich dich aufsuchen. Ich liebe dich, denn ich denke, der Vater im Himmel muss ungefähr wie du sein; wenigstens weiß ich, dass du dem, was du mir über ihn gesagt hast, sehr ähnlich bist. Ich werde deine Lehren in Erinnerung behalten, aber vor allem werde ich dich nie vergessen." Und der Vater sagte: "Lebewohl, großer Lehrer, der uns besser gemacht und uns geholfen hat, Gott zu kennen." Und Jesus antwortete: "Friede sei mit euch, und der Segen des Vaters im Himmel möge immer bei euch bleiben." Jesus stand am Ufer und sah zu, wie das kleine Boot sie zu dem vor Anker liegenden Schiff hinaustrug. So nahm der Meister von seinen indischen Freunden in Charax Abschied. Er sollte sie auf dieser Welt nie wieder sehen, noch sollten sie auf dieser Welt jemals erfahren, dass der Mann, der später als Jesus von Nazareth auftrat, derselbe Freund war, von dem sie sich eben verabschiedet hatten - Josua, ihr Lehrer. Ganid wurde in Indien ein einflussreicher Mann, ein würdiger Nachfolger seines bedeutenden Vaters, und er verbreitete um sich viele der edlen Wahrheiten, die er von Jesus, seinem geliebten Lehrer, gelernt hatte. Als Ganid in seinem späteren Leben von jenem seltsamen Lehrer in Palästina hörte, der seinen Lebensweg an einem Kreuz beendet hatte, erkannte er zwar die Ähnlichkeit zwischen der Botschaft dieses Menschensohnes und den Lehren seines jüdischen Hauslehrers; aber nie wäre es ihm eingefallen, dass diese beiden tatsächlich dieselbe Person waren. Damit endete im Leben des Menschensohnes das Kapitel, das man überschreiben könnte: die Sendung Josuas, des Lehrers ****** Kapitel 134 Die Übergangsjahre ****** WÄHREND der Mittelmeerreise hatte Jesus die Leute, denen er begegnete, und die Länder, durch die er kam, aufmerksam studiert, und ungefähr um diese Zeit gelangte er zur endgültigen Entscheidung für den Rest seines Erdenlebens. Er hatte den Plan, der vorsah, dass er in Palästina von jüdischen Eltern geboren würde, genauestens überdacht und ihm nun endgültig zugestimmt, und deshalb kehrte er ganz bewusst nach Galiläa zurück, um hier den Beginn seines Lebenswerks als öffentlicher Lehrer der Wahrheit abzuwarten. Er ging daran, Pläne für ein öffentliches Wirken im Lande des Volkes seines Vaters Joseph zu entwerfen, und er tat dies aus seinem eigenen freien Willen. Durch persönliche und menschliche Erfahrung hatte Jesus herausgefunden, dass Palästina in der ganzen römischen Welt für die restlichen Kapitel und die Darstellung der Schlussszenen seines irdischen Lebens der geeigneteste Ort war. Es war das erste Mal, dass ihn der Plan voll befriedigte, seine wahre Natur zu offenbaren und seine göttliche Identität vor den Juden und Heiden seines heimatlichen Palästinas aufzudecken. Er entschied endgültig, sein Erdenleben in demselben Land, in dem er seine menschliche Erfahrung als hilfloser Säugling begonnen hatte, zu beschließen und daselbst seinen irdischen Lebensweg abzurunden. Sein Werdegang auf Urantia hatte unter den Juden in Palästina begonnen, und er beschloss, ihn in Palästina und unter den Juden zu beenden. ***** 134.1 Das Dreissigste Jahr (24 n. Chr.) ***** Nach seinem Abschied von Gonod und Ganid in Charax (im Dezember des Jahres 23 n. Chr.) kehrte Jesus über Ur nach Babylon zurück, wo er sich einer Wüstenkarawane anschloss, die nach Damaskus unterwegs war. Von Damaskus ging er nach Nazareth und machte nur wenige Stunden in Kapernaum Halt, um die Familie des Zebedäus kurz zu besuchen. Er traf dort auf seinen Bruder Jakobus, der einige Zeit zuvor herübergekommen war, um an Jesu Stelle in der Bootswerkstatt des Zebedäus zu arbeiten. Nachdem er mit Jakobus und Jude (der sich zufälligerweise ebenfalls in Kapernaum aufhielt) gesprochen und das kleine Haus, das Johannes Zebedäus hatte kaufen können, auf seinen Bruder Jakobus übertragen hatte, ging Jesus weiter nach Nazareth. Am Ende seiner Mittelmeerreise hatte Jesus genug Geld empfangen, um seinen Lebensunterhalt fast bis zum Beginn seines öffentlichen Wirkens zu bestreiten. Aber außer Zebedäus von Kapernaum und den Menschen, denen er während dieser außerordentlichen Reise begegnet war, hat die Welt nie etwas von dieser Unternehmung erfahren. Seine Familie glaubte immer, er habe diese Zeit mit Studien in Alexandria verbracht. Weder bestätigte Jesus diese Annahme, noch bestritt er solche Missverständnisse offen. Während seines mehrwöchigen Aufenthalts in Nazareth besuchte Jesus seine Familie und Freunde und verbrachte einige Zeit mit seinem Bruder Joseph in der Reparaturwerkstatt, widmete seine Aufmerksamkeit aber hauptsächlich Maria und Ruth. Ruth war damals fast fünfzehn Jahre alt, und Jesus hatte zum ersten Mal, seit sie eine junge Frau geworden war, Gelegenheit, mit ihr eingehende Gespräche zu führen. Sowohl Simon als auch Jude wollten seit geraumer Zeit heiraten, aber dies nicht ohne Jesu Einwilligung tun. Also hatten sie diese Ereignisse in der Hoffnung auf die Rückkehr ihres ältesten Bruders hinausgeschoben. Obwohl alle Jakobus in den meisten Angelegenheiten als Familien-oberhaupt betrachteten, so wünschten sie doch den Segen Jesu, wenn es ums Heiraten ging. So feierten Simon und Jude in den frühen Märztagen dieses Jahres 24 n. Chr. eine Doppelhochzeit. Alle älteren Kinder waren nun verheiratet; nur Ruth, die Jüngste, blieb mit Maria zu Hause. Jesus sprach mit den einzelnen Familienmitgliedern ganz normal und natürlich, aber wenn sie alle zusammen waren, hatte er so wenig zu sagen, dass sie unter sich darüber Bemerkungen machten. Vor allem Maria war von diesem ungewöhnlich seltsamen Betragen ihres erstgeborenen Sohnes beunruhigt. Zu dem Zeitpunkt, da Jesus Anstalten machte, Nazareth zu verlassen, traf es sich, dass der Führer einer großen Karawane, die durch die Stadt zog, von einer heftigen Krankheit befallen wurde, und Jesus, vieler Sprachen mächtig, bot sich an, seinen Platz zu übernehmen. Da diese Reise seine Abwesenheit für ein Jahr notwendig machte, und da nun alle seine Geschwister verheiratet waren und seine Mutter mit Ruth zu Hause lebte, berief Jesus einen Familienrat ein und schlug vor, dass seine Mutter mit Ruth das Haus in Kapernaum beziehe, das er vor kurzem Jakobus übergeben hatte. Infolgedessen übersiedelten Maria und Ruth einige Tage, nachdem Jesus mit der Karawane fortgezogen war, nach Kapernaum, wo sie bis an Marias Lebensende das Haus bewohnten, für das Jesus vorgesorgt hatte. Joseph zog mit seiner Familie im alten Heim in Nazareth ein. Dieses Jahr war eines der eher ungewöhnlichen an inneren Erfahrungen des Menschensohnes. Er machte große Fortschritte bei der Erlangung einer funktionierenden Harmonie zwischen seinem menschlichen Verstand und dem ihm innewohnenden Justierer. Dieser hatte aktiv eine Reorganisation seines Denkens vorgenommen und seinen Verstand auf die in nicht ferner Zukunft liegenden großen Ereignisse vorbereitet. Jesu Persönlichkeit stellte sich auf einen großen Wandel in seiner Haltung gegenüber der Welt ein. Es handelte sich um eine Zwischenphase, eine Übergangszeit jenes Wesens, das sein Leben als Gott begann, welcher als Mensch erschien, und sich nun anschickte, seinen irdischen Lebensweg als Mensch zu vollenden, welcher als Gott erschien. ***** 134.2 Die Karawanenreise zum Kaspischen Meer ***** Am 1. April des Jahres 24 n. Chr. verließ Jesus Nazareth mit der Karawane, die in die Gegend des Kaspischen Meeres zog. Die Karawane, der sich Jesus als Führer anschloss, reiste von Jerusalem über Damaskus und den Urmiasee in die südöstliche Gegend des Kaspischen Meeres und durchquerte dabei Assyrien, Medien und Parthien. Ein ganzes Jahr verstrich, bevor Jesus von dieser Reise zurückkehrte. Für ihn war sie ein neues Abenteuer der Erkundung und des persönlichen liebevollen Einsatzes. Er machte mit seiner Karawanenfamilie - Reisenden, Bewachern und Kameltreibern - interessante Erfahrungen. Dutzende von Männern, Frauen und Kindern, die entlang der von der Karawane benutzten Route wohnten, hatten ein reicheres Leben als Folge ihres Kontaktes mit Jesus, der ihnen als außergewöhnlicher Führer einer alltäglichen Karawane erschien. Nicht alle, die seine persönliche Hinwendung erlebten, zogen Nutzen daraus, aber die meisten all jener, die ihm begegneten und mit ihm sprachen, wurden für den Rest ihrer Erdentage bessere Menschen. Von all seinen Fahrten durch die Welt brachte ihn diese Reise zum Kaspischen Meer dem Orient am nächsten und befähigte ihn, die fernöstlichen Völker besser zu verstehen. Er kam mit jeder der überlebenden Rassen Urantias, ausgenommen der roten, in engen und persönlichen Kontakt. Sein persönliches Wirken unter jeder von diesen verschiedenen Rassen und vermischten Völkerschaften machte ihm gleich große Freude, und alle waren sie empfänglich für die lebendige Wahrheit, die er ihnen brachte. Die Europäer des fernen Westens ebenso wie die Asiaten des fernen Ostens schenkten seinen Worten der Hoffnung und des ewigen Lebens Aufmerksamkeit und wurden gleichermaßen beeinflusst durch das Leben liebenden Dienstes und geistiger Zuwendung, das er so gütig unter ihnen lebte. Die Karawanenreise war in jeder Hinsicht ein Erfolg. Sie war im Erdenleben Jesu eine höchst interessante Episode, war er doch während dieses Jahres in leitender Stellung tätig; denn er war für die ihm anvertrauten Sachgüter und das sichere Geleit der mit der Karawane Reisenden verantwortlich. Und er erfüllte seine mannigfaltigen Pflichten höchst zuverlässig, sachkundig und weise. Auf seiner Rückkehr von der kaspischen Gegend gab Jesus die Leitung der Karawane am Urmiasee ab, wo er sich etwas länger als zwei Wochen aufhielt. Er kehrte als Reisender mit einer späteren Karawane nach Damaskus zurück, wo die Eigentümer der Kamele ihn baten, in ihren Diensten zu bleiben. Jesus lehnte dieses Angebot ab und reiste mit dem Karawanenzug nach Kapernaum weiter, wo er am 1. April 25 n. Chr. ankam. Er betrachtete Nazareth nicht mehr als sein Zuhause. Das Heim von Jesus, Jakobus, Maria und Ruth war nun Kapernaum. Aber Jesus lebte nie wieder mit seiner Familie zusammen. Wenn er in Kapernaum war, wohnte er bei der Familie des Zebedäus. ***** 134.3 Die Vorlesungen in Urmia ***** Unterwegs zum Kaspischen Meer hatte sich Jesus zur Ruhe und Erholung mehrere Tage in der alten persischen Stadt Urmia am westlichen Ufer des Urmiasees aufgehalten. Auf der größten einer Anzahl von Inseln in der Nähe Urmias und nicht weit von der Küste entfernt befand sich ein großes Gebäude - ein Amphitheater für Vorlesungen -, das dem "Geist der Religion" gewidmet war. Der Bau war in der Tat ein Tempel der Religionsphilosophie. Diesen Tempel der Religion hatten ein reicher Kaufmann und Bürger von Urmia und dessen drei Söhne erbaut. Er hieß Kymboyton und zählte zu seinen Vorfahren Abkömmlinge verschiedener Völker. In dieser Religionsschule begannen die Vorlesungen und Diskussionen an jedem Wochentag um zehn Uhr vormittags. Die Nachmittagssitzungen fingen um drei Uhr an, und die Abenddebatten wurden um acht eröffnet. Stets leiteten Kymboyton oder einer seiner drei Söhne diese Lehrgänge, Diskussionen und Debatten. Der Gründer dieser einzigartigen Religionsschule lebte und starb, ohne je seinen persönlichen religiösen Glauben erkennen zu lassen. Mehrmals nahm Jesus an diesen Diskussionen teil, und bevor er Urmia verließ, kam Kymboyton mit ihm überein, auf seiner Rückreise vierzehn Tage bei ihnen zu verbringen und vierundzwanzig Vorlesungen über "die Bruderschaft der Menschen" zu halten sowie zwölf Abendsitzungen zu leiten mit Fragen, Diskussionen und Debatten über seine Vorlesungen im Besonderen und die Bruderschaft der Menschen im Allgemeinen. Getreu dieser Vereinbarung machte Jesus auf seinem Rückweg Zwischenstation und hielt die Vorlesungen. Das war der systematischste und formellste Unterricht, den Jesus je auf Urantia gab. Nie zuvor oder danach sagte er so viel über ein einzelnes Thema wie während dieser Vorlesungen und Diskussionen über die Bruderschaft der Menschen. In Wahrheit behandelten diese Vorlesungen "das Königreich Gottes" und "die Königreiche der Menschen". Mehr als dreißig Religionen und religiöse Kulte waren an der Fakultät dieses Tempels der Religionsphilosophie vertreten. Die Lehrer wurden von ihrer jeweiligen religiösen Gruppe ausgewählt, unterhalten und mit Vollmacht ausgestattet. Zu jener Zeit wirkten ungefähr fünfundsiebzig Lehrer an der Fakultät, und sie lebten in kleinen Häusern, die jeweils etwa zwölf Personen Unterkunft gewährten. Mit jedem Neumond wurden diese Gruppen durch das Los ausgewechselt. Intoleranz, Streitsucht oder jedes andere dem friedlichen Zusammenleben der Gemeinschaft abträgliche Verhalten hatte die sofortige und fristlose Entlassung des sich verfehlenden Lehrers zur Folge. Er wurde ohne Umschweife entlassen und an seiner Stelle unverzüglich ein bereitstehender Stellvertreter eingesetzt. Diese Lehrer der verschiedenen Religionen unternahmen große Anstrengungen, um zu zeigen, wie ähnlich ihre Religionen bezüglich der fundamentalen Dinge dieses Lebens und des nächsten waren. Es gab nur einen einzigen Grundsatz, der eingehalten werden musste, wenn man einen Sitz an dieser Fakultät erlangen wollte: Jeder Lehrer musste eine Religion vertreten, die Gott oder so etwas wie eine höchste Gottheit anerkannte. Es gab an der Fakultät fünf unabhängige Lehrer, die keine organisierte Religion vertraten, und als solch ein unabhängiger Lehrer erschien Jesus vor ihnen. [Als wir Mittler zuerst eine Zusammenfassung von Jesu Unterweisungen in Urmia machten, kam es zwischen den Seraphim der Kirchen und den Seraphim des Fortschritts zu einer Meinungsverschiedenheit darüber, ob es weise sei, diese Lehren in die Offenbarung an Urantia mit einzubeziehen. Die in der Religion und den menschlichen Regierungen des zwanzigsten Jahrhunderts vorherrschenden Bedingungen unterscheiden sich so stark von jenen zur Zeit Jesu, dass es tatsächlich Schwierigkeiten bereitete, des Meisters Lehren in Urmia auf die Probleme des Königreichs Gottes und der Königreiche der Menschen zu übertragen, wie sich diese Weltfunktionen im zwanzigsten Jahrhundert darstellen. Es gelang uns nie, für die Lehren des Meisters eine Formulierung zu finden, die für beide seraphischen Gruppen der planetarischen Regierung zugleich annehmbar gewesen wäre. Schließlich ernannte der der Offenbarungskommission vorsitzende Melchisedek drei von uns, um unsere Sicht der den religiösen und politischen Bedingungen des zwanzigsten Jahrhunderts auf Urantia angepassten Lehren des Meisters in Urmia vorzubereiten. Also stellten wir drei sekundären Mittler eine derartige Adaptation der Lehren Jesu fertig und fassten seine Erklärungen so ab, wie wir sie auf die gegenwärtigen Weltverhältnisse anwenden würden. Wir präsentieren nun diese Erklärungen in der Form, wie sie nach der Überarbeitung durch den Melchisedek, den Vorsitzenden der Offenbarungskommission, vorliegen.] ***** 134.4 Göttliche und menschliche Souveränität ***** Die Bruderschaft der Menschen gründet auf der Vaterschaft Gottes. Die Familie Gottes entstammt der Liebe Gottes - Gott ist Liebe. Gott, der Vater liebt alle seine Kinder auf göttliche Weise. Das Königreich des Himmels, die göttliche Regierung, gründet sich auf die Tatsache der göttlichen Souveränität - Gott ist Geist. Da Gott Geist ist, ist dieses Königreich geistiger Natur. Das Königreich des Himmels ist weder materiell noch lediglich intellektuell; es ist eine geistige Beziehung zwischen Gott und Mensch. Wenn verschiedene Religionen die geistige Souveränität Gottes, des Vaters anerkennen, werden alle diese Religionen untereinander in Frieden leben. Nur wenn eine Religion für sich in Anspruch nimmt, allen anderen irgendwie überlegen zu sein und über andere Religionen eine ausschließliche Autorität zu besitzen, wird sie sich anmaßen, ihnen gegenüber unduldsam zu sein, oder es wagen, Andersgläubige zu verfolgen. Religiösen Frieden - Brüderlichkeit - kann es niemals geben, wenn nicht alle Religionen willens sind, jede kirchliche Autorität vollständig abzulegen und jeden Gedanken an geistige Souveränität völlig aufzugeben. Gott allein ist geistiger Souverän. Es kann keine Gleichheit unter den Religionen (religiöse Freiheit) ohne Religionskriege geben, solange nicht alle Religionen der Übertragung aller religiösen Souveränität auf eine über-menschliche Ebene, auf Gott selber, zustimmen. Das Königreich des Himmels in den Herzen der Menschen wird religiöse Einheit (nicht notwendigerweise Uniformität) schaffen, weil alle aus solchen Gläubigen zusammengesetzten religiösen Gruppen von jeder Vorstellung kirchlicher Autorität - religiöser Souveränität - frei sein werden. Gott ist Geist, und er schenkt ein Fragment seines geistigen Selbst, damit es das Menschenherz bewohne. Geistig betrachtet, sind alle Menschen gleich. Das Königreich des Himmels kennt keine Kasten, Klassen, sozialen Abstufungen und wirtschaftlichen Gruppierungen. Ihr seid alle Brüder. Aber in dem Augenblick, in dem ihr die geistige Souveränität Gottes, des Vaters, aus den Augen verliert, wird irgendeine Religion damit beginnen, ihre Überlegenheit gegenüber anderen Religionen zu behaupten; und anstelle von Frieden auf Erden und gutem Willen unter den Menschen werden dann Zwistigkeiten, gegenseitige Beschuldigungen und sogar religiöse Kriege, zum mindesten Kriege zwischen religiösen Eiferern, entstehen. Mit freiem Willen begabte Wesen, die sich als Gleiche sehen, es aber versäumen, sich gegenseitig als einer höchsten Souveränität untergeordnet zu betrachten - einer Autorität weit über ihnen - werden früher oder später in Versuchung geraten, ihre Fähigkeit zu erproben, Macht und Autorität über andere Personen und Gruppen zu erlangen. Das Konzept der Gleichheit bringt nie Frieden außer bei allseitiger Anerkennung einer die oberste Kontrolle ausübenden höchsten Souveränität. Die Religionsvertreter von Urmia lebten vergleichsweise friedlich und ruhig miteinander, da sie ihre Vorstellungen von religiöser Souveränität völlig aufgegeben hatten. In geistiger Hinsicht glaubten sie alle an einen souveränen Gott; auf sozialer Ebene ruhte die ganze unantastbare Autorität in den Händen ihres Oberhauptes - Kymboyton. Sie wussten genau, was mit jedem Lehrer geschehen würde, der sich anmaßte, gegenüber seinen Kollegen den Herrn zu spielen. Es kann auf Urantia keinen dauerhaften religiösen Frieden geben, solange nicht alle religiösen Gruppen aus freien Stücken all ihre Vorstellungen von göttlicher Gunst, auserwähltem Volk und religiöser Souveränität aufgegeben haben. Nur wenn Gott der Vater an die höchste Stelle rückt, werden die Menschen religiöse Brüder werden und zusammen in religiösem Frieden auf Erden leben. ***** 134.5 Politische Souveränität ***** [Während des Meisters Lehre über die Souveränität Gottes eine Wahrheit darstellt - die nur durch das spätere Auftreten der Religion über ihn unter den Weltreligionen kompliziert wurde -, hat sich die politische Souveränität, wie er sie darlegte, durch die politische Entwicklung des nationalen Lebens während der letzten neunzehnhundert Jahre gewaltig kompliziert. Zu Jesu Zeit gab es nur zwei große Weltmächte - das Römische Kaiserreich im Westen und das Han Kaiserreich im Osten - und diese beiden waren durch das Königreich der Parther und andere dazwischen liegende Länder der kaspischen Region und Turkestans weit voneinander getrennt. Wir haben uns deshalb in der folgenden Darstellung weiter von der Substanz der Urmia-Lehren des Meisters über politische Souveränität entfernt, aber zugleich versucht, die Wichtigkeit solcher Lehren in ihrer Anwendung auf das besonders kritische Stadium der Entwicklung der politischen Souveränität im zwanzigsten Jahrhundert nach Christus zu veranschaulichen.] Es wird solange Krieg auf Urantia geben, wie die Nationen sich an die illusorischen Vorstellungen von unbeschränkter nationaler Souveränität klammern. Es gibt nur zwei Ebenen relativer Souveränität auf einer bewohnten Welt: der geistige freie Wille des einzelnen Sterblichen und die kollektive Souveränität der Menschheit als Ganzes. Zwischen der Ebene des individuellen menschlichen Wesens und der Ebene der gesamten Menschheit sind alle Gruppierungen und Verbindungen relativ, vorübergehend und nur insofern von Wert, als sie der Wohlfahrt, dem Wohlbefinden und dem Fortschritt des Einzelnen und des großen planetarischen Ganzen - des Menschen und der Menschheit - förderlich sind. Die religiösen Lehrer sollten sich immer daran erinnern, dass die geistige Souveränität Gottes Vorrang hat vor allen dazwischentretenden, intermediären geistigen Loyalitäten. Eines Tages werden die zivilen Regierenden lernen, dass die Allerhöchsten die Reiche der Menschen regieren. Diese Regentschaft der Allerhöchsten in den Reichen der Menschen geschieht nicht zum besonderen Nutzen einer besonders begünstigten Gruppe Sterblicher. So etwas wie ein "auserwähltes Volk" gibt es nicht. Die Regierung der Allerhöchsten, der Oberaufseher über die politische Evolution, hat die alle Menschen einbeziehende Aufgabe, das größtmögliche Wohl der größten Zahl auf die längstmögliche Zeit hinaus zu fördern. Souveränität ist Macht und wächst durch Organisation. Dieses Wachstum der Organisation der politischen Macht ist gut und zweckmäßig, denn es hat die Tendenz, immer größer werdende Teile der gesamten Menschheit zu umfassen. Aber eben dieses Wachstum der politischen Organisationen schafft ein Problem auf jeder Zwischenstufe zwischen der ursprünglichen und natürlichen Organisation der politischen Macht - der Familie - und der endgültigen Erfüllung politischen Wachstums - der Regierung der ganzen Menschheit durch die ganze Menschheit und für die ganze Menschheit. Die politische Souveränität, die mit der elterlichen Autorität in der Familiengruppe beginnt, wächst durch Organisation auf Grund der Verflechtung der Familien zu blutsverwandten Sippen, die sich aus verschiedenen Gründen zu Stammeseinheiten - über die Blutsverwandtschaft hinausreichende politische Gruppierungen - zusammenschließen. Und nachher werden die Stämme durch Handel, Geschäftsverkehr und Eroberung zu einer Nation vereinigt, während die Nationen ihrerseits manchmal in einem Großreich zusammengefasst werden. Wenn die Souveränität von kleineren auf größere Gruppen übergeht, werden Kriege seltener. Das heißt, kleinere Kriege zwischen kleineren Nationen werden seltener, aber die Möglichkeit größerer Kriege erhöht sich, wenn die die Souveränität ausübenden Nationen immer größer werden. Bald, wenn die ganze Welt erforscht und in Besitz genommen ist, wenn es wenige starke und mächtige Nationen gibt, wenn diese großen und angeblich souveränen Nationen mit den Grenzen aneinander stoßen oder nur Ozeane sie voneinander trennen, dann sind die Voraussetzungen für größere Kriege - weltweite Konflikte - gegeben. So genannte souveräne Nationen können nicht miteinander in Fühlung sein, ohne Konflikte heraufzubeschwören und Kriege auszulösen. Die Schwierigkeit bei der Entwicklung der politischen Souveränität von der Familie zur ganzen Menschheit liegt im Trägheitswiderstand, der sich auf allen Zwischenstufen bemerkbar macht. Familien haben sich gelegentlich ihrer Sippe widersetzt, während Sippen und Stämme oft die Souveränität des Territorialstaates untergraben haben. Jeder neue Schritt in der Vorwärtsentwicklung politischer Souveränität wird (und wurde immer) erschwert und behindert durch die "Baugerüstphasen" der vorausgehenden Entwicklungen politischer Organisation. Und dem ist so, weil menschliche Loyalität, wenn sie einmal mobilisiert ist, schwer zu ändern ist. Dasselbe Treueverhältnis, das die Stammesentwicklung ermöglicht, macht die Entwicklung des Über-Stammes, des Territorialstaates, schwierig. Und dieselbe Treue (Patriotismus), die die Entwicklung des Territorialstaates ermöglicht, kompliziert gewaltig die evolutionäre Bildung einer Regierung für die ganze Menschheit. Politische Souveränität entsteht aus dem Aufgeben der Selbstbestimmung, zunächst durch den Einzelnen in der Familie und dann durch die Familien und Sippen in Beziehung zum Stamm und größeren Gruppierungen. Diese fortlaufende Übertragung von Selbstbestimmung von kleineren an immer umfassendere politische Organisationen erfolgte im Osten seit der Errichtung der Dynastien der Ming und Moguln im Allgemeinen unvermindert. Im Westen geschah dies über tausend Jahre bis zum Ende des ersten Weltkrieges. Dann bewirkte eine unglückselige rückläufige Bewegung durch die Wiederherstellung der untergegangenen politischen Souveränität zahlreicher kleiner Gruppen in Europa vorübergehend eine Umkehrung dieses normalen Laufs der Dinge. Urantia wird sich nicht eher eines dauerhaften Friedens erfreuen, als bis die so genannten souveränen Nationen ihre souveräne Macht einsichtsvoll und vollkommen in die Hände der Bruderschaft der Menschen - der Regierung der Menschheit - gelegt haben. Internationalismus - Völkerbünde - vermögen der Menschheit nie dauernden Frieden zu bringen. Weltweite Staatenbündnisse werden kleinere Kriege wirksam verhindern und die kleineren Nationen genügend unter Kontrolle halten, aber sie werden Weltkriege nicht verhindern, noch die drei, vier oder fünf mächtigsten Regierungen in Schranken halten. Angesichts wirklicher Konflikte wird eine dieser Weltmächte den Völkerbund verlassen und den Krieg erklären. Man kann die Nationen nicht am Kriegführen hindern, solange sie von dem trügerischen Virus nationaler Souveränität befallen sind. Internationalismus ist ein Schritt in die richtige Richtung. Eine internationale Ordnungsmacht wird viele kleinere Kriege verhindern, aber scheitern, wenn es um die Abwendung von Großkriegen, Konflikten zwischen den großen Militärmächten der Erde geht. Je kleiner die Zahl der wirklich souveränen Nationen (der Großmächte) wird, umso mehr nehmen Opportunität und Notwendigkeit einer Menschheitsregierung zu. Wenn es nur noch wenige wirklich souveräne (große) Mächte gibt, müssen sie sich entweder in einen Kampf auf Leben und Tod um die nationale (imperiale) Überlegenheit stürzen, oder aber durch freiwillige Preisgabe gewisser Vorrechte der Souveränität den wesentlichen Kern übernationaler Macht begründen, der als Ausgangspunkt für die wahre Souveränität der ganzen Menschheit dienen wird. Friede wird auf Urantia erst einkehren, wenn alle so genannten souveränen Nationen ihre Macht, Krieg zu führen, in die Hände einer die ganze Menschheit repräsentierenden Regierung gelegt haben. Politische Souveränität liegt in der Natur der Völker der Welt. Wenn alle Völker Urantias eine Weltregierung bilden, haben sie das Recht und die Macht, eine solche Regierung SOUVERÄN zu machen; und wenn eine solche repräsentative oder demokratische Weltmacht Land-, Luft-und Seestreitkräfte kontrolliert, dann können Friede auf Erden und guter Wille unter den Menschen die Oberhand gewinnen - aber nicht eher. Um ein wichtiges Beispiel aus dem neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert heranzuziehen: Die achtundvierzig Staaten des amerikanischen Bundesstaates erfreuen sich seit langem des Friedens. Sie haben keine Kriege mehr untereinander. Sie haben ihre Souveränität an die Bundesregierung abgetreten, und durch das Kriegsschiedsgericht haben sie auf alle Ansprüche auf das trügerische Selbstbestimmungsrecht verzichtet. Zwar regelt jeder Staat seine inneren Angelegenheiten, hat aber nichts zu tun mit auswärtigen Beziehungen, Zoll, Immigration, militärischen Angelegenheiten oder zwischenstaatlichem Handel. Ebenso wenig befassen sich die einzelnen Staaten mit Belangen der Staatsbürgerschaft. Die achtundvierzig Staaten leiden unter Kriegsauswirkungen nur, wenn die Souveränität der Bundesregierung irgendwie auf dem Spiel steht. Diese achtundvierzig Staaten haben von den Zwillings-Sophismen der Souveränität und Selbstbestimmung Abstand genommen und erfreuen sich der Ruhe und des zwischenstaatlichen Friedens. In derselben Weise werden die Nationen Urantias in den Genuss des Friedens kommen, wenn sie ihre jeweilige Souveränität bereitwillig einer Weltregierung abtreten - der Souveränität der Bruderschaft der Menschen. In diesem Weltstaat werden die kleinen Nationen ebenso mächtig sein wie die großen, gerade wie der kleine Staat Rhode Island seine zwei Senatoren genauso in den amerikanischen Kongress entsendet wie der volkreiche Staat New York oder der große Staat Texas. Die begrenzte (Staats-)Souveränität dieser achtundvierzig Staaten wurde von Menschen für Menschen geschaffen. Die überstaatliche (nationale) Souveränität des amerikanischen Bundesstaates wurde von den ursprünglichen dreizehn Staaten zu ihrem eigenen Nutzen und zum Nutzen der Menschen geschaffen. Eines Tages wird die übernationale Souveränität der planetarischen Regierung der ganzen Menschheit in derselben Weise von den Nationen zu ihrem eigenen Nutzen und zum Nutzen aller Menschen ins Leben gerufen werden. Die Bürger werden nicht zum Nutzen der Regierungen geboren; die Regierungen sind Organisationen, die zum Nutzen der Menschen geschaffen und erdacht werden. Erst das Aufkommen einer Regierung der Souveränität aller Menschen kann die Entwicklung der politischen Souveränität zum Abschluss bringen. Alle anderen Souveränitäten haben relativen Wert, vorübergehende Bedeutung und untergeordneten Rang. Mit dem wissenschaftlichen Fortschritt werden die Kriege immer verheerender, bis sie für die Rasse beinahe Selbstmord bedeuten. Wie viele Weltkriege müssen noch ausgefochten werden und wie viele Völkerbünde fehlschlagen, bevor die Menschen willig werden, eine Menschheitsregierung zu errichten, und beginnen, die Segnungen eines permanenten Friedens zu genießen und in Ruhe zu gedeihen dank dem guten Willen - dem weltweiten guten Willen - unter den Menschen? ***** 134.6 Gesetz, Freiheit und Souveränität ***** Wenn ein einzelner Mensch Freiheit - Unabhängigkeit - begehrt, dann sollte er sich daran erinnern, dass alle anderen Menschen sich nach derselben Freiheit sehnen. Gruppen von solchen freiheitsliebenden Sterblichen können miteinander nicht in Frieden leben, ohne sich Gesetzen, Regeln und Verfügungen unterzuordnen, die jeder Person denselben Freiheitsgrad zugestehen, gleichzeitig aber auch allen ihren Mitmenschen einen ebenso hohen Freiheitsgrad gewährleisten. Wollte ein Mensch absolut frei sein, dann müsste ein anderer ein absoluter Sklave werden. Und die relative Natur der Freiheit ist im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich ebenso wahr wie im politischen. Die Freiheit ist das Geschenk der Zivilisation, das auf der Durchsetzung des GESETZES beruht. Die Religion ermöglicht die geistige Verwirklichung der Bruderschaft der Menschen; aber um die mit dem Ziel menschlichen Glücks und menschlicher Leistungsfähigkeit verbundenen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme zu regeln, bedarf es einer Menschheitsregierung. Es wird so lange Kriege und Kriegsgerüchte geben - eine Nation wird sich gegen die andere erheben - wie die politische Souveränität der Welt aufgeteilt bleibt und zu Unrecht von einer Gruppe von Nationalstaaten beansprucht wird. England, Schottland und Wales bekämpften sich ständig, bis sie ihre jeweiligen Souveränitäten aufgaben und diese auf das Vereinigte Königreich übertrugen. Ein weiterer Weltkrieg wird die sogennanten souveränen Nationen lehren, eine Art Föderation zu bilden und damit den Mechanismus zur Verhinderung kleiner Kriege zwischen unbedeutenderen Nationen zu schaffen. Aber globale Kriege wird es solange geben, bis die Regierung der Menschheit gebildet ist. Nichts anderes als globale Souveränität kann globale Kriege verhindern. Die achtundvierzig freien amerikanischen Staaten leben miteinander in Frieden. Unter den Bürgern dieser achtundvierzig Staaten gibt es all die verschiedenen Nationalitäten und Rassen, die in den sich ständig befehdenden Staaten Europas leben. Diese Amerikaner repräsentieren so ziemlich alle Religionen, religiösen Sekten und Kulte der ganzen weiten Welt, und doch leben sie hier in Nordamerika friedlich zusammen. All dies ist dadurch möglich geworden, dass diese achtundvierzig Staaten ihre Souveränität aufgegeben und auf alle Vorstellungen von angeblichen Selbstbestimmungsrechten verzichtet haben. Es ist keine Frage der Bewaffnung oder Abrüstung. Ebenso wenig hat die Frage der Aushebung oder des freiwilligen Militärdienstes mit diesen Problemen der Erhaltung eines weltweiten Friedens zu tun. Wenn man starken Nationen jede Form moderner mechanischer Bewaffnung und jede Art Sprengstoff wegnähme, würden sie mit Fäusten, Steinen und Keulen aufeinander losgehen, solange sie sich an die Illusion von einem göttlichen Recht auf nationale Souveränität klammern. Krieg ist keine große und schreckliche Krankheit der Menschen; Krieg ist ein Symptom, ein Resultat. Die wahre Krankheit ist der Virus der nationalen Souveränität. Die Nationen Urantias haben nie wirkliche Souveränität besessen; sie haben nie über eine Souveränität verfügt, die sie gegen die Verheerungen und Verwüstungen von Weltkriegen hätte schützen können. Durch die Bildung einer globalen Menschheitsregierung geben die Nationen weniger ihre Souveränität preis, als dass sie tatsächlich eine wirkliche, vertrauenswürdige und dauernde Weltsouveränität ins Leben rufen, die absolut fähig ist, sie vor allem Krieg zu schützen. Lokale Angelegenheiten werden durch lokale Regierungen behandelt werden, nationale Angelegenheiten durch nationale Regierungen und internationale Angelegenheiten durch die globale Regierung. Der Weltfriede kann weder durch Abkommen, Diplomatie, Außenpolitik, Allianzen und Gleichgewichtspolitik aufrechterhalten werden noch durch irgendein anderes behelfsmäßiges Jonglieren mit der Souveränität der Nationalismen. Ein Weltgesetz muss geschaffen und von einer Weltregierung - der Souveränität der ganzen Menschheit - durchgesetzt werden. Der Einzelne wird unter einer Weltregierung weit größere Freiheit genießen. Heutzutage werden die Bürger der Großmächte fast tyrannisch besteuert, reglementiert und kontrolliert, aber von der gegenwärtigen Beeinträchtigung der individuellen Freiheiten wird vieles verschwinden, sobald die nationalen Regierungen gewillt sind, ihre Souveränität, was internationale Angelegenheiten betrifft, in die Hände einer Weltregierung zu legen. Unter einer Weltregierung werden die nationalen Gruppen eine echte Gelegenheit erhalten, die persönlichen Freiheiten einer wahren Demokratie zu verwirklichen und zu genießen. Mit dem Irrtum der Selbstbestimmung wird es zu Ende sein. Dank der globalen Regelung von Geld und Handel wird eine neue Ära weltweiten Friedens anbrechen. Möglicherweise wird sich bald eine globale Sprache entwickeln, und es besteht wenigstens einige Hoffnung, eines Tages auch eine globale Religion zu haben - oder Religionen mit einer globalen Sichtweise. Die kollektive Sicherheit wird nie Frieden gewähren, solange die Kollektivität nicht die ganze Menschheit umfasst. Die politische Souveränität einer repräsentativen Menschheitsregierung wird der Erde dauernden Frieden bringen, und die geistige Bruderschaft der Menschen wird für immer den guten Willen unter allen Menschen sichern. Es gibt keinen anderen Weg, um den Frieden auf Erden und den guten Willen unter den Menschen zu verwirklichen. * * * * * Nach Kymboytons Tod hatten es seine Söhne außerordentlich schwer, den Frieden an der Fakultät aufrecht zu erhalten. Die Auswirkungen der Lehren Jesu wären viel größer gewesen, wenn die späteren christlichen Lehrer, die sich der Fakultät von Urmia anschlossen, mehr Weisheit an den Tag gelegt und mehr Toleranz geübt hätten. Der älteste Sohn Kymboytons hatte Abner in Philadelphia um Hilfe gebeten, aber Abner war äußerst unglücklich bei der Auswahl der Lehrer, da diese sich in der Folge als unnachgiebig und kompromisslos erwiesen. Diese Lehrer versuchten, die anderen Glaubensbekenntnisse mit ihrer Religion zu dominieren. Sie vermuteten nie, dass die Vorträge des Karawanenführers, auf die man sich oft bezog, von Jesus selber gehalten worden waren. Als das Durcheinander an der Fakultät zunahm, entzogen ihr die drei Brüder die finanzielle Unterstützung und fünf Jahre danach schloss die Schule. Später wurde sie als Mithrastempel wieder eröffnet und brannte schließlich während eines ihrer orgiastischen Feste nieder. ***** 134.7 Das Einunddreissigste Jahr (25 n. Chr.) ***** Als Jesus vom Kaspischen Meer heimkehrte, wusste er, dass die Zeit seiner Reisen durch die Welt so gut wie zu Ende war. Er begab sich nur noch einmal ausserhalb Palästinas, und zwar nach Syrien. Nach einem kurzen Halt in Kapernaum ging er nach Nazareth, wo er sich einige Tage zu Besuch aufhielt. Mitte April reiste er von Nazareth nach Tyrus ab. Von hier machte er sich nach Norden auf und verweilte einige Tage in Sidon, aber sein Reiseziel war Antiochia. Es ist das Jahr der einsamen Wanderungen Jesu durch Palästina und Syrien. Während dieses Reisejahres kannte man ihn in verschiedenen Landesteilen unter verschiedenen Namen: als Zimmermann von Nazareth, als Bootsbauer von Kapernaum, als Schreiber von Damaskus und als Lehrer von Alexandria. Über zwei Monate verbrachte der Menschensohn in Antiochia, arbeitete, beobachtete, studierte, machte Besuche, sprach den Menschen zu und lernte dabei, wie der Mensch lebt, wie er denkt, fühlt und auf die Umwelt seiner menschlichen Existenz reagiert. Während dieser Zeit arbeitete er drei Wochen lang als Zeltmacher. In Antiochia blieb er länger als an irgendeinem anderen auf dieser Reise besuchten Ort. Als der Apostel Paulus zehn Jahre später in Antiochia predigte und seine Anhänger von den Lehren des Schreibers von Damaskus sprechen hörte, ahnte er nicht, dass seine Schüler die Stimme des Meisters selber gehört und seinen Unterweisungen gelauscht hatten. Von Antiochia zog Jesus südwärts die Küste entlang nach Cäsarea, wo er sich einige Wochen aufhielt, bevor er die Küste hinunter nach Joppe weiterwanderte. Von hier ging er landeinwärts nach Jamnia, Aschdod und Gaza. Von Gaza führte ihn sein Weg ins Landesinnere nach Beerscheba, wo er eine Woche lang verweilte. Jetzt begab sich Jesus auf seine letzte Wanderung als Privatmensch von Beerscheba im Süden mitten durch Palästina nach Dan im Norden. Auf dieser Reise nach Norden machte er Halt in Hebron, Bethlehem (wo er seine Geburtsstätte sah), Jerusalem (ohne Besuch in Bethanien), Beerot, Lebona, Sychar, Sichem, Samarien, Geba, En-Gannim, Endor und Madon; über Magdala und Kapernaum wanderte er nordwärts, ging östlich an den Gewässern von Meron vorbei und gelangte über Karata nach Dan oder Cäsarea Philippi. Der ihm innewohnende Gedankenjustierer wies Jesus nun an, die Wohnstätten der Menschen zu verlassen und sich auf den Berg Hermon zu begeben, um hier das Werk der Meisterung seines menschlichen Verstandes zu vollenden und die letzte Anstrengung zur völligen Hingabe an sein restliches Lebenswerk auf Erden zu machen. Das war einer von den ganz außergewöhnlichen Abschnitten im Erdenleben des Meisters auf Urantia. Ein anderer und sehr ähnlicher war jene Erfahrung, die er allein in den Bergen bei Pella gleich nach seiner Taufe machte. Die Zeit dieser Isolierung auf dem Berg Hermon markierte den Abschluss seines rein menschlichen Werdegangs und bedeutete formal die Beendigung seiner menschlichen Selbsthingabe, während die spätere Isolierung die mehr göttliche Phase der Selbsthingabe einleitete. Sechs Wochen lang lebte Jesus allein mit Gott auf den Hängen des Berges Hermon. ***** 134.8 Der Aufenthalt auf dem Berg Hermon ***** Nachdem er sich einige Zeit in der Nachbarschaft von Cäsarea-Philippi aufgehalten hatte, deckte sich Jesus mit Vorräten ein, besorgte ein Lasttier und einen Burschen namens Tiglath und ging dann auf der Straße nach Damaskus weiter bis zu einem ehemals Beit Jenn genannten Dorf in den Ausläufern des Bergs Hermon. Hier schlug er um die Augustmitte des Jahres 25 n. Chr. sein Hauptlager auf, ließ seine Vorräte in der Obhut Tiglaths und stieg die einsamen Hänge des Berges hinauf. An diesem ersten Tag begleitete Tiglath ihn noch bis zu einem bestimmten Punkt ca. 2 000 Meter über dem Meeresspiegel, wo sie ein Steinhäuschen errichteten, in das Tiglath zweimal in der Woche Nahrung zu legen hatte. Nachdem er Tiglath zurückgelassen hatte, stieg Jesus an diesem ersten Tag nur wenig höher und hielt dann an, um zu beten. Unter anderem bat er seinen Vater darum, seinen Schutzengel zurückzuschicken, um "bei Tiglath zu sein". Er bat um die Erlaubnis, für seine letzte Auseinandersetzung mit den Realitäten der sterblichen Existenz allein in die Höhe hinaufzugehen, und seiner Bitte wurde stattgegeben. In diese große Prüfung ging er lediglich mit seinem ihm innewohnenden Justierer als Führer und Beistand. Jesus aß während dieser Zeit auf dem Berg nur spärlich, fastete aber höchstens einen bis zwei Tage auf einmal. Die übermenschlichen Wesen, die ihm auf diesem Berg gegenübertraten, mit denen er im Geiste rang und deren Macht er besiegte, existierten wirklich; sie waren seine Erzfeinde im System von Satania; sie waren keine aus der Einbildung geborenen Hirngespinste, die den intellektuellen Phantastereien eines geschwächten und ausgehungerten Sterblichen entsprungen wären, der die Wirklichkeit nicht mehr von den Visionen eines verwirrten Geistes zu unterscheiden vermochte. Jesus verbrachte die letzten drei Augustwochen und die ersten drei Septemberwochen auf dem Berg Hermon. In dieser Zeit beendete er die Aufgabe des Sterblichen, die darin besteht, die Kreise intellektuellen Verstehens und persönlicher Beherrschung zu bewältigen. Während dieser Zeit des Verkehrs mit seinem himmlischen Vater schloss auch der innewohnende Justierer die ihm übertragenen Dienste ab. Das sterbliche Ziel dieses irdischen Geschöpfes war damit erreicht. Es galt jetzt nur noch, die abschließende Phase der Harmonisierung von Verstand und Justierer zu vollbringen. Nach über fünfwöchiger ununterbrochener Verbindung mit seinem Paradies-Vater gelangte Jesus zu absoluter Gewissheit hinsichtlich seiner Natur und seines sicheren Triumphs über die materiellen Ebenen der zeit- und raumgebundenen Persönlichkeitsmanifestation. Er glaubte zutiefst an die Herrschaft seiner göttlichen Natur über seine menschliche Natur und zögerte nicht, diesen Anspruch geltend zu machen. Kurz vor dem Ende seines Aufenthaltes auf dem Berg bat Jesus seinen Vater um die Erlaubnis, als der Menschensohn, als Josua ben Joseph mit seinen Feinden von Satania eine Zusammenkunft zu haben. Diesem Ersuchen wurde entsprochen. Die große Versuchung, die Prüfung von universeller Tragweite, fand in der letzten Woche auf dem Berg Hermon statt. Satan (als Vertreter Luzifers) und der rebellische planetarische Fürst Caligastia hielten sich in Jesu Gegenwart auf und wurden ihm gänzlich sichtbar gemacht. Aber diese "Versuchung", diese abschließende Prüfung menschlicher Loyalität angesichts der Verdrehungen rebellischer Persönlichkeiten hatte weder etwas mit Nahrung, noch mit Tempelzinnen oder anmaßenden Handlungen zu tun. Sie hatte nichts mit den Reichen dieser Welt zu tun, wohl aber mit der Souveränität eines mächtigen und glorreichen Universums. Der Symbolismus eurer Schriften wandte sich an die kindliche Denkweise der rückständigen Zeiten der Welt. Aber spätere Generationen sollten verstehen, welch gewaltigen Kampf der Menschensohn an jenem denkwürdigen Tag auf dem Berg Hermon durchstand. Auf die vielen Vorschläge und Gegenvorschläge der Abgesandten Luzifers hatte Jesus nur eine Antwort: "Möge der Wille meines Vaters im Paradies siegen, und mögen die Ältesten der Tage dich, meinen rebellischen Sohn, nach göttlichem Recht richten. Ich bin dein Schöpfer-Vater; ich kann kaum gerecht über dich urteilen, und meine Milde hast du bereits verschmäht. Ich übergebe dich den Richtern eines größeren Universums zur Aburteilung." Zu den von Luzifer eingeflüsterten Kompromissen und Auswegen, zu all den trügerischen Vorschlägen bezüglich der Selbsthingabe in Menschengestalt gab Jesus nur zur Antwort: "Der Wille meines Vaters im Paradies geschehe." Und als die schwere Prüfung vorüber war, kehrte der abbeorderte Schutzengel an Jesu Seite zurück und stärkte ihn. An einem Spätsommernachmittag, von Bäumen umstanden in der schweigenden Natur, gewann Michael von Nebadon die unbestrittene Souveränität über sein Universum. An diesem Tag vollendete er die den Schöpfersöhnen gestellte Aufgabe, auf den evolutionären Welten von Zeit und Raum ein vollwertiges inkarniertes Leben in Menschengestalt zu leben. Diese bedeutende Leistung wurde zwar im Universum erst am Tag seiner Taufe, Monate später, bekannt gegeben, aber geschah wirklich an jenem Tag auf dem Berg. Als Jesus von seinem Aufenthalt auf dem Berg Hermon herunterkam, waren Luzifers Rebellion in Satania und der Abfall Caligastias auf Urantia praktisch beigelegt. Jesus hatte den letzen von ihm verlangten Preis bezahlt, um seine Universums-Souveränität zu gewinnen. Diese enthält in sich die Regelung der Stellung aller Rebellen und bestimmt, dass mit jeder derartigen künftigen Erhebung (sollte sie sich je ereignen) summarisch und wirksam verfahren werden kann. Daraus ersieht man, dass die sogenannte "große Versuchung" Jesu einige Zeit vor seiner Taufe, und nicht gleich danach, stattfand. Als Jesus am Ende seines Aufenthaltes den Berg hinunterstieg, traf er auf Tiglath, der mit Lebensmitteln unterwegs zum Treffpunkt war. Er hieß ihn umkehren und sagte bloß: "Die Zeit der Ruhe ist vorüber; ich muss zu den Angelegenheiten meines Vaters zurückkehren." Er war ein schweigsamer und sehr veränderter Mann während ihrer Rückkehr nach Dan, wo er dem Burschen zum Abschied den Esel schenkte. Er ging dann auf demselben Weg, den er gekommen, südwärts weiter nach Kapernaum. ***** 134.9 Die Wartezeit ***** Der Sommer ging zu Ende und die Zeit des Versöhnungstages und des Laubhüttenfestes nahte. Jesus hatte den Sabbat über eine Familienzusammenkunft in Kapernaum und machte sich am nächsten Tag mit Johannes, dem Sohn des Zebedäus, auf den Weg nach Jerusalem. Sie gingen im Osten des Sees und dann über Gerasa das Jordantal hinab. Während Johannes im Wandern mit seinem Gefährten plauderte, nahm er an Jesus eine große Veränderung wahr. Jesus und Johannes übernachteten in Bethanien bei Lazarus und seinen Schwestern und gingen früh am nächsten Morgen nach Jerusalem. Sie, zumindest Johannes, verbrachten fast drei Wochen inner- und außerhalb der Stadt. An manchen Tagen ging Johannes allein nach Jerusalem hinein, während Jesus in den nahen Bergen umherwanderte und oft lange Stunden in geistiger Verbindung mit seinem Vater im Himmel stand. Beide wohnten am Tag der Versöhnung den feierlichen Gottesdiensten bei. Die Zeremonien dieses größten aller Tage im jüdischen religiösen Ritual beeindruckten Johannes tief, aber Jesus blieb ein nachdenklicher und schweigsamer Zuschauer. Dem Menschensohn kam das Ganze erbärmlich und pathetisch vor. Er sah in allem eine Entstellung des Charakters und der Attribute seines Vaters im Himmel. Das Geschehen dieses Tages kam ihm vor wie eine Karikatur der Tatsachen göttlicher Gerechtigkeit und der Wahrheiten unendlicher Barmherzigkeit. Er brannte vor Verlangen, die echte Wahrheit über den liebenden Charakter seines Vaters und dessen erbarmungsvolle Leitung des Universums zu verkündigen, aber sein treuer Mentor warnte ihn, dass seine Stunde noch nicht gekommen sei. An jenem Abend aber ließ Jesus in Bethanien viele Bemerkungen fallen, die Johannes sehr beunruhigten; er verstand die wahre Bedeutung dessen nie ganz, was Jesus an jenem Abend in ihrem Beisein äußerte. Jesus hatte die Absicht, während der ganzen Woche des Laubhüttenfestes mit Johannes zusammenzubleiben. Das waren die alljährlichen Feiertage für ganz Palästina, es war die jüdische Ferienzeit. Obwohl Jesus an den Vergnügungen des Anlasses nicht teilnahm, war es offensichtlich, dass der Anblick der Jungen und Alten, die sich unbeschwerter Fröhlichkeit hingaben, ihn mit Freude und Zufriedenheit erfüllte. In der Mitte der Feierwoche und ehe die Festlichkeiten zu Ende waren, verabschiedete sich Jesus von Johannes. Er sagte, er wünsche, sich in die Berge zurückzuziehen, wo er besser mit seinem Paradies-Vater in Verbindung treten könne. Johannes hätte ihn gerne begleitet, aber Jesus bestand darauf, dass er für die Dauer der Festlichkeiten bleiben solle, und sagte: "Es wird nicht von dir verlangt, die Last des Menschensohnes zu tragen; nur der Nachtwächter muss wachen, während die Stadt friedlich schläft." Jesus kehrte nicht nach Jerusalem zurück. Nachdem er eine Woche einsam in den Bergen bei Bethanien zugebracht hatte, machte er sich nach Kapernaum auf. Auf dem Heimweg hielt er sich einen Tag und eine Nacht lang allein an den Hängen des Berges Gilboa nahe der Stelle auf, wo König Saul sich das Leben genommen hatte. Als er in Kapernaum eintraf, schien er heiterer als beim Abschied von Johannes in Jerusalem. Am nächsten Morgen ging Jesus zur Truhe, die seine persönliche Habe enthielt und in Zebedäus' Werkstatt zurückgeblieben war, legte seine Schürze an und erschien zur Arbeit mit den Worten: "Ich habe zu arbeiten, während ich auf meine Stunde warte." Und an der Seite seines Bruders Jakobus arbeitete er mehrere Monate lang in der Bootswerkstatt bis zum Januar des folgenden Jahres. Nach dieser Arbeitszeit mit Jesus gab Jakobus seinen Glauben an Jesu Sendung nie mehr wirklich und gänzlich auf, was für Zweifel auch immer in ihm aufstiegen und sein Verständnis des Lebenswerks des Menschensohnes umwölkten. Während dieser letzten Zeitspanne in der Bootswerkstatt arbeitete Jesus meistens an der Innenausstattung einiger größerer Boote. Er übte sein Handwerk mit großer Sorgfalt aus und schien die Befriedigung menschlichen Gelingens zu empfinden, wenn er eine löbliche Arbeit zu Ende gebracht hatte. Obwohl er wenig Zeit an Kleinigkeiten verschwendete, war er ein sehr gewissenhafter Handwerker, wenn es um das Wesentliche irgendeiner gegebenen Aufgabe ging. Im Laufe der Zeit kam in Kapernaum ein Gerücht von einem gewissen Johannes auf, der predigte und Bußfertige im Jordan taufte. Und also predigte Johannes: "Das Himmelreich ist nahe; bereut und lasset euch taufen." Jesus hörte sich die Berichte an, derweilen Johannes von der Jerusalem zunächst gelegenen Furt des Flusses langsam das Jordantal hinaufzog. Aber er arbeitete an den Booten weiter, bis Johannes auf seinem Weg flussaufwärts im Januar des nächsten Jahres (26 n. Chr.) einen Ort bei Pella erreicht hatte. Da legte er mit den Worten "Meine Stunde ist gekommen" seine Werkzeuge nieder und erschien bald darauf bei Johannes, um sich taufen zu lassen. Aber eine gewaltige Veränderung war mit Jesus vorgegangen. Von all den Menschen, die er zu der Zeit, als er kreuz und quer durch das Land zog, mit seinen Besuchen und seiner Zuwendung erfreut hatte, erkannten später nur wenige in dem öffentlichen Lehrer dieselbe Person, die sie in früheren Jahren als Privatmensch gekannt und geliebt hatten. Es gab allerdings einen Grund dafür, weshalb die einst derart Begünstigten ihn in seiner späteren Rolle als öffentlicher Lehrer voller Autorität nicht wieder erkannten: Über lange Jahre war die Umwandlung von Verstand und Geist in ihm fortgeschritten und kam während des denkwürdigen Aufenthaltes auf dem Berg Hermon zum Abschluss. ****** Kapitel 135 Johannes der Täufer ****** JOHANNES der Täufer wurde gemäß dem Elisabeth im Juni des vorangegangenen Jahres gegebenen Versprechen Gabriels am 25. März 7 v. Chr. geboren. Fünf Monate lang behielt Elisabeth das Geheimnis von Gabriels Besuch für sich; und als sie sich endlich ihrem Ehemann Zacharias eröffnete, geriet dieser sehr in Unruhe und schenkte ihrer Erzählung erst Glauben, als er ungefähr sechs Wochen vor Johannes' Geburt einen außergewöhnlichen Traum hatte. Abgesehen vom Besuch Gabriels bei Elisabeth und dem Traum des Zacharias geschah im Zusammenhang mit der Geburt von Johannes dem Täufer nichts Ungewöhnliches oder Übernatürliches. Am achten Tag wurde Johannes jüdischem Brauch entsprechend beschnitten. In einem kleinen, damals Stadt Juda genannten Dorf, das etwa sieben Kilometer westlich von Jerusalem lag, wuchs er wie ein gewöhnliches Kind auf, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Das bedeutendste Erlebnis seiner frühen Kindheit war der Besuch bei Jesus und der Familie von Nazareth zusammen mit seinen Eltern. Dieser Besuch fand im Juni 1 v. Chr. statt, als er etwas über sechs Jahre alt war. Nach der Rückkehr von Nazareth begannen die Eltern des Johannes mit der systematischen Erziehung des Knaben. Es gab in diesem kleinen Dorf keine Synagogenschule; aber als Priester besaß Zacharias eine recht gute Bildung, und Elisabeth war weit gebildeter als die durchschnittliche jüdische Frau. Auch sie entstammte der Priesterschaft, denn sie war eine Nachfahrin der "Töchter Aarons". Da Johannes ein Einzelkind war, verwandten sie sehr viel Zeit auf die Schulung seines Denkens und seines Geistes. Zacharias hatte immer nur kurze Tempeldienste in Jerusalem, so dass er einen Großteil seiner Zeit dem Unterricht seines Sohnes widmen konnte. Zacharias und Elisabeth besaßen einen kleinen Bauernhof, wo sie Schafe aufzogen. Sie hätten von diesem Land kaum leben können, aber Zacharias bezog einen regelmäßigen Zuschuss aus den für die Priesterschaft bestimmten Tempelgeldern. ***** 135.1 Johannes wird Nasiräer ***** Es gab keine Schule, die Johannes mit vierzehn Jahren hätte abschließen können, aber seine Eltern hatten dieses Jahr für geeignet befunden, ihn das offizielle nasiräische Gelübde ablegen zu lassen. Folglich gingen Zacharias und Elisabeth mit ihrem Sohn hinunter nach Engedi am Toten Meer. Das war das südliche Hauptquartier der Nasiräischen Bruderschaft, und hier wurde der Knabe in aller Form und feierlich auf Lebenszeit in den Orden aufgenommen. Nach den Zeremonien und nachdem er gelobt hatte, sich aller berauschenden Getränke zu enthalten, sein Haar wachsen zu lassen und keine Toten zu berühren, ging die Familie nach Jerusalem weiter, wo Johannes vor dem Tempel die Opferhandlungen vollzog, die von allen, welche die Nasiräischen Gelübde ablegten, gefordert wurden. Johannes verpflichtete sich für sein Leben mit denselben Gelübden wie seine berühmten Vorgänger Samson und der Prophet Samuel. Ein Nasiräer fürs Leben galt als gottgeweihte und heilige Persönlichkeit. Die Juden begegneten den Nasiräern mit fast ebensolcher Hochachtung und Verehrung wie dem Hohepriester, und das war nicht verwunderlich, da die auf Lebenszeit geweihten Nasiräer neben den Hohenpriestern die einzigen waren, denen das Betreten des Allerheiligsten im Tempel gestattet war. Von Jerusalem kehrte Johannes nach Hause zurück, wo er seines Vaters Schafe hütete und zu einem kräftigen Mann mit edlem Charakter heranwuchs. Als Johannes mit sechzehn Jahren die Geschichte von Elija las, machte der Prophet des Berges Karmel einen gewaltigen Eindruck auf ihn, und er beschloss, sich in derselben Weise wie dieser zu kleiden. Von jenem Tag an trug Johannes immer ein härenes Gewand mit einem Ledergürtel. Mit sechzehn war er bereits über ein Meter achtzig und hatte seine Mannesgröße fast erreicht. Mit seinen wehenden Haaren und seiner eigenartigen Kleidung war er in der Tat ein malerisch aussehender junger Mann. Und seine Eltern erwarteten Großes von ihrem einzigen Sohn, diesem Kind der Verheißung und Nasiräer auf Lebenszeit. ***** 135.2 Der Tod des Zacharias ***** Nach einer Krankheit von mehreren Monaten verschied Zacharias im Juli des Jahres 12 n. Chr., als Johannes etwas über achtzehn Jahre alt war. Das waren für Johannes Tage großer Verlegenheit, da das nasiräische Gelübde jede Berührung mit den Toten, sogar in der eigenen Familie, verbot. Obwohl sich Johannes alle Mühe gegeben hatte, den Einschränkungen seines Gelübdes hinsichtlich der Befleckung durch die Toten nachzukommen, blieben ihm doch Zweifel, ob er den Anforderungen des Nasiräischen Ordens auch wirklich ganz gerecht geworden sei; deshalb begab er sich nach der Grablegung seines Vaters nach Jerusalem, wo er in der Nasiräer-Ecke des Frauenhofs die für die Reinigung erforderlichen Opfer darbrachte. Im September dieses Jahres begaben sich Elisabeth und Johannes nach Nazareth zu Besuch bei Maria und Jesus. Johannes hatte sich so gut wie entschlossen, sein Lebenswerk zu beginnen; aber nicht nur Jesu Worte, sondern auch dessen Beispiel ermahnten ihn, nach Hause zurückzukehren, für seine Mutter zu sorgen und zu warten, "bis die Stunde des Vaters gekommen ist". Nach dem Abschied von Jesus und Maria am Ende dieses erfreulichen Zusammenseins sah Johannes Jesus nicht wieder bis zu seiner Jordantaufe. Johannes und Elisabeth kehrten nach Hause zurück und begannen, Pläne für die Zukunft zu schmieden. Da Johannes die einem Priester von der Tempelkasse zustehende Zuwendung ausschlug, waren sie nach zwei Jahren nahe daran, ihr Haus zu verlieren; also beschlossen sie, mit der Schafherde südwärts zu ziehen. So übersiedelten sie im Sommer, als Johannes zwanzig Jahre alt war, nach Hebron. In der so genannten "Wildnis von Judäa" weidete er seine Schafe entlang einem Bach, der nach seiner Vereinigung mit einem größeren Wasserlauf bei Engedi ins Tote Meer einmündete. Die Kolonie von Engedi umfasste nicht nur Nasiräer auf Lebenszeit und solche, die zeitlich bemessene Gelübde abgelegt hatten, sondern auch zahlreiche andere asketische Hirten, die mit ihren Herden in dieser Gegend zusammenkamen und mit der Nasiräischen Bruderschaft fraternisierten. Sie lebten von der Schafzucht und von Gaben reicher Juden an den Orden. Mit der Zeit kehrte Johannes weniger oft nach Hebron zurück, machte aber immer häufigere Besuche in Engedi. Er unterschied sich so gründlich von der Mehrzahl der Nasiräer, dass es ihm sehr schwer fiel, brüderlich mit der Gemeinschaft zu verkehren. Hingegen liebte er den als Führer und Oberhaupt der Kolonie anerkannten Abner sehr. ***** 135.3 Das Leben eines Hirten ***** Im Tal, durch welches ein Bächlein floss, baute Johannes aus aufeinander getürmten Steinen nicht weniger als ein Dutzend steinerne Unterkünfte und Pferche zum Übernachten, von wo aus er seine Schaf- und Ziegenherden überwachen und behüten konnte. Das Hirtenleben gewährte ihm sehr viel Zeit zum Nachdenken. Er unterhielt sich viel mit Ezda, einem Waisenknaben aus Beth-Zur, den er gewissermaßen an Sohnes Statt angenommen hatte und der für die Herden sorgte, wenn er selber nach Hebron ging, um seine Mutter zu besuchen und Schafe zu verkaufen, oder wenn er sich hinunter nach Engedi zu den Sabbatgottesdiensten begab. Johannes und der Knabe lebten sehr einfach und ernährten sich von Schaffleisch, Ziegenmilch, wildem Honig und den essbaren Heuschrecken der Gegend. Das war ihre gewöhnliche Kost, die nur hin und wieder durch Lebensmittel aus Hebron und Engedi bereichert wurde. Elisabeth hielt Johannes über die Geschehnisse in Palästina und in der Welt auf dem Laufenden, und seine Überzeugung wuchs immer mehr, dass die Zeit, in der die alte Ordnung zu Ende gehen musste, rasch herannahte, und dass er selber dazu bestimmt sei, das Kommen eines neuen Zeitalters, "des Königreichs des Himmels", zu verkünden. Dieser rauhe Schafhirt hatte eine große Vorliebe für die Schriften des Propheten Daniel. Er las an die tausend Mal dessen Beschreibung des großen Standbildes, von dem Zacharias ihm gesagt hatte, es stelle die Geschichte der großen Weltreiche dar, angefangen von Babylon über Persien und Griechenland bis schließlich zu Rom. Es wurde ihm klar, dass Rom sich bereits aus so vielsprachigen Völkern und Rassen zusammensetzte, dass es niemals ein fest gefügtes und gut konsolidiertes Reich werden könnte. Er meinte, dass Rom bereits damals aufgespalten war, nämlich in Syrien, Ägypten, Palästina und andere Provinzen; und dann las er weiter: "In den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich errichten, das nie zerstört wird, und dieses Königreich wird keinem anderen Volk überlassen werden, sondern all jene Königreiche zerbrechen und vernichten; es selbst aber wird in alle Ewigkeit bestehen." "Und ihm wurden Herrschaft, Herrlichkeit und ein Königreich verliehen, auf dass alle Völker, Nationen und Sprachen ihm dienten. Seine Herrschaft ist eine ewig dauernde, unvergängliche Herrschaft, und sein Königreich wird nie zerstört werden." "Und die Herrschaft und Macht und Größe des Königreichs unter dem ganzen Himmel sollen dem Volk der Heiligen des Allerhöchsten gegeben werden. Sein Reich ist ein ewiges Reich, und alle Länder werden ihm dienen und gehorchen." Johannes gelang es nie ganz, sich über die Verwirrung zu erheben, die aus diesen Schriftstellen und dem entstand, was er von seinen Eltern über Jesus erfahren hatte. In Daniel las er: "Ich hatte in der Nacht Visionen, und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie der Menschensohn daher, und ihm wurden Macht, Herrlichkeit und ein Königreich gegeben." Aber diese Worte des Propheten stimmten nicht mit dem überein, was seine Eltern ihn gelehrt hatten. Ebensowenig Entsprechung gab es zwischen der Unterhaltung, die er als Achtzehnjähriger bei seinem Besuch mit Jesus gehabt hatte, und den Aussagen der Schriften. Dieser Verwirrung ungeachtet versicherte ihm seine Mutter während der ganzen Dauer seiner Ratlosigkeit, dass sein ferner Vetter, Jesus von Nazareth, der wahre Messias sei, dass er gekommen sei, um auf dem Thron Davids zu sitzen, und dass er, Johannes, zu seinem ihm vorangehenden Herold und seiner Hauptstütze bestimmt sei. Aus allem, was Johannes über die Lasterhaftigkeit und Gottlosigkeit Roms, über die Zügellosigkeit und sittliche Verarmung des Reichs gehört hatte und was er über die Missetaten des Herodes Antipas und der Statthalter von Judäa wusste, schloss er auf das unmittelbar bevorstehende Ende des Zeitalters. Es schien diesem rauhen und edlen Kind der Natur, dass die Welt reif sei für das Ende des Zeitalters des Menschen und für das Heraufkommen des neuen und göttlichen Zeitalters - des Königreichs des Himmels. In seinem Herzen wuchs die Überzeugung, dass er dazu bestimmt sei, der letzte der alten Propheten und der erste der neuen zu sein. Und immer mächtiger ließ ihn der Drang erbeben, hervorzutreten und allen Menschen zu verkünden: "Bereuet! Kommt mit Gott ins Reine! Macht euch für das Ende bereit; stellt euch ein auf das Erscheinen der neuen und ewigen Ordnung auf Erden, auf das Königreich des Himmels." ***** 135.4 Elisabets Tod ***** Am 17. August 22 n. Chr. - Johannes war achtundzwanzig Jahre alt - verschied seine Mutter unerwartet. Die Freunde Elisabeths, die wussten, dass den Nasiräern sogar in der eigenen Familie der Kontakt mit Toten verboten war, trafen alle Vorkehrungen für die Bestattung Elisabeths, bevor sie nach Johannes sandten. Als er die Nachricht vom Tode seiner Mutter vernahm, wies er Ezda an, mit seinen Herden nach Engedi zu ziehen und machte sich nach Hebron auf. Nach dem Begräbnis seiner Mutter ging er nach Engedi zurück, schenkte seine Herden der Bruderschaft und sonderte sich unter Fasten und Beten eine Zeitlang von der Außenwelt ab. Johannes kannte nur die alten Methoden, sich der Gottheit zu nähern; er kannte bloß die Aufzeichnungen von Männern wie Elija, Samuel und Daniel. Elija war sein Ideal eines Propheten. Elija war der erste Lehrer Israels, den man als Propheten betrachtete, und Johannes glaubte aufrichtig, er selber sei der letzte in dieser langen und erlauchten Reihe von Himmelsboten. Zweieinhalb Jahre lang lebte Johannes in Engedi, und er überzeugte die meisten Mitglieder der Bruderschaft davon, dass "das Ende des Zeitalters unmittelbar bevorstehe" und "das Königreich des Himmels in Kürze erscheinen werde". All sein frühes Lehren basierte auf der landläufigen jüdischen Vorstellung vom Messias als dem versprochenen Befreier der jüdischen Nation von der Herrschaft der heidnischen Herren. Während dieser ganzen Zeit las Johannes viel in den heiligen Büchern, die er am Sitz der Nasiräer in Engedi vorfand. Besonders beeindruckten ihn Jesaja und Maleachi, die bis dahin letzten der Propheten. Immer wieder las er die letzten fünf Kapitel aus Jesaja, und er glaubte an diese Prophezeiungen. Und dann las er in Maleachi: "Und siehe! Ich werde euch den Propheten Elija senden, bevor der große und furchtbare Tag des Herrn kommt; er wird die Herzen der Väter den Kindern zuwenden und die Herzen der Kinder den Vätern, ansonsten ich kommen und die Erde mit einem Fluch heimsuchen werde." Und es war einzig dieses Versprechen Maleachis, Elija werde wiederkehren, was Johannes davon abhielt auszuziehen, um vom kommenden Königreich zu predigen und seine jüdischen Mitbürger aufzurufen, dem bevorstehenden Zorn Gottes zu entrinnen. Johannes war bereit zur Verkündigung der Botschaft vom kommenden Königreich, aber diese Erwartung von Elijas Wiederkehr hielt ihn mehr als zwei Jahre lang zurück. Er wusste, dass er nicht Elija war. Was wollte Maleachi sagen? War die Weissagung wörtlich oder bildlich gemeint? Wie konnte er die Wahrheit wissen? Schließlich wagte er zu denken, da der erste Prophet Elija geheißen hatte, würde möglicherweise der letzte unter demselben Namen bekannt sein. Nichtsdestoweniger hatte er genügend Zweifel, die ihn für immer davon abhielten, sich selber Elija zu nennen. Der Einfluss Elijas führte Johannes dazu, dessen Art der offenen und schonungslosen Anprangerung der Sünden und Laster seiner Zeitgenossen zu übernehmen. Er ahmte Elija in seiner Kleidung nach und bemühte sich, wie dieser zu sprechen. Äußerlich glich er dem alten Propheten in jeder Hinsicht. Er war ein ebenso robustes und malerisches Naturkind und ein ebenso unerschrockener und kühner Prediger der Rechtschaffenheit. Johannes war nicht ungebildet, kannte sich in den heiligen jüdischen Schriften gut aus, aber es fehlte ihm an Kultur. Er war ein klarer Denker, ein wortgewaltiger Redner und heftiger Ankläger. Er war seiner Zeit kaum ein Vorbild, aber ein sehr beredter Vorwurf. Endlich dachte er sich einen Weg aus, um das neue Zeitalter, das Reich Gottes zu verkünden; er entschied, dass er zum Herold des Messias werden müsse, schob alle Zweifel beiseite und brach an einem Märztag des Jahres 25 n. Chr. von Engedi auf, um seine kurze, aber hervorragende Laufbahn als öffentlicher Prediger zu beginnen. ***** 135.5 Das Königreich Gottes ***** Um die Botschaft des Johannes zu verstehen, sollte man den Zustand des jüdischen Volkes zu dem Zeitpunkt berücksichtigen, als er auf der Bühne des Geschehens erschien. Seit fast hundert Jahren befand sich ganz Israel in einem Dilemma; man wusste nicht, wie man die dauernde Unterjochung durch heidnische Oberherren erklären sollte. Hatte nicht Moses gelehrt, dass Rechtschaffenheit immer mit Wohlstand und Macht belohnt werde? Waren sie nicht Gottes auserwähltes Volk? Warum war der Thron Davids verlassen und leer? Im Lichte der Lehren Mose und der Unterweisungen der Propheten fiel es den Juden schwer, die lang anhaltende Trostlosigkeit ihrer Nation zu erklären. Etwa hundert Jahre vor der Zeit von Jesus und Johannes trat in Palästina eine neue Schule religiöser Lehrer, die Apokalyptiker, auf. Diese neuen Lehrer schufen ein Glaubenssystem, das die Leiden und Demütigungen der Juden damit erklärte, dass sie die Strafe für die Sünden der Nation bezahlten. Sie griffen auf die wohlbekannten Gründe zurück, die zur Erklärung der babylonischen und anderer früherer Gefangenschaften hatten herhalten müssen. Aber, so lehrten die Apokalyptiker, Israel solle Mut fassen, da die Tage seiner Betrübnis beinahe vor-über seien, die Züchtigung von Gottes auserwähltem Volk bald zu Ende und Gottes Geduld mit den heidnischen Ausländern so ziemlich erschöpft sei. Das Ende der römischen Herrschaft war gleichbedeutend mit dem Ende des Zeitalters und in gewissem Sinne mit dem Ende der Welt. Diese neuen Lehrer stützten sich stark auf die Weissagungen Daniels und lehrten dementsprechend, dass die Schöpfung in Kürze in ihr Endstadium eintreten und aus den Königreichen dieser Welt das Königreich Gottes hervorgehen werde. Dies war für das jüdische Verständnis jener Tage der Sinn des Ausdrucks "das Königreich des Himmels", der sich überall in den Unterweisungen sowohl von Johannes als auch von Jesus findet. Für die Juden Palästinas hatte der Ausdruck "Königreich des Himmels" nur eine einzige Bedeutung: ein absolut gerechter Staat, in welchem Gott (der Messias) die Nationen der Erde in ebensolcher Machtvollkommenheit regierte, wie er im Himmel herrschte - "Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel." In den Tagen des Johannes fragten sich alle Juden erwartungsvoll: "Wie bald wird das Königreich kommen?" Allgemein hatte man das Gefühl, dass das Ende der Herrschaft der heidnischen Nationen näher rücke. Im ganzen Judentum war eine lebhafte Hoffnung und starke Erwartung vorhanden, dass sich die Jahrhunderte alte Sehnsucht noch zu Lebzeiten dieser Generation erfüllen werde. Wenn die Meinungen der Juden über die Art des kommenden Königreichs auch weit auseinander gingen, so waren sie sich doch alle in dem Glauben einig, dass das Ereignis unmittelbar bevorstehe, nahe sei, sozusagen vor der Tür stehe. Viele, die das Alte Testament wörtlich auslegten, warteten gespannt auf einen neuen König in Palästina und eine erneuerte jüdische Nation, die, von ihren Feinden befreit, vom Nachfolger des Königs David regiert würde, dem Messias, der sehr bald als rechtmäßiger und gerechter Herrscher der ganzen Welt anerkannt würde. Eine andere, wenn auch kleinere Gruppe frommer Juden besaß eine völlig andere Auffassung von diesem Königreich Gottes. Sie lehrten, dass das kommende Königreich nicht von dieser Welt sein werde; dass die Welt ihrem gewissen Ende entgegengehe und ein "neuer Himmel und eine neue Erde" die Errichtung des Königreichs Gottes einleiten würden; dass dieses Königreich eine Herrschaft von ewiger Dauer sein werde; dass es keine Sünde mehr geben und die Bürger des neuen Reichs unsterblich sein und sich ewiger Seligkeit erfreuen würden. Alle stimmten darin überein, dass der Errichtung des neuen Königreichs auf Erden zwangsläufig eine tief greifende Reinigung oder läuternde Züchtigung vorausgehen werde. Die Textgläubigen lehrten, dass ein Weltkrieg ausbrechen und alle Ungläubigen vernichten werde, während die Gläubigen einen allumfassenden und ewigen Sieg erringen würden. Die Spiritualisten lehrten, dass das Königreich durch das große Gericht Gottes eingeleitet würde, das die Sündigen ihrem wohlverdienten Strafurteil und ihrer endgültigen Vernichtung zuführen, gleichzeitig aber die gläubigen Heiligen des auserwählten Volkes an der Seite des über die erlösten Nationen im Namen Gottes herrschenden Menschensohnes auf ehrenvolle und führende Plätze erheben würde. Diese zweite Gruppe vertrat sogar die Ansicht, dass viele fromme Heiden ebenfalls in die Gemeinschaft des neuen Königreichs aufgenommen werden könnten. Einige Juden waren der Meinung, Gott könnte dieses neue Königreich möglicherweise durch direkte göttliche Intervention errichten, aber die große Mehrheit glaubte, dass er irgendeinen stellvertretenden Mittler, den Messias, einschalten werde. Und das war die einzig mögliche Bedeutung, die der Ausdruck "Messias" in der Meinung der Juden der Generation von Johannes und Jesus gehabt haben konnte. Messias konnte sich unmöglich auf einen beziehen, der nur Gottes Willen lehrte oder die Notwendigkeit für ein rechtschaffenes Leben verkündete. Solche heiligen Personen nannten die Juden Propheten. Der Messias musste mehr sein als ein Prophet; der Messias hatte das neue Königreich, das Reich Gottes, zu errichten. Niemand, der an dieser Aufgabe scheiterte, konnte im traditionellen jüdischen Sinn der Messias sein. Und wer würde dieser Messias sein? Auch hierin waren die jüdischen Lehrer unterschiedlicher Meinung. Die älteren hingen der Lehre vom Sohne Davids an. Die jüngeren lehrten, das neue Königreich sei ein himmlisches Königreich und der neue Herrscher könne folglich ebenso gut eine göttliche Persönlichkeit sein, die lange zur Rechten Gottes im Himmel gesessen hatte. Und so seltsam dies auch anmuten mag: diejenigen, die eine solche Vorstellung vom Herrscher des neuen Königreichs hatten, sahen ihn nicht als menschlichen Messias, nicht als bloßen Menschen, sondern als "Menschensohn" - als einen Sohn Gottes - als Himmelsfürsten, der lange Zeit in Bereitschaft gehalten wurde, die Herrschaft über die erneuerte Erde anzutreten. Dies war der religiöse Hintergrund der jüdischen Welt, als Johannes auszog, um zu verkünden: "Bereuet, denn das Königreich des Himmels ist nahe!" Daraus geht deutlich hervor, dass die Verkündigung des kommenden Königreichs durch Johannes in denen, die seiner leidenschaftlichen Predigt zuhörten, nicht weniger als ein halbes Dutzend verschiedener Vorstellungen wachrief. Aber ungeachtet der Bedeutung, die sie den von Johannes gebrauchten Ausdrücken beilegten, waren die Vertreter jeder dieser Gruppen, die auf das jüdische Königreich warteten, fasziniert von den Aussagen dieses aufrichtigen, begeisterten, rauhbeinigen Predigers der Rechtschaffenheit und Reue, der seine Zuhörer so feierlich aufrief, "dem kommenden Zorn zu entrinnen". ***** 135.6 Johannes beginnt zu predigen ***** Im frühen März des Jahres 25 n. Chr. wanderte Johannes um die Westküste des Toten Meeres herum den Jordan entlang hinauf bis zur alten Furt gegenüber Jericho, welche Josua und die Kinder Israels passierten, als sie zum ersten Mal das verheißene Land betraten. Er begab sich auf die andere Seite des Flusses, ließ sich am Zugang der Furt nieder und begann, zu den Leuten zu predigen, die den Fluss in der einen oder anderen Richtung überquerten. Von allen Jordanübergängen war dies der am meisten benutzte. Allen, die Johannes hörten, war es klar, dass er mehr war als ein Prediger. Die große Mehrzahl derer, die diesem seltsamen Mann zuhörten, der aus der Wildnis Judäas heraufgekommen war, ging in dem Glauben fort, die Stimme eines Propheten gehört zu haben. Es ist nicht verwunderlich, dass die Seelen dieser ermatteten und erwartungsvollen Juden durch eine solche Erscheinung zutiefst aufgewühlt wurden. Nie in der ganzen jüdischen Geschichte hatten sich die frommen Kinder Abrahams so sehr nach der "Tröstung Israels" gesehnt oder die "Wiederherstellung des Königreichs" glühender erhofft. Nie in der ganzen jüdischen Geschichte hätte die Botschaft des Johannes "das Königreich des Himmels ist nah" eine so tiefe und universelle Anziehung ausüben können als gerade zu dem Zeitpunkt, da Johannes auf so geheimnisvolle Weise am Ufer des südlichen Übergangs über den Jordan auftauchte. Er kam aus dem Volk der Hirten wie Amos. Er war gekleidet wie einst Elija, und er donnerte seine Mahnungen und stieß seine Warnungen "im Geist und mit der Gewalt Elijas" aus. Es ist nicht erstaunlich, dass dieser seltsame Prediger ganz Palästina in gewaltige Aufregung versetzte, als die Reisenden die Nachrichten von seiner Predigertätigkeit am Jordan ins Land hinaustrugen. Es gab da noch ein anderes und neues Merkmal in der Tätigkeit dieses nasiräischen Predigers. "Zur Vergebung der Sünden" taufte er im Jordan jeden, der ihm glaubte. Obwohl die Taufe bei den Juden keine neue Zeremonie darstellte, hatten sie diese nie in der Weise anwenden gesehen, wie Johannes sich ihrer bediente. Es war seit langem Brauch, heidnische Proselyten in dieser Art zu taufen, um sie in die Gemeinschaft des äußeren Tempelhofs zuzulassen, aber nie war von den Juden verlangt worden, sich selber der Bußtaufe zu unterziehen. Zwischen dem Zeitpunkt, da Johannes zu predigen und zu taufen begann, und seiner durch Herodes Antipas verfügten Verhaftung und Einkerkerung verflossen nur fünfzehn Monate; aber in dieser kurzen Zeit taufte er weit über hunderttausend Reuige. Johannes predigte vier Monate an der Furt bei Bethanien, bevor er am Jordan entlang weiter nordwärts zog. Zehntausende von Zuhörern, einige neugierige, aber auch viele aufrichtige und ernste, kamen aus allen Teilen Judäas, Peräas und Samarias, um ihn zu hören. Einige wenige kamen sogar aus Galiläa. Im Mai dieses Jahres, als er immer noch an der Furt bei Bethanien weilte, entsandten die Priester und Leviten eine Abordnung, um Johannes zu fragen, ob er den Anspruch erhebe, der Messias zu sein, und kraft welcher Autorität er predige. Johannes antwortete diesen Fragestellern mit den Worten: "Geht und sagt euren Herren, dass ihr `die Stimme eines, der in der Wildnis ruft', gehört habt, wie der Prophet es mit den Worten sagte: `Bereitet dem Herrn einen Weg, baut unserem Gott eine Straße. Jedes Tal soll aufgefüllt und jeder Berg und Hügel eingeebnet werden; das Hügelland soll zur Ebene und zerklüftete Gegenden sollen zu sanften Tälern werden; und alles Fleisch soll Gottes Heil sehen.' " Johannes war ein heldenhafter, aber taktloser Prediger. Eines Tages, als er am Westufer des Jordans predigte und taufte, traten eine Pharisäergruppe und einige Sadduzäer vor und meldeten ihren Wunsch an, getauft zu werden. Bevor er sie ins Wasser hinunterführte, sprach Johannes sie mit folgenden Worten als Gruppe an: "Wer hat euch gewarnt, vor dem kommenden Zorn zu fliehen wie Vipern vor dem Feuer? Ich werde euch taufen, aber ich ermahne euch, Früchte zu tragen, die aus einer aufrichtigen Reue hervorgehen, wenn ihr die Vergebung eurer Sünden erhalten wollt. Erzählt mir nicht, Abraham sei euer Vater. Ich erkläre, dass Gott imstande ist, aus diesen zwölf Steinen hier vor euch würdige Kinder Abrahams zu erwecken. Und eben jetzt wird die Axt an die Wurzeln der Bäume gelegt. Jeder Baum, der keine guten Früchte trägt, ist dazu bestimmt, gefällt und ins Feuer geworfen zu werden." (Die zwölf Steine, auf die er anspielte, waren die berühmten Gedenksteine, die Josua genau an dieser Stelle des Eintritts ins gelobte Land zur Erinnerung an die Überquerung der "zwölf Stämme" hatte setzen lassen.) Johannes gab seinen Jüngern Unterricht, in dessen Verlauf er ihnen Anleitung für die Einzelheiten ihres neuen Lebens gab und sich bemühte, auf ihre vielen Fragen zu antworten. Er riet den Lehrern, sowohl nach dem Geist als auch nach dem Buchstaben des Gesetzes zu unterrichten. Er wies die Reichen an, den Armen zu essen zu geben. Den Steuereinziehern sagte er: "Erzwingt nicht mehr, als was euch aufgetragen ist." Den Soldaten sagte er: "Tut keine Gewalt und fordert nichts zu Unrecht ein - seid mit eurem Sold zufrieden." Und allen riet er: "Macht euch bereit für das Ende des Zeitalters - das Königreich des Himmels ist nahe." ***** 135.7 Johannes wandert nach Norden ***** Die Vorstellungen des Johannes vom kommenden Reich und von dessen König waren nach wie vor wirr. Je länger er predigte, umso verwirrter wurde er, aber nie minderte diese intellektuelle Unsicherheit bezüglich der Natur des kommenden Königreiches auch nur im Geringsten seine Überzeugung, dass das Erscheinen dieses Reichs mit Gewissheit unmittelbar bevorstehe. In Gedanken war Johannes vielleicht unklar, aber nie im Geist. Er hatte keine Zweifel am Kommen des Königreichs, aber er war alles andere als sicher, ob Jesus dessen Herrscher sein würde oder nicht. Solange Johannes die Idee von einer Wiederherstellung des Thrones Davids aufrechterhielt, schienen die Unterweisungen seiner Eltern, wonach Jesus, geboren in der Stadt Davids, der langerwartete Erlöser sei, zu stimmen; aber in jenen Augenblicken, in denen er mehr der Lehrmeinung von einem geistigen Reich und dem Ende des weltlichen Zeitalters auf Erden zuneigte, war er in argen Zweifeln darüber, welche Rolle Jesus bei solchen Ereignissen spielen würde. Manchmal zog er alles in Frage, aber nicht lange. Er wünschte wirklich, er könnte mit seinem Vetter über alles sprechen, aber das lief ihrer ausdrücklichen Übereinkunft zuwider. Während Johannes nach Norden zog, dachte er viel über Jesus nach. An mehr als einem Dutzend Stellen des Jordans machte er auf seiner Reise flussaufwärts Halt. In Adam machte er zum ersten Mal eine Anspielung auf "einen anderen, der nach mir kommen wird" in Beantwortung der direkten Frage seiner Jünger: "Bist du der Messias?" Und er fuhr fort: "Nach mir wird einer kommen, der größer ist als ich, und ich bin nicht würdig, mich zu bücken, um die Riemen seiner Sandalen zu lösen. Ich taufe euch mit Wasser, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen. Die Schaufel in seiner Hand wird den Dreschboden gründlich reinigen; er wird den Weizen in die Scheune einbringen, die Spreu aber im Feuer des Gerichts verbrennen." In Beantwortung der Fragen seiner Schüler fuhr Johannes fort, seine Lehre zu erweitern und fügte Tag für Tag mehr hinzu, was hilfreich und ermutigend war im Vergleich zu seiner ersten rätselhaften Botschaft: "Bereuet und lasset euch taufen." Unterdessen kamen die Leute scharenweise aus Galiläa und der Dekapolis. Hunderte von ernsthaften Gläubigen blieben tagelang bei ihrem verehrten Lehrer. ***** 135.8 Die Begegnung von Jesus und Johannes ***** Als Johannes auf seiner Reise den Jordan hinauf im Dezember 25 n. Chr. in die Nachbarschaft von Pella gelangte, hatte sein Ruf sich in ganz Palästina ausgebreitet, und sein Wirken war in allen Städten um den See von Galiläa herum zum Hauptgesprächsthema geworden. Jesus hatte sich über die Botschaft des Johannes zustimmend geäußert, was viele Leute von Kapernaum bewogen hatte, den Kult der Buße und Taufe des Johannes anzunehmen. Jakobus und Johannes, die Fischersöhne des Zebedäus, waren im Dezember, kurz nachdem Johannes nahe bei Pella zu predigen begonnen hatte, hinuntergegangen und hatten sich taufen lassen. Sie besuchten Johannes einmal in der Woche und brachten Jesus Berichte aus erster Hand über das Wirken des Evangelisten. Jesu Brüder Jakobus und Jude hatten davon gesprochen, sich zu Johannes zur Taufe zu begeben; und nun, da Jude zum Sabbatgottesdienst nach Kapernaum herübergekommen war, beschlossen er und Jakobus, nachdem sie die Predigt Jesu in der Synagoge gehört hatten, ihn über ihre Pläne um Rat zu fragen. Das war am Samstagabend, dem 12. Januar 26 n. Chr. Jesus bat sie, die Unterredung auf den folgenden Tag zu verschieben; dann werde er ihnen seine Antwort geben. Er schlief sehr wenig in jener Nacht, da er in enger Verbindung mit seinem Vater im Himmel war. Er hatte vereinbart, mit seinen Brüdern zu Mittag zu essen und ihnen seinen Rat bezüglich der Taufe durch Johannes zu geben. An diesem Sonntagvormittag arbeitete Jesus wie immer in der Bootswerkstatt. Jakobus und Jude waren mit dem Mittagessen angelangt und warteten im Holzschuppen auf ihn, da es noch nicht Zeit für die Mittagspause war, und sie wussten, dass Jesus in solchen Dingen sehr genau war. Kurz vor Beginn der Mittagspause legte Jesus seine Werkzeuge nieder, zog seine Arbeitsschürze aus und sagte zu den drei im Raum anwesenden Arbeitern bloß: "Meine Stunde ist gekommen." Er ging zu seinen Brüdern Jakobus und Jude hinaus und wiederholte: "Meine Stunde ist gekommen - lasst uns zu Johannes gehen." Und sie machten sich sogleich auf nach Pella und verzehrten ihr Mittagessen unterwegs. Das war am Sonntag, dem 13. Januar. Sie machten im Jordantal Halt zum Übernachten und trafen um die Mittagszeit des nächsten Tages am Ort ein, wo Johannes taufte. Johannes hatte gerade mit dem Taufen der Anwärter für diesen Tag begonnen. Dutzende von Bußfertigen warteten in einer Schlange, bis sie an der Reihe waren. Da nahmen Jesus und seine zwei Brüder ihre Plätze in dieser Reihe ernster Männer und Frauen ein, die an Johannes' Ankündigung des kommenden Königreichs glaubten. Johannes hatte sich bei den Söhnen des Zebedäus nach Jesus erkundigt. Man hatte ihm die Bemerkungen Jesu über sein Predigen zugetragen, und er war Tag für Tag darauf gefasst, ihn ankommen zu sehen, aber er war nicht darauf vorbereitet, ihn in der Reihe der Taufkandidaten zu begrüßen. Völlig in Anspruch genommen durch die Einzelheiten der raschen Taufe einer so großen Zahl von Bekehrten, hatte Johannes nicht aufgeschaut und Jesus nicht erblickt, bis der Menschensohn unmittelbar vor ihm stand. Als Johannes Jesus erkannte, gab es eine kurze Unterbrechung der Handlungen, während er seinen leiblichen Vetter begrüßte und fragte: "Aber warum kommst du ins Wasser herunter, um mich zu begrüßen ?" Und Jesus antwortete: "Um mich deiner Taufe zu unterziehen." Johannes erwiderte: "Aber mir tut Not, von dir getauft zu werden. Warum kommst du zu mir?" Und Jesus flüsterte Johannes zu: "Ertrag's geduldig, denn dieses Beispiel zu geben ist wichtig für meine Brüder, die hier bei mir stehen, und damit die Leute wissen, dass meine Stunde gekommen ist." Im Ton von Jesu Stimme lag etwas Endgültiges, lag Autorität. Johannes zitterte vor Erregung, als er sich anschickte, Jesus von Nazareth am Montagmittag, dem 14. Januar 26 n. Chr., im Jordan zu taufen. Und Johannes taufte Jesus und seine beiden Brüder Jakobus und Jude. Und als Johannes die drei getauft hatte, entließ er die anderen für diesen Tag und kündigte an, er werde die Taufen am Mittag des nächsten Tages wieder aufnehmen. Während die Leute sich zerstreuten, hörten die vier Männer, die immer noch im Wasser standen, einen seltsamen Laut. Und gleich darauf wurde unmittelbar über Jesu Kopf einen Augenblick lang eine Erscheinung sichtbar, und sie hörten eine Stimme, die sprach: "Dies ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe." Eine große Veränderung ging in Jesu Gesichtsausdruck vor sich. Schweigend entstieg er dem Wasser, verabschiedete sich von ihnen und entfernte sich in Richtung der Berge im Osten. Und niemand erblickte Jesus vor Ablauf von vierzig Tagen. Johannes folgte Jesus ein Stück Wegs, um ihm die Geschichte von Gabriels Besuch bei seiner Mutter vor ihrer beider Geburt zu erzählen, wie er sie so oft aus dem Munde seiner Mutter gehört hatte. Er ließ Jesus seinen Weg allein weitergehen, nachdem er gesagt hatte: "Jetzt weiß ich mit Sicherheit, dass du der Erlöser bist." Aber Jesus gab ihm darauf keine Antwort. ***** 135.9 Vierzig Tage Predigen ***** Als Johannes zu seinen Jüngern zurückkehrte (er hatte deren jetzt fünfundzwanzig bis dreißig, die ständig bei ihm lebten), fand er sie in ernstem Gedankenaustausch über das, was im Zusammenhang mit Jesu Taufe eben vor sich gegangen war. Sie waren noch viel erstaunter, als Johannes ihnen jetzt die Geschichte von Gabriels Besuch bei Maria vor der Geburt Jesu mitteilte und auch, dass Jesus, selbst nachdem er ihm dieses eröffnet hatte, kein Wort mit ihm gesprochen habe. Es regnete nicht an jenem Abend, und die dreißig oder mehr Männer sprachen noch lange miteinander in der sternklaren Nacht. Sie fragten sich, wohin Jesus wohl gegangen sein mochte und wann sie ihn wieder sehen würden. Nach den Erlebnissen dieses Tages schlug Johannes in seiner Verkündigung des kommenden Königreichs und des erwarteten Messias gewisse neue Töne an. Diese vierzig Tage des sich Geduldens und Wartens auf Jesu Rückkehr waren eine spannungsgeladene Zeit. Aber Johannes fuhr fort, mit großer Macht zu predigen, und ungefähr um diese Zeit begannen auch seine Jünger, zu der dicht gedrängten Menge zu sprechen, die sich am Jordan um Johannes versammelte. Im Laufe dieser vierzigtägigen Wartezeit breiteten sich viele Gerüchte im Land aus und gelangten sogar bis nach Tiberias und Jerusalem. Tausende kamen herüber, um den neuen Anziehungspunkt im Lager des Johannes, den angeblichen Messias, zu sehen, aber Jesus war nicht zu erblicken. Als die Jünger des Johannes erklärten, der seltsame Gottesmann sei in die Berge gegangen, bezweifelten manche die ganze Geschichte. Etwa drei Wochen, nachdem Jesus sie verlassen hatte, erschien eine neue Abordnung der Priester und Pharisäer von Jerusalem am Ort des Geschehens bei Pella. Sie fragten Johannes geradeheraus, ob er Elija oder der von Moses verheißene Prophet sei; und als Johannes antwortete: "Ich bin es nicht", erkühnten sie sich zu fragen: "Bist du der Messias?", und Johannes antwortete wiederum: "Ich bin es nicht." Darauf sprachen die Männer aus Jerusalem: "Wenn du weder Elija, noch der Prophet, noch der Messias bist, warum taufst du dann die Leute und verursachst einen solchen Aufruhr?" Und Johannes erwiderte: "Es ist eher an jenen, die mich gehört und meine Taufe empfangen haben, zu sagen, wer ich bin, aber ich, der ich mit Wasser taufe, erkläre euch, dass da einer unter uns war, der zurückkehren und euch mit dem Heiligen Geist taufen wird." Diese vierzig Tage waren für Johannes und seine Jünger eine schwierige Zeit. Was für eine Beziehung würde zwischen Johannes und Jesus bestehen? Hunderte von Fragen kamen zur Sprache. Politik und egoistische Ambitionen traten ins Spiel. Eingehende Diskussionen erhoben sich rund um die verschiedenen Ideen und Konzepte des Messias. Würde er ein militärischer Führer oder ein König wie David sein? Würde er die römischen Armeen schlagen wie Josua die Kanaaniter? Oder würde er ein geistiges Königreich errichten? Johannes entschied sich mit der Minderheit eher dafür, dass Jesus gekommen sei, um das Königreich des Himmels zu errichten, obwohl er sich nicht ganz klar war, was dieser Auftrag zur Errichtung des Königreichs des Himmels alles beinhalten würde. Das waren anstrengende Tage in der Lebenserfahrung des Johannes, und er betete, Jesus möge zurückkehren. Einige seiner Jünger organisierten Spähtrupps, um auf die Suche nach Jesus zu gehen, aber Johannes verbot es ihnen mit den Worten: "Unsere Zeit liegt in der Hand Gottes im Himmel; er wird seinen auserwählten Sohn führen." Frühmorgens am Sabbat, dem 23. Februar, saß die Schar um Johannes beim Frühstück, als sie, gen Norden blickend, Jesus auf sie zukommen sahen. Als er sich ihnen genähert hatte, bestieg Johannes einen großen Felsblock und erhob seine klangvolle Stimme mit den Worten: "Seht den Sohn Gottes, den Erlöser der Welt! Er ist es, von dem ich gesagt habe: `Nach mir wird Einer kommen, der Vorrang vor mir hat, da er schon vor mir existierte.' Aus diesem Grunde bin ich aus der Wildnis gekommen, um Buße zu predigen und mit Wasser zu taufen und zu verkünden, dass das Königreich des Himmels nahe ist. Und jetzt kommt Einer, der euch mit dem Heiligen Geist taufen wird. Und ich schaute, wie der göttliche Geist auf diesen Mann herabstieg, und ich hörte Gottes Stimme, die sprach: `Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.' " Jesus bat sie, zu ihrem Mahl zurückzukehren, während er sich hinsetzte, um mit Johannes zu essen. Seine Brüder Jakobus und Jude waren bereits nach Kapernaum zurückgegangen. Früh am nächsten Morgen verabschiedete er sich von Johannes und seinen Jüngern und ging nach Galiläa zurück. Er ließ nichts darüber verlauten, wann sie ihn wieder sehen würden. Als Johannes sich bezüglich seiner eigenen Predigertätigkeit und Sendung erkundigte, antwortete Jesus nur: "Mein Vater wird dich jetzt und in Zukunft führen, wie er es in der Vergangenheit getan hat." Und die beiden großen Männer trennten sich an jenem Morgen am Ufer des Jordans und sollten einander auf Erden nie wieder begegnen. ***** 135.10 Johannes wandert nach Süden ***** Da Jesus in nördlicher Richtung nach Galiläa gegangen war, fühlte Johannes sich geführt, seine Schritte wieder nach Süden zu lenken. Also begannen Johannes und der Rest seiner Jünger am Sonntagmorgen, dem 3. März, ihre Reise nach Süden. Ungefähr ein Viertel seiner unmittelbaren Anhänger war unterdessen auf der Suche nach Jesus in Richtung Galiläa aufgebrochen. Traurigkeit und Unsicherheit umgaben Johannes. Nie wieder predigte er wie vor der Taufe Jesu. Er fühlte irgendwie, dass die Verantwortung für das kommende Königreich nicht mehr auf seinen Schultern ruhte. Er fühlte, dass sein Werk beinahe abgeschlossen war; er war trostlos und einsam. Aber er predigte, taufte und setzte seine Reise nach Süden fort. Johannes hielt sich mehrere Wochen in der Nähe des Dorfes Adam auf, und hier war es, dass er in denkwürdiger Art Herodes Antipas angriff, weil dieser in Missachtung des Gesetzes die Frau eines anderen genommen hatte. Im Juni dieses Jahres (26 n. Chr.) langte Johannes wieder an der Jordanfurt bei Bethanien an, wo er mehr als ein Jahr zuvor seine Verkündigung des kommenden Königreichs begonnen hatte. In den Wochen, die der Taufe Jesu folgten, veränderte sich das Wesen seiner Predigten allmählich und wurde zu einer Verkündigung der Barmherzigkeit für das einfache Volk, während er mit neuer Heftigkeit die Verderbtheit der politischen und religiösen Machthaber anprangerte. Herodes Antipas, auf dessen Gebiet Johannes predigte, begann zu befürchten, dieser und seine Jünger könnten einen Aufstand auslösen. Herodes verübelte Johannes auch dessen öffentliche Kritik an seinen häuslichen Verhältnissen. Angesichts all dessen beschloss er, Johannes ins Gefängnis zu werfen. Also verhafteten seine Häscher Johannes früh am Morgen des 12. Juni, noch bevor die Menge sich einfand, um ihn predigen zu hören und Zeuge der Taufen zu werden. Als die Wochen verstrichen und er nicht freigelassen wurde, verstreuten sich seine Jünger über ganz Palästina, und viele von ihnen schlossen sich in Galiläa den Anhängern Jesu an. ***** 135.11 Johannes im Gefängnis ***** Johannes machte im Gefängnis eine einsame und recht bittere Erfahrung. Nur wenigen seiner Anhänger wurde gestattet, ihn zu besuchen. Er sehnte sich danach, Jesus zu sehen, aber er musste sich damit begnügen, durch diejenigen seiner Anhänger, die an den Menschensohn glaubten, über dessen Werk unterrichtet zu werden. Oft geriet er in Versuchung, an Jesus und dessen göttlicher Sendung zu zweifeln. Warum unternahm Jesus, wenn er wirklich der Messias war, nichts, um ihn aus seiner unerträglichen Kerkerhaft zu befreien? Mehr als anderthalb Jahre lang siechte dieser rauhe, an Gottes freie Natur gewöhnte Mann in dem abscheulichen Kerker dahin. Diese ganze Erfahrung war für Johannes in der Tat eine große Prüfung seines Glaubens an Jesus und seiner Treue zu ihm. Tatsächlich war sie eine schwere Prüfung sogar seines Glaubens an Gott. Viele Male war er versucht, selbst die Echtheit seiner eigenen Sendung und Erfahrung zu bezweifeln. Nachdem er schon einige Monate im Gefängnis zugebracht hatte, kam eine Gruppe seiner Jünger zu ihm, die, nachdem sie ihm über Jesu öffentliche Tätigkeit berichtet hatten, zu ihm sagten: "Du siehst also, Lehrer, dass es ihm, der bei dir am oberen Jordan war, wohl ergeht und dass er alle empfängt, die zu ihm kommen. Er speist sogar mit Zöllnern und Sündern. Du bekanntest dich mutig zu ihm, und doch unternimmt er nichts, um deine Befreiung zu erwirken." Aber Johannes antwortete seinen Freunden: "Dieser Mann kann nichts tun, was ihm nicht von seinem Vater im Himmel eingegeben worden wäre. Ihr erinnert euch gut daran, dass ich sagte: `Ich bin nicht der Messias, aber einer, der ihm voraus gesandt wurde, um ihm den Weg zu bereiten.' Und das habe ich getan. Derjenige, dem die Braut gehört, ist der Bräutigam, aber der Freund des Bräutigams, der in der Nähe ist und ihn hört, empfindet große Freude, weil er die Stimme des Bräutigams hört. Deshalb ist meine Freude jetzt vollkommen. Er muss größer werden, ich aber kleiner. Ich bin von dieser Erde und habe meine Botschaft verkündet. Jesus von Nazareth ist vom Himmel auf die Erde herabgekommen und steht über uns allen. Der Menschensohn ist von Gott herabgestiegen, und er wird euch Gottes Worte verkünden. Denn der Vater im Himmel bemisst den Geist nicht, den er seinem eigenen Sohn gibt. Der Vater liebt seinen Sohn und wird bald alle Dinge in dessen Hände legen. Derjenige, der an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben. Und diese Worte, die ich spreche, sind wahr und bleibend." Diese Erklärung des Johannes übte auf die staunenden Jünger eine solche Wirkung aus, dass sie schweigend weggingen. Auch Johannes war sehr erregt, denn er war sich bewusst, eine Prophetie ausgesprochen zu haben. Nie wieder zog er Sendung und Göttlichkeit Jesu völlig in Zweifel. Aber es war eine herbe Enttäuschung für ihn, dass Jesus ihm nichts ausrichten ließ, ihn nicht besuchen kam und keine seiner großen Kräfte einsetzte, um ihn aus der Gefangenschaft zu befreien. Jesus jedoch wusste das alles. Er empfand große Liebe für Johannes; aber da er sich seiner göttlichen Natur jetzt ganz bewusst war und volle Kenntnis von den großen Dingen hatte, die Johannes beim Verlassen dieser Erde erwarteten, und da er auch wusste, dass die Arbeit des Johannes auf Erden abgeschlossen war, zwang er sich, nicht in den natürlichen Ablauf des Lebensweges des großen Prediger-Propheten einzugreifen. Diese lange Zeit der Ungewissheit im Gefängnis war menschlich unerträglich. Nur wenige Tage vor seinem Tod sandte Johannes wiederum zwei Vertrauensmänner zu Jesus mit der Frage: "Ist mein Werk getan? Warum schmachte ich im Gefängnis? Bist du wirklich der Messias, oder sollen wir auf einen anderen warten?" Als die beiden Jünger Jesus diese Botschaft ausrichteten, antwortete der Menschensohn: "Kehrt zu Johannes zurück und sagt ihm, dass ich ihn nicht vergessen habe, aber dass er auch das noch erdulden müsse; denn es ist an uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Sagt Johannes, was ihr gesehen und gehört habt - dass den Armen die frohe Botschaft verkündet wird - und richtet schließlich dem geliebten Herold meiner irdischen Sendung aus, dass er im kommenden Zeitalter reiche Segnungen erfahren wird, wenn er bei keiner Gelegenheit an mir zweifelt, noch über mich strauchelt." Und das war die letzte Mitteilung, die Johannes von Jesus erhielt. Diese Botschaft brachte ihm großen Trost und trug viel dazu bei, seinen Glauben zu festigen und ihn auf sein tragisches Lebensende vorzubereiten, das dicht auf dieses denkwürdige Geschehen folgte. ***** 135.12 Der Tod Johannes' des Täufers ***** Da Johannes bei seiner Verhaftung im Süden Peräas wirkte, wurde er sofort ins Gefängnis der Festung Machärus gebracht, wo er bis zu seiner Hinrichtung eingekerkert blieb. Herodes herrschte sowohl über Peräa wie über Galiläa und residierte zu dieser Zeit in Julias sowie in Machärus in Peräa. In Galiläa war die offizielle Residenz von Sepphoris in die neue Hauptstadt Tiberias verlegt worden. Herodes fürchtete, Johannes würde zu einem Aufstand aufrufen, wenn er ihn freiließe. Aber er befürchtete ebenfalls einen Volksaufstand in der Hauptstadt, wenn er ihn hinrichtete; denn Tausende von Peräern glaubten, dass Johannes ein heiliger Mann und Prophet war. Deshalb behielt Herodes den nasiräischen Prediger im Gefängnis, da er nicht wusste, was er sonst mit ihm anfangen solle. Mehrere Male war Johannes vor Herodes gewesen, aber er willigte nie ein, das Gebiet des Herodes zu verlassen oder sich im Falle einer Freilassung jeder öffentlichen Tätigkeit zu enthalten. Und dieser neue Wirbel um Jesus von Nazareth, der ständig zunahm, war eine Mahnung für Herodes, dass dies nicht der Augenblick war, Johannes freizulassen. Im Übrigen war Johannes auch ein Opfer des tiefen und erbitterten Hasses von Herodias, der gesetzeswidrigen Gemahlin des Herodes. Bei zahlreichen Gelegenheiten sprach Herodes mit Johannes über das Königreich des Himmels, und obwohl ihn seine Botschaft manchmal nachhaltig beeindruckte, hatte er doch Angst, ihn aus dem Gefängnis zu entlassen. Da in Tiberias immer noch viele Bauarbeiten im Gange waren, verbrachte Herodes einen beträchtlichen Teil seiner Zeit in seinen peräischen Residenzen, und er hatte eine Vorliebe für die Festung Machärus. Bis zur Fertigstellung aller öffentlichen Gebäude und der offiziellen Residenz in Tiberias sollte es noch mehrere Jahre dauern. Zu seiner Geburtstagsfeier veranstaltete Herodes im Palast von Machärus für seine Hauptleute und andere hochrangige Regierungsbeamte von Galiläa und Peräa ein großes Fest. Da es Herodias nicht gelungen war, von Herodes den Tod des Johannes durch direktes Bitten zu erwirken, ging sie nun daran, Johannes durch einen listigen Plan umbringen zu lassen. Im Verlauf der abendlichen Festlichkeiten und Vergnügungen ließ Herodias ihre Tochter vor den Gästen des Banketts tanzen. Herodes geriet über die Vorführung seiner Tochter in helles Entzücken, rief sie zu sich und sagte: "Du bist reizend. Ich bin sehr zufrieden mit dir. Heute an meinem Geburtstag kannst du mich um alles bitten, was du dir wünschest, und ich werde es dir geben, wäre es auch die Hälfte meines Königreichs." Als Herodes so handelte, stand er schon stark unter dem Einfluss von reichlich genossenem Wein. Die junge Frau trat zur Seite und fragte ihre Mutter, was sie sich von Herodes erbitten solle. Herodias sagte: "Geh zu Herodes und verlange das Haupt von Johannes dem Täufer." Und die junge Frau kehrte an die Festtafel zurück und sagte zu Herodes: "Ich bitte darum, dass du mir unverzüglich das Haupt von Johannes dem Täufer auf einem Tablett gibst." Herodes wurde von Angst und Trauer erfüllt, aber eingedenk seines Versprechens und wegen all jener, die mit ihm beim Mahle saßen, wollte er die Bitte nicht abschlagen. Und Herodes Antipas befahl einem Soldaten, hinzugehen und ihm den Kopf des Johannes zu bringen. So wurde Johannes in dieser Nacht im Gefängnis enthauptet. Der Soldat brachte das Haupt des Propheten auf einem Tablett und überreichte es der jungen Frau hinten im Festsaal. Und sie übergab das Tablett ihrer Mutter. Als die Jünger des Johannes davon erfuhren, kamen sie zum Gefängnis, um den Leichnam des Johannes zu holen. Nachdem sie ihn zu Grabe gelegt hatten, gingen sie zu Jesus und erzählten ihm alles. ****** Kapitel 136 Die Taufe und die Vierzig Tage ****** Jesus begann sein öffentliches Wirken, als das allgemeine Interesse an den Predigten des Johannes seinen Höhepunkt erreicht hatte, und zu einer Zeit, da die Juden Palästinas ungeduldig auf das Erscheinen des Messias warteten. Es bestand ein großer Unterschied zwischen Johannes und Jesus. Johannes war ein eifriger und ernster Arbeiter, Jesus dagegen ging ruhig und heiter ans Werk; nur einige wenige Male in seinem ganzen Leben war er jemals in Eile. Jesus war der Welt ein ermutigender Trost und so etwas wie ein Beispiel; Johannes war kaum ein Trost oder ein Beispiel. Er predigte das Königreich des Himmels, trat aber kaum in dessen Glückseligkeit ein. Obwohl Jesus von Johannes als dem größten unter den Propheten der alten Ordnung sprach, sagte er auch, dass der Geringste derer, die das große Licht des neuen Weges erblickten und dadurch in das Königreich des Himmels einträten, tatsächlich größer sei als Johannes. Wenn Johannes über das kommende Reich predigte, war der Kerngedanke seiner Botschaft: Tut Buße! Flieht vor dem kommenden Zorn. Als Jesus zu predigen anfing, behielt er zwar die Ermahnung zur Reue bei, aber dieser Aufforderung folgte stets das Evangelium, die frohe Botschaft von der Freude und Freiheit des neuen Königreichs. ***** 136.1 Die Vorstellungen vom erwarteten Messias ***** Die Juden hatten viele Vorstellungen vom erwarteten Erlöser, und jede dieser verschiedenen Schulen messianischer Lehre konnte sich zum Beweis ihrer Behauptungen auf Aussagen in den heiligen hebräischen Schriften berufen. Ganz allgemein begann in den Augen der Juden ihre nationale Geschichte mit Abraham und erreichte ihren Höhepunkt mit dem Messias und dem neuen Zeitalter des Königreichs Gottes. In früheren Zeiten hatten sie diesen Erlöser als "Diener des Herrn" und dann als "Menschensohn" gesehen, während einige seit kurzem sogar so weit gingen, vom Messias als vom "Sohn Gottes" zu sprechen. Aber ob sie ihn nun "Samen Abrahams" oder "Sohn Davids" nannten, stimmten sie doch alle darin überein, dass er der Messias, "der Gesalbte" sein würde. So wuchs das Konzept von "Diener des Herrn" über "Sohn Davids" und "Menschensohn" bis zu "Gottessohn". Zur Zeit von Johannes und Jesus hatten die am besten gebildeten Juden eine Vorstellung entwickelt, die den kommenden Messias als vervollkommneten und beispielhaften Israeliten sah, der in sich als "Diener des Herrn" das dreifache Amt des Propheten, Priesters, und Königs vereinigte. So wie Moses ihre Väter durch Wundertaten vom ägyptischen Joch befreit hatte, glaubten die Juden zutiefst, dass der kommende Messias das jüdische Volk von der römischen Herrschaft durch noch größere Wunderzeichen seiner Macht und staunenerregende rassische Siege befreien würde. Die Rabbiner hatten fast fünfhundert Schriftstellen zusammengetragen, die sie trotz offensichtlicher Widersprüche als Ankündigungen des kommenden Messias auslegten. Aber über all diesen den Zeitpunkt, die Technik und die Funktion betreffenden Einzelheiten hatten sie die Persönlichkeit des versprochenen Messias fast völlig aus den Augen verloren. Sie erwarteten eher die Wiederherstellung des jüdischen nationalen Ruhmes - die zeitliche Verherrlichung Israels - als das Heil der Welt. Daraus geht klar hervor, dass Jesus von Nazareth dieses materialistische messianische Konzept des jüdischen Denkens niemals zufrieden stellen konnte. Viele ihrer bekannten messianischen Weissagungen hätten sie auf ganz natürliche Art darauf vorbereiten können, Jesus als denjenigen zu erkennen, der ein Zeitalter abschloss und eine neue und bessere Verschenkung von Barmherzigkeit und Heil an alle Nationen eröffnete, hätten sie jene prophetischen Äußerungen bloß in einem anderen Licht gesehen. Die Juden waren im Glauben an die Lehre der Schekinah erzogen worden. Aber dieses berühmte Symbol der göttlichen Gegenwart war im Tempel nicht sichtbar. Sie glaubten, dass das Kommen des Messias seine Wiederherstellung bewirken würde. Sie hatten verworrene Vorstellungen von der Rassensünde und der angeblich bösen menschlichen Natur. Einige lehrten, Adams Sünde habe einen Fluch über die menschliche Rasse gebracht, und der Messias werde diesen Fluch von ihr nehmen und den Menschen wieder der göttlichen Gunst teilhaftig werden lassen. Andere lehrten, dass Gott bei der Erschaffung des Menschen sowohl eine gute als auch eine schlechte Natur in sein Wesen gelegt habe; dass er aber zutiefst enttäuscht war, als er beobachtete, was dabei herausgekommen war, und dass er "bereute, den Menschen so geschaffen zu haben". Und diejenigen, die solches lehrten, glaubten, der Messias werde kommen, um die Menschen von dieser ihnen innewohnenden schlechten Natur zu erlösen. Die Mehrzahl der Juden glaubte, dass ihre nationalen Sünden und die Halbherzigkeit der heidnischen Proselyten der Grund waren, weshalb sie immer noch unter römischer Herrschaft litten. Die jüdische Nation hatte nicht aus ganzem Herzen Buße getan; deshalb schob der Messias sein Kommen hinaus. Es wurde sehr viel über Buße gesprochen; daher der machtvolle und unmittelbare Aufruf der Predigten des Johannes: "Tut Buße und lasst euch taufen, denn das Königreich des Himmels ist nahe." Und das Königreich des Himmels konnte für einen frommen Juden nur eine Bedeutung haben: Das Kommen des Messias. Es gab in Michaels Selbsthingabe ein Charakteristikum, das der jüdischen Vorstellung vom Messias völlig fremd war, und das war die Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Natur. Die Juden hatten sich den Messias unterschiedlich als vervollkommneten Menschen, als übermenschlich oder gar als göttlich vorgestellt, aber nie hatten sie das Konzept von der Vereinigung des Menschlichen mit dem Göttlichen gehabt. Und das war der große Stolperstein für die frühen Jünger Jesu. Sie erfassten zwar das menschliche Konzept vom Messias als dem Sohn Davids, wie es die frühen Propheten vertraten; ebenso das Konzept vom Menschensohn - die übermenschliche Idee Daniels und einiger späterer Propheten; und sogar dasjenige vom Gottessohn, wie der Verfasser des Buchs Enoch und einige seiner Zeitgenossen es dargestellt hatten; aber nie hatten sie auch nur einen Augenblick lang das wahre Konzept von der Vereinigung der beiden Naturen, der menschlichen und göttlichen, in einer einzigen irdischen Persönlichkeit in Erwägung gezogen. Die Inkarnation des Schöpfers in der Gestalt des Geschöpfes war zuvor nicht offenbart worden. Sie wurde erst in Jesus offenbart. Die Welt wusste von solchen Dingen nichts, bevor der Schöpfersohn Fleisch wurde und mitten unter den Sterblichen dieser Erde weilte. ***** 136.2 Die Taufe Jesu ***** Jesus wurde auf dem Höhepunkt von Johannes' Predigertätigkeit getauft, als Palästina sich wegen seiner Botschaft "Das Königreich Gottes ist nah" in glühender Erwartung befand und das ganze Judentum mit einer ernsten und feierlichen Selbstprüfung beschäftigt war. Das jüdische Zusammengehörigkeitsgefühl als Rasse war sehr tief. Die Juden glaubten nicht nur, dass die Sünden der Väter die Kinder treffen konnten, sondern sie glaubten auch fest daran, dass die Sünde eines Einzelnen Fluch über die Nation bringen könne. Demgemäß betrachteten sich nicht alle, die sich der Taufe des Johannes unterzogen, bestimmter von ihm angeprangerter Sünden für schuldig. Viele fromme Seelen ließen sich von Johannes für das Wohl Israels taufen. Sie befürchteten, irgendeine von ihnen unwissentlich begangene Sünde könnte das Kommen des Messias verzögern. Sie fühlten sich einer schuldigen und unter dem Fluch der Sünde lebenden Nation zugehörig, und sie fanden sich zur Taufe ein, um dadurch die Bußfertigkeit der Rasse zu bekunden. Daraus geht klar hervor, dass Jesus die Taufe des Johannes in keiner Weise als Bußritus oder zur Sündenvergebung empfing. Indem er sich von Johannes taufen ließ, folgte Jesus nur dem Beispiel vieler frommer Israeliten. Als Jesus zur Taufe in den Jordan hinabstieg, war er ein Sterblicher dieser Welt, der in allem, was die Eroberung des Verstandes und die Selbstidentifikation mit dem Geist angeht, die höchste Stufe des menschlichen evolutionären Aufstiegs erreicht hatte. An jenem Tag stand er im Jordan da als ein vervollkommneter Sterblicher der evolutionären Welten von Zeit und Raum. Eine vollkommene Synchronisation und völlige Kommunikation hatte sich zwischen dem sterblichen Verstand Jesu und dem innewohnenden Geist-Justierer, der göttlichen Gabe des Vaters im Paradies, herausgebildet. Ein ebensolcher Justierer wohnt seit dem Emporsteigen Michaels an die Spitze seines Universums jedem normalen Wesen auf Urantia inne, abgesehen davon, dass der Justierer Jesu auf diese besondere Sendung vorbereitet worden war, indem er vorher in ähnlicher Weise Machiventa Melchisedek, einem anderen inkarnierten übermenschlichen Wesen, innegewohnt hatte. Wenn ein Sterblicher der Welt solche Höhen von Persönlichkeitsvollendung erreicht, ereignen sich gewöhnlich gewisse vorbereitende Phänomene geistiger Erhöhung, die ihren Abschluss in der Fusion der gereiften sterblichen Seele mit dem ihr verbundenen göttlichen Justierer finden. Und eine solche Veränderung in der Persönlichkeitserfahrung Jesu von Nazareth war offenbar an jenem Tag zu erwarten, als er mit seinen zwei Brüdern zum Jordan hinabstieg, um sich von Johannes taufen zu lassen. Diese feierliche Handlung war der Schlussakt in seinem rein menschlichen Leben auf Urantia, und viele übermenschliche Beobachter erwarteten, Zeugen der Fusion des Justierers mit dem ihn beherbergenden Verstand zu werden; aber sie sollten alle enttäuscht werden. Etwas Neues und noch Größeres ereignete sich. Als Johannes seine Hände auf Jesus legte, um ihn zu taufen, verabschiedete sich der innewohnende Justierer endgültig von der vervollkommneten menschlichen Seele Josua ben Josephs. Und in wenigen Augenblicken kehrte diese göttliche Wesenheit von Divinington zurück als Personifizierter Justierer und Oberhaupt über seinesgleichen im ganzen Lokaluniversum von Nebadon. Und so beobachtete Jesus, wie sein eigener früherer göttlicher Geist bei seiner Rückkehr in personifizierter Form zu ihm herabstieg. Und er hörte, wie dieser Geist paradiesischen Ursprungs nun sprach: "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." Und Johannes und die beiden Brüder Jesu hörten diese Worte ebenfalls. Die Jünger des Johannes jedoch, die am Rande des Wassers standen, hörten weder die Worte, noch sahen sie die Erscheinung des Personifizierten Justierers. Nur die Augen Jesu erblickten ihn. Nachdem der wiedergekehrte und jetzt im Rang erhöhte Personifizierte Justierer so gesprochen hatte, herrschte eine große Stille. Und während alle vier im Wasser stehen blieben, betete Jesus, indem er zu dem nahen Justierer aufblickte: "Mein Vater, der du bist im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme! Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel." Und als er gebetet hatte, "wurden die Himmel geöffnet", und der Menschensohn schaute in einer Vision, die ihm der jetzt Personifizierte Justierer zeigte, sich selber als Gottessohn so, wie er war, bevor er als Sterblicher zur Erde gekommen war, und wie er wieder sein würde, wenn das Leben im Fleisch einmal vorüber wäre. Nur Jesus sah diese himmlische Vision. Johannes und Jesus hatten die Stimme des Personifizierten Justierers gehört, der stellvertretend für den Universalen Vater sprach; denn der Justierer kommt vom Vater im Paradies und ist wie er. Während des restlichen Erdenlebens Jesu blieb dieser Personifizierte Justierer bei allen schwierigen Aufgaben mit ihm verbunden; Jesus war mit seinem erhöhten Justierer in ständiger Verbindung. Als Jesus getauft wurde, bereute er keine Missetaten, bekannte er keine Sünden. Seine Taufe war eine feierliche Verpflichtung, den Willen des himmlischen Vaters auszuführen. Bei seiner Taufe hörte er den unmissverständlichen Ruf seines Vaters, die endgültige Aufforderung, sich um dessen Angelegenheiten zu kümmern, und er zog sich für vierzig Tage in die Abgeschiedenheit zurück, um über diese vielfältigen Probleme nachzusinnen. Indem er sich für eine Zeitlang von jedem persönlichen Kontakt mit seinen irdischen Gefährten zurückzog, hielt sich Jesus, so wie er als Sterblicher auf Urantia lebte, genau an das auf den morontiellen Welten geltende Vorgehen, wenn ein aufsteigender Sterblicher mit der inneren Gegenwart des Universalen Vaters fusioniert. An diesem Tag der Taufe ging das rein menschliche Leben Jesu zu Ende. Der göttliche Sohn hatte seinen Vater gefunden, der Universale Vater hatte seinen inkarnierten Sohn gefunden, und sie sprachen miteinander. Jesus war bei seiner Taufe fast einunddreißigeinhalb Jahre alt. Lukas sagt, Jesus sei im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius getauft worden, was das Jahr 29 n. Chr. bedeuten würde, da Augustus 14 n. Chr. starb. Es sollte aber daran erinnert werden, dass Tiberius zweieinhalb Jahre lang bis zum Tode des Augustus dessen Mitregent war, und dass zu seinen Ehren im Oktober 11 n. Chr. Münzen geprägt wurden. Deshalb war sein fünfzehntes Regierungsjahr tatsächlich dieses Jahr 26 n. Chr., das Jahr von Jesu Taufe. Und dies war auch das Jahr, in dem Pontius Pilatus sein Amt als Statthalter von Judäa antrat.) ***** 136.3 Die vierzig Tage ***** Die große Versuchung seiner sterblichen Selbsthingabe hatte Jesus bereits vor seiner Taufe durchgestanden, als er sechs Wochen lang vom Tau des Berges Hermon benetzt wurde. Dort oben auf dem Berg Hermon war er als allein auf sich selbst angewiesener Sterblicher Caligastia, dem Fürsten dieser Welt begegnet, der Anspruch auf Urantia erhob, und hatte ihn besiegt. An jenem bedeutungsvollen Tag war Jesus von Nazareth laut den Aufzeichnungen des Universums Planetarischer Fürst von Urantia geworden. Und dieser Fürst von Urantia, der schon bald zum höchsten Herrscher Nebadons proklamiert werden sollte, zog sich nun für vierzig Tage zurück, um die Pläne zur Ausrufung des neuen Gottesreichs in den Herzen der Menschen zu formulieren und das dazu erforderliche Verfahren festzulegen. Die vierzig Tage nach seiner Taufe dienten der Anpassung an seine veränderten Beziehungen zur Welt und zum Universum, die sich aus der Personifizierung seines Justierers ergaben. In der Abgeschiedenheit der Berge von Peräa bestimmte er die Vorgehensweise und die Methoden, die er in der bevorstehenden neuen und veränderten Phase seines Erdenlebens anwenden würde. Jesus zog sich nicht zurück, um zu fasten und seine Seele zu betrüben. Er war kein Asket und er kam, um für immer alle derartigen Vorstellungen über die Annäherung an Gott zu zerstören. Die Gründe, weshalb er die Abgeschiedenheit aufsuchte, waren völlig verschieden von jenen, welche Moses und Elija und sogar Johannes den Täufer bewegt hatten. Jesus war sich jetzt seiner Beziehung zum Universum seiner Schöpfung wie auch jener zum Universum der Universen, über dem der Paradies-Vater, sein himmlischer Vater, waltete, voll bewusst. Er erinnerte sich jetzt genauestens an den Auftrag der Selbsthingabe und an die Anweisungen, die ihm sein älterer Bruder Immanuel gegeben hatte, bevor er seine Inkarnation auf Urantia begann. Er begriff jetzt klar und vollständig all diese weitläufigen Zusammenhänge, und er begehrte, sich eine Zeit lang für ruhiges Nachdenken abzusondern, um Pläne zu ersinnen und über das Vorgehen zu entscheiden, wie er für diese Welt und alle anderen Welten seines Lokaluniversums öffentlich wirken könnte. Während Jesus auf der Suche nach einem passenden Unterschlupf in den Bergen umherwanderte, begegnete er dem Regierungschef seines Universums, Gabriel, dem Hellen Morgenstern Nebadons. Gabriel stellte jetzt die persönliche Verbindung mit dem Schöpfersohn des Universums wieder her. Dies war ihre erste direkte Begegnung, seit sich Michael von seinen Mitarbeitern auf Salvington verabschiedet hatte, um sich vor Beginn seiner Selbsthingabe auf Urantia zur Vorbereitung nach Edentia zu begeben. Auf Anweisung Immanuels und mit Vollmacht der Ältesten der Tage von Uversa überbrachte Gabriel Jesus Informationen, denen zufolge seine Erfahrung der Selbsthingabe auf Urantia praktisch in allem abgeschlossen war, was die Erlangung der vollkommenen Souveränität über sein Universum und die Beendigung der Rebellion Luzifers betraf. Erstere war am Tage seiner Taufe erfüllt, als die Personifizierung seines Justierers die Vollkommenheit und Vollendung seiner Selbsthingabe im Fleisch anzeigte; letztere war eine historische Tatsache an jenem Tag, als er vom Berg Hermon herabkam, um den ihn erwartenden Knaben Tiglath zu treffen. Jesus hatte nun durch die höchste Autorität des Lokaluniversums und des Superuniversums Kenntnis davon bekommen, dass seine Selbsthingabe insofern beendet war, als sie seine persönliche Stellung bezüglich Souveränität und Rebellion betraf. Diese Sicherheit hatte er bereits direkt vom Paradies in der Vision bei der Taufe und durch das Phänomen der Personifizierung seines ihm innewohnenden Gedankenjustierers erhalten. Während er auf dem Berg weilte und sich mit Gabriel unterhielt, erschien ihnen der Vater der Konstellation von Edentia in Person und sagte: "Die Aufzeichnungen sind abgeschlossen. Die Souveränität von Michael Nummer 611 121 über sein Universum von Nebadon ruht erfüllt zur Rechten des Universalen Vaters. Im Auftrag Immanuels, deines Paten-Bruders für die Inkarnation auf Urantia, entbinde ich dich von der Selbsthingabe. Du bist jetzt und zu jedem späteren Zeitpunkt frei, auf eine von dir selber bestimmte Art und Weise deine irdische Selbsthingabe zu beenden, zur Rechten deines Vaters aufzusteigen, deine Souveränität zu empfangen und deine wohlverdiente bedingungslose Herrschaft über ganz Nebadon anzutreten. Ich bezeuge auch die mit Billigung der Ältesten der Tage erfolgte Ergänzung der Urkunden des Superuniversums bezüglich der Beendigung jeglicher sündigen Rebellion in deinem Universum, die dich mit voller und unbeschränkter Autorität ausstattet, um in Zukunft mit jedweder möglichen Erhebung fertig zu werden. Technisch ist dein Werk auf Urantia in Menschengestalt abgeschlossen. Die Entscheidung über deinen Weg liegt fortan einzig bei dir." Als sich der Allerhöchste Vater von Edentia verabschiedet hatte, unterhielt sich Jesus lange mit Gabriel über das Wohl des Universums. Er sandte Immanuel Grüße und versicherte ihm, dass er bei dem Werk, das er in Kürze auf Urantia beginnen werde, immer der Ratschläge eingedenk sein werde, die er im Zusammenhang mit seinem Auftrag vor der Selbsthingabe auf Salvington erhalten hatte. Während dieser ganzen vierzigtägigen Isolierung waren Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, auf der Suche nach Jesus. Oft waren sie nicht weit von seinem Aufenthaltsort entfernt, aber sie fanden ihn nie. ***** 136.4 Pläne für das öffentliche Wirken ***** Oben in den Bergen entwickelte Jesus Tag für Tag Pläne für den Rest seiner Selbsthingabe auf Urantia. Zuerst fasste er den Entschluss, nicht gleichzeitig mit Johannes zu lehren. Er plante, sich weitgehend im Hintergrund zu halten, bis das Werk des Johannes sein Ziel erreicht haben oder wegen seiner Gefangennahme ein plötzliches Ende nehmen würde. Jesus wusste wohl, dass die unerschrockenen und unverblümten Predigten des Johannes bald die Befürchtungen und die Feindschaft der zivilen Herrscher wecken würden. Angesichts der bedenklichen Lage von Johannes begann Jesus definitiv, sein Programm öffentlichen Wirkens zugunsten seines Volkes und der Welt sowie jeder bewohnten Welt seines großen Universums zu planen. Michaels Selbsthingabe fand auf Urantia, aber für alle Welten Nebadons statt. Nachdem Jesus den allgemeinen Plan überdacht hatte, sein Programm mit der Bewegung des Johannes abzustimmen, ging er in Gedanken zuerst Immanuels Anweisungen durch. Er dachte sorgfältig über den Ratschlag nach, den er hinsichtlich seiner Arbeitsmethoden erhalten hatte und auch darüber, dass er auf dem Planeten nichts bleibendes Schriftliches zurücklassen durfte. Nie wieder schrieb Jesus auf irgendetwas anderes als auf Sand. Bei seinem nächsten Besuch in Nazareth und zum großen Kummer seines Bruders Joseph vernichtete Jesus alles von ihm Geschriebene, das auf den Holztafeln in der Schreinerwerkstatt erhalten war und an den Wänden des alten Heimes hing. Und Jesus sann auch lange nach über Immanuels Rat hinsichtlich seiner wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Haltung gegenüber der Welt, wie er sie antreffen würde. Jesus fastete während dieser vierzigtägigen Isolierung nicht. Die längste ohne Nahrung verbrachte Zeit waren seine beiden ersten Tage in den Bergen, als er so sehr in Gedanken versunken war, dass er völlig zu essen vergaß. Aber am dritten Tag machte er sich auf Nahrungssuche. Ebenso wenig wurde er während dieser Zeit durch irgendwelche bösen Geister oder ranghohen rebellischen Persönlichkeiten dieser oder irgendeiner anderen Welt versucht. Diese vierzig Tage boten Gelegenheit für das endgültige Zusammenwirken zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Verstand, oder besser für das erste wirkliche Funktionieren der beiden in einem nunmehr einzigen. Die Ergebnisse dieser bedeutsamen Meditationszeit bewiesen überzeugend, dass der göttliche Verstand triumphierend und im Geiste die Herrschaft über den menschlichen Intellekt errungen hatte. Von da an ist der menschliche Verstand der Verstand Gottes geworden, und obwohl die Individualität des menschlichen Verstandes immer gegenwärtig ist, sagt dieser vergeistigte menschliche Verstand stets: "Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe." Die Vorgänge dieser denkwürdigen Zeit waren weder phantastische Visionen eines hungernden und geschwächten Geistes, noch die wirren und kindischen Symbole, die später als "Versuchungen Jesu in der Wüste" in die Schriften eingegangen sind. Vielmehr war es eine Periode des Überdenkens der ganzen ereignisreichen und bewegten Zeit der Selbsthingabe auf Urantia und des sorgfältigen Planens seines zukünftigen Wirkens, das dieser Welt am besten dienen, aber auch etwas zur Besserung aller anderen durch Rebellion isolierten Welten beitragen würde. Jesus sann über die gesamte Zeitspanne menschlichen Lebens auf Urantia nach, von den Tagen Andons und Fontas über Adams Fehlverhalten bis hin zum Wirken Melchisedeks von Salem. Gabriel hatte Jesus daran erinnert, dass es zwei Möglichkeiten gab, sich der Welt zu offenbaren, falls er sich für ein längeres Verbleiben auf Urantia entscheiden sollte. Und es wurde Jesus klar zu verstehen gegeben, dass seine diesbezügliche Wahl keinen Einfluss auf die Souveränität über sein Universum und die Beendigung der Rebellion Luzifers hätte. Die beiden Arten des Dienstes an der Welt waren: 1. Sein eigener Weg - der Weg, der vom Standpunkt der unmittelbaren Bedürfnisse dieser Welt und der gegenwärtigen Erbauung seines eigenen Universums am angenehmsten und nützlichsten erschiene. 2. Des Vaters Weg - das beispielhafte Vorleben eines weit blickenden Ideals menschlichen Lebens, so wie es sich hohe Persönlichkeiten der Verwaltung des Universums der Universen im Paradies vorstellen. Es wurde Jesus also klar bedeutet, dass es zwei Wege gab, um den Rest seines Erdenlebens zu gestalten. Im Lichte der augenblicklichen Situation hatte jeder der beiden Wege etwas für sich. Der Menschensohn sah klar, dass seine Wahl zwischen diesen beiden Verhaltensweisen nichts mit dem Erhalt der Souveränität über sein Universum zu tun hatte; das war eine bereits abgeschlossene und in den Annalen des Universums der Universen besiegelte Sache, die nur noch auf seine persönliche Inanspruchnahme wartete. Aber es wurde Jesus zu verstehen gegeben, dass Immanuel, sein Paradies-Bruder, große Genugtuung empfände, wenn Jesus es für richtig hielte, seine Erdenlaufbahn ebenso edel zu beenden, wie er sie begonnen hatte, nämlich immer dem Willen des Vaters untertan. Am dritten Tag in der Abgeschiedenheit gelobte sich Jesus, in die Welt zurückzukehren, um seinen irdischen Lebensweg zu beenden, und in jeder Situation, die zwei Wege offen ließ, immer seines Vaters Willen zu wählen. Und er blieb für den Rest seines Erdenlebens diesem Entschluss stets treu. Sogar bis zum bitteren Ende unterwarf er seinen souveränen Willen ausnahmslos demjenigen seines himmlischen Vaters. Die vierzig Tage in der gebirgigen Einöde waren nicht eine Zeit großer Versuchung, sondern vielmehr der großen Entscheidungen des Meisters. Während dieser Tage einsamen Zwiegesprächs mit sich selber und mit der unmittelbaren Gegenwart seines Vaters - dem Personifizierten Justierer (er hatte keinen persönlichen Schutzengel mehr) - gelangte er nacheinander zu den großen Entscheidungen, die sein Vorgehen und sein Verhalten für den Rest seines Erdenweges bestimmen sollten. Die Überlieferung brachte später diese Zeit in der Abgeschiedenheit mit einer großen Versuchung in Verbindung, weil die bruchstückhaften Berichte über die Kämpfe auf dem Berg Hermon damit verwechselt wurden, und ferner, weil es der Brauch wollte, dass alle großen Propheten und menschlichen Führer ihre öffentliche Laufbahn damit begannen, sich einer solchen Zeit des Fastens und Betens zu unterziehen. Angesichts jeder neuen oder ernsten Entscheidung pflegte Jesus sich stets zurückzuziehen und mit seinem eigenen Geist in Verbindung zu treten, um Gottes Willen herauszufinden. Bei all seinem Planen für den Rest seines Erdenlebens wurde Jesus in seinem menschlichen Herzen stets zwischen zwei entgegengesetzten Verhaltensmöglichkeiten hin- und hergerissen: 1. Der Wunsch war in ihm mächtig, sein Volk - und die ganze Welt - dafür zu gewinnen, an ihn zu glauben und sein neues geistiges Reich anzunehmen; und er wusste sehr wohl, wie seine Landsleute sich den kommenden Messias vorstellten. 2. In einer Weise zu leben und zu arbeiten, von der er wusste, dass sein Vater sie billigen würde, seine Arbeit auch zugunsten anderer Welten in Bedrängnis zu vollbringen und damit fortzufahren, bei der Errichtung des Königreichs den Vater zu offenbaren und dessen göttliches Wesen der Liebe kundzutun. Während dieser bedeutsamen Tage lebte Jesus in einer alten Felsenhöhle, einem Unterschlupf an einem Hang in der Nähe eines ehemals Beit Adis genannten Dorfes. Er trank von der kleinen Quelle, die dem Berghang nahe seiner Felsbehausung entsprang. ***** 136.5 Die erste große Entscheidung ***** Am dritten Tag nach Beginn dieser Beratung mit sich selbst und seinem Personifizierten Justierer wurde Jesus die Vision der versammelten himmlischen Heerscharen Nebadons zuteil, die von ihren Befehlshabern gesandt worden waren, um dem Willen ihres geliebten Herrn zur Verfügung zu stehen. Diese mächtige Armee umfasste zwölf Legionen von Seraphim und entsprechende Kontingente jeder intelligenten Ordnung des Universums. Und bei der ersten großen Entscheidung Jesu in der Einsamkeit ging es darum, ob er sich dieser mächtigen Persönlichkeiten im Zusammenhang mit seiner Öffentlichkeitsarbeit auf Urantia bedienen würde oder nicht. Jesus beschloss, dass er sich nicht einer einzigen Persönlichkeit dieser gewaltigen Versammlung bedienen würde, außer es würde offenbar, dass dies seines Vaters Wille war. Ungeachtet dieser generellen Entscheidung blieb das große Heer während seines restlichen Erdenlebens bei ihm, jederzeit bereit, dem leisesten Ausdruck des Willens seines Souveräns zu gehorchen. Obwohl Jesus diese ihn begleitenden Persönlichkeiten mit seinen menschlichen Augen nicht ständig wahrnahm, so sah sein ihm zugesellter Personifizierter Justierer sie ständig und konnte mit ihnen allen kommunizieren. Bevor er aus der vierzigtägigen Einsamkeit in den Bergen herabkam, übergab Jesus seinem vor kurzem Personifizierten Justierer das unmittelbare Kommando über diese Begleitarmee von Persönlichkeiten des Universums, und mehr als vier Jahre urantianischer Zeit dienten die aus jeder Ordnung intelligenter Wesen des Universums ausgewählten Persönlichkeiten gehorsam und achtungsvoll unter der weisen Führung dieses im Rang erhobenen und erfahrenen Personifizierten Unergründlichen Mentors. Die Übernahme des Kommandos dieser mächtigen Versammlung durch den Justierer, einst Teil und Essenz des Paradies-Vaters, gab Jesus die Gewähr dafür, dass es diesen übermenschlichen Wesen unter keinen Umständen gestattet sein würde, im Zusammenhang mit seiner irdischen Laufbahn oder zu deren Gunsten zu dienen oder einzugreifen, außer es sollte sich herausstellen, dass der Vater ganz offensichtlich eine solche Intervention wünschte. So verzichtete Jesus durch eine einzige große Entscheidung freiwillig auf jegliche übermenschliche Mitarbeit in allem, was den Rest seines Erdenlebens betraf, es sei denn, der Vater entscheide sich unabhängig dafür, sich an einer bestimmten Handlung oder Episode der irdischen Tätigkeit des Sohnes zu beteiligen. Als der Personifizierte Justierer den Oberbefehl über die Heerscharen des Universums übernahm, die Christus Michael zu Diensten standen, wies er Jesus mit großem Nachdruck darauf hin, dass die delegierte Autorität ihres Schöpfers ein solches Heer von Geschöpfen des Universums wohl in deren Raum -Tätigkeiten zu beschränken vermöge, dass aber im Zusammenhang mit deren Tätigkeiten in der Zeit keine solche Begrenzung möglich sei. Und diese Einschränkung rührte daher, dass Justierer, wenn sie einmal personifiziert sind, zeitlose Wesen sind. Entsprechend wurde Jesus darauf aufmerksam gemacht, dass die Kontrolle des Justierers über die seinem Befehl unterstellten lebenden Intelligenzen in allem, was den Raum anbelangte, vollständig und vollkommen war, dass aber bezüglich der Zeit keine derartigen vollkommenen Begrenzungen auferlegt werden konnten. Der Justierer sagte: "Wie du es angeordnet hast, will ich die Verwendung dieser Heerscharen von Intelligenzen des Universums in allem, was mit deiner irdischen Laufbahn in Zusammenhang steht, untersagen mit Ausnahme jener Fälle, in denen der Paradies-Vater mich anweist, diese ausführenden Organe zu befreien, damit sein göttlicher Wille entsprechend deiner Wahl erfüllt werde. Ebenso sind auch all jene Fälle ausgenommen, in denen dein göttlich-menschlicher Wille eine Wahl treffen oder eine Handlung einleiten sollte, die von der natürlichen irdischen Ordnung im Hinblick auf die Zeit abweicht. Bei allen Ereignissen dieser Art bin ich machtlos, und alle deine hier in Vollkommenheit und geeinter Machtfülle versammelten Geschöpfe sind ebenso hilflos. Wenn deine beiden vereinigten Naturen einmal solche Wünsche hegen sollten, dann würden die Anweisungen deiner Wahl unverzüglich ausgeführt. In allen solchen Fällen wird dein Wille eine Zeitverkürzung bewirken, und die geplante Sache existiert. Unter meinem Kommando bedeutet dies die größtmögliche Begrenzung deiner virtuellen Souveränität. In meinem eigenen Bewusstsein existiert Zeit nicht, und deshalb kann ich deine Geschöpfe in nichts, was damit in Verbindung ist, einschränken." So wurde Jesus über die Folgen seiner Entscheidung, weiterhin als Mensch unter Menschen leben zu wollen, in Kenntnis gesetzt. Durch eine einzige Entscheidung hatte er alle ihn begleitenden Heerscharen verschiedenster Intelligenzen seines Universums von der Teilnahme an seiner bevorstehenden öffentlichen Tätigkeit ausgeschlossen mit Ausnahme der Angelegenheiten, die nur die Zeit betrafen. Es geht daraus klar hervor, dass alle möglichen übernatürlichen oder angeblich übermenschlichen Begleiterscheinungen von Jesu Tätigkeit nur die Ausschaltung der Zeit betrafen, es sei denn, der Vater im Himmel habe ausdrücklich anders entschieden. Kein Wunder, keine Tat der Barmherzigkeit oder irgendein anderes mit dem verbleibenden Erdenwerk Jesu zusammenhängendes mögliches Ereignis konnte etwa die Natur oder den Charakter eines Geschehnisses haben, das die bestehenden Naturgesetze überschritt, wie sie im Leben der Menschen auf Urantia normalerweise am Werk sind, außer in dieser ausdrücklich erwähnten Frage der Zeit. Den Manifestationen des "Willens des Vaters" konnten natürlich keinerlei Beschränkungen auferlegt werden. Die Ausschaltung der Zeit in Verbindung mit dem erklärten Wunsch dieses potentiellen Herrschers über ein Universum konnte nur vermieden werden durch einen direkten und ausdrücklichen Willens- Akt dieses Gottmenschen des Inhalts, dass die mit dem betreffenden Akt oder Ereignis verbundene Zeit nicht abgekürzt oder ausgeschaltet werden dürfe. Um dem Auftreten scheinbarer Zeitwunder vorzubeugen, war es notwendig, dass Jesus fortwährend zeitbewusst blieb. Jede Unterbrechung in seinem Zeitbewusstsein in Verbindung mit einem bestimmten gehegten Wunsch war gleichbedeutend mit der Verwirklichung dessen, was der Geist dieses Schöpfersohns ersonnen hatte, und zwar zeitunabhängig. Mit Hilfe der überwachenden Kontrolle seines ihm verbundenen Personifizierten Justierers war es Michael möglich, seine persönlichen irdischen Handlungen in Bezug auf den Raum genau zu beschränken, aber es war dem Menschensohn nicht möglich, seine neue irdische Stellung als potentieller Herrscher von Nebadon ebenso im Hinblick auf die Zeit zu beschränken. Dies war der tatsächliche Status Jesu von Nazareth, als er sich anschickte, seine Öffentlichkeitsarbeit auf Urantia zu beginnen. ***** 136.6 Die zweite Entscheidung ***** Nachdem Jesus seine Vorgehensweise gegenüber allen Persönlichkeiten aller Klassen der von ihm erschaffenen Intelligenzen festgelegt hatte, insoweit sie sich in Anbetracht des innewohnenden Potentials seines neuen göttlichen Status bestimmen ließ, wandte er jetzt seine Gedanken sich selber zu. Was würde er, der sich nun voll bewusst war, der Schöpfer aller in seinem Universum existierenden Dinge und Wesen zu sein, mit diesen Vorrechten eines Schöpfers in den stets wiederkehrenden Lebenssituationen tun, mit denen er konfrontiert würde, sobald er nach Galiläa zurückkehrte, um seine Arbeit unter den Menschen wieder aufzunehmen? Tatsächlich hatte sich dieses Problem zwangsläufig bereits hier in dieser einsamen Bergwelt gestellt, als es darum ging, sich Nahrung zu verschaffen. Am dritten Tag seiner einsamen Reflexionen bekam der menschliche Körper Hunger. Sollte er wie jeder gewöhnliche Mensch auf Nahrungssuche gehen oder bloß seine normalen schöpferischen Kräfte anwenden und passende, fertige Nahrung für den Körper hervorbringen? Diese große Entscheidung des Meisters ist euch als Versuchung dargestellt worden - als Herausforderung angeblicher Feinde, er solle "befehlen, dass diese Steine sich in Brotlaibe verwandelten". Damit legte Jesus für den Rest seines irdischen Wirkens eine weitere und folgerichtige Vorgehensweise fest. In allem, was seine persönlichen Bedürfnisse betraf, und im allgemeinen sogar in seinen Beziehungen zu anderen Persönlichkeiten fasste er ganz bewusst den Entschluss, dem Weg der normalen irdischen Existenz zu folgen; er entschied sich endgültig gegen eine Vorgehensweise, welche die von ihm selber eingesetzten natürlichen Gesetze überschreiten, verletzen oder mit Füßen treten würde. Aber er konnte sich nicht versprechen, dass diese Naturgesetze unter gewissen denkbaren Umständen nicht gewaltig beschleunigt würden, wie ihn sein Personifizierter Justierer bereits vorgewarnt hatte. Im Prinzip beschloss Jesus, sein Lebenswerk in Übereinstimmung mit dem Naturgesetz und in Harmonie mit der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung zu organisieren und auszuführen. Der Meister wählte also ein Lebensprogramm, das einer Entscheidung gegen Mirakel und Wundertaten gleichkam. Wiederum entschied er sich für "den Willen des Vaters"; wiederum legte er alles in die Hände seines Paradies-Vaters. Jesu menschliche Natur verlangte als erste Pflicht die Selbsterhaltung; das ist die normale Haltung des natürlichen Menschen auf den Welten von Zeit und Raum und deshalb auch die berechtigte Reaktion eines Sterblichen von Urantia. Aber Jesus hatte es nicht nur mit dieser Welt und ihren Geschöpfen zu tun; er lebte ein Dasein, das dazu bestimmt war, die mannigfaltigen Geschöpfe eines riesigen Universums zu belehren und zu inspirieren. Vor der Erleuchtung bei seiner Taufe hatte er in vollkommener Unterwerfung unter den Willen und die Führung seines himmlischen Vaters gelebt. Er entschied sich mit Nachdruck dafür, in genau der gleichen bedingungslosen sterblichen Abhängigkeit vom Willen seines Vaters weiterzumachen. Er nahm sich vor, den unnatürlichen Weg zu gehen - er entschied sich dafür, nicht die Selbsterhaltung zu suchen. Er beschloss, sich weiterhin grundsätzlich zu weigern, sich selber zu verteidigen. Er sprach seine Schlussfolgerungen mit den Worten der Schrift aus, die seinem menschlichen Verstand geläufig waren: "Der Mensch soll nicht vom Brot allein leben, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt." Indem er in Bezug auf den Appetit der physischen Natur, der sich in Hunger nach Nahrung ausdrückt, zu diesem Schluss gelangte, nahm der Menschensohn auch endgültig Stellung hinsichtlich aller anderen Triebe des Fleisches und der natürlichen Impulse der menschlichen Natur. Seine übernatürlichen Kräfte würde er möglicherweise für andere anwenden, aber nie für sich selber. Und er blieb dieser Haltung bis zu allerletzt treu, als man ihn mit den Worten verspottete: "Andere hat er gerettet, aber sich selber kann er nicht retten" - weil er es nicht wollte. Die Juden warteten auf einen Messias, der sogar noch größere Wunder vollbringen würde als Moses, der angeblich in der Wüste einem Felsen hatte Wasser entspringen lassen und ihre Vorväter in der Wildnis mit Manna gespeist hatte. Jesus kannte die Art von Messias, wie seine Landsleute ihn erhofften, und er besaß alle Macht und alle Vorrechte, um ihren lebhaftesten Erwartungen gerecht zu werden, aber er entschied sich gegen solch ein großartiges Programm der Machtentfaltung und des Ruhmes. Jesus betrachtete die erwartete Vorgehensweise des Wunderwirkens als einen Rückfall in die alten Zeiten unwissender Magie und unwürdiger Praktiken der primitiven Medizinmänner. Möglicherweise würde er zum Heil seiner Geschöpfe das natürliche Gesetz beschleunigen, aber nie würde er seine eigenen Gesetze überschreiten, weder zu seinem eigenen Nutzen noch um seinen Mitmenschen ein heiliges Entsetzen einzujagen. Und des Meisters Entscheidung war endgültig. Seine Mitbürger taten Jesus leid; er verstand sehr gut, wie sie zu der Erwartung von einem kommenden Messias und einer Zeit gelangt waren, da "die Erde zehntausendfache Frucht bringen und ein Weinstock tausend Zweige und jeder Zweig tausend Trauben und jede Traube tausend Beeren tragen und jede Beere einen Schlauch voll Wein liefern wird". Die Juden glaubten, der Messias würde eine Epoche mirakulöser Fülle eröffnen. Seit langem waren sie in einer Tradition von Mirakeln und Wunderlegenden erzogen worden. Er war kein Messias, der gekommen war, um Brot und Wein zu vermehren. Er kam nicht, um allein zeitlichen Bedürfnissen zu genügen; er kam, um seinen Kindern auf Erden seinen Vater im Himmel zu offenbaren, während er zugleich versuchte, seine Erdenkinder dahin zu bringen, ihm in seinem aufrichtigen Bemühen zu folgen, den Willen des Vaters im Himmel zu tun. Mit dieser Entscheidung führte er dem auf ihn herabblickenden Universum vor Augen, was für eine Torheit und Sünde es ist, göttliche Anlagen und gottgegebene Fähigkeiten zu persönlicher Erhöhung oder rein eigennützigem Gewinn und zur Selbstverherrlichung herabzuwürdigen. Das war die Sünde von Luzifer und Caligastia. Diese wichtige Entscheidung Jesu zeigt uns auf dramatische Weise die Wahrheit, dass egoisti-sche Befriedigung und sinnlicher Genuss, allein und aus sich selber heraus, nicht imstande sind, den sich entwickelnden menschlichen Wesen das Glück zu bringen. Es gibt im sterblichen Dasein höhere Werte - Meisterung des Intellekts und geistige Ziele - die weit über die notwendige Befriedigung der rein physischen Begierden und Triebe des Menschen hinausgehen. Die natürlichen angeborenen Talente und Begabungen des Menschen sollten hauptsächlich zur Entwicklung und Veredlung seiner höheren Verstandes- und Geisteskräfte verwendet werden. Damit offenbarte Jesus den Geschöpfen seines Universums die Technik des neuen und besseren Weges, die höheren sittlichen Lebenswerte und die tieferen geistigen Befriedigungen der evolutionären menschlichen Existenz auf den Welten des Raums. ***** 136.7 Die dritte Entscheidung ***** Nachdem er seine Entscheidungen hinsichtlich der Nahrung, der physischen Bedürfnisbefriedigung seines materiellen Körpers und der Sorge für seine eigene Gesundheit und diejenige seiner Gefährten gefällt hatte, gab es noch andere Probleme zu lösen. Wie würde er sich verhalten, wenn er persönlich in Gefahr geriete? Er beschloss, in üblicher Weise um seine menschliche Sicherheit besorgt zu sein und vernünftige Vorkehrungen zu treffen, um einem unzeitigen Ende seiner irdischen Laufbahn vorzubeugen, aber auf jegliches übermenschliche Eingreifen zu verzichten, wenn die Krise seines menschlichen Lebens käme. Als Jesus diesen Entschluss fasste, saß er im Schatten eines Baumes auf einem überhängenden Felssims, und genau vor ihm tat sich ein Abgrund auf. Er war sich völlig klar, dass er sich vom Felsrand ins Leere stürzen könnte und ihm dabei nichts zustoßen würde, vorausgesetzt, er würde seine erste große Entscheidung rückgängig machen, nämlich bei der Verfolgung seines Lebenswerkes auf Urantia auf die Anrufung seiner himmlischen Intelligenzen zu verzichten, und vorausgesetzt, er würde seine zweite Entscheidung in der Frage der Selbsterhaltung wieder aufheben. Jesus wusste, dass seine Landsleute einen Messias erwarteten, der über den Naturgesetzen stehen würde. Man hatte ihn diese Schriftstelle sehr wohl gelehrt: "Es soll dir nichts Böses zustoßen und keine Heimsuchung sich deinem Hause nähern. Denn er wird dich der Obhut seiner Engel anvertrauen, damit sie dich auf all deinen Wegen sicher bewahren. Sie sollen dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt." Ließe sich eine solche Anmaßung, eine solche Verhöhnung der Schwerkraftgesetze seines Vaters rechtfertigen, um sich vor jeder denkbaren Unbill zu schützen und möglicherweise das Vertrauen seines falsch unterwiesenen und verwirrten Volkes zu gewinnen? Aber ein solches Vorgehen, wie sehr es auch die nach Zeichen suchenden Juden zufrieden stellen möchte, wäre nicht eine Offenbarung seines Vaters, sondern ein fragwürdiger und leichtfertiger Umgang mit den gültigen Gesetzen des Universums der Universen. Da ihr nun davon unterrichtet seid, dass der Meister es ablehnte, in Missachtung der gültigen Naturgesetze zu handeln, soweit seine persönliche Lebensweise betroffen war, wisst ihr auch mit Bestimmtheit, dass er nie auf dem Wasser wandelte, noch irgend etwas tat, was eine Verletzung der materiellen Ordnung der Weltverwaltung dargestellt hätte. Dabei müsst ihr selbstverständlich immer daran denken, dass bisher noch kein Weg gefunden worden war, um ihm die Kontrolle über das Element Zeit in all jenen Angelegenheiten zu verschaffen, die im Verantwortungsbereich seines Personifizierten Justierers lagen. Bis an das Ende seines irdischen Lebens blieb Jesus dieser Entscheidung unerschütterlich treu. Ungeachtet dessen, ob die Pharisäer ihn höhnisch aufriefen, ein Zeichen zu tun, oder die Wächter am Kalvarienberg ihn herausforderten, doch vom Kreuz herabzusteigen, hielt er unbeirrt an dem in jener Stunde am Berghang gefassten Entschluss fest. ***** 136.8 Die vierte Entscheidung ***** Das nächste große Problem, mit dem dieser Gottmensch rang und das er bald in Übereinstimmung mit dem Willen des himmlischen Vaters löste, betraf die Frage, ob er seine übernatürlichen Kräfte einsetzen solle, um die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen zu erregen und ihre Gefolgschaft zu gewinnen, oder nicht. Sollte er seine Universums-Macht auf irgendeine Weise zur Befriedigung der jüdischen Sehnsucht nach dem Aufsehenerregenden und Wunderbaren einsetzen? Er entschloss sich, nicht so zu handeln. Er wählte eine Vorgehensweise, welche alle solchen Praktiken als Mittel, die Menschen mit seiner Sendung bekannt zu machen, verwarf. Und er hielt sich konsequent an diese große Entscheidung. Auch wenn er es erlaubte, dass zahlreiche zeitverkürzende Akte der Barmherzigkeit geschahen, so forderte er doch fast ausnahmslos die von ihm Geheilten auf, niemandem etwas von der erfahrenen Wohltat zu sagen. Und immer wies er die höhnische Herausforderung seiner Feinde zurück, die zum Beweis und zur Demonstration seiner Göttlichkeit von ihm verlangten: "Gib uns ein Zeichen!" Jesus sah sehr weise voraus, dass das Wirken von Mirakeln und die Ausführung von Wundertaten das materielle Gemüt einschüchtern und lediglich äußerliche Gefolgschaft bewirken würde; solche Demonstrationen würden weder Gott offenbaren noch die Menschen retten. Er weigerte sich, ein bloßer Wundertäter zu werden. Er beschloss, sich nur einer einzigen Sache zu widmen - der Errichtung des Königreichs des Himmels. Während dieses ganzen denkwürdigen Zwiegesprächs Jesu mit sich selbst war immer das menschliche Element des Infragestellens und des Beinahe-Zweifelns gegenwärtig, denn Jesus war ebenso sehr Mensch wie Gott. Es war klar, dass die Juden ihn nie als Messias annehmen würden, wenn er keine Wunder wirkte. Falls er in eine einzige übernatürliche Tat einwilligte, wüsste übrigens der menschliche Verstand mit Sicherheit, dass dies nur durch Unterwerfung unter einen wahrhaft göttlichen Verstand hatte geschehen können. Wäre es mit dem Willen des Vaters vereinbar, wenn der göttliche Verstand der zweifelnden Natur des menschlichen Verstandes dieses Zugeständnis machen würde? Jesus entschied, dass es unvereinbar sei, und berief sich auf die Anwesenheit des Personifizierten Justierers als auf einen ausreichenden Beweis für die Göttlichkeit in Partnerschaft mit der Menschlichkeit. Jesus war viel gereist; er dachte an Rom, Alexandrien und Damaskus zurück. Er kannte die Methoden der Welt - wie die Leute in Politik und Handel durch Kompromiss und Diplomatie ihre Ziele erreichen. Würde er dieses Wissen benutzen, um seine Sendung auf Erden voranzubringen? Nein! Ebenso entschied er sich gegen jeden Kompromiss mit der Weisheit der Welt und mit dem Einfluss des Reichtums bei der Errichtung des Königreichs. Wiederum entschied er sich dafür, einzig vom Willen des Vaters abzuhängen. Jesus war sich voll bewusst, dass er eine seiner Kräfte im abgekürzten Verfahren handhaben konnte. Er kannte viele Mittel, durch die sich die Aufmerksamkeit der Nation und der ganzen Welt augenblicklich auf ihn richten ließ. Bald würde in Jerusalem Ostern gefeiert und die Stadt mit Besucherscharen voll gestopft sein. Er könnte die Tempelzinne besteigen und vor der fassungslosen Menge in die Luft hinausschreiten; das wäre die Art Messias, die sie erwarteten. Aber er müsste sie anschließend enttäuschen, da er nicht gekommen war, um Davids Thron wiederherzustellen. Und er wusste um die Sinnlosigkeit von Caligastias Vorgehen, der versuchte, dem natürlichen, langsamen und sicheren Weg der Erfüllung des göttlichen Planes vorauszueilen. Wiederum beugte sich der Menschensohn gehorsam vor der Methode und vor dem Willen seines Vaters. Jesus zog es vor, das Königreich des Himmels in den Herzen der Menschen durch natürliche, gewöhnliche, schwierige und anstrengende Methoden zu begründen, genau dieselben, die seine irdischen Kinder in Zukunft bei ihren Tätigkeiten zur Erweiterung und Ausbreitung des himmlischen Königreichs anwenden müssten. Denn der Menschensohn wusste genau, dass "viele Kinder aller Zeitalter nur durch große Mühsal ins Königreich gelangen würden". Jesus ging jetzt durch die große Prüfung des zivilisierten Menschen, nämlich Macht zu besitzen und es standhaft abzulehnen, diese zu egoistischen oder persönlichen Zwecken zu gebrauchen. Wenn ihr das Leben und die Erfahrungen des Menschensohns studiert, solltet ihr euch stets daran erinnern, dass der Sohn Gottes in der Mentalität eines Menschen des ersten Jahrhunderts und nicht in derjenigen eines Sterblichen des zwanzigsten oder eines anderen Jahrhunderts inkarniert war. Damit möchten wir die Idee zum Ausdruck bringen, dass Jesu menschliche Talente auf natürliche Weise erworben waren. Er war das Produkt der erblichen und der Umweltfaktoren seiner Zeit, zu denen der Einfluss seiner Ausbildung und Erziehung hinzukam. Sein Menschsein war echt und natürlich und entwuchs ganz den Voraussetzungen des damaligen intellektuellen Stands und der sozialen und wirtschaftlichen Lage jener Zeit und Generation und wurde durch diese bestimmt. In der Erfahrung dieses Gottmenschen war zwar stets die Möglichkeit gegeben, dass der göttliche Verstand über den menschlichen Intellekt hinausging, aber wenn sein menschlicher Verstand funktionierte, und so wie er funktionierte, arbeitete er wie jeder andere echte sterbliche Verstand unter den Bedingungen des menschlichen Umfelds jener Tage. Damit führte Jesus allen Welten seines großen Universums die Torheit vor Augen, künstliche Situationen zu schaffen, um willkürliche Autorität zu demonstrieren, oder sich außergewöhnlicher Macht in der Absicht zu bedienen, sittliche Werte heller leuchten zu lassen oder den geistigen Fortschritt zu beschleunigen. Jesus entschied, seine irdische Sendung nicht für eine Wiederholung der Enttäuschung der makkabäischen Herrschaft herzugeben. Er lehnte es ab, seine göttlichen Attribute zur Gewinnung unverdienter Popularität oder politischen Ansehens zu entwürdigen. Er wollte nicht die Verwandlung göttlicher und schöpferischer Energie in nationale Macht und internationales Ansehen gutheißen. Jesus von Nazareth lehnte einen Kompromiss mit dem Üblen und schon gar ein Paktieren mit der Sünde ab. Der Meister setzte die Treue gegenüber dem Willen seines Vaters siegreich über jede andere irdische und zeitliche Überlegung. ***** 136.9 Die fünfte Entscheidung ***** Jesus hatte damit seine Haltung in allem festgelegt, was seine individuelle Beziehung zu Naturgesetz und geistiger Macht betraf. Nun lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die Wahl der Verfahren, die bei der Ankündigung und Errichtung des Gottesreichs angewendet werden sollten. Johannes hatte dieses Werk bereits begonnen; wie sollte er, Jesus, die Botschaft des Johannes weiterführen? Inwieweit sollte er dessen Sendung übernehmen? Wie sollte er seine Anhänger für einen wirkungsvollen Einsatz und eine sinnvolle Zusammenarbeit organisieren? Jesus gelangte nun zu seiner letzten Entscheidung, die ihm verbot, sich von nun an als jüdischen Messias zu betrachten, oder wenigstens als den Messias, wie man sich ihn damals allgemein vorstellte. Die Juden dachten an einen mit wunderbarer Macht ausgestatteten Erlöser, der kommen würde, um Israels Feinde niederzuwerfen und die Juden, nun frei von aller Not und Unterdrückung, als Herren über die ganze Welt einzusetzen. Jesus wusste, dass sich diese Hoffnung nie erfüllen würde. Er wusste, dass das Königreich des Himmels mit der Besiegung des Bösen in den Herzen der Menschen zu tun hat, und dass es eine rein geistige Angelegenheit ist. Er sann darüber nach, ob es ratsam wäre, das geistige Reich mit einer strahlenden und blendenden Machtdemonstration einzuführen - und ein solches Vorgehen wäre durchaus erlaubt gewesen und hätte ganz in Michaels Zuständigkeit gelegen -, aber er sprach sich entschieden gegen einen solchen Plan aus. Er wollte keinen Kompromiss mit den revolutionären Methoden Caligastias schließen. Er hatte die Welt potentiell durch Unterwerfung unter den Willen des Vaters gewonnen, und er nahm sich vor, sein Werk so zu beenden, wie er es begonnen hatte, und als der Menschensohn. Ihr könnt euch kaum vorstellen, was auf Urantia geschehen wäre, wenn dieser Gottmensch, potentiell im Besitz der ganzen Macht im Himmel und auf Erden, sich entschieden hätte, das Banner seiner Souveränität zu entrollen und seine wunderwirkenden Bataillone in Schlachtordnung aufzustellen! Aber er wollte keinen Kompromiss. Er wollte nicht dem Üblen dienen, aus dem dann sehr wahrscheinlich die Anbetung Gottes abgeleitet werden würde. Er wollte sich an den Willen des Vaters halten. Er würde einem ganzen Universum, das auf ihn schaute, verkünden: "Ihr sollt den Herrn, euren Gott anbeten, und ihm allein sollt ihr dienen." Von Tag zu Tag nahm Jesus mit ständig wachsender Klarheit wahr, was für eine Art von Wahrheitsoffenbarer er werden sollte. Er begriff, dass Gottes Weg kein bequemer Weg sein würde. Er begann zu verstehen, dass der Kelch der ihm noch verbleibenden menschlichen Erfahrung womöglich bitter sein würde, aber er entschied sich, ihn zu leeren. Auch sein menschlicher Verstand sagt jetzt dem Thron Davids Lebewohl. Schritt für Schritt folgt dieser menschliche Verstand dem Pfad des göttlichen. Der menschliche Verstand stellt immer noch Fragen, nimmt aber die göttlichen Antworten unfehlbar als endgültige Richtlinien für das Dasein eines Menschen an, der in der Welt lebt und sich zugleich stets bedingungslos der Erfüllung des ewigen und göttlichen Willens des Vaters unterzieht. Rom war die Herrin der westlichen Welt. Der Menschensohn, der jetzt in der Einsamkeit diese bedeutenden Entschlüsse fasste und dem die himmlischen Heerscharen zur Verfügung standen, stellte für die Juden die letzte Chance dar, die Weltherrschaft zu erlangen. Aber dieser erdgeborene Jude, der so gewaltige Weisheit und Macht besaß, lehnte es ab, seine kosmischen Befähigungen zur Selbsterhöhung zu verwenden oder dazu, sein Volk an die Macht zu bringen. Er sah gewissermaßen "die Reiche dieser Welt" und hatte die Fähigkeit, sich ihrer zu bemächtigen. Die Allerhöchsten von Edentia hatten all diese Macht in seine Hände gelegt, aber er begehrte sie nicht. Die irdischen Königreiche waren zu armselige Dinge, um den Schöpfer und Herrscher eines Universums zu inter-essieren. Er hatte nur das eine Ziel, weiterhin Gott den Menschen zu offenbaren, die Errichtung des Königreichs des Himmels, die Herrschaft des himmlischen Vaters in den Menschenherzen. Der Gedanke an Kampf, Streit und Gemetzel war Jesus widerlich; er wünschte nichts Derartiges. Er würde auf Erden als der Friedensfürst erscheinen, um einen Gott der Liebe zu offenbaren. Vor seiner Taufe hatte er abermals ein Angebot der Zeloten abgelehnt, sie in einer Erhebung gegen die römischen Unterdrücker anzuführen. Und nun traf er seine letzte Entscheidung im Hinblick auf jene Schriftstellen, die seine Mutter ihm beigebracht hatte, wie etwa diese: "Der Herr hat zu mir gesagt: `Du bist mein Sohn; heute habe ich dich gezeugt. Bitte mich, und ich will dir die Heiden zum Erbteil und die entlegensten Teile der Welt zum Eigentum geben. Du wirst sie mit eiserner Faust schlagen und sie wie ein Tongefäß zertrümmern.' " Jesus von Nazareth kam zu dem Schluss, dass solche Äußerungen sich nicht auf ihn bezögen. Der menschliche Verstand des Menschensohns räumte schließlich und endlich mit all diesen messianischen Schwierigkeiten und Widersprüchen gründlich auf - hebräische Schriften, elterliche Unterweisung, Unterricht des Chazans, jüdische Erwartungen und ehrgeizige menschliche Sehnsüchte; ein für alle Mal legte er seinen Kurs fest. Er würde nach Galiläa zurückkehren, in aller Ruhe mit der Verkündigung des Königreichs beginnen und auf seinen Vater (den Personifizierten Justierer) vertrauen, um Tag für Tag die Einzelheiten seines Vorgehens zu bestimmen. Indem Jesus es ablehnte, zum Beweis von Geistigem zu materiellen Proben zu greifen und sich dreist über die Naturgesetze hinwegzusetzen, gab er jeder Person auf jeder Welt in einem riesigen Universum ein wertvolles Beispiel. Und als er sich weigerte, zeitliche Macht als Auftakt zu geistiger Herrlichkeit zu ergreifen, gab er ein inspirierendes Beispiel universaler Loyalität und sittlichen Adels. Sollte der Menschensohn über seine Sendung und deren Natur noch Zweifel gehabt haben, als er nach seiner Taufe in die Berge hinaufstieg, so war er frei davon, als er nach den vierzig Tagen der Entscheidungen in der Einsamkeit zu seinen Gefährten zurückkehrte. Jesus hat ein Programm für die Errichtung des Königreichs seines Vaters formuliert. Er will nicht die physischen Bedürfnisse seines Volkes befriedigen. Er wird kein Brot unter die Massen verteilen, wie er es kürzlich in Rom gesehen hat. Er wird die Aufmerksamkeit nicht durch Wundertaten auf sich lenken, obwohl die Juden genau diese Art Befreier erwarten. Ebenso wenig wird er versuchen, die Annahme einer geistigen Botschaft durch eine Demonstration politischer Autorität oder zeitlicher Macht zu erwirken. Dadurch, dass Jesus die Methoden verwarf, die dem kommenden Königreich in den Augen der wartenden Juden Glanz verliehen hätten, bewirkte er, dass dieselben Juden mit Sicherheit und endgültig all seine Ansprüche auf Autorität und Göttlichkeit zurückweisen würden. Aus diesem Wissen heraus versuchte Jesus lange, seine frühen Anhänger davon abzuhalten, von ihm als dem Messias zu sprechen. Während seiner ganzen öffentlichen Tätigkeit war er genötigt, sich mit drei ständig wiederkehrenden Situationen auseinanderzusetzen: dem Ruf, gespeist zu werden, der beharrlichen Forderung nach Wundern und endlich dem Ansinnen, er möge seinen Anhängern erlauben, ihn zum König zu machen. Aber Jesus entfernte sich nie von den Entscheidungen, die er während dieser Tage der Abgeschiedenheit in den peräischen Bergen gefällt hatte. ***** 136.10 Die sechste Entscheidung ***** Am letzten Tag dieser denkwürdigen Isolierung, bevor er vom Berg herabstieg, um zu Johannes und seinen Jüngern zu stoßen, traf der Menschensohn seine letzte Entscheidung, die er dem Personifizierten Justierer in diesen Worten mitteilte: "Und ebenso wie in diesen jetzt festgelegten Entscheidungen verbürge ich mich dir gegenüber auch in allen anderen Angelegenheiten, dem Willen meines Vaters untertan zu sein." Und nachdem er so gesprochen hatte, stieg er den Berg hinab. Und sein Angesicht leuchtete in der Herrlichkeit des geistigen Siegs und der sittlichen Erfüllung. ****** Kapitel 137 Wartezeit in Galiläa ****** FRÜHMORGENS am Samstag, dem 23. Februar 26 n. Chr. stieg Jesus von den Bergen herab, um sich wiederum zu Johannes und seinen Gefährten zu begeben, die bei Pella lagerten. Den ganzen Tag über mischte sich Jesus unter die Menge. Er kümmerte sich um einen Knaben, der sich beim Fallen verletzt hatte, und begab sich ins nahe Dorf Pella, um das Kind seinen Eltern sicher zurückzubringen. ***** 137.1 Die Wahl der ersten vier Apostel ***** An diesem Sabbattag verbrachten zwei führende Jünger des Johannes viel Zeit mit Jesus. Von allen Anhängern des Johannes war einer, Andreas mit Namen, von Jesus am tiefsten beeindruckt; er begleitete ihn mit dem verletzten Knaben auf dem Weg nach Pella. Auf dem Rückweg zu Johannes' Lager richtete er viele Fragen an Jesus, und kurz, bevor sie ihr Ziel erreichten, hielten die beiden für ein kurzes Gespräch an, in dessen Verlauf Andreas sagte: "Ich habe dich seit deiner Ankunft in Kapernaum immer beobachtet, und ich glaube, dass du der neue Lehrer bist; und wenn ich auch nicht alles verstehe, was du lehrst, bin ich doch fest entschlossen, dir zu folgen: ich möchte zu deinen Füßen sitzen und die ganze Wahrheit über das neue Königreich kennen lernen." Und Jesus hieß Andreas mit herzlicher Gewissheit als ersten jener Gruppe von zwölf Aposteln willkommen, die mit ihm an der Errichtung des neuen Königreichs Gottes in den Herzen der Menschen arbeiten sollten. Andreas war ein stiller Beobachter der Tätigkeit des Johannes und er glaubte ehrlich an ihn. Und er hatte einen sehr fähigen und enthusiastischen Bruder namens Simon, der einer der bedeutendsten Jünger des Johannes war. Es wäre nicht verfehlt zu sagen, dass Simon eine der Hauptstützen des Johannes war. Sobald Jesus und Andreas ins Lager zurückgekehrt waren, suchte Andreas seinen Bruder Simon auf, nahm ihn beiseite und teilte ihm mit, er sei zu der persönlichen Überzeugung gelangt, dass Jesus der große Lehrer sei, und er habe sich als dessen Jünger verpflichtet. Jesus habe sein Anerbieten zu dienen angenommen und vorgeschlagen, dass auch er, Simon, zu ihm gehe und sich für den gemeinsamen Dienst am neuen Königreich anbiete. Simon sprach: "Seit dieser Mann in Zebedäus' Werkstatt zu arbeiten begonnen hat, habe ich immer geglaubt, er sei von Gott gesandt; aber was geschieht mit Johannes? Sollen wir ihn verlassen? Ist das recht so?" Sie kamen überein, sofort zu Johannes zu gehen und ihn um Rat zu fragen. Der Gedanke, zwei seiner fähigsten Berater und vielversprechendsten Jünger zu verlieren, stimmte Johannes traurig, aber er gab auf ihre Anfrage tapfer zur Antwort: "Das ist nur der Beginn; bald wird mein Werk zu Ende sein, und wir werden alle seine Jünger werden." Darauf gab Andreas Jesus ein Zeichen, zur Seite zu treten, und kündigte ihm an, sein Bruder wünsche, in den Dienst am neuen Königreich zu treten. Jesus hieß Simon als seinen zweiten Apostel mit den Worten willkommen: "Simon, dein Enthusiasmus ist lobenswert, aber er ist für die Arbeit am Königreich gefährlich. Ich ermahne dich, weniger unüberlegt zu reden. Ich möchte deinen Namen in Petrus umändern." Die Eltern des verletzten Knaben aus Pella hatten Jesus gebeten, bei ihnen zu übernachten und ihr Heim wie sein Zuhause zu betrachten, und er hatte es ihnen versprochen. Bevor er Andreas und seinen Bruder verließ, sagte er: "Morgen früh brechen wir nach Galiläa auf." Nachdem Jesus für die Nacht nach Pella zurückgekehrt war und während Andreas und Simon noch über die Art ihres Dienstes bei der Errichtung des künftigen Königreichs diskutierten, tauchten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus auf, die eben von ihrer langen und ergebnislosen Suche nach Jesus in den Bergen zurückkehrten. Als sie Simon Petrus berichten hörten, wie er und sein Bruder Andreas als die ersten Berater des neuen Königreichs angenommen worden waren und dass sie sich am nächsten Morgen mit ihrem neuen Meister nach Galiläa aufmachen würden, wurden Jakobus und Johannes traurig. Sie kannten Jesus seit geraumer Zeit und sie liebten ihn. Tagelang hatten sie in den Bergen nach ihm gesucht und mussten nun bei ihrer Rückkehr erfahren, dass andere ihnen vorgezogen worden waren. Sie fragten, wohin Jesus gegangen sei und beeilten sich, ihn aufzusuchen. Jesus schlief, als sie bei ihm anlangten, aber sie weckten ihn auf und sagten: "Wie ist es möglich? Während wir, die wir so lange mit dir gelebt haben, dich in den Bergen suchen, ziehst du uns andere vor und wählst Andreas und Simon zu deinen ersten Mitarbeitern im neuen Königreich!" Jesus antwortete ihnen: "Seid ruhigen Herzens und fragt euch, wer euch beauftragte, nach dem Menschensohn zu suchen, während er den Angelegenheiten seines Vaters nachging?" Nachdem sie ihm ihre lange Suche in den Bergen in allen Einzelheiten geschildert hatten, fuhr Jesus mit seiner Belehrung fort: "Ihr solltet lernen, das Geheimnis des neuen Königreichs in euren Herzen zu suchen, und nicht in den Bergen. Was ihr suchtet, war in euren Seelen bereits gegenwärtig. Ihr seid wahrhaftig meine Brüder - ihr brauchtet von mir nicht angenommen zu werden - ihr gehörtet bereits zum Königreich, und ihr solltet fröhlichen Mutes sein und euch ebenfalls bereitmachen, morgen mit uns nach Galiläa zu ziehen." Darauf erkühnte sich Johannes zu fragen: "Aber, Meister, werden Jakobus und ich im neuen Königreich ebenso deine Mitarbeiter sein wie Andreas und Simon?" Und Jesus legte jedem eine Hand auf die Schulter und sagte: "Meine Brüder, ihr wart mit mir im Geiste des Königreichs noch bevor die anderen um ihre Aufnahme baten. Ihr, meine Brüder, braucht keinen Antrag auf Eintritt ins Königreich zu stellen; von Anfang an seid ihr dort mit mir gewesen. Vor den Menschen mögen andere den Vortritt vor euch haben, aber in meinem Herzen zählte ich auch euch zu denen, die im Königreich zu Rate sitzen, und sogar noch bevor ihr daran dachtet, mich darum zu bitten. Und ihr hättet sogar die ersten vor den Menschen sein können, wäret ihr nicht abwesend und mit der gut gemeinten, aber selbst auferlegten Aufgabe beschäftigt gewesen, jemanden zu suchen, der keineswegs verloren war. Vergesst im kommenden Königreich die Dinge, die eure Angstgefühle nähren, und trachtet vielmehr allzeit danach, den Willen des Vaters im Himmel zu erfüllen." Jakobus und Johannes nahmen die Zurechtweisung bereitwillig an; nie wieder waren sie auf Andreas oder Simon eifersüchtig. Und sie machten sich mit ihren beiden Mit-Aposteln fertig, um am nächsten Morgen nach Galiläa aufzubrechen. Von diesem Tag an wurde der Ausdruck Apostel gebraucht, um die auserwählte Familie von Beratern Jesu von der großen Menge gläubiger Jünger zu unterscheiden, die ihm später folgte. Noch spät am Abend hatten Jakobus, Johannes, Andreas und Simon eine Unterredung mit Johannes dem Täufer, und mit Tränen in den Augen, aber mit fester Stimme gab der starke judäische Prophet zwei seiner führenden Jünger her, damit sie Apostel des galiläischen Fürsten des kommenden Königreichs würden. ***** 137.2 Die Wahl Philipps und Nathanaels ***** Am Sonntagmorgen, dem 24. Februar 25 n. Chr. verabschiedete sich Jesus von Johannes dem Täufer am Fluss bei Pella; auf Erden sollte er ihn nie wieder sehen. An dem Tage, da Jesus und seine vier Jünger-Apostel sich nach Galiläa aufmachten, erhob sich im Lager der Anhänger des Johannes ein großer Tumult. Die erste große Spaltung zeichnete sich ab. Tags zuvor hatte Johannes Andreas und Ezra gegenüber die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass Jesus der Erlöser sei. Andreas beschloss, Jesus zu folgen, aber Ezra lehnte den Zimmermann aus Nazareth mit seiner sanften Art ab und verkündete seinen Gefährten: "Der Prophet Daniel erklärt, dass der Menschensohn auf den Wolken des Himmels mit Macht und in großer Herrlichkeit daherkommen wird. Dieser galiläische Zimmermann, dieser Bootsbauer von Kapernaum kann nicht der Erlöser sein. Kann ein solches Geschenk Gottes aus Nazareth kommen? Dieser Jesus ist mit Johannes verwandt, und unser Lehrer hat sich wegen seiner großen Herzensgüte täuschen lassen. Wir wollen uns von diesem falschen Messias fernhalten." Als Johannes Ezra wegen dieser Äußerungen rügte, zog sich dieser mit vielen Jüngern zurück und eilte gen Süden. Und diese Gruppe fuhr fort, in Johannes' Namen zu taufen und gründete schließlich eine Sekte, deren Anhänger an Johannes glaubten, aber Jesus ablehnten. Ein Rest dieser Gruppe hat sich in Mesopotamien bis auf den heutigen Tag erhalten. Als sich dieses Gewitter unter den Anhängern des Johannes zusammenbraute, waren Jesus und seine vier Jünger-Apostel auf ihrem Weg nach Galiläa schon ein gutes Stück vorangekommen. Bevor sie über den Jordan setzten, um über Nain nach Nazareth zu gelangen, erblickte Jesus, als er die Straße hinunterschaute, einen gewissen Philipp von Bethsaida, der ihnen mit einem Freund entgegenkamen. Jesus kannte Philipp von früher, und er war auch allen vier neuen Aposteln gut bekannt. Er war mit seinem Freund Nathanael unterwegs zu Johannes in Pella, um mehr über das angekündigte Kommen des Königreichs Gottes in Erfahrung zu bringen, und er war hocherfreut, Jesus zu begrüßen. Philipp war ein Bewunderer von Jesus, seit sich dieser in Kapernaum niedergelassen hatte. Aber Nathanael, der in Kana in Galiläa wohnte, kannte Jesus nicht. Philipp eilte voraus, um seine Freunde zu begrüßen, während Nathanel sich im Schatten eines Baumes am Straßenrand ausruhte. Petrus nahm Philipp beiseite und setzte ihm auseinander, dass er selber sowie Andreas, Jakobus und Johannes alle Jesu Mitarbeiter im neuen Königreich geworden seien, und drängte Philipp nachdrücklich, ebenfalls freiwillig zu dienen. Philipp war in einer verzwickten Lage. Was sollte er tun? Hier, am Straßenrand nahe dem Jordan und ohne die geringste Vorwarnung, wurde zur sofortigen Entscheidung die wichtigste Frage eines ganzen Lebens an ihn herangetragen. Er befand sich jetzt in einem ernsten Gespräch mit Petrus, Andreas und Johannes, während Jesus Jakobus ihre Reiseroute durch Galiläa bis nach Kapernaum angab. Endlich schlug Andreas Philipp vor: "Wieso nicht den Lehrer selber fragen?" Philipp dämmerte es plötzlich, dass Jesus wirklich ein großer Mann war, möglicherweise der Messias, und er beschloss, sich in dieser Angelegenheit Jesu Entscheidung anzuvertrauen; und er ging geradewegs zu ihm und fragte ihn: "Lehrer, soll ich zu Johannes hinuntergehen oder mich zu meinen Freunden gesellen, die dir folgen?" Und Jesus gab zur Antwort: "Folge mir." Philipp war voller Erregung in der Gewissheit, den Erlöser gefunden zu haben. Philipp gab der Gruppe einen Wink stehen zu bleiben, wo sie waren, und eilte zurück, um die Nachricht von seiner Entscheidung seinem Freund Nathanael zu bringen, der immer noch weiter hinten unter dem Maulbeerbaum verweilte und in Gedanken die vielen Dinge durchging, die er über Johannes den Täufer, das kommende Königreich und den erwarteten Messias gehört hatte. Philipp brach in diese Überlegungen mit dem Ausruf ein: "Ich habe den Erlöser gefunden, von dem Moses und die Propheten geschrieben haben und den Johannes verkündet hat." Nathanael schaute auf und fragte: "Woher kommt dieser Lehrer?" Und Philipp antwortete: "Es ist Jesus von Nazareth, der Sohn Josephs, des Zimmermanns, der in der letzten Zeit in Kapernaum gewohnt hat." Darauf fragte Nathanael mit einiger Verwunderung: "Kann etwas so Gutes aus Nazareth kommen?" Aber Philipp nahm ihn beim Arm und sagte: "Komm und schau!" Philipp führte Nathanael zu Jesus, der dem aufrichtigen Zweifler mit Güte ins Gesicht sah und sagte: "Sieh da! ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist. Folge mir." Und Nathanael wandte sich zu Philipp und sagte: "Du hast recht. Er ist wahrlich ein Gebieter der Menschen. Ich werde ihm ebenfalls folgen, wenn ich es wert bin." Und Jesus nickte Nathanael zu und wiederholte: "Folge mir!" Jesus hatte nun die Hälfte seines künftigen Kreises enger Mitarbeiter versammelt; fünf von ihnen kannten ihn seit einiger Zeit, nur Nathanael war ein Fremder. Ohne weiteren Verzug setzten sie über den Jordan und gelangten über das Dorf Nain am späten Abend nach Nazareth. Sie übernachteten alle bei Joseph in dem Hause von Jesu Knabenzeit. Jesu Mitarbeiter verstanden kaum, weshalb ihr neugefundener Lehrer so besorgt war, jegliche Spur des von ihm Geschriebenen, das im Haus in Form der zehn Gebote und anderer Worte und Sinnsprüche noch vorhanden war, radikal zu beseitigen. Aber dieses Vorgehen und die Tatsache, dass sie ihn später nie anders als in Staub oder in Sand schreiben sahen, hinterließ in ihnen einen tiefen Eindruck. ***** 137.3 Der Besuch in Kapernaum ***** Am nächsten Tag schickte Jesus seine Apostel nach Kana, da sie alle in jener Stadt zur Hochzeit einer angesehenen jungen Frau eingeladen waren, während er selbst sich vornahm, nach einem Zwischenhalt bei seinem Bruder Jude in Magdala seiner Mutter einen kurzen Besuch abzustatten. Bevor sie Nazareth verließen, berichteten Jesu neue Mitarbeiter Joseph und den anderen Mitgliedern der Familie Jesu von den wunderbaren Ereignissen der jüngsten Vergangenheit und sprachen ihren Glauben frei aus, dass Jesus der lang ersehnte Erlöser sei. Die Angehörigen der Familie Jesu besprachen all dies, und Joseph meinte: "Am Ende hatte Mutter vielleicht doch recht - vielleicht ist unser seltsamer Bruder der kommende König." Jude war bei Jesu Taufe dabei gewesen und hatte wie sein Bruder Jakobus fest an Jesu irdische Sendung zu glauben begonnen. Wenn auch beide, Jakobus und Jude, hinsichtlich der Art der Sendung ihres Bruders in arger Verlegenheit waren, hatte ihre Mutter all ihre früheren Hoffnungen von Jesus als dem Messias und Sohn Davids wieder aufleben lassen, und sie ermutigte ihre Söhne, an ihren Bruder als an den Erlöser Israels zu glauben. Jesus langte am Montagabend in Kapernaum an, aber er begab sich nicht in sein eigenes Haus, wo Jakobus und seine Mutter lebten, sondern direkt zu Zebedäus. Alle seine Freunde von Kapernaum nahmen an ihm eine große und erfreuliche Veränderung wahr. Er schien wieder vergleichsweise fröhlich und mehr er selber, gerade wie in früheren Zeiten in Nazareth. In den Jahren vor seiner Taufe und in den diesen vorangehenden und nachfolgenden Perio-den der Isolierung war er stets ernster und zurückhaltender geworden. Nun schien es allen, als habe er wieder zu seinem früheren Selbst zurückgefunden. Etwas Majestätisches und Erhabenes war an ihm, aber er war wieder leichten Herzens und fröhlich. Maria war voll hochgespannter Erwartung. Für sie war Gabriels Versprechen der Erfüllung nahe. Sie glaubte, dass bald ganz Palästina durch die wunderbare Offenbarung ihres Sohnes als eines übernatürlichen Königs der Juden in Schrecken und Staunen versetzt werden würde. Aber auf all die vielen Fragen, die seine Mutter, Jakobus, Jude und Zebedäus an ihn richteten, gab Jesus nur lächelnd zur Antwort: "Es ist besser, dass ich eine Zeit lang hier verweile; ich muss den Willen meines Vaters im Himmel tun." Am nächsten Tag, einem Dienstag, begaben sie sich alle nach Kana zur Hochzeit der Naomi, die am Tag darauf gefeiert werden sollte. Und trotz der wiederholten Ermahnungen Jesu, mit niemandem über ihn zu sprechen, "bis die Stunde des Vaters kommen wird", ließen sie es sich nicht nehmen, unauffällig die Neuigkeit zu verbreiten, dass sie den Erlöser gefunden hatten. Jeder von ihnen erwartete mit Bestimmtheit, dass Jesus an der bevorstehenden Hochzeit von Kana zum ersten Mal mit messianischer Vollmacht auftreten würde, und dies mit großer Kraft und erhabener Größe. Sie dachten an das, was ihnen über die Begleiterscheinungen bei seiner Taufe erzählt worden war, und sie glaubten, dass sein künftiges Wirken auf Erden mit zunehmenden Bekundungen übernatürlicher Wundertaten und erstaunlichen Demonstrationen einhergehen würde. Infolgedessen machte sich die ganze ländliche Gegend bereit, beim Hochzeitsfest von Naomi und Johab, dem Sohn Nathans zusammenzukommen. Maria war seit Jahren nicht mehr so fröhlich gewesen. Sie begab sich nach Kana in der Stimmung einer Königinmutter, die sich aufmacht, um der Krönung ihres Sohnes beizuwohnen. Seit er dreizehn Jahre alt war, hatten Jesu Familie und Freunde ihn nicht so sorglos und fröhlich gesehen, so zuvorkommend und auf die Wünsche und Bedürfnisse seiner Nächsten eingehend, so rührend einfühlsam. Und so flüsterten sie alle in kleinen Gruppen untereinander und rätselten darüber, was wohl geschehen werde. Was würde dieser seltsame Mensch als Nächstes unternehmen? Wie würde er das ruhmvolle neue Königreich einleiten? Und sie waren alle wie elektrisiert bei dem Gedanken, dass sie der Offenbarung von Macht und Stärke des Gottes Israels beiwohnen sollten. ***** 137.4 Die Hochzeit zu Kana ***** Bis Mittwochmittag waren fast eintausend Gäste in Kana angekommen, mehr als viermal die Zahl der zur Hochzeitsfeier Geladenen. Es war jüdischer Brauch, Hochzeiten am Mittwoch zu feiern, und die Einladungen zum Fest waren einen Monat zuvor verschickt worden. Am Vormittag und frühen Nachmittag sah es eher nach einem öffentlichen Empfang für Jesus als nach einer Hochzeit aus. Jedermann wollte diesen fast schon berühmten Galiläer begrüßen, und er war mit allen, Jungen und Alten, Juden und Heiden, äußerst herzlich. Und alle freuten sich, als Jesus einwilligte, die Eröffnungsprozession der Hochzeit anzuführen. Jesus war sich nun bezüglich seiner menschlichen Existenz, seiner göttlichen Präexistenz und des Status seiner miteinander verbundenen oder verschmolzenen menschlichen und göttlichen Naturen völlig bewusst. In vollkommenem Gleichgewicht konnte er in jedem Augenblick seine menschliche Rolle spielen oder unvermittelt die persönlichen Vorrechte seiner göttlichen Natur wahrnehmen. Als der Tag vorrückte, kam es Jesus immer stärker zum Bewusstsein, dass die Leute von ihm irgendeine Wundertat erwarteten, und insbesondere erkannte er, wie fest seine Familie und seine sechs Jünger-Apostel damit rechneten, dass er das kommende Reich auf angemessene Weise durch eine verblüffende und übernatürliche Demonstration ankündige. Am frühen Nachmittag rief Maria Jakobus zu sich, und zusammen wagten sie, an Jesus heranzutreten und ihn zu fragen, ob er sie soweit ins Vertrauen ziehen wolle, ihnen mitzuteilen, zu welcher Stunde und an welchem Punkt der Hochzeitszeremonien er sich als "der Übernatürliche" zu offenbaren gedenke. Kaum hatten sie zu Jesus davon gesprochen, als sie feststellten, dass sie die für ihn bezeichnende Form des Unwillens ausgelöst hatten. Er bemerkte bloß: "Wenn ihr mich liebt, dann seid willens, mit mir auszuharren, während ich auf den Willen meines Vaters im Himmel warte." Aber die Beredtheit seines Tadels lag in seinem Gesichtsausdruck. Dieser Schritt seiner Mutter war für den menschlichen Jesus eine große Enttäuschung, und seine eigene Reaktion auf ihren Vorschlag, sich zu einer äußerlichen Demonstration seiner Göttlichkeit herzugeben, ernüchterte ihn sehr. Das war ja gerade eines von den Dingen, die er sich vor kurzer Zeit während seiner Zurückgezogenheit in den Bergen nicht zu tun entschlossen hatte. Einige Stunden lang war Maria sehr niedergeschlagen. Sie sagte zu Jakobus: "Ich kann ihn einfach nicht verstehen; was mag das alles bedeuten? Nimmt sein seltsames Verhalten denn nie ein Ende?" Jakobus und Jude gaben sich Mühe, ihre Mutter zu trösten, während Jesus sich eine Stunde lang allein zurückzog. Aber dann kehrte er zu der Festgesellschaft zurück und war wiederum unbeschwert und heiter. Die Hochzeit verlief in erwartungsvoller Stille, aber die ganze Zeremonie endete ohne ein Zeichen, ein Wort des Ehrengastes. Da wurde geflüstert, dass der von Johannes als "der Erlöser" angekündigte Zimmermann und Bootsbauer seine Karten während der abendlichen Festlichkeiten, vielleicht während des Hochzeitsessens, aufdecken würde. Aber alle Hoffnung auf eine solche Demonstration wurde den sechs Jünger-Aposteln wirksam genommen, als Jesus sie kurz vor dem Abendessen zusammenrief und in großem Ernst sagte: "Denkt nicht, dass ich hierher gekommen bin, um irgendein Wunder zu wirken, Neugierige zu befriedigen oder Zweifler zu überzeugen. Wir sind vielmehr hier, um auf den Willen unseres Vaters im Himmel zu warten." Aber als Maria und die anderen sahen, dass er sich mit seinen Mitarbeitern besprach, waren sie fest davon überzeugt, dass etwas Außergewöhnliches unmittelbar bevorstehe. Und sie setzten sich alle, um sich des Hochzeitsessens und eines Abends festlicher Geselligkeit zu erfreuen. Der Vater des Bräutigams hatte reichlich Wein für alle zum Hochzeitsfest geladenen Gäste besorgt, aber wie konnte er wissen, dass die Heirat seines Sohnes so eng mit der erwarteten Offenbarung Jesu als messianischer Befreier verknüpft werden würde? Er war über die Ehre, den gefeierten Galiläer unter seine Gäste zählen zu dürfen, hocherfreut, aber noch bevor das Abendessen zu Ende war, brachten ihm die Diener die bestürzende Nachricht, dass der Wein knapp geworden war. Als das offizielle Nachtessen beendet war und die Gäste sich im Garten ergingen, vertraute die Mutter des Bräutigams Maria an, dass der Weinvorrat erschöpft sei. Und Maria antwortete zuversichtlich: "Habt keine Sorge - ich will mit meinem Sohn sprechen. Er wird uns helfen." Und tatsächlich nahm sie sich heraus, mit ihm zu sprechen, trotz der ihr einige Stunden zuvor erteilten Rüge. Viele Jahre lang hatte Maria sich in jeder Krise ihres Familienlebens in Nazareth stets an Jesus um Hilfe gewandt, so dass es für sie jetzt ganz natürlich war, an ihn zu denken. Aber diese ehrgeizige Mutter hatte noch andere Motive, sich bei dieser Gelegenheit an ihren ältesten Sohn zu wenden. Jesus stand allein in einer Ecke des Gartens, als seine Mutter sich ihm nahte und sprach: "Mein Sohn, sie haben keinen Wein." Und Jesus erwiderte: "Meine gute Frau, was habe ich damit zu schaffen?" Maria sagte: "Aber ich glaube, dass deine Stunde gekommen ist; kannst du uns nicht helfen?" Jesus erwiderte: "Ich erkläre noch einmal, dass ich nicht gekommen bin, Dinge in dieser Art zu tun. Warum behelligst du mich wieder mit solchen Angelegenheiten?" Da brach Maria in Tränen aus und flehte ihn an: "Aber mein Sohn, ich habe ihnen versprochen, du würdest uns helfen; willst du nicht etwas für mich tun, bitte?" Da sprach Jesus: "Frau, wie kommst du dazu, solche Versprechen abzugeben? Sieh zu, dass du es nicht wieder tust. Wir müssen in allem den Willen des Vaters im Himmel abwarten." Maria, die Mutter Jesu, war völlig niedergeschmettert; sie war sprachlos. Wie sie da vor ihm stand, reglos und mit tränenüberströmtem Gesicht, wurde das menschliche Herz Jesu vom Erbarmen mit der Frau, die ihn als Mensch geboren hatte, überwältigt, und, sich vorbeugend, legte er seine Hand zärtlich auf ihren Kopf und sagte: "Nun, Mutter Maria, gräme dich nicht wegen meiner scheinbar harten Worte, denn habe ich dir nicht immer wieder gesagt, dass ich einzig gekommen bin, den Willen meines himmlischen Vaters auszuführen? Mit Freuden würde ich tun, worum du mich bittest, wenn es auch zum Willen des Vaters gehörte -" und Jesus hielt inne, er zögerte. Maria schien zu fühlen, dass sich etwas ereignete. Sie sprang auf, warf ihre Arme um Jesu Nacken, küsste ihn und eilte hinweg zur Unterkunft der Bediensteten und sprach: "Was immer mein Sohn sagt, tut es." Aber Jesus sagte nichts. Es kam ihm jetzt zum Bewusstsein, dass er bereits zu viel gesagt - oder vielmehr in Gedanken gewünscht - hatte. Maria tanzte vor Freude. Sie wusste nicht, woher der Wein kommen würde, aber sie glaubte fest daran, dass sie ihren erstgeborenen Sohn endlich überzeugt hatte, seine Autorität geltend zu machen, es zu wagen hervorzutreten, seine Stellung zu beanspruchen und seine messianische Macht zu zeigen. Und dank der Gegenwart und Verbindung bestimmter Kräfte und Persönlichkeiten des Universums, von denen keiner der Anwesenden etwas vermutete, sollte sie nicht enttäuscht werden. Der Wein, den Maria herbeisehnte und den Jesus, der Gottmensch, aus menschlichem Mitgefühl begehrte, fand sich ein. In der Nähe standen sechs steinerne Gefäße, die mit Wasser gefüllt waren und von denen jedes etwa achtzig Liter fasste. Dieses Wasser war dazu bestimmt, bei den abschließenden Reinigungszeremonien der Hochzeitsfeier Verwendung zu finden. Das aufgeregte Treiben der Bediensteten unter der geschäftigen Leitung seiner Mutter rund um diese enormen Steingefäße erregte Jesu Aufmerksamkeit. Er trat näher und beobachtete, dass sie ganze Krüge voll Wein daraus schöpften. Es dämmerte Jesus allmählich, was geschehen war. Von allen am Hochzeitsfest in Kana Anwesenden war er der am meisten Überraschte. Die anderen hatten erwartet, dass er ein Wunder tun würde, aber gerade das war es, was er sich vorgenommen hatte, nicht zu tun. Und dann erinnerte sich der Menschensohn an die Ermahnung seines Personifizierten Gedankenjustierers in den Bergen und dass er ihn gewarnt hatte bezüglich der Unfähigkeit irgendeiner Macht oder Persönlichkeit, ihn seines Schöpfervorrechts, von der Zeit unabhängig zu sein, zu berauben. Bei dieser Gelegenheit waren Energie-Umwandler, Mittler und alle anderen erforderlichen Persönlichkeiten bei dem Wasser und den anderen benötigten Elementen versammelt, und angesichts des ausgesprochenen Wunsches des Schöpfers und Herrn des Universums konnte nichts das augenblickliche Erscheinen von Wein verhindern. Und dieses Ereignis wurde doppelt gewiss, da der Personifizierte Justierer zu verstehen gegeben hatte, dass den Wunsch des Sohnes zu vollziehen dem Willen des Vaters in keiner Weise zuwiderlaufe. Aber es handelte sich dabei in keiner Hinsicht um ein Wunder. Kein Naturgesetz wurde dabei abgeändert, aufgehoben oder gar überschritten. Nichts geschah außer der Aufhebung der Zeit in Verbindung mit der durch himmlische Wesen erfolgten Zusammenfügung der chemischen Elemente, die für die Bildung von Wein nötig sind. In Kana machten die Beauftragten des Schöpfers bei dieser Gelegenheit Wein genau wie bei dem gewöhnlichen natürlichen Prozess, außer dass sie es unabhängig von der Zeit taten und unter Einschaltung übermenschlicher Kräfte zum räumlichen Zusammenbau der erforderlichen nötigen chemischen Stoffe. Weiter war es offensichtlich, dass die Ausführung dieses so genannten Wunders dem Willen des Paradies-Vaters nicht zuwiderlief; sonst wäre es nicht geschehen, da Jesus sich ja schon in allem dem Willen seines Vaters unterworfen hatte. Als die Bediensteten diesen neuen Wein schöpften und dem Freund des Bräutigams, dem "Leiter der Festlichkeit", zum Kosten brachten, rief er dem Bräutigam zu: "Es ist Brauch, zuerst den guten Wein einzuschenken und dann, wenn die Gäste reichlich getrunken haben, mit dem minderwertigeren Saft der Rebe aufzuwarten; aber du hast den besten Wein bis zum Ende des Festes zurückbehalten." Maria und die Jünger Jesu waren über das angebliche Wunder hocherfreut, von dem sie annahmen, Jesus habe es absichtlich getan, aber dieser zog sich in einen geschützten Winkel des Gartens zurück und dachte einige kurze Augenblicke lang ernsthaft nach. Schließlich kam er zu der Überzeugung, dass das Geschehene unter den gegebenen Umständen seine persönliche Kontrolle überstieg und, da es dem Willen seines Vaters nicht zuwiderlief, unvermeidlich gewesen war. Als er zu den Leuten zurückkehrte, sahen sie ihn mit großer Ehrfurcht an; sie alle glaubten an ihn als an den Messias. Jesus aber war äußerst bestürzt, da er wohl wusste, dass sie nur wegen der ungewöhnlichen Begebenheit, deren zufällige Zeugen sie gerade geworden waren, an ihn glaubten. Und abermals zog er sich für eine Weile auf das Hausdach zurück, um über alles nachzudenken. Jesus begriff nun voll und ganz, dass er ständig wachsam zu sein hatte, damit seine Regungen des Mitgefühls und Erbarmens nicht wiederholte Vorkommnisse dieser Art verursachten. Trotzdem geschahen viele ähnliche Ereignisse, bevor der Menschensohn von seinem irdischen Leben endgültigen Abschied nahm. ***** 137.5 Zurück in Kapernaum ***** Während viele Gäste bis zum Ende der eine ganze Woche währenden Hochzeitsfestlichkeiten blieben, brach Jesus mit seinen neu erwählten Jünger-Aposteln - Jakobus, Johannes, Andreas, Petrus, Philipp und Nathanael - sehr früh am nächsten Morgen nach Kapernaum auf, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden. Die Familie Jesu und alle seine Freunde von Kana waren sehr bekümmert, weil er sie so plötzlich verlassen hatte, und Jude, sein jüngster Bruder, begab sich auf die Suche nach ihm. Jesus und seine Apostel gingen geradewegs zum Haus des Zebedäus in Bethsaida. Unterwegs sprach Jesus mit seinen neu erwählten Mitarbeitern über viele für das kommende Königreich wichtige Dinge und legte ihnen insbesondere nahe, das in Wein verwandelte Wasser nicht zu erwähnen. Er riet ihnen auch, bei ihrer zukünftigen Arbeit die Städte Sepphoris und Tiberias zu meiden. Im Hause von Zebedäus und Salome fand an diesem Abend nach dem Nachtessen eine der wichtigsten Besprechungen des ganzen irdischen Lebensweges Jesu statt. Nur die sechs Apostel waren bei diesem Treffen zugegen; Jude traf erst ein, als sie im Begriff waren auseinander zu gehen. Die sechs auserwählten Männer waren mit Jesus von Kana nach Bethsaida gegangen, gewissermaßen ohne den Boden zu berühren. Sie zitterten vor Erwartung und waren elektrisiert beim Gedanken, zu engen Mitarbeitern des Menschensohnes auserwählt worden zu sein. Aber als Jesus daran ging, ihnen klarzumachen, wer er war, worin seine Sendung auf Erden bestand und wie sie möglicherweise enden könnte, waren sie wie gelähmt. Sie konnten nicht fassen, was er ihnen erzählte. Sie waren sprachlos; selbst Petrus war unbeschreiblich niedergeschmettert. Nur der tief denkende Andreas wagte es, etwas auf Jesu mahnende Worte zu erwidern. Als Jesus wahrnahm, dass sie seine Botschaft nicht verstanden, als er sah, dass ihre Vorstellungen vom jüdischen Messias so völlig kristallisiert waren, schickte er sie zur Ruhe, während er mit seinem Bruder Jude spazieren ging und sich mit ihm unterhielt. Und bevor sich Jude von Jesus verabschiedete, sagte er mit Nachdruck: "Mein Vater-Bruder, ich habe dich nie begriffen. Ich weiß nicht mit Gewissheit, ob du bist, was meine Mutter uns gelehrt hat, und ich verstehe auch das kommende Königreich nicht ganz, aber eines weiß ich mit Sicherheit: dass du ein mächtiger Mann Gottes bist. Ich habe die Stimme am Jordan gehört und ich glaube an dich, wer auch immer du sein magst." Und nachdem er dies gesprochen hatte, ging er weg, heim nach Magdala. Diese Nacht schlief Jesus nicht. Eingehüllt in seinen Abendumhang saß er draußen am Seeufer und sann und sann, bis der Morgen zu dämmern begann. Während dieser langen nächtlichen Stunden des Nachdenkens wurde es Jesus klar, dass er seine Anhänger nie dazu bringen würde, ihn in einem anderen Lichte als dem des lange erwarteten Messias zu sehen. Zuletzt erkannte er, dass es zur Verkündigung der Botschaft vom Königreich keinen anderen Weg gab als die Erfüllung der Ankündigung des Johannes mit ihm, Jesus, als demjenigen, den die Juden erwarteten. War er auch nicht von der Art des davidischen Messias, so war er doch in Wahrheit die Erfüllung der prophetischen Äußerungen der Geistigeren unter den alten Sehern. Und nie wieder stellte er gänzlich in Abrede, der Messias zu sein. Er beschloss, das letztendliche Entwirren dieser verwickelten Lage dem Wirken des Willens seines Vaters zu überlassen. Am nächsten Morgen gesellte sich Jesus beim Frühstück zu seinen Freunden, aber sie waren eine freudlose Gruppe. Er plauderte mit ihnen und versammelte sie am Ende der Mahlzeit um sich. Er sprach: "Es ist meines Vaters Wille, dass wir eine Zeitlang in dieser Gegend bleiben. Ihr habt Johannes sagen hören, er sei gekommen, um den Weg des Königreichs vorzubereiten; deshalb ist es unsere Pflicht, das Ende der Predigertätigkeit des Johannes abzuwarten. Sobald der Wegbereiter des Menschensohnes sein Werk abgeschlossen hat, werden wir mit der Verkündigung der guten Nachricht vom Königreich beginnen." Er wies seine Apostel an, an ihre Netze zurückzukehren, während er selber sich anschickte, mit Zebedäus zur Bootswerkstatt zu gehen. Er versprach ihnen, sie am nächsten Tag in der Synagoge zu treffen, wo er das Wort ergreifen würde, und setzte ein Gespräch mit ihnen für den Sabbatnachmittag an. ***** 137.6 Die Ereignisse eines Sabbattages ***** Der erste öffentliche Auftritt Jesu nach seiner Taufe fand in der Synagoge von Kapernaum am Sabbat, dem 2. März 25 n. Chr. statt. Die Synagoge war zum Bersten voll. Zu der Geschichte der Jordantaufe kamen jetzt die jüngsten Berichte aus Kana von Wasser und Wein. Jesus gab seinen sechs Aposteln Ehrenplätze, und neben ihnen saßen auch seine leiblichen Brüder Jakobus und Jude. Seine Mutter, die mit Jakobus am Vorabend nach Kapernaum zurückgekehrt war, war ebenfalls anwesend; sie saß im für die Frauen bestimmten Teil der Synagoge. Alle Anwesenden waren nervös; sie erwarteten, eine außergewöhnliche Entfaltung übernatürlicher Macht zu sehen, die ein beredter Beweis für die Natur und Autorität dessen sein würde, der an diesem Tag zu ihnen sprach. Aber sie sollten enttäuscht werden. Als Jesus sich erhob, überreichte ihm der Leiter der Synagoge die Schriftrolle, und Jesus las aus dem Propheten Jesaja: "So spricht der Herr: `Der Himmel ist mein Thron und die Erde mein Schemel. Wo ist das Haus, das ihr für mich gebaut habt? Und wo ist mein Wohnort? All diese Dinge haben meine Hände gemacht', sagt der Herr. `Aber auf den Armen und Zerknirschten werde ich blicken und auf den, der zittert vor meinem Wort.' Hört des Herrn Wort, ihr, die ihr zittert und ihn fürchtet: `Eure Brüder haben euch gehasst und euch in meinem Namen verstoßen.' Aber gepriesen sei der Herr! Er wird euch in der Freude erscheinen, und alle anderen werden beschämt sein. Eine Stimme dringt aus der Stadt, aus dem Tempel, eine Stimme kommt vom Herrn und sagt: `Noch bevor sie in den Wehen lag, gebar sie; bevor die Schmerzen über sie kamen, wurde sie von einem Knaben entbunden.' Wer hat je so etwas vernommen? Kann die Erde in einem Tag Früchte tragen? Oder wird eine Nation auf einmal geboren? Aber so spricht der Herr: `Siehe, ich will den Frieden sich wie einen Fluss ausbreiten lassen, und sogar der Ruhm der Heiden soll einem fließenden Strom gleichen. Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, werde ich euch trösten. Und sogar in Jerusalem sollt ihr Trost finden. Und wenn ihr diese Dinge seht, frohlocket in euren Herzen.' " Nachdem er die Lesung beendet hatte, legte Jesus die Rolle in die Hände des Verwahrers zurück, und bevor er sich setzte, bemerkte er nur: "Seid geduldig, und ihr werdet die Herrlichkeit Gottes sehen; ebenso soll es all jenen geschehen, die bei mir ausharren und dabei lernen, den Willen meines Vaters im Himmel zu tun." Und die Leute gingen nach Hause und fragten sich, was das alles bedeuten sollte. An diesem Nachmittag bestiegen Jesus und seine Apostel mit Jakobus und Jude ein Boot, ruderten ein kleines Stück an der Küste entlang und warfen dann Anker, während er mit ihnen über das kommende Königreich sprach. Und sie begriffen jetzt schon besser als am Donnerstagabend. Jesus wies sie an, ihre gewohnten Tätigkeiten wieder aufzunehmen, "bis die Stunde des Königreichs gekommen ist". Und um ihnen Mut zu machen, gab er ein Beispiel, indem er seine regelmäßige Arbeit in der Bootswerkstatt wieder aufnahm. Jesus erklärte ihnen, sie sollten jeden Abend drei Stunden mit dem Studium und der Vorbereitung auf ihre kommende Arbeit zubringen und fügte hinzu: "Wir werden uns alle in der Gegend bereithalten, bis der Vater mich anweist, euch zu rufen. Jeder von euch kehre nun an seine gewohnte Arbeit zurück, so, als ob nichts geschehen wäre. Sprecht mit niemandem über mich und behaltet stets vor Augen, dass mein Königreich nicht mit Lärm und Glanz kommen wird, sondern vielmehr durch die große Veränderung, die mein Vater in euren Herzen und in den Herzen jener bewirken wird, die berufen sind, sich in den Räten des Königreichs zu euch zu gesellen. Ihr seid jetzt meine Freunde; ich habe Vertrauen zu euch und ich liebe euch; ihr werdet bald meine persönlichen Mitarbeiter sein. Seid geduldig und sanftmütig. Gehorcht jederzeit dem Willen des Vaters. Macht euch für den Ruf des Königreichs bereit. Obwohl ihr im Dienste meines Vaters große Freude erfahren werdet, solltet ihr euch auch auf Schwierigkeiten gefasst machen, denn ich möchte euch klar zu verstehen geben, dass viele nur durch schwere Prüfungen ins Königreich gelangen werden. Aber die Freude derer, die das Königreich gefunden haben, wird vollkommen sein, und man wird sie die Seligen der Erde nennen. Gebt euch indessen nicht falschen Hoffnungen hin; die Welt wird an meinen Worten Anstoß nehmen. Sogar ihr, meine Freunde, begreift nicht ganz, was ich euren verwirrten Gemütern darlege. Damit ihr mich nicht falsch versteht: Wir schicken uns an, für eine Generation von Zeichensuchern zu arbeiten. Sie werden nach Wundertaten rufen als Beweis dafür, dass ich von meinem Vater gesandt bin, und nur allmählich werden sie erkennen, dass in der Offenbarung der Liebe meines Vaters die Beglaubigung für meine Sendung liegt." Nachdem sie an diesem Abend an Land zurückgekehrt waren, und bevor jeder seiner Wege ging, betete Jesus, am Ufer stehend, also: "Mein Vater, ich danke dir für diese Kleinen, die trotz ihrer Zweifel jetzt schon glauben. Ihnen zuliebe habe ich mich abgesondert, um deinen Willen zu tun. Mögen sie nun lernen, untereinander eins zu werden, so wie wir eins sind." ***** 137.7 Vier Monate Schulung ***** Die Wartezeit ersteckte sich über vier lange Monate - März, April, Mai und Juni; Jesus hatte mit seinen sechs Mitarbeitern und seinem eigenen Bruder Jakobus über hundert lange und ernsthafte, wiewohl heitere und fröhliche Zusammenkünfte. Infolge Krankheit in seiner Familie war Jude nur selten in der Lage, an diesen Unterrichtsstunden teilzunehmen. Jakobus, Jesu Bruder, verlor seinen Glauben an ihn nicht, aber während dieser Monate untätigen Abwartens verzweifelte Maria beinahe an ihrem Sohn. Ihr Glaube, der in Kana solche Höhen erreicht hatte, sank zu neuen Tiefen ab. Sie fiel wieder in ihren so oft wiederholten Ausruf zurück: "Ich kann ihn einfach nicht verstehen. Ich begreife nicht, was das alles bedeuten soll." Aber die Frau von Jakobus tat viel, um Marias Mut aufrecht zu erhalten. Während dieser vier Monate lernten die sieben Gläubigen, wovon einer sein leiblicher Bruder war, Jesus näher kennen. Sie wurden mit der Vorstellung vertraut, mit diesem Gottmenschen zusammenzuleben. Obwohl sie ihn Rabbi nannten, lernten sie, keine Angst vor ihm zu haben. Jesus besaß eine unvergleichliche persönliche Anmut, die ihm erlaubte, so unter ihnen zu leben, dass seine Göttlichkeit sie nicht erschreckte. Es fiel ihnen wirklich leicht, "mit Gott befreundet zu sein", einem Gott in sterblichem Gewande. Diese Wartezeit stellte die ganze Gruppe der Gläubigen auf eine harte Probe. Nichts, aber auch gar nichts Wunderbares geschah. Tag für Tag machten sie sich an ihre gewohnte Arbeit, während sie Abend für Abend Jesu zu Füßen saßen. Sie wurden durch seine unvergleichliche Persönlichkeit zusammengehalten und durch die begnadeten Worte, die er Abend für Abend zu ihnen sprach. Diese Zeit des Wartens und Unterrichts fiel Simon Petrus besonders schwer. Zu wiederholten Malen versuchte er Jesus zu überzeugen, in Galiläa mit der Verkündigung des Königreichs zu beginnen, während Johannes in Judäa zu predigen fortfuhr. Aber Jesus gab Petrus immer zur Antwort: "Sei geduldig, Simon. Mache Fortschritte. Wir werden kein bisschen zu früh bereit sein, wenn der Vater ruft." Und Andreas wirkte dann und wann mit seinem reiferen und philosophischen Rat beruhigend auf Petrus ein. Die menschliche Natürlichkeit Jesu machte auf Andreas einen gewaltigen Eindruck. Er wurde nie müde darüber nachzudenken, wie einer, der in solcher Gottnähe lebte, gleichzeitig gegenüber den Menschen so freundlich und aufmerksam sein konnte. Während dieser ganzen Zeitspanne ergriff Jesus in der Synagoge nur zweimal das Wort. Am Ende dieser vielen Wochen des Wartens war es um die Berichte über seine Taufe und den Wein von Kana langsam ruhiger geworden. Und Jesus achtete darauf, dass während dieser Zeit keine weiteren scheinbaren Wunder geschahen. Aber obwohl sie so still in Bethsaida lebten, waren Herodes Antipas Berichte über die seltsamen Taten Jesu hinterbracht worden, und er sandte nun Kundschafter aus, um zu ermitteln, was Jesus vorhatte. Die Predigten des Johannes beunruhigten ihn allerdings weit mehr. Er beschloss, Jesus, der in Kapernaum so unauffällig wirkte, unbehelligt zu lassen. In dieser Wartezeit bemühte sich Jesus darum, seinen Mitarbeitern beizubringen, wie sie sich gegenüber den verschiedenen religiösen Gruppierungen und politischen Parteien Palästinas verhalten sollten. Jesu Worte waren immer: "Wir wollen versuchen, sie alle zu gewinnen, aber wir gehören keiner von ihnen an." Die Schriftgelehrten und Rabbis wurden unter dem Sammelbegriff Pharisäer bezeichnet. Sie selber nannten sich die "Vereinten". In mancher Beziehung waren sie die progressive Gruppe unter den Juden, denn sie hatten viele nicht eindeutig in den hebräischen Schriften vorhandene Lehren wie zum Beispiel den Glauben an die Auferstehung der Toten angenommen, eine Lehre, die erst von Daniel, einem späteren Propheten, erwähnt worden war. Die Sadduzäer setzten sich aus der Priesterschaft und gewissen reichen Juden zusammen. Sie nahmen es mit den Einzelheiten der Anwendung des Gesetzes nicht so genau. Die Pharisäer und Sadduzäer waren eher religiöse Parteien als Sekten. Die Essener waren eine echte religiöse Sekte, die während der makkabäischen Erhebung entstanden war und deren Anforderungen in einigen Punkten anspruchsvoller waren als die der Pharisäer. Sie hatten viele persische Glaubensanschauungen und Bräuche übernommen, lebten unverheiratet als Bruderschaft in Klöstern und besaßen alles gemeinsam. Ihr besonderes Interesse galt den Lehren über die Engel. Die Zeloten waren eine Gruppe glühender jüdischer Patrioten. Sie vertraten den Standpunkt, dass sich jedwede Methode im Kampf um die Befreiung vom römischen Joch rechtfertigen lasse. Die Herodianer waren eine rein politische Partei, die für die Loslösung von der direkten römischen Herrschaft durch die Wiedereinsetzung der Herodianischen Dynastie eintrat. Im Herzen Palästinas lebten die Samaritaner, "mit denen die Juden nichts zu schaffen hatten", obwohl sie viele mit den jüdischen Lehren verwandte Ansichten vertraten. Alle diese Parteien und Sekten einschließlich der kleineren Bruderschaft der Nasiräer glaubten, dass der Messias irgendwann kommen würde. Sie alle hielten nach einem nationalen Befreier Ausschau. Aber Jesus machte unmissverständlich klar, dass weder er noch seine Jünger sich je mit einer dieser Schulen praktischer oder geistiger Richtung verbünden würden. Der Menschensohn würde weder ein Nasiräer noch ein Essener sein. Als Jesus seine Apostel später aufforderte, sich wie Johannes aufzumachen, um das Evangelium zu predigen und die Gläubigen zu unterweisen, legte er das Schwergewicht auf die Verkündigung der "guten Nachricht vom Königreich des Himmels". Unablässig prägte er seinen Mitarbeitern ein, sie sollten "Liebe, Erbarmen und Mitgefühl" zeigen. Schon früh lehrte er seine Anhänger, dass das Königreich des Himmels eine geistige Erfahrung im Zusammenhang mit dem Einzug Gottes in die Herzen der Menschen sei. Während dieser Wartezeit vor dem Beginn des aktiven öffentlichen Predigens verbrachte Jesus mit den Sieben wöchentlich zwei Abende in der Synagoge beim Studium der hebräischen Schriften. In späteren Jahren schauten die Apostel nach Zeiten intensiver Öffentlichkeitsarbeit auf diese vier Monate als auf die kostbarsten und nützlichsten ihrer ganzen Zusammenarbeit mit dem Meister zurück. Jesus lehrte diese Männer alles, was sie aufzunehmen in der Lage waren. Er beging nicht den Fehler, ihnen zu viel beibringen zu wollen. Er stiftete keine Verwirrung durch Vermittlung von Wahrheiten, die zu weit über ihrem Fassungsvermögen gelegen hätten. ***** 137.8 Die Predigt über das Königreich ***** Am Sabbat, dem 22. Juni, kurz bevor sie sich auf ihre erste Predigtwanderung begaben und etwa zehn Tage nach der Gefangennahme des Johannes, stand Jesus zum zweiten Mal am Rednerpult der Synagoge, seit er mit seinen Aposteln nach Kapernaum gekommen war. Einige Tage vor dieser Predigt über "Das Königreich", als Jesus in der Bootswerkstatt arbeitete, überbrachte ihm Petrus die Nachricht von der Verhaftung des Johannes. Jesus legte abermals seine Werkzeuge nieder, zog seine Schürze aus und sagte zu Petrus: "Des Vaters Stunde ist gekommen. Machen wir uns bereit, das Evangelium des Königreichs zu verkündigen." Jesus arbeitete an diesem Dienstag, dem 18. Juni des Jahres 26 n. Chr. zum letzen Mal an der Zimmermannsbank. Petrus rannte aus der Werkstatt, und bis zur Mitte des Nachmittags hatte er alle seine Kameraden versammelt. Er ließ sie bei einer Baumgruppe am Ufer und ging auf die Suche nach Jesus. Aber er konnte ihn nicht finden, denn der Meister hatte eine andere Baumgruppe aufgesucht, um zu beten. Und sie erblickten ihn erst am späten Abend, als er zum Hause des Zebedäus zurückkehrte und um Essen bat. Am nächsten Tag sandte er seinen Bruder Jakobus zur Synagoge, damit er um die Erlaubnis nachsuche, dass Jesus am kommenden Sabbat dort predigen dürfe. Und der Synagogenvorsteher war hocherfreut, dass Jesus wieder willens war, den Gottesdienst zu leiten. Bevor Jesus diese denkwürdige Predigt über das Königreich Gottes hielt - es war die erste anspruchsvolle Handlung seiner öffentlichen Laufbahn - las er aus den Schriften diese Stellen vor: "Ihr sollt für mich ein Königreich von Priestern, ein heiliges Volk sein. Jahve ist unser Richter, Jahve ist unser Gesetzgeber, Jahve ist unser König, er wird uns retten. Jahve ist mein König und mein Gott. Er ist ein großer König über die ganze Erde. Liebende Güte ist über Israel in diesem Königreich. Gesegnet sei unser ruhmreicher Herr, denn er ist unser König." Nachdem er zu Ende gelesen hatte, sagte Jesus: "Ich bin gekommen, um die Errichtung des Königreichs des Vaters zu verkünden. Und dieses Reich wird die gläubigen Seelen von Juden und Heiden, Reichen und Armen, Freien und Sklaven einschließen; denn mein Vater kennt kein Ansehen der Person; seine Liebe und sein Erbarmen gelten allen. Der Vater im Himmel sendet seinen Geist aus, um dem Verstand der Menschen innezuwohnen, und wenn ich mein Werk auf Erden vollendet haben werde, wird der Geist der Wahrheit desgleichen auf alles Fleisch ausgegossen werden. Und meines Vaters Geist und der Geist der Wahrheit sollen euch im kommenden Königreich geistigen Verstehens und göttlicher Rechtschaffenheit heimisch werden lassen. Mein Königreich ist nicht von dieser Welt. Der Menschensohn wird keine Armeen in den Kampf führen, um einen Thron der Macht oder ein Königreich weltlichen Ruhmes zu begründen. Wenn mein Königreich gekommen ist, werdet ihr den Menschensohn als Friedefürsten kennen, als Offenbarung des ewigen Vaters. Die Kinder dieser Welt kämpfen für die Errichtung und Vergrößerung der Königreiche dieser Welt, aber meine Jünger werden durch ihre sittlichen Entscheidungen und ihre geistigen Siege ins Königreich des Himmels gelangen; und wenn sie es einst betreten, werden sie Freude, Gerechtigkeit und ewiges Leben finden. Jene, die vor allem anderen danach trachten, ins Königreich zu gelangen und damit beginnen, nach einem edlen Charakter wie demjenigen meines Vaters zu streben, sollen bald auch alles andere Nötige besitzen. Aber ich sage euch in aller Offenheit: Solange ihr nicht mit dem Glauben und der vertrauensvollen Abhängigkeit eines kleinen Kindes Einlass ins Königreich begehrt, wird euch keinesfalls Zutritt gewährt werden. Lasst euch nicht durch solche täuschen, die euch sagen: das Königreich ist hier, das Königreich ist dort; denn meines Vaters Königreich hat nichts mit sichtbaren und materiellen Dingen zu tun. Und dieses Königreich ist sogar jetzt unter euch, denn da, wo der Geist Gottes die Menschenseele unterrichtet und führt, da ist in Wahrheit das Königreich des Himmels. Und dieses Königreich Gottes ist Rechtschaffenheit, Friede und Freude im Heiligen Geist. Es ist wahr, Johannes hat euch zum Zeichen der Reue und zur Vergebung eurer Sünden getauft; aber wenn ihr ins himmlische Königreich eintretet, werdet ihr mit dem Heiligen Geist getauft. In meines Vaters Königreich wird es weder Juden noch Heiden geben, sondern nur solche, die nach Vollkommenheit streben, indem sie dienen; denn ich erkläre, dass wer in meines Vaters Königreich groß sein möchte, zuerst ein Diener aller werden muss. Wenn ihr willens seid, euren Mitmenschen zu dienen, werdet ihr bei mir in meinem Königreich sitzen, gerade so wie ich dadurch, dass ich gegenwärtig in Gestalt eines Geschöpfes diene, bald bei meinem Vater in seinem Königreich sitzen werde. Dieses neue Königreich gleicht einem Samen, der im guten Boden eines Feldes wächst. Er reift nicht sofort zur vollen Frucht heran. Es liegt eine Spanne Zeit zwischen der Begründung des Königreichs in der Menschenseele und der Stunde, da es zur vollen Frucht dauernder Rechtschaffenheit und ewigen Heils heranreift. Und dieses neue Königreich, das ich euch verkünde, ist keine Herrschaft der Macht und des Überflusses. Das Himmelreich hat nichts zu tun mit Speise und Trank, es ist vielmehr ein Leben fortschreitender Rechtschaffenheit und wachsender Freude im vervollkommnenden Dienst meines Vaters im Himmel. Denn hat nicht der Vater von seinen Kindern in der Welt gesagt: `Mein Wille ist, dass sie schließlich vollkommen werden, so wie ich vollkommen bin.' Ich bin gekommen, um die gute Nachricht vom Königreich zu predigen. Ich bin nicht gekommen, um der schweren Last jener, die in dieses Königreich eintreten möchten, noch Zusätzliches aufzubürden. Ich verkündige den neuen und besseren Weg, und wer fähig ist, ins kommende Königreich einzutreten, soll sich göttlicher Ruhe erfreuen. Und was es euch auch in weltlicher Hinsicht kosten mag und gleichgültig, welchen Preis ihr bezahlen müsst, um in das Königreich des Himmels einzutreten, so werdet ihr doch ein Mehrfaches an Freude und geistigem Fortschritt bereits in dieser Welt und das ewige Leben im künftigen Zeitalter erhalten. Der Eintritt in des Vaters Königreich hängt weder von marschierenden Armeen noch gestürzten Königreichen dieser Welt oder vom Sprengen der Joche von Gefangenen ab. Das Königreich des Himmels ist ganz nahe, und alle, die eintreten, sollen Freiheit im Überfluss und frohe Rettung finden. Dieses Königreich hat ewigen Bestand. Diejenigen, die in das Königreich eintreten, werden zu meinem Vater emporsteigen; sie werden mit Sicherheit die rechte Hand seiner Herrlichkeit im Paradies erreichen. Und alle, die das Königreich des Himmels betreten, sollen Söhne Gottes werden und im kommenden Zeitalter zum Vater aufsteigen. Ich bin nicht gekommen, um die so genannten Gerechten zu rufen, wohl aber die Sünder und all jene, die hungern und dürsten nach der Rechtschaffenheit der göttlichen Vollkommenheit. "Johannes kam und predigte Buße, um euch auf das Königreich vorzubereiten; jetzt komme ich und verkündige den Glauben, dieses Gottesgeschenk, als Preis für den Eintritt ins Königreich des Himmels. Wenn ihr nur daran glauben wolltet, dass mein Vater euch mit unendlicher Liebe liebt, dann seid ihr im Königreich Gottes." Nachdem er so gesprochen hatte, setzte er sich. Alle, die ihn gehört hatten, staunten über seine Worte. Seine Jünger waren verwundert. Aber die Leute waren nicht darauf vorbereitet, die gute Nachricht von den Lippen dieses Gottmenschen zu empfangen. Etwa ein Drittel der Zuhörer glaubte an die Botschaft, obwohl sie sie nicht ganz verstehen konnten; ein weiteres Drittel bereitete sich insgeheim darauf vor, ein solch rein geistiges Konzept vom erwarteten Königreich zurückzuweisen, während das restliche Drittel seine Unterweisung nicht fassen konnte und viele allen Ernstes glaubten, er "sei von Sinnen". ****** Kapitel 138 Ausbildung der Botschafter des Königreichs ****** NACH der Predigt über "das Königreich" rief Jesus die sechs Apostel an jenem Nachmittag zusammen und begann, ihnen seine Pläne für den Besuch der am Galiläischen Meer und in dessen weiteren Umgebung gelegenen Städte darzulegen. Seine Brüder Jakobus und Jude waren zutiefst verletzt, weil sie zu dieser Besprechung nicht eingeladen worden waren. Bis dahin hatten sie sich als dem inneren Kreis von Jesu Mitarbeitern zugehörig betrachtet. Aber Jesus wollte keine engen Verwandten unter den Mitgliedern des Korps apostolischer Leiter des Königreichs haben. Dieser Ausschluss von Jakobus und Jude von den wenigen Auserwählten zusammen mit seiner scheinbaren Reserviertheit gegenüber seiner Mutter seit den Ereignissen von Kana war der Beginn einer sich immer mehr vertiefenden Kluft zwischen Jesus und seiner Familie. Diese Situation dauerte während seiner ganzen öffentlichen Laufbahn an - seine Angehörigen waren nahe daran, sich von ihm loszusagen - und erst nach Jesu Tod und Auferstehung waren diese Missverständnisse beseitigt. Seine Mutter schwankte ständig zwischen Glauben und Hoffnung sowie wachsenden Gefühlen der Enttäuschung, Demütigung und Verzweiflung. Nur Ruth, die jüngste, blieb ihrem Vater-Bruder unerschütterlich treu. Bis nach seiner Auferstehung nahm Jesu ganze Familie kaum Anteil an seinem Wirken. Ein Prophet wird überall geehrt außer in seinem eigenen Land, und man schätzt und versteht ihn, außer in seiner eigenen Familie. ***** 138.1 Letzte Anweisungen ***** Anderntags, am Sonntag, dem 23. Juni 26 n. Chr. gab Jesus den Sechs die letzten Anweisungen. Er bestimmte, dass sie immer zu zweit ausziehen sollten, um die gute Nachricht vom Königreich zu lehren. Er verbot ihnen zu taufen und gab ihnen den Rat, nicht öffentlich zu predigen. Er erklärte ihnen, dass er ihnen später öffentliches Predigen erlauben würde. Aus vielen Gründen wünsche er aber, dass sie vorerst einmal im persönlichen Umgang mit ihren Mitmenschen praktische Erfahrung sammelten. Jesus sah vor, dass ihre erste Rundreise ausschließlich eine Angelegenheit persönlicher Arbeit sein würde. Obwohl diese Ankündigung für die Apostel einer Enttäuschung gleichkam, sahen sie Jesu Gründe, die Verkündigung des Königreichs in dieser Weise zu beginnen, doch wenigstens zum Teil ein, und so machten sie sich guten Mutes und mit Vertrauen und Begeisterung auf den Weg. Er sandte sie in Paaren aus, Jakobus und Johannes nach Kheresa, Andreas und Petrus nach Kapernaum, während Philipp und Nathanael nach Tarichäa gingen. Bevor sie diesen ersten, zweiwöchigen Dienst begannen, eröffnete Jesus ihnen, er wünsche, zwölf Apostel mit der Fortsetzung des Werks für das Königreich nach seinem Weggang zu betrauen, und ermächtigte jeden von ihnen, unter den Bekehrten der ersten Stunde einen Mann als Mitglied für das geplante Apostelkorps auszusuchen. Da fragte Johannes offen heraus: "Aber, Meister, werden diese sechs Männer mitten unter uns sein und alles in gleicher Weise mit uns teilen, die wir seit dem Jordan bei dir sind und alle deine Unterweisungen zur Vorbereitung dieser unserer ersten Arbeit für das Königreich gehört haben?" Und Jesus antwortete: "Ja, Johannes, die Männer, die ihr wählt, sollen eins mit uns werden, und ihr werdet sie alles über das Königreich lehren, gerade so, wie ich es euch gelehrt habe." Nach diesen Worten verließ er sie. Bevor die Sechs sich trennten, um an ihre Arbeit zu gehen, hatten sie eine lange Diskussion über Jesu Anweisung, dass jeder von ihnen einen neuen Apostel aussuchen solle. Die Ansicht von Andreas setzte sich schließlich durch, und sie brachen zu ihrer Arbeit auf. Andreas sagte im Wesentlichen: "Der Meister hat recht; wir sind zu wenige, um diese Aufgabe zu bewältigen. Es werden mehr Lehrer gebraucht, und der Meister hat großes Vertrauen in uns bekundet, indem er uns mit der Wahl dieser sechs neuen Apostel beauftragt." Als sie sich an diesem Morgen trennten, um an ihre Arbeit zu gehen, gab es im Herzen eines jeden von ihnen einen Anflug von heimlicher Niedergeschlagenheit. Sie wussten, dass Jesus ihnen fehlen würde, und ganz abgesehen von ihrer Furcht und Schüchternheit war das nicht die Art, in der sie sich die Einleitung des Königreichs vorgestellt hatten. Es war vorgesehen, dass die sechs zwei Wochen lang arbeiten und dann für eine Besprechung zum Hause des Zebedäus zurückkehren sollten. In der Zwischenzeit ging Jesus nach Nazareth hinüber, um Joseph und Simon und andere in der Nachbarschaft wohnende Familienangehörige zu besuchen. Jesus tat alles Menschenmögliche, was sich mit seiner Entschlossenheit, seines Vaters Willen auszuführen, vereinbaren ließ, um das Vertrauen und die Zuneigung seiner Familie zu erhalten. Er tat in dieser Beziehung seine ganze Pflicht und mehr. Während die Apostel unterwegs auf Mission waren, dachte Jesus viel an Johannes, der jetzt im Gefängnis war. Seine Versuchung war groß, sich seiner potentiellen Kräfte zu bedienen, um ihn zu befreien, aber wiederum ergab er sich darein, "des Vaters Willen abzuwarten". ***** 138.2 Die Wahl der Sechs ***** Diese erste Missionsreise der sechs war äußerst erfolgreich. Sie entdeckten alle den großen Wert direkten und persönlichen Kontaktes mit den Menschen. Als sie zu Jesus zurückkehrten, war ihnen bewusster geworden, dass Religion am Ende ganz und gar eine Angelegenheit rein persönlicher Erfahrung ist. Sie begannen zu fühlen, wie hungrig das einfache Volk war, Worte religiösen Trostes und geistiger Ermutigung zu hören. Als sie um Jesus versammelt waren, wollten alle auf einmal sprechen, aber Andreas übernahm die Leitung, und rief einen nach dem anderen auf. Und sie legten vor dem Meister in aller Form ihre Berichte ab und unterbreiteten ihm ihre Vorschläge für die sechs neuen Apostel. Nachdem jeder seine Wahl für das neue Apostolat vorgebracht hatte, bat Jesus alle anderen, über den Vorschlag abzustimmen; so wurden alle sechs neuen Apostel formell von allen sechs älteren angenommen. Dann kündigte Jesus an, dass sie alle miteinander diese Kandidaten aufsuchen und sie zum Dienst aufrufen würden. Die neu gewählten Apostel waren: 1. Matthäus Levi, der Zolleinnehmer von Kapernaum, dessen Dienststelle im Osten der Stadt, nahe der Grenze zu Batanäa, lag. Andreas hatte ihn gewählt. 2. Thomas Didymus, ein Fischer aus Tarichäa, vormals Zimmermann und Steinmetz in Gadara. Er war Philipps Wahl. 3. Jakobus Alphäus, ein Fischer und Bauer aus Keresa wurde von Jakobus Zebedäus ausgewählt. 4. Judas Alphäus, der Zwillingsbruder des Jakobus Alphäus, war auch Fischer und wurde von Johannes Zebedäus ausgewählt. 5. Simon Zelotes nahm in der patriotischen Organisation der Zeloten einen höheren Rang ein. Er gab seine Stellung auf, um sich Jesu Jüngern anzuschliessen. Simon war Kaufmann gewesen, bevor er zu den Zeloten gegangen war. Petrus hatte ihn ausgewählt. 6. Judas Iskariot war einziger Sohn reicher jüdischer Eltern, die in Jericho lebten. Er hatte sich Johannes dem Täufer angeschlossen, worauf ihn seine sadduzäischen Eltern verstießen. Er hielt in jener Gegend nach Beschäftigung Ausschau, als Jesu Apostel ihn fanden, und Nathanael lud ihn hauptsächlich wegen seiner Erfahrung mit Geldgeschäften ein, sich ihnen anzuschließen. Judas Iskariot war der einzige Judäer unter den zwölf Aposteln. Jesus verbrachte mit den Sechs einen ganzen Tag, um ihre Fragen zu beantworten und sich bis in die Einzelheiten ihre Berichte anzuhören, denn sie hatten von vielen interessanten und nützlichen Erfahrungen zu erzählen. Sie erkannten jetzt die Weisheit des Plans des Meisters, sie zu ruhiger, persönlicher Arbeit auszusenden, bevor sie ihre anspruchsvolleren öffentlichen Bemühungen beginnen würden. ***** 138.3 Die Berufung von Matthäus und Simon ***** Jesus und die Sechs suchten am nächsten Tag Matthäus, den Zolleinnehmer auf. Matthäus erwartete sie bereits, nachdem er seine Bücher abgeschlossen und Vorkehrungen getroffen hatte, um die Angelegenheiten seines Kontors auf seinen Bruder zu übertragen. Als sie sich dem Zollhaus näherten, traten Andreas und Jesus vor, und dieser schaute Matthäus an und sagte: "Folge mir." Matthäus erhob sich und begab sich mit Jesus und den Aposteln zu seinem Hause. Matthäus erzählte Jesus von dem Bankett, das er für den Abend vorbereitet hatte, und dass er wenigstens wünschte, seiner Familie und seinen Freunden ein solches Festessen zu geben, wenn Jesus einverstanden wäre und einwilligen würde, Ehrengast zu sein. Jesus gab durch Nicken sein Einverständnis. Darauf nahm Petrus Matthäus zur Seite und erklärte ihm, dass er einen gewissen Simon eingeladen habe, sich den Aposteln anzuschließen und erlangte von ihm die Einwilligung, Simon ebenfalls zu dem Fest zu laden. Nach einem Mittagsmahl im Hause des Matthäus machten sie sich alle mit Petrus zu Simon Zelotes auf, den sie in seinem ehemaligen, nun von seinem Neffen geführten Geschäft fanden. Als Petrus Jesus zu Simon geführt hatte, grüßte der Meister den glühenden Patrioten und sagte nur: "Folge mir." Sie kehrten alle ins Haus des Matthäus zurück, wo sie bis zur Stunde des Abendessens viel über Politik und Religion sprachen. Die Familie Levi war seit langem in Geschäften und in der Steuereinziehung tätig; deshalb wären viele der von Matthäus zum Bankett geladenen Gäste von den Pharisäern als "Zöllner und Sünder" bezeichnet worden. Wenn in jenen Tagen für eine bedeutende Persönlichkeit ein solches Empfangs-Bankett gegeben wurde, war es Sitte, dass alle daran interessierten Leute im Festsaal herumgingen, um die Gäste bei Tische zu beobachten und den Gesprächen und Reden der geehrten Männer zuzuhören. Deshalb waren bei dieser Gelegenheit die meisten Pharisäer aus Kapernaum zugegen, um Jesu Verhalten bei diesem ungewöhnlichen gesellschaftlichen Anlass zu beobachten. Im Verlauf des Abendessens schwoll die Fröhlichkeit der Tafelnden mächtig an, und alle waren so guter Dinge, dass die Pharisäer unter den Zuschauern insgeheim begannen, Jesus wegen seiner Teilnahme an einem so unbeschwerten und sorglosen Anlass zu kritisieren. Als später am Abend Reden gehalten wurden, ging einer der böswilligeren Pharisäer so weit, gegenüber Petrus seine Kritik an Jesu Verhalten zu äußern: "Wie wagt ihr es zu lehren, dass dieser Mann rechtschaffen sei, wenn er mit Zöllnern und Sündern speist und sich hergibt, solchen Szenen unbekümmerter Lustbarkeit beizuwohnen." Bevor Jesus zu den Versammelten den Abschiedssegen sprach, raunte ihm Petrus diese Kritik zu. Jesus begann folgendermaßen zu sprechen: "Ich bin heute Abend hierher gekommen, um Matthäus und Simon in unserer Gemeinschaft willkommen zu heißen, und ich bin glücklich, Zeuge eurer Unbeschwertheit und fröhlichen Geselligkeit zu sein, aber ihr solltet euch noch mehr freuen, weil viele von euch im kommenden Königreich des Geistes Einlass finden werden, wo ihr euch der guten Dinge des Königreichs des Himmels noch in viel reicherem Maße erfreuen werdet. Und zu euch, die ihr herumsteht und mich insgeheim tadelt, weil ich hier bin, um fröhlich mit diesen Freunden zu feiern, lasst mich sagen, dass ich gekommen bin, um den von der Gesellschaft Unterdrückten Freude und den sittlich Gefangenen geistige Freiheit zu verkünden. Muss ich euch daran erinnern, dass diejenigen, denen nichts fehlt, keinen Arzt brauchen, wohl aber die Kranken? Ich bin nicht gekommen, die Tugendhaften zu rufen, sondern die Sünder." Und das war für das ganze Judentum tatsächlich ein seltsamer Anblick: einen Mann aufrechten Charakters und vornehmer Gesinnung sich frei und fröhlich unter das gemeine Volk mischen zu sehen, und sogar unter eine ungläubige und vergnügungshungrige Schar von Zöllnern und bekannten Sündern. Simon Zelotes wünschte, an diesem Treffen in Matthäus' Hause eine Ansprache zu halten, aber Andreas, der wusste, dass Jesus keine Verwechslung des kommenden Königreichs mit der Bewegung der Zeloten wünschte, brachte ihn dazu, sich jeder öffentlichen Äußerung zu enthalten. Jesus und die Apostel blieben über Nacht in Matthäus' Haus, und die Leute sprachen auf ihrem Heimweg nur über eines: über Jesu Güte und Freundlichkeit. ***** 138.4 Die Berufung der Zwillinge ***** Am Morgen setzten alle neun in einem Boot nach Keresa hinüber, um in aller Form die beiden nächsten Apostel, Jakobus und Judas, die Zwillingssöhne des Alphäus und Kandidaten von Jakobus und Johannes Zebedäus zu berufen. Die Fischer-Zwillinge rechneten mit dem Kommen Jesu und seiner Apostel und warteten deshalb am Ufer auf sie. Jakobus Zebedäus stellte den Meister den beiden Fischern aus Keresa vor und Jesus blickte sie an, nickte und sagte: "Folgt mir." Sie verbrachten diesen Nachmittag zusammen, und Jesus gab ihnen genaue Anweisungen für den Besuch festlicher Anlässe. Er beschloss seine Bemerkungen mit folgenden Worten: "Alle Menschen sind meine Brüder. Mein Vater im Himmel verachtet nicht ein einziges von uns erschaffenes Geschöpf. Das Königreich des Himmels steht allen Männern und Frauen offen. Niemand darf das Tor des Erbarmens vor irgendeiner hungrigen Seele zuschließen, die Einlass zu finden sucht. Wir werden uns mit allen zu Tische setzen, deren Wunsch es ist, vom Königreich zu hören. Vor unserem Vater im Himmel, der auf die Menschen herunterschaut, sind alle gleich. Lehnt es deshalb nicht ab, das Brot mit Pharisäern oder Sündern zu brechen, mit Sadduzäern oder Zöllnern, Römern oder Juden, Reichen oder Armen, Freien oder Sklaven. Das Tor des Königreichs steht allen weit offen, die die Wahrheit zu kennen und Gott zu finden begehren." An diesem Abend wurden die Zwillingsbrüder bei einem einfachen Mal im Hause des Alphäus in die apostolische Familie aufgenommen. Später am Abend gab Jesus seinen Jüngern ihre erste Lektion über Ursprung, Wesen und Schicksal der unreinen Geister, aber sie konnten den Sinn dessen, was er ihnen sagte, nicht erfassen. Es fiel ihnen sehr leicht, Jesus zu lieben und zu bewundern, aber sehr schwer, viele seiner Unterweisungen zu verstehen. Nach der Nachtruhe begab sich die ganze Gemeinschaft, jetzt elf zählend, mit dem Boot nach Tarichäa hinüber. ***** 138.5 Die Berufung von Thomas und Judas ***** Der Fischer Thomas und der Wanderer Judas warteten an der Anlegestelle für Fischerboote von Tarichäa auf Jesus und die Apostel, und Thomas führte die Gruppe in sein nahe gelegenes Haus. Philipp stellte nun Thomas als seinen Kandidaten für das Apostolat vor und Nathanael präsentierte Judas Iskariot, den Judäer, für dieselbe Ehre. Jesus schaute Thomas an und sagte: "Thomas, es fehlt dir an Glauben; trotzdem nehme ich dich an. Folge mir." Zu Judas Iskariot sagte der Meister: "Judas, wir alle sind ein Fleisch, und während ich dich in unsere Mitte aufnehme, bete ich, du mögest deinen galiläischen Brüdern stets die Treue halten. Folge mir." Nachdem sie sich erfrischt hatten, ging Jesus mit den Zwölfen eine Weile abseits, um mit ihnen zu beten und sie über das Wesen und Wirken des Heiligen Geistes ins Bild zu setzen, aber wiederum waren sie weitgehend außerstande, die Bedeutung der wunderbaren Wahrheiten zu verstehen, die er sie zu lehren suchte. Der eine erfasste diesen Punkt, der andere jenen, aber keiner war imstande, das Ganze seines Unterrichts aufzunehmen. Sie begingen immer den Fehler, Jesu neues Evangelium in die alten Formen ihres religiösen Glaubens einpassen zu wollen. Sie konnten die Idee nicht erfassen, dass Jesus gekommen war, um ein neues Evangelium des Heils zu verkünden und eine neue Art der Gottfindung einzuführen; sie erkannten nicht, dass er selber die neue Offenbarung des himmlischen Vaters war. Am nächsten Tag ließ Jesus seine zwölf Apostel ganz allein. Er wollte, dass sie sich mitein-ander bekannt machten und wünschte, dass sie allein blieben, um über das, was er sie gelehrt hatte, zu sprechen. Der Meister kehrte zum Abendessen zurück und sprach während der anschließenden Stunden zu ihnen über den Dienst der Seraphim; einige der Apostel verstanden seine Lehre. Sie ruhten eine Nacht lang und fuhren anderntags mit dem Boot nach Kapernaum ab. Zebedäus und Salome waren zu ihrem Sohn David gezogen, so dass ihr grosses Haus Jesus und seinen zwölf Aposteln zur Verfügung gestellt werden konnte. Hier verbrachte Jesus mit seinen ausgewählten Botschaftern einen ruhigen Sabbat. Er legte ihnen sorgfältig die Pläne für die Ausrufung des Königreichs dar und erklärte ausführlich die Wichtigkeit, jeden Zusammenstoß mit der zivilen Gewalt zu vermeiden. Er sagte: "Sollte es nötig sein, die zivilen Herrscher zu rügen, dann überlasst diese Aufgabe mir. Seht zu, weder Caesar noch seine Untergebenen anzuprangern." Am selben Abend nahm Judas Iskariot Jesus beiseite, um ihn zu fragen, weshalb nichts unternommen werde, um Johannes aus dem Gefängnis zu befreien. Doch Jesu Haltung stellte ihn nicht ganz zufrieden. ***** 138.6 Eine Woche intensiver Schulung ***** Die nächste Woche war einem Programm intensiver Schulung gewidmet. Jeden Tag wurden die sechs neuen Apostel ihren jeweiligen Ernennern anvertraut, um alles, was diese bei der Vorbereitung der Arbeit für das Königreich gelernt und erfahren hatten, von Grund auf zu rekapitulieren. Sorgfältig gingen die älteren Apostel zugunsten der jüngeren sechs die Unterweisungen Jesu bis zu diesem Tag durch. Abends kamen sie alle in Zebedäus' Garten zusammen, um Jesu Unterweisung zu erhalten. Damals führte Jesus in der Mitte der Woche einen freien Tag für Ruhe und Erholung ein. Und sie hielten sich an diesen wöchentlichen Tag der Entspannung während des ganzen Rests seines physischen Lebens. Im Allgemeinen galt die Regel, ihre normale Tätigkeit niemals am Mittwoch auszuüben. An diesem wöchentlichen Ruhetag ließ Jesus sie gewöhnlich allein mit den Worten: "Meine Kinder, gönnt euch einen Tag der Zerstreuung. Ruht euch von der anstrengenden Arbeit für das Königreich aus und genießt die erfrischende Rückkehr zu eurer früheren Beschäftigung oder die Entdeckung neuer erholsamer Tätigkeiten." Wenn auch Jesus in diesem Abschnitt seines Erdenlebens einen solchen Ruhetag nicht wirklich benötigte, so fügte er sich doch diesem Plan, weil er wusste, dass es für seine menschlichen Mitarbeiter so am besten war. Jesus war der Lehrer - der Meister; seine Mitarbeiter waren seine Schüler - seine Jünger. Jesus bemühte sich, seinen Aposteln den Unterschied zwischen seinen Lehren und seinem Leben unter ihnen und den Lehren, die später über ihn entstehen könnten, klarzumachen. Jesus sagte: "Mein Königreich und das sich darauf beziehende Evangelium sollen der Schwerpunkt eurer Botschaft sein. Geratet nicht auf Seitenpfade, indem ihr über mich und über meine Lehren predigt. Verkündet die frohe Botschaft des Königreichs und schildert meine Offenbarung des Vaters im Himmel, aber verirrt euch nicht auf Nebenwege, indem ihr Legenden schafft und einen Kult errichtet, dessen Inhalt Glauben und Lehren über meinen Glauben und meine Lehren sind." Aber wiederum verstanden sie nicht, weshalb er so sprach, und keiner wagte zu fragen, warum er sie solches lehrte. Bei diesen frühen Unterweisungen bemühte sich Jesus, Auseinandersetzungen mit seinen Aposteln soweit als möglich zu vermeiden außer, wenn es sich um falsche Vorstellungen von seinem Vater im Himmel handelte. In all solchen Angelegenheiten zögerte er nie, falsche Konzepte zu korrigieren. Es gab im Leben Jesu auf Urantia nach seiner Taufe nur eine Triebfeder, und das war eine bessere und wahrere Offenbarung seines Vaters im Paradies; er war der Pionier des neuen und besseren Weges zu Gott, des Weges des Glaubens und der Liebe. Immer lautete seine Aufforderung an die Apostel: "Geht und sucht nach Sündern; findet die Niedergeschlagenen auf und ermutigt die Ängstlichen." Jesus beherrschte die Situation vollkommen; er besaß unbeschränkte Macht, die er zur Förderung seiner Sendung hätte einsetzen können, aber er war völlig zufrieden mit Mitteln und Persönlichkeiten, die die meisten Leute als ungeeignet und unbedeutend angesehen hätten. Er befand sich in einer Sendung mit enormen dramatischen Möglichkeiten, aber er bestand darauf, sich der Angelegenheiten seines Vaters in der ruhigsten und undramatischsten Weise anzunehmen. Sorgfältig vermied er jede Machtdemonstration. Und jetzt beabsichtigte er, mit seinen zwölf Aposteln in Ruhe wenigstens ein paar Monate lang rund um das Galiläische Meer herum zu arbeiten. ***** 138.7 Eine weitere Enttäuschung ***** Jesus hatte eine ruhige fünfmonatige Missionstätigkeit persönlichen Einsatzes geplant. Er sagte seinen Aposteln nicht, wie lange sie dauern würde; sie arbeiteten von Woche zu Woche. Und früh an diesem ersten Wochentag, als er seinen Aposteln eben diese Ankündigung machen wollte, kamen Simon Petrus, Johannes Zebedäus und Judas Iskariot, um sich persönlich mit ihm zu unterhalten. Petrus nahm Jesus beiseite und erkühnte sich zu sagen: "Meister, wir kommen auf Veranlassung unserer Mitarbeiter, um uns zu erkundigen, ob die Zeit nicht reif ist, ins Königreich einzutreten. Und wirst du das Königreich in Kapernaum verkündigen, oder werden wir nach Jerusalem gehen? Und wann wird jeder von uns erfahren, welche Stellung er neben dir bei der Errichtung des Königreichs einnehmen wird-" und Petrus würde weitergefragt haben, wenn Jesus nicht eine mahnende Hand erhoben und ihm Einhalt geboten hätte. Mit einem Zeichen forderte er die in der Nähe stehenden Apostel auf heranzukommen und sagte: "Meine kleinen Kinder, wie lange soll ich Nachsicht mit euch üben? Habe ich euch nicht klargemacht, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist? Ich habe euch oft gesagt, dass ich nicht gekommen bin, um mich auf Davids Thron zu setzen. Wie ist es möglich, dass ihr jetzt wissen wollt, welchen Platz ein jeder von euch in des Vaters Königreich einnehmen wird? Könnt ihr nicht begreifen, dass ich euch zu Botschaftern eines geistigen Königreichs berufen habe? Versteht ihr nicht, dass ihr dazu bestimmt seid, mich bald, sehr bald in der Welt und in der Verkündigung des Königreichs zu vertreten, gerade so, wie ich jetzt meinen Vater im Himmel vertrete? Ist es möglich, dass ich euch als Botschafter des Königreichs ausgewählt und ausgebildet habe und ihr das Wesen und die Bedeutung dieses kommenden Königreichs göttlicher Vorherrschaft in den Herzen der Menschen nicht versteht? Meine Freunde, hört mir noch einmal zu! Verbannt die Idee aus eurer Vorstellung, dass mein Königreich ein Regiment der Macht oder eine ruhmreiche Herrschaft sei. Tatsächlich wird sehr bald alle Macht im Himmel und auf Erden in meine Hände gelegt werden, aber es ist nicht des Vaters Wille, dass wir diese göttliche Machtfülle in unserer Zeit zur persönlichen Glorifizierung einsetzen sollen. In einem anderen Zeitalter werdet ihr allerdings in Macht und Ruhm bei mir sein, aber jetzt haben wir uns dem Willen des Vaters unterzuordnen und uns in demütigem Gehorsam an die Ausführung seiner Gebote auf Erden zu machen." Seine Mitarbeiter waren wiederum schockiert, wie gelähmt. Jesus schickte sie paarweise weg, um zu beten und hieß sie, am Mittag zu ihm zurückzukehren. An diesem entscheidenden Vormittag suchte jeder von ihnen, Gott zu finden, und jeder gab sich Mühe, den anderen zu ermutigen und zu bestärken, und sie kehrten zu Jesus zurück, wie er ihnen geboten hatte. Und nun erzählte er ihnen vom Kommen des Johannes, von der Taufe im Jordan, dem Hochzeitsfest in Kana, der kürzlichen Wahl der Sechs, wie sich seine leiblichen Brüder von ihnen zurückgezogen hatten, und warnte sie, dass der Feind des Königreichs versuchen werde, auch sie wegzulocken. Nach diesem kurzen, aber ernsten Gespräch erhoben sich unter Anführung von Petrus alle Apostel, um ihrem Meister gegenüber immerwährende Ergebenheit zu bekunden und dem Königreich unverbrüchliche Treue zu geloben, "diesem künftigen Königreich", wie Thomas sich ausdrückte, "was immer es sein mag und auch, wenn ich es nicht ganz verstehe". Sie glaubten alle wahrhaftig an Jesus, auch wenn sie seine Unterweisung nicht ganz verstanden. Jesus fragte sie jetzt, wie viel Geld sie alle zusammen besäßen, und er erkundigte sich auch, welche Vorsorge sie für ihre Familien getroffen hätten. Als sich herausstellte, dass ihre Mittel kaum ausreichten, um davon zwei Wochen lang zu leben, sagte er: "Es ist nicht meines Vaters Wille, dass wir unsere Arbeit so beginnen. Wir wollen zwei Wochen hier am See bleiben und fischen oder anpacken, was unsere Hände zu tun finden. Und in der Zwischenzeit sollt ihr euch unter Führung von Andreas, dem erstgewählten Apostel, so organisieren, dass für alles, was ihr in eurem zukünftigen Wirken braucht, vorgesorgt ist. Und das gilt sowohl für euren jetzigen persönlichen Dienst als auch für später, wenn ich euch weihen werde, um das Evangelium zu predigen und Gläubige zu unterweisen." Diese Worte ermutigten sie alle sehr, es war die erste klare und positive Mitteilung, dass Jesus später dynamischere und anspruchsvollere öffentliche Anstrengungen zu machen gedachte. Die Apostel verbrachten den Rest des Tages damit, ihre Organisation zu vervollkommnen und letzte Vorkehrungen für Boote und Netze zu treffen, um am folgenden Tag auf Fischfang zu gehen; denn sie hatten sich alle für das Fischen entschieden; die meisten von ihnen waren Fischer gewesen, selbst Jesus war ein erfahrener Bootsführer und Fischer. Viele der Boote, die sie während der kommenden paar Jahre gebrauchten, hatte Jesus mit eigenen Händen gebaut. Und es waren gute und verlässliche Boote. Als Jesus sie anwies, zwei Wochen lang auf Fischfang zu gehen, fügte er hinzu "Und danach werdet ihr ausziehen und Menschenfischer werden." Sie fischten in drei Gruppen, und Jesus fuhr jeden Abend mit einer anderen Gruppe hinaus. Und wie sehr sie sich alle über Jesu Gegenwart freuten ! Er war ein guter Fischer, ein fröhlicher Gefährte und ein inspirierender Freund; je länger sie an seiner Seite arbeiteten, umso mehr liebten sie ihn. Matthäus sagte eines Tages: "Je besser man gewisse Leute versteht, umso weniger bewundert man sie, aber diesen Mann, je weniger ich ihn verstehe, umso mehr liebe ich ihn." Dieser Plan, zwei Wochen Fischfang im Wechsel mit zwei Wochen Herumziehen im persönlichen Einsatz für das Königreich, wurde mehr als fünf Monate lang befolgt, bis zum Ende des Jahres 26 n. Chr., als die nach der Gefangennahme des Johannes einsetzende gezielte Verfolgung seiner Jünger aufgehört hatte. ***** 138.8 Erste Tätigkeit der Zwölf ***** Nach dem Verkauf des Fischfangs von zwei Wochen teilte Judas Iskariot, der zum Schatzmeister der Zwölf gewählt worden war, die apostolischen Geldmittel in sechs gleiche Teile. Für Mittel zum Unterhalt der abhängigen Familien war bereits gesorgt worden. Und dann, um die Augustmitte des Jahres 26 n. Chr., zogen sie paarweise aus in die ihnen von Andreas zugewiesenen Arbeitsbezirke. Während der ersten zwei Wochen begleitete Jesus Andreas und Petrus, während der nächsten beiden Jakobus und Johannes; und desgleichen die übrigen Paare in der Reihenfolge ihrer Wahl. Das ermöglichte ihm, mit jedem Paar wenigstens einmal auszuziehen, bevor er sie zusammenrief, um mit der Öffentlichkeitsarbeit zu beginnen. Jesus unterwies sie, die Vergebung der Sünden durch den Glauben an Gott ohne Buße oder Opfer zu predigen, und dass der Vater im Himmel alle seine Kinder mit derselben ewigen Liebe liebt. Er gebot seinen Aposteln, sich der Diskussion der folgenden Punkte zu enthalten: 1. Werk und Gefangenschaft von Johannes dem Täufer 2. Die Stimme bei der Taufe. Jesus sagte: "Nur jene, die die Stimme gehört haben, mögen darüber sprechen. Sagt lediglich, was ihr von mir vernommen habt, und nichts, was ihr vom Hörensagen wisst." 3. Die Verwandlung des Wassers in Wein in Kana. Jesus schärfte ihnen sehr ernsthaft ein: "Sagt niemandem etwas über das Wasser und den Wein." Sie verlebten eine wunderbare Zeit während dieser fünf oder sechs Monate, als sie in vierzehntägigem Wechsel als Fischer arbeiteten, und dabei genug Geld verdienten, um während des darauf folgenden Einsatzes von zwei Wochen Missionsarbeit für das Königreich für sich selbst aufzukommen. Das einfache Volk staunte über die Lehre und das Wirken Jesu und seiner Apostel. Die Rabbis hatten die Juden seit langem gelehrt, dass Unwissende nicht fromm oder rechtschaffen sein können. Aber Jesu Apostel waren sowohl fromm als auch rechtschaffen; und doch entbehrten sie vergnügt eines Großteils der Gelehrsamkeit der Rabbis und der Weisheit der Welt. Jesus erklärte seinen Aposteln den Unterschied zwischen der Buße durch sogenannte gute Werke, wie die Juden sie lehrten, und dem Geisteswandel durch den Glauben - die Neugeburt - den er als Preis für die Aufnahme ins Königreich verlangte. Er lehrte seine Apostel, dass der Glaube das einzige Erfordernis zum Eintritt in des Vaters Königreich ist. Johannes hatte sie "Buße" gelehrt, "um dem kommenden Zorn zu entrinnen". Jesus lehrte: "Der Glaube ist die offene Tür, um in die gegenwärtige, vollkommene und ewige Liebe Gottes einzutreten." Jesus sprach nicht wie ein Prophet, wie einer, der kommt, um Gottes Wort zu verkünden. Er schien von sich selber als einem zu sprechen, der Autorität hat. Jesus suchte ihren Sinn von der Wundersuche weg- und hinzulenken auf das Finden einer wirklichen und persönlichen Erfahrung der Zufriedenheit und Gewissheit, vom göttlichen Geist der Liebe und rettenden Gnade bewohnt zu werden. Die Jünger bemerkten bald, dass der Meister jedem menschlichen Wesen gegenüber, dem er begegnete, tiefen Respekt und mitfühlende Anteilnahme bekundete, und sie waren gewaltig beeindruckt von dieser immer gleichen und unveränderlichen Achtung, die er beständig allen möglichen Männern, Frauen und Kindern entgegenbrachte. Er konnte mitten in einer tiefgründigen Rede innehalten und auf die Straße hinausgehen, um einer mit ihrer körperlichen und seelischen Bürde beladenen Frau, die gerade vorüberging, guten Mut zuzusprechen. Oder er unterbrach eine ernste Besprechung mit seinen Aposteln, um sich väterlich mit einem störenden Kind abzugeben. Nichts schien Jesus jemals wichtiger als der individuelle Mensch, der sich gerade in seiner unmittelbaren Gegenwart befand. Er war Meister und Lehrer, aber er war mehr als das: Er war auch ein Freund und Nachbar, ein verstehender Kamerad. Während Jesu öffentliche Unterweisung hauptsächlich aus Gleichnissen und kurzen Reden bestand, unterrichtete er seine Apostel stets durch Fragen und Antworten. Später unterbrach er seine öffentlichen Ansprachen immer, um ehrlich gemeinte Fragen zu beantworten. Die Art, wie Jesus mit den Frauen umging, brachte die Apostel anfangs aus der Fassung, aber sie gewöhnten sich bald daran; er machte ihnen ganz klar, dass den Frauen im Königreich dieselben Rechte wie den Männern zuteil werden. ***** 138.9 Fünfmonatige Probezeit ***** Diese ziemlich eintönige Periode des Fischens im Wechsel mit persönlicher Arbeit erwies sich für die zwölf Apostel als aufreibende Erfahrung, aber sie bestanden die Probe. Trotz ihres Murrens, Zweifelns und vorübergehender Unzufriedenheit hielten sie sich an ihr Gelübde der Ergebenheit und Treue gegenüber dem Meister. Ihr persönliches Zusammenleben mit Jesus während dieser Probemonate war es, was sie ihn so sehr liebgewinnen ließ, dass sie ihm alle (außer Judas Iskariot) sogar in den dunklen Stunden des Prozesses und der Kreuzigung aufrichtig die Treue hielten. Wahre Menschen konnten ganz einfach nicht einen verehrten Lehrer verlassen, der so nahe mit ihnen zusammengelebt und sich ihnen so sehr gewidmet hatte wie Jesus. Während der dunklen Todesstunden des Meisters verdrängte in den Herzen dieser Apostel eine einzige außerordentliche menschliche Empfindung alle Überlegung, Beurteilung und Logik - ein übermächtiges Gefühl von Freundschaft und Treue. Diese fünf Monate währende Zusammenarbeit mit Jesus brachte jeden dieser Apostel dazu, ihn als den besten Freund zu betrachten, den er auf der ganzen Welt besaß. Es waren nicht seine hervorragenden Lehren noch seine Wundertaten, sondern es war dieses menschliche Gefühl, das sie zusammenhielt bis nach der Auferstehung und bis sie die Verkündigung des Evangeliums des Königreichs wieder aufnahmen. Diese Monate stiller Arbeit stellten nicht nur die Apostel auf eine harte Probe, die sie bestanden; diese Zeit ohne öffentliche Tätigkeit war auch eine schwere Prüfung für die Familie Jesu. Zum Zeitpunkt, da Jesus bereit war, seine Öffentlichkeitsarbeit aufzunehmen, hatte ihn (mit Ausnahme von Ruth) praktisch seine ganze Familie verlassen. Nur bei vereinzelten Gelegenheiten versuchten sie später, mit ihm Kontakt aufzunehmen, und dann jedes Mal, um ihn zu überreden, mit ihnen nach Hause zurückzukehren; denn sie waren nicht weit davon entfernt, ihn für verrückt zu halten. Sie konnten seine Philosophie ganz einfach nicht ergründen, noch seine Lehre fassen; es war für sie, sein eigen Fleisch und Blut, einfach zu viel. Die Apostel fuhren mit ihrer persönlichen Arbeit fort in Kapernaum, Bethsaida-Julias, Chorazin, Gerasa, Hippos, Magdala, Kana, Bethlehem in Galiläa, Jotapata, Ramah, Safed, Gischala, Gadara und Abila. Außer in diesen Städten arbeiteten sie in vielen Dörfern und auf dem Lande. Bis zum Ende dieser Zeitspanne hatten die Zwölf einigermaßen zufrieden stellende Pläne zum Wohle ihrer jeweiligen Familien ausgearbeitet. Die meisten Apostel waren verheiratet, und einige hatten mehrere Kinder, aber sie hatten sich um den Unterhalt ihrer Angehörigen in einer Weise gekümmert, dass sie, bei kleiner Unterstützung aus den apostolischen Mitteln, ihre ganze Energie auf das Werk des Meisters verwenden konnten, ohne sich um das finanzielle Wohlergehen ihrer Familien Sorgen machen zu müssen. ***** 138.10 Die Organisation der Zwölf ***** Die Apostel organisierten sich schon früh in der folgenden Weise: 1. Andreas, der zuerst gewählte Apostel, wurde zum Vorsitzenden und allgemeinen Leiter der Zwölf bestimmt. 2. Petrus, Jakobus und Johannes wurden zu persönlichen Gefährten Jesu ernannt. Sie hatten ihm Tag und Nacht zu Diensten zu sein, sich um seine materiellen und übrigen Bedürfnisse zu kümmern und ihn zu begleiten während der durchwachten Nächte, die er im Gebet und in geheimnisvoller Verbindung mit dem himmlischen Vater verbrachte. 3. Philipp wurde zum Haushalter der Gruppe bestimmt. Seine Aufgabe war es, Nahrung zu beschaffen und dafür zu sorgen, dass die Besucher und gelegentlich auch die Zuhörerscharen etwas zu essen hatten. 4. Nathanael nahm sich der Bedürfnisse der Familien der Zwölf an. Er erhielt regelmäßige Berichte über den Bedarf der Familie jedes Apostels und sandte denen, die ihrer bedurften, allwöchentlich Mittel, die er von Judas, dem Schatzmeister, bezog. 5. Matthäus war der Finanzbeauftragte des apostolischen Korps. Seine Aufgabe war es, über ein ausgeglichenes Budget und eine stets nachgefüllte Kasse zu wachen. Wenn keine Mittel für die gegenseitige Unterstützung hereinkamen und zum Unterhalt der Gruppe keine genügenden Schenkungen eintrafen, stand Matthäus das Recht zu, die Zwölf eine Zeit lang an ihre Netze zurückzurufen. Aber das wurde nach dem Beginn ihres öffentlichen Wirkens nie nötig. In den Händen des Schatzmeisters befand sich immer genug Geld, um ihre Unternehmungen zu finanzieren. 6. Thomas war der Planer der Reiseroute. Es oblag ihm, Unterkünfte zu organisieren und ganz allgemein für Unterweisung und Predigt geeignete Orte auszuwählen und so für einen glatten und zügigen Reiseverlauf zu sorgen. 7. Jakobus und Judas, die Zwillingssöhne des Alphäus, wurde die Aufsicht über die Menschenmengen zugewiesen. Es war ihre Aufgabe, für Hilfsordnungsleute in genügender Zahl zu sorgen, um die Ordnung in der Menge während der Predigten aufrechtzuerhalten. 8. Simon Zelotes war für Erholung und Spiel zuständig. Er erstellte die Mittwochprogramme und sorgte auch täglich für ein Paar Stunden der Entspannung und Abwechslung. 9. Judas Iskariot wurde zum Schatzmeister ernannt. Er trug den Geldbeutel. Er bezahlte alle Auslagen und führte Buch. Von Woche zu Woche legte er Matthäus Budgetvoranschläge vor und erstattete auch Andreas wöchentlich Bericht. Judas zahlte Gelder mit Andreas' Genehmigung aus. In dieser Weise arbeiteten die Zwölf seit dem Beginn ihrer Organisation bis zu ihrer Reorganisierung, die mit dem Abfall des Verräters Judas notwendig wurde. Der Meister und seine Jünger-Apostel lebten in dieser einfachen Weise bis am Sonntag, dem 12. Januar 27 n. Chr., als er sie zusammenrief und sie in aller Form zu Botschaftern des Königreichs und zu Predigern der Frohen Botschaft weihte. Und bald darauf machten sie sich bereit, um zu ihrer ersten öffentlichen Predigtrundreise nach Jerusalem und Judäa aufzubrechen. ****** Kapitel 139 Die Zwölf Apostel ****** ES ist ein beredtes Zeugnis für den Charme und die Rechtschaffenheit von Jesu Menschenleben, dass nur einer seiner Apostel ihn verließ, obwohl er wiederholt ihre Hoffnungen zerschlug und all ihren Ehrgeiz nach persönlicher Erhöhung gründlich zunichte machte. Die Apostel lernten durch Jesus das Königreich des Himmels kennen; Jesus seinerseits lernte durch sie viel über das Königreich der Menschen, die menschliche Natur und das Leben auf Urantia und den übrigen evolutionären Welten von Zeit und Raum. Diese zwölf Männer repräsentierten viele verschiedene Typen menschlichen Temperaments, und sie waren durch Schulung einander nicht gleich gemacht worden. Viele dieser galiläischen Fischer hatten in ihren Adern einen gehörigen Schuss heidnischen Blutes als Folge der gewaltsamen Bekehrung der heidnischen Bevölkerung Galiläas hundert Jahre zuvor. Begeht nicht den Fehler, die Apostel allesamt als unwissend und ungebildet zu betrachten. Mit Ausnahme der Alphäus Zwillinge besaßen alle einen Abschluss der Synagogenschulen, wo sie in den hebräischen Schriften und in vielem vom gängigen Wissen der damaligen Zeit gründlich ausgebildet worden waren. Sieben von ihnen hatten die Synagogenschulen von Kapernaum abgeschlossen, und es gab in ganz Galiläa keine besseren jüdischen Schulen. Wenn eure Schriften sich auf die Botschafter des Königreichs als "unwissend und ungebildet" beziehen, so wollten sie damit die Idee vermitteln, dass es sich um Laien handelte, unbewandert im Wissen der Rabbiner und ungeschult in den Methoden der rabbinischen Auslegung der Schriften. Es fehlte ihnen an so genannter höherer Bildung. In heutiger Zeit würde man sie gewiss als ungebildet und in gewissen Gesellschaftskreisen gar als unkultiviert bezeichnen. Eines steht fest: Sie waren nicht alle durch ein und dasselbe starre und stereotype Erziehungsprogramm geschleust worden. Vom Jünglingsalter an war es jedem vergönnt gewesen, in der Schule des Lebens seine eigenen Erfahrungen zu machen. ***** 139.1 Andreas, der Erstberufene ***** Andreas, der dem Apostelkorps des Königreichs vorstand, wurde in Kapernaum geboren. Er war das älteste in einer Familie von fünf Kindern - er, sein Bruder Simon und drei Schwestern. Sein verstorbener Vater war in Bethsaida, dem Fischerhafen von Kapernaum, Partner von Zebedäus in einem Dörrfisch-Betrieb gewesen. Als Andreas Apostel wurde, war er ledig, zog aber zu seinem verheirateten Bruder Simon Petrus. Beide waren Fischer und Partner von Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus. Als Andreas im Jahr 26 n. Chr. zum Apostel berufen wurde, war er dreiunddreißig Jahre alt, ein ganzes Jahr älter als Jesus und der älteste derApostel. Er war der Nachfahre einer Reihe hervorragender Ahnen und der Fähigste unter den Zwölfen. Außer in der Redekunst war er seinen Gefährten in nahezu jeder denkbaren Fähigkeit ebenbürtig. Jesus gab Andreas nie einen Beinamen, eine brüderliche Benennung. So wie die Apostel Jesus bald mit Meister anredeten, gebrauchten sie auch für Andreas einen Ausdruck, der gleichbedeutend mit Chef war. Andreas war ein guter Organisator, aber ein noch besserer Verwalter. Er war einer der vier Apostel, die zum inneren Kreis gehörten, aber seine Ernennung zum Haupt der apostolischen Gruppe durch Jesus brachte es mit sich, dass er mit seinen Brüdern Dienst tat, während die anderen drei sich eines sehr engen Umgangs mit dem Meister erfreuten. Andreas blieb bis ganz zuletzt Vorsteher des Apostelkorps. Andreas war zwar nie ein wirkungsvoller Prediger, aber in der persönlichen Arbeit sehr erfolgreich. Er war der Pionier der Sendboten des Königreichs, brachte er doch als erstgewählter Apostel unverzüglich seinen Bruder Simon zu Jesus, Simon, der in der Folgezeit einer der größten Prediger des Königreichs wurde. Jesus hatte in Andreas seine Hauptstütze, wenn er bei der Ausbildung der Zwölf zu Botschaftern des Königreichs das Mittel der persönlichen Arbeit anwendete. Ob Jesus die Apostel im engen Kreis lehrte oder ob er der Menge predigte, Andreas war im allgemeinen über das, was vor sich ging, unterrichtet; er war ein verständnisvoller stellvertretender Chef und tüchtiger Verwalter. Er fällte prompte Entscheidungen in allen Angelegenheiten, die an ihn herangetragen wurden, es sei denn, er fand, ein Problem liege außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches; in diesem Fall unterbreitete er es unverzüglich Jesus. Andreas und Petrus waren sehr verschieden in Charakter und Temperament, aber es muss zu ihrer Ehre festgehalten werden, dass sie sich wunderbar vertrugen. Nie beneidete Andreas Petrus wegen seines Rednertalents. Selten sieht man einen älteren Mann von der Art des Andreas auf einen jüngeren und begabten Bruder einen solch starken Einfluss ausüben. Andreas und Petrus schienen sich nie auch nur im leisesten um ihre Fähigkeiten und Leistungen zu beneiden. Spät am Abend des Pfingsttages, als hauptsächlich dank der energischen und inspirierenden Predigt des Petrus dem Königreich zweitausend Seelen hinzugewonnen wurden, sagte Andreas zu seinem Bruder: "Ich wäre zu so etwas außerstande, aber ich bin glücklich, einen Bruder zu haben, der es kann." Worauf Petrus erwiderte: "Und hättest du mich nicht zum Meister geführt und durch deine Unbeirrbarkeit bei ihm behalten, wäre ich jetzt nicht hier gewesen, dies zu tun." Andreas und Petrus waren die Ausnahme von der Regel, womit sie bewiesen, dass sogar Brüder friedlich und wirkungsvoll zusammenarbeiten können. Nach Pfingsten war Petrus ein berühmter Mann; aber der ältere Andreas nahm nie daran Anstoß, während seines restlichen Lebens als "Bruder des Simon Petrus" vorgestellt zu werden. Von allen Aposteln war Andreas der beste Menschenkenner. Er wusste bereits, dass sich in Judas Iskariots Herzen Unheil zusammenbraute, als noch keiner von den anderen vermutete, dass bei ihrem Kassenwart etwas nicht stimmte; aber er teilte seine Befürchtungen keinem von ihnen mit. Sein großer Dienst am Königreich war die Beratung von Petrus, Jakobus und Johannes bei der Auswahl der ersten Missionare, die zur Verkündigung des Evangeliums ausgesandt wurden. Auch beriet er diese ersten Führer bei der Organisation der Verwaltungsangelegenheiten des Königreichs. Andreas besaß die große Gabe, die verborgenen Talente und latenten Anlagen junger Menschen zu entdecken. Sehr bald nach Jesu Himmelfahrt begann Andreas mit einer persönlichen Aufzeichnung vieler Aussprüche und Taten seines verstorbenen Meisters. Nach Andreas' Tod wurden von diesen privaten Aufzeichnungen weitere Abschriften angefertigt, die unter den ersten Lehrern der christlichen Kirche frei zirkulierten. Diese formlosen Notizen des Andreas wurden später bearbeitet, verbessert, abgeändert und ergänzt, bis aus ihnen eine ziemlich fortlaufende Darstellung des Erdenlebens des Meisters wurde. Die letzte dieser wenigen abgeänderten und verbesserten Abschriften wurde in Alexandrien ein Raub der Flammen etwa hundert Jahre nach der Niederschrift des Originals durch den Erstberufenen der zwölf Apostel. Andreas war ein Mann mit Scharfblick, folgerichtigem Denken und fester Entschlusskraft, und seine große Charakterstärke bestand in seiner hervorragenden Beständigkeit. Der Schwachpunkt seines Temperaments war sein Mangel an Enthusiasmus; oft unterließ er es, seine Gefährten durch kluges Lob zu ermutigen. Doch diese Zurückhaltung, die verdienstvollen Leistungen seiner Freunde zu rühmen, erwuchs aus seinem Abscheu vor Schmeichelei und Unaufrichtigkeit. Andreas war einer von jenen vielseitigen, ausgeglichenen Männern, die, aus eigener Kraft emporgekommen, in bescheidenen Unternehmungen erfolgreich sind. Jeder einzelne der Apostel liebte Jesus, aber es ist auch wahr, dass jeder der Zwölf sich auf Grund eines bestimmten Charakterzugs von Jesu Persönlichkeit, der gerade diesen Apostel beeindruckte, zu ihm hingezogen fühlte. Andreas bewunderte an Jesus seine unveränderliche Aufrichtigkeit, seine ungekünstelte Würde. Wenn die Menschen Jesus einmal kannten, drängte es sie, ihn mit ihren Freunden zu teilen; sie wünschten wirklich, die ganze Welt möge ihn kennen. Als die Apostel später durch die Verfolgungen endgültig aus Jerusalem vertrieben und überallhin verstreut wurden, zog Andreas durch Armenien, Kleinasien und Mazedonien und wurde, nachdem er viele Tausend ins Königreich geführt hatte, schließlich in Patras in Achaia verhaftet und gekreuzigt. Es dauerte ganze zwei Tage, bis dieser kräftige Mann am Kreuz starb, und während dieser tragischen Stunden fuhr er fort, die frohe Botschaft von der Erlösung durch das Königreich des Himmels wirkungsvoll zu verkünden. ***** 139.2 Simon Petrus ***** Als Simon zu den Aposteln stieß, war er dreißig Jahre alt. Er war verheiratet, hatte drei Kinder und lebte in Bethsaida in der Nähe von Kapernaum. Sein Bruder Andreas und die Mutter seiner Frau lebten bei ihm. Sowohl Petrus wie Andreas waren Fischer in Partnerschaft mit den Söhnen des Zebedäus. Der Meister kannte Simon schon einige Zeit, bevor er ihm von Andreas als zweiter Apostel vorgestellt wurde. Als Jesus Simon den Namen Petrus gab, tat er es mit einem Lächeln; es sollte eine Art Scherzname sein. Simon war allen seinen Freunden als sprunghafter und impulsiver Gefährte bekannt. Tatsächlich fügte Jesus diesem leichthin verliehenen Spitznamen später einen neuen und bedeutungsvollen Sinn hinzu. Simon Petrus war ein impulsiver Mann, ein Optimist. Von klein auf hatte er sich stets erlaubt, seinen starken Gefühlen freien Lauf zu lassen; er geriet dauernd in Schwierigkeiten, weil er fortfuhr, unüberlegt zu sprechen. Diese gedankenlose Art bereitete auch allen seinen Freunden und Mitarbeitern ständig Unannehmlichkeiten und war die Ursache, weshalb er vom Meister viele milde Verweise erhielt. Der einzige Grund, weshalb Petrus infolge seines gedankenlosen Redens nicht in noch größere Schwierigkeiten geriet, war, dass er schon früh gelernt hatte, über viele seiner Pläne und Projekte mit seinem Bruder Andreas zu sprechen, bevor er es wagte, öffentliche Vorschläge zu machen. Petrus sprach fließend, mit Gewandtheit und Dramatik. Er war auch ein natürlicher und inspirierender Menschenführer, ein schneller, aber kein sehr tiefer Denker. Er stellte viele Fragen, mehr, als alle anderen Apostel zusammengenommen, und während die Mehrzahl dieser Fragen gut und sachdienlich war, befanden sich doch auch viele gedankenlose und törichte darunter. Petrus hatte keinen scharfen Verstand, aber er kannte seinen Verstand ziemlich gut. Er war deshalb ein Mann der raschen Entscheidung und plötzlichen Tat. Während die anderen in ihrer Verblüffung, Jesus am Ufer zu erblicken, miteinander sprachen, sprang Petrus ins Wasser und schwamm ans Land, um bei dem Meister zu sein. Der Charakterzug, den Petrus an Jesus am meisten bewunderte, war seine unglaubliche Feinfühligkeit. Petrus wurde nie müde, über Jesu Langmut nachzudenken. Er vergaß die Lektion über den Übeltäter nie, dem nicht nur siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal vergeben werden sollte. Während jener dunklen und trostlosen Tage, die gleich auf seine kopflose und unbeabsichtigte Verleugnung Jesu im Hof des Hohenpriesters folgten, sann er viel über seine Eindrücke von dem verzeihenden Charakter des Meisters nach. Simon Petrus war ein betrüblicher Wankelmut zu eigen; er konnte plötzlich von einem Extrem ins andere fallen. Zuerst weigerte er sich, seine Füße von Jesus waschen zu lassen, aber nachdem er die Antwort des Meisters vernommen hatte, bat er darum, von Kopf bis Fuß gewaschen zu werden. Letztlich wusste Jesus, dass die Schwächen des Petrus im Kopf und nicht im Herzen lagen. Er war eine der unerklärlichsten Verbindungen von Mut und Feigheit, die je auf Erden lebten. Seine große Charakterstärke waren Treue und Freundschaft. Petrus liebte Jesus wirklich und wahrhaftig. Aber trotz seiner gewaltigen Hingabefähigkeit war er so unstabil und unbeständig, dass er einer Magd erlaubte, ihn so lange aufzureizen, bis er seinen Herrn und Meister verleugnete. Petrus konnte Verfolgung und jeder anderen Form direkten Angriffs standhalten, aber vor Lächerlichkeit wurde ihm angst und bange. Wenn er sich einem Frontalangriff gegenübersah, war er ein tapferer Soldat; wenn er aber von hinten mit einer Attacke überrascht wurde, war er ein Feigling, der sich angstvoll duckte. Petrus war der erste von Jesu Aposteln, der an die Öffentlichkeit trat, um das Werk Philipps bei den Samaritanern und das von Paulus bei den Heiden zu verteidigen; aber später machte er in Antiochia eine Kehrtwendung, als er sich jüdischen Sympathisanten gegenübersah, die ihn verspotteten, und zog sich vorübergehend von den Heiden zurück, was ihm die unerschrockene Anprangerung durch Paulus eintrug. Er war der erste Apostel, der sich von ganzem Herzen zu der vereinigten menschlichen und göttlichen Natur Jesu bekannte und - von Judas abgesehen - der erste, der ihn verleugnete. Petrus war nicht so sehr ein Träumer, aber es widerstrebte ihm, von den Wolken der Verzückung und der Begeisterung dramatischen Schwelgens herabzusteigen zur schlichten und prosaischen Welt der Realitäten. Er folgte Jesus, indem er sowohl im wörtlichen als auch im bildlichen Sinne entweder die Prozession anführte oder aber nachhinkte - "von ferne nachfolgte". Aber er war der alle überragende Prediger der Zwölf; er tat, von Paulus abgesehen, mehr als irgendein anderer einzelner Mensch, um das Königreich aufzubauen und dessen Botschafter in einer Generation in die ganze Welt zu senden. Nach seinen übereilten Verleugnungen des Meisters fand er wieder zu sich, und unter der liebevollen und verstehenden Führung des Andreas kehrte er zu seinen Fischernetzen zurück, während die anderen Apostel abwarteten, um herauszufinden, was wohl nach der Kreuzigung geschehen würde. Als er ganz sicher war, dass Jesus ihm vergeben und ihn wieder in seine Gemeinde aufgenommen hatte, brannten die Feuer des Königreichs so hell in seiner Seele, dass er für Tausende, die in der Dunkelheit waren, zu einem großen und rettenden Licht wurde. Nachdem er Jerusalem verlassen hatte und bevor Paulus zum führenden Geist der heidnischen christlichen Kirchen wurde, reiste Petrus ausgiebig und besuchte alle Kirchen von Babylon bis Korinth. Er besuchte und betreute sogar viele Kirchen, die Paulus ins Leben gerufen hatte. Obwohl Petrus und Paulus in Temperament und Erziehung und sogar in ihrer Theologie sehr verschieden waren, arbeiteten sie in den späteren Jahren beim Aufbau der Kirchen harmonisch zusammen. Etwas vom Stil und von der Lehre des Petrus tritt in den von Lukas teilweise aufgezeichneten Predigten und im Markusevangelium zutage. Sein kraftvoller Stil zeigte sich besser in dem als erster Petrusbrief bekannten Schreiben; zumindest traf dies zu, bevor dieser nachträglich durch einen Paulusschüler abgeändert wurde. Aber Petrus machte immer wieder den Fehler, die Juden überzeugen zu wollen, dass Jesus letztlich wirklich und wahrhaftig der jüdische Messias gewesen sei. Bis zu seinem Todestag litt Simon Petrus an einem gedanklichen Durcheinander der Konzepte von Jesus als dem jüdischen Messias, von Christus als dem Erlöser der Welt und vom Menschensohn als der Offenbarung Gottes, des liebenden Vaters der ganzen Menschheit. Die Ehefrau des Petrus war eine sehr fähige Frau. Jahrelang leistete sie als Mitglied im Frauenkorps gute Arbeit, und als Petrus aus Jerusalem vertrieben wurde, begleitete sie ihn auf all seinen Reisen zu den Kirchen sowie bei all seinen missionarischen Unternehmungen. Und am gleichen Tag, da ihr berühmter Ehemann verschied, wurde sie in der Arena von Rom den wilden Tieren vorgeworfen. Und so zog dieser Petrus, ein Vertrauter Jesu und einer aus dem inneren Kreis, von Jerusalem hinaus, um die Frohbotschaft des Königreichs mit Macht und Ruhm zu verkünden, bis seine Sendung erfüllt war; und er fand, es werde ihm große Ehre zuteil, als seine Häscher ihm mitteilten, er müsse wie sein Meister sterben - am Kreuz. Und so wurde Simon Petrus in Rom gekreuzigt. ***** 139.3 Jakobus Zebedäus ***** Jakobus, der ältere der beiden Apostelsöhne des Zebedäus, die Jesus scherzhaft "Söhne des Donners" nannte, war dreißig Jahre alt, als er Apostel wurde. Er war verheiratet, hatte vier Kinder und lebte in der Nähe seiner Eltern außerhalb Kapernaums in Bethsaida. Er war Fischer und betrieb sein Gewerbe gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Johannes und in Zusammenarbeit mit Andreas und Simon. Jakobus und sein Bruder Johannes genossen den Vorteil, Jesus länger als irgendein anderer Apostel gekannt zu haben. Dieser fähige Apostel hatte ein widersprüchliches Temperament; er schien wirklich zwei Naturen zu besitzen, die beide von starken Gefühlen angetrieben wurden. Er wurde besonders heftig, wenn sein Unwille einmal richtig erregt war. Sein Gemüt war hitzig, wenn es hinreichend herausgefordert wurde, und wenn der Sturm vorüber war, pflegte Jakobus sein Aufbrausen stets unter dem Vorwand zu rechtfertigen und zu entschuldigen, es sei ganz und gar Ausdruck einer berechtigten Empörung gewesen. Von diesen periodischen Zornesausbrüchen abgesehen glich Jakobus' Persönlichkeit stark der des Andreas. Er besaß nicht dessen Zurückhaltung oder dessen Einsicht in die menschliche Natur, aber er war ein viel besserer öffentlicher Redner. Nach Petrus war er, wenn nicht Matthäus, der beste Redner der Zwölf. Obwohl Jakobus keineswegs launisch war, konnte er an einem Tag still und schweigsam und am nächsten gesprächig und ein sehr guter Geschichtenerzähler sein. Er sprach gewöhnlich unbefangen mit Jesus, aber unter den Zwölfen war er zuweilen tagelang der Schweiger. Diese kurzen Zeiten unerklärlichen Schweigens waren seine einzige große Schwäche. Die hervorstechende Charaktereigenschaft des Jakobus war seine Fähigkeit, alle Aspekte eines Problems zu sehen. Von allen Zwölf kam er der Erfassung der Tragweite und wahren Bedeutung der Lehren Jesu am nächsten. Auch er verstand am Anfang nur langsam, was der Meister meinte, aber noch ehe ihre Lehrzeit um war, hatte er eine höhere Auffassung von Jesu Botschaft erlangt. Jakobus war imstande, einen weiten Bereich der menschlichen Natur zu verstehen; er vertrug sich gut mit dem vielseitigen Andreas, dem ungestümen Petrus und seinem reservierten Bruder Johannes. Obwohl Jakobus und Johannes beim Versuch der Zusammenarbeit ihre Schwierigkeiten hatten, war es doch inspirierend zu beobachten, wie gut sie miteinander auskamen. Dies gelang ihnen nicht im selben Maße wie Andreas und Petrus, aber sie stellten sich viel besser an, als man gewöhnlich von zwei Brüdern, und insbesondere von so eigenwilligen und entschiedenen Brüdern, erwarten würde. Aber so seltsam es auch erscheinen mag, diese beiden Söhne des Zebedäus übten gegeneinander viel mehr Nachsicht als gegenüber Fremden. Sie hatten große Zuneigung zueinander; sie waren immer glückliche Spielkameraden gewesen. Es waren diese "Söhne des Donners", die das Feuer vom Himmel auf die Samaritaner herabwünschten, um sie zu vernichten, weil sie es an Ehrerbietung gegenüber ihrem Meister fehlen ließen. Aber der vorzeitige Tod des Jakobus veränderte das heftige Temperament seines jüngeren Bruders Johannes beträchtlich. Der Charakterzug, den Jakobus an Jesus am meisten bewunderte, war des Meisters mitfühlende Zuneigung. Jesu verständnisvolles Interesse für Kleine und Große, Arme und Reiche übte auf ihn eine große Anziehungskraft aus. Jakobus Zebedäus war ein sehr ausgeglichener Denker und Planer. Mit Andreas gehörte er zu den Vernünftigeren der apostolischen Gruppe. Er war ein lebhafter Mensch, aber er befand sich nie in Eile. Er gab ein ausgezeichnetes Gegengewicht zu Petrus ab. Er war bescheiden und unauffällig, ein täglicher Diener und ein Arbeiter ohne Anmaßung, der keine besondere Auszeichnung suchte, wenn er einmal etwas von der wirklichen Bedeutung des Königreichs begriffen hatte. Und sogar bei der Geschichte der Mutter von Jakobus und Johannes, die darum bat, dass ihren Söhnen die Plätze zur Rechten und zur Linken Jesu zuteil würden, sollte daran gedacht werden, dass es die Mutter war, die dieses Ansinnen vorbrachte. Und als sie zu verstehen gaben, dass sie bereit waren, solch eine Verantwortung zu übernehmen, sollte man sich vor Augen halten, dass sie die Gefahren, die des Meisters angebliche Auflehnung gegen die römische Herrschaft begleiteten, sehr wohl kannten und auch willens waren, den Preis zu bezahlen. Als Jesus sie fragte, ob sie bereit seien, den Kelch zu trinken, antworteten sie mit Ja. Und was Jakobus anbelangt, war es buchstäblich wahr - er trank tatsächlich den Kelch mit dem Meister, war er doch der erste Apostel, der den Märtyrertod erlitt, als Herodes Agrippa ihn bald danach durchs Schwert umbringen ließ. Jakobus war somit der erste der Zwölf, der sein Leben an der neuen Kampffront für das Königreich dahingab. Herodes Agrippa fürchtete Jakobus mehr als alle anderen Apostel. Er war tatsächlich oft ruhig und schweigsam, aber er war tapfer und entschlossen, wenn seine Überzeugungen geweckt und herausgefordert wurden. Jakobus lebte sein Leben voll, und als das Ende kam, legte er eine solche Würde und Kraft an den Tag, dass selbst sein Ankläger und Denunziant, der seiner Aburteilung und Hinrichtung beiwohnte, so getroffen wurde, dass er den Ort, an dem Jakobus starb, eilends verließ, um sich den Jüngern Jesu anzuschließen. ***** 139.4 Johannes Zebedäus ***** Als Johannes Apostel wurde, war er mit seinen vierundzwanzig Jahren der jüngste der Zwölf. Er war unverheiratet und lebte bei seinen Eltern in Bethsaida; er war Fischer und arbeitete zusammen mit seinem Bruder Jakobus in Partnerschaft mit Andreas und Petrus. Bevor und nachdem er Apostel geworden war, fungierte Johannes als persönlicher Vertreter Jesu in allem, was des Meisters Familie betraf, und er trug diese Verantwortung, solange Maria, die Mutter Jesu, lebte. Da Johannes der jüngste der Zwölf und mit Jesus in dessen Familienangelegenheiten so eng verbunden war, war er dem Meister sehr lieb, aber es wäre nicht wahr zu sagen, dass er "der Jünger war, den Jesus liebte". Ihr würdet eine so großherzige Persönlichkeit wie Jesus kaum verdächtigen, sich einer Bevorzugung schuldig zu machen und einen seiner Apostel mehr als die anderen zu lieben. Die Tatsache, dass Johannes einer der drei persönlichen Helfer Jesu war, nährte obendrein diese falsche Vorstellung, ganz abgesehen davon, dass Johannes und sein Bruder Jakobus Jesus länger als die anderen gekannt hatten. Petrus, Jakobus und Johannes wurden zu persönlichen Helfern Jesu bestimmt, bald nachdem sie Apostel geworden waren. Kurz nach der Wahl der Zwölf, als Jesus Andreas zum Leiter der Gruppe machte, sagte er zu ihm: "Und nun möchte ich, dass du zwei oder drei deiner Mitarbeiter benennst, die stets bei mir sein und an meiner Seite bleiben sollen, die mich unterstützen und für meine täglichen Bedürfnisse sorgen." Und Andreas fand es am besten, für diese besondere Aufgabe die nächsten drei erstberufenen Apostel zu wählen. Er hätte sich für einen so gesegneten Dienst gerne selber freiwillig gemeldet, aber der Meister hatte ihm sein Amt bereits gegeben; deshalb verfügte er sogleich, dass Petrus, Jakobus und Johannes Jesus zugeteilt wurden. Johannes Zebedäus besaß manche anziehenden Charakterzüge, aber ein weniger anziehender war seine übermäßige, wenn auch gewöhnlich gut versteckte Eingebildetheit. Seine lange Zusammenarbeit mit Jesus rief in seinem Charakter viele und große Veränderungen hervor. Sein Eigendünkel ließ in hohem Maße nach, aber nachdem er alt und mehr oder weniger kindisch geworden war, kam diese Selbstüberschätzung wieder in gewissem Grade zum Vorschein, und als er Nathan bei der Niederschrift des Evangeliums, das jetzt seinen Namen trägt, anleitete, zögerte der alte Apostel nicht, auf sich selbst wiederholt als auf den "Jünger, den Jesus liebte", hinzuweisen. Angesichts der Tatsache, dass Johannes mehr als irgendein anderer irdischer Sterblicher als Jesu Kamerad gelten kann und in so vielen Angelegenheiten sein ausgewählter persönlicher Vertreter war, ist es nicht verwunderlich, dass er dahin gelangte, sich selber als den "Jünger, den Jesus liebte" zu betrachten, da er mit Bestimmtheit wusste, dass er der Jünger war, in den Jesus so oft sein Vertrauen setzte. Johannes' stärkster Charakterzug war seine Verlässlichkeit; er war prompt und mutig, treu und ergeben. Seine größte Schwäche war jene charakteristische Eingebildetheit. Er war sowohl in seines Vaters Familie als auch in der Gruppe der Apostel der Jüngste. Vielleicht war er ein bisschen verwöhnt worden und hatte man ihn zu viel gewähren lassen. Aber der Johannes der späteren Jahren unterschied sich ganz wesentlich von dem sich selbst bewundernden und eigenwilligen jungen Mann, der als Vierundzwanzigjähriger in die Reihen der Apostel Jesu eingetreten war. Was Johannes an Jesus am meisten schätzte, waren des Meisters Liebe und Selbstlosigkeit; diese Charakterzüge machten einen solchen Eindruck auf ihn, dass sein ganzes späteres Leben vom Gefühl der Liebe und der brüderlichen Hingabe beherrscht wurde. Er sprach über Liebe und schrieb über Liebe. Aus diesem "Sohn des Donners" wurde der "Apostel der Liebe"; und als der hochbetagte Bischof von Ephesus nicht mehr imstande war, in der Kanzel zu stehen und zu predigen, sondern in einem Stuhl zur Kirche getragen werden musste und man ihn dann am Ende des Gottesdienstes bat, ein paar Worte zu den Gläubigen zu sprechen, sagte er jahrelang nur: "Meine kleinen Kinder, liebet einander." Johannes war ein Mann weniger Worte, außer wenn er in Wallung geriet. Er dachte viel, sagte aber nur wenig. Mit zunehmendem Alter bändigte er sein Temperament eher und bekam es besser in den Griff, aber seine Abneigung gegen das Sprechen überwand er nie; er meisterte diese Hemmung nie ganz. Aber er war mit einer bemerkenswerten schöpferischen Vorstellungskraft begabt. Johannes hatte noch eine andere Seite, die man bei diesem ruhigen und in sich gekehrten Typ nicht erwarten würde. Er hatte etwas von einem Glaubenseiferer und war übermäßig intolerant. In dieser Hinsicht glichen er und Jakobus sich sehr - beide wollten das Feuer vom Himmel herab auf die Köpfe der respektlosen Samaritaner rufen. Wenn Johannes irgendwelchen Fremden begegnete, die in Jesu Namen predigten, verbot er es ihnen prompt. Aber er war nicht der Einzige von den Zwölfen, dem solcher Eigendünkel und ein solches Überlegenheitsgefühl anhafteten. Der Anblick von Jesus, der ohne Heimstätte umherzog, übte auf das Leben des Johannes einen gewaltigen Einfluss aus, wusste er doch, wie getreulich jener für das Wohl seiner Mutter und seiner Familie vorgesorgt hatte. Johannes empfand auch tiefe Sympathie für Jesus, weil dessen Angehörige ihn nicht verstanden, denn es entging ihm nicht, dass sie sich allmählich von ihm zurückzogen. Diese ganze Situation, zusammen mit Jesu stetiger Unterordnung seiner leisesten Wünsche unter den Willen des Vaters im Himmel und seinem täglichen Leben bedingungslosen Vertrauens, machte auf Johannes einen so tiefen Eindruck, dass sich in seinem Charakter bedeutende und bleibende Veränderungen einstellten, die sich in seinem ganzen späteren Leben zeigten. Johannes besaß einen kühlen und verwegenen Mut wie nur wenige der anderen Apostel. Er war der einzige Apostel, der Jesus in der Nacht seiner Verhaftung überallhin folgte und es wagte, seinen Meister bis in den Rachen des Todes zu begleiten. Er war bis zur allerletzten Stunde Jesu zugegen und ganz in der Nähe, erfüllte getreu seinen Auftrag, der Jesu Mutter betraf, und war bereit für mögliche zusätzliche Anweisungen in den letzten Augenblicken der sterblichen Existenz des Meisters. Eines steht fest: Johannes war durch und durch verläßlich. Johannes saß gewöhnlich zur Rechten Jesu, wenn die Zwölf beim Essen waren. Er war der erste der Zwölf, der wirklich und unbedingt an die Auferstehung glaubte, und er war auch der erste, der den Meister erkannte, als er nach seiner Auferstehung am Ufer zu ihnen kam. Dieser Sohn des Zebedäus arbeitete in der ersten Phase der christlichen Bewegung eng mit Petrus zusammen und wurde zu einer der Hauptstützen der Kirche in Jerusalem. Am Pfingsttag war er die rechte Hand des Petrus. Mehrere Jahre nach dem Märtyrertod des Jakobus heiratete Johannes die Witwe seines Bruders. Während seiner letzten zwanzig Lebensjahre nahm sich eine liebevolle Enkelin seiner an. Johannes war mehrmals im Gefängnis und verbrachte vier Jahre auf der Insel Patmos in der Verbannung, bis in Rom ein anderer Kaiser an die Macht kam. Ohne sein Taktgefühl und seinen Scharfsinn wäre Johannes zweifellos ebenso getötet worden wie sein Bruder, der kein Blatt vor den Mund nahm. Im Laufe der Jahre lernte es Johannes zusammen mit Jakobus, dem Bruder des Herrn, in weiser Form beschwichtigend zu wirken, wenn sie vor die Zivilrichter traten. Sie fanden heraus, dass "eine sanfte Antwort den Zorn verscheucht". Sie lernten auch, die Kirche statt als "Königreich" als "eine geistige Bruderschaft, die dem sozialen Dienst an der Menschheit verpflichtet ist", zu präsentieren. Sie lehrten eher den Dienst der Liebe an Stelle von Herrschermacht mit Königreich und König. Während seines vorübergehenden Exils auf Patmos schrieb Johannes das Buch der Offenbarung, das ihr jetzt in weitgehend verkürzter und entstellter Form besitzt. Dieses Buch der Offenbarung enthält die übrig gebliebenen Fragmente einer großen Offenbarung, von welcher nach Johannes' Niederschrift erhebliche Teile verloren gingen, während andere entfernt wurden. Es ist nur in bruchstückhafter und verfälschter Form erhalten. Johannes reiste viel, arbeitete unaufhörlich und ließ sich, nachdem er Bischof der Kirchen Asiens geworden war, in Ephesus nieder. Mit neunundneunzig Jahren leitete er in Ephesus seinen Mitarbeiter Nathan bei der Niederschrift des sogenannten "Evangeliums nach Johannes" an. Von allen zwölf Aposteln wurde Johannes Zebedäus schließlich der herausragende Theologe. Im Jahre 103 n. Chr. starb er mit hundertein Jahren in Ephesus eines natürlichen Todes. ***** 139.5 Der neugierige Philipp ***** Philipp wurde als fünfter Apostel gewählt, und der Ruf erging an ihn, als Jesus und seine vier ersten Apostel vom Treffen mit Johannes am Jordan nach Kana in Galiläa unterwegs waren. Da er in Bethsaida lebte, hatte er schon seit einiger Zeit von Jesus gehört, aber er war nicht darauf gekommen, dass dieser ein wirklich großer Mann sei, bis Jesus an jenem Tag im Jordantal zu ihm sagte: "Folge mir." Philipp war auch einigermaßen durch die Tatsache beeinflusst, dass Andreas, Petrus, Jakobus und Johannes Jesus als Erlöser anerkannt hatten. Philipp war siebenundzwanzig Jahre alt, als er zu den Aposteln stieß; er hatte kurz zuvor geheiratet, hatte aber zu diesem Zeitpunkt keine Kinder. Der Spitzname, den die Apostel ihm gaben, bedeutete "Neugier". Philipp verlangte immer, dass man ihm etwas zeige. Er schien nie in irgendeiner Sache sehr weit zu sehen. Er war nicht unbedingt schwer von Begriff, aber es fehlte ihm an Vorstellungskraft. Dieser Mangel an Imagination war die große Schwäche seines Charakters. Er war ein alltäglicher und sachlicher Mensch. Bei der Aufgabenzuteilung für die Apostel wurde Philipp zum Haushälter bestimmt; seine Pflicht war es, dafür zu sorgen, dass sie jederzeit mit Vorräten versehen waren. Und er war ein guter Haushälter. Seine stärkste Eigenschaft war seine methodische Gründlichkeit; er war sowohl exakt als auch systematisch. Philipp kam aus einer Familie mit sieben Kindern, drei Jungen und vier Mädchen. Er war der Zweitälteste, und nach der Auferstehung brachte er seine ganze Familie durch die Taufe ins Königreich. Philipps Angehörige waren Fischer. Sein Vater war ein sehr fähiger Mann und ein tiefsinniger Denker, aber seine Mutter entstammte einer sehr mittelmäßigen Familie. Philipp war nicht ein Mann, von dem man große Dinge erwarten konnte, aber er war ein Mann, der kleine Dinge auf große Weise zu tun verstand, und sie gut und annehmbar ausführte. Nur einige wenige Male in vier Jahren waren ihm die Nahrungsmittel ausgegangen und konnte er nicht den Bedürfnissen aller genügen. Sogar die vielen Anforderungen in Notfällen, die das Leben, das sie führten, mit sich brachte, fanden ihn selten unvorbereitet. Die Versorgungsabteilung der apostolischen Familie wurde intelligent und effizient geführt. Philipps Stärke war seine methodische Zuverlässigkeit; der schwache Punkt seiner Natur war sein völliger Mangel an Einfallsreichtum, die mangelnde Fähigkeit, zwei und zwei zusammenzufügen, um vier zu erhalten. Er war exakt im Abstrakten, aber nicht konstruktiv in seiner Imagination. Gewisse Arten von Vorstellungskraft fehlten ihm fast völlig. Er war der typische alltägliche und gewöhnliche Durchschnittsmensch. Es gab sehr viele derartige Männer und Frauen in der Menge, die kamen, um Jesus lehren und predigen zu hören, und es war für sie ein großer Trost, einen der ihren zu erblicken, der an einen Ehrenplatz im Rat des Meisters erhoben worden war; sie schöpften Mut aus der Tatsache, dass einer wie sie schon eine hohe Stellung in den Angelegenheiten des Königreichs gefunden hatte. Und wenn Jesus sich die törichten Fragen Philipps mit so großer Geduld anhörte und so oft der Bitte seines Haushälters nachkam, "es ihm zu zeigen", erfuhr er viel über die Art und Weise, in der so mancher menschliche Verstand arbeitet. Die Eigenschaft, welche Philipp an Jesus immer bewunderte, war des Meisters nie versagende Großzügigkeit. Niemals konnte Philipp an Jesus etwas Kleinliches, Knauseriges oder Geiziges finden, und er verehrte diese stets gegenwärtige und unversiegliche Freigebigkeit. An Philipps Persönlichkeit gab es wenig Beeindruckendes. Man sprach oft von ihm als von "Philipp von Bethsaida, der Stadt, wo Andreas und Petrus leben". Es mangelte ihm fast ganz an Scharfblick; er war unfähig, die dramatischen Möglichkeiten einer gegebenen Situation zu erfassen. Er war nicht pessimistisch, sondern einfach prosaisch. Auch die geistige Erkenntnis fehlte ihm weitgehend. Er zögerte nicht, Jesus mitten in einer noch so tiefgründigen Rede zu unterbrechen, um eine offensichtlich törichte Frage zu stellen. Aber Jesus tadelte ihn nie für solche Unüberlegtheit; er war geduldig mit ihm und trug seiner Unfähigkeit Rechnung, die tiefere Bedeutung der Unterweisung zu begreifen. Jesus wusste wohl, wenn er Philipp ein einziges Mal wegen seiner lästigen Fragen rügte, würde er nicht nur seine ehrliche Seele verwunden, sondern ihn ein solcher Tadel so sehr verletzen, dass er sich nie wieder frei fühlen würde, Fragen zu stellen. Jesus wusste, dass auf den Welten seines Universums ungezählte Milliarden ähnlich langsam denkender Sterblicher lebten, und er wollte sie alle ermutigen, auf ihn zu schauen und sich immer frei zu fühlen, mit ihren Fragen und Problemen zu ihm zu kommen. Letztlich interessierten tatsächlich Philipps läppische Fragen Jesus mehr als die Predigt, die er gerade halten mochte. Jesus interessierte sich in höchstem Grade für die Menschen, alle Arten von Menschen. Der apostolische Haushälter war kein guter öffentlicher Redner, aber er war ein sehr überzeugender und erfolgreicher persönlicher Arbeiter. Er war nicht leicht entmutigt; er war ein Arbeitstier und in allem, was er anpackte, sehr zäh. Er besaß jene große und seltene Gabe zu sagen: "Komm." Als sein erster Bekehrter, Nathanael, diskutieren wollte, was für und gegen Jesus und Nazareth sprach, war Philipps wirkungsvolle Antwort: "Komm und schau." Er war kein dogmatischer Prediger, der seine Hörer aufforderte: "Geht - tut dies und das." Er begegnete allen Situationen, die sich in seiner Arbeit ergaben, mit: "Kommt - kommt mit mir; ich will euch den Weg zeigen." Und das ist stets die wirksamste Methode in allen Formen und Phasen des Unterrichts. Sogar Eltern sollten von Philipp den besseren Weg lernen und zu ihren Kindern nicht sagen: "Geht, macht dies und das", sondern vielmehr: "Kommt mit uns, damit wir euch den besseren Weg zeigen und ihn mit euch gehen." Das Unvermögen Philipps, sich einer neuen Situation anzupassen, zeigte sich deutlich, als die Griechen in Jerusalem zu ihm kamen und sagten: "Mein Herr, wir wünschen Jesus zu sehen." Zu jedem Juden mit einem solchen Ansinnen hätte er gesagt: "Komm." Aber diese Männer waren Ausländer, und Philipp konnte sich keiner Anweisung seiner Vorgesetzten für solche Gelegenheiten entsinnen; so war das einzige, worauf er verfiel, seinen Chef Andreas um Rat zu fragen, und dann begleiteten sie beide die wissbegierigen Griechen zu Jesus. Und als er nach Samaria ging, um zu predigen und Gläubige zu taufen, wie sein Meister es ihm aufgetragen hatte, sah er davon ab, den Bekehrten als Zeichen dafür, dass sie den Geist der Wahrheit empfangen hatten, die Hände aufzulegen. Das geschah dann durch Petrus und Johannes, die bald von Jerusalem herabkamen, um seine Arbeit für die Mutterkirche zu beobachten. Philipp ging durch die kritischen Zeiten nach dem Tod des Meisters, nahm an der Reorganisation der Zwölf teil und war der erste, der sich aufmachte, um dem Königreich außerhalb der jüdischen Reihen Seelen zu gewinnen. Er war in seinem Wirken für die Samaritaner und in all seinem späteren Bemühen für das Evangelium äußerst erfolgreich. Die Frau Philipps war ein tüchtiges Mitglied des Frauenkorps und wurde aktive Mitarbeiterin ihres Mannes in seiner evangelistischen Arbeit, nachdem sie vor den Verfolgungen aus Jerusalem geflohen waren. Sie war eine furchtlose Frau. Sie stand am Fuß von Philipps Kreuz und ermutigte ihn, die frohe Botschaft sogar seinen Mördern zu verkündigen, und als seine Kraft nachließ, begann sie, die Geschichte der Errettung durch den Glauben an Jesus zu berichten, und wurde erst zum Schweigen gebracht, als die erzürnten Juden sich auf sie stürzten und sie zu Tode steinigten. Ihre älteste Tochter Lea führte ihr Werk fort und wurde später die berühmte Prophetin von Hierapolis. Philipp, der einstige Haushälter der Zwölf, war ein mächtiger Mann im Königreich und gewann Seelen, wo immer er hinkam; und er starb schließlich für seinen Glauben am Kreuz und wurde in Hierapolis beerdigt. ***** 139.6 Der ehrliche Nathanael ***** Nathanael, der sechste und letzte Apostel, den der Meister selber auswählte, wurde von seinem Freund Philipp zu Jesus gebracht. Er hatte mit Philipp bei verschiedenen geschäftlichen Unternehmungen zusammengearbeitet und war mit ihm unterwegs zu Johannes dem Täufer, als sie Jesus begegneten. Als Nathanael sich den Aposteln anschloss, war er mit seinen fünfundzwanzig Jahren der zweitjüngste der Gruppe. Er war das jüngste von sieben Kindern, war unverheiratet und einzige Stütze seiner alten und gebrechlichen Eltern, bei denen er in Kana lebte. Seine Geschwister waren entweder verheiratet oder verstorben; keines lebte mehr dort. Nathanael und Judas Iskariot waren die Gebildetsten der Zwölf. Nathanael hatte daran gedacht, Kaufmann zu werden. Jesus selbst gab Nathanael keinen Beinamen, aber die Zwölf verwendeten für ihn schon bald Ausdrücke, die soviel wie Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit bedeuteten. Er war "ohne Falsch". Und dies war seine große Tugend; er war sowohl ehrlich als auch aufrichtig. Die Schwäche seines Charakters war sein Stolz; er war sehr stolz auf seine Familie, seine Stadt, seinen Ruf und seine Nation, was alles sehr lobenswert ist, wenn es nicht zu weit getrieben wird. Aber Nathanael neigte dazu, mit seinen persönlichen Vorurteilen bis ans Äußerste zu gehen. Er tendierte dazu, Einzelpersonen aufgrund seiner persönlichen Meinungen vorschnell zu beurteilen. Er zögerte nicht zu fragen, noch ehe er Jesus getroffen hatte: "Kann denn etwas Gutes aus Nazareth kommen?" Aber Nathanael war bei all seinem Stolz nicht starrköpfig. Er änderte seine Meinung rasch, nachdem er Jesus einmal ins Gesicht geschaut hatte. In mancherlei Hinsicht war Nathanael das kauzige Genie unter den Zwölf. Er war der apostolische Philosoph und Träumer, aber er war gewissermaßen ein sehr praktischer Träumer. Er wechselte zwischen Phasen tiefgründiger Philosophie und solchen von seltenem, drolligem Humor; wenn in der richtigen Stimmung, war er wahrscheinlich der beste Geschichtenerzähler der Zwölf. Jesus genoss es sehr, Nathanael sowohl über ernste als auch leichtherzige Dinge reden zu hören. Nathanael nahm Jesus und das Königreich zunehmend ernster, aber nie nahm er sich selber ernst. Alle Apostel liebten und respektierten Nathanael, und er verstand sich mit ihnen wunderbar, mit Ausnahme von Judas Iskariot. Judas fand, Nathanael nehme sein Apostelamt nicht ernst genug und hatte einmal die Kühnheit, Jesus insgeheim aufzusuchen und sich über ihn zu beklagen. Jesus sprach: "Judas, wache sorgfältig über deine eigenen Schritte; mach dein Amt nicht größer, als es ist. Wer von uns ist kompetent, über seinen Bruder zu urteilen? Es ist nicht des Vaters Wille, dass seine Kinder nur an den ernsten Dingen des Lebens teilhaben sollen. Lass mich wiederholen: Ich bin gekommen, damit meine Erdenbrüder in reicherem Maße Freude, Glück und Leben haben mögen. Geh nun, Judas, und führe all das gut aus, womit du betraut worden bist; aber lass Nathanael, deinen Bruder, selber über sich Rechenschaft vor Gott ablegen." Die Erinnerung an dieses und viele ähnliche Erlebnisse lebten lange in dem sich selbst betrügenden Herzen von Judas Iskariot fort. Viele Male, wenn Jesus sich mit Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg aufhielt und die Spannung und Verwirrung unter den Aposteln wuchs und sogar Andreas in Zweifel geriet, was er wohl zu seinen niedergeschlagenen Brüdern sagen könnte, löste Nathanael die Spannung mit einer Prise Philosophie oder einem humorvollen Einfall - und auch mit seiner guten Laune. Nathanaels Aufgabe bestand darin, für die Familien der Zwölf zu sorgen. Er fehlte oft bei den Beratungen der Apostel; denn wenn er hörte, dass einer der ihm Anbefohlenen krank geworden oder ihm sonst etwas Ungewöhnliches zugestoßen war, verlor er keine Zeit und suchte sofort das betroffene Heim auf. Die Zwölf hatten die beruhigende Gewissheit, dass das Wohl ihrer Familien bei Nathanael in sicheren Händen lag. Nathanael verehrte Jesus am meisten wegen seiner Duldsamkeit. Er wurde nie müde, über die Großmütigkeit und das hochherzige Mitgefühl des Menschensohns zu meditieren. Nathanaels Vater (Bartholomäus) starb kurz nach Pfingsten. Daraufhin zog der Apostel nach Mesopotamien und Indien, wo er die frohe Botschaft vom Königreich verkündigte und Gläubige taufte. Seine Brüder erfuhren nie, was aus ihrem ehemaligen Philosophen, Poeten und Humoristen geworden war. Aber auch er war ein großer Mann im Königreich und trug viel zur Verbreitung der Lehren seines Meisters bei, auch wenn er an der Organisation der späteren christlichen Kirche keinen Anteil hatte. Nathanael starb in Indien. ***** 139.7 Matthäus Levi ***** Matthäus, der siebente Apostel, war von Andreas ausgewählt worden. Matthäus gehörte einer Familie von Steuereinziehern - oder Zöllnern - an, war aber selber Zolleinnehmer in Kapernaum, wo er lebte. Er war einunddreißig Jahre alt, verheiratet und hatte vier Kinder. Er war recht vermögend, der einzige in dem apostolischen Korps, der über einige Mittel verfügte. Er war ein fähiger Geschäftsmann, kontaktfreudig und besaß die Gabe, sich Freunde zu machen und mit den verschiedensten Leuten gut auszukommen. Andreas setzte Matthäus als Finanzbeauftragten der Apostel ein. Er war in gewissem Sinne der Finanzbevollmächtigte und öffentliche Wortführer der apostolischen Organisation. Er war ein guter Kenner der menschlichen Natur und ein sehr tüchtiger Propagandist. Man kann sich nur schwer ein Bild von seiner Persönlichkeit machen, aber er war ein sehr ernsthafter Jünger und glaubte immer mehr an die Sendung Jesu und an die Gewissheit des Königreichs. Jesus gab Levi nie einen Beinamen, aber seine Apostelgefährten sprachen von ihm gewöhnlich als vom "Geldbeschaffer". Levis Stärke war es, sich der Sache von ganzem Herzen hinzugeben. Dass Jesus und seine Apostel ihn, einen Zöllner, aufgenommen hatten, war der Grund überquellender Dankbarkeit des ehemaligen Steuereinnehmers. Immerhin brauchten die übrigen Apostel und ganz besonders Simon Zelotes und Judas Iskariot einige Zeit, um sich mit der Gegenwart des Zöllners in ihrer Mitte abzufinden. Matthäus' Schwäche war seine begrenzte und materialistische Lebensanschauung. Aber im Laufe der Monate machte er in jeglicher Hinsicht große Fortschritte. Da es seine Aufgabe war, für eine gefüllte Kasse zu sorgen, versäumte er natürlich viele der höchst wertvollen Unterweisungszeiten. Matthäus schätzte am Meister besonders dessen Bereitschaft zur Vergebung. Er wurde nie müde zu wiederholen, dass es bei der Suche nach Gott einzig des Glaubens bedürfe. Er sprach immer gern vom Königreich als "dem Geschäft, Gott zu finden". Obwohl Matthäus ein Mann mit Vergangenheit war, machte er seine Sache ausgezeichnet, und mit der Zeit wurden seine Mitarbeiter stolz auf die Leistungen des Zöllners. Er war einer der Apostel, der sich von Jesu Worten ausgiebige Notizen machte, und diese Aufzeichnungen benutzte Isador später als Grundlage seiner Beschreibung der Worte und Taten Jesu, die als Matthäusevangelium bekannt geworden ist. Das große und nützliche Leben des Matthäus, Geschäftsmann und Zolleinnehmer von Kapernaum, veranlasste in den folgenden Zeitaltern Tausende und Abertausende anderer Geschäftsleute, Staatsangestellter und Politiker, ebenfalls auf die gewinnende Stimme des Meisters zu hören, der spricht: "Folge mir." Matthäus war ein wirklich gewiegter Politiker, aber er war Jesus in unbedingter Treue ergeben und widmete sich in höchstem Maße der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Botschafter des kommenden Königreichs mit genügend finanziellen Mitteln versehen waren. Die Gegenwart von Matthäus inmitten der Zwölf erlaubte es, die Tore des Königreichs für ungezählte niedergeschlagene und ausgestoßene Seelen, die sich längst ohne Möglichkeit religiöser Tröstung glaubten, weit offen zu halten. Ausgestoßene und verzweifelnde Männer und Frauen strömten in Scharen herbei, um Jesus zu hören, und nie wies er einen von ihnen ab. Matthäus erhielt reichlich Gaben von gläubigen Jüngern und unmittelbaren Zuhörern bei den Unterweisungen des Meisters, aber er appellierte nie offen an die Spendefreudigkeit der Menge. Er ging seiner Finanztätigkeit in ruhiger und persönlicher Weise nach und verschaffte sich das meiste Geld von der eher begüterten Klasse interessierter Gläubiger. Er gab praktisch sein gesamtes, bescheidenes Vermögen an das Werk des Meisters und seiner Apostel, aber mit Ausnahme von Jesus, der alles darüber wusste, erfuhren sie nie von seiner Freigebigkeit. Matthäus scheute sich davor, offen zu den apostolischen Mitteln beizusteuern, da er fürchtete, Jesus und seine Gefährten könnten sein Geld als unsauber betrachten; und so gab er viel unter dem Namen von anderen Gläubigen. Während der ersten Monate, als Matthäus wusste, dass seine Anwesenheit unter ihnen für sie mehr oder weniger eine Prüfung bedeutete, war er stark versucht, sie wissen zu lassen, dass sie ihr tägliches Brot oft seinem Gelde verdankten, aber er gab der Versuchung nicht nach. Wenn sich Verachtung für den Zöllner bemerkbar machte, brannte Levi vor Verlangen, ihnen seine Hochherzigkeit zu enthüllen, aber er brachte es immer fertig zu schweigen. Wenn die wöchentlichen Geldmittel für den vorausberechneten Bedarf nicht ausreichten, griff Levi oft tief in die eigene Tasche. Manchmal zog er es auch vor zu bleiben und zuzuhören, wenn Jesu Unterweisung ihn sehr stark interessierte, obwohl er wusste, dass er persönlich dafür würde aufkommen müssen, wenn er es versäumte, die nötigen Mittel zu beschaffen. Aber Levi wünschte so sehr, Jesus erführe, dass ein guter Teil des Geldes aus seiner eigenen Tasche kam! Er ahnte kaum, dass der Meister alles darüber wusste. Die Apostel starben alle, ohne zu wissen, dass Matthäus ihr Wohltäter gewesen war, und zwar in einem Maße, dass er praktisch ohne einen Pfennig war, als er nach dem Beginn der Verfolgungen aufbrach, um das Evangelium vom Königreich zu verkündigen. Als die Verfolgungen die Gläubigen zum Verlassen Jerusalems zwangen, ging Matthäus nach Norden, predigte das Evangelium des Königreichs und taufte Gläubige. Seine früheren apostolischen Gefährten hörten nichts mehr von ihm, er aber zog predigend und taufend immer weiter durch Syrien, Kappadozien, Galatien, Bithynien und Thrazien. Und hier, im thrakischen Lysimachia, verschworen sich einige ungläubige Juden mit den römischen Soldaten, um seinen Tod herbeizuführen. Und dieser wiedergeborene Zöllner starb triumphierend im Glauben an eine Errettung, von der er aus den Lehren seines Meisters während dessen kürzlichen Aufenthalts auf Erden mit solcher Gewissheit erfahren hatte. ***** 139.8 Thomas Didymus ***** Thomas war der achte Apostel, und er war von Philipp ausgesucht worden. In späteren Zeiten wurde er bekannt als der "ungläubige Thomas", aber seine Apostelgefährten betrachteten ihn kaum als chronischen Zweifler. Es trifft zu, dass sein Verstand von logischer und skeptischer Art war, aber er besaß eine Form unerschrockener Treue, die jenen, die ihn gut kannten, verbot, ihn als oberflächlichen Skeptiker anzusehen. Als Thomas sich den Aposteln anschloss, war er neunundzwanzig Jahre alt, verheiratet und hatte vier Kinder. Früher war er Zimmermann und Steinmetz gewesen, später aber Fischer geworden und wohnte in Tarichäa, das am Westufer des Jordans lag, dort, wo dieser das galiläische Meer verlässt. Er galt als führender Bürger dieses kleinen Dorfes. Er hatte nur eine geringe Bildung, aber er besaß einen scharf urteilenden Verstand und war der Sohn vorzüglicher Eltern, die in Tiberias wohnten. Thomas hatte den einzigen wahrhaft analytischen Verstand unter den Zwölfen; er war der eigentliche Wissenschaftler der apostolischen Gruppe. Thomas' frühes Familienleben war bedrückend gewesen; seine Eltern waren in ihrer Ehe nicht sehr glücklich, und das spiegelte sich in seinen Erfahrungen als Erwachsener wider. Er entwickelte ein sehr unangenehmes und streitsüchtiges Wesen. Sogar seine Frau war froh, als er sich den Aposteln anschloss; der Gedanke, ihr pessimistischer Ehemann würde die meiste Zeit von zu Hause abwesend sein, erleichterte sie. Thomas hatte auch einen Hang zum Argwohn, der ein friedliches Zusammenleben mit ihm sehr schwer machte. Er brachte im Anfang Petrus ganz aus der Fassung, der sich bei seinem Bruder Andreas beklagte, Thomas sei "bösartig, unangenehm und immer argwöhnisch". Aber je besser seine Mitarbeiter Thomas kennen lernten, umso lieber gewannen sie ihn. Sie fanden heraus, dass er überaus ehrlich und unerschütterlich treu war. Er war vollkommen aufrichtig und ohne Zweifel wahrheitsliebend, aber er hatte einen angeborenen Hang, überall Fehler zu finden, und hatte sich zu einem richtigen Pessimisten entwickelt. Sein analytischer Verstand wurde von Verdächtigungen geplagt. Er war dabei, rasch allen Glauben an seine Mitmenschen zu verlieren, als er sich mit den Zwölfen zusammentat und so mit dem edlen Charakter von Jesus in Berührung kam. Diese Verbindung mit dem Meister begann sofort, Thomas' ganze Veranlagung zu verwandeln und große Veränderungen in seinen inneren Reaktionen auf seine Mitmenschen hervorzurufen. Thomas' große Stärke lag in seinem vorzüglichen analytischen Verstand gepaart mit unerschütterlichem Mut - wenn er sich einmal zu etwas entschlossen hatte. Seine große Schwäche war seine argwöhnische Zweifelsucht, die er zeitlebens nie ganz überwand. In der Organisation der Zwölf war Thomas mit der Planung und Durchführung der Reiseroute beauftragt, und er war ein fähiger Leiter der Arbeit und der Bewegungen des Apostelkorps. Er war gut im Ausführen von Aufgaben und ein ausgezeichneter Geschäftsmann, aber behindert durch seine vielen wechselnden Stimmungen; er war heute dieser Mensch und morgen ein anderer. Er neigte zu melancholischem Brüten, als er sich den Aposteln anschloss, aber der Kontakt mit Jesus und den Aposteln heilte ihn weitgehend von dieser morbiden Selbstbetrachtung. Jesus fand großen Gefallen an Thomas' Gesellschaft, und er führte viele lange, persönliche Gespräche mit ihm. Seine Gegenwart unter den Aposteln war allen ehrlichen Zweiflern ein großer Trost und ermutigte viele verunsicherte Gemüter, ins Königreich einzutreten, auch wenn sie nicht ganz alles von den geistigen und philosophischen Aspekten der Lehren Jesu verstehen konnten. Thomas' Mitgliedschaft unter den Zwölf war ein ständiger Beweis, dass Jesus sogar ehrliche Zweifler liebte. Die anderen Apostel verehrten Jesus auf Grund eines besonderen und hervortretenden Zuges seiner reichen Persönlichkeit, aber Thomas verehrte seinen Meister wegen seines großartig ausgewogenen Charakters. Thomas bewunderte und verehrte zunehmend diesen Mann, der so liebevoll barmherzig und doch so unbeugsam gerecht und fair war; so fest, aber nie starr; so ruhig, aber nie indifferent; so hilfsbereit und mitfühlend, aber nie aufdringlich oder diktatorisch; so stark, aber gleichzeitig so liebenswürdig; so positiv, aber nie schroff oder grob; so zart, aber nie unschlüssig; so rein und unschuldig, aber zugleich so männlich, dynamisch und kraftvoll; so wahrhaft mutig, aber nie überstürzt oder verwegen; so naturliebend, aber so frei von jedem Hang, die Natur zu verehren; so humorvoll und zu Spiel aufgelegt, aber so frei von Leichtsinn und Frivolität. Es war diese unvergleichliche Ausgewogenheit der Persönlichkeit, die Thomas so sehr bezauberte. Von allen Zwölfen war wohl er es, der Jesus intellektuell am besten verstand und seine Persönlichkeit am meisten würdigte. Bei den Beratungen der Zwölf war Thomas immer vorsichtig und riet zu einer Taktik, die der Sicherheit den Vorzug gab, aber wenn sein Konservatismus in der Abstimmung unterlag oder überstimmt wurde, war er immer der erste, der sich furchtlos an die Ausführung des beschlossenen Programms machte. Immer wieder bekämpfte er dieses oder jenes Projekt hartnäckig als tollkühn und anmaßend; er focht jeweils bis zum bitteren Ende, aber wenn Andreas dann zur Abstimmung über den Vorschlag schritt und sich die Zwölf dafür entschieden, das zu tun, wogegen er sich so energisch gewehrt hatte, sagte Thomas als erster: "Einverstanden!" Er war ein guter Verlierer. Er war nicht nachtragend und hegte keine verletzten Gefühle. Immer wieder erhob er Einspruch dagegen, dass Jesus sich einer Gefahr aussetze, aber wenn der Meister beschloss, ein solches Risiko einzugehen, war es stets Thomas, der die Apostel mit seinen mutigen Worten anfeuerte: "Auf, Kameraden, lasst uns mit ihm gehen und sterben!" In gewisser Hinsicht glich Thomas Philipp; auch er wollte, dass "man ihm zeige", aber seine Äußerungen des Zweifels beruhten auf völlig andersartigen Denkprozessen. Thomas war analytisch, und nicht bloß skeptisch. Was persönlichen, körperlichen Mut betraf, war er einer der Unerschrockensten unter den Zwölfen. Thomas machte mitunter sehr schlimme Tage durch; er war bisweilen melancholisch und niedergeschlagen. Der Verlust seiner Zwillingsschwester, als er neun Jahre alt war, hatte ihm viel Schmerz zugefügt und seine späteren Gemütsprobleme vergrößert. Wenn Thomas mutlos wurde, war es manchmal Nathanael, der ihm half, sich wieder aufzuraffen, manchmal Petrus, und nicht selten einer der Alphäus-Zwillinge. Wenn er am Deprimiertesten war, suchte er unglücklicherweise den unmittelbaren Kontakt mit Jesus zu vermeiden. Aber der Meister wusste das alles und brachte seinem Apostel verstehendes Mitgefühl entgegen, wenn er derart unter Depressionen litt und von Zweifeln bedrängt wurde. Manchmal erhielt Thomas von Andreas die Erlaubnis, sich für einen oder zwei Tage allein fortzubegeben. Aber er lernte bald, dass eine solche Verhaltensweise unklug war; er fand schnell heraus, dass es im Zustand der Niedergeschlagenheit am besten war, sich ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren und in der Nähe seiner Gefährten zu bleiben. Aber was in seinem Gefühlsleben auch immer vor sich ging, er blieb als Apostel unbeirrt. Wenn der Augenblick zum Handeln tatsächlich kam, war es immer Thomas, der sagte: "Auf! Los!" Thomas ist das große Beispiel eines menschlichen Wesens, das Zweifel hat, sich ihnen stellt und gewinnt. Er hatte einen großen Verstand; er war kein kleinlicher Kritiker. Er war ein logischer Denker; er war derjenige, der Jesus und seine Mitapostel auf Herz und Nieren prüfte. Wären Jesus und sein Werk nicht echt gewesen, hätten sie einen Mann von der Art des Thomas nie von Anfang bis Ende halten können. Er hatte einen scharfen und sicheren Sinn für Tatsachen. Beim ersten Anzeichen von Täuschung oder Betrug hätte Thomas sie alle verlassen. Wissenschaftler verstehen vielleicht nicht alles bezüglich Jesu und seines Werkes auf Erden, aber mit dem Meister und dessen menschlichen Gefährten lebte und arbeitete ein Mann, dessen Verstand der eines wahren Wissenschaftlers war - Thomas Didymus - und er glaubte an Jesus von Nazareth. Thomas ging während der Tage des Prozesses und der Kreuzigung durch eine harte Prüfung. Eine Zeit lang war er in tiefster Verzweiflung, aber er nahm seinen Mut zusammen, blieb bei den Aposteln und befand sich unter ihnen am Galiläischen Meer, um Jesus zu begrüßen. Vorübergehend unterlag er seinen Zweifeln und seiner Niedergeschlagenheit, fand aber schließlich Glauben und Mut wieder. Er gab den Aposteln nach Pfingsten weise Ratschläge, und als die Verfolgung die Gläubigen zerstreute, ging er nach Zypern, Kreta, an die nordafrikanische Küste und nach Sizilien, predigte die gute Nachricht vom Königreich und taufte Gläubige. Und Thomas fuhr fort zu predigen und zu taufen, bis er durch die Häscher der römischen Regierung gefasst und in Malta hingerichtet wurde. Nur wenige Wochen vor seinem Tode hatte er begonnen, Leben und Lehren Jesu aufzuzeichnen. ***** 139.9 Jakobus und Judas Alphäus ***** Jakobus und Judas, die Zwillingssöhne des Alphäus, die als Fischer in der Nähe von Keresa wohnten, waren der neunte und der zehnte Apostel und von Jakobus und Johannes Zebedäus ausgewählt worden. Sie waren sechsundzwanzig Jahre alt und verheiratet, Jakobus hatte drei Kinder und Judas zwei. Es gibt über diese unauffälligen Fischer nicht viel zu berichten. Sie liebten ihren Meister und Jesus liebte sie, aber sie unterbrachen seine Reden nie mit Fragen. Sie begriffen sehr wenig von den philosophischen Diskussionen und theologischen Auseinandersetzungen ihrer Mitapostel, aber sie freuten sich sehr darüber, einer Gruppe von so mächtigen Männern anzugehören. Diese beiden Männer waren in ihrer persönlichen Erscheinung, ihren intellektuellen Eigenschaften und ihrem geistigen Fassungsvermögen beinahe identisch. Was man vom einen sagen könnte, träfe auch auf den anderen zu. Andreas wies ihnen die Aufgabe zu, in der Menge für Ordnung zu sorgen. Sie waren die Hauptaufsichtspersonen während der Predigtzeiten und faktisch die allgemeinen Diener und Laufburschen der Zwölf. Sie halfen Philipp bei der Verpflegung, überbrachten den Familien Geld im Auftrag von Nathanael und waren stets willens, jedem der Apostel zur Hand zu gehen. Die Menge gewöhnlichen Volks wurde durch den Umstand sehr ermutigt, dass zwei der ihren die Ehre widerfuhr, den Aposteln anzugehören. Allein durch ihre Aufnahme als Apostel waren diese durchschnittlichen Zwillinge das Mittel, Scharen von zaghaften Gläubigen ins Königreich zu bringen. Und außerdem befreundeten sich die gewöhnlichen Leute leichter mit der Idee, Anweisungen von offiziellen Aufsehern zu empfangen, die ihnen stark glichen. Jakobus und Judas, die man auch Thaddäus und Lebbäus nannte, hatten weder Stärken noch Schwächen. Die Beinamen, die die Jünger ihnen gaben, waren gutmütige Bezeichnungen für Mittelmäßigkeit. Sie waren "die geringsten aller Apostel"; sie wussten es und waren fröhlich dabei. Jakobus Alphäus liebte Jesus besonders wegen seiner Einfachheit. Diese Zwillinge vermochten Jesu Gedanken nicht zu fassen, hingegen fühlten sie sehr wohl die Bande der Sympathie zwischen ihnen und dem Herzen ihres Meisters. Ihr Verstand war nicht eben groß; man könnte sie bei aller Ehrerbietung sogar als einfältig bezeichnen, aber sie machten eine echte Erfahrung in ihren geistigen Naturen. Sie glaubten an Jesus; sie waren Söhne Gottes und Mitglieder des Königreichs. Judas Alphäus fühlte sich wegen des Meisters unauffälliger Demut zu Jesus hingezogen. Eine solche Demut in Verbindung mit einer derartigen persönlichen Würde übte auf Judas eine große Anziehung aus. Die Tatsache, dass Jesus bezüglich seiner außergewöhnlichen Taten stets Schweigen gebot, beeindruckte dieses einfache Naturkind tief. ***** 139.10 Die Zwillinge Alphäus ***** Die Zwillinge waren gutmütige, schlichte Helfer, und jedermann liebte sie. Jesus bedachte diese wenig begabten jungen Männer in seinem persönlichen Stab im Königreich mit Ehrenplätzen, weil es auf den Welten des Raums ungezählte Millionen anderer derartiger einfacher und verängstigter Seelen gibt, die er ebenso sehr in eine aktive und gläubige Gemeinschaft mit sich und dem von ihm ausgegossenen Geist der Wahrheit aufzunehmen wünscht. Jesus verachtet die Kleinheit nicht, nur das Üble und die Sünde. Jakobus und Judas waren klein, aber sie waren auch gläubig. Sie waren einfach und unwissend, aber sie waren auch großherzig, freundlich und freigebig. Und wie dankerfüllt und stolz waren diese einfachen Menschen an jenem Tage, als der Meister es ablehnte, einen gewissen reichen Mann als Evangelisten anzunehmen, es sei denn, er verkaufe sein Hab und Gut und helfe den Armen. Wenn die Leute davon hörten und dann die Zwillinge unter seinen Ratgebern erblickten, wussten sie mit Bestimmtheit, dass Jesus ohne Ansehen der Person handelte. Aber nur eine göttliche Einrichtung - das Königreich - konnte je auf so mittelmäßigen menschlichen Fundamenten aufgebaut werden! Nur ein- oder zweimal während der ganzen Dauer ihres Zusammenseins mit Jesus wagten es die Zwillinge, öffentlich Fragen zu stellen. Einst, als der Meister davon gesprochen hatte, sich der Welt offen erkennen zu geben, drängte es Judas, eine Frage an ihn zu richten. Er war ein bisschen enttäuscht, dass die Zwölf in Zukunft keine Geheimnisse mehr unter sich hätten, und er wagte zu fragen: "Aber Meister, wenn du dich der Welt solcherweise offenbarst, welche besonderen Zeichen deiner Güte wirst du uns dann geben?" Die Zwillinge dienten treu bis ans Ende, bis zu den dunklen Tagen des Prozesses, der Kreuzigung und der Verzweiflung. Nie verloren sie ihren im Herzen gründenden Glauben an Jesus, und (abgesehen von Johannes) waren sie die ersten, die an seine Auferstehung glaubten. Aber sie konnten die Errichtung des Königreichs nicht verstehen. Bald nachdem ihr Meister gekreuzigt worden war, kehrten sie zu ihren Familien und an ihre Netze zurück; ihre Arbeit war getan. Sie waren nicht fähig, sich an den komplexeren Kämpfen für das Königreich zu beteiligen. Aber sie lebten und starben im Bewusstsein, dass ihnen die Ehre und der Segen von vier Jahren enger und persönlicher Zusammenarbeit mit einem Sohn Gottes, dem Herrn und Schöpfer eines Universums, zuteil geworden war. ***** 139.11 Simon Zelotes ***** Simon Petrus wählte den elften Apostel, Simon Zelotes. Simon war ein fähiger Mann, stammte von guten Vorfahren ab und lebte mit seiner Familie in Kapernaum. Er war achtundzwanzig Jahre alt, als er sich den Aposteln anschloss. Er war ein feuriger Agitator und auch ein Mann, der viel sprach, ohne zu überlegen. Er war Kaufmann in Kapernaum gewesen, bevor er seine ganze Aufmerksamkeit der patriotischen Organisation der Zeloten zuwendete. Simon Zelotes wurde mit den Zerstreuungen und der Entspannung der apostolischen Gruppe betraut, und er war ein sehr tüchtiger Organisator der Spiele und Freizeitbetätigungen der Zwölf. Simons Stärke war seine inspirierende Treue. Wenn die Apostel einen Mann oder eine Frau fanden, die unentschieden schwankten, ob sie ins Königreich eintreten sollten, holten sie Simon herbei. Dieser enthusiastische Verfechter des Heils durch den Glauben an Gott benötigte im allgemeinen nur etwa fünfzehn Minuten, um alle Zweifel zu zerstreuen und alle Unentschlossenheit wegzuräumen, damit eine neue Seele in die "Freiheit des Glaubens und in die Freude der Errettung" hineingeboren würde. Simons große Schwäche war seine materielle Einstellung. Er konnte sich nicht rasch von einem jüdischen Nationalisten in einen vergeistigten Internationalisten verwandeln. Vier Jahre waren eine zu kurze Zeit, um eine derartige intellektuelle und gefühlsmäßige Wandlung zu bewirken, aber Jesus war immer geduldig mit ihm. Was Simon an Jesus so sehr bewunderte, war des Meisters Ruhe, seine innere Sicherheit, sein Gleichgewicht und seine unerklärliche Gelassenheit. Obwohl Simon ein fanatischer Revolutionär und ein furchtloser, streitbarer Unruhestifter war, bezwang er allmählich seine ungestüme Natur und wurde ein machtvoller und wirksamer Prediger von "Frieden auf Erden und gutem Willen unter den Menschen". Simon war ein ausgezeichneter Debattierer; er argumentierte sehr gerne. Und wenn es galt, sich mit der legalistischen Mentalität der gebildeten Juden oder den intellektuellen Spitzfindigkeiten der Griechen ausein-ander zu setzen, wurde immer Simon mit dieser Aufgabe betraut. Er war von Natur aus ein Rebell und durch Übung zum Bilderstürmer geworden, aber Jesus gewann ihn für die höheren Ziele des Königreichs. Er hatte sich immer mit der Partei des Protestes identifiziert, aber jetzt trat er der Partei des Fortschritts, der unbeschränkten und ewigen Entfaltung des Geistes und der Wahrheit bei. Simon war ein Mensch von starker Loyalität und warmer persönlicher Hingabe, und er hatte wirklich eine tiefe Liebe zu Jesus. Jesus schreckte nicht davor zurück, sich mit Geschäftsleuten, Werktätigen, Optimisten, Pessimisten, Philosophen, Skeptikern, Zöllnern, Politikern und Patrioten zu identifizieren. Der Meister führte viele Gespräche mit Simon, aber es gelang ihm nie ganz, aus diesem glühenden jüdischen Nationalisten einen Internationalisten zu machen. Jesus erklärte Simon oft, es sei richtig, nach einer Verbesserung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ordnung zu streben, aber er fügte immer hinzu: "Das ist nicht Aufgabe des Königreichs. Wir müssen uns der Ausführung des Willens des Vaters widmen. Unsere Aufgabe ist es, Botschafter einer geistigen Regierung im Himmel zu sein, und wir sollen uns unmittelbar mit nichts anderem als der Repräsentation des Willens und Charakters des himmlischen Vaters befassen, der an der Spitze der Regierung steht, deren Beglaubigung wir haben." Es fiel Simon außerordentlich schwer, dies zu verstehen, aber nach und nach begann er, etwas von der Bedeutung der Lehre seines Meisters zu begreifen. Nach der Zerstreuung durch die Verfolgungen in Jerusalem zog sich Simon eine Zeit lang zurück. Er war buchstäblich gebrochen. Aus Hochachtung vor Jesu Lehren hatte er auf sein Engagement als nationalistischer Patriot verzichtet; jetzt war alles verloren. Er war verzweifelt, aber nach ein paar Jahren schöpfte er wieder Hoffnung und machte sich auf, das Evangelium vom Königreich zu verkündigen. Er ging nach Alexandrien, zog arbeitend den Nil aufwärts und drang in das Herz von Afrika vor, überall das Evangelium Jesu predigend und Gläubige taufend. So arbeitete er, bis er alt und schwach geworden war. Er starb und wurde im Herzen Afrikas begraben. ***** 139.12 Judas Iskariot ***** Judas Iskariot, der zwölfte Apostel, wurde von Nathanael gewählt. Er wurde in Kerioth, einer kleinen Stadt im südlichen Judäa, geboren. Als er ein Junge war, übersiedelten seine Eltern nach Jericho, wo er lebte und in verschiedenen Geschäftsunternehmen seines Vaters arbeitete, bis er sich für die Predigt und das Werk von Johannes dem Täufer zu interessieren begann. Judas' Eltern waren Sadduzäer, und als ihr Sohn sich den Jüngern des Johannes anschloss, verstießen sie ihn. Als Nathanael Judas in Tarichäa begegnete, suchte dieser eine Anstellung bei einem Unternehmen zum Trocknen von Fischen am unteren Ende des Galiläischen Meeres. Er war dreißig Jahre alt und unverheiratet, als er zu den Aposteln kam. Er war wahrscheinlich der Gebildetste unter den Zwölfen und der einzige Judäer in des Meisters apostolischer Familie. Judas besaß keine auffallenden Charakterzüge persönlicher Stärke, wohl aber viele sichtbare Merkmale von Bildung und anerzogenen Sitten. Er war ein guter Denker, aber nicht immer ein wahrhaft ehrlicher Denker. Judas verstand sich selber nicht wirklich; er war nicht wirklich aufrichtig im Umgang mit sich selbst. Andreas ernannte Judas zum Schatzmeister der Zwölf, eine Stellung, der er hervorragend gewachsen war, und bis zu der Zeit des Verrats an seinem Meister entledigte er sich seines verantwortungsvollen Amtes ehrlich, zuverlässig und höchst effizient. Judas bewunderte keinen besonderen Charakterzug Jesu mehr als die allgemein anziehende und äußerst bezaubernde Persönlichkeit des Meisters. Judas konnte seine judäischen Vorurteile gegenüber seinen galiläischen Gefährten nie überwinden; er beanstandete insgeheim sogar an Jesus so manches. Ihn, zu dem elf der Apostel als dem vollkommenen Menschen aufschauten, dem "ganz Großen und Höchsten unter Zehntausenden", wagte dieser selbstzufriedene Judäer häufig in seinem Herzen zu kritisieren. Er hatte tatsächlich die Vorstellung, Jesus sei zaghaft und schrecke davor zurück, seine eigene Macht und Autorität geltend zu machen. Judas war ein guter Geschäftsmann. Es erforderte Takt, Geschick, Geduld und auch eine gewissenhafte Hingabe, um die Geldangelegenheiten eines Idealisten wie Jesus zu regeln, ganz zu schweigen von dem Ringen mit den chaotischen Geschäftsmethoden einiger seiner Apostel. Judas war wirklich ein hervorragender Geschäftsführer und ein weit blickender und fähiger Finanzmann. Er war peinlichst genau in der Organisation. Keiner der Zwölf kritisierte Judas jemals. Soweit sie es beurteilen konnten, war Judas Iskariot ein unvergleichlicher Schatzmeister, ein bewanderter Mann, ein treuer (wenn auch manchmal kritischer) Apostel und in jeder Hinsicht ein großer Erfolg. Die Apostel liebten Judas; er war wirklich einer der ihren. Er muss an Jesus geglaubt haben, aber wir bezweifeln, ob er den Meister wirklich von ganzem Herzen liebte. Judas' Fall illustriert die Wahrheit des Sprichworts: "Es gibt einen Weg, der einem Menschen richtig erscheint, aber an dessen Ende steht der Tod." Es ist durchaus möglich, der friedlichen Täuschung einer angenehmen Anpassung an die Pfade von Sünde und Tod zum Opfer zu fallen. Seid versichert, dass Judas seinem Meister und seinen Apostelkameraden gegenüber in Geldangelegenheiten stets loyal war. Geld hätte nie der Beweggrund zu seinem Verrat am Meister sein können. Judas war der einzige Sohn unkluger Eltern. In sehr frühem Alter wurde er verwöhnt und verhätschelt; er war ein verzogenes Kind. Als er heranwuchs, hatte er übertriebene Vorstellungen von seiner eigenen Wichtigkeit. Er war ein schlechter Verlierer. Er hatte ungenaue und verzerrte Auffassungen von fairem Verhalten und gab Hassgefühlen und Verdächtigungen nach. Er verstand sich bestens darauf, die Worte und Taten seiner Freunde falsch auszulegen. Sein ganzes Leben lang pflegte er es jenen heimzuzahlen, die ihn seiner Meinung nach schlecht behandelt hatten. Sein Gespür für Werte und Treueverhältnisse war geschädigt. Für Jesus war Judas ein Glaubensabenteuer. Von Anfang an sah der Meister sehr genau die Schwäche dieses Apostels und er war sich der Gefahren, ihn als Gefährten anzunehmen, durchaus bewusst. Aber es liegt in der Natur der Söhne Gottes, jedem erschaffenen Wesen eine volle und ebenbürtige Gelegenheit zur Rettung und zum Überleben zu geben. Jesus wollte, dass dies nicht nur die Sterblichen dieser Welt, sondern auch die Zuschauer auf ungezählten anderen Welten erführen: Wenn hinsichtlich Aufrichtigkeit und Rückhaltlosigkeit der Hingabe eines Geschöpfes an das Königreich Zweifel bestehen, entscheiden die Richter über die Menschen ausnahmslos, den zweifelhaften Kandidaten voll zu akzeptieren. Das Tor zum ewigen Leben steht allen weit offen; "wer immer will, mag kommen"; es gibt weder Einschränkungen noch Qualifikationen außer dem Glauben dessen, der kommt. Das ist genau der Grund, weshalb Jesus es Judas erlaubte, bis ganz ans Ende mit ihm zu gehen, während er alles Mögliche unternahm, um diesen schwachen und verwirrten Apostel zu verwandeln und zu retten. Aber wenn man das Licht nicht aufrichtig empfängt und entsprechend lebt, neigt es dazu, die Seele zu verdunkeln. Judas wuchs intellektuell in Bezug auf Jesu Lehren vom Königreich, aber er kam nicht voran in der Erlangung eines geistigen Charakters wie die übrigen Apostel. Es glückte ihm nicht, befriedigende persönliche Fortschritte in der geistigen Erfahrung zu machen. Judas brütete immer mehr über seinen persönlichen Enttäuschungen und wurde schließlich Opfer seines Grolls. Seine Gefühle waren oft verletzt worden, und er wurde ungewöhnlich misstrauisch gegen seine besten Freunde, sogar gegen den Meister. Bald ließ ihn die Idee nicht mehr los, es ihnen heimzuzahlen, alles zu tun, um sich zu rächen, ja sogar seine Gefährten und seinen Meister zu verraten. Aber diese bösen und gefährlichen Gedanken nahmen erst an dem Tage endgültige Gestalt an, an dem eine dankbare Frau zu Füßen Jesu ein kostbares Weihrauchgefäß zerbrach. Judas empfand das als Verschwendung, und als Jesus seinen lauten Protest in Hörweite aller vehement missbilligte, war das zu viel. Dieses Ereignis bewirkte die Mobilisierung all dessen, was sich während eines ganzen Lebens an Hass, Verletztheit, Bosheit, Vorurteilen, Eifersucht und Groll aufgestaut hatte, und er entschloss sich, mit irgendjemandem abzurechnen; aber er konzentrierte nur deshalb die ganze Schlechtigkeit seiner Natur auf die einzige unschuldige Person in dem ganzen schäbigen Drama seines unglückseligen Lebens, weil Jesus zufällig der Hauptakteur in der Episode war, die seinen Übergang vom progressiven Königreich des Lichts zum selbstgewählten Reich der Finsternis kennzeichnete. Der Meister hatte Judas viele Male sowohl vertraulich als auch öffentlich gewarnt, dass er fehlginge, aber göttliche Warnungen sind im Umgang mit verbitterter menschlicher Natur gewöhnlich nutzlos. Jesus unternahm alles erdenklich Mögliche, was sich mit der sittlichen Freiheit des Menschen vereinbaren lässt, um Judas davon abzuhalten, den falschen Weg zu wählen. Die große Prüfung kam schließlich. Der Sohn des Grolls scheiterte; er gab den verbitterten und schmutzigen Forderungen eines hochmütigen und rachedurstigen Sinnes übertriebener Selbstüberhebung nach und stürzte rasch in Verwirrung, Verzweiflung und Verderbnis. Judas machte sich nun an die niederträchtige und beschämende Intrige, seinen Herrn und Meister zu verraten, und setzte den ruchlosen Plan rasch in die Tat um. Während der Ausführung seiner dem Zorn entsprungenen Pläne verräterischen Treuebruchs überkamen ihn von Zeit zu Zeit Reue und Scham, und in diesen lichten Augenblicken verfiel er zur Selbstverteidigung auf den feigen Gedanken, Jesus würde vielleicht seine Macht ausüben und sich im letzten Moment selber retten. Als das schmutzige und sündige Geschäft ausgeführt war, stürmte dieser abtrünnige Sterbliche, der seinen Freund leichthin für dreißig Silberstücke verkauft hatte, um seinen über lange Zeit genährten Rachedurst zu stillen, hinaus und fügte dem Drama der Flucht vor den Realitäten der sterblichen Existenz den letzten Akt hinzu - er beging Selbstmord. Die elf Apostel waren entsetzt und wie betäubt. Jesus sah nur mit Mitleid auf den Verräter. Die Welten haben es schwer gefunden, Judas zu vergeben, und in einem ganzen, unermesslichen Universum vermeidet man es, seinen Namen auszusprechen. ****** Kapitel 140 Die Weihe der Zwölf ****** AM Sonntag, dem 12. Januar 27 n. Chr., kurz vor Mittag, rief Jesus die Apostel zusammen zu ihrer Weihe als öffentliche Prediger des Evangeliums des Königreichs. Fast jeden Tag erwarteten die Zwölf, gerufen zu werden; deshalb entfernten sie sich an diesem Vormittag beim Fischen nicht weit vom Ufer. Einige von ihnen verweilten am Ufer, flickten ihre Netze und bastelten an ihrer Fischerausrüstung herum. Als sich Jesus zum Seeufer hinab begab, um die Apostel zu versammeln, rief er zuerst Andreas und Petrus herbei, die nahe am Ufer fischten; darauf gab er Jakobus und Johannes ein Zeichen, die in der Nähe in einem Boot mit ihrem Vater Zebedäus plauderten und ihre Netze ausbesserten. Paarweise brachte er auch die anderen Apostel zusammen, und als er alle Zwölf beieinander hatte, begab er sich mit ihnen auf die Anhöhe im Norden von Kapernaum, wo er fortfuhr, sie zur Vorbereitung auf die eigentliche Weihe zu unterweisen. Ausnahmsweise waren alle zwölf Apostel still; sogar Petrus war in nachdenklicher Stimmung. Endlich war die lang erwartete Stunde gekommen. Sie begaben sich mit ihrem Meister abseits, um teilzunehmen an einer Art feierlicher Zeremonie persönlicher Konsekration und gemeinsamer Hingabe an die geheiligte Aufgabe, ihren Meister bei der Verkündigung des kommenden Königreichs seines Vaters zu vertreten. ***** 140.1 Vorbereitende Unterweisung ***** Vor dem eigentlichen Weihegottesdienst sprach Jesus zu den um ihn herum sitzenden Zwölf: "Meine Brüder, die Stunde des Königreichs ist gekommen. Ich habe mich mit euch hierher zurückgezogen, um euch dem Vater als Botschafter des Königreichs vorzustellen. Ihr wart gerade berufen worden, als einige von euch mich in der Synagoge über dieses Königreich haben sprechen hören. Jeder von euch hat mehr über des Vaters Königreich erfahren, seitdem ihr mit mir in den Städten rund um das Galiläische Meer herum gearbeitet habt. Aber gerade jetzt habe ich euch Weiteres über dieses Königreich zu sagen. Das neue Königreich, das mein Vater im Begriff ist, in den Herzen seiner Erdenkinder zu errichten, wird ein Reich von ewiger Dauer sein. Es wird kein Ende dieser Herrschaft meines Vaters in den Herzen jener geben, die seinen göttlichen Willen auszuführen begehren. Ich versichere euch, dass mein Vater weder der Gott der Juden noch der Heiden ist. Viele werden von Osten und von Westen kommen, um sich mit uns in des Vaters Königreich niederzulassen, während viele Kinder Abrahams sich weigern werden, in diese neue Bruderschaft einzutreten, in der des Vaters Geist in den Herzen der Menschenkinder herrscht. Die Kraft dieses Königreichs wird weder auf der Gewalt von Armeen noch auf der Macht von Reichtümern gründen, sondern vielmehr auf der Herrlichkeit des göttlichen Geistes, der kommen wird, um den Verstand der wiedergeborenen Bürger dieses himmlischen Königreichs, der Söhne Gottes, zu unterweisen und ihre Herzen zu beherrschen. Dies ist die Bruderschaft der Liebe, in der Rechtschaffenheit regiert und deren Schlachtruf sein wird: Friede auf Erden und guter Wille unter allen Menschen. Dieses Königreich, das ihr so bald verkündigen geht, ist die Sehnsucht der guten Menschen aller Zeitalter, die Hoffnung der ganzen Erde und die Erfüllung der weisen Versprechen aller Propheten. Aber für euch, meine Kinder, und für alle anderen, die euch in dieses Königreich nachfolgen werden, ist eine strenge Prüfung vorgesehen. Glaube allein genügt, um euch durch seine Pforten zu geleiten, aber ihr müsst die Früchte des Geistes meines Vaters hervorbringen, wenn ihr damit fortfahren möchtet, im fortschreitenden Leben der göttlichen Gemeinschaft aufzusteigen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, nicht jeder, der sagt `Herr, Herr', wird das Königreich betreten, sondern vielmehr derjenige, der den Willen meines Vaters im Himmel tut. Eure Botschaft an die Welt sei: Sucht zuerst das Königreich Gottes und seine Rechtschaffenheit, und wenn ihr diese findet, sollen euch auch alle anderen zum ewigen Leben wesentlichen Dinge sicher sein. Und nun möchte ich euch klarmachen, dass dieses Königreich meines Vaters nicht mit äußerer Machtentfaltung oder unziemlichen Kundgebungen daherkommen wird. Ihr sollt nicht von hier weggehen und das Königreich mit den Worten verkündigen: `Es ist hier' oder `es ist da', denn das Königreich, von dem ihr predigt, ist Gott in euch. Wer in meines Vaters Königreich groß werden möchte, soll allen dienen; und wer von euch der Erste sein möchte, möge Diener seiner Brüder werden. Aber wenn ihr einmal wahrhaftig als Bürger im Königreich empfangen werdet, seid ihr nicht länger Diener, sondern Söhne, Söhne des lebendigen Gottes. Und so wird dieses Königreich in der Welt Fortschritte machen, bis es alle Schranken niedergerissen und alle Menschen dazu gebracht haben wird, meinen Vater zu kennen und an die rettende Wahrheit zu glauben, die zu verkündigen ich gekommen bin. Auch jetzt ist das Königreich zum Greifen nahe, und einige von euch werden nicht sterben, bevor sie die Herrschaft Gottes mit großer Macht haben kommen sehen. "Und das, was eure Augen jetzt erblicken, dieser kleine Anfang mit zwölf gewöhnlichen Menschen, wird sich vervielfachen und wachsen, bis schließlich die ganze Erde vom Lobpreis meines Vaters erfüllt sein wird. Und nicht so sehr eure Worte als vielmehr das Leben, das ihr lebt, wird die Menschen wissen lassen, dass ihr bei mir gewesen seid und von den Realitäten des Königreichs erfahren habt. Ich möchte eurem Gemüt keine schweren Bürden aufladen, aber ich werde euren Seelen jetzt die feierliche Verantwortung auferlegen, mich, nachdem ich euch bald verlassen werde, in der Welt zu vertreten, gerade so, wie ich jetzt meinen Vater in diesem im Fleische gelebten Leben vertrete." Und nachdem er seine Ansprache beendet hatte, erhob er sich. ***** 140.2 Die Weihe ***** Jesus wies nun die zwölf Sterblichen, die soeben seiner Erklärung über das Königreich gelauscht hatten, an, in einem Kreis um ihn herum niederzuknien. Darauf legte der Meister seine Hände auf den Kopf eines jeden Apostels, wobei er mit Judas Iskariot begann und mit Andreas aufhörte. Nachdem er sie gesegnet hatte, streckte er seine Hände aus und betete: "Mein Vater, ich bringe dir jetzt diese Männer, meine Botschafter. Unter unseren Erdenkindern habe ich diese Zwölf ausgewählt, damit sie ausziehen und mich vertreten mögen, so wie ich ausgezogen bin, um dich zu vertreten. Liebe sie und sei mit ihnen, so wie du mich geliebt hast und mit mir gewesen bist. Und gib diesen Männern Weisheit, mein Vater, jetzt da ich alle Angelegenheiten des kommenden Königreichs in ihre Hände lege. Und wenn es dein Wille ist, möchte ich eine Zeit lang auf Erden weilen, um ihnen bei ihren Arbeiten für das Königreich zu helfen. Und noch einmal danke ich dir, mein Vater, für diese Männer, und ich empfehle sie deiner Obhut an, während ich mich anschicke, das Werk zu beenden, das zu tun du mir aufgetragen hast." Nachdem Jesus sein Gebet beendet hatte, blieben die Apostel in gebeugter Haltung an ihrem Platz. Und es dauerte viele Minuten, bevor sogar Petrus es wagte, zum Meister aufzuschauen. Einer nach dem anderen umarmten sie Jesus, aber niemand sagte ein Wort. Eine große Stille herrschte am Ort, während eine Heerschar himmlischer Wesen auf diese feierliche und heilige Szene herabblickte - wie der Schöpfer eines Universums die Angelegenheiten der göttlichen Bruderschaft der Menschen unter die Leitung menschlicher Intelligenzen stellte. ***** 140.3 Die Weihepredigt ***** Danach sprach Jesus: "Nun, da ihr Botschafter des Königreichs meines Vaters geworden, seid ihr dadurch auch eine von allen anderen Menschen auf Erden gesonderte und unterschiedene Menschengruppe geworden. Ihr seid nicht mehr wie Menschen unter Menschen, sondern wie erleuchtete Bürger eines anderen und himmlischen Landes unter den unwissenden Geschöpfen dieser finsteren Welt. Es genügt nicht, dass ihr wie bis zu dieser Stunde weiterlebt, sondern fortan müsst ihr wie solche leben, die die Herrlichkeit eines besseren Lebens gekostet haben und die als Botschafter des Herrschers dieser neuen und besseren Welt zur Erde zurückgeschickt worden sind. Vom Lehrer erwartet man mehr als vom Schüler; man fordert mehr vom Herrn als vom Diener. Bürgern des himmlischen Königreichs wird mehr abverlangt als Bürgern einer irdischen Herrschaft. Einiges von dem, was ich euch jetzt sagen werde, mag euch hart erscheinen, aber ihr habt euch entschieden, mich in der Welt zu vertreten, so wie ich jetzt den Vater vertrete; und als meine Beauftragten auf Erden werdet ihr verpflichtet sein, euch treu an die Lehren und Praktiken zu halten, die meine Ideale des sterblichen Lebens auf den Welten des Raums widerspiegeln, und die ich in meinem Erdenleben, das den himmlischen Vater offenbart, beispielhaft vorlebe. Ich sende euch aus, um den geistig Gefangenen Freiheit und den von Angst Versklavten Freude zu verkündigen und um die Kranken in Übereinstimmung mit dem Willen meines Vaters im Himmel zu heilen. Wenn ihr meine Kinder niedergeschlagen findet, dann sprecht ihnen Mut zu und sagt: Selig sind die Armen im Geiste, die Demütigen, denn ihnen gehören die Schätze des Königreichs. Selig sind, die nach Rechtschaffenheit hungern und dürsten, denn sie sollen gesättigt werden. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie sollen die Erde erben. Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Und sagt meinen Kindern auch noch diese Worte geistiger Stärkung und des Versprechens: Selig sind die Leidtragenden, denn sie sollen getröstet werden. Selig sind, die weinen, denn sie sollen den Geist der Freude empfangen. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erhalten. Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden die Söhne Gottes genannt werden. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Königreich des Himmels. Selig seid ihr, wenn die Menschen euch schmähen und verfolgen und gegen euch hinterhältig allerlei Übles reden. Frohlocket und seid über die Maßen glücklich, denn groß wird euer Lohn im Himmel sein. Meine Brüder, ich sende euch aus, ihr seid das Salz der Erde, ein Salz mit erlösendem Geschmack. Wenn aber dieses Salz seinen Geschmack verloren hat, womit wird man es würzen? Es taugt hinfort zu nichts mehr, als weggeworfen und von den Menschen zertreten zu werden. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch keine Kerze an und stellt sie unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; und sie spendet allen Licht, die im Hause sind. Also lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und veranlasst werden, euren Vater im Himmel zu preisen. Ich sende euch als meine Stellvertreter und als Botschafter des Königreichs meines Vaters in die Welt hinaus, und wenn ihr auszieht, um die frohe Botschaft zu verkündigen, setzt euer Vertrauen in den Vater, dessen Boten ihr seid. Widersteht Ungerechtigkeit nicht mit Gewalt; vertraut nicht auf eure Körperkraft. Wenn euer Nächster euch auf die rechte Wange schlägt, dann haltet ihm auch die andere hin. Seid bereit, eher Ungerechtigkeit zu erleiden, als miteinander vor Gericht zu gehen. Erweist allen, die in Trübsal und Not sind, Freundlichkeit und Barmherzigkeit. Ich sage euch: Liebet eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen, segnet jene, die euch verfluchen und betet für jene, die sich euch verächtlich zunutze machen. Und was immer ihr glaubt, dass ich für die Menschen tun würde, das tut ebenfalls für sie. Euer Vater im Himmel lässt die Sonne sowohl auf die Bösen wie auf die Guten scheinen; ebenso schickt er Regen auf Gerechte und Ungerechte. Ihr seid die Söhne Gottes; mehr noch, ihr seid jetzt die Botschafter des Königreichs meines Vaters. Seid barmherzig, so wie Gott barmherzig ist, und in der ewigen Zukunft des Königreichs werdet ihr vollkommen sein, so wie euer himmlischer Vater vollkommen ist. Ihr seid berufen, Menschen zu retten und nicht, sie zu richten. Am Ende eures Erdenlebens werdet ihr alle Barmherzigkeit erwarten; deshalb verlange ich von euch, dass ihr während eures sterblichen Lebens allen euren Brüdern im Fleische Barmherzigkeit erweist. Macht nicht den Fehler, einen Splitter aus eures Bruders Auge entfernen zu wollen, während in eurem eigenen Auge ein Balken ist. Habt ihr erst einmal den Balken aus dem eigenen Auge entfernt, könnt ihr umso besser sehen, um den Splitter aus eures Bruders Auge zu entfernen. Erkennt die Wahrheit klar; lebt furchtlos ein rechtschaffenes Leben; so werdet ihr meine Apostel und meines Vaters Botschafter sein. Ihr kennt das Wort: `Wenn der Blinde einen Blinden führt, werden sie beide in die Grube fallen.' Wenn ihr andere ins Königreich führen möchtet, müsst ihr selber im hellen Licht der lebendigen Wahrheit wandeln. In allem, was das Königreich anbelangt, ermahne ich euch, gerecht zu urteilen und große Weisheit zu zeigen. Legt Heiliges nicht den Hunden vor, und werft eure Perlen nicht vor die Schweine, damit sie eure Juwelen nicht unter ihren Füßen zertreten und sich umwenden, um euch zu zerreißen. Ich warne euch vor falschen Propheten, die in Schafspelzen auf euch zukommen werden, während sie in ihrem Inneren wie reißende Wölfe sind. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Pflücken die Menschen etwa Trauben von Dornbüschen oder Feigen von Disteln? Ebenso bringt jeder gute Baum gute Frucht, aber der verdorbene Baum trägt schlechte Frucht. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte tragen, noch kann ein verdorbener Baum gute Früchte hervorbringen. Jeder Baum, der keine guten Früchte trägt, wird bald umgehauen und ins Feuer geworfen werden. Es ist der Beweggrund, der zählt, um Einlass ins Königreich zu erhalten. Mein Vater schaut in die Herzen der Menschen und beurteilt sie nach ihren inneren Sehnsüchten und ihren aufrichtigen Absichten. "Am großen Tag des Gerichts des Königreichs werden viele zu mir sagen: `Aber haben wir nicht in deinem Namen prophezeit und in deinem Namen viele wunderbare Werke getan ?' Aber ich werde gezwungen sein, ihnen zu sagen: `Ich habe euch nie gekannt; weichet von mir, ihr falschen Lehrer'. Aber jeder, der diese Mahnung hört und seinen Auftrag getreulich ausführt, mich vor den Menschen zu vertreten, so wie ich meinen Vater vor euch vertreten habe, wird den Zugang zu meinem Dienst und zum Königreich des himmlischen Vaters weit offen finden." Nie zuvor hatten die Apostel Jesus in dieser Weise reden gehört, denn er sprach zu ihnen als einer, der höchste Autorität besitzt. Sie stiegen bei Sonnenuntergang den Berg hinunter, aber keiner richtete eine Frage an Jesus. ***** 140.4 Ihr seid das Salz der Erde ***** Die sogenannte "Bergpredigt" ist nicht das Evangelium Jesu. Sie enthält wohl viel hilfreiche Unterweisung, aber sie war Jesu Weisung an die zwölf Apostel anläßlich ihrer Weihe. Sie war des Meisters persönlicher Auftrag an jene, die das Evangelium weiter verkündigen und danach trachten sollten, ihn so in der Welt der Menschen zu vertreten, wie er seinen Vater so beredt und vollkommen vertrat. "Ihr seid das Salz der Erde, ein Salz mit erlösendem Geschmack. Wenn aber dieses Salz seinen Geschmack verloren hat, womit wird man es würzen? Es taugt hinfort zu nichts mehr, als weggeworfen und von den Menschen zertreten zu werden." Zu Jesu Zeit war Salz kostbar. Es wurde sogar als Geld benutzt. Das moderne Wort "Salär" ist vom Wort Salz abgeleitet. Salz gibt der Nahrung nicht nur Geschmack, es ist auch ein Konservierungsmittel. Es macht andere Dinge schmackhafter, und so nützt es, indem es verbraucht wird. "Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch keine Kerze an und stellt sie unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; und sie spendet allen Licht, die im Hause sind. Also lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und angespornt werden, euren Vater im Himmel zu preisen." Licht verscheucht zwar Finsternis, es kann aber auch so blenden, dass es verwirrt und entmutigt. Wir werden ermahnt, unser Licht so scheinen zu lassen, dass unsere Mitmenschen auf neue und göttliche Pfade eines höheren Lebens geführt werden. Unser Licht sollte so scheinen, dass es die Aufmerksamkeit nicht auf unser Selbst lenkt. Sogar unsere Berufung kann als ein wirkungsvoller "Reflektor" zur Ausbreitung dieses Lichts des Lebens dienen. Starke Charaktere bilden sich nicht, indem man Unrecht nicht tut, sondern vielmehr, indem man das Gute tatsächlich tut. Selbstlosigkeit ist das Merkmal menschlicher Größe. Die höchsten Ebenen der Selbstverwirklichung werden durch Anbetung und Dienen erreicht. Der glückliche und erfolgreiche Mensch wird nicht durch die Angst motiviert, Unrecht zu tun, sondern durch die Liebe, das Rechte zu tun. "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen." Die Persönlichkeit ist grundsätzlich unveränderlich; was sich verändert - wächst -, ist der sittliche Charakter. Der Hauptirrtum der modernen Religionen ist der Negativismus. Der Baum, der keine Früchte trägt, wird "umgehauen und ins Feuer geworfen". Sittlicher Wert kann nicht aus bloßer Unterdrückung hervorgehen - aus dem Gehorsam gegenüber dem Befehl "Du sollst nicht." Furcht und Scham sind unwürdige Beweggründe für ein religiöses Leben. Religion ist nur dann begründet, wenn sie die Vaterschaft Gottes offenbart und die Brüderlichkeit unter den Menschen steigert. Eine wirkungsvolle Lebensphilosophie entsteht aus der Verbindung der kosmischen Erkenntnis mit der Gesamtheit unserer gefühlsmäßigen Reaktionen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld. Denkt daran: Ererbte Triebe können nicht grundlegend verändert werden, wohl aber die gefühlsmäßigen Antworten auf solche Triebe; folglich kann die sittliche Natur verändert und der Charakter verbessert werden. In einem starken Charakter sind die gefühlsmäßigen Antworten integriert und koordiniert, und dadurch entsteht eine geeinte Persönlichkeit. Unzureichende Einigung schwächt die sittliche Natur und macht unglücklich. Ohne ein lohnendes Ziel wird das Leben sinn- und zwecklos, und viel Elend ist die Folge davon. Jesu Rede zur Weihe der Zwölf ist eine meisterhafte Lebensphilosophie. Jesus ermahnte seine Jünger, sich in einem Glauben zu üben, der auf Erfahrung beruht. Er warnte sie, sich nicht auf eine bloß intellektuelle Zustimmung, auf Leichtgläubigkeit und etablierte Autorität zu verlassen. Erziehung sollte eine Technik des Lernens (Entdeckens) besserer Methoden sein, um unsere natürlichen und ererbten Triebe zu befriedigen, und Glück ist das Gesamtresultat dieser verbesserten Techniken gefühlsmäßiger Befriedigung. Das Glück hängt nur in geringem Maß vom Umfeld ab, obwohl eine angenehme Umgebung viel dazu beitragen kann. Jeder Sterbliche sehnt sich in Wirklichkeit danach, eine vollständige Person zu sein, so vollkommen wie der Vater im Himmel; und das zu erreichen ist möglich, weil letzten Endes "das Universum wahrhaft väterlich ist". ***** 140.5 Väterliche und brüderliche Liebe ***** Von der Bergpredigt bis zur Rede beim letzten Abendmahl lehrte Jesus seine Anhänger, eher väterliche als brüderliche Liebe zu bekunden. Brüderliche Liebe bedeutet, seinen Nächsten wie sich selber zu lieben, und das wäre eine angemessene Erfüllung der "goldenen Regel". Aber väterliche Zuneigung verlangt, dass ihr eure Mitmenschen so liebt, wie Jesus euch liebt. Jesus liebt die Menschheit mit einem zweifachen Gefühl. Er lebte auf Erden als eine doppelte - menschliche und göttliche - Persönlichkeit. Als Gottessohn liebt er den Menschen mit väterlicher Liebe - er ist der Schöpfer des Menschen, sein Vater im Universum. Als Menschensohn liebt Jesus die Sterblichen wie ein Bruder - er war wahrlich ein Mensch unter Menschen. Jesus erwartete von seinen Anhängern keine unmögliche Bekundung brüderlicher Liebe, aber er erwartete sehr wohl von ihnen, nach Gottähnlichkeit zu streben - vollkommen zu sein, wie der Vater im Himmel vollkommen ist - damit sie beginnen könnten, die Menschen so zu betrachten, wie Gott seine Geschöpfe betrachtet, und folglich auch beginnen könnten, die Menschen so zu lieben, wie Gott sie liebt - die Anfänge einer väterlichen Liebe zu zeigen. Im Laufe dieser Ermahnungen an die zwölf Apostel versuchte Jesus eine Offenbarung dieses neuen Konzeptes väterlicher Liebe in dessen Beziehung zu gewissen gefühlsmäßigen Haltungen, die zahlreiche Anpassungen an das gesellschaftliche Umfeld machen müssen. Der Meister leitete diese denkwürdige Rede damit ein, dass er die Aufmerksamkeit auf vier Glaubens haltungen lenkte als Vorspiel zu der dann folgenden Beschreibung von seinen vier transzendenten, alles übersteigenden Reaktionen väterlicher Liebe im Gegensatz zu den Begrenzungen rein brüderlicher Liebe. Er sprach zuerst von denen, die arm im Geiste sind, die nach Rechtschaffenheit hungern, in Sanftmut ausharren können und reinen Herzens sind. Von solchen den Geist wahrnehmenden Sterblichen kann man erwarten, dass sie jene Ebenen göttlicher Selbstlosigkeit erreichen, die sie dazu befähigen, sich in der erstaunlichen Übung väterlicher Liebe zu versuchen; und dass sie sogar im Leid stark genug sind, Barmherzigkeit zu üben, sich für Frieden einzusetzen und Verfolgungen zu ertragen und in all diesen Prüfungen auch wenig liebenswerte Menschen mit väterlicher Liebe zu lieben. Die Liebe eines Vaters kann Ebenen der Hingabe erreichen, die die Liebe eines Bruders unendlich übersteigen. Der Glaube und die Liebe dieser Seligpreisungen stärken den sittlichen Charakter und erzeugen Glücklichsein. Furcht und Ärger schwächen den Charakter und zerstören das innere Glück. Der Beginn dieser denkwürdigen Predigt war auf Glückseligkeit gestimmt. 1. "Selig sind die Armen im Geiste - die Demütigen." Für ein Kind bedeutet Glück die Stillung des Verlangens nach sofortigem Vergnügen. Der Erwachsene ist gewillt, Samen der Selbstverleugnung zu säen, um spätere Ernten vermehrten Glücks einzubringen. Zu Jesu Zeiten und seither ist Glück allzu oft mit der Vorstellung vom Besitz von Reichtum in Verbindung gebracht worden. In der Geschichte von dem Pharisäer und dem Zöllner, die im Tempel beteten, fühlte sich der eine reich im Geiste - er war von sich selbst eingenommen; der andere fühlte sich "arm im Geiste" - er war demütig. Der eine war dünkelhaft; der andere war belehrbar und auf der Suche nach der Wahrheit. Die Armen im Geiste suchen Ziele geistigen Reichtums - sie suchen Gott. Und solche Wahrheitssucher brauchen nicht auf Belohnungen in einer fernen Zukunft zu warten; sie werden jetzt belohnt. Sie finden das Königreich des Himmels in ihren eigenen Herzen, und sie erleben diese Glückseligkeit jetzt. 2. "Selig sind, die nach Rechtschaffenheit hungern und dürsten, denn sie sollen gesättigt werden." Nur die, die sich arm im Geiste fühlen, wird es je nach Rechtschaffenheit hungern. Nur die Demütigen suchen nach göttlicher Kraft und sehnen sich nach geistiger Macht. Aber es ist äußerst gefährlich, sich wissentlich in geistigem Fasten zu üben, um seinen Appetit auf geistige Gaben zu vergrößern. Physisches Fasten wird nach vier oder fünf Tagen gefährlich; man neigt dazu, jeden Wunsch nach Nahrung zu verlieren. Längeres Fasten, sei es physisch oder geistig, hat die Tendenz, den Hunger zu vernichten. Gelebte Rechtschaffenheit ist eine Freude, keine Pflicht. Jesu Rechtschaffenheit ist eine dynamische Liebe - eine väterlich-brüderliche Zuneigung. Sie ist nicht die negative oder Du-sollst-nicht-Art von Rechtschaffenheit. Wie könnte man nach etwas Negativem hungern - nach etwas, das man "nicht tun soll"? Es ist nicht so einfach, einem kindlichen Verstand diese ersten beiden Seligpreisungen zu erklären, aber der reife Verstand sollte ihre Bedeutung erfassen. 3. "Selig sind die Sanftmütigen, denn sie sollen die Erde erben." Echte Sanftmut hat mit Furcht nichts zu tun. Sie ist eher die Haltung eines mit Gott zusammenarbeitenden Menschen - "Dein Wille geschehe." Sie schließt Geduld und Nachsicht ein und wird angetrieben durch einen unerschütterlichen Glauben an ein gesetzmäßiges und freundliches Universum. Sie wird aller Versuchungen Herr, sich gegen die göttliche Führung aufzulehnen. Jesus war der ideale sanftmütige Mensch von Urantia, und er erbte ein riesiges Universum. 4. "Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen." Geistige Reinheit ist keine negative Qualität, außer dass sie ohne Argwohn und Rachegefühle ist. Als er von der Reinheit sprach, hatte Jesus nicht ausschließlich die menschliche Haltung zur Sexualität im Sinn. Er dachte mehr an das Vertrauen, das der Mensch zu seinem Mitmenschen haben sollte; an jenes Vertrauen, das Eltern in ihr Kind setzen, und das ihm die Fähigkeit verleiht, seine Mitmenschen so zu lieben, wie ein Vater sie lieben würde. Die Liebe eines Vaters braucht nicht zu verwöhnen und übersieht das Üble nicht, aber sie ist nie zynisch. Väterliche Liebe hat nur ein einziges Ziel und sucht immer nach dem Besten im Menschen; dies ist die Haltung wahrer Eltern. Gott zu sehen - durch den Glauben - bedeutet, wahre geistige Erkenntnis zu erwerben. Geistige Erkenntnis steigert die Führung durch den Gedankenjustierer, und beide zusammen erweitern schließlich das Gottesbewusstsein. Und wenn ihr den Vater kennt, werdet ihr in der Gewissheit göttlicher Sohnschaft bestärkt und zunehmend fähig, jeden eurer irdischen Brüder zu lieben, nicht nur als Bruder - mit brüderlicher Liebe - sondern auch als ein Vater - mit väterlichem Gefühl. Es ist leicht, dies sogar ein Kind zu lehren. Kinder sind von Natur aus vertrauensvoll, und die Eltern sollten darüber wachen, dass sie diesen einfachen Glauben nicht verlieren. Vermeidet im Umgang mit Kindern jegliche Täuschung und hütet euch, Misstrauen zu säen. Helft ihnen weise bei der Wahl ihrer Helden und ihrer Lebensarbeit. Und dann ging Jesus dazu über, seine Jünger in der Verwirklichung des Hauptziels allen menschlichen Ringens zu unterrichten - in der Vollkommenheit, ja sogar in göttlichem Vollbringen. Immer wieder erinnerte er sie: "Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." Er ermahnte die Zwölf nicht, ihre Nächsten wie sich selber zu lieben. Das wäre eine würdige Leistung gewesen; es hätte bedeutet, dass sie brüderliche Liebe erreicht hatten. Er rief seine Apostel vielmehr dazu auf, die Menschen so zu lieben, wie er sie geliebt hatte - mit väterlichem und brüderlichem Gefühl zu lieben. Und er veranschaulichte dies, indem er vier allerhöchste Reak-tionen väterlicher Liebe besonders hervorhob: 1. "Selig sind die Leidtragenden, denn sie sollen getröstet werden." Sogenannter gesunder Menschenverstand oder beste Logik würden nie behaupten, Glück könne aus Leid entstehen. Aber Jesus bezog sich nicht auf äußeres oder zur Schau getragenes Trauern. Er spielte auf eine gefühlsmäßige Haltung der Weichherzigkeit an. Es ist ein großer Irrtum, Knaben und junge Männer zu lehren, es sei unmännlich, Zärtlichkeit zu zeigen oder sich irgendwelche anderen Gefühlsregungen oder körperliches Leiden anmerken zu lassen. Mitgefühl ist ein achtbares Attribut sowohl des Männlichen als auch des Weiblichen. Es ist nicht nötig, gefühllos zu werden, um männlich zu sein. Das ist der falsche Weg, um mutige Männer zu erzeugen. Die grossen Männer der Welt schämten sich nicht, traurig zu sein. Moses, der Trauernde, war ein größerer Mann als sogar Samson oder Goliath. Moses war ein großartiger Anführer, aber er war auch ein sanfter Mann. Feinfühlig zu sein und auf menschliche Not anzusprechen, schafft echtes und dauerhaftes Glück, während eine solche freundliche Einstellung die Seele vor den zerstörerischen Einflüssen des Zorns, des Hasses und des Argwohns bewahrt. 2. "Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erhalten." Barmherzigkeit bezeichnet hier die ganze Höhe und Tiefe und Breite wahrster Freundschaft - liebevolle Güte. Barmherzigkeit kann manchmal passiv sein, hier aber ist sie aktiv und dynamisch - höchste Väterlichkeit. Liebenden Eltern fällt es nicht schwer, ihrem Kind sogar viele Male zu vergeben. Und ein nicht verwöhntes Kind hat den natürlichen Drang, Leiden zu lindern. Kinder sind normalerweise freundlich und mitfühlend, wenn sie alt genug sind, um reale Situationen zu erfassen. 3. "Selig sind die Friedensstifter, denn man wird sie die Söhne Gottes nennen." Jesu Zuhörer sehnten sich nach militärischer Befreiung, nicht nach Friedensstiftern. Aber Jesu Frieden ist nicht pazifistischer und negativer Art. Angesichts von Prüfungen und Verfolgungen sagte er: "Ich lasse euch meinen Frieden." "Lasst euer Herz nicht betrübt sein und lasst es keine Angst haben." Dies ist der Friede, der verheerende Konflikte verhindert. Persönlicher Friede eint die Persönlichkeit. Sozialer Friede verhindert Angst, Habgier und Zorn. Politischer Friede verhindert Rassenfeindschaft, nationale Verdächtigungen und Krieg. Friedensstiftung heilt von Misstrauen und Argwohn. Man kann Kinder leicht dazu anhalten, als Friedensstifter zu wirken. Sie haben Freude an Gruppenaktivitäten; sie spielen gern zusammen. Bei anderer Gelegenheit sagte der Meister: "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren, aber wer bereit ist, es zu verlieren, wird es finden." 4. "Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Königreich des Himmels. Selig seid ihr, wenn die Menschen euch schmähen und verfolgen und gegen euch hinterhältig allerlei Übles reden. Frohlocket und seid über die Maßen glücklich, denn groß wird euer Lohn im Himmel sein." So oft folgt auf Frieden Verfolgung. Aber junge Leute und tapfere Erwachsene schrecken nie vor Schwierigkeiten oder Gefahren zurück. "Kein Mensch hat mehr Liebe, als der, der sein Leben für seine Freunde hingibt." Väterliche Liebe kann all diese Dinge aus freien Stücken tun - Dinge, die brüderliche Liebe kaum einzuschliessen vermag. Und Verfolgung hat letzten Endes immer Fortschritt zum Ergebnis gehabt. Kinder antworten stets, wenn ihr Mut herausgefordert wird. Die Jugend ist immer bereit, eine Herausforderung anzunehmen. Und jedes Kind sollte früh lernen, Opfer zu bringen. Aus all dem wird offenbar, dass die Seligpreisungen der Bergpredigt auf Glauben und Liebe fußen und nicht auf dem Gesetz - auf Moral und Pflicht. Väterliche Liebe findet höchste Freude daran, Böses mit Gutem zu vergelten - Gutes zu tun als Antwort auf Ungerechtigkeit. ***** 140.6 Am Abend der Weihe ***** Am Sonntagabend, nachdem Jesus und die Zwölf von der Anhöhe nördlich von Kapernaum herabgekommen und im Hause des Zebedäus angelangt waren, nahmen sie ein einfaches Mahl ein. Später unterhielten sich die Zwölf miteinander, während Jesus am Ufer spazieren ging. Nach einer kurzen Besprechung, während die Zwillinge ein kleines Feuer entfachten, um ihnen Wärme und mehr Licht zu geben, machte sich Andreas auf die Suche nach Jesus, und als er ihn eingeholt hatte, sagte er: "Meister, meine Brüder sind unfähig zu verstehen, was du über das Königreich gesagt hast. Wir fühlen uns außerstande, dieses Werk zu beginnen, bevor du uns weitere Erklärungen gegeben hast. Ich bin gekommen, um dich zu bitten, dich zu uns in den Garten zu gesellen und uns zu helfen, die Bedeutung deiner Worte zu verstehen." Und Jesus ging mit Andreas zu den Aposteln zurück. Im Garten angelangt, versammelte er die Apostel um sich und fuhr fort, sie zu unterrichten, indem er sprach: "Es fällt euch schwer, meine Botschaft aufzunehmen, weil ihr die neue Lehre unmittelbar auf der alten aufbauen möchtet, aber ich erkläre euch, dass ihr wiedergeboren werden müsst. Ihr müsst von vorne beginnen wie kleine Kinder und gewillt sein, meinen Lehren zu vertrauen und an Gott zu glauben. Das neue Evangelium des Königreichs kann nicht mit dem Bestehenden in Übereinstimmung gebracht werden. Ihr habt falsche Ideen vom Menschensohn und seiner Sendung auf Erden. Aber macht nicht den Fehler zu denken, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten abzuschaffen; ich bin nicht gekommen, um zu zerstören, sondern um zu erfüllen, zu erweitern und zu erleuchten. Ich komme nicht, um das Gesetz zu übertreten, sondern vielmehr, um diese neuen Gebote auf die Tafeln eurer Herzen zu schreiben. "Ich verlange von euch eine Rechtschaffenheit, die über die Rechtschaffenheit jener hinausgehen wird, die die Gunst des Vaters durch Almosengeben, durch Gebete und Fasten zu gewinnen suchen. Wenn ihr ins Königreich eintreten wollt, braucht ihr eine Rechtschaffenheit, die aus Liebe, Barmherzigkeit und Wahrheit besteht - dem aufrichtigen Wunsch, den Willen meines Vaters im Himmel zu tun." Da sagte Simon Petrus: "Meister, wenn du ein neues Gebot hast, möchten wir es hören. Zeige uns den neuen Weg." Jesus antwortete Petrus: "Ihr habt diejenigen, welche das Gesetz lehren, sagen hören: `Du sollst nicht töten; wer tötet, muss sich vor Gericht verantworten.' Ich aber halte nach dem Motiv hinter der Tat Ausschau. Ich erkläre euch, dass jeder, der auf seinen Bruder böse ist, Gefahr läuft, verurteilt zu werden. Wer in seinem Herzen Hass nährt und auf Rache sinnt, ist in Gefahr, gerichtet zu werden. Ihr müsst eure Gefährten nach ihren Taten beurteilen, aber der Vater im Himmel urteilt nach der Absicht. "Ihr habt die Gesetzeslehrer sagen hören: `Du sollst nicht ehebrechen.' Ich aber sage euch, dass jeder Mann, der in begehrlicher Absicht auf eine Frau blickt, mit ihr in seinem Herzen bereits die Ehe gebrochen hat. Ihr könnt die Menschen nur von ihren Handlungen her beurteilen, aber mein Vater schaut in die Herzen seiner Kinder und richtet sie mit Barmherzigkeit nach ihren Absichten und wahren Wünschen." Jesus hatte im Sinn, mit der Besprechung der übrigen Gebote fortzufahren, als Jakobus Zebedäus ihn mit der Frage unterbrach: "Meister, was sollen wir die Menschen hinsichtlich der Scheidung lehren? Sollen wir einem Mann erlauben, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, wie Moses es lehrte?" Als Jesus diese Frage hörte, sagte er: "Ich bin nicht gekommen, um Gesetze zu geben, sondern um zu erleuchten. Ich bin nicht gekommen, um die Königreiche dieser Welt zu reformieren, sondern um das Königreich des Himmels zu errichten. Es ist nicht des Vaters Wille, dass ich der Versuchung erliege, euch Regeln über Regieren, über Handel und soziales Verhalten zu lehren, die vielleicht für den heutigen Tag gut, aber weit davon entfernt wären, auf die Gesellschaft eines anderen Zeitalters anwendbar zu sein. Ich bin einzig auf Erden, um die Gemüter aufzurichten, den Geist zu befreien und die Seelen der Menschen zu retten. Aber zu dieser Frage der Scheidung möchte ich noch bemerken, dass, während Moses solche Dinge billigte, es in den Tagen Adams und im Garten nicht so war." Nachdem die Apostel kurz miteinander gesprochen hatten, fuhr Jesus fort: "Ihr solltet immer beide Gesichtspunkte allen sterblichen Verhaltens vor Augen haben - den menschlichen und den göttlichen; die Wege des Fleisches und den Weg des Geistes; die Bewertung im Zeitlichen und den Blickwinkel der Ewigkeit." Und obwohl die Zwölf nicht alles, was er sie lehrte, verstehen konnten, war ihnen diese Unterweisung wahrhaft hilfreich. Und dann sagte Jesus: "Aber ihr werdet über meine Lehren stolpern, weil ihr daran gewöhnt seid, meine Botschaft wörtlich auszulegen; nur langsam nehmt ihr den Sinn meiner Lehre wahr. Denkt immer wieder daran, dass ihr meine Botschafter seid; ihr seid verpflichtet, euer Leben so zu leben, wie ich meines im Geiste gelebt habe. Ihr seid meine persönlichen Vertreter; aber begeht nicht den Fehler, von allen Menschen zu erwarten, dass sie in jeder Beziehung so leben wie ihr. Und vergesst auch nicht, dass ich noch andere Schafe habe, die nicht zu dieser Herde gehören, und dass ich verpflichtet bin, auch ihnen ein Beispiel zu geben, wie man den Willen Gottes tut, während man das Leben eines Sterblichen lebt." Da fragte Nathanael: "Meister, sollen wir der Gerechtigkeit keinen Platz geben? Das Gesetz des Moses sagt: `Auge um Auge, und Zahn für Zahn.' Was sollen wir sagen?" Und Jesus antwortete: "Ihr sollt Böses mit Gutem vergelten. Meine Botschafter sollen nicht mit den Menschen ringen, sondern liebenswürdig zu allen sein. Gleiches mit Gleichem zu vergelten darf nicht eure Regel sein. Die Herrscher der Menschen mögen solche Gesetze haben, aber im Königreich ist es nicht so; stets soll Barmherzigkeit eure Urteile bestimmen und Liebe euer Verhalten. Und wenn dies zu starke Worte sind, könnt ihr auch jetzt noch umkehren. Wenn ihr die Anforderungen des Apostolats zu hart findet, könnt ihr auf den weniger strengen Pfad der Jüngerschaft zurückkehren." Als sie diese aufrüttelnden Worte gehört hatten, begaben sich die Apostel jeder für sich eine Zeit lang abseits, aber sie kehrten bald zurück, und Petrus sagte: "Meister, wir wollen mit dir weitergehen; keiner von uns möchte umkehren. Wir sind voll gewillt, den Extrapreis zu zahlen; wir wollen den Kelch trinken. Wir wollen Apostel sein, und nicht bloß Jünger." Als Jesus dies hörte, sprach er: "So seid denn willens, eure Verantwortung zu übernehmen und folgt mir. Tut Gutes im Verborgenen; wenn ihr Almosen gebt, lasst die Linke nicht wissen, was die Rechte tut. Und wenn ihr betet, gehe jeder für sich abseits, und gebraucht nicht leere Wiederholungen und bedeutungslose Phrasen. Denkt immer daran, dass der Vater weiß, was euch Not tut, noch ehe ihr ihn bittet. Gebt euch nicht mit trauriger Miene dem Fasten hin, damit die Leute euch sähen. Da ihr als meine gewählten Apostel jetzt für den Dienst am Königreich bestimmt seid, legt für euch selber auf Erden keine Schätze an, sondern legt euch durch euren selbstlosen Dienst Schätze im Himmel an; denn da, wo sich eure Schätze befinden, ist auch euer Herz. "Das Auge ist die Leuchte des Körpers; deshalb wird euer ganzer Körper voller Licht sein, wenn euer Auge großzügig ist. Wenn aber euer Auge selbstsüchtig ist, wird der ganze Körper voller Finsternis sein. Und wenn das Licht in euch Finsternis geworden ist, wie groß ist dann diese Finsternis!" Darauf fragte Thomas Jesus, ob sie damit fortfahren sollten, alles gemeinsam zu besitzen. Der Meister sagte: "Ja, meine Brüder, ich möchte, dass wir wie eine einzige verständnisvolle Familie zusammenleben. Euch ist eine große Aufgabe anvertraut, und ich brauche dringend euren ungeteilten Dienst. Ihr wisst, dass man zu Recht sagt: `Niemand kann zwei Herren zugleich dienen.' Ihr könnt nicht Gott aufrichtig verehren und zugleich dem Mammon von ganzem Herzen dienen. Jetzt, da ihr euch dem Dienst am Königreich rückhaltlos verschrieben habt, bangt nicht mehr um euer Leben; macht euch noch weniger Sorgen darüber, was ihr essen oder trinken werdet; sorgt euch auch nicht um euren Körper, was für Kleider ihr tragen werdet. Ihr habt bereits gelernt, dass willige Hände und aufrichtige Herzen nicht hungern werden. Und jetzt, da ihr euch bereitmacht, all eure Energien auf die Arbeit am Königreich zu verwenden, seid versichert, dass der Vater euren Bedürfnissen Aufmerksamkeit schenken wird. Sucht zuerst das Königreich Gottes, und wenn ihr dort Einlass gefunden habt, werden euch alle nötigen Dinge zuteil werden. Bangt deshalb nicht zu sehr vor dem folgenden Tag. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene Plage habe." Als Jesus sah, dass sie bereit waren, die ganze Nacht aufzubleiben, um Fragen zu stellen, sagte er zu ihnen: "Meine Brüder, ihr seid irdische Gefäße; es ist am besten für euch, ihr begebt euch jetzt zur Ruhe, um für die morgige Arbeit frisch zu sein." Aber der Schlaf war von ihnen gewichen. Petrus wagte es, seinen Meister zu bitten, ob er "eben nur ein kleines privates Gespräch" mit ihm haben könne. "Nicht, dass ich vor meinen Brüdern etwas zu verbergen hätte, aber ich bin beunruhigt, und sollte ich vielleicht von meinem Meister einen Tadel verdienen, so würde ich ihn allein mit dir besser ertragen." Und Jesus sagte: "Komm mit mir, Petrus" und ging ihm voran ins Haus. Als Petrus von seinem Gespräch mit dem Meister heiter und sehr ermutigt zurückkehrte, entschloss sich Jakobus, hineinzugehen und mit Jesus zu sprechen. Und so ging es bis in die frühen Morgenstunden weiter: Einer nach dem anderen gingen die übrigen Apostel hinein zu Jesus, um mit dem Meister zu reden. Nachdem sie alle, mit Ausnahme der Zwillinge, die eingeschlafen waren, eine persönliche Aussprache mit ihm gehabt hatten, ging Andreas zu Jesus hinein und sagte: "Meister, die Zwillinge sind im Garten beim Feuer eingeschlafen; soll ich sie wecken, um sie zu fragen, ob sie auch mit dir sprechen möchten?" Und Jesus lächelte und sagte zu Andreas: "Sie tun gut - störe sie nicht." Und nun ging die Nacht zu Ende und das Licht eines neuen Tages dämmerte herauf. ***** 140.7 Die Woche nach der Weihe ***** Als die Zwölf nach einigen Stunden Schlaf bei einem späten Frühstück um Jesus versammelt waren, sagte er: "Jetzt müsst ihr mit eurer Arbeit beginnen, die gute Nachricht zu predigen und die Gläubigen zu unterweisen. Macht euch bereit, nach Jerusalem zu gehen." Nachdem Jesus gesprochen hatte, nahm Thomas seinen Mut zusammen und sagte: "Ich weiß, Meister, dass wir jetzt bereit sein sollten, ans Werk zu gehen, aber ich fürchte, wir sind noch nicht imstande, diese große Aufgabe zu erfüllen. Wärest du einverstanden, wenn wir noch einige Tage länger hier blieben, bevor wir mit der Arbeit für das Königreich beginnen?" Und als Jesus sah, dass alle seine Apostel von derselben Angst erfüllt waren, sagte er: "Es sei, wir ihr wünscht; wir bleiben noch den Sabbat über hier." Wochenlang waren kleine Gruppen ernsthafter Wahrheitssucher zusammen mit neugierigen Zuschauern nach Bethsaida gekommen, um Jesus zu sehen. Schon hatte sich die Kunde von ihm im Lande herumgesprochen; interessierte Gruppen waren aus so weit entfernten Städten wie Tyrus, Sidon, Damaskus, Cäsarea und Jerusalem gekommen. Bis jetzt hatte Jesus diese Leute empfangen und sie über das Königreich unterwiesen, aber nun übertrug der Meister diese Arbeit den Zwölfen. Andreas wählte jeweils einen Apostel und teilte ihm eine Besuchergruppe zu, und bisweilen waren alle zwölf in dieser Weise beschäftigt. Zwei Tage lang arbeiteten sie, indem sie tagsüber lehrten und private Gespräche bis spät in die Nacht hinein führten. Am dritten Tag plauderte Jesus mit Zebedäus und Salome und schickte seine Apostel mit den Worten fort: "Geht fischen, gönnt euch sorglose Abwechslung oder besucht vielleicht eure Familien." Am Donnerstag kehrten sie für drei weitere Unterweisungstage zurück. Während dieser Woche der Einübung wiederholte Jesus seinen Aposteln immer wieder die zwei großen Beweggründe für seine Erdensendung nach der Taufe: 1. Den Menschen den Vater zu offenbaren. 2. Die Menschen dahin zu bringen, sich bewusst als Söhne zu fühlen - durch den Glauben zu erkennen, dass sie Kinder des Allerhöchsten sind. Diese eine an verschiedenartiger Erfahrung reiche Woche half den Zwölfen sehr; einige wurden sogar übermäßig selbstsicher. Bei der letzten Zusammenkunft am Abend nach dem Sabbat kamen Petrus und Jakobus zu Jesus und sagten : "Wir sind bereit - ziehen wir jetzt los, um das Königreich einzunehmen." Worauf Jesus erwiderte: "Möge eure Weisheit so groß sein wie euer Eifer und euer Mut für eure Unwissenheit aufkommen." Obgleich die Apostel vieles von seinen Lehren nicht begriffen, vermochten sie doch sehr wohl, die Bedeutung des bezaubernd schönen Lebens, das er unter ihnen lebte, zu erfassen. ***** 140.8 Am Donnerstagnachmittag auf dem See ***** Jesus wusste wohl, dass seine Apostel seine Lehren nicht völlig aufnehmen konnten. Er beschloss, Petrus, Jakobus und Johannes besonders zu instruieren in der Hoffnung, sie würden in der Lage sein, Klarheit in die Gedanken ihrer Gefährten zu bringen. Er sah, dass die Zwölf zwar einige Aspekte der Idee eines geistigen Königreichs erfassten, aber andererseits unbeirrt damit fortfuhren, diese neuen geistigen Lehren direkt mit ihren alten und fest verwurzelten buchstäblichen Vorstellungen vom Königreich als der Wiederherstellung des Thrones Davids und von der Wiedereinsetzung Israels als zeitlicher Macht auf Erden in Verbindung zu bringen. Deshalb legte Jesus am Donnerstagnachmittag mit Petrus, Jakobus und Johannes in einem Boot vom Ufer ab, um über die Dinge des Königreichs zu sprechen. Dies war ein vierstündiges Lehrgespräch und es umfasste Dutzende von Fragen und Antworten. Die beste Art, sie in diesen Bericht aufzunehmen, mag in einer Neugliederung der Zusammenfassung dieses denkwürdigen Nachmittags bestehen, wie sie Simon Petrus am nächsten Morgen seinem Bruder Andreas gab: 1. Des Vaters Willen tun. Die Lehre Jesu, sich der Obhut des himmlischen Vaters anzuvertrauen, war kein blinder und passiver Fatalismus. Er zitierte an diesem Nachmittag zustimmend ein altes hebräisches Sprichwort: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nichts essen." Er verwies auf seine eigene Erfahrung als ausreichenden Kommentar zu seiner Lehre. Seine Weisung, auf den Vater zu bauen, darf nicht von den gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Bedingungen der Neuzeit oder irgendeines anderen Zeitalters her beurteilt werden. Seine Lehre umfasst die idealen Prinzipien eines gottnahen Lebens in allen Zeitaltern und auf allen Welten. Jesus machte den dreien den Unterschied zwischen den Anforderungen von Apostolat und Jüngerschaft klar. Aber auch dann verbot er den Zwölfen nicht, mit Besonnenheit und Vorbedacht zu handeln. Er predigte nicht gegen Voraussicht, sondern gegen Ängstlichkeit und Besorgnis. Er lehrte die aktive und wache Unterwerfung unter den Willen Gottes. Als Antwort auf viele ihrer Fragen, die Genügsamkeit und Sparsamkeit betrafen, lenkte er ihre Aufmerksamkeit einfach auf sein Leben als Zimmermann, Bootsbauer und Fischer und auf seine sorgfältige Organisation der Zwölf. Er versuchte klarzumachen, dass die Welt nicht als ein Feind betrachtet werden darf; dass die Lebensumstände ein göttliches Walten sind, das für die Kinder Gottes wirkt. Jesus hatte große Mühe, ihnen seine persönliche Praxis der Widerstandslosigkeit begreiflich zu machen. Kategorisch weigerte er sich, sich selbst zu verteidigen, und es schien den Aposteln, dass er sich freuen würde, wenn sie sich dasselbe Verhalten zu Eigen machten. Er lehrte sie, dem Bösen nicht zu widerstehen, nicht gegen Ungerechtigkeit und Kränkung zu kämpfen, aber er lehrte nicht passive Duldung von Übeltaten. Und er gab an diesem Nachmittag klar zu verstehen, dass er der Bestrafung von Missetätern und Kriminellen durch die Gesellschaft zustimme und dass die Zivilregierung zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und zur Ausübung der Justiz manchmal zur Gewalt greifen muss. Er wurde nie müde, seine Jünger vor der üblen Praxis der Vergeltung zu warnen. Er zog Rache und die Idee der Abrechnung nie in Betracht. Er missbilligte es, Groll zu hegen. Er ließ die Idee "Auge um Auge und Zahn für Zahn" nicht gelten. Er lehnte jede Vorstellung von privater oder persönlicher Vergeltung ab und überließ diese Dinge einerseits der zivilen Regierung und andererseits dem Urteil Gottes. Er machte den dreien klar, dass seine Lehren das Individuum, und nicht den Staat betrafen. Er fasste seine bis dahin gegebenen Unterweisungen zu diesen Themen folgendermaßen zusammen: Liebet eure Feinde, denkt an die sittlichen Forderungen der menschlichen Bruderschaft. Die Sinnlosigkeit des Bösen: Falsches wird durch Rache nicht berichtigt. Begeht nicht den Fehler, das Böse mit seinen eigenen Waffen zu bekämpfen. Habt Glauben - Vertrauen in den letztendlichen Triumph der göttlichen Gerechtigkeit und der ewigen Güte. 2. Politisches Verhalten. Er ermahnte seine Apostel zur Zurückhaltung, wenn sie sich zu den damals gespannten Beziehungen zwischen dem jüdischen Volk und der römischen Regierung äußerten; er verbot ihnen, sich in irgendeiner Weise in diese Probleme verwickeln zu lassen. Er war immer bemüht, die politischen Fallstricke seiner Feinde zu vermeiden, indem er stets erwiderte: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Er weigerte sich, seine Aufmerksamkeit von seiner Sendung, einen neuen Heilsweg zu weisen, ablenken zu lassen; er gestattete sich nicht, sich mit irgendetwas anderem abzugeben. In seinem persönlichen Leben schenkte er allen zivilen Gesetzen und Vorschriften stets gebührende Beachtung; in seiner ganzen öffentlichen Lehrtätigkeit ließ er die staatsbürgerlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche beiseite. Er sagte den drei Aposteln, dass sein Augenmerk allein auf die Prinzipien des inneren und persönlichen geistigen Lebens des Menschen gerichtet sei. Daraus geht hervor, dass Jesus kein politischer Reformer war. Er kam nicht, um die Welt zu reorganisieren; auch wenn er dies getan hätte, wäre es nur auf jene Zeit und Generation anwendbar gewesen. Dennoch zeigte er den Menschen die beste Art zu leben, und keiner Generation bleibt die Mühe erspart herauszufinden, wie sie Jesu Leben am besten auf die eigenen Probleme anwendet. Aber begeht nie den Fehler, Jesu Lehren mit irgendeiner politischen oder wirtschaftlichen Theorie, mit irgendeinem gesellschaftlichen oder industriellen System zu identifizieren. 3. Gesellschaftliches Verhalten. Die jüdischen Rabbiner hatten sich lange mit der Frage auseinander gesetzt: Wer ist mein Nächster? Jesus kam und vermittelte die Idee tätiger und spontaner Güte, einer so echten Nächstenliebe, dass sie über die Nachbarschaft hinausging und die ganze Welt umfasste und dadurch alle Menschen zu unseren Nächsten machte. Aber bei alledem galt Jesu Interesse nur dem Einzelnen und nicht der Masse. Jesus war kein Soziologe, aber er arbeitete daran, alle Formen selbstsüchtiger Isolierung niederzureißen. Er lehrte reine Anteilnahme, Mitgefühl. Michael von Nebadon ist ein Sohn, der von der Barmherzigkeit bestimmt wird; Mitgefühl ist seine wahre Natur. Der Meister sagte nicht, die Menschen sollten ihre Freunde nie zum Essen einladen, aber er sagte, seine Jünger sollten Feste für die Armen und Unglücklichen geben. Jesus hatte einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, aber diese war immer durch Barmherzigkeit gemildert. Er lehrte seine Apostel nicht, sich durch gesellschaftliche Parasiten oder professionelle Almosensucher missbrauchen zu lassen. Soziologischen Äußerungen kam er am nächsten, als er sagte: "Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet." Er gab klar zu verstehen, dass unterschiedslose Güte für manches gesellschaftliche Übel verantwortlich gemacht werden kann. Am nächsten Tag wies Jesus Judas definitiv an, kein apostolisches Geld für Almosen auszugeben, außer er verlange es oder zwei der Apostel suchten gemeinsam darum nach. Bei all solchen Angelegenheiten pflegte Jesus zu sagen: "Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben." In allen gesellschaftlichen Situationen schien es seine Absicht, Geduld, Toleranz und Verzeihung zu lehren. Die Familie stand absolut im Mittelpunkt von Jesu Lebensphilosophie - jetzt und in Zukunft. Seiner Gotteslehre legte er die Familie zu Grunde, wobei er zugleich die jüdische Neigung, die Vorfahren übertrieben zu ehren, zu korrigieren versuchte. Er erhob das Familien-leben zur höchsten menschlichen Pflicht, gab aber klar zu verstehen, dass Familienbande religiöse Verpflichtungen nicht beeinträchtigen dürfen. Er machte auf die Tatsache aufmerksam, dass die Familie eine weltliche Einrichtung ist und dass sie den Tod nicht überlebt. Jesus zögerte nicht, seine Familie aufzugeben, als sie sich dem Willen des Vaters widersetzte. Er lehrte die neue und größere Bruderschaft der Menschen - der Söhne Gottes. Zur Zeit Jesu herrschten in Palästina und im ganzen römischen Reich lockere Scheidungspraktiken. Er weigerte sich wiederholt, Regeln bezüglich Heirat und Scheidung aufzustellen, aber viele der frühen Anhänger Jesu hatten über Scheidung strenge Anschauungen und zögerten nicht, sie ihm zuzuschreiben. Alle Verfasser des Neuen Testaments mit Ausnahme des Johannes Markus hingen diesen strengeren und fortschrittlicheren Anschauungen über Scheidung an. 4. Wirtschaftliches Verhalten. Jesus arbeitete, lebte und handelte in der Welt so, wie er sie vorfand: Er war kein Wirtschaftsreformer, obwohl er häufig auf die Ungerechtigkeit der ungleichen Verteilung von Reichtum hinwies. Aber er machte keine Vorschläge, wie dem abzuhelfen wäre. Er machte den dreien klar, dass sie selber zwar kein Eigentum haben durften, er aber nicht gegen Reichtum und Besitz predige, sondern nur gegen deren ungleiche und ungerechte Verteilung. Er anerkannte die Notwendigkeit von sozialer Gerechtigkeit und Fairness im industriellen Bereich, bot aber keine Regeln zu ihrer Verwirklichung an. Nie lehrte er seine Anhänger - mit Ausnahme der zwölf Apostel -, irdischen Besitz zu meiden. Der Arzt Lukas glaubte fest an soziale Gleichheit, und er interpretierte Jesu Worte stark in Übereinstimmung mit seinen persönlichen Überzeugungen. Jesus persönlich wies seine Anhänger nie an, eine gemeinschaftliche Lebensweise anzunehmen; er äußerte sich nie in irgendeiner Weise über solche Dinge. Jesus warnte seine Zuhörer häufig vor Begehrlichkeit und erklärte: "Eines Menschen Glück besteht nicht im Überfluss seines materiellen Besitzes." Er wiederholte beständig: "Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und dabei seine eigene Seele verliert?" Er griff den Besitz von Eigentum nie direkt an, aber er bestand darauf, dass es ewig entscheidend ist, dass die geistigen Werte zuerst kommen. In seinen späteren Unterweisungen bemühte er sich, viele irrige Lebensanschauungen Urantias durch das Erzählen zahlreicher Gleichnisse zu korrigieren, die er in seine öffentliche Unterweisung einflocht. Jesus beabsichtigte nie, Wirtschaftstheorien zu formulieren; er wusste sehr wohl, dass jede Epoche ihre eigenen Heilmittel für bestehende Schwierigkeiten entwickeln muss. Und lebte Jesus heute als Mensch auf Erden, wäre er für die Mehrheit guter Männer und Frauen eine große Enttäuschung aus dem einfachen Grunde, weil er in den heutigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen nicht Partei ergriffe. Er bliebe in majestätischer Reserve und unterwiese euch darin, wie euer inneres geistiges Leben zu vervollkommnen ist, damit ihr um ein Vielfaches kompetenter werdet, die Lösung eurer rein menschlichen Probleme anzugehen. Jesus wollte alle Menschen gottähnlich machen und ihnen teilnehmend zur Seite stehen, während diese Gottessöhne ihre eigenen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme lösen. Er verurteilte nicht den Reichtum, wohl aber das, was der Reichtum den meisten seiner Anbeter antut. An diesem Donnerstagnachmittag sagte Jesus zum ersten Mal zu seinen Gefährten: "Es liegt mehr Segen im Geben als im Nehmen." 5. Persönliche Religion. Gleich den Aposteln solltet ihr Jesu Lehren durch sein Leben besser verstehen. Er lebte auf Urantia ein ideales Leben, und seine einzigartigen Lehren kann man nur verstehen, wenn man sich dieses Leben vor seinem unmittelbaren Hintergrund vorstellt. Sein Leben ist es, und nicht sein Unterricht für die Zwölf oder seine Predigten für die Menge, was am meisten helfen wird, den göttlichen Charakter und die liebende Persönlichkeit des Vaters zu offenbaren. Jesus griff die Lehren der hebräischen Propheten oder der griechischen Moralisten nicht an. Der Meister erkannte das viele Gute an, das diese großen Lehrer vertreten hatten, aber er war zur Erde herabgekommen, um etwas Zusätzliches zu lehren: "die freiwillige Übereinstimmung des menschlichen Willens mit dem göttlichen Willen". Jesus wollte nicht einfach religiöse Menschen schaffen, Sterbliche, die ganz ihren religiösen Gefühlen leben und nur von geistigen Impulsen angetrieben werden. Hättet ihr nur einen einzigen Blick auf ihn werfen können, dann hättet ihr gewusst, dass Jesus ein wahrer, in den Dingen dieser Welt sehr erfahrener Mensch war. Die diesbezüglichen Lehren Jesu sind im Laufe all der Jahrhunderte christlicher Ära grob entstellt und oft falsch dargestellt worden; ihr habt auch verkehrte Vorstellungen von der Sanftmut und Demut des Meisters. Das Ziel seines Lebens scheint eine sehr hohe Selbstachtung gewesen zu sein. Er hielt die Menschen einzig zur Demut an, damit sie wahrhaftig erhöht würden; was er wirklich anstrebte, war wahre Demut vor Gott. Aufrichtigkeit - einem reinen Herzen - maß er hohen Wert bei. Treue war in seiner Einschätzung eines Charakters eine Kardinaltugend, während Mut der eigentliche Kern seiner Lehren war. "Fürchtet euch nicht" war sein Losungswort und geduldiges Durchhalten sein Ideal von Charakterstärke. Jesu Lehren bilden eine Religion der Tapferkeit, des Mutes und des Heroismus. Und gerade das ist der Grund, weshalb er als seine persönlichen Vertreter zwölf gewöhnliche Männer wählte, in ihrer Mehrheit rauhe, kräftige und mannhafte Fischer. Jesus äußerte sich kaum zu der gesellschaftlichen Verderbtheit seiner Zeit; selten erwähnte er sittliche Verfehlungen. Er lehrte wahre Tugend auf positive Weise. Er vermied sorgfältig die negative Methode des Unterrichts; er weigerte sich, das Üble hervorzuheben. Er war nicht einmal ein sittlicher Erneuerer. Er wusste wohl und lehrte es so seine Apostel, dass die sinnlichen Triebe der Menschheit weder durch religiösen Tadel noch gesetzliche Verbote unterdrückt werden. Seine wenigen Anklagen richteten sich weitgehend gegen Stolz, Grausamkeit, Unterdrückung und Heuchelei. Jesus klagte nicht einmal die Pharisäer mit Vehemenz an, wie Johannes es getan hatte. Er wusste, dass viele Schriftgelehrte und Pharisäer im Grunde ihres Herzens ehrlich waren; er verstand ihre sklavische Abhängigkeit von religiösen Überlieferungen. Jesus legte großen Nachdruck darauf, "zuerst den Baum gesund zu machen". Er prägte den dreien ein, das ganze Leben zu bewerten und nicht bloß einige wenige besondere Tugenden. Johannes gewann aus dem Unterricht dieses Tages vor allem das Eine, dass der Kern von Jesu Religion in der Aneignung eines mitfühlenden Charakters besteht, verbunden mit einer Persönlichkeit, deren Triebfeder die Ausführung des Willens des Vaters im Himmel ist. Petrus erfasste die Idee, dass das Evangelium, das sie sehr bald verkündigen würden, wahrhaftig ein Neubeginn für die ganze menschliche Rasse war. Er teilte diesen Eindruck später Paulus mit, der daraus seine Lehre von Christus als "dem zweiten Adam" ableitete. Jakobus begriff die aufregende Wahrheit, dass Jesus wünschte, seine Kinder lebten auf Erden so, als wären sie bereits Bürger des vollkommenen himmlischen Königreichs. Jesus wusste, dass die Menschen verschieden sind und dies lehrte er seine Apostel. Er ermahnte sie ständig, von dem Versuch abzulassen, die Jünger und Gläubigen nach einem starren Leitbild formen zu wollen. Er trachtete danach, jeder Seele zu erlauben, sich auf ihre eigene Weise zu entwickeln als ein sich vervollkommnendes und gesondertes Individuum vor Gott. In Beantwortung einer der vielen Fragen von Petrus sagte der Meister: "Ich will die Menschen frei machen, so dass sie wie kleine Kinder mit dem neuen und besseren Leben von vorn beginnen können." Jesus betonte immer, dass wahre Güte unbewusst sein muss und bei einem guten Werk die Linke nicht wissen darf, was die Rechte tut. Die drei Apostel waren an diesem Nachmittag sehr betroffen, als sie erkannten, dass ihres Meisters Religion keine geistige Selbstprüfung vorsah. Alle Religionen vor und nach der Zeit Jesu, selbst das Christentum, sehen sorgfältig gewissenhafte Selbstprüfung vor. Nicht so die Religion Jesu von Nazareth. Jesu Lebensphilosophie kennt keine religiöse Selbstbetrachtung. Nie lehrte der Zimmermannssohn das Aufbauen eines Charakters; er lehrte das Wachstum eines Charakters und erklärte, dass das Königreich des Himmels einem Senfkorn gleiche. Aber Jesus sprach sich nie gegen eine Selbstanalyse zur Vermeidung von dünkelhaftem Egoismus aus. Das Recht auf Eintritt ins Königreich wird durch den Glauben, durch die persönliche Überzeugung bedingt. Der für den bleibenden, fortschreitenden Aufstieg im Königreich zu entrichtende Preis gleicht der kostbaren Perle, für deren Besitz ein Mensch alles veräußert, was er hat. Jesu Lehre ist eine Religion für jedermann, nicht nur für Schwächlinge und Sklaven. Seine Religion nahm (zeit seines Lebens) nie die feste Form von Glaubenssätzen und theologischen Gesetzen an; er hinterließ nicht eine einzige Zeile Geschriebenes. Mit seinem Leben und seinen Lehren vermachte er dem Universum ein inspirierendes und idealistisches Erbe, das zur geistigen Führung und sittlichen Unterweisung für alle Zeitalter und auf allen Welten geeignet ist. Und auch heute steht Jesu Lehre als solche abseits von allen Religionen, obwohl sie die lebendige Hoffnung einer jeden von ihnen ist. Jesus lehrte seine Apostel nicht, die Religion sei des Menschen einziges auf Erden zu verfolgendes Ziel; das war die jüdische Vorstellung vom Dienst an Gott. Aber er bestand darauf, dass Religion die ausschließliche Beschäftigung der Zwölf zu sein hatte. Jesus lehrte nichts, um die an ihn Glaubenden von dem Bemühen um echte Kultur abzuhalten; er kritisierte einzig die tradi-tionsgebundenen religiösen Schulen Jerusalems. Er war aufgeschlossen, großherzig, gebildet und tolerant. Selbstbewusste Frömmigkeit hatte in seiner Philosophie vom rechtschaffenen Leben keinen Platz. Der Meister bot keine Lösungen für die nichtreligiösen Probleme seiner eigenen Zeit oder irgendeines künftigen Zeitalters an. Jesus wollte die geistige Erkenntnis ewiger Realitäten entwickeln und die Initiative zu echtem, spontanem Leben ermutigen. Er selber gab sich ausschließlich mit den grundlegenden und permanenten geistigen Bedürfnissen der menschlichen Rasse ab. Er offenbarte eine gottgleiche Güte. Er verherrlichte die Liebe - Wahrheit, Schönheit und Güte - als das göttliche Ideal und die ewige Realität. Der Meister kam, um im Menschen einen neuen Geist, einen neuen Willen zu schaffen - ihm eine neue Fähigkeit zu verleihen, die Wahrheit zu kennen, Mitgefühl zu empfinden und Güte zu wählen - den Willen, mit Gottes Willen in Einklang zu sein, gepaart mit dem ewigen Antrieb, so vollkommen zu werden, wie der Vater im Himmel vollkommen ist. ***** 140.9 Der Tag der Konsekration ***** Den nächsten Sabbat widmete Jesus seinen Aposteln. Er kehrte mit ihnen auf jene Anhöhe zurück, wo er sie geweiht hatte; und dort, nach einer langen und wunderbar zu Herzen gehenden Botschaft der Ermutigung schritt er zur feierlichen Handlung der Konsekration der Zwölf. An diesem Sabbatnachmittag versammelte Jesus die Apostel am Berghang um sich und gab sie seinem himmlischen Vater in die Hände in Vorbereitung auf jenen Tag, da er gezwungen sein würde, sie allein in der Welt zurückzulassen. Es gab bei dieser Gelegenheit keine neue Unterweisung, nur Gespräche und Gemeinschaft. Jesus kam auf manche Punkte der Weihepredigt zurück, die er an derselben Stelle gehalten hatte. Darauf rief er sie einen nach dem anderen vor sich und gab ihnen den Auftrag, als seine Vertreter in die Welt hinauszugehen. Und dies war die Konsekrationsweisung des Meisters: "Geht hinaus in alle Welt und predigt die frohe Botschaft vom Königreich. Befreit die geistig Gefangenen, tröstet die Bedrückten und steht den Betrübten bei. Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben." Jesus riet ihnen, weder Geld noch extra Kleidung mitzunehmen, wobei er sagte: "Der Arbeiter ist seines Lohnes wert." Und zuletzt sprach er: "Seht, ich sende euch aus wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid deshalb klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben. Aber gebt Acht, denn eure Feinde werden euch vor ihre Behörden bringen, und in ihren Synagogen werden sie euch scharf kritisieren. Ihr werdet vor Statthalter und Herrscher gebracht werden, weil ihr an dieses Evangelium glaubt, und gerade euer Bekenntnis soll für mich vor ihnen Zeugnis ablegen. Und wenn sie euch vor Gericht bringen, macht euch keine Sorgen, was ihr sagen sollt, denn der Geist meines Vaters wohnt in euch und wird in einem solchen Augenblick durch euch reden. Einige von euch werden getötet werden, und bevor ihr das Königreich auf Erden errichtet, werden viele Völker euch wegen dieses Evangeliums hassen; aber seid ohne Furcht; ich werde bei euch sein, und mein Geist wird euch in alle Welt vorausgehen. Und meines Vaters Gegenwart wird in euch wohnen, während ihr zuerst zu den Juden und dann zu den Heiden geht." Und sie stiegen den Berg hinunter und kehrten heim ins Haus des Zebedäus. ***** 140.10 Der Abend nach der Konsekration ***** Da es zu regnen begonnen hatte, unterrichtete Jesus an jenem Abend im Hause. Er sprach sehr ausführlich und versuchte den Zwölfen zu zeigen, was sie sein sollten, nicht was sie tun sollten. Sie kannten nur eine Religion, die das Tun bestimmter Dinge als Mittel auferlegte, um Rechtschaffenheit - Errettung - zu erlangen. Aber Jesus wiederholte ständig: "Im Königreich müsst ihr rechtschaffen sein, um die Arbeit zu tun." Viele Male wiederholte er: "Seid deshalb vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." Unermüdlich erklärte der Meister seinen verwirrten Aposteln, dass die Errettung, die er der Welt zu bringen gekommen war, nur durch den Glauben, durch einfaches und aufrichtiges Vertrauen zu haben war. Jesus sagte: "Johannes predigte eine Taufe der Buße, der Reue über die alte Lebensweise. Ihr sollt die Taufe der Gemeinschaft mit Gott verkünden. Predigt denen Buße, denen solche Predigt Not tut, aber öffnet jenen, die schon ehrlich ins Königreich einzutreten begehren, die Tore weit und heißt sie, in die frohe Gemeinschaft der Söhne Gottes einzutreten." Aber es war eine schwierige Aufgabe, diese galiläischen Fischer davon zu überzeugen, dass im Königreich Rechtschaffensein durch den Glauben rechtschaffenem Tun im täglichen Leben der Sterblichen vorausgehen muss. Eine andere große Erschwernis bei der Aufgabe, die Zwölf zu unterweisen, war ihre Neigung, hochgeistige und idealistische Prinzipien religiöser Wahrheit zu nehmen und sie in konkrete Regeln persönlichen Verhaltens umzuwandeln. Jesus zeigte ihnen stets den schönen Geist der Seelenhaltung, aber sie bestanden darauf, solche Lehren in persönliche Verhaltensregeln zu übersetzen. Oft, wenn sie sicher sein wollten zu behalten, was der Meister gesagt hatte, vergaßen sie fast mit Sicherheit, was er nicht gesagt hatte. Aber langsam nahmen sie seine Lehre auf, weil Jesus all das war, was er lehrte. Was sie seinem mündlichen Unterricht nicht entnehmen konnten, erlangten sie nach und nach durch ihr Zusammenleben mit ihm. Es blieb den Aposteln verborgen, dass ihr Meister ein Leben geistiger Inspiration für jede Person jedes Zeitalters auf jeder Welt eines weit ausgedehnten Universums lebte. Ungeachtet dessen, was Jesus ihnen von Zeit zu Zeit sagte, erfassten die Apostel die Idee nicht, dass er zwar sein Werk auf dieser Welt, aber für alle anderen Welten seiner unermesslichen Schöpfung tat. Jesus lebte sein irdisches Leben auf Urantia nicht, um den Männern und Frauen dieser Welt ein persönliches Beispiel sterblichen Lebens zu geben, sondern vielmehr, um für alle sterblichen Wesen auf allen Welten ein hohes geistiges und inspirierendes Ideal zu schaffen. An demselben Abend fragte Thomas Jesus: "Meister, du sagst, wir müssen wie kleine Kinder werden, bevor wir Einlass in des Vaters Königreich erlangen, und doch hast du uns davor gewarnt, uns nicht durch falsche Propheten täuschen zu lassen, noch uns schuldig zu machen, unsere Perlen vor die Säue zu werfen. Ich bin ehrlich verwirrt. Ich kann deine Lehre nicht verstehen." Jesus antwortete Thomas: "Wie lange soll ich Geduld mit euch haben! Immer besteht ihr darauf, alles, was ich lehre, wörtlich zu nehmen. Als ich von euch verlangte, als Preis für den Eintritt ins Himmelreich wie kleine Kinder zu werden, bezog ich mich nicht auf die Leichtigkeit, getäuscht zu werden, oder auf die bloße Bereitschaft zu glauben, noch auf die Übereiltheit, angenehmen Fremden zu vertrauen. Mein Wunsch war, ihr würdet diesem Beispiel die Vater-Kind-Beziehung entnehmen. Du bist das Kind, und du möchtest in deines Vaters Königreich eintreten. Zwischen jedem normalen Kind und seinem Vater herrscht eine natürliche Zuneigung, die eine verstehende und liebende Beziehung sicherstellt und für immer jeden Hang ausschließt, um des Vaters Liebe und Barmherzigkeit zu feilschen. Und das Evangelium, das ihr verkündigen geht, hat mit Errettung zu tun, die aus der gläubigen Verwirklichung eben dieser ewigen Kind-Vater-Beziehung erwächst." Das besondere Merkmal von Jesu Lehre war, dass die Sittlichkeit seiner Philosophie ihren Ursprung in der persönlichen Beziehung des Einzelnen zu Gott-eben in dieser Kind-Vater-Beziehung - hatte. Jesus legte den Akzent auf den Einzelnen, nicht auf die Rasse oder die Nation. Während des Abendessens führte Jesus mit Matthäus ein Gespräch, in dessen Verlauf er erklärte, dass die Sittlichkeit jeder Handlung durch die Beweggründe des Individuums bestimmt wird. Jesu Sittlichkeit war stets positiv. Die goldene Regel in der Neuformulierung durch Jesus verlangt aktiven gesellschaftlichen Kontakt; die ältere negative Regel konnte auch in der Isolation befolgt werden. Jesus entkleidete die Sittlichkeit aller Regeln und Zeremonien und erhob sie zu den majestätischen Höhen geistigen Denkens und wahrhaft rechtschaffenen Lebens. Diese neue Religion Jesu war natürlich nicht ohne ihre praktischen Auswirkungen, aber was immer man an praktischen politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Werten in seiner Lehre finden kann, ist natürlicher Ausfluss dieser inneren Erfahrung der Seele, die aus echtem, persönlichem religiösem Erleben heraus im spontanen täglichen Dienen die Früchte des Geistes zeigt. Nachdem Jesus und Matthäus ihr Gespräch beendet hatten, fragte Simon Zelotes: "Aber, Meister, sind alle Menschen Söhne Gottes?" Und Jesus gab zur Antwort: "Jawohl, Simon, alle Menschen sind Söhne Gottes, und das ist die gute Nachricht, die ihr jetzt verkünden werdet." Aber die Apostel konnten eine solche Lehre nicht fassen; es war eine neue, seltsame und verblüffende Erklärung. Und weil es Jesu Wunsch war, ihnen diese Wahrheit tief einzuprägen, lehrte er seine Anhänger, alle Menschen wie ihre Brüder zu behandeln. Als Antwort auf eine Frage von Andreas machte der Meister klar, dass die Sittlichkeit seiner Lehre nicht von der Religion seines Lebens zu trennen war. Er lehrte Sittlichkeit nicht ausgehend von der Natur des Menschen, sondern ausgehend von der Beziehung des Menschen zu Gott. Johannes fragte Jesus: "Meister, was ist das Königreich des Himmels?" Und Jesus antwortete: "Das Königreich des Himmels besteht aus diesen drei wesentlichen Dingen: Erstens, der Anerkennung der Tatsache der Souveränität Gottes; zweitens, dem Glauben an die Wahrheit, ein Sohn Gottes zu sein; und drittens: aus dem Vertrauen in die Wirksamkeit des allerhöchsten menschlichen Begehrens, den Willen Gottes zu tun - wie Gott zu sein. Und dies ist die gute Nachricht des Evangeliums: dass jeder Sterbliche durch den Glauben alle diese für die Errettung wesentlichen Dinge haben kann." Und nun war die Woche des Wartens vorüber, und sie machten sich bereit, am nächsten Morgen nach Jerusalem aufzubrechen. ****** Kapitel 141 Beginn des Öffentlichen Wirkens ****** AM 19. Januar 27 n. Chr., dem ersten Tag der Woche, machten sich Jesus und die zwölf Apostel fertig zum Aufbruch von ihrem Hauptquartier in Bethsaida. Die Zwölf wussten nichts von den Plänen ihres Meisters, außer dass sie im April nach Jerusalem hinaufziehen würden, um am Passahfest teilzunehmen, und dass beabsichtigt war, durch das Jordantal zu reisen. Sie verließen das Haus des Zebedäus erst gegen Mittag, weil die Familien der Apostel und andere Jünger gekommen waren, um ihnen Lebewohl zu sagen und zum Beginn der neuen Arbeit alles Gute zu wünschen. Kurz vor ihrem Aufbruch stellten die Apostel die Abwesenheit des Meisters fest, und Andreas ging hinaus, um ihn zu finden. Nach kurzer Suche fand er Jesus am Ufer in einem Boot sitzen, und er weinte. Die Zwölf hatten oft erlebt, dass ihr Meister bekümmert schien, und an ihm kurze Phasen ernster Versunkenheit bemerkt, aber keiner von ihnen hatte ihn je weinen sehen. Andreas war einigermaßen bestürzt, den Meister kurz vor ihrer Abreise nach Jerusalem in dieser Verfassung anzutreffen, und er traute sich, an Jesus heranzutreten und ihn zu fragen: "Wie kommt es, Meister, dass du an diesem großen Tag weinst, da wir uns nach Jerusalem aufmachen sollen, um des Vaters Königreich zu verkündigen? Wer von uns hat dich gekränkt?" Und während Jesus mit Andreas zu den Zwölfen zurückkehrte, antwortete er ihm: "Keiner von euch hat mir Kummer bereitet. Ich bin nur deshalb betrübt, weil niemand von der Familie meines Vaters Joseph daran gedacht hat herüberzukommen, um uns glückliche Reise zu wünschen." Zu dieser Zeit weilte Ruth bei ihrem Bruder Joseph in Nazareth zu Besuch. Andere Familienmitglieder hielten sich fern aus Stolz, Enttäuschung, Missverständnis und kleinlichem Groll, weil ihre Gefühle verletzt worden waren. ***** 141.1 Sie verlassen Galiläa ***** Kapernaum war nicht weit von Tiberias entfernt, und die Kunde von Jesus hatte begonnen, sich in ganz Galiläa und sogar darüber hinaus auszubreiten. Jesus wusste, dass Herodes bald auf sein Werk aufmerksam werden würde: deshalb fand er es am besten, mit seinen Aposteln südwärts nach Judäa zu ziehen. Eine Schar von über hundert Gläubigen wünschte, mit ihnen zu gehen, aber Jesus sprach mit ihnen und bat sie inständig, die apostolische Gruppe auf ihrem Weg den Jordan hinunter nicht zu begleiten. Obwohl sie sich bereit erklärten zurückzubleiben, folgten viele von ihnen dem Meister nach ein paar Tagen. Am ersten Tag gingen Jesus und seine Apostel nur bis nach Tarichäa, wo sie die Nacht zubrachten. Am nächsten Tag zogen sie an eine in der Nähe von Pella gelegene Stelle am Jordan, wo Johannes ungefähr ein Jahr zuvor gepredigt und Jesus die Taufe erhalten hatte. Hier verweilten sie über zwei Wochen lang, lehrten und predigten. Bis gegen Ende der ersten Woche hatten sich einige hundert Personen in einem Lager nahe bei dem Ort versammelt, wo Jesus und die Zwölf weilten. Sie waren von Galiläa, Phönizien, Syrien, aus der Dekapolis, aus Peräa und Judäa gekommen. Jesus predigte nicht öffentlich. Andreas teilte die Menge auf und benannte die Prediger für die Vormittags- und Nachmittagsversammlungen; nach dem Abendessen sprach Jesus mit den Zwölfen. Er lehrte sie nichts Neues, sondern ging das früher Gelehrte erneut durch und beantwortete ihre vielen Fragen. An einem dieser Abende erzählte er den Zwölfen etwas über die vierzig Tage, die er in den nahe gelegenen Bergen zugebracht hatte. Von denen, die aus Peräa und Judäa kamen, waren viele durch Johannes getauft worden, und sie wollten mehr über Jesu Lehren erfahren. Die Apostel erzielten großen Fortschritt bei der Unterweisung der Jünger des Johannes, weil sie dessen Predigt in keiner Weise herabsetzten und zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die neuen Jünger tauften. Aber es war für die Anhänger des Johannes immer ein Stein des Anstoßes, dass Jesus, wenn er tatsächlich all das war, was Johannes verkündet hatte, nichts tat, um jenen aus dem Gefängnis herauszuholen. Die Jünger des Johannes konnten nie begreifen, weshalb Jesus den grausamen Tod ihres geliebten Führers nicht verhindert hatte. Abend für Abend gab Andreas seinen Mitaposteln sorgfältige Anweisungen, die dem heiklen und schwierigen Problem galten, mit den Anhängern Johannes' des Täufers gut auszukommen. In diesem ersten Jahr des öffentlichen Wirkens Jesu machten jene, die zuvor Johannes gefolgt waren und dessen Taufe erhalten hatten, über drei Viertel seiner Anhänger aus. Das ganze Jahr 27 n. Chr. wurde damit zugebracht, ruhig die Arbeit des Johannes in Peräa und Judäa zu übernehmen. ***** 141.2 Gottes Gesetz und des Vaters Wille ***** Am Abend, bevor sie Pella verließen, gab Jesus seinen Aposteln weitere Unterweisung zum neuen Königreich. Der Meister sprach: "Man hat euch gelehrt, das Kommen des Königreichs Gottes zu erwarten, und jetzt komme ich und verkündige, dass dieses langersehnte Königreich in nächster Nähe ist, dass es sogar schon hier und mitten unter uns ist. In jedem Königreich muss es einen König geben, der auf seinem Thron sitzt und die Gesetze des Landes erlässt. Und so habt ihr vom Königreich des Himmels eine Vorstellung entwickelt, in der das jüdische Volk über alle Völker der Erde ein glorreiches Regiment ausübt mit einem Messias, der auf Davids Thron sitzt und von diesem Ort wunderbarer Macht aus der ganzen Welt die Gesetze verkündet. Aber, meine Kinder, ihr schaut nicht mit dem Auge des Glaubens, und ihr hört nicht mit dem Verstand des Geistes. Ich erkläre euch, dass das Königreich des Himmels das Innewerden und Anerkennen der Herrschaft Gottes in den Herzen der Menschen ist. Zugegeben, es gibt einen König in diesem Königreich, und dieser König ist mein Vater und euer Vater. Wir sind tatsächlich seine getreuen Untertanen, aber weit über diese Tatsache hinaus reicht die transformierende Wahrheit, dass wir seine Söhne sind. In meinem Leben soll diese Wahrheit für alle offensichtlich werden. Unser Vater sitzt auch auf einem Thron, aber nicht auf einem von Hand geschaffenen. Der Thron des Unendlichen ist die ewige Wohnstätte des Vaters im Himmel der Himmel; er erfüllt alle Dinge und verkündet seine Gesetze einer Unzahl von Universen. Und der Vater herrscht auch in den Herzen seiner Erdenkinder durch den Geist, den er ausgesandt hat, um in den Seelen der sterblichen Menschen zu leben. "Wenn ihr die Untertanen dieses Königreichs seid, dann werdet ihr in der Tat fähig sein, das Gesetz des Weltenlenkers zu vernehmen; aber wenn ihr euch gestützt auf das Evangelium vom Königreich, das zu verkündigen ich gekommen bin, kraft eures Glaubens als Söhne entdeckt, werdet ihr euch künftig nicht mehr als Geschöpfe betrachten, die den Gesetzen eines allmächtigen Königs unterworfen sind, sondern als privilegierte Söhne eines liebenden und göttlichen Vaters. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn der Wille des Vaters euer Gesetz ist, dann befindet ihr euch schwerlich im Königreich. Aber wenn des Vaters Wille wahrhaftig euer Wille wird, dann seid ihr in Wahrheit im Königreich, weil dieses dadurch zu einer festen Erfahrung in euch geworden ist. Wenn Gottes Wille euer Gesetz ist, seid ihr vornehme Sklaven-Untertanen; wenn ihr aber an dieses neue Evangelium göttlicher Sohnschaft glaubt, wird meines Vaters Wille zu eurem Willen, und ihr werdet erhoben zu der hohen Stellung freier Kinder Gottes, befreiter Söhne des Königreichs." Einige Apostel begriffen etwas von dieser Lehre, aber keiner, vielleicht mit Ausnahme des Jakobus Zebedäus, erfasste die ganze Bedeutung dieser ungeheuren Ankündigung. Dennoch senkten sich diese Worte in ihre Herzen, und sie traten in späteren Jahren wieder in ihr Bewusstsein und erfüllten sie bei ihrem Wirken mit Freude. ***** 141.3 Der Aufenthalt in Amathus ***** Der Meister und seine Apostel blieben fast drei Wochen lang in der Nähe von Amathus. Die Apostel fuhren fort, zweimal täglich der Menge zu predigen, und Jesus predigte an jedem Sabbatnachmittag. Es wurde unmöglich, den freien Mittwoch aufrechtzuerhalten; deshalb bestimmte Andreas, dass immer zwei Apostel an jedem der sechs Wochentage ruhen sollten, während bei den Sabbatgottesdiensten alle Dienst hatten. Petrus, Jakobus und Johannes hielten die meisten öffentlichen Predigten. Philipp, Nathanael, Thomas und Simon leisteten viel persönliche Arbeit und leiteten Klassen für besondere Gruppen von Fragestellern; die Zwillinge überwachten wie immer die allgemeine Ordnung. Andreas, Matthäus und Judas entwickelten sich zu einem Dreierkomitee für allgemeine Verwaltungsaufgaben, auch wenn jeder von diesen dreien daneben beträchtliche religiöse Arbeit leistete. Andreas wurde von der Aufgabe stark in Anspruch genommen, bei den Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten ausgleichend zu wirken, die ständig zwischen den Jüngern des Johannes und den neueren Jüngern Jesu auftraten. Alle paar Tage entstanden ernste Situationen, aber Andreas schaffte es mit Unterstützung seiner apostolischen Mitarbeiter, die streitenden Parteien wenigstens zeitweilig zu einer Art Übereinkunft zu bringen. Jesus lehnte es ab, an irgendeiner dieser Unterredungen teilzunehmen, und gab auch nie irgendwelchen Rat, wie diesen Schwierigkeiten am besten begegnet werden könnte. Nie gab er einen einzigen Hinweis, wie die Apostel diese komplizierten Probleme lösen sollten. Wenn Andreas mit derartigen Fragen zu Jesus kam, pflegte er immer zu sagen: "Es ist unklug, wenn der Gastgeber an den Familienproblemen seiner Gäste teilnimmt; weise Eltern ergreifen bei den geringfügigen Streitigkeiten ihrer Kinder nie Partei." In seinem ganzen Umgang mit den Aposteln und all seinen Jüngern zeigte der Meister stets große Weisheit und ließ vollkommene Fairness walten. Jesus war wirklich ein Menschenführer. Weil er in seiner Persönlichkeit Charme mit Kraft verband, übte er auf seine Mitmenschen einen großen Einfluss aus. Von seinem rauhen, nomadenhaften und heimatlosen Leben ging eine subtil befehlende Wirkung aus. Intellektueller Reiz und geistige Anziehungskraft lagen in seiner autoritativen Art des Lehrens, in seiner klaren Logik, in der Stärke seiner Argumentation, in seinem Scharfblick, in der Beweglichkeit seines Geistes, in seiner unvergleichlichen Gelassenheit, in seiner wunderbaren Toleranz. Er war einfach, männlich, ehrlich und ohne Furcht. Zu der physischen und intellektuellen Wirkung, die von des Meisters Gegenwart ausging, kam noch der ganze geistige Zauber seiner Wesensart, der seiner Persönlichkeit anhaftete - Geduld, Feinfühligkeit, Sanftmut, Freundlichkeit und Demut. Jesus von Nazareth war in der Tat eine starke und kraftvolle Persönlichkeit. Er war eine intellektuelle Macht und ein geistiges Bollwerk. Seine Persönlichkeit wirkte nicht nur auf geistig veranlagte Frauen unter seinen Anhängern, sondern ebenso auf den gebildeten und intellektuellen Nikodemus und auf jenen robusten römischen Soldaten, den wachhabenden Hauptmann beim Kreuz, der sagte, nachdem er den Meister hatte sterben sehen: "Wahrhaftig, das war ein Sohn Gottes." Und vitale, rauhe galiläische Fischer nannten ihn Meister. Die bildlichen Darstellungen von Jesus sind höchst unglücklich. Diese Gemälde von Christus haben auf Jugendliche einen schädlichen Einfluss ausgeübt. Die Tempelhändler hätten vor Jesus kaum die Flucht ergriffen, wenn er ein Mann von der Art gewesen wäre, wie ihn eure Künstler meist dargestellt haben. Er war von würdevoller Männlichkeit; er war gut, aber natürlich. Jesus spielte nicht den milden, sanften, freundlichen und liebenswürdigen Mystiker. Seine Unterweisung war von packender Dynamik. Er meinte es nicht nur gut, sondern er ging umher und tat Gutes. Der Meister sprach nie: "Kommt zu mir alle, die ihr geistig träge seid, und all ihr Träumer." Hingegen sagte er oft: "Kommt zu mir alle, die ihr euch abmüht, und ich werde euch Ruhe - geistige Kraft - schenken." Des Meisters Joch ist in der Tat leicht, aber dennoch drängt er es nie jemandem auf; jeder Einzelne muss sein Joch aus eigenem freiem Willen auf sich nehmen. Jesus verkörperte die Eroberung durch Opfer, Opferung von Stolz und Selbstsucht. Durch das an den Tag gelegte Erbarmen wollte er ein Bild der geistigen Befreiung von Groll, Bitterkeit, Verärgerung und selbstischen Macht-und Rachegelüsten geben. Und wenn er sagte: "Widersteht dem Üblen nicht", so erklärte er später, er meine damit nicht, Sünde zu entschuldigen oder zu empfehlen, mit der Frevelhaftigkeit gemeinsame Sache zu machen. Vielmehr bezweckte er, Verzeihung zu lehren, "einer schlechten Behandlung der eigenen Persönlichkeit und bösartiger Verletzung von Gefühlen persönlicher Würde keinen Widerstand entgegenzusetzen". ***** 141.4 Unterweisung über den Vater ***** Während ihres Aufenthaltes in Amathus verbrachte Jesus mit den Aposteln viel Zeit, um ihnen die neue Vorstellung von Gott nahe zu bringen; immer wieder prägte er ihnen ein, dass Gott ein Vater ist, kein mächtiger und oberster Buchhalter, der hauptsächlich damit beschäftigt ist, nachteilige Eintragungen über seine verirrten Kinder auf Erden und Aufzeichnungen über ihre Sünden und Schlechtigkeiten zu machen, um diese dereinst gegen sie zu verwenden, wenn er über sie zu Gericht sitzen wird als der gerechte Richter der ganzen Schöpfung. Die Juden hatten sich Gott lange als einen König über alle vorgestellt, sogar als einen Vater der Nation, aber nie zuvor hatte eine große Zahl sterblicher Menschen die Vorstellung von Gott als einem liebenden Vater des Einzelnen gehabt. Auf die Frage von Thomas: "Wer ist dieser Gott des Königreichs?" gab Jesus zur Antwort: "Gott ist dein Vater, und Religion - mein Evangelium - ist nichts mehr und nichts weniger als die gläubige Erkenntnis der Wahrheit, dass du sein Sohn bist. Und ich bin hier leibhaftig unter euch, um diese beiden Ideen durch mein Leben und meine Unterweisung klar werden zu lassen." Jesus versuchte auch, das Denken seiner Apostel von der Idee zu befreien, aus religiöser Pflicht Tieropfer darzubringen. Aber diese in der Religion des täglichen Opfers erzogenen Männer begriffen nur langsam, was er meinte. Dessen ungeachtet wurde der Meister nicht müde, sie zu lehren. Wenn es ihm nicht gelang, das Verständnis aller Apostel mit Hilfe einer Veranschaulichung zu erreichen, formulierte er seine Botschaft jeweils von neuem und gebrauchte zur besseren Erklärung eine andere Art von Gleichnis. Zu dieser Zeit begann Jesus, die Zwölf im Hinblick auf ihre Sendung, "die Betrübten aufzurichten und den Kranken beizustehen", umfassender zu belehren. Der Meister lehrte sie vieles über den ganzen Menschen - über die Vereinigung von Körper, Verstand und Geist zur Bildung der einzelnen männlichen oder weiblichen Person. Jesus sprach zu seinen Gefährten von drei Arten von Gebrechen, die sie antreffen würden, und ging dann dazu über, ihnen zu erklären, wie sie sich all derer annehmen sollten, über die das Leid menschlicher Krankheit gekommen war. Er lehrte sie zu erkennen: 1. Gebrechen des Fleisches - jene Beschwerden, die gewöhnlich als physische Krankheiten angeschaut werden. 2. Gemütsstörungen - jene nicht physischen Gebrechen, die man später als emotionelle und mentale Schwierigkeiten und Gestörtheiten betrachtet hat. 3. Die Besessenheit durch böse Geister. Jesus erklärte seinen Aposteln bei verschiedenen Gelegenheiten die Natur dieser bösen, zu jener Zeit oft auch unrein genannten Geister, und einiges bezüglich ihres Ursprungs. Der Meister kannte den Unterschied zwischen Besessenheit durch böse Geister und Geisteskrankheit gut, nicht aber die Apostel. Angesichts ihres begrenzten Wissens über die frühe Geschichte Urantias war ihm der Versuch, ihnen die Angelegenheit völlig klarzumachen, nicht möglich. Aber mit Bezug auf diese bösen Geister sagte er viele Male zu ihnen: "Sie werden die Menschen nicht mehr belästigen, nachdem ich zu meinem Vater im Himmel aufgestiegen bin und meinen Geist über alles Fleisch ausgegossen habe zu der Zeit, wenn das Königreich mit großer Macht und in geistiger Herrlichkeit kommen wird." Dies ganze Jahr hindurch schenkten die Apostel der Heilung der Kranken von Woche zu Woche und von Monat zu Monat größere Aufmerksamkeit. ***** 141.5 Geistige Einheit ***** Eine der wichtigsten aller abendlichen Zusammenkünfte in Amathus war jene, bei der die geistige Einheit besprochen wurde. Jakobus Zebedäus hatte gefragt: "Wie können wir lernen, gleiche Anschauungen zu haben und uns dadurch größerer Harmonie untereinander zu erfreuen?" Als Jesus diese Frage hörte, wurde sein Geist sehr aufgewühlt, so sehr, dass er erwiderte: "Jakobus, Jakobus, wann habe ich euch gelehrt, ihr sollt alle gleich denken? Ich bin in die Welt gekommen, um die geistige Freiheit zu verkündigen, damit die Sterblichen die Möglichkeit erhalten, ihr individuelles Leben in Originalität und Freiheit vor Gott zu leben. Ich wünsche nicht, dass soziale Harmonie und brüderlicher Friede durch Opferung der freien Persönlichkeit und der geistigen Eigenart erkauft werden sollen. Was ich von euch, meine Apostel, verlange, ist Einheit im Geiste, und diese könnt ihr in der Freude eurer gemeinsamen Hingabe an den von ganzem Herzen ausgeführten Willen meines Vaters im Himmel erleben. Ihr braucht weder gleicher Anschauung zu sein, noch gleich zu fühlen oder gar gleich zu denken, um im Geiste gleich zu sein. Geistige Einheit entsteht aus dem Bewusstsein, dass jeder von euch vom Geist, der Gabe des himmlischen Vaters bewohnt und zunehmend beherrscht wird. Euer apostolisches Einvernehmen muss aus der Tatsache erwachsen, dass diese geistige Hoffnung eines jeden von euch nach Ursprung, Natur und Bestimmung identisch ist. Auf diese Weise könnt ihr eine vervollkommnete Einheit in geistiger Zielsetzung und geistigem Verständnis erfahren, die aus dem gemeinsamen Bewusstsein erwächst, dass jeder der euch bewohnenden Paradies-Geiste mit dem anderen identisch ist; und ihr könnt euch dieser tiefen geistigen Einheit erfreuen sogar angesichts der größten Verschiedenheit eurer individuellen Art intellektuellen Denkens, anlagebedingten Fühlens und sozialen Verhaltens. Eure Persönlichkeiten können sehr wohl erfrischend verschieden und betont unterschiedlich sein, aber eure geistige Natur und die Geistesfrüchte göttlicher Anbetung und brüderlicher Liebe können so einheitlich sein, dass alle, die eurer Leben betrachten, mit Sicherheit von dieser Geistesidentität und Seeleneinheit Kenntnis nehmen werden. Sie werden erkennen, dass ihr mit mir gewesen seid und dabei hinreichend gelernt habt, wie man den Willen des Vaters im Himmel tut. Ihr könnt die Einheit im Dienste Gottes gerade dadurch erlangen, dass ihr diesen Dienst in Übereinstimmung mit der Art eurer eigenen angestammten Gaben von Verstand, Körper und Seele tut. "Eure geistige Einheit schließt zwei Dinge ein, die man im Leben der einzelnen Gläubigen immer in Harmonie antrifft: Erstens besitzt ihr einen gemeinsamen Beweggrund für den Dienst des Lebens; ihr alle wünscht vor allen Dingen, den Willen des Vaters im Himmel zu tun. Zweitens habt ihr alle ein gemeinsames Existenzziel; ihr beabsichtigt alle, den Vater im Himmel zu finden, um dadurch dem Universum zu bekunden, dass ihr ihm ähnlich geworden seid." Während der Schulung der Zwölf kam Jesus oft auf dieses Thema zurück. Zu wiederholten Malen sagte er ihnen, er wünsche nicht, dass die, die an ihn glauben, durch Dogmen und Normen gebunden würden entsprechend den religiösen Auslegungen selbst guter Menschen. Immer und immer wieder warnte er seine Apostel vor der Formulierung von Glaubenssätzen und der Schaffung von Traditionen als Mittel zur Führung und Kontrolle derer, die an das Evangelium vom Königreich glauben. ***** 141.6 Die letzte Woche in Amathus ***** Gegen Ende der letzten Woche in Amathus brachte Simon Zelotes einen gewissen Teherma zu Jesus, einen Perser, der in Damaskus Geschäften nachging. Teherma hatte von Jesus gehört und war nach Kapernaum gekommen, um ihn zu treffen. Als er dort erfuhr, dass sich Jesus mit seinen Aposteln den Jordan hinunter auf den Weg nach Jerusalem begeben hatte, machte er sich auf, um ihn aufzufinden. Andreas hatte ihn Simon zur Unterweisung übergeben. Simon betrachtete den Perser als einen "Feueranbeter", obwohl Teherma sich große Mühe gab zu erklären, dass Feuer bloß das sichtbare Symbol für den Reinen und Heiligen war. Nach seinem Gespräch mit Jesus bekundete der Perser seine Absicht, mehrere Tage zu bleiben, um dem Unterricht beizuwohnen und den Predigten zuzuhören. Als Simon Zelotes und Jesus allein waren, fragte Simon den Meister: "Wie kommt es, dass es mir nicht gelungen ist, ihn zu überzeugen? Warum hat er mir so sehr widerstanden und dir so willig sein Ohr geliehen?" Jesus antwortete: "Simon, Simon, wie oft habe ich euch gelehrt, von jedem Versuch Abstand zu nehmen, etwas aus den Herzen jener, die das Heil suchen, heraus zunehmen? Wie oft habe ich euch gesagt, nur darauf hinzuarbeiten, etwas in diese hungrigen Seelen hinein zulegen? Führt die Menschen in das Königreich, und dessen große und lebendige Wahrheiten werden ernsthafte Irrtümer bald austreiben. Nachdem du einem sterblichen Menschen die gute Nachricht, dass Gott sein Vater ist, eröffnet hast, kannst du ihn um so leichter davon überzeugen, dass er wirklich ein Sohn Gottes ist. Und wenn du das getan, hast du dem, der in der Dunkelheit sitzt, das rettende Licht gebracht. Simon, als der Menschensohn zum ersten Mal auf dich zukam, verurteilte er da Moses und die Propheten und verkündete eine neue und bessere Lebensweise? Nein. Ich bin nicht gekommen, um euch wegzunehmen, was ihr von euren Vorvätern hattet, sondern um euch eine vollkommenere Vorstellung von dem zu geben, was eure Väter nur teilweise erkannt haben. Geh also das Königreich verkündigen und predigen, Simon, und wenn du einen Menschen heil und sicher ins Königreich gebracht hast, dann ist es Zeit, ihn, sofern er mit Fragen zu dir kommt, über Dinge zu belehren, die mit dem stetigen Weiterkommen der Seele im himmlischen Königreich zu tun haben." Simon war über diese Worte verwundert, aber er tat, wie Jesus ihn unterwiesen hatte, und Teherma, der Perser, zählte zu denen, die ins Königreich eintraten. An diesem Abend sprach Jesus zu den Aposteln über das neue Leben im Königreich. Unter anderem sagte er: "Wenn ihr ins Königreich eintretet, werdet ihr wiedergeboren. Die tiefen Dinge des Geistes könnt ihr jene nicht lehren, die nur vom Fleisch geboren sind; seht erst zu, dass die Menschen vom Geist geboren sind, bevor ihr versucht, sie in der fortgeschritteneren Art und Weise des Geistes zu unterrichten. Versucht nicht, den Menschen die Schönheiten des Tempels zu zeigen, bevor ihr sie in den Tempel hineingeführt habt. Führt die Menschen bei Gott ein, und zwar als die Söhne Gottes, bevor ihr Reden über die Lehrsätze der Vaterschaft Gottes und der Sohnschaft der Menschen haltet. Kämpft nicht mit den Menschen - seid immer geduldig. Es ist nicht euer Königreich; ihr seid nur Botschafter. Geht ganz einfach verkünden: dies ist das Königreich des Himmels - Gott ist euer Vater und ihr seid seine Söhne, und diese gute Nachricht ist euer ewiges Heil, wenn ihr von ganzem Herzen daran glaubt." Die Apostel machten während ihres Aufenthaltes in Amathus große Fortschritte. Aber sie waren sehr enttäuscht darüber, dass Jesus ihnen keine Anregungen für den Umgang mit den Jüngern des Johannes geben wollte. Sogar in der wichtigen Frage der Taufe war alles, was Jesus sagte: "Johannes taufte in der Tat mit Wasser, aber wenn ihr ins Königreich des Himmels eintretet, werdet ihr mit dem Geist getauft werden." ***** 141.7 In Bethanien jenseits des Jordans ***** Am 26. Februar zogen Jesus, seine Apostel und eine große Gruppe von Anhängern am Jordan entlang hinunter bis zur Furt in der Nähe von Bethanien in Peräa, an den Ort, an dem Johannes das kommende Königreich zum ersten Mal verkündet hatte. Hier blieb Jesus vier Wochen lang mit seinen Aposteln; sie lehrten und predigten, bevor sie nach Jerusalem hinauf weitergingen. In der zweiten Woche ihres Aufenthaltes bei Bethanien jenseits des Jordans nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes in die Berge mit, die auf der anderen Seite des Flusses südlich von Jericho lagen, um sich drei Tage lang auszuruhen. Der Meister lehrte diese drei manche neue und höhere Wahrheiten über das Königreich des Himmels. Für unseren Bericht werden wir seine Lehren wie folgt umordnen und einteilen: Jesus bemühte sich, Folgendes klarzumachen: Er wünschte, dass seine Jünger nach ihren ersten Erfahrungen mit den guten Geistesrealitäten des Königreichs so in der Welt lebten, dass sich Menschen, die sie leben sahen, des Königreichs bewusst und dazu geführt würden, sich bei Gläubigen nach dem Königreich zu erkundigen. Alle solchen aufrichtigen Wahrheitssucher sind stets glücklich, wenn sie die frohe Botschaft von der Gabe des Glaubens hören, welche die Zulassung zum Königreich mit seinen ewigen und göttlichen Geistesrealitäten zusichert. Der Meister bemühte sich, allen Lehrern des Evangeliums vom Königreich einzuprägen, dass ihre einzige Aufgabe darin bestehe, dem einzelnen Menschen Gott als seinen Vater zu offenbaren - diesen einzelnen Menschen dahin zu führen, sich als Sohn bewusst zu werden; und danach diesen Menschen Gott vorzustellen als dessen gläubigen Sohn. Diese beiden wesentlichen Offenbarungen sind in Jesus erfüllt. Er wurde in der Tat "der Weg, die Wahrheit und das Leben". Jesu Religion stützte sich völlig auf das Leben seiner Selbsthingabe auf Erden. Als Jesus von dieser Welt schied, ließ er weder Bücher zurück noch Gesetze oder andere, das religiöse Leben des Einzelnen berührende Formen menschlicher Organisation. Jesus machte klar, dass er gekommen war, um mit den Menschen persönliche und ewige Beziehungen herzustellen, die für alle Zeiten Vorrang vor allen anderen menschlichen Beziehungen haben würden. Und er betonte, dass diese innige geistige Verbundenheit auf alle Menschen jeden Alters und jeder gesellschaftlichen Stellung in allen Völkern ausgeweitet werden solle. Die einzige Belohnung, die er seinen Kindern in Aussicht stellte, war: In dieser Welt - geistige Freude und göttliche Gemeinschaft; in der nächsten Welt - ewiges Leben im Fortschritt in den göttlichen Geistrealitäten des Paradies-Vaters. Ganz besondere Bedeutung maß Jesus dem zu, was er die beiden wichtigsten Wahrheiten der Lehre vom Königreich nannte; es sind: Die Erlangung des Heils durch den Glauben und durch den Glauben allein, in Verbindung mit der revolutionären Lehre von der Erlangung der menschlichen Freiheit durch die aufrichtige Erkenntnis der Wahrheit: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." Jesus war die Fleisch gewordene Wahrheit, und er versprach, seinen Geist der Wahrheit nach seiner Rückkehr zum Vater im Himmel in die Herzen aller seiner Kinder zu senden. Der Meister lehrte die Apostel das Wesentliche der Wahrheit für ein ganzes Zeitalter auf Erden. Oft lauschten sie seinem Unterricht, während das, was er sagte, in Wirklichkeit für die Inspiration und Erbauung anderer Welten bestimmt war. Er gab das Beispiel für einen neuen und originalen Lebensplan. Vom menschlichen Standpunkt aus war er tatsächlich ein Jude, aber er lebte sein Leben für die ganze Erde als ein Sterblicher dieser Welt. Um sicher zu gehen, dass sein Vater bei der Entfaltung des Plans des Königreichs erkannt werden würde, hatte Jesus, wie er erklärte, "die Großen dieser Erde" mit Absicht nicht beachtet. Er begann sein Werk bei den Armen, bei derjenigen Klasse, die von den meisten evolutionären Religionen der vorangegangenen Zeitalter so sehr vernachlässigt worden war. Er verachtete niemanden; sein Plan war weltumfassend und sogar universell. Er verkündigte all dies mit solcher Kühnheit und Eindringlichkeit, dass sogar Petrus, Jakobus und Johannes versucht waren zu denken, er sei wohl außer sich geraten. Auf sanfte Weise bemühte er sich, diesen Aposteln die Wahrheit zu vermitteln, dass er diese Mission der Selbsthingabe nicht unternommen hatte, um einigen wenigen Erdengeschöpfen ein Beispiel zu geben, sondern um für alle Völker auf allen Welten seines ganzen Universums einen Maßstab menschlichen Lebens zu setzen und vorzuleben. Und dieser Maßstab näherte sich der höchsten Vollkommenheit, sogar der vollkommenen Güte des Universalen Vaters. Aber die Apostel konnten den Sinn seiner Worte nicht erfassen. Er verkündete, er sei gekommen, um als Lehrer, als ein vom Himmel gesandter Lehrer zu wirken, um dem materiellen Verstand geistige Wahrheit vor Augen zu führen. Und genau das tat er; er war ein Lehrer, kein Prediger. Aus menschlicher Sicht war Petrus ein weit wirkungsvollerer Prediger als Jesus. Jesu Predigten waren so wirkungsvoll wegen seiner einzigartigen Persönlichkeit, weniger wegen unwiderstehlicher rednerischer oder gefühlsmäßiger Anziehungskraft. Jesus sprach direkt zu den Seelen der Menschen. Er war ein Lehrer des menschlichen Geistes, aber durch den Verstand. Er lebte mit den Menschen. Bei dieser Gelegenheit deutete Jesus gegenüber Petrus, Jakobus und Johannes an, dass durch die Anweisung seines "Mitarbeiters im Himmel" seinem irdischen Werk in mancher Beziehung Beschränkungen auferlegt waren. Er spielte dabei auf die der Selbsthingabe vorangegangenen Instruktionen seines Paradies-Bruders Immanuel an. Er sagte ihnen, er sei gekommen, um einzig und allein seines Vaters Willen zu tun. Da er dieses Ziel mit ganzem Herzen anstrebte, wurde ihm nicht bange angesichts des Bösen in der Welt. Allmählich wurde den Aposteln die ungekünstelte Freundlichkeit Jesu bewusst. Obwohl man leicht an den Meister herantreten konnte, lebte er stets unabhängig von allen menschlichen Wesen und über ihnen. Nie beherrschte ihn auch nur für einen einzigen Augenblick ein rein menschlicher Einfluss, nie war er abhängig von oberflächlichem menschlichem Urteil. Er schenkte der öffentlichen Meinung keine Beachtung, und Lob ließ ihn unbeeinflusst. Er unterbrach sich selten, um Missverständnisse auszuräumen oder sich über falsche Darstellungen aufzuhalten. Er holte nie eines Menschen Rat ein; er bat nie um Gebete. Jakobus wunderte sich darüber, wie Jesus von allem Anfang an das Ende zu sehen schien. Der Meister schien selten von etwas überrascht zu sein. Er war nie aufgeregt, ärgerlich oder fassungslos. Er entschuldigte sich bei keinem Menschen. Er war zuzeiten betrübt, aber nie entmutigt. Johannes nahm klarer wahr, dass er trotz all seiner göttlichen Gaben im letzten Grunde menschlich war. Jesus lebte als Mensch unter Menschen; er verstand sie, liebte sie und wusste mit ihnen umzugehen. Er war in seinem persönlichen Leben so menschlich und doch so frei von Fehlern. Und er war immer selbstlos. Obwohl Petrus, Jakobus und Johannes von dem, was Jesus bei dieser Gelegenheit sagte, nicht sehr viel verstehen konnten, klangen seine gütigen Worte in ihren Herzen nach und traten nach der Kreuzigung und Auferstehung wieder in ihr Bewusstsein, um ihr späteres Wirken sehr zu bereichern und zu beglücken. Kein Wunder, dass diese Apostel des Meisters Worte nicht ganz erfassten, denn er entwarf vor ihnen den Plan eines neuen Zeitalters. ***** 141.8 In Jericho an der Arbeit ***** Während des vierwöchigen Aufenthaltes in Bethanien jenseits des Jordans gab Andreas mehrmals wöchentlich einem apostolischen Paar den Auftrag, sich für einen oder zwei Tage nach Jericho zu begeben. In Jericho glaubten viele an Johannes, und die Mehrzahl von ihnen begrüßte die höher stehenden Lehren Jesu und seiner Apostel. Bei diesen Besuchen in Jericho begannen die Apostel, Jesu Anweisung, den Kranken Trost zu spenden, genauer zu befolgen; sie betraten jedes Haus der Stadt und gaben sich Mühe, jeden Leidenden aufzurichten. Die Apostel betätigten sich zwar in Jericho auch öffentlich, aber ihre Bemühungen waren überwiegend stillerer und persönlicherer Natur. Sie machten jetzt die Entdeckung, dass die gute Nachricht vom Königreich ein großer Trost für die Kranken war und dass ihre Botschaft den Leidenden Heilung brachte. Hier in Jericho war es, dass Jesu Auftrag an die Zwölf, die frohe Botschaft des Königreichs zu predigen und den Leidenden beizustehen, zum ersten Mal voll verwirklicht wurde. Auf dem Weg nach Jerusalem machten sie in Jericho Halt, wo sie von einer Abordnung aus Mesopotamien eingeholt wurden, die gekommen war, um sich mit Jesus zu besprechen. Die Apostel hatten geplant, hier nur einen Tag zu verbringen, aber als diese Wahrheitssucher aus dem Osten eintrafen, verbrachte Jesus drei Tage mit ihnen, und sie kehrten an ihre jeweiligen Wohnstätten am Euphrat zurück in dem glücklichen Wissen um die neuen Wahrheiten des Königreichs des Himmels. ***** 141.9 Aufbruch nach Jerusalem ***** Am letzen Märztag, einem Montag, machten sich Jesus und die Apostel auf den Weg bergaufwärts nach Jerusalem. Lazarus aus Bethanien war zweimal unten am Jordan gewesen, um Jesus zu sehen, und alle Vorkehrungen waren getroffen worden, damit der Meister und seine Apostel ihr Hauptquartier bei Lazarus und seinen Schwestern in Bethanien einrichten konnten, so lange sie in Jerusalem bleiben wollten. Die Jünger des Johannes blieben in Bethanien jenseits des Jordans, wo sie lehrten und die Menge tauften, so dass Jesus nur in Begleitung der Zwölf war, als er beim Hause des Lazarus anlangte. Jesus und die Apostel verweilten hier fünf Tage. Sie ruhten sich aus und erfrischten sich, bevor sie nach Jerusalem zum Passahfest weitergingen. Es war ein großes Ereignis im Leben von Martha und Maria, den Meister und seine Apostel im Hause ihres Bruders zu haben, wo sie für ihre Bedürfnisse sorgen konnten. Am Sonntagmorgen, dem 6. April, gingen Jesus und die Apostel nach Jerusalem hinab; zum ersten Mal war der Meister zusammen mit allen Zwölfen dort. ****** Kapitel 142 Das Passahfest in Jerusalem ****** DEN April über arbeiteten Jesus und die Apostel in Jerusalem. Sie verließen die Stadt jeden Abend, um die Nacht in Bethanien zu verbringen. Jesus selber übernachtete wöchentlich ein- bis zweimal in Jerusalem im Hause des Flavius, eines griechischen Juden, wohin viele führende Juden kamen, um heimlich mit Jesus zu sprechen. Gleich am ersten Tag suchte Jesus seinen Freund aus vergangenen Jahren, Hannas, auf, den einstigen Hohenpriester und Verwandten von Salome, der Gattin des Zebedäus. Hannas hatte von Jesus und seinen Lehren gehört, und als dieser nun im Hause des Hohenpriesters vorsprach, wurde er mit viel Zurückhaltung empfangen. Als Jesus die Kälte des Hannas spürte, verabschiedete er sich unverzüglich und sagte im Weggehen: "Nichts versklavt den Menschen so sehr wie die Furcht, und seine größte Schwäche ist der Stolz; willst du dir selber untreu werden und dich in die Knechtschaft dieser beiden Zerstörer von Freude und Freiheit begeben?" Aber Hannas erwiderte nichts. Der Meister sah ihn nicht wieder bis zu dem Tag, als Hannas mit seinem Schwiegersohn über den Menschensohn zu Gericht saß. ***** 142.1 Unterricht im Tempel ***** Diesen ganzen Monat über lehrte Jesus oder einer der Apostel täglich im Tempel. Als die Passahmengen zu groß wurden, um noch Zutritt zur Tempelunterweisung zu finden, leiteten die Apostel viele Lehrgruppen außerhalb des heiligen Tempelbezirkes. Der Kern ihrer Botschaft war: 1. Das Königreich ist nahe. 2. Wenn ihr an Gott, euren Vater glaubt, könnt ihr ins Königreich des Himmels eintreten und dadurch Söhne Gottes werden. 3. Liebe ist die Lebensregel im Königreich - völlige Hingabe an Gott, während du deinen Nächsten wie dich selbst liebst. 4. Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters ist das Gesetz des Königreichs und bringt im persönlichen Leben die Früchte des Geistes hervor. Die zur Feier des Passahfestes herbeigeströmten Scharen hörten diese Lehren Jesu, und Hunderte freuten sich über die gute Nachricht. Aber die Obersten Priester und Führer der Juden wurden wegen Jesus und seinen Aposteln zunehmend beunruhigt und berieten untereinander, was mit ihnen geschehen solle. Neben ihrer Lehrtätigkeit inner- und außerhalb des Tempels verrichteten die Apostel und andere Gläubige in der Passahmenge viel persönliche Arbeit. Die vom Evangelium berührten Männer und Frauen trugen die Nachricht von Jesu Botschaft von diesem Passahfest bis in die entlegensten Teile des Römischen Reiches und auch in den Osten. Damit begann die Ausbreitung des Evangeliums vom Königreich in der Außenwelt. Jesu Werk blieb nicht länger auf Palästina beschränkt. ***** 142.2 Gottes Zorn ***** Den Passahfeierlichkeiten in Jerusalem wohnte auch ein gewisser Jakob, ein reicher jüdischer Händler aus Kreta bei. Er kam zu Andreas und bat ihn um ein privates Gespräch mit Jesus. Andreas arrangierte dieses geheime Treffen mit Jesus am Abend des nächsten Tages im Hause des Flavius. Jakob hatte die Lehren des Meisters nicht verstehen können, und er kam aus dem tiefen Bedürfnis heraus, sich eingehender über das Königreich Gottes zu erkundigen. Jakob sagte zu Jesus: "Aber Rabbi, Moses und die alten Propheten sagen uns, dass Jahve ein eifersüchtiger Gott ist, ein Gott großen Zorns und gewaltigen Grolls. Die Propheten sagen, er hasse die Übeltäter und räche sich an jenen, die seinem Gesetz nicht gehorchen. Du und deine Jünger lehren uns, dass Gott ein freundlicher und mitfühlender Vater ist, der alle Menschen so sehr liebt, dass er sie in sein neues Königreich des Himmels aufnehmen möchte, das nach deinen Worten so nahe ist." Als Jakob zu Ende gesprochen hatte, erwiderte ihm Jesus: "Jakob, du hast die Lehren der alten Propheten richtig wiedergegeben, die die Kinder ihrer Generation im Lichte ihrer Zeit unterrichteten. Unser Vater im Paradies ist unveränderlich. Aber die Auffassung von seinem Wesen hat sich seit den Tagen des Moses bis zu den Zeiten des Amos und sogar bis zur Generation des Propheten Jesaja erweitert und ist gewachsen. Und jetzt bin ich in Menschengestalt gekommen, um den Vater in neuer Herrlichkeit zu offenbaren und seine Liebe und Barmherzigkeit allen Menschen auf allen Welten kundzutun. In dem Maße, wie das Evangelium dieses Königreichs mit seiner Botschaft der Ermutigung und des guten Willens gegenüber allen Menschen sich in der Welt ausbreiten wird, werden auch verfeinerte und bessere Beziehungen zwischen den Familien aller Nationen wachsen. Mit der Zeit werden die Väter und ihre Kinder einander mehr lieben, und als Folge davon wird ein besseres Verständnis für die Liebe des himmlischen Vaters zu seinen Kindern auf Erden entstehen. Denke daran, Jakob, dass ein guter und wahrer Vater seine Familie nicht nur als Ganzes - als eine Familie - liebt, sondern dass er auch jedes individuelle Mitglied wahrhaftig liebt und sich seiner mit Zuneigung annimmt." Nach einer ausführlichen Erörterung des Charakters des himmlischen Vaters hielt Jesus inne, um zu sagen: "Du, Jakob, als Vater einer zahlreichen Familie, kennst die Wahrheit meiner Worte gut." Und Jakob sagte: "Aber Meister, wer hat dir gesagt, dass ich Vater von sechs Kindern bin? Wie konntest du dies über mich wissen?" Und der Meister gab zur Antwort: "Es genüge zu sagen, dass der Vater und der Sohn alle Dinge wissen; denn sie sehen tatsächlich alles. Du, der du als irdischer Vater deine Kinder liebst, musst jetzt die Liebe des himmlischen Vaters zu dir als eine Realität annehmen - nicht nur zu den Kindern Abrahams insgesamt, sondern zu dir und deiner individuellen Seele." Dann fuhr Jesus fort: "Wenn deine Kinder noch sehr jung und unreif sind und du sie züchtigen musst, dann denken sie vielleicht, ihr Vater sei zornig und voll nachtragenden Grolls. Ihre Unreife erlaubt ihnen nicht, hinter der Bestrafung die weit blickende und korrigierende Liebe des Vaters wahrzunehmen. Aber wenn dieselben Kinder erwachsene Männer und Frauen werden, wäre es da nicht unsinnig von ihnen, sich weiterhin an diese früheren und irrigen Vorstellungen von ihrem Vater zu klammern? Als Männer und Frauen sollten sie jetzt in all diesen früheren Bestrafungen die Liebe ihres Vaters erkennen. Und sollte nicht auch die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte zu einem besseren Verständnis der wahren Natur und des liebenden Charakters des Vaters im Himmel gelangen? Welchen Gewinn bringen euch aufeinander folgende Generationen geistiger Erleuchtung, wenn ihr darauf besteht, euch Gott so vorzustellen, wie Moses und die Propheten ihn sahen? Ich sage dir, Jakob, im hellen Licht dieser Stunde solltest du den Vater so sehen, wie keiner von denen, die vorausgegangen sind, ihn je erblickt hat. Und da du ihn so erblickst, solltest du mit großer Freude in das Königreich eintreten, wo ein so barmherziger Vater regiert, und du solltest danach trachten, dass sein Wille der Liebe hinfort dein Leben beherrscht." Und Jakob antwortete: "Rabbi, ich glaube; ich wünsche, dass du mich in des Vaters Königreich führst." ***** 142.3 Die Gottesvorstellung ***** An diesem Abend richteten die zwölf Apostel - die meisten von ihnen hatten dem Gespräch über den Charakter Gottes zugehört - viele Fragen über den Vater im Himmel an Jesus. Des Meisters Antworten auf diese Fragen können am besten durch folgende Zusammenfassung in moderner Ausdrucksweise wiedergegeben werden: Jesus tadelte die Zwölf gelinde, als er im Wesentlichen sagte: Kennt ihr die Überlieferungen Israels vom Wachstum der Jahve-Idee nicht, und habt ihr nie von den Aussagen der Schriften über die Lehre von Gott gehört? Und dann ging der Meister dazu über, die Apostel über die Evolution der Vorstellung von der Gottheit im Laufe der Entwicklung des jüdischen Volkes ins Bild zu setzen. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die folgenden Phasen des Wachstums der Gottesidee: 1. Jahve - der Gott der Sinaistämme. Dies war die ursprüngliche Vorstellung von Gottheit, die Moses auf die höhere Ebene von Gott, dem Herrn von Israel, emporhob. Der Vater im Himmel nimmt unfehlbar jede aufrichtige Anbetung seiner Erdenkinder an, ungeachtet dessen, wie primitiv ihre Vorstellung von Gottheit sein mag oder unter welchem Namen sie seine göttliche Natur symbolisieren. 2. Der Allerhöchste. Diese Vorstellung vom Vater im Himmel wurde Abraham von Melchisedek verkündet, und von Salem aus trugen sie jene, die in der Folge an diese vergrößerte und erweiterte Idee der Gottheit glaubten, in die Ferne. Abraham und sein Bruder verließen Ur wegen der Einführung der Sonnenverehrung, und sie wurden gläubige Anhänger der melchisedekschen Lehre von El Elyon - dem Allerhöchsten Gott. Sie besaßen eine gemischte Gottesvorstellung, die aus einer Verschmelzung ihrer älteren mesopotamischen Ideen und der Doktrin des Allerhöchsten bestand. 3. El Shaddai. In diesen frühen Zeiten verehrten viele Hebräer El Shaddai, die ägyptische Vorstellung vom Himmelsgott, von dem sie während ihrer Gefangenschaft im Lande des Nils Kenntnis erhalten hatten. Lange nach der Zeit Melchisedeks verschmolzen alle diese drei Gottesvorstellungen und bildeten die Doktrin von der Schöpfergottheit, von Gott dem Herrn Israels. 4. Elohim. Seit den Zeiten Adams hat die Lehre der Paradies-Trinität überdauert. Erinnert ihr euch nicht, wie die Schriften mit der Erklärung beginnen, dass "am Anfang die Götter den Himmel und die Erde schufen"? Das zeigt, dass zur Zeit jener Niederschrift die Trinitätsvorstellung von drei Göttern in einem ihren Platz in der Religion unserer Vorfahren gefunden hatte. 5. Der höchste Jahve. Zur Zeit des Jesaja hatten sich diese Gottesvorstellungen zur Idee eines Universalen Schöpfers erweitert, der gleichzeitig allmächtig und allerbarmend war. Und diese sich entwickelnde und erweiternde Gottesvorstellung ersetzte in der Religion unserer Väter praktisch alle früheren Ideen über die Gottheit. 6. Der Vater im Himmel. Und jetzt kennen wir Gott tatsächlich als unseren Vater im Himmel. Unsere Lehre bietet eine Religion, in welcher der Gläubige ein Sohn Gottes ist. Das ist die gute Nachricht des Evangeliums vom Königreich des Himmels. Zusammen mit dem Vater existieren der Sohn und der Geist, und die Offenbarung der Natur und helfenden Funktion dieser Paradies-Gottheiten wird sich während der endlosen Zeitalter der ewigen geistigen Progression der aufsteigenden Gottessöhne dauernd erweitern und erhellen. Was den individuellen geistigen Fortschritt betrifft, so anerkennt der innewohnende Geist jederzeit und in allen Zeitaltern die wahre Gottesverehrung jedes menschlichen Wesens als eine dem Vater im Himmel dargebrachte Huldigung. Nie zuvor waren die Apostel so sehr aus der Fassung gebracht worden wie nach dem Anhören dieser Darstellung des Wachstums der Gottesidee in der Vorstellung der Juden früherer Generationen; sie waren zu verwirrt, um Fragen zu stellen. Sie saßen schweigend vor Jesus, und der Meister fuhr fort: "Ihr hättet diese Wahrheiten gekannt, wenn ihr die Schriften gelesen hättet. Habt ihr nicht in Samuel gelesen, wo gesagt wird: `Und der Zorn des Herrn entbrannte so mächtig gegen Israel, dass er David gegen sie aufbrachte und zu ihm sagte, er solle Israel und Juda zählen'? Und daran war nichts Sonderbares, glaubten doch in den Tagen Samuels die Kinder Abrahams tatsächlich, dass Jahve das Gute wie das Böse erschuf. Aber als ein späterer Verfasser über diese Ereignisse berichtete, wagte er es als Folge der gewachsenen jüdischen Vorstellung von der Natur Gottes nicht, Jahve Böses zuzuschreiben; deshalb sagte er: `Und Satan erhob sich gegen Israel und provozierte David, Israel zu zählen.' Könnt ihr nicht erkennen, dass solche Schriftstellen klar zeigen, wie die Vorstellung von der Natur Gottes von einer Generation zur anderen unablässig wuchs? Des Weiteren hättet ihr das wachsende Verständnis des göttlichen Gesetzes in vollkommener Übereinstimmung mit diesen sich erweiternden Vorstellungen von Göttlichkeit wahrnehmen sollen. Als die Kinder Israels in den Tagen vor der erweiterten Offenbarung Jahves aus Ägypten auszogen, besaßen sie zehn Gebote, die ihnen bis zu der Zeit, als sie vor dem Sinai lagerten, als Gesetz dienten. Und diese zehn Gebote lauteten: 1. Ihr sollt keinen anderen Gott anbeten, denn der Herr ist ein eifersüchtiger Gott. 2. Ihr sollt keine Götterfiguren gießen. 3. Ihr sollt nicht versäumen, das Fest der ungesäuerten Brote einzuhalten. 4. Alle männlichen Erstgeborenen von Mensch oder Vieh gehören mir, spricht der Herr. 5. Sechs Tage sollt ihr arbeiten, aber am siebenten sollt ihr ruhen. 6. Unterlasst es nicht, das Fest der ersten Früchte und das Fest der Einsammlung am Jahresende zu feiern. 7. Ihr sollt kein Opferblut mit gesäuertem Brot darbringen. 8. Am Passahfest sollt ihr mit dem Opfern nicht aufhören, ehe es Morgen ist. 9. Ihr sollt die allerersten Früchte der Erde zum Hause des Herrn eures Gottes bringen. 10. Ihr sollt ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter sieden. Und dann, inmitten des Donners und der Blitze am Sinai, gab Moses ihnen die neuen zehn Gebote, die, wie ihr mir alle beipflichten werdet, würdigere Äußerungen sind, um die sich erweiternden, auf Jahve bezüglichen Vorstellungen von der Gottheit zu begleiten. Und habt ihr bei der doppelten Aufzeichnung dieser Gebote in den Schriften nie bemerkt, dass im ersten Fall als Grund für die Einhaltung des Sabbats die Befreiung von Ägypten angegeben wird, während in einer späteren Abfassung die fortschreitenden religiösen Überzeugungen unserer Vorväter verlangten, dass dies ersetzt werde durch die Anerkennung der Schöpfungstatsache als Grund dafür, den Sabbat einzuhalten? "Und ferner mögt ihr euch daran erinnern, dass während der größeren geistigen Klarheit in den Tagen Jesajas diese zehn negativen Gebote wiederum in das große und bejahende Gesetz der Liebe umgeformt wurden, in die Aufforderung, Gott über alles zu lieben und euren Nächsten wie euch selber. Und auch ich erkläre euch, dass dieses allerhöchste Gebot der Liebe zu Gott und den Menschen die ganze Pflicht des Menschen darstellt." Nachdem er fertig gesprochen hatte, stellte keiner ihm eine Frage. Sie gingen, ein jeder zu seinem Schlaflager. ***** 142.4 Flavius und die griechische Kultur ***** Der griechische Jude Flavius war ein Proselyt ohne Zutritt zum Tempel, da er weder beschnitten, noch getauft worden war. Dieser große Bewunderer der Schönheit in Kunst und Skulptur bewohnte während seiner Aufenthalte in Jerusalem ein prächtiges Gebäude. Dieses Heim war in erlesener Art mit unschätzbaren Kostbarkeiten geschmückt, die er da und dort auf seinen Weltreisen erstanden hatte. Als er das erste Mal daran dachte, Jesus zu sich einzuladen, befürchtete er, der Anblick dieser sogenannten Bildnisse könnte bei dem Meister Anstoß erregen. Aber Flavius war angenehm überrascht, als Jesus das Haus betrat und anstatt ihn wegen der überall im Hause verstreuten angeblichen götzendienerischen Gegenstände zu tadeln, an der ganzen Sammlung großes Interesse bekundete und vor jedem Objekt viele anerkennende Fragen stellte, während Flavius ihn von Raum zu Raum führte und ihm all seine Lieblingsstatuen zeigte. Der Meister bemerkte, dass seine freundliche Einstellung zur Kunst seinen Gastgeber verwirrte. Deshalb sagte Jesus, als sie die ganze Sammlung besichtigt hatten: "Warum solltest du Tadel erwarten, weil du Gefallen an den von meinem Vater geschaffenen und von menschlichen Künstlerhänden gestalteten Dingen findest? Warum sollten alle Menschen die Wiedergabe von Anmut und Schönheit missbilligen, nur weil Moses einst Götzendienst und die Verehrung falscher Götter zu bekämpfen suchte? Ich sage dir, Flavius, Moses Kinder haben ihn missverstanden, und jetzt machen sie aus eben diesen Verboten von Bildsäulen und Darstellungen himmlischer und irdischer Dinge falsche Götter. Aber auch wenn Moses den verdunkelten Gemütern jener Tage solche Einschränkungen auferlegte, was hat denn das mit dem heutigen Tag zu tun, da der Vater im Himmel als universaler Geist-Herrscher über alles geoffenbart wird? Und ich erkläre, Flavius, dass man im kommenden Königreich nicht mehr lehren wird, `Betet dies nicht an, und betet das nicht an', und man sich nicht mehr um Gebote kümmern wird, dieses zu unterlassen und bedacht zu sein, jenes nicht zu tun. Vielmehr werden alle sich nur noch um eine einzige höchste Pflicht kümmern. Und diese menschliche Pflicht drückt sich in zwei großen Privilegien aus: aufrichtige Anbetung des unendlichen Schöpfers, des Paradies-Vaters, und liebendes Dienen an unseren Mitmenschen. Wenn du deinen Nächsten wie dich selber liebst, dann weißt du wahrhaftig, dass du ein Sohn Gottes bist. "In einem Zeitalter, da man meinen Vater nicht gut verstand, hatte Moses mit gutem Recht versucht, sich der Götzenanbetung zu widersetzen, aber das kommende Zeitalter wird auf die Offenbarung des Vaters im Leben des Sohnes blicken können, und diese neue Offenbarung Gottes wird es für immer unmöglich machen, den Schöpfervater mit steinernen Götzenbildern oder Statuen aus Gold und Silber zu verwechseln. Von jetzt an können sich intelligente Menschen an Kunstschätzen erfreuen, ohne eine solche materielle Würdigung der Schönheit mit der Anbetung des Paradies-Vaters und mit dem Dienst an ihm, dem Gott aller Dinge und Wesen, zu verwechseln." Flavius glaubte alles, was Jesus ihn lehrte. Am nächsten Tag ging er nach Bethanien jenseits des Jordans und ließ sich von den Jüngern des Johannes taufen. Und er tat dies, weil Jesu Apostel die Gläubigen noch nicht tauften. Wieder nach Jerusalem zurückgekehrt, gab Flavius ein großes Fest für Jesus und lud dazu sechzig seiner Freunde ein. Und viele von diesen Gästen begannen ebenfalls, an die Botschaft des kommenden Königreichs zu glauben. ***** 142.5 Die Ansprache über die Gewissheit ***** Eine der großen Predigten, die Jesus in dieser Passahwoche im Tempel hielt, war die Antwort auf eine Frage, die einer seiner Zuhörer, ein Mann aus Damaskus, an ihn richtete. Dieser Mann fragte Jesus: "Aber Rabbi, wie können wir mit Sicherheit wissen, dass du von Gott gesandt bist und dass wir tatsächlich in dieses Königreich eintreten können, von dem du und deine Jünger sagen, es sei ganz nah?" Und Jesus gab zur Antwort: Was meine Botschaft und die Unterweisung meiner Jünger betrifft, so solltet ihr sie nach ihren Früchten beurteilen. Wenn wir euch die Wahrheiten des Geistes verkündigen, dann wird der Geist in euren Herzen bezeugen, dass unsere Botschaft echt ist. Was das Königreich und eure Gewissheit, vom himmlischen Vater angenommen zu sein, anbelangt, so lasst mich fragen: Welcher achtbare und gütige Vater unter euch ließe seinen Sohn in Hangen und Bangen über seine Stellung in der Familie oder seinen gesicherten Platz im liebenden Herzen seines Vaters? Macht ihr irdischen Väter euch etwa ein Vergnügen daraus, eure Kinder mit der Ungewissheit zu quälen, ob sie in euren menschlichen Herzen einen Platz bleibender Liebe haben? Ebenso wenig lässt euer Vater im Himmel seine gläubigen Kinder des Geistes in Zweifel und Ungewissheit über ihre Stellung im Königreich. Wenn ihr Gott als euren Vater empfangt, dann seid ihr in Tat und Wahrheit Söhne Gottes. Und als solchen Söhnen sind euch Stellung und Rang in allem sicher, was mit der ewigen und göttlichen Sohnschaft verbunden ist. Wenn ihr meine Worte glaubt, glaubt ihr zugleich an Ihn, der mich gesandt hat, und durch diesen Glauben an den Vater habt ihr euch auch euer himmlisches Heimatrecht gesichert. Wenn ihr den Willen des Vaters im Himmel tut, werdet ihr unfehlbar das ewige Leben der Entfaltung im göttlichen Königreich erlangen. Der Höchste Geist wird mit eurem Geist bezeugen, dass ihr wahrhaft Gottes Kinder seid. Und wenn ihr Gottes Söhne seid, dann seid ihr aus dem Geiste Gottes geboren; und wer immer aus dem Geiste geboren ist, der hat in sich selber die Macht, mit jedem Zweifel fertig zu werden; das ist der Sieg, der alle Ungewissheit überwindet: eben euer Glaube. "Der Prophet Jesaja sagte, als er von der jetzigen Zeit sprach: `Wenn der Geist vom Himmel auf uns ausgegossen wird, dann wird das Werk der Rechtschaffenheit auf ewig Frieden, innere Ruhe und Gewissheit bewirken.' Und für alle, die wahrhaftig an dieses Evangelium glauben, werde ich zur Gewissheit für ihre Aufnahme in die ewige Barmherzigkeit und das immerwährende Leben in meines Vaters Königreich. Also seid ihr, die ihr diese Botschaft vernehmt und an dieses Evangelium des Königreichs glaubt, Söhne Gottes, und ihr habt das ewige Leben; und der Beweis vor aller Welt, dass ihr aus dem Geiste geboren seid, ist die Tatsache, dass ihr einander aufrichtig liebt." Die Menge der Zuhörer blieb stundenlang bei Jesus, stellte ihm Fragen und hörte seinen trostreichen Antworten aufmerksam zu. Jesu Reden ermutigten sogar die Apostel dazu, das Evangelium des Königreichs machtvoller und sicherer zu verkündigen. Diese Erfahrung in Jerusalem war für die Zwölf eine große Inspiration. Es war ihr erster Kontakt mit solch riesigen Menschenmassen, und sie lernten viele wertvolle Lektionen, die sich für sie in ihrem späteren Wirken als äußerst hilfreich erwiesen. ***** 142.6 Das Gespräch mit Nikodemus ***** Eines Abends suchte ein gewisser Nikodemus, ein reicher, älterer Angehöriger des jüdischen Sanhedrins, Jesus im Hause des Flavius auf. Er hatte viel von den Lehren dieses Galiläers gehört, und so begab er sich eines Nachmittags in den Tempelhof, um ihn lehren zu hören. Und er wäre häufig zu diesem Zweck dorthin gegangen, aber er fürchtete, von den Leuten, die Jesu Unterweisung beiwohnten, bemerkt zu werden; denn die Führer der Juden standen schon so sehr im Widerspruch zu Jesus, dass kein Mitglied des Sanhedrins öffentlich in irgendeinen Zusammenhang mit ihm gebracht werden wollte. Folglich war Nikodemus mit Andreas übereingekommen, Jesus an eben diesem Abend privat und nach Einfall der Dunkelheit zu treffen. Petrus, Jakobus und Johannes befanden sich im Garten des Flavius, als die Unterredung begann, aber später begaben sich alle ins Haus, wo das Gespräch weiterging. Als Jesus Nikodemus empfing, legte er keine besondere Ehrerbietung an den Tag; im Gespräch mit ihm gab es weder Kompromiss noch ungebührliche Überredung. Der Meister unternahm nichts, um seinen heimlichen Besucher zurückzuweisen, noch war er sarkastisch. In seinem ganzen Verhalten gegenüber dem vornehmen Besucher war Jesus ruhig, ernst und würdig. Nikodemus war kein offizieller Abgeordneter des Sanhedrins; er war einzig aus persönlichem und aufrichtigem Interesse an des Meisters Lehren zu Jesus gekommen. Nachdem Flavius ihn vorgestellt hatte, sagte Nikodemus: "Rabbi, wir wissen, dass du ein von Gott gesandter Lehrer bist, denn kein Mensch könnte auf diese Weise lehren, wäre nicht Gott auf seiner Seite. Und ich bin begierig, mehr über deine Lehren vom kommenden Königreich zu erfahren." Jesus antwortete Nikodemus: "Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, Nikodemus, kein Mensch kann das Königreich Gottes sehen, es sei denn, er sei vom Himmel geboren." Da erwiderte Nikodemus: "Aber wie kann ein Mensch von neuem geboren werden, wenn er alt ist? Er kann nicht ein zweites Mal in seiner Mutter Leib eintreten, um wieder geboren zu werden." Jesus sagte: "Und doch erkläre ich dir, dass ein Mensch, außer er sei vom Geiste geboren, nicht ins Königreich Gottes eintreten kann. Was vom Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was vom Geist geboren ist, ist Geist. Aber du solltest dich nicht darüber wundern, dass ich sagte, ihr müsst vom Himmel geboren sein. Wenn der Wind weht, hörst du das Rascheln der Blätter, aber du siehst den Wind nicht - weder woher er kommt, noch wohin er geht - und dasselbe gilt für jeden aus dem Geiste Geborenen. Mit den leiblichen Augen kann man zwar die Manifestationen des Geistes erblicken, aber man kann den Geist nicht wirklich erkennen." Nikodemus erwiderte: "Aber ich verstehe nicht - wie kann das sein?". Jesus sagte: "Ist es möglich, dass du ein Lehrer in Israel bist und trotzdem nichts von alledem weißt? Dann wird es zur Pflicht derjenigen, die um die Realitäten des Geistes wissen, diese Dinge denen zu eröffnen, die nur die Manifestationen der materiellen Welt wahrnehmen. Aber wirst du uns glauben, wenn wir dir von den himmlischen Wahrheiten erzählen? Hast du den Mut, Nikodemus, an einen, der vom Himmel herabgestiegen ist, zu glauben, nämlich an den Menschensohn?" Und Nikodemus sprach: "Aber wie kann ich nur erst diesen Geist erfassen, der mich neu schaffen soll als Vorbereitung auf den Eintritt ins Königreich?" Jesus antwortete: "Schon wohnt der Geist des himmlischen Vaters in dir. Wenn du dich von diesem Geist aus dem Himmel führen lassen wolltest, würdest du sehr bald beginnen, mit den Augen des Geistes zu sehen. Wenn du dann von ganzem Herzen die Führung durch den Geist wähltest, würdest du aus dem Geiste geboren, da ja dein einziges Ziel im Leben wäre, den Willen deines Vaters im Himmel zu tun. Und solcherweise vom Geist geboren und glücklich im Königreich Gottes, würdest du beginnen, in deinem täglichen Leben die Früchte des Geistes in Fülle hervorzubringen." Nikodemus war vollkommen aufrichtig. Er war tief beeindruckt, aber er ging verstört weg. Er hatte vollendete Selbstentfaltung und Selbstbeherrschung erreicht und besaß sogar hohe sittliche Qualitäten. Er war kultiviert, egoistisch und altruistisch, aber er wusste nicht, wie seinen Willen demjenigen des göttlichen Vaters zu unterwerfen nach Art eines kleinen Kindes, das sich willig der Führung und Leitung eines weisen und liebenden irdischen Vaters anvertraut, und dadurch in Wirklichkeit ein Sohn Gottes, ein sich weiter entwickelnder Erbe des ewigen Königreichs zu werden. Aber Nikodemus brachte genug Glauben auf, um vom Königreich Besitz zu ergreifen. Er erhob kraftlosen Protest, als seine Kollegen vom Sanhedrin versuchten, Jesus ohne Anhörung zu verurteilen; mit Joseph von Arimathäa bekannte er sich später kühn zu seinem Glauben und verlangte den Leichnam Jesu sogar, als die meisten Jünger furchtsam vom Ort der letzten Leiden und des Todes ihres Meisters geflohen waren. ***** 142.7 Die Lektion über die Familie ***** Nach der an Unterweisung und persönlicher Arbeit reichen Passahwoche in Jerusalem verbrachte Jesus den nächsten Mittwoch mit seinen Aposteln in Bethanien, um sich auszuruhen. An jenem Nachmittag stellte Thomas eine Frage, die eine lange und lehrreiche Antwort hervorrief. Thomas sagte: "Am Tag unserer Berufung zu besonderen Botschaftern des Königreichs hast du uns viele Dinge gesagt und uns Anweisungen für unsere persönliche Lebensführung gegeben; was aber sollen wir die Menge lehren? Wie sollen diese Leute leben, wenn einmal das Königreich machtvoller kommt? Sollen deine Jünger Sklaven besitzen? Sollen alle, die an dich glauben, die Armut suchen und den Besitz meiden? Soll einzig die Barmherzigkeit herrschen, so dass wir weder Gesetz noch Rechtsprechung nötig haben werden?" Jesus und die Zwölf verbrachten den ganzen Nachmittag und den ganzen Abend nach dem Essen mit der Diskussion der Fragen von Thomas. Für diesen Bericht geben wir die folgende Zusammenfassung der Anweisungen des Meisters: Jesus suchte zuerst seinen Aposteln klar zu machen, dass er selber auf Erden weilte, um ein einmaliges Dasein im Fleisch zu leben, und dass an sie, die Zwölf, der Ruf ergangen war, an dieser Selbsthingabe-Erfahrung des Menschensohnes teilzuhaben, und dass ihnen als solchen Mitarbeitern ebenfalls viele der besonderen Einschränkungen und Verpflichtungen der ganzen Selbsthingabe-Erfahrung auferlegt waren. Es fiel eine versteckte Andeutung, der Menschensohn sei die einzige Person, die je auf Erden gelebt, die gleichzeitig in das Herz Gottes und in die Tiefen der menschlichen Seele sehen könne. Unmissverständlich erklärte Jesus, dass das Königreich des Himmels eine evolutionäre Erfahrung ist, die hier auf Erden beginnt und durch aufeinander folgende Lebensstationen bis ins Paradies fortschreitet. Im Laufe des Abends machte er die eindeutige Mitteilung, dass er in einem bestimmten zukünftigen Entwicklungsstadium des Königreichs in geistiger Macht und göttlicher Herrlichkeit diese Welt wiederum besuchen werde. Danach erklärte er, dass die "Idee des Königreichs" nicht die beste Art sei, um die Beziehung des Menschen zu Gott zu veranschaulichen; dass er diese Metapher nur deshalb gebrauche, weil die Juden das Königreich erwarteten und weil Johannes vom kommenden Königreich gepredigt hatte. Jesus sagte: "Die Menschen eines späteren Zeitalters werden das Evangelium des Königreichs besser verstehen, wenn es in Worten, die die Familienbeziehung zum Ausdruck bringen, dargeboten wird - wenn die Menschen die Religion als die Lehre von der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft der Menschen, der Sohnesbeziehung zu Gott, verstehen." Dann sprach der Meister recht ausführlich über die irdische Familie als einer Veranschaulichung der himmlischen Familie und formulierte erneut die zwei fundamentalen Lebensgesetze: das erste Gebot der Liebe zum Vater, dem Haupt der Familie, und das zweite Gebot gegenseitiger Liebe unter den Geschwistern: seinen Bruder wie sich selber zu lieben. Und dann erklärte er, dass eine brüderliche Liebe dieser Art sich unfehlbar als selbstloser und liebender Dienst an der Gemeinschaft kundtue. Darauf folgte die denkwürdige Besprechung der grundlegenden Merkmale des Familienlebens und ihrer Anwendung auf die zwischen Gott und Mensch bestehende Beziehung. Jesus erklärte, dass sich eine wahre Familie auf die sieben folgenden Tatsachen gründet: 1. Die Tatsache der Existenz. Die Beziehungen der Natur und die Phänomene der menschlichen Ähnlichkeit sind in der Familie eng verknüpft: Die Kinder erben gewisse elterliche Eigenschaften. Die Kinder haben ihren Ursprung in den Eltern; die Existenz der Persönlichkeit hängt vom Akt des Erzeugers ab. Die Vater-Kind-Beziehung wohnt aller Natur inne und durchdringt alle lebenden Existenzen. 2. Sicherheit und Vergnügen. Wahren Vätern bereitet es große Freude, für die Bedürfnisse ihrer Kinder zu sorgen. Viele Väter geben sich nicht damit zufrieden, ihre Kinder nur mit dem Nötigen zu versehen, sondern lieben es, ihnen ebenfalls Vergnügen zu verschaffen. 3. Erziehung und Schulung. Weise Väter planen die Erziehung und passende Schulung ihrer Söhne und Töchter mit Sorgfalt. In jungen Jahren werden diese auf die größeren Verantwortungen des späteren Lebens vorbereitet. 4. Disziplin und Einschränkung. Weitblickende Väter sorgen auch für die nötige Disziplin, Führung und Zurechtweisung ihrer jungen und unreifen Sprösslinge und legen ihnen manchmal Beschränkungen auf. 5. Kameradschaft und Treue. Ein liebevoller Vater unterhält zu seinen Kindern eine innige und liebende Beziehung. Immer hat er für ihre Bitten ein offenes Ohr; er ist immer bereit, sich ihrer Nöte anzunehmen und ihnen bei ihren Schwierigkeiten zu helfen. Der Vater ist in höchstem Maße am zunehmenden Wohlergehen seiner Nachkommen interessiert. 6. Liebe und Erbarmen. Ein teilnahmsvoller Vater vergibt großzügig; Väter haben ihren Kindern gegenüber kein rachsüchtiges Gedächtnis. Väter sind nicht wie Richter, Feinde oder Gläubiger. Wahre Familien sind auf Toleranz, Geduld und Vergebung aufgebaut. 7. Vorsorge für die Zukunft. Irdische Väter hinterlassen ihren Söhnen gern ein Erbe. Die Familie pflanzt sich von Generation zu Generation fort. Der Tod setzt einer Generation nur ein Ende, um den Beginn einer anderen anzuzeigen. Der Tod ist das Ende eines individuellen Lebens, aber nicht notwendigerweise der Familie. Stundenlang diskutierte der Meister die Anwendung dieser Grundzüge des Familienlebens auf die Beziehungen des Menschen, des Erdenkindes, zu Gott, dem Paradies-Vater. Und er gelangte zu diesem Schluss: "Diese gesamte Beziehung eines Sohnes zum Vater kenne ich in Vollkommenheit, denn alles, was ihr an Sohnschaft in der ewigen Zukunft zu verwirklichen habt, habe ich jetzt schon erreicht. Der Menschensohn ist bereit, zur Rechten des Vaters aufzusteigen, und so ist nun in mir für euch alle der Weg noch weiter offen, um Gott zu sehen und so vollkommen zu werden, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist, noch ehe ihr euer glorreiches Fortschreiten beendet habt." Als die Apostel diese überraschenden Worte hörten, kam ihnen in den Sinn, was Johannes zur Zeit von Jesu Taufe erklärt hatte, und bei ihrem Predigen und Lehren nach des Meisters Tod und Auferstehung erinnerten sie sich sehr lebhaft an diese Stunde. Jesus ist ein göttlicher Sohn, der das volle Vertrauen des Universalen Vaters besitzt. Er war beim Vater gewesen und hatte ihn voll verstanden. Er hatte nun sein irdisches Leben zur vollen Zufriedenheit des Vaters gelebt, und die Inkarnation hatte ihn befähigt, die Menschen voll zu verstehen. Jesus war die Vollendung eines Menschen. Er hatte genau dieselbe Vollkommenheit erreicht, die in ihm und durch ihn zu erreichen allen wahren Gläubigen bestimmt ist. Jesus offenbarte dem Menschen einen Gott der Vollkommenheit und verkörperte selber den vervollkommneten Sohn der Welten vor Gott. Obwohl Jesus mehrere Stunden lang gesprochen hatte, war Thomas noch nicht befriedigt, denn er sagte: "Aber, Meister, wir finden nicht, dass der Vater im Himmel immer freundlich und erbarmungsvoll mit uns umgeht. Oft leiden wir bitter auf Erden, und unsere Gebete werden nicht immer erhört. Woran liegt es, dass wir die Bedeutung deiner Lehre nicht begreifen?" Jesus erwiderte: "Thomas, Thomas, wie lange wird es dauern, bis du die Fähigkeit erlangst, mit dem Ohr des Geistes zu hören? Wie lange wird es dauern, bis du erkennst, dass dieses Königreich ein geistiges Königreich ist, und dass auch mein Vater ein geistiges Wesen ist? Versteht ihr nicht, dass ich euch als geistige Kinder in der geistigen Familie des Himmels unterrichte, deren väterliches Haupt ein unendlicher und ewiger Geist ist? Wollt ihr mir nicht erlauben, die irdische Familie zur Veranschaulichung göttlicher Beziehungen zu gebrauchen, ohne meine Worte so buchstäblich auf die materiellen Angelegenheiten anzuwenden? Könnt ihr in eurer Vorstellung die geistigen Realitäten des Königreichs nicht von den materiellen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Problemen dieser Zeit trennen? Warum, wenn ich die Sprache des Geistes spreche, besteht ihr darauf, das, was ich meine, in die Sprache des Fleisches zu übersetzen, bloß weil ich mir erlaube, zum Zwecke der Veranschaulichung alltägliche und realistische Beziehungen anzuführen? Meine Kinder, ich bitte euch flehentlich, damit aufzuhören, die Lehren des Königreichs des Geistes auf so niedrige Angelegenheiten wie Sklaverei, Armut, Häuser und Land und auf die materiellen Probleme menschlicher Billigkeit und Gerechtigkeit anzuwenden. Diese zeitlichen Angelegenheiten sind Sache der Menschen dieser Welt, und obwohl sie in gewisser Hinsicht alle Menschen betreffen, seid ihr berufen worden, mich in der Welt zu vertreten; so wie ich meinen Vater vertrete. Ihr seid geistige Botschafter eines geistigen Königreiches, besondere Vertreter des geistigen Vaters. Es sollte mir jetzt möglich sein, euch als erwachsene Menschen des Königreichs des Geistes zu unterrichten. Muss ich mich an euch immer wie an Kinder wenden? Werdet ihr in geistiger Wahrnehmung nie erwachsen? Trotzdem, ich liebe euch und werde mit euch nachsichtig sein bis ans Ende unserer persönlichen Zusammenarbeit. Und selbst dann wird mein Geist euch in alle Welt vorangehen." ***** 142.8 Im Süden von Judäa ***** Gegen Ende April war unter den Pharisäern und Sadduzäern der Widerstand gegen Jesus so deutlich geworden, dass der Meister und seine Apostel sich entschieden, Jerusalem für eine Weile zu verlassen und sich südwärts nach Bethlehem und Hebron zu begeben, um dort zu arbeiten. Sie verbrachten den ganzen Monat Mai mit persönlicher Arbeit in diesen Städten und unter den Dorfbewohnern der Umgebung. Sie predigten in dieser Zeit nie öffentlich, sondern gingen nur von Haus zu Haus. Während die Apostel das Evangelium verkündeten und die Kranken betreuten, verbrachten Jesus und Abner einen Teil der Zeit mit dem Besuch der Nasiräerkolonie in Engedi. Von diesem Ort aus war Johannes der Täufer ausgezogen, und Abner war das Haupt der Gruppe gewesen. Viele Angehörige der Bruderschaft der Nasiräer begannen, an Jesus zu glauben, aber die Mehrzahl dieser asketischen und exzentrischen Männer weigerte sich, ihn als vom Himmel gesandten Lehrer anzunehmen, weil er weder Fasten noch andere Formen der Selbstverleugnung lehrte. Die Leute, die in dieser Gegend lebten, wussten nicht, dass Jesus in Bethlehem geboren war. Sie nahmen immer an, der Meister sei in Nazareth geboren - was auch die Mehrzahl seiner Jünger glaubte - aber die Zwölf kannten die Tatsachen. Dieser Aufenthalt im Süden von Judäa war eine erholsame und fruchtbare Arbeitsperiode; viele Seelen wurden dem Königreich hinzugewonnen. Mit den ersten Junitagen hatte sich die Agitation gegen Jesus in Jerusalem so weit gelegt, dass der Meister und die Apostel zurückkehrten, um Gläubige zu unterrichten und zu bestärken. Obwohl Jesus und die Apostel den ganzen Monat Juni in Jerusalem oder in der Nähe verbrachten, predigten sie in dieser Zeit nicht öffentlich. Meistens lebten sie in Zelten, die sie in einem schattigen Park oder Garten aufschlugen, der damals Gethsemane genannt wurde. Dieser Park lag am Westhang des Ölbergs, nicht weit vom Bach Kidron. Die Sabbatwochenenden verbrachten sie gewöhnlich mit Lazarus und seinen Schwestern in Bethanien. Jesus hielt sich nur wenige Male innerhalb der Stadtmauern von Jerusalem auf, aber eine große Zahl interessierter Fragesteller kam ihn in Gethsemane aufsuchen. An einem Freitagabend wagten sich Nikodemus und ein gewisser Joseph von Arimathäa zu Jesus hinaus, aber obwohl sie bereits vor dem Eingang zu des Meisters Zelt standen, kehrten sie aus Angst wieder um. Natürlich ahnten sie nicht, dass Jesus um all ihr Tun wusste. Als die Führer der Juden vernahmen, dass Jesus nach Jerusalem zurückgekehrt war, schickten sie sich an, ihn zu verhaften; aber als sie feststellten, dass er nicht öffentlich predigte, folgerten sie, dass ihre frühere Hetze ihn eingeschüchtert habe, und entschieden, ihm zu erlauben, seine Lehrtätigkeit in dieser privaten Art fortzusetzen, ohne ihn weiter zu belästigen. Und so nahmen die Dinge einen ruhigen Verlauf, bis in den letzten Junitagen ein gewisser Simon, Mitglied des Sanhedrins, sich öffentlich für die Lehre Jesu einsetzte, nachdem er sich vor den Führern der Juden zu ihr bekannt hatte. Augenblicklich ging eine neue Hetze zur Festnahme Jesu los, die so stark wurde, dass der Meister beschloss, sich in die Städte Samarias und der Dekapolis zurückzuziehen. ****** Kapitel 143 Sie Ziehen durch Samaria ****** ENDE Juni 27 n. Chr. - angesichts des wachsenden Widerstandes der jüdischen religiösen Führer - verließen Jesus und die Zwölf Jerusalem, nachdem sie ihre Zelte und spärlichen persönlichen Habseligkeiten zur Aufbewahrung ins Haus des Lazarus in Bethanien gebracht hatten. Auf ihrem Weg nordwärts nach Samaria verweilten sie den Sabbat über in Bethel. Sie predigten hier mehrere Tage lang zu den aus Gophna und Ephraim herbeigekommenen Leuten. Eine Gruppe von Bürgern aus Arimathäa und Thamna kam, um Jesus zum Besuch ihrer Dörfer einzuladen. Der Meister und seine Apostel verbrachten mehr als zwei Wochen mit der Unterweisung der Juden und Samaritaner dieser Gegend. Viele von ihnen waren von so weit entlegenen Orten wie Antipatris hergekommen, um die gute Nachricht vom Königreich zu hören. Die Bewohner des südlichen Samaria hörten Jesus mit Freuden zu, und die Apostel mit Ausnahme von Judas Iskariot vermochten manche ihrer Vorurteile gegen die Samaritaner zu überwinden. Es fiel Judas äußerst schwer, diese Samaritaner zu lieben. In der letzten Juliwoche schickten Jesus und seine Gefährten sich an, sich in die neuen griechischen Städte Phasaelis und Archelais in der Nähe des Jordans zu begeben. ***** 143.1 Sie predigen in Archelais ***** In der ersten Augusthälfte schlug die apostolische Gemeinschaft ihr Hauptquartier in den griechischen Städten Archelais und Phasaelis auf, wo die Apostel zum ersten Mal die Erfahrung machten, zu einer fast nur aus Nichtjuden bestehenden Zuhörerschaft von Griechen, Römern und Syrern zu sprechen; denn nur ganz wenige Juden wohnten in diesen beiden griechischen Städten. In der Begegnung mit diesen römischen Bürgern stießen die Apostel auf neue Schwierigkeiten bei der Verkündigung der Botschaft des kommenden Königreichs, und sie sahen sich mit neuen Einwänden gegen Jesu Lehren konfrontiert. Bei einer der zahlreichen abendlichen Zusammenkünfte mit seinen Aposteln, als die Zwölf über ihre Erfahrungen bei ihrer persönlichen Arbeit mit den Menschen berichteten, hörte Jesus sich aufmerksam diese Einwände gegen das Evangelium des Königreichs an. Eine von Philipp gestellte Frage war für ihre Schwierigkeiten bezeichnend. Philipp sagte: "Meister, diese Griechen und Römer nehmen unsere Botschaft auf die leichte Schulter und sagen, dass solche Lehren nur für Schwächlinge und Sklaven taugen. Sie behaupten, die Religion der Heiden sei unserer Lehre überlegen, da sie zur Erwerbung eines starken, widerstandsfähigen und dynamischen Charakters anrege. Sie versichern, wir bekehrten alle Menschen zu geschwächten Exemplaren von passiven Widerstandslosen, die bald vom Erdboden verschwinden würden. Sie haben dich gern, Meister, und geben freimütig zu, dass deine Lehre himmlisch und ideal ist, aber sie wollen uns nicht ernst nehmen. Sie behaupten, deine Religion sei nicht für diese Welt und die Menschen könnten nicht so leben, wie du es lehrst. Nun, Meister, was sollen wir diesen Heiden sagen?" Nachdem Jesus sich auch ähnliche von Thomas, Nathanael, Simon Zelotes und Matthäus vorgebrachte Einwände gegen das Evangelium des Königreichs angehört hatte, sprach er zu den Zwölf: "Ich bin in diese Welt gekommen, um den Willen meines Vaters auszuführen und der ganzen Menschheit seinen liebenden Charakter zu offenbaren. Dies, meine Brüder, ist meine Sendung. Und diese Aufgabe werde ich erfüllen, auch wenn Juden oder Nichtjuden der heutigen Zeit oder einer anderen Generation meine Lehren missverstehen. Aber ihr solltet die Tatsache nicht übersehen, dass selbst göttliche Liebe strenge Disziplin kennt. Die Liebe eines Vaters für seinen Sohn zwingt den Vater häufig, den unklugen Handlungen seines unüberlegten Sprösslings Einhalt zu gebieten. Das Kind versteht die weisen und liebenden Beweggründe der einschränkenden Disziplin des Vaters nicht immer. Aber ich erkläre euch, dass mein Vater im Paradies tatsächlich kraft der unwiderstehlichen Macht seiner Liebe ein Universum von Universen beherrscht. Die Liebe ist die größte aller Geistrealitäten. Die Wahrheit ist eine befreiende Offenbarung, aber die Liebe ist die höchste aller Beziehungen. Und wie grob die Fehler auch sein mögen, die eure Mitmenschen bei der Bewältigung der heutigen Welt machen, so wird doch in einem zukünftigen Zeitalter das Evangelium, das ich euch verkündige, diese nämliche Welt regieren. Das Endziel menschlichen Fortschritts ist die ehrfürchtige Anerkennung der Vaterschaft Gottes und die liebende Verwirklichung der Brüderlichkeit unter den Menschen. Aber wer sagte euch, dass mein Evangelium nur für Sklaven und Schwächlinge bestimmt sei? Seht ihr, meine berufenen Apostel, wie Schwächlinge aus? Glich Johannes etwa einem Schwächling? Habt ihr je festgestellt, dass ich von Furcht beherrscht werde? Es ist wahr, dass das Evangelium den Armen und Schwachen dieser Generation gepredigt wird. Die Religionen dieser Welt haben die Armen vernachlässigt, aber mein Vater kennt kein Ansehen der Person. Übrigens sind es heute die Armen, die der Aufforderung zu Reue und Anerkennung der Gottessohnschaft als erste Folge leisten. Das Evangelium des Königreichs soll aber allen Menschen gepredigt werden - Juden und Heiden, Griechen und Römern, Reichen und Armen, Freien und Sklaven - und ebenso Jungen und Alten wie Männern und Frauen. Aber macht euch nicht den Gedanken zu eigen, der Dienst am Königreich sei monoton und mühelos, weil mein Vater ein Gott der Liebe ist und große Freude an barmherzigen Tun hat. Der Aufstieg zum Paradies ist das größte Abenteuer aller Zeiten, die mühsame Eroberung der Ewigkeit. Der Dienst am Königreich auf Erden wird die ganze mutige Männlichkeit abverlangen, die ihr und eure Mitarbeiter aufzubringen imstande seid. Viele von euch werden für ihre Treue zum Evangelium des Königreichs getötet werden. Es ist leicht, an der Front einer physischen Schlacht zu sterben, wenn euer Mut durch die Gegenwart eurer kämpfenden Kameraden gestärkt wird, aber es bedarf einer höheren und wesentlicheren Art menschlichen Muts und menschlicher Hingabe, um euer Leben ganz allein und ruhig einzig aus Liebe zu einer in eurem sterblichen Herzen gehüteten Wahrheit zu opfern. "Heute verhöhnen die Ungläubigen euch vielleicht, weil ihr ein Evangelium der Widerstandslosigkeit predigt und ein gewaltloses Leben führt; aber ihr seid die ersten Freiwilligen in einer langen Reihe von aufrichtigen Gläubigen des Evangeliums dieses Königreichs, welche die ganze Menschheit durch ihre heldenhafte Hingabe an diese Lehren in Erstaunen versetzen werden. Keine Armeen der Welt haben je mehr Mut und Tapferkeit an den Tag gelegt, als ihr und eure treuen Nachfolger beweisen werdet, die ihr in alle Welt hinausgehen und die gute Nachricht von der Vaterschaft Gottes und der Brüderlichkeit der Menschen verkünden werdet. Der physische Mut ist die niedrigste Form von Tapferkeit. Verstandesmut ist eine höhere Art von menschlicher Tapferkeit, die höchste und größte aber ist das kompromisslose Festhalten am erleuchteten Überzeugtsein von tiefgründigen geistigen Realitäten. Und aus solcher Tapferkeit besteht der Heroismus desjenigen, der Gott kennt. Und ihr alle kennt Gott, denn ihr seid wahrlich die persönlichen Gefährten des Menschensohns." Das war nicht alles, was Jesus bei dieser Gelegenheit sagte, sondern nur die Einleitung zu seinen Ausführungen; des Langen und Breiten entwickelte und veranschaulichte er sodann das Gesagte. Das war eine der leidenschaftlichsten je an die Zwölf gerichteten Reden Jesu. Selten sprach der Meister zu seinen Aposteln mit sichtlich starken Gefühlen, aber dies war eine jener wenigen Gelegenheiten, bei denen er mit einem großen, von tiefer Gemütsbewegung begleiteten Ernst sprach. Die Wirkung auf die öffentliche Predigt der Apostel und ihren Dienst am Einzelnen war unmittelbar; von jenem Tag an gewann ihre Botschaft einen neuen Klang mutiger Bestimmtheit. Die Zwölf eigneten sich immer mehr den Geist positiver Dynamik des neuen Evangeliums vom Königreich an. Von dem Tag an legten sie nicht mehr so viel Gewicht auf das Predigen der negativen Tugenden und passiven Aufforderungen in der vielseitigen Lehre ihres Meisters. ***** 143.2 Lektion über die Selbstbeherrschung ***** Der Meister war ein vollendetes Beispiel menschlicher Selbstbeherrschung. Wurde er geschmäht, so schmähte er nicht; litt er, so stieß er keine Drohungen gegen seine Peiniger aus; klagten ihn seine Feinde öffentlich an, so vertraute er sich einfach dem gerechten Urteil seines Vaters im Himmel an. An einer der abendlichen Zusammenkünfte fragte Andreas Jesus: "Meister, sollen wir uns in Selbstverleugnung üben, wie Johannes es uns gelehrt hat, oder sollen wir nach der von dir gelehrten Selbstbeherrschung streben? Worin unterscheidet sich deine Lehre von der des Johannes?" Jesus antwortete: "Johannes lehrte euch in der Tat den Weg der Rechtschaffenheit gemäß den Erkenntnissen und den Gesetzen seiner Väter, und das war die Religion der Selbstprüfung und Selbstverleugnung. Aber ich komme mit einer neuen Botschaft der Selbstvergessenheit und Selbstbeherrschung. Ich zeige euch den Weg des Lebens, so wie mein Vater im Himmel ihn mir offenbart hat. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, derjenige, der seinem eigenen Selbst gebietet, ist größer als derjenige, der eine Stadt erobert. Die Selbstbeherrschung ist das Maß für die sittliche Natur des Menschen und ein Hinweis auf seine geistige Entwicklung. Unter der alten Ordnung habt ihr gefastet und gebetet; als neue, aus dem Geiste geborene Geschöpfe werdet ihr gelehrt, zu glauben und euch zu freuen. In des Vaters Königreich sollt ihr neue Geschöpfe werden; das Alte wird dahinschwinden. Seht, ich zeige euch, wie alle Dinge neu werden sollen. Und durch eure Liebe füreinander sollt ihr die Welt davon überzeugen, dass ihr aus der Knechtschaft in die Freiheit und vom Tod ins ewige Leben geschritten seid. Auf die alte Weise versucht man zu unterdrücken, zu gehorchen und sich an Lebensregeln zu halten. Auf die neue Weise werdet ihr zuerst durch den Geist der Wahrheit verwandelt und dadurch in tiefster Seele durch die ständige geistige Erneuerung eurer Verstandeskräfte gestärkt. Und so wird euch als Geschenk die Macht zuteil, sicher und freudig den gnadenreichen, angenehmen und vollkommenen Willen Gottes auszuführen. Vergesst nicht - es ist euer persönlicher Glaube an die außerordentlich großen und kostbaren Versprechen Gottes, der sicherstellt, dass ihr an der göttlichen Natur teilhaben werdet. So werdet ihr kraft eures Glaubens und dank der Verwandlung durch den Geist wahrhaftig zu Tempeln Gottes, und sein Geist wohnt wirklich in euch. Wenn also der Geist in euch wohnt, seid ihr nicht mehr Sklaven des Fleisches, sondern befreite, ungebundene Söhne des Geistes. Das neue Gesetz des Geistes schenkt euch die Freiheit der Selbstbeherrschung anstelle des alten Gesetzes, in dem die durch Selbstunterdrückung bewirkte Furcht herrscht und die Sklaverei der Selbstverleugnung. Oft habt ihr nach einer schlechten Tat daran gedacht, sie dem Einfluss des Teufels zuzuschreiben, während euch in Wirklichkeit eure eigenen natürlichen Regungen vom rechten Weg abgebracht hatten. Hat euch nicht der Prophet Jeremia vor langer Zeit gesagt, das menschliche Herz sei voller Trug und manchmal sogar hoffnungslos verdorben? Wie leicht geschieht es euch, euch selbst zu betrügen und dadurch törichten Ängsten, manchen Süchten und versklavenden Vergnügungen, Bosheit, Neid und gar rachsüchtigem Hass zu erliegen ! Die Rettung geschieht durch die Erneuerung des Geistes und nicht durch selbstgerechte Taten des Fleisches. Der Glaube rechtfertigt euch, und die Gnade - nicht Furcht und Selbstverleugnung des Fleisches - ist eure Weggefährtin. Und trotzdem sind die aus dem Geiste geborenen Kinder des Vaters immer Meister ihres Selbst und all dessen, was mit den Begierden des Fleisches zu tun hat. Wenn ihr wisst, dass der Glaube euch rettet, dann habt ihr wirklichen Frieden mit Gott. Und alle, die dem Pfad dieses himmlischen Friedens folgen, sind dazu ausersehen, im ewigen Dienst der immer vorwärts schreitenden Söhne des ewigen Gottes geheiligt zu werden. Von nun an ist es keine Pflicht mehr, sondern viel eher euer erhabenes Vorrecht, eure Gedanken und Körper von allem Schlechten zu reinigen, während ihr nach der Vollkommenheit in der Liebe Gottes strebt. Eure Sohnschaft liegt im Glauben begründet, und die Angst soll euch ungerührt lassen. Eure Freude entspringt aus dem Vertrauen in das göttliche Wort, und ihr sollt euch deshalb nicht dazu verführen lassen, die Realität der Liebe und Barmherzigkeit des Vaters in Zweifel zu ziehen. Die große Güte Gottes ist es, die die Menschen zu wahrer und echter Reue führt. Das Geheimnis eurer Selbstbeherrschung liegt in eurem Glauben an den euch innewohnenden Geist, der immer durch Liebe wirkt. Auch diesen rettenden Glauben habt ihr nicht aus euch selber; auch er ist das Geschenk Gottes. Und als Kinder dieses lebendigen Glaubens seid ihr nicht mehr die Sklaven des Selbst, sondern die siegreichen Meister eurer selbst und Gottes befreite Söhne. "Wenn ihr also, meine Kinder, aus dem Geiste geboren seid, dann seid ihr auch für immer von der ichbewussten Knechtschaft eines Lebens der Selbstverleugnung und der Überwachung der Gelüste des Fleisches befreit, und ihr übersiedelt in das freudvolle Königreich des Geistes, dessen Früchte in eurem täglichen Leben spontan in Erscheinung treten; diese Früchte des Geistes sind die Essenz der höchsten Art freudiger und veredelnder Selbstbeherrschung, ja sogar der Gipfel irdischer, menschlicher Verwirklichung - wahre Herrschaft über sich selber." ***** 143.3 Abwechslung und Entspannung ***** Um diese Zeit entwickelte sich unter den Aposteln und den unmittelbar mit ihnen zusammenarbeitenden Jüngern ein Zustand großer nervlicher und gefühlsmäßiger Spannung. Sie hatten sich noch kaum an ein Zusammenleben und Zusammenarbeiten gewöhnt. Es fiel ihnen immer schwerer, harmonische Beziehungen mit den Jüngern des Johannes aufrechtzuerhalten. Der Kontakt mit den Heiden und Samaritanern war für diese Juden eine schwere Prüfung. Und zu alledem hatten die jüngsten Äußerungen Jesu ihren verstörten Gemütszustand noch vergrößert. Andreas war fast außer sich; er wusste nicht mehr, was er als Nächstes tun sollte, und so ging er mit seinen Problemen und seiner Ratlosigkeit zu Jesus. Nachdem Jesus sich den Bericht des apostolischen Oberhauptes über seine Schwierigkeiten angehört hatte, sagte er: "Andreas, man kann Menschen nicht durch bloßes Reden aus ihrer Verworrenheit heraushelfen, wenn sie einen solchen Grad von Verstrickung erreicht haben und wenn dabei so viele Personen mit starken Gefühlen betroffen sind. Ich kann nicht tun, was du von mir verlangst - ich will mich auf diese persönlichen Probleme des Zusammenlebens nicht einlassen - aber ich will gerne drei Tage der Ruhe und Entspannung mit euch genießen. Geh zu deinen Brüdern und eröffne ihnen, dass ihr alle mit mir auf den Berg Sartaba steigen sollt, wo ich einen oder zwei Tage ruhen möchte. "Du solltest jetzt zu jedem deiner elf Brüder gehen, einzeln mit ihnen sprechen und sagen: `Der Meister wünscht, dass wir uns mit ihm für eine Ruhe-und Entspannungsphase abseits begeben. Da wir alle vor kurzem große Geistesnöte und Gemütsanspannungen erlebt haben, schlage ich vor, dass unsere Prüfungen und Schwierigkeiten während dieser Ruhetage nicht erwähnt werden. Kann ich mich auf dich verlassen, dass du in dieser Angelegenheit mit mir zusammenarbeitest?' Wende dich in dieser Weise vertraulich und persönlich an jeden deiner Brüder." Und Andreas tat, wie der Meister ihm aufgetragen hatte. Das war für jeden von ihnen ein wunderbares Erlebnis; sie vergaßen diesen Tag der Bergbesteigung nie. Während des ganzen Ausflugs wurde kaum ein Wort über ihre Schwierigkeiten geredet. Auf dem Gipfel des Berges angekommen, hieß Jesus sie, sich um ihn herum zu setzen und sprach: "Meine Brüder, ihr müsst alle den Wert des Ruhens und die Wirksamkeit der Entspannung kennen lernen. Ihr müsst euch bewusst werden, dass die beste Methode zur Lösung von verwickelten Problemen darin besteht, sie für eine Weile loszulassen. Wenn ihr dann von eurer Ruhe oder Anbetung erfrischt zurückkehrt, seid ihr fähig, eure Schwierigkeiten mit klarerem Kopf und einer sichereren Hand anzupacken, ganz zu schweigen von einem entschlosseneren Herzen. Außerdem werdet ihr oft finden, dass Größe und Proportionen eures Problems abgenommen haben, während ihr Kopf und Körper Ruhe gegönnt habt." Am nächsten Tag wies Jesus jedem der Zwölf ein Diskussionsthema zu. Der ganze Tag war Erinnerungen und dem Gespräch über Angelegenheiten gewidmet, die in keiner Beziehung zu ihrer religiösen Arbeit standen. Sie waren einen Augenblick lang fassungslos, als Jesus es sogar unterließ, beim Brechen des Brotes für ihr Mittagessen ausdrücklich zu danken. Dies war das erste Mal, dass sie ihn solche Formalitäten vernachlässigen sahen. Als sie den Berg hinanstiegen, war Andreas' Kopf voller Probleme. Johannes war im Innersten maßlos verwirrt. Jakobus war schmerzlich aufgewühlt in seiner Seele. Matthäus war in argen Geldverlegenheiten, weil sie sich bei den Heiden aufgehalten hatten. Petrus war überarbeitet und in der letzten Zeit leichter erregbar als gewöhnlich. Judas litt unter einem periodischen Anfall von Überempfindlichkeit und Ichbezogenheit. Simon war bei seinen Bemühungen, seinen Patrio-tismus mit der Liebe zu der Brüderlichkeit unter den Menschen zu versöhnen, ungewöhnlich aus der Verfassung geraten. Der Lauf der Dinge machte Philipp immer ratloser. Seit sie mit der heidnischen Bevölkerung in Berührung gekommen waren, war Nathanael weniger humorvoll, und Thomas befand sich mitten in einer Phase ernster Depression. Nur die Zwillinge blieben normal und gelassen. Alle waren in größter Verlegenheit, wie sie mit den Jüngern des Johannes friedlich auskommen könnten. Als sie am dritten Tag aufbrachen, um den Berg hinunter und zurück in ihr Lager zu gehen, war in ihnen eine große Veränderung vorgegangen. Sie hatten die wichtige Entdeckung gemacht, dass viele menschliche Verwirrungen in Wirklichkeit gar nicht existieren, dass viele Schwierigkeiten, die einem zusetzen, die Schöpfung übertriebener Angst und das Ergebnis verstärkter Befürchtungen sind. Sie hatten gelernt, dass man mit solcher Ratlosigkeit am Besten umgeht, indem man sie loslässt. Durch ihr Weggehen ließen sie die Probleme sich von selber lösen. Mit der Rückkehr von ihrem Ausflug begann eine Zeit wesentlich verbesserter Beziehungen zu den Anhängern des Johannes. Viele der Zwölf ließen ihrer Fröhlichkeit freien Lauf, als sie die veränderte Gemütsverfassung aller feststellten und die Befreiung von nervöser Reizbarkeit beobachteten, die ihnen als Folge ihrer dreitägigen Ferien von den routinemäßigen Lebensaufgaben geschenkt worden war. Es besteht immer die Gefahr, dass die Eintönigkeit menschlichen Kontaktes Verwirrungen beträchtlich vermehrt und Schwierigkeiten vergrößert. Nur wenige Heiden in den beiden griechischen Städten Archelais und Phasaelis glaubten an das Evangelium, aber die zwölf Apostel wurden während dieser ihrer ersten intensiven Tätigkeit unter ausschließlich nichtjüdischen Bevölkerungsgruppen um eine wertvolle Erfahrung reicher. An einem Montagmorgen ungefähr Mitte des Monats sagte Jesus zu Andreas: "Wir gehen nach Samaria." Und sie machten sich sogleich auf den Weg nach der Stadt Sychar in der Nähe des Jakobsbrunnens. ***** 143.4 Die Juden und die Samaritaner ***** Seit mehr als sechshundert Jahren waren die Juden von Judäa und später auch diejenigen von Galiläa mit den Samaritanern verfeindet. Das böse Blut zwischen Juden und Samaritanern war auf folgende Weise entstanden: Ungefähr siebenhundert Jahre vor Christus verschleppte Sargon, König von Assyrien, nach der Niederschlagung einer Revolte in Zentralpalästina über fünfundzwanzigtausend Juden des nördlichen Königreichs Israels in die Gefangenschaft und siedelte an ihrer Stelle eine fast gleich große Zahl von Nachkommen der Kuthiter, Sepharviter und Hamathiter an. Später sandte Assurbanipal noch andere Siedlergruppen nach Samaria. Die religiöse Feindschaft zwischen Juden und Samaritanern ging auf die Rückkehr jener aus der babylonischen Gefangenschaft zurück, als die Samaritaner versuchten, den Wiederaufbau Jerusalems zu verhindern. Später beleidigten sie die Juden, als sie den Armeen Alexanders freundliche Unterstützung gewährten. Zum Dank für ihre Freundschaft erlaubte Alexander den Samaritanern, auf dem Berg Gerizim einen Tempel zu errichten, wo sie Jahve und ihre Stammesgötter anbeteten und ihnen in enger Anlehnung an die Ordnung der Tempeldienste in Jerusalem Opfer darbrachten. Diesen Kult führten sie mindestens bis in die Zeit der Makkabäer weiter, als Johannes Hyrkanus ihren Tempel auf dem Berg Gerizim zerstörte. Bei seinen Bemühungen um die Samaritaner nach Jesu Tod hielt der Apostel Philipp am Ort dieses alten Samaritanertempels viele Versammlungen ab. Die Feindschaft zwischen Juden und Samaritanern war uralt und historisch. Seit den Tagen Alexanders hatte es immer weniger Kontakte zwischen ihnen gegeben. Die zwölf Apostel sträubten sich nicht dagegen, in den griechischen und anderen Heidenstädten der Dekapolis und Syriens zu predigen; hingegen wurde ihre Ergebenheit gegenüber dem Meister auf eine harte Probe gestellt, als er sagte: "Gehen wir nach Samaria." Aber in der etwas mehr als einjährigen Zeit ihres Zusammenseins mit Jesus hatte sich in ihnen eine Art persönlicher Treue entwickelt, die sogar stärker war als ihr Glaube an seine Lehren und als ihre Vorurteile gegen die Samaritaner. ***** 143.5 Die Frau von Sychar ***** Als der Meister und die Zwölf am Jakobsbrunnen ankamen, war Jesus müde von der Reise und blieb beim Brunnen, während Philipp die Apostel mit sich nahm, damit sie ihm behilflich wären, Lebensmittel und Zelte von Sychar herbeizuholen; denn sie planten, sich eine Weile in der Nachbarschaft aufzuhalten. Petrus und die Söhne des Zebedäus wären gerne bei Jesus geblieben, aber er bat sie, ihre Brüder zu begleiten, und sagte: "Habt keine Angst um mich; diese Samaritaner werden freundlich sein; nur unsere Brüder, die Juden, suchen uns zu schaden." Und es war fast sechs Uhr an diesem Sommerabend, als Jesus sich am Brunnen niederließ, um auf die Rückkehr der Apostel zu warten. Das Wasser des Jakobsbrunnens war weniger mineralhaltig als dasjenige der Brunnen von Sychar und deshalb als Trinkwasser sehr geschätzt. Jesus war durstig, aber es gab keine Möglichkeit, Wasser aus dem Brunnen zu bekommen. Als nun eine Frau aus Sychar mit ihrem Wasserkrug daherkam und sich anschickte, aus dem Brunnen zu schöpfen, sagte Jesus zu ihr: "Gib mir zu trinken." Die Samaritanerin wusste nach Jesu Erscheinung und Kleidung, dass er Jude war, und seine Aussprache ließ sie vermuten, dass er ein galiläischer Jude war. Sie hieß Nalda und war ein schönes Geschöpf. Sie war sehr überrascht, in dieser Weise von einem jüdischen Mann am Brunnen angesprochen und um Wasser gebeten zu werden; denn in der damaligen Zeit galt es für einen Mann, der etwas auf sich hielt, als unschicklich, in der Öffentlichkeit mit einer Frau zu reden, und noch vielmehr für einen Juden, sich mit einer Samaritanerin zu unterhalten. Deshalb fragte Nalda Jesus: "Wie kommt es, dass du, ein Jude, mich, eine samaritanische Frau, um Wasser bittest?" Jesus gab zur Antwort: "Ich habe dich allerdings um Wasser gebeten, aber wenn du nur verstehen könntest, würdest du von mir einen Schluck lebendigen Wassers verlangen." Da sagte Nalda: "Aber Herr, du hast kein Schöpfgerät, und der Brunnen ist tief; woher willst du denn dieses lebendige Wasser nehmen? Bist du größer als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gab und der selber daraus trank, und mit ihm seine Söhne und sein Vieh?" Jesus erwiderte: "Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst haben, aber wer vom Wasser des lebendigen Geistes trinkt, den wird niemals dürsten. Und dieses lebendige Wasser wird in ihm zu einer Quelle der Erfrischung werden, die sogar bis in das ewige Leben hineinsprudeln wird." Da sagte Nalda: "Gib mir von diesem Wasser, damit ich keinen Durst mehr leide und nicht mehr den ganzen Weg zum Schöpfen herkommen muss. Übrigens, alles was eine samaritanische Frau von einem so empfehlenswerten Juden empfangen könnte, wäre ein Vergnügen." Nalda wusste nicht, wie sie Jesu Gesprächsbereitschaft mit ihr auffassen sollte. Sie sah in des Meisters Antlitz den Ausdruck eines geraden und heiligen Mannes, aber sie hielt seine Freundlichkeit fälschlicherweise für gewöhnliche Vertraulichkeit und seine bildliche Ausdrucksweise für ein Mittel, sich an sie heranzumachen. Und da sie eine Frau von lockeren Sitten war, wollte sie offen mit ihm anbändeln, als Jesus ihr gerade in die Augen schaute und im Befehlston sprach: "Frau, geh deinen Mann holen und bring ihn hierher." Dieser Befehl brachte Nalda zur Besinnung. Sie erkannte, dass sie die Freundlichkeit des Meisters falsch ausgelegt hatte, und begriff, dass sie seinen Worten einen falschen Sinn beigelegt hatte. Sie erschrak. Es dämmerte ihr, dass sie sich in Gegenwart einer ungewöhnlichen Person befand. Sie suchte nach einer passenden Antwort und sagte endlich in großer Verwirrung: "Aber Herr, ich kann meinen Mann nicht holen, da ich keinen Mann habe." Da sagte Jesus: "Du hast die Wahrheit gesagt, denn, magst du auch einmal einen Mann gehabt haben, derjenige, mit dem du jetzt lebst, ist nicht dein Mann. Es wäre besser, du hörtest auf, mit meinen Worten leichtfertig umzugehen und suchtest nach dem lebendigen Wasser, das ich dir heute angeboten habe." Jetzt war Nalda ernüchtert, und ihr besseres Selbst war geweckt. Sie war nicht ganz aus freiem Willen eine Frau ohne Moral geworden. Sie war von ihrem Ehemann erbarmungslos und ungerechtfertigterweise verstoßen worden und hatte sich in einer ernsten Notlage bereit erklärt, mit einem gewissen Griechen als dessen Frau aber ohne Heirat zusammenzuleben. Nalda schämte sich nun zutiefst, so gedankenlos mit Jesus gesprochen zu haben, und in größter Zerknirschung wandte sie sich mit den Worten an den Meister: "Mein Herr, ich bereue, in dieser Art mit dir gesprochen zu haben, denn ich sehe klar, dass du ein heiliger Mann oder vielleicht sogar ein Prophet bist." Und sie war gerade im Begriff, den Meister um direkte und persönliche Hilfe anzugehen, als sie das tat, was so viele vor und nach ihr getan haben - sie wich dem wesentlichen Punkt der persönlichen Rettung aus, indem sie zu theologischen und philosophischen Erörterungen überging. Rasch lenkte sie die Unterhaltung von ihren eigenen Bedürfnissen weg und zu einer theologischen Streitfrage. Sie zeigte hinüber zum Berg Gerizim und fuhr fort: "Unsere Väter haben Gott auf diesem Berg angebetet, und doch würdest du sagen, dass Jerusalem der Ort ist, wo die Menschen ihn anbeten sollten; welches ist nun der richtige Ort der Anbetung Gottes?" Jesus erkannte den Versuch der Seele der Frau, einem direkten und forschenden Kontakt mit ihrem Schöpfer auszuweichen, aber er sah auch, dass in ihrer Seele der Wunsch gegenwärtig war, die bessere Lebensweise kennen zu lernen. Im Grunde verspürte Naldas Herz einen wahren Durst nach dem lebendigen Wasser; deshalb übte er mit ihr Geduld und sagte: "Frau, lass mich dir sagen, dass bald der Tag kommt, wo du den Vater weder auf diesem Berg noch in Jerusalem anbeten wirst. Aber gegenwärtig betest du etwas an, was du nicht kennst, ein Gemisch aus der Religion vieler heidnischer Götter und Philosophien. Die Juden wissen wenigstens, wen sie anbeten. Sie haben alle Unklarheit ausgeräumt und ihre Anbetung auf den einen Gott, Jahve, konzentriert. Aber du solltest mir glauben, wenn ich sage, dass die Stunde bald kommt - sogar schon da ist - da alle aufrichtigen Gläubigen den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten, denn gerade solche Betende sucht der Vater. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Dein Heil wird dir nicht aus dem Wissen zuteil, wie und wo andere anbeten sollen, sondern indem du in deinem eigenen Herzen dieses lebendige Wasser empfängst, das ich dir jetzt anbiete." Aber Nalda unternahm noch einen weiteren Versuch, um ein Eingehen auf die unbequeme Frage nach ihrem persönlichen Leben auf Erden und nach dem Stand ihrer Seele vor Gott zu vermeiden. Noch einmal flüchtete sie sich in allgemeine religiöse Fragen, indem sie sagte: "Ja, Herr, ich weiß, dass Johannes vom Kommen des Bekehrers, den man den Befreier nennen wird, gepredigt hat, und dass dieser, wenn er kommt, uns alles verkündigen wird" - da unterbrach Jesus Nalda und sagte mit verblüffender Selbstsicherheit: "Ich, der ich mit dir spreche, bin dieser." Das war die erste direkte, positive und unverhüllte Erklärung seiner göttlichen Natur und Sohnschaft, die Jesus auf Erden machte; und er machte sie gegenüber einer Frau, zudem einer samaritanischen Frau, und einer Frau, die bis zu diesem Zeitpunkt in den Augen der Menschen einen fragwürdigen Charakter hatte, aber einer Frau, gegen die aus göttlicher Sicht mehr gesündigt worden war, als dass sie aus eigenem Antrieb gesündigt hatte, und die jetzt eine menschliche Seele war, die Rettung wünschte und diese aufrichtig und von ganzem Herzen wünschte; und das genügte. Als Nalda sich anschickte, ihre wirkliche und persönliche Sehnsucht nach etwas Besserem und nach einer würdigeren Lebensweise auszudrücken, gerade als sie bereit war, ihren wahren Herzenswunsch auszusprechen, kehrten die zwölf Apostel von Sychar zurück, und sie waren mehr als erstaunt, als sie Jesus in so vertraulichem Gespräch mit dieser Frau - einer samaritanischen Frau, und allein mit ihr - vorfanden. Sie setzten rasch ihre Vorräte ab und traten zur Seite; keiner wagte, ihn zu tadeln. Währenddessen sagte Jesus zu Nalda: "Frau, geh deines Weges; Gott hat dir vergeben. Fortan wirst du ein neues Leben leben. Du hast das lebendige Wasser empfangen, und eine neue Freude wird in deine Seele einziehen, und du wirst eine Tochter des Allerhöchsten werden." Und die Frau, die der Missbilligung der Apostel gewahr wurde, ließ ihren Wasserkrug stehen und floh zur Stadt. Als sie die Stadt betrat, rief sie jedem zu, dem sie begegnete: "Geh zum Jakobsbrunnen hinaus, aber beeil' dich, denn dort wirst du einen Mann sehen, der mir alles gesagt hat, was ich jemals getan habe. Könnte das der Bekehrer sein?" Und ehe die Sonne unterging, hatte sich eine große Menschenmenge beim Jakobsbrunnen versammelt, um Jesus zu hören. Und der Meister sprach zu ihnen weiter über das Wasser des Lebens, über die Gabe des innewohnenden Geistes. Immer wieder waren die Apostel von Jesu Bereitwilligkeit schockiert, mit Frauen - Frauen fragwürdigen Charakters und sogar unmoralischen Frauen - zu sprechen. Es war sehr schwierig für Jesus, seinen Aposteln beizubringen, dass Frauen, und sogar sogenannte unmoralische Frauen, Seelen haben, die Gott als ihren Vater wählen und dadurch zu Töchtern Gottes und Anwärterinnen auf das ewige Leben werden können. Sogar neunzehn Jahrhunderte später zeigen sich viele gleichermaßen unwillig, des Meisters Unterweisungen zu begreifen. Sogar die christliche Religion wurde beharrlich um die Tatsache des Todes Christi und nicht um die Wahrheit seines Lebens herum aufgebaut. Die Welt sollte sich mehr mit seinem glücklichen und Gott offenbarenden Leben als mit seinem tragischen und leidvollen Tod beschäftigen. Nalda erzählte dem Apostel Johannes am nächsten Tag die ganze Begebenheit, aber er teilte sie den anderen Aposteln nie ganz mit, und Jesus sprach darüber nicht im Einzelnen mit den Zwölf. Nalda sagte Johannes, dass Jesus ihr "alles, was ich jemals getan habe" gesagt habe. Viele Male wollte Johannes Jesus über dieses Gespräch mit Nalda befragen, aber er tat es nie. Jesus sagte ihr nur eine einzige Tatsache über sie selbst, aber sein Blick in ihre Augen und die Art, wie er mit ihr umging, hatten in Sekundenschnelle ihr ganzes bewegtes Leben in panoramischer Übersicht derartig vor ihr geistiges Auge gebracht, dass sie diese ganze Selbstoffenbarung ihres vergangenen Lebens mit dem Blick und dem Wort des Meisters verband. Jesus sagte ihr nie, dass sie fünf Männer gehabt hatte. Seit ihr Ehemann sie verstoßen hatte, hatte sie mit vier verschiedenen Männern gelebt, und all das trat zusammen mit ihrer ganzen Vergangenheit im Augenblick, als sie erkannte, dass Jesus ein Mann Gottes war, so lebhaft vor sie, dass sie später Johannes gegenüber wiederholte, Jesus habe ihr tatsächlich alles über sie selbst gesagt. ***** 143.6 Die samaritanische Erneuerung ***** Am Abend, als die Menge hinter Nalda aus Sychar hinauszog, um Jesus zu sehen, waren die Zwölf gerade mit Lebensmitteln zurückgekehrt, und sie drangen Jesus, doch mit ihnen zu essen anstatt zu den Leuten zu sprechen, da sie den ganzen Tag nichts zu sich genommen hatten und hungrig waren. Aber Jesus wusste, dass die Dunkelheit rasch hereinbrechen würde; deshalb beharrte er auf seinem Entschluss, zu den Leuten zu sprechen, bevor er sie wegschicken würde. Als Andreas ihn zu überreden versuchte, doch vor der Ansprache an die Menge einen Bissen zu essen, sagte Jesus: "Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nichts wisst." Als die Apostel dies hörten, sagten sie zueinander: "Hat irgendjemand ihm etwas zu essen gebracht? Kann es sein, dass die Frau ihm Speise und Trank gegeben hat?" Als Jesus sie miteinander sprechen hörte, wandte er sich an die Zwölf, bevor er zu den Leuten sprach, und sagte zu ihnen: "Meine Speise ist, den Willen Dessen zu tun, der mich gesandt hat, und Sein Werk zu erfüllen. Ihr solltet aufhören zu sagen: Es dauert noch so und so lange bis zur Ernte. Seht diese Leute, die aus einer samaritanischen Stadt kommen, um uns zu hören; ich sage euch, die Felder sind schon weiß für die Ernte. Wer erntet, erhält seinen Lohn und sammelt die Frucht für das ewige Leben; deshalb freuen sich Sämänner und Schnitter miteinander. Hierin hat das Sprichwort recht: `Der eine sät und der andere erntet.' Ich sende euch jetzt aus, das zu ernten, woran ihr nicht gearbeitet habt; andere haben die Arbeit getan, und ihr steht im Begriff, in ihre Arbeit einzusteigen." Er sagte dies mit Bezug auf die Predigttätigkeit von Johannes dem Täufer. Jesus und die Apostel gingen nach Sychar hinein und predigten zwei Tage lang, bevor sie ihr Lager auf dem Berg Gerizim aufschlugen. Und viele Bewohner von Sychar glaubten an das Evangelium und begehrten, getauft zu werden, aber Jesu Apostel tauften noch nicht. Am ersten Abend ihres Lagers auf dem Berg Gerizim erwarteten die Apostel von Jesus einen Tadel wegen ihrer Haltung gegenüber der Frau am Jakobsbrunnen, aber er erwähnte die Sache nicht. Hingegen hielt er ihnen jenen denkwürdigen Vortrag über "Die Realitäten von zentraler Bedeutung im Königreich Gottes". In jeder Religion geschieht es sehr leicht, dass gewisse Werte überbetont werden und die Theologie es Fakten erlaubt, den Platz von Wahrheiten einzunehmen. Die Kreuzestatsache wurde zum Schwerpunkt des späteren Christentums; aber sie ist nicht die zentrale Wahrheit der Religion, die aus Leben und Lehren Jesu von Nazareth abgeleitet werden kann. Das Thema der Unterweisung Jesu auf dem Berg Gerizim war folgendes: Er wünscht, dass alle Menschen Gott als einen Vater-Freund betrachten, gerade wie er (Jesus) ein Bruder-Freund ist. Wieder und wieder prägte er ihnen ein, dass die Liebe die größte Beziehung in der Welt und im Universum ist, gerade wie die Wahrheit die größte Verkündigung der Beobachtung dieser göttlichen Beziehungen ist. Jesus eröffnete sich den Samaritanern so ganz und gar, weil er es hier gefahrlos tun konnte und weil er wusste, dass er nie mehr in das Herz von Samaria zurückkehren würde, um das Evangelium vom Königreich zu predigen. Jesus und die Zwölf lagerten bis Ende August auf dem Berg Gerizim. Tagsüber verkündigten sie den Samaritanern in den Städten die gute Nachricht vom Königreich - die Vaterschaft Gottes - und die Nacht verbrachten sie im Lager. Das Werk, das Jesus und die Zwölf in diesen samaritanischen Städten vollbrachten, brachte dem Königreich viele Seelen und ebnete in bedeutendem Maße den Weg für Philipps wunderbare Arbeit in dieser Gegend nach Jesu Tod und Auferstehung, nachdem sich die Apostel vor der heftigen Verfolgung der Gläubigen in Jerusalem in alle Welt zerstreut hatten. ***** 143.7 Unterweisung über Gebet und Anbetung ***** An den abendlichen Zusammenkünften auf dem Berg Gerizim lehrte Jesus viele große Wahrheiten, und besonderen Nachdruck legte er auf Folgendes: Wahre Religion wird von einer individuellen Seele in ihren ihr selbst bewussten Beziehungen zum Schöpfer ausgeübt; organisierte Religion ist der Versuch des Menschen, die Anbetung der individuellen Gläubigen zu sozialisieren. Anbetung - Kontemplation des Geistigen - muss abwechseln mit Dienen und dem Kontakt mit der materiellen Wirklichkeit. Arbeit sollte sich mit Spiel abwechseln; Religion sollte durch Humor ausgewogen werden. Auf tiefgründige Philosophie sollte rhythmische Poesie folgen. Die Lebensmühsal - der auf die Persönlichkeit wirkende Zeitdruck - sollte durch ruhespendende Anbetung gelockert werden. Den Unsicherheitsgefühlen, die der Furcht der Persönlichkeit vor Isolation im Universum entspringen, sollte mit der gläubigen Kontemplation des Vaters begegnet werden und mit dem Versuch, sich des Supremen bewusst zu werden. Das Gebet ist dazu bestimmt, den Menschen weniger zum Denken und mehr zur Erkenntnis zu führen; seine Bestimmung ist nicht Wissensvermehrung, sondern vielmehr Erweiterung der inneren Schau. Die Anbetung bezweckt, das zukünftige bessere Leben vorwegzunehmen und dann diese neuen geistigen Bedeutungen auf das jetzige Leben zurückzuspiegeln. Das Gebet ist im geistigen Sinn eine Stütze, aber die Anbetung ist auf göttliche Weise schöpferisch. Anbetung ist die Methode des Hinblickens auf den Einen, um die göttliche Eingebung zum Dienst an den Vielen zu empfangen. Anbetung ist der Maßstab für den Grad der Loslösung der Seele vom materiellen Universum und ihrer gleichzeitigen und sicheren Bindung an die geistigen Realitäten der gesamten Schöpfung. Gebet ist Selbsterinnern - sublimes Denken; Anbetung ist Selbstvergessenheit - Denken höherer Art. Anbetung ist Aufmerksamkeit ohne Anstrengung, wahres und ideales Rasten der Seele, eine Form erholsamer geistiger Übung. Anbetung ist das Handeln eines Teiles, der sich mit dem Ganzen identifiziert; das Endliche mit dem Unendlichen; der Sohn mit dem Vater; Zeit im Schritthalten mit der Ewigkeit. In der Anbetung tritt der Sohn in persönliche Verbindung mit dem göttlichen Vater und nimmt die menschliche Geist-Seele eine erfrischende, kreative, brüderliche und romantische Haltung ein. Die Apostel erfassten nur wenig von diesen im Lager erteilten Lehren. Aber andere Welten begriffen sie, und andere Generationen auf Erden werden sie verstehen. ****** Kapitel 144 Auf Dem Gilboa und in der Dekapolis ****** SIE verbrachten die Monate September und Oktober zurückgezogen in einem abgeschiedenen Lager an den Hängen des Berges Gilboa. Den ganzen Monat September hindurch lebte Jesus hier allein mit seinen Aposteln, lehrte sie und unterwies sie in den Wahrheiten des Königreichs. Es gab einige Gründe dafür, dass Jesus und seine Apostel sich zu dieser Zeit in das Grenzland zwischen Samaria und der Dekapolis zurückzogen. Die religiösen Führer Jerusalems verhielten sich sehr feindlich; Herodes Antipas hielt Johannes immer noch gefangen und fürchtete sich ebenso sehr, ihn freizulassen wie ihn hinzurichten; auch nährte er weiterhin den Verdacht, dass Johannes und Jesus irgendwie zusammenarbeiteten. Diese Bedingungen ließen weder in Judäa noch in Galiläa die Planung dynamischer Arbeit als ratsam erscheinen. Und es gab da noch einen dritten Grund: die langsam zunehmende Spannung zwischen den Führern der Jünger des Johannes und den Aposteln Jesu, die mit der wachsenden Zahl von Gläubigen schlimmer wurde. Jesus wusste, dass die Tage des vorbereitenden Lehrens und Predigens sich ihrem Ende näherten und dass der nächste Schritt im Beginn des totalen und letzten Einsatzes in seinem Leben auf Erden bestehen würde, und er wollte nicht, dass der Anfang dieses Unternehmens für Johannes den Täufer in irgendeiner Weise zu einer Prüfung oder Belastung würde. Jesus hatte deshalb beschlossen, sich eine Zeit lang zurückzuziehen, seine Apostel zu schulen und dann in der Stille in den Städten der Dekapolis zu wirken, bis Johannes entweder hingerichtet oder freigelassen würde, um sich ihnen in einer gemeinsamen Anstrengung anzuschließen. ***** 144.1 Das Lager auf dem Berg Gilboa ***** Im Laufe der Zeit wurden die Zwölf Jesu gegenüber immer ergebener, und sie arbeiteten mit zunehmendem Einsatz für das Königreich. Ihre Ergebenheit gründete größtenteils auf persönlicher Treue. Sie erfassten seine vielseitige Lehre nicht, und sie vermochten Jesu Natur oder die Bedeutung seiner Selbsthingabe auf Erden nicht völlig zu verstehen. Jesus machte seinen Aposteln klar, dass sie sich aus drei Gründen zurückgezogen hatten: 1. Um ihr Verständnis des Evangeliums des Königreichs und ihren Glauben daran zu festigen. 2. Um den Widerstand gegen ihr Werk in Judäa und Galiläa abklingen zu lassen. 3. Um das Schicksal Johannes' des Täufers abzuwarten. Im Laufe dieser Wartezeit auf Gilboa erzählte Jesus den Zwölfen viel über seine Jugend und seine Erlebnisse auf dem Berg Hermon; er enthüllte ihnen auch einiges von dem, was in den Bergen während der vierzig Tage unmittelbar nach seiner Taufe geschehen war. Und er erteilte ihnen die bestimmte Anweisung, vor seiner Rückkehr zu seinem Vater niemandem etwas über diese Erlebnisse zu sagen. Während dieser Septemberwochen ruhten sie sich aus, unterhielten sich und erzählten einander ihre Erlebnisse seit dem Tage, da Jesus sie zum Dienst gerufen hatte, und unternahmen eine ernsthafte Anstrengung, um zu koordinieren, was der Meister sie bis dahin gelehrt hatte. Bis zu einem gewissen Grade fühlten alle, dass dies ihre letzte Gelegenheit sein würde, längere Zeit zu ruhen. Es war ihnen bewusst, dass ihre bevorstehende Öffentlichkeitsarbeit in Judäa oder Galiläa den Beginn der endgültigen Verkündigung des kommenden Königreichs bedeuten würde, aber sie hatten nur eine schwache oder unbestimmte Vorstellung davon, was das Königreich bei seinem Kommen sein würde. Johannes und Andreas dachten, das Königreich sei bereits gekommen; Petrus und Jakobus glaubten, es werde erst noch kommen; Nathanael und Thomas gestanden offen ein, vor einem Rätsel zu stehen; Matthäus, Philipp und Simon Zelotes waren unsicher und verwirrt; die Zwillinge wussten in ihrer seligen Unwissenheit von der Streitfrage nichts; und Judas Iskariot war schweigsam und zurückhaltend. Einen großen Teil dieser Zeit verbrachte Jesus allein auf dem Berg in der Nähe des Lagers. Gelegentlich nahm er Petrus, Jakobus oder Johannes mit sich, aber öfter entfernte er sich, um allein zu beten oder zu kommunizieren. Nach der Taufe Jesu und den vierzig Tagen in den Bergen von Peräa ist es kaum zutreffend, von diesen Perioden der Verbindung mit seinem Vater als von Beten zu sprechen, noch stimmt es zu sagen, er sei in Anbetung gewesen, aber es ist insgesamt richtig, diese Perioden als persönliche Verbindung mit seinem Vater zu bezeichnen. Während des ganzen Monats September waren Gebet und Anbetung das beherrschende Diskussionsthema. Nachdem sie einige Tage lang die Anbetung besprochen hatten, hielt Jesus schließlich seine denkwürdige Rede über das Gebet als Antwort auf Thomas' Bitte: "Meister, lehre uns beten." Johannes hatte seine Jünger ein Gebet gelehrt, ein Gebet zur Rettung im kommenden Königreich. Obwohl Jesus seinen Anhängern nie verbot, die Gebetsform des Johannes zu gebrauchen, merkten die Apostel schon sehr früh, dass ihr Meister die Gewohnheit des Hersagens von festen und förmlichen Gebeten nicht ganz guthieß. Trotzdem baten Gläubige ständig darum, im Beten unterwiesen zu werden. Die Zwölf sehnten sich danach zu wissen, welche Gebetsform Jesus billigen würde. Hauptsächlich wegen dieses Bedürfnisses nach einem schlichten Gebet für das einfache Volk willigte Jesus diesmal als Antwort auf Thomas' Bitte ein, sie eine suggestive Form des Gebets zu lehren. Jesus gab diese Lektion an einem Nachmittag der dritten Woche ihres Aufenthaltes auf dem Berg Gilboa. ***** 144.2 Die Rede über das Gebet ***** "Johannes hat euch in der Tat eine einfache Form des Gebetes gelehrt: `Oh Vater, reinige uns von Sünde, zeige uns deine Herrlichkeit, offenbare deine Liebe, und lass deinen Geist unsere Herzen für immer heiligen, Amen!' Er lehrte dieses Gebet, damit ihr etwas hättet, um die Menge zu unterweisen. Seine Absicht war nicht, dass ihr beim Beten eine solche feste und förmliche Bitte als Ausdruck eurer Seele benutzen solltet. Das Gebet ist eine gänzlich persönliche und spontane Äußerung der Haltung der Seele gegenüber dem Geist; das Gebet sollte Verbindung in der Sohnesbeziehung und Ausdruck geistiger Gemeinschaft sein. Das Gebet, vom Geist eingegeben, führt zu kooperativem geistigem Fortschritt. Das ideale Gebet ist eine Form geistiger Verbindung, die zu intelligenter Anbetung führt. Wahres Beten ist das aufrichtige Verhalten, nach dem Himmel auszuholen, um seine Ideale zu erreichen. Das Gebet ist der Atem der Seele, und es sollte euch dahin führen, beharrlich zu sein in eurem Bemühen, den Willen des Vaters in Erfahrung zu bringen. Wenn einer von euch einen Nachbarn hat, ihn um Mitternacht aufsucht und zu ihm sagt : `Freund, leihe mir drei Brotlaibe, denn ein Freund auf Reisen ist bei mir zu Besuch gekommen, und ich habe ihm nichts vorzusetzen'; und wenn euer Nachbar dann antwortet: `Stör' mich nicht, denn die Türe ist jetzt verschlossen und die Kinder und ich sind im Bett; deshalb kann ich nicht aufstehen und dir Brot geben', so werdet ihr ihn drängen und erklären, dass euer Freund Hunger hat und ihr ihm keine Nahrung anzubieten habt. Und ich sage euch, dass euer Nachbar, obwohl er nicht aus Freundschaft zu euch aufstehen und euch Brot geben wird, zumindest wegen euer Lästigkeit sein Lager verlassen und euch so viele Laibe geben wird, wie ihr benötigt. Wenn also Beharrlichkeit sogar die Gunst der sterblichen Menschen gewinnt, um wie viel mehr wird eure Hartnäckigkeit im Geiste euch das Brot des Lebens aus den willigen Händen des Vaters im Himmel gewinnen! Wiederum sage ich euch: Bittet, und es wird euch gegeben werden; suchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch aufgetan. Denn jeder, der bittet, empfängt; wer sucht, findet, und dem, der an das Tor des Heils pocht, wird geöffnet werden. Welcher Vater unter euch würde zögern, auf die unbesonnene Bitte seines Sohnes hin entsprechend elterlicher Weisheit zu geben, anstatt auf des Sohnes verfehlten Wunsch einzugehen? Wenn das Kind einen Brotlaib benötigt, gebt ihr ihm dann einen Stein, nur weil es unbesonnen darum bittet? Wenn euer Sohn einen Fisch braucht, gebt ihr ihm eine Wasserschlange, nur weil sie zufälligerweise zusammen mit dem Fisch im Netz heraufkommt und das Kind törichterweise die Schlange haben will? Wenn ihr also als sterbliche und endliche Wesen auf eine Bitte zu antworten und euren Kindern gute und geeignete Geschenke zu machen wisst, um wie viel mehr wird dann euer himmlischer Vater denen, die ihn darum bitten, den Geist und viele zusätzliche Segnungen geben? Die Menschen sollten immer beten und sich nicht entmutigen lassen. Lasst mich euch die Geschichte von einem Richter erzählen, der in einer gottlosen Stadt wohnte. Dieser Richter hatte weder Furcht vor Gott noch Respekt vor den Menschen. Nun lebte in dieser Stadt eine bedürftige Witwe, die wiederholt zu diesem ungerechten Richter kam und sagte: `Schütze mich vor meinem Widersacher.' Eine Zeit lang lieh er ihr kein Ohr, aber endlich sprach er zu sich: `Obwohl ich weder Gott fürchte, noch Achtung vor den Menschen habe, will ich doch diese Witwe, die mir keine Ruhe lässt, in Schutz nehmen, sonst wird sie mich mit ihrem ständigen Kommen am Ende ganz erschöpfen.' Ich erzähle euch diese Geschichten, um euch zu ausdauerndem Beten zu ermutigen und nicht, um die Meinung aufkommen zu lassen, eure Bitten werden den gerechten und rechtschaffenen Vater im Himmel umstimmen. Eure Beharrlichkeit soll euch nicht die Gunst Gottes gewinnen, sondern eure irdische Haltung verändern und die Empfänglichkeit eurer Seele für den Geist vergrößern. "Aber wenn ihr betet, tut ihr es mit einem so schwachen Glauben! Wahrer Glaube vermag Berge von materiellen Schwierigkeiten zu versetzen, die unter Umständen auf dem Pfad seelischer Entfaltung und geistigen Fortschritts liegen." ***** 144.3 Das Gebet des Gläubigen ***** Aber die Apostel waren noch nicht befriedigt. Sie wünschten von Jesus ein Gebetsmodell, das sie die neuen Jünger lehren könnten. Nach Anhören der Rede über das Gebet sagte Jakobus Zebedäus: "Sehr gut, Meister, aber eine solche Gebetsform wünschen wir weniger für uns selber, als für die, die seit kurzem zum Glauben gekommen sind und die uns so oft dringend bitten: `Lehre uns, auf geziemende Weise zum Vater im Himmel zu beten.' " Nachdem Jakobus zu Ende gesprochen hatte, sagte Jesus: "Wenn ihr denn immer noch ein solches Gebet wünscht, will ich euch das eine geben, das ich meine Brüder und Schwestern in Nazareth gelehrt habe": Unser Vater im Himmel, Geheiliget werde dein Name. Dein Königreich komme; dein Wille geschehe Auf Erden wie im Himmel. Gib uns heute unser Brot für morgen; Erfrische unsere Seelen mit dem Wasser des Lebens. Und vergib einem jeden von uns seine Schuld, Wie auch wir vergeben haben unseren Schuldigern. Rette uns in der Versuchung, erlöse uns vom Übel Und lasse uns immer mehr wie Du vollkommen werden. Es ist nicht verwunderlich, dass die Apostel wünschten, Jesus möge ihnen ein Gebetsmuster für die Gläubigen geben. Johannes der Täufer hatte seine Anhänger mehrere Gebete gelehrt; alle großen Lehrer hatten für ihre Schüler Gebete verfasst: Die religiösen Lehrer der Juden hatten fünfundzwanzig oder dreißig feste Gebete, die sie in den Synagogen und sogar an den Straßenecken hersagten. Jesus hatte einen besonderen Widerwillen gegen öffentliches Beten. Bis dahin hatten ihn die Zwölf nur wenige Male beten gehört. Sie beobachteten, wie er ganze Nächte im Gebet und in der Anbetung verbrachte, und sie wollten gerne wissen, welcher Art seine Bittgebete waren. Sie waren wirklich in arger Verlegenheit, was sie der Menge antworten sollten, wenn diese um Anleitung zum Beten bat, wie Johannes es seine Jünger gelehrt hatte. Jesus wies die Zwölf an, immer im Verborgenen zu beten, sich allein abseits in die Stille der Natur zurückzuziehen oder ihre Zimmer aufzusuchen und die Türen zu verschließen, wenn sie beteten. Nach Jesu Tod und Himmelfahrt zum Vater nahmen viele Gläubige die Gewohnheit an, das sogenannte Gebet des Herrn mit dem Zusatz "Im Namen des Herrn Jesus Christus" zu beschließen. Noch später gingen bei der Abschrift zwei Zeilen verloren, und dem Gebet wurde ein besonderes Anhängsel hinzugefügt, das lautete: "Denn dein ist das Königreich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit." Jesus gab den Aposteln das Gebet in der kollektiven Form, so wie sie es zu Hause in Nazareth gesprochen hatten. Er lehrte nie ein feststehendes persönliches Gebet, sondern nur Gruppen-, Familien- oder gemeinschaftliche Bittgebete. Und er tat es nie von sich aus. Jesus lehrte, dass ein wirksames Gebet zu sein hat : 1. Selbstlos - nicht nur für sich selber. 2. Gläubig - vom Glauben getragen. 3. Ehrlich - aus einem ehrlichen Herzen. 4. Intelligent - dem Licht gemäß. 5. Vertrauensvoll - in Unterwerfung unter den allweisen Willen des Vaters. Wenn Jesus ganze Nächte im Gebet auf dem Berg zubrachte, war es hauptsächlich für seine Jünger und besonders für die Zwölf. Der Meister betete sehr selten für sich selber, obwohl er oft in Anbetung vertieft war, deren Natur ein verstehendes Kommunizieren mit seinem Paradies-Vater war. ***** 144.4 Noch mehr über das Gebet ***** Noch Tage nach den Ausführungen über das Beten stellten die Apostel dem Meister weitere Fragen über diese so wichtige Andachtsübung. Jesu Unterweisung der Apostel in Gebet und Anbetung während dieser Tage kann wie folgt zusammengefasst und in moderner Ausdrucksweise formuliert werden: Die ernste und sehnsuchtsvolle Wiederholung jeder Bitte, vorausgesetzt, sie ist der aufrichtige Ausdruck eines Kindes Gottes und aus dem Glauben gesprochen - wie unbesonnen sie auch sein mag oder wie unmöglich ihre direkte Beantwortung - verfehlt nie, die Fähigkeit der Seele zu geistiger Empfänglichkeit zu erhöhen. Denkt bei allem Beten daran, dass die Gottessohnschaft eine Gabe ist. Kein Kind hat irgend-etwas zu tun, um den Rang eines Sohnes oder einer Tochter zu verdienen. Das Erdenkind tritt ins Dasein durch den Willen seiner Eltern. Geradeso tritt das Kind Gottes in die Gnade und in das neue Leben des Geistes durch den Willen des Vaters im Himmel. Daher muss das Königreich des Himmels - die göttliche Sohnschaft empfangen werden wie von einem kleinen Kind. Ihr verdient euch Rechtschaffenheit - fortschreitende Charakterbildung - aber Sohnschaft empfangt ihr durch Gnade und Glauben. Das Gebet führte Jesus empor zur Superkommunikation seiner Seele mit den Höchsten Herrschern des Universums der Universen. Das Gebet wird die Sterblichen der Erde zur Kommunikation in wahrer Anbetung emporführen. Die geistige Aufnahmefähigkeit der Seele bestimmt die Quantität himmlischer Segnungen, die man sich persönlich aneignen und als Antwort auf das Gebet bewusst erleben kann. Das Gebet und die damit verbundene Anbetung ist eine Methode des Sich-Ablösens von der täglichen Lebensroutine, von der monotonen Schinderei der materiellen Existenz. Es ist ein Weg der Annäherung an vergeistigte Selbstverwirklichung und Individualität im intellektuellen und religiösen Fortschritt. Das Gebet ist ein Gegenmittel gegen schädliche Selbstbeobachtung. Auf jeden Fall ist das Gebet, wie der Meister es lehrte, eine große Wohltat für die Seele. Jesus gebrauchte den wohltätigen Einfluss des Gebets konsequent für seine Mitmenschen. Der Meister betete gewöhnlich in der Mehrzahl, nicht in der Einzahl. Einzig in den großen Krisen seines Erdenlebens betete Jesus für sich. Das Gebet ist der Atem des geistigen Lebens inmitten der materiellen Zivilisation der Menschheitsrassen. Die Anbetung ist die Rettung für die vergnügungssüchtigen Generationen Sterblicher. So wie man das Gebet mit dem Aufladen der geistigen Batterien der Seele vergleichen kann, mag man die Anbetung mit einem Einstimmen der Seele vergleichen, um Universums-Übermittlungen des unendlichen Geistes des Universalen Vaters zu empfangen. Das Gebet ist der aufrichtige und sehnsuchtsvolle Blick des Kindes auf seinen geistigen Vater; es ist ein psychologischer Prozess des Austauschs des menschlichen Willens gegen den göttlichen Willen. Beten ist ein Teil des göttlichen Plans zur Überführung dessen, was ist, in das, was sein sollte. Einer der Gründe, weshalb Petrus, Jakobus und Johannes, die Jesus während seiner langen Nachtwachen so oft begleiteten, ihn nie beten hörten, war, dass ihr Meister seine Gebete so selten in Worten aussprach. Praktisch alles Beten Jesu geschah im Geist und im Herzen - schweigend. Von allen Aposteln kamen Petrus und Jakobus dem Verständnis der Lehre des Meisters über Gebet und Anbetung am nächsten. ***** 144.5 Andere Gebetsformen ***** Während des Rests seines Erdenaufenthaltes machte Jesus die Apostel von Zeit zu Zeit mit einigen zusätzlichen Gebetsformen bekannt, aber er tat dies nur zur Veranschaulichung anderer Dinge, und er gab Weisung, die Menge diese "gleichnishaften Gebete" nicht zu lehren. Viele davon stammten von anderen bewohnten Planeten, aber diese Tatsache enthüllte Jesus den Zwölfen nicht. Unter diesen Gebeten befanden sich folgende: Unser Vater, in dem die Universen ihr Dasein haben, Gepriesen werde dein Name und verherrlicht dein Charakter. Deine Gegenwart umfängt uns, und deine Herrlichkeit offenbart sich Unvollkommen durch uns, während sie sich im Himmel in Vollkommenheit zeigt. Gib uns heute die belebenden Kräfte des Lichts, Und lass uns nicht auf die üblen Abwege unserer Vorstellungskraft geraten. Denn dir gehört die glorreiche innewohnende, ewigwährende Macht, Und uns die ewige Gabe der unendlichen Liebe deines Sohnes. So sei es, auf ewig und in Wahrheit. * * * * * Unser Schöpfer-Vater, der du im Zentrum des Universums bist, Verleih' uns dein Wesen und gib uns deinen Charakter. Mach' aus uns deine Söhne und Töchter durch die Gnade Und verherrliche deinen Namen durch unser ewiges Vollbringen. Gib deinen berichtigenden und überwachenden Geist, dass er in uns lebe und wohne, Damit wir in dieser Welt deinen Willen tun, so wie die Engel dein Geheiß im Licht befolgen. Gib uns heute Kraft, während wir auf dem Pfad der Wahrheit vorwärts schreiten. Erlöse uns von Trägheit, Übel und aller sündigen Übertretung. Sei geduldig mit uns, so wie auch wir unseren Mitmenschen mit Liebe und Güte begegnen. Gieße den Geist deiner Barmherzigkeit in unsere Geschöpfesherzen. Führe uns an deiner Hand, Schritt für Schritt, durch das unsichere Lebenslabyrinth, Und wenn einmal unser Ende kommt, dann nimm unseren treuen Geist in deinem Herzen auf. So sei es. Dein Wille geschehe, und nicht, was wir begehren. * * * * * Unser vollkommener und gerechter himmlischer Vater, Führe und lenke heute unsere Reise. Heilige unsere Schritte und koordiniere unsere Gedanken. Führe uns stets auf den Wegen ewigen Fortschritts. Fülle uns mit Weisheit bis zur Machtvollkommenheit Und belebe uns mit deiner unendlichen Energie. Inspiriere uns durch das göttliche Bewusstsein Von Der Gegenwart und Führung der seraphischen Heerscharen. Führe uns immer empor auf dem Pfad des Lichts; Rechtfertige uns gänzlich am Tage des großen Gerichts. Mache uns dir gleich in ewiger Herrlichkeit Und nimm uns auf in deinen nie endenden Dienst in der Höhe. * * * * * Unser Vater, der du im Geheimnis wohnst, Offenbare uns dein heiliges Wesen. Gib deinen Erdenkindern heute, Dass sie den Weg, das Licht und die Wahrheit sehen. Zeige uns den Pfad ewigen Fortschritts Und gib uns den Willen, darauf zu gehen. Errichte in uns dein göttliches Königtum, Und verleihe uns dadurch die vollkommene Selbstbeherrschung. Lass uns nicht auf Pfade der Dunkelheit und des Todes abirren; Führe uns ewiglich an die Wasser des Lebens. Erhöre diese unsere Gebete um deinetwillen; Finde Gefallen daran, uns dir immer ähnlicher zu machen. Nimm uns am Ende dem göttlichen Sohne zuliebe In deine ewigen Arme auf. So sei es. Nicht unser, sondern dein Wille geschehe. * * * * * Glorreiche Vater und Mutter, in elterlicher Einheit verbunden, Wir möchten eurer göttlichen Natur treu ergeben sein. Möge euer eigenes Selbst von neuem in und durch uns leben durch Das Geschenk und die Verleihung eures göttlichen Geistes, Auf dass wir euch dadurch auf dieser Welt unvollkommen zum Ausdruck bringen, So wie ihr euch im Himmel in Vollkommenheit und Erhabenheit zeigt. Erweist uns Tag für Tag eure sanfte fürsorgende Brüderlichkeit Und führt uns jeden Augenblick auf dem Pfad liebender Hingabe. Möget ihr stets unerschöpfliche Geduld mit uns haben, So wie auch wir unseren Kindern gegenüber eure Geduld beweisen. Gebt uns die göttliche Weisheit, die alle Dinge richtig tut Und die unendliche Liebe, die jedem Geschöpf mit Freundlichkeit begegnet. Schenkt uns eure Geduld und liebende Güte, Auf dass unser Erbarmen die Schwachen der Welt umhülle. Und wenn unsere Lebensbahn zu Ende ist, macht, dass sie eurem Namen zur Ehre gereiche, Euren guten Geist erfreue und die Helfer unserer Seele mit Befriedigung erfülle. Unser liebender Vater, nicht was wir wünschen, geschehe, sondern was du für das ewige Wohl deiner sterblichen Kinder wünschest. So sei es. * * * * * Unsere allzeit treue Quelle und unser allmächtiges Zentrum, Geehrt und geheiliget werde der Name deines allbarmherzigen Sohnes. Deine Gaben und deine Segnungen sind auf uns herabgekommen und haben uns befähigt, deinen Willen zu erfüllen und deine Gebote auszuführen. Gib uns jeden Augenblick Nahrung vom Baum des Lebens; Erfrische uns Tag für Tag mit den lebendigen Wassern vom Flusse des Lebens. Führe uns Schritt für Schritt aus der Dunkelheit ins göttliche Licht. Erneuere unseren Sinn durch die Verwandlungen des innewohnenden Geistes, Und wenn am Ende der Tod über uns kommt, Nimm uns bei dir auf und schicke uns aus in die Ewigkeit. Kröne uns mit himmlischen Diademen fruchtbringenden Dienstes, Und wir werden den Vater, den Sohn, und den Heiligen Einfluss verherrlichen. So sei es, in einem ganzen Universum ohne Ende. * * * * * Unser Vater, der du an verborgenen Stätten des Universums wohnst, Dein Name werde geehrt, deiner Barmherzigkeit Ehrfurcht erwiesen und dein Urteil geachtet. Lass die Sonne der Rechtschaffenheit am Mittag über uns scheinen, Und wir flehen dich an, in der Abenddämmerung unsere eigensinnigen Schritte zu lenken. Führe uns an deiner Hand nach deinem Ermessen Und verlasse uns nicht, wenn der Weg schwer und die Stunde dunkel ist. Vergiss uns nicht, wie wir dich so oft vernachlässigen und vergessen, Sondern erbarme dich unser und liebe uns so, wie wir dich zu lieben begehren. Schaue in Güte auf uns herab, und vergib uns gnädig, Wie wir in Gerechtigkeit denen vergeben, die uns Leid zufügen und uns verletzen. Mögen des hoheitsvollen Sohnes Liebe, Hingabe und Verschenkung Uns das ewige Leben geben mit deiner unendlichen Barmherzigkeit und Liebe. Möge der Gott der Universen auf uns das volle Maß seines Geistes ausschütten; Gib uns die Gnade, uns der Führung dieses Geistes zu fügen. Möge der Sohn uns durch den liebenden Dienst hingebungsvoller seraphischer Heerscharen Die Richtung weisen und uns bis ans Ende des Zeitalters führen. Mache uns dir immer ähnlicher, Und empfange uns an unserem Ende in der ewigen Umarmung des Paradieses. So sei es, im Namen des Sohnes der Selbsthingabe. Dem Höchsten Vater zu Ehre und Ruhm. Obwohl es den Aposteln nicht freistand, diese Lektionen über das Beten in ihrer öffentlichen Lehrtätigkeit zu verwenden, zogen sie aus all diesen Offenbarungen in ihren persönlichen religiösen Erfahrungen großen Nutzen. Jesus gebrauchte diese und andere Gebetsmuster zur Veranschaulichung bei der vertraulichen Unterweisung der Zwölf, und wir erhielten eine ausdrückliche Bewilligung zur Aufnahme der sieben Gebetsbeispiele in diesen Bericht. ***** 144.6 Konferenz mit den Aposteln des Johannes ***** Um den 1. Oktober waren Philipp und einige seiner Mitapostel in einem nahe gelegenen Dorf, um Lebensmittel zu kaufen, als sie auf einige Apostel von Johannes dem Täufer trafen. Infolge dieser zufälligen Begegnung auf dem Marktplatz kam es zu einer dreiwöchigen Konferenz zwischen den Aposteln Jesu und den Aposteln des Johannes im Gilboalager; denn Johannes hatte kürzlich, dem Beispiel Jesu folgend, zwölf seiner führenden Jünger zu Aposteln ernannt. Johannes hatte damit der dringenden Bitte Abners, des Anführers seiner treuen Anhänger, entsprochen. Jesus war während der ersten Woche dieser gemeinsamen Tagung im Lager auf Gilboa anwesend, begab sich aber für die beiden letzen Wochen fort. Zu Beginn der zweiten Woche dieses Monats hatte Abner alle seine Mitarbeiter im Lager von Gilboa versammelt und war bereit, die Beratungen mit den Aposteln Jesu aufzunehmen. Drei Wochen lang hielten diese vierundzwanzig Männer dreimal am Tag und an sechs Wochentagen Sitzungen ab. In der ersten Woche mischte sich Jesus zwischen ihren Vormittags-, Nachmittags- und Abendsitzungen unter sie. Sie wünschten, dass der Meister sich zu ihnen geselle und bei ihren gemeinsamen Beratungen den Vorsitz übernehme, aber er weigerte sich entschieden, an ihren Diskussionen teilzunehmen, obwohl er einwilligte, bei drei Gelegenheiten zu ihnen zu sprechen. Diese Ansprachen Jesu an die Vierundzwanzig beschäftigten sich mit Mitgefühl, Zusammenarbeit und Toleranz. Andreas und Abner übernahmen bei diesen gemeinsamen Zusammenkünften der apostolischen Gruppen abwechselnd den Vorsitz. Diese Männer hatten viele Schwierigkeiten zu besprechen und zahlreiche Probleme zu lösen. Immer wieder trugen sie ihre Sorgen an Jesus heran, aber sie bekamen von ihm stets nur zu hören: "Mich betreffen einzig eure persönlichen und rein religiösen Probleme. Ich bin der Vertreter des Vaters bei jedem Einzelnen, nicht bei der Gruppe. Kommt zu mir, wenn ihr persönliche Schwierigkeiten in euren Beziehungen mit Gott habt, und ich will euch anhören und euch bei der Lösung eurer Probleme beraten. Aber wenn ihr an die Koordinierung abweichender menschlicher Auslegungen religiöser Fragen und an die Sozialisierung der Religion herangeht, müsst ihr all diese Probleme durch eure eigenen Entscheidungen lösen. Im Übrigen gehören euch mein Mitgefühl und Interesse, und wenn ihr in diesen Angelegenheiten nichtgeistiger Natur schlüssig werdet und vorausgesetzt, dass ihr alle miteinander einverstanden seid, versichere ich euch im Voraus meiner vollen Zustimmung und herzlichen Mitarbeit. Um euch in euren Beratungen ungestört zu lassen, verlasse ich euch jetzt für zwei Wochen. Macht euch meinetwegen keine Sorgen, denn ich werde zu euch zurückkehren. Ich will mich um die Angelegenheiten meines Vaters kümmern, denn wir haben noch andere Welten außer dieser." Nach diesen Worten stieg Jesus den Berghang hinunter, und zwei Wochen lang sahen sie ihn nicht wieder. Sie wussten nicht im Geringsten, wohin er während dieser Tage ging, noch was er tat. Es verging einige Zeit, ehe die Vierundzwanzig sich der ernsten Besprechung ihrer Probleme wieder zuzuwenden vermochten, so verunsichert waren sie durch die Abwesenheit des Meisters. Indessen waren sie nach Ablauf einer Woche wieder tief in ihren Diskussionen, und sie konnten Jesus nicht um Hilfe angehen. Der erste Punkt, worin die Gruppe übereinstimmte, war die Annahme des Gebets, das Jesus sie erst gerade gelehrt hatte. Einstimmig wurde beschlossen, dass beide Apostelgruppen die Gläubigen dieses Gebet lehren sollten. Als nächstes beschlossen sie, dass beide Gruppen von zwölf Aposteln ihr Werk fortführen würden, solange Johannes lebte, ob im Gefängnis oder frei, und dass alle drei Monate ein einwöchiges, gemeinsames Treffen an Orten, auf die man sich von Zeit zu Zeit einigen würde, abgehalten werden sollte. Aber das ernsteste all ihrer Probleme war die Frage der Taufe. Ihre Ratlosigkeit war umso größer, als Jesus es abgelehnt hatte, sich zu diesem Thema irgendwie zu äußern. Schließlich vereinbarten sie: Solange Johannes lebte oder bis sie diesen Beschluss gemeinsam abändern würden, sollten nur die Apostel des Johannes Gläubige taufen und nur die Apostel Jesu die neuen Jünger unterweisen. Dementsprechend begleiteten von da an bis nach dem Tod des Johannes zwei von dessen Aposteln Jesus und seine Apostel, um Gläubige zu taufen, denn der vereinigte Rat hatte einstimmig befunden, dass die Taufe der erste Schritt im sichtbaren Bund mit den Angelegenheiten des Königreichs sein sollte. Als nächstes kamen sie überein, dass im Falle des Todes von Johannes dessen Apostel sich bei Jesus einfinden und sich unter seine Führung begeben sollten, und dass sie nur mit Einwilligung Jesu oder seiner Apostel taufen würden. Anschließend stimmten sie dafür, dass im Falle des Todes von Johannes Jesu Apostel beginnen würden, mit Wasser als dem Sinnbild der Taufe des göttlichen Geistes zu taufen. Ob die Buße mit der Predigt der Taufe verknüpft werden solle oder nicht, wurde freigestellt; es wurde kein für die Gruppe bindender Entschluss gefasst. Die Apostel des Johannes predigten: "Tut Buße und lasst euch taufen." Jesu Apostel verkündeten: "Glaubt und lasst euch taufen." Und dies ist die Geschichte des ersten Versuchs der Anhänger Jesu, auseinander gehende Bemühungen zu koordinieren, Meinungsverschiedenheiten beizulegen, Gruppenunternehmungen zu organisieren, äußere Gewohnheiten gesetzlich zu verankern und persönliche religiöse Praktiken zu sozialisieren. Sie dachten über viele andere, nebensächlichere Angelegenheiten nach und stimmten ihren Lösungen einmütig zu. Diese vierundzwanzig Männer machten in den beiden Wochen, da sie gezwungen waren, ohne Jesus Probleme anzugehen und Schwierigkeiten auszuräumen, eine wahrhaft bemerkenswerte Erfahrung. Sie lernten, ungleicher Meinung zu sein, zu debattieren, zu streiten, zu beten und Kompromisse zu schließen, und bei alledem dem Standpunkt des anderen gegenüber wohlwollend zu bleiben oder zumindest einen gewissen Grad an Toleranz für dessen ehrliche Überzeugungen zu bewahren. Am Nachmittag ihres Abschlussgesprächs über finanzielle Fragen kehrte Jesus zurück, erfuhr von ihren Beratungen, hörte sich ihre Entschlüsse an und sagte: "Das sind also eure Schlussfolgerungen, und ich will einem jeden von euch helfen, den Geist eurer gemeinsamen Beschlüsse in die Tat umzusetzen." Zweieinhalb Monate später wurde Johannes umgebracht, und diese Zeit über blieben die Apostel des Johannes bei Jesus und den Zwölfen. Während dieser Zeit ihres Wirkens in den Städten der Dekapolis arbeiteten sie alle zusammen und tauften Gläubige. Das Lager auf Gilboa wurde am 2. November 27 n. Chr. abgebrochen. ***** 144.7 In den Städten der Dekapolis ***** Während der Monate November und Dezember arbeiteten Jesus und die Vierundzwanzig ruhig in den griechischen Städten der Dekapolis, hauptsächlich in Skythopolis, Gerasa, Abila und Gadara. Das war wirklich das Ende jener vorbereitenden Periode der Übernahme von Werk und Organisation des Johannes. Es ist immer so, dass die sozialisierte Religion einer neuen Offenbarung den Preis des Kompromisses mit den feststehenden Formen und Gebräuchen der vorausgehenden Religion bezahlt, die sie zu retten versucht. Die Taufe war der Preis, den die Anhänger Jesu bezahlten, um die Anhänger Johannes' des Täufers als sozialisierte religiöse Gruppe an ihrer Seite zu behalten. Die Anhänger des Johannes gaben bei ihrem Anschluss an die Anhänger Jesu bis auf die Wassertaufe nahezu alles auf. Jesus lehrte während dieser Mission in den Städten der Dekapolis nur selten öffentlich. Er verbrachte beträchtliche Zeit mit der Unterweisung der Vierundzwanzig und hielt viele besondere Sitzungen mit den zwölf Aposteln des Johannes ab. Mit der Zeit brachten sie mehr Verständnis dafür auf, warum Jesus Johannes nicht im Gefängnis besuchte und nichts unternahm, um dessen Freilassung zu erreichen. Aber sie konnten nie verstehen, weshalb Jesus keine wunderbaren Werke tat, wieso er es ablehnte, äußere Zeichen seiner göttlichen Autorität zu geben. Bevor sie ins Lager von Gilboa kamen, hatten sie hauptsächlich auf Grund des Zeugnisses von Johannes an Jesus geglaubt, aber bald begannen sie, infolge ihres eigenen Kontaktes mit dem Meister und seinen Lehren zu glauben. Während dieser beiden Monate arbeitete die Gruppe meist paarweise, wobei jeweils ein Apostel Jesu mit einem Apostel des Johannes auszog. Der Apostel des Johannes taufte, der Apostel Jesu lehrte, während beide das Evangelium des Königreichs so predigten, wie sie es verstanden. Und sie gewannen viele Seelen unter diesen Heiden und abtrünnigen Juden. Abner, das Oberhaupt der Apostel des Johannes, begann, mit ganzer Hingabe an Jesus zu glauben, und wurde später zum Haupt einer Gruppe von siebzig Lehrern ernannt, die der Meister mit der Verkündigung des Evangeliums beauftragte. ***** 144.8 Im Lager bei Pella ***** Gegen Ende Dezember zogen sie alle zum Jordan hinüber in die Nähe von Pella, wo sie wieder- um zu lehren und zu predigen begannen. Sowohl Juden als auch Heiden kamen in dieses Lager, um das Evangelium zu hören. Als Jesus an einem Nachmittag die Menge lehrte, überbrachten einige enge Freunde des Johannes dem Meister die letzte Botschaft, die er vom Täufer erhalten sollte. Johannes war nun seit anderthalb Jahren im Gefängnis, und Jesus hatte die meiste Zeit über sehr still gearbeitet; so erstaunt es nicht, dass sich Johannes über das Königreich Fragen zu stellen begann. Die Freunde des Johannes unterbrachen Jesus in seiner Rede, um ihm zu sagen: "Johannes der Täufer hat uns gesandt, um zu fragen: `Bist du wirklich der Befreier, oder sollen wir nach einem anderen suchen?' " Jesus hielt inne und sagte zu den Freunden des Johannes: "Geht zurück und sagt Johannes, dass er nicht vergessen ist. Sagt ihm, was ihr gesehen und gehört habt, dass den Armen die gute Nachricht gepredigt wird." Und nachdem er weiter zu den Boten des Johannes gesprochen hatte, wandte er sich wiederum der Menge zu und sagte: "Denkt nicht, Johannes ziehe das Evangelium des Königreichs in Zweifel. Er erkundigt sich nur, um seinen Jüngern, die auch meine Jünger sind, Sicherheit zu geben. Johannes ist kein Schwächling. Lasst mich euch fragen, die ihr ihn hattet predigen hören, bevor Herodes ihn ins Gefängnis warf: Was saht ihr in ihm - ein im Wind schwankendes Schilfrohr? Einen wechselnden Stimmungen unterworfenen und in weiche Gewänder gekleideten Mann? In der Regel trifft man prächtig gewandete Leute mit verwöhntem Lebensstil an Königshöfen und in den Palästen der Reichen. Aber was saht ihr, als ihr Johannes betrachtetet? Einen Propheten? Ja, sage ich euch, und noch viel mehr als einen Propheten. Über Johannes steht geschrieben: `Siehe, ich sende meinen Boten vor dein Antlitz; er soll den Weg vor dir bereiten.' "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, unter allen von einer Frau Geborenen hat sich nie ein größerer erhoben als Johannes der Täufer; und doch ist derjenige, der nur klein ist im Königreich, größer, weil er vom Geist geboren ist und weiß, dass er ein Sohn Gottes geworden ist." Viele, die Jesus an diesem Tag hörten, unterzogen sich der Taufe des Johannes und bekannten sich dadurch öffentlich zu ihrem Eintritt in das Königreich. Und die Apostel des Johannes fühlten sich Jesus von da an fest verbunden. Diese Begebenheit markierte die tatsächliche Vereinigung der Anhänger von Johannes und Jesus. Nachdem die Boten sich mit Abner besprochen hatten, machten sie sich auf den Weg nach Machärus, um Johannes all das mitzuteilen. Es war ihm ein gewaltiger Trost, und Jesu Worte und Abners Botschaft bestärkten ihn im Glauben. An diesem Nachmittag fuhr Jesus fort zu lehren und sagte: "Aber womit soll ich diese Generation vergleichen? Viele von euch werden weder die Botschaft des Johannes noch meine Lehre annehmen. Ihr seid wie die Kinder, die auf dem Marktplatz spielen und ihren Kameraden zurufen: `Wir haben für euch auf der Flöte gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben gewehklagt, und ihr habt nicht getrauert'. Gerade so ist es mit einigen von euch. Johannes kam, und er aß und trank nicht, und sie sagten, er sei von einem bösen Geist besessen. Der Menschensohn kommt und isst und trinkt, und dieselben Leute sagen: `Seht nur diesen Vielfraß und Säufer und Freund der Zöllner und Sünder!' Wahrlich, die Weisheit wird durch ihre Kinder gerechtfertigt. "Es scheint, als habe der Vater im Himmel den Weisen und Hochmütigen einige dieser Wahrheiten verborgen und sie den kleinen Kindern offenbart. Aber der Vater macht alles richtig; der Vater offenbart sich dem Universum durch die Methoden seiner eigenen Wahl. Kommt deshalb alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ihr werdet Ruhe für eure Seelen finden. Nehmt das göttliche Joch auf euch, und ihr werdet Gottes Frieden erfahren, der jede Vorstellung übersteigt." ***** 144.9 Der Tod von Johannes dem Täufer ***** Johannes der Täufer wurde auf Anordnung des Herodes Antipas am Abend des 10. Januar 28 n. Chr. umgebracht. Am nächsten Tag erfuhren einige Jünger des Johannes, die nach Machärus gegangen waren, von seiner Hinrichtung. Sie begaben sich zu Herodes, verlangten den Körper des Johannes und legten ihn in ein Grab. Später bestatteten sie ihn in Sebaste, wo Abner zu Hause war. Am nächsten Tag, dem 12. Januar, machten sie sich nach Norden auf zum Lager der Apostel von Johannes und Jesus bei Pella und berichteten Jesus vom Tode des Johannes. Als Jesus ihren Bericht hörte, entließ er die Menge, rief die Vierundzwanzig zusammen und sprach: "Johannes ist tot. Herodes hat ihn enthaupten lassen. Beratet euch heute Abend gemeinsam und ordnet eure Angelegenheiten dementsprechend. Es gibt jetzt keinen Aufschub mehr. Die Stunde ist gekommen, das Königreich offen und machtvoll zu verkündigen. Morgen gehen wir nach Galiläa." So brachen Jesus und die Apostel früh am Morgen des 13. Januar 28 n. Chr. in Begleitung von ungefähr fünfundzwanzig Jüngern nach Kapernaum auf und bezogen am Abend im Hause des Zebedäus Quartier. ****** Kapitel 145 Vier Ereignisreiche Tage in Kapernaum ****** JESUS und die Apostel langten in Kapernaum am Dienstagabend, dem 13. Januar, an. Wie üblich richteten sie ihr Hauptquartier im Hause des Zebedäus in Bethsaida ein. Nun, da Johannes der Täufer getötet worden war, leitete Jesus in aller Offenheit die erste Rundreise öffentlichen Predigens durch Galiläa in die Wege. Die Nachricht von der Rückkehr Jesu verbreitete sich rasch in der Stadt, und früh am nächsten Tag machte sich Maria, Jesu Mutter, eilends auf und ging nach Nazareth hinüber, um sich mit ihrem Sohn Joseph zu besprechen. Den Mittwoch, den Donnerstag und den Freitag verbrachte Jesus im Hause des Zebedäus und unterwies seine Apostel im Hinblick auf ihre erste ausgedehnte öffentliche Predigtrundreise. Er empfing und lehrte auch viele ernste Fragesteller einzeln und in Gruppen. Durch Andreas sorgte er dafür, dass er am kommenden Sabbattag in der Synagoge das Wort ergreifen konnte. Spät am Freitagabend besuchte ihn insgeheim Ruth, seine jüngste Schwester. Sie verbrachten fast eine Stunde lang zusammen in einem Boot, das in geringer Entfernung vom Ufer vor Anker lag. Kein sterbliches Wesen erfuhr je von diesem Besuch außer Johannes Zebedäus, und er wurde aufgefordert, niemandem etwas davon zu sagen. Ruth war in Jesu Familie die einzige, die von der Zeit ihres frühesten geistigen Bewusstseins an während seines ganzen bewegten Wirkens bis zu Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu ununterbrochen und unerschütterlich an die Göttlichkeit seiner Erdensendung glaubte; und sie ging schließlich in die jenseitigen Welten ein, ohne je den übernatürlichen Charakter der irdischen Sendung ihres Vater-Bruders angezweifelt zu haben. Was Jesu irdische Familie betrifft, war die kleine Ruth während der schweren Prüfungen seines Verhörs, seiner Verstoßung und Kreuzigung sein größter Trost. ***** 145.1 Der Fischzug ***** Als Jesus am Freitagmorgen dieser Woche nahe beim Seeufer lehrte, drängten ihn die Menschen so dicht an den Rand des Wassers, dass er einigen Fischern in einem nahen Boot ein Zeichen gab, ihm zu Hilfe zu kommen. Er bestieg das Boot und fuhr über zwei Stunden lang fort, die versammelte Menge zu lehren. Der Name des Bootes war "Simon"; es war das ehemalige Fischerboot von Simon Petrus, und Jesus hatte es eigenhändig gebaut. Gerade an diesem Morgen wurde es von David Zebedäus und zweien seiner Mitarbeiter benutzt, die sich nach einer erfolglosen Nacht des Fischens auf dem See soeben dem Ufer genähert hatten. Sie waren dabei, ihre Netze zu säubern und zu flicken, als Jesus sie um Hilfe bat. Nachdem Jesus seine Unterweisung des Volkes beendet hatte, sagte er zu David: "Da ihr Zeit damit verloren habt, mir zu Hilfe zu kommen, lasst mich jetzt mit euch arbeiten. Lasst uns fischen gehen; fahrt zu jener tiefen Stelle hin-über und lasst eure Netze für einen Fischzug hinunter." Aber Simon, einer der Helfer Davids, antwortete: "Meister, es ist zwecklos. Wir haben die ganze Nacht schwer gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Geheiß hin wollen wir hinausfahren und die Netze hinunterlassen." Eine Geste seines Meisters David war der Grund, weshalb Simon einwilligte, Jesu Weisung zu befolgen. Als sie die von Jesus bezeichnete Stelle erreicht hatten, ließen sie ihre Netze hinunter und fingen eine solche Menge Fische, dass sie sehr fürchteten, die Netze würden reißen. Und sie gaben ihren Gefährten am Ufer Zeichen, ihnen zu Hilfe zu kommen. Als sie alle drei Boote fast bis zum Sinken mit Fischen angefüllt hatten, fiel jener Simon Jesus zu Füßen und sprach: "Geh weg von mir, Meister, denn ich bin ein sündiger Mensch." Simon und alle an der Episode Beteiligten staunten über den Fischzug. Von diesem Tag an ließen David Zebedäus, Simon und ihre Gefährten ihre Netze liegen und folgten Jesus. Indessen war dies in keiner Weise ein mirakulöser Fischzug. Jesus war ein genauer Beobachter der Natur und ein erfahrener Fischer, der die Gewohnheiten der Fische im galiläischen Meer kannte. Bei dieser Gelegenheit schickte er die Männer einfach an den Ort, wo die Fische um diese Tageszeit gewöhnlich zu finden waren. Aber Jesu Anhänger betrachteten dies stets als ein Wunder. ***** 145.2 Ein Nachmittag in der Synagoge ***** Am nächsten Sabbat hielt Jesus beim nachmittäglichen Dienst in der Synagoge die Predigt über "Den Willen des Vaters im Himmel". Am Morgen hatte Simon Petrus über "Das Königreich" gepredigt. Bei dem Treffen am Donnerstagabend in der Synagoge hatte Andreas über das Thema "Der Neue Weg" gelehrt. Genau zu dieser Zeit glaubten in Kapernaum mehr Menschen an Jesus als in irgendeiner anderen Stadt auf Erden. Als Jesus an diesem Sabbatnachmittag in der Synagoge lehrte, entnahm er, wie es Brauch war, den ersten Text dem Gesetz und las aus dem Buch Exodus: "Und du sollst dem Herrn, deinem Gott, dienen, und er wird dein Brot und dein Wasser segnen und alle Krankheit soll von dir genommen werden." Den zweiten Text wählte er aus den Propheten und las aus Jesaja: "Erhebe dich und scheine! denn dein Licht ist gekommen und die Herrlichkeit des Herrn ist über dir aufgegangen. Finsternis mag die Erde und großes Dunkel das Volk bedecken, aber der Geist des Herrn wird über dir aufgehen und die göttliche Herrlichkeit mit dir erscheinen. Sogar die Heiden werden zu diesem Licht kommen und viele große Geister werden sich seiner Helligkeit überantworten." In dieser Predigt bemühte sich Jesus, die Tatsache klarzumachen, dass die Religion eine persönliche Erfahrung ist. Unter anderem sagte der Meister: "Ihr wisst es wohl: Ein liebevoller Vater liebt seine Familie als Ganzes. Aber er betrachtet sie in dieser Weise als Gruppe nur zufolge seiner starken Zuneigung für jedes einzelne Mitglied dieser Familie. Nähert euch dem Vater im Himmel nicht mehr als ein Kind Israels, sondern als ein Kind Gottes. Als Gruppe seid ihr allerdings die Kinder Israels, aber als Einzelmenschen ist jeder von euch ein Kind Gottes. Ich bin nicht gekommen, den Vater den Kindern Israels zu offenbaren, sondern vielmehr, um dieses Verständnis Gottes und die Offenbarung seiner Liebe und Barmherzigkeit jedem einzelnen Gläubigen als eine echte persönliche Erfahrung zu bringen. Die Propheten haben euch alle gelehrt, dass Jahve für sein Volk sorgt, dass Gott Israel liebt. Aber ich bin unter euch gekommen, um eine größere Wahrheit zu verkündigen, die manche der späteren Propheten ebenfalls erfasst haben, die Wahrheit, dass Gott euch - einen jeden von euch - als Einzelnen liebt. All diese Generationen hindurch habt ihr eine nationale oder Rassenreligion gehabt; jetzt bin ich gekommen, um euch eine persönliche Religion zu schenken. Aber selbst das ist keine neue Idee. Manche von euch, die geistig gesinnt sind, kennen diese Wahrheit, da einige der Propheten sie euch gelehrt haben. Habt ihr nicht in den Schriften gelesen, wo der Prophet Jeremia sagt: `In jener Zeit wird man nicht mehr sagen: die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf. Nein, jeder stirbt nur für seine eigene Schuld; nur dem, der die sauren Trauben isst, werden die Zähne stumpf. Siehe, es wird eine Zeit kommen, da ich mit meinem Volk einen neuen Bund schließen werde, nicht gemäß dem Bund, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie aus dem Lande Ägypten herausführte, sondern gemäß dem neuen Weg. Ich werde mein Gesetz sogar in ihre Herzen schreiben. Ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. In jenen Tagen wird keiner zu seinem Nächsten sagen: Kennst du den Herrn? Nein! Denn sie werden mich alle persönlich kennen, vom Geringsten bis zum Größten.' Habt ihr diese Versprechen nicht gelesen? Glaubt ihr den Schriften nicht? Versteht ihr nicht, dass die Worte des Propheten in dem erfüllt sind, was ihr heute vor Augen habt? Und forderte euch Jeremia nicht auf, aus der Religion eine Herzensangelegenheit zu machen und euch als Einzelpersonen an Gott zu wenden? Sagte euch der Prophet nicht, dass der Gott des Himmels das Herz eines jeden von euch erforscht? Und hat man euch nicht gewarnt, dass das menschliche Herz von Natur aus überaus betrügerisch und oft äußerst böse ist? Habt ihr auch jene Stelle nicht gelesen, wo Ezechiel eure Väter lehrte, dass die Religion in eurer individuellen Erfahrung Wirklichkeit werden muss? Ihr dürft das Sprichwort nicht mehr gebrauchen, das da lautet: `Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne davon stumpf.' `So wahr ich lebe', spricht Gott der Herr, `siehe alle Seelen sind mein; des Vaters Seele wie auch die Seele des Sohnes. Nur die Seele, die sündigt, soll sterben.' Und Ezechiel sah sogar den heutigen Tag voraus, als er in Gottes Namen sprach: `Und ich will euch auch ein neues Herz schenken und einen neuen Geist in euch hineinlegen.' "Ihr solltet nicht mehr befürchten, dass Gott um der Sünde eines Einzelnen willen eine Nation bestraft; ebenso wenig wird der Vater im Himmel eines seiner gläubigen Kinder der Sünden einer Nation wegen bestrafen, obwohl das einzelne Familienmitglied oft die materiellen Folgen von Fehlern der Familie und von Übertretungen der Gruppe zu spüren bekommt. Ist es euch nicht klar, dass die Hoffnung auf eine bessere Nation - oder auf eine bessere Welt - eng verknüpft ist mit dem Fortschritt und der Erleuchtung des Einzelnen?" Danach legte der Meister dar, dass der Vater im Himmel will, dass seine Kinder auf Erden, wenn sie diese geistige Freiheit erkennen, mit dem ewigen Aufstieg der Paradies-Laufbahn beginnen. Diese besteht in der bewussten Antwort des Geschöpfs auf das göttliche Drängen des innewohnenden Geistes, den Schöpfer zu finden, Gott zu kennen und danach zu trachten, wie er zu werden. Diese Predigt half den Aposteln sehr. Allen kam klarer zum Bewusstsein, dass das Evangelium des Königreichs eine Botschaft ist, die sich an den Einzelnen und nicht an die Nation richtet. Obwohl die Bewohner von Kapernaum mit dem Unterricht Jesu vertraut waren, versetzte seine Predigt sie an diesem Sabbat in Erstaunen. Er lehrte fürwahr wie einer, der Autorität hat, und nicht wie die Schriftgelehrten. Gerade als Jesus zu sprechen aufhörte, wurde ein junger Mann in der Gemeinde, den seine Worte sehr bewegt hatten, von einem heftigen epileptischen Anfall gepackt und schrie laut auf. Als er am Ende des Anfalls das Bewusstsein wiedererlangte, sprach er in einem träumerischen Zustand: "Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth? Du bist der Heilige Gottes; bist du gekommen, um uns zu vernichten?" Jesus gebot den Leuten Ruhe, nahm den jungen Mann bei der Hand und sagte: "Komm da heraus" - und er erwachte augenblicklich. Dieser junge Mann war nicht von einem unreinen Geist oder Dämon besessen; er war das Opfer einer gewöhnlichen Epilepsie. Aber man hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sein Übel der Besessenheit durch einen bösen Geist zuzuschreiben sei. Er glaubte das und betrug sich dementsprechend in allem, was er in Verbindung mit seiner Krankheit dachte oder sprach. Alle Leute meinten, dass solche Phänomene direkt durch die Anwesenheit unreiner Geister verursacht würden. Folglich glaubten sie auch, dass Jesus einen Dämon aus diesem Mann ausgetrieben habe. Aber Jesus heilte ihn nicht zu diesem Zeitpunkt von seiner Epilepsie. Dieser Mann wurde erst im späteren Verlauf des Tages, nach Sonnenuntergang, wirklich geheilt. Lange nach dem Pfingsttag mied der Apostel Johannes, der als letzter über Jesu Wirken schrieb, jede Bezugnahme auf diese sogenannten "Dämonenaustreibungen", und zwar tat er dies in Anbetracht der Tatsache, dass solche Fälle dämonischer Besessenheit nach Pfingsten nie mehr auftraten. Nach diesem alltäglichen Vorfall verbreitete sich in Kapernaum rasch die Kunde, Jesus habe einen Dämon aus einem Mann ausgetrieben und ihn am Schluss seiner Nachmittagspredigt in der Synagoge auf wunderbare Weise geheilt. Der Sabbat war genau die richtige Zeit für die rasche und wirksame Verbreitung eines so Aufsehen erregenden Gerüchtes. Die Kunde davon verbreitete sich auch in all den kleineren Siedlungen rund um Kapernaum, und viele Leute glaubten daran. Meistens besorgten die Frau des Simon Petrus und ihre Mutter das Kochen und die Hausarbeit in dem großen Haus des Zebedäus, wo Jesus und die Zwölf ihr Hauptquartier hatten. Das Haus des Petrus befand sich ganz in dessen Nähe, und Jesus hielt mit seinen Freunden auf dem Rückweg von der Synagoge hier an, weil die Schwiegermutter des Petrus seit einigen Tagen mit Fieberfrost krank lag. Nun wollte es der Zufall, dass zur selben Zeit, als Jesus bei der kranken Frau stand, ihre Hand hielt, ihr über die Stirn strich und zu ihr Worte des Trostes und der Ermutigung sprach, das Fieber sie verließ. Jesus hatte noch keine Zeit gehabt, seinen Aposteln zu erklären, dass in der Synagoge kein Wunder geschehen war; und unter dem neuerlichen und lebhaften Eindruck dieses Vorfalls und eingedenk des Wassers und Weins in Kana griffen sie dieses Zusammentreffen als weiteres Wunder auf, und einige von ihnen stürzten hinaus, um die Neuigkeit in der Stadt zu verbreiten. Amatha, die Schwiegermutter des Petrus, litt unter Malaria. Sie wurde zu diesem Zeitpunkt durch Jesus nicht auf wunderbare Weise geheilt. Ihre Heilung geschah erst einige Stunden später nach Sonnenuntergang in Verbindung mit dem außergewöhnlichen Ereignis, das sich im Eingangshof des Hauses des Zebedäus abspielte. Und diese Beispiele sind bezeichnend für die Art, wie eine nach Wundern suchende Generation und ein wundergläubiges Volk alle derartigen Zufälle sofort zum Vorwand nahmen, um zu verkünden, Jesus habe ein neues Wunder vollbracht. ***** 145.3 Die Heilung beim Sonnenuntergang ***** Als sich Jesus und seine Apostel am Ende dieses bewegten Sabbattages anschickten, ihr Abendbrot einzunehmen, befanden sich ganz Kapernaum und Umgebung wegen dieser angeblichen Wunderheilungen in großer Aufregung; und alle, die krank oder gebrechlich waren, machten sich bereit, sofort nach Sonnenuntergang zu Jesus zu gehen oder sich von ihren Freunden zu ihm tragen zu lassen. Gemäß jüdischer Lehre war es während der geheiligten Sabbatstunden nicht einmal erlaubt, etwas für seine Gesundheit zu tun. Deshalb machten sich ganze Scharen leidender Männer, Frauen und Kinder, kaum dass die Sonne unter den Horizont gesunken war, auf den Weg nach dem Hause des Zebedäus in Bethsaida. Ein Mann brach mit seiner gelähmten Tochter auf, sowie die Sonne hinter dem Hause seines Nachbarn verschwunden war. Die Ereignisse des ganzen Tages hatten die Voraussetzungen für diese außergewöhnliche Sonnenuntergangsszene geschaffen. Sogar der von Jesus in seiner Nachmittagspredigt benutzte Text hatte zu verstehen gegeben, dass Krankheit verbannt werden sollte; und er hatte mit solch beispielloser Macht und Autorität gesprochen! Seine Botschaft war so unwiderstehlich! Ohne sich auf menschliche Autorität zu berufen, sprach er direkt Gewissen und Seele der Menschen an. Er verwendete weder Logik noch Spitzfindigkeiten des Gesetzes oder gescheite Redensarten, sondern richtete einen machtvollen, direkten, klaren und persönlichen Aufruf an die Herzen seiner Zuhörer. Dieser Sabbat war ein großer Tag im Erdenleben Jesu, ja, im Leben eines Universums. Für das Lokaluniversum war die kleine jüdische Stadt Kapernaum gewissermaßen die wahre Hauptstadt von Nebadon. Die Handvoll Juden in der Synagoge von Kapernaum waren nicht die einzigen Wesen, die die denkwürdige Schlusserklärung der Predigt Jesu hörten: "Hass ist der Schatten der Angst und Rache die Maske der Feigheit." Ebenso wenig konnten seine Zuhörer seine gesegneten Worte vergessen, die lauteten: "Der Mensch ist der Sohn Gottes und nicht ein Kind des Teufels." Jesus und seine Apostel verweilten noch am Abendtisch, als die Frau von Petrus kurz nach Sonnenuntergang im Vorhof Stimmen hörte. Sie eilte zur Tür und sah, wie sich eine große Zahl kranker Menschen versammelte, und dass auf der Straße von Kapernaum eine Menschenmenge herannahte, die aus den Händen Jesu Heilung empfangen wollte. Kaum hatte sie dies gesehen, eilte sie, ihrem Mann die Nachricht zu bringen, der sie Jesus mitteilte. Als der Meister aus dem Vordereingang von Zebedäus' Haus trat, fiel sein Blick auf dichte Reihen heimgesuchter und geplagter Menschen. Er schaute auf fast eintausend kranke und leidende menschliche Wesen; zumindest war das die Anzahl der vor ihm Versammelten. Nicht alle Anwesenden hatten ein Gebrechen; einige waren gekommen, um ihren Lieben bei ihrem Versuch, Heilung zu erlangen, beizustehen. Der Anblick all dieser heimgesuchten Sterblichen, dieser Männer, Frauen und Kinder, deren Leiden weitgehend die Folge der Fehler und Missetaten seiner eigenen, verlässlich geglaubten Söhne der Universumsverwaltung waren, rührte Jesu menschliches Herz ganz besonders und forderte das göttliche Erbarmen dieses gütigen Schöpfersohnes heraus. Indessen wusste Jesus sehr wohl, dass er nie eine andauernde geistige Bewegung auf der Grundlage rein materieller Wunder aufbauen könnte. Unbeirrbar hatte er sich an seine Richtlinie gehalten, auf die Zurschaustellung seiner Schöpfervorrechte zu verzichten. Seit Kana hatte nichts Übernatürliches oder Wunderbares seine Lehrtätigkeit begleitet; nun aber rührte diese leidende Menge sein mitfühlendes Herz und appellierte mächtig an seine verstehende Güte. Aus dem Vorderhof ertönte eine Stimme: "Meister, sprich das Wort, stelle unsere Gesundheit wieder her, heile uns von unseren Krankheiten, und rette unsere Seelen." Kaum waren diese Worte gesprochen, als ein mächtiges Aufgebot an Seraphim, physischen Überwachern, Lebensbringern und Mittlern, die diesen inkarnierten Schöpfer eines Universums stets begleiteten, sich bereit machte, auf ein Signal ihres Gebieters hin mit schöpferischer Macht zu handeln. Das war einer jener Augenblicke in der irdischen Laufbahn Jesu, wo sich göttliche Weisheit und menschliches Mitleid im Urteil des Menschensohnes derart vermengten, dass er zur Anrufung des Willens seines Vaters Zuflucht nahm. Als Petrus den Meister anflehte, den Hilfeschrei der Leute zu erhören, antwortete Jesus, wobei er auf die leidende Menge hinunterblickte: "Ich bin in die Welt gekommen, um den Vater zu offenbaren und sein Königreich zu errichten. Dafür habe ich mein Leben bis zu dieser Stunde gelebt. Sollte es also der Wille Dessen sein, der mich gesandt hat, und sollte es mit meiner Hingabe an die Verkündigung des Evangeliums des Königreichs nicht unvereinbar sein, wünschte ich, meine Kinder heil zu sehen - und -" aber der Rest der Worte Jesu ging im Tumult unter. Jesus hatte die Verantwortung für diesen die Heilung betreffenden Entschluss an seinen Vater weitergegeben. Offensichtlich machte des Vaters Wille keine Einwände, denn kaum hatte der Meister die Worte gesprochen, als die unter dem Befehl des Personifizierten Gedankenjustierers Jesu dienenden, versammelten himmlischen Persönlichkeiten mächtig in Bewegung gerieten. Das riesige Gefolge stieg mitten unter diese zusammengewürfelte Menge leidender Sterblicher hinab und in einem einzigen Augenblick erlangten 683 Männer, Frauen und Kinder die volle Gesundheit, waren von allen ihren körperlichen Gebrechen und anderen physischen Störungen vollständig geheilt. Nie vor- oder nachher wurde man auf der Erde Zeuge eines solchen Geschehens. Und für diejenigen von uns, die zugegen waren und dieser schöpferischen Welle der Heilung zuschauten, war es in der Tat ein hinreißendes Schauspiel. Aber von allen Wesen, die dieser plötzliche und unerwartete Ausbruch übernatürlicher Heilung in Staunen versetzte, war Jesus der am meisten Überraschte. In einem Augenblick, wo sich seine menschlichen Interessen und sein Mitgefühl auf die vor ihm ausgebreitete Szene des Leidens und der Niedergeschlagenheit konzentrierten, versäumte er es, als Mensch an die Ermahnungen seines Personifizierten Justierers zu denken, der ihn vor der Unmöglichkeit gewarnt hatte, unter gewissen Bedingungen und Umständen das Element Zeit der Schöpferprivilegien eines Schöpfersohnes zu begrenzen. Jesus wünschte, diese leidenden Sterblichen heil zu sehen, wenn seines Vaters Wille dabei nicht verletzt würde. Jesu Personifizierter Justierer verfügte augenblicklich, dass ein solcher Akt schöpferischer Energie zu dieser Zeit den Willen des Paradies-Vaters nicht übertreten würde, und durch diese Entscheidung - angesichts des von Jesus zuvor geäußerten Wunsches nach Heilung - war der schöpferische Akt. Was ein Schöpfersohn wünscht und sein Vater will, IST. Im ganzen späteren Erdenleben Jesu fand keine zweite derartige physische Massenheilung von Sterblichen statt. Wie zu erwarten war, lief die Kunde von der Heilung bei Sonnenuntergang in Bethsaida bei Kapernaum durch ganz Galiläa und Judäa bis in die jenseitigen Gebiete. Wiederum wurden die Befürchtungen des Herodes geweckt, und er sandte Späher aus, ihm über Werk und Lehren Jesu zu berichten und in Erfahrung zu bringen, ob er der frühere Zimmermann von Nazareth sei oder der von den Toten auferstandene Johannes der Täufer. Hauptsächlich wegen dieser unbeabsichtigten Demonstration körperlicher Heilung wurde Jesus fortan und für den Rest seines irdischen Lebensweges ebenso sehr Arzt als auch Prediger. Zwar setzte er seine Lehrtätigkeit fort, aber sein persönliches Tun bestand hauptsächlich im Dienst an den Kranken und Bedrückten, während seine Apostel die Arbeit öffentlichen Predigens und Taufens von Gläubigen verrichteten. Aber die Mehrzahl derer, die anlässlich dieser Demonstration göttlicher Energie bei Sonnenuntergang übernatürliche oder schöpferische physische Heilung empfangen hatten, zog keinen bleibenden geistigen Nutzen aus dieser außerordentlichen Bekundung von Barmherzigkeit. Eine kleine Zahl wurde durch diese physische Wohltat wahrhaftig erbaut, aber der erstaunliche Ausbruch zeitunabhängiger schöpferischer Heilung leistete dem geistigen Königreich in den Herzen der Menschen keinen Vorschub. Die Wunderheilungen, welche Jesu Erdensendung hie und da begleiteten, waren nicht Teil seines Plans der Verkündigung des Königreichs. Sie waren Begleiterscheinungen des Umstandes, auf der Erde ein göttliches Wesen mit nahezu unbegrenzten Schöpferprivilegien zu haben, in welchem sich göttliche Barmherzigkeit und menschliche Sympathie in nie da gewesener Weise verbanden. Aber solche sogenannten Wunder bereiteten Jesus manche Unannehmlichkeiten, denn sie sorgten für öffentliches Aufsehen, das Voreingenommenheit bewirkte, und trugen ihm einen Ruf ein, den er nicht suchte. ***** 145.4 Später am Abend ***** Am Abend, der auf diesen gewaltigen Heilungsausbruch folgte, strömte die jubelnde und glückliche Menge in das Haus des Zebedäus, und die überschwänglichen Gefühle der Apostel Jesu steigerten sich zu höchsten Höhen. Vom menschlichen Standpunkt aus war das wahrscheinlich der großartigste aller großen Tage ihres Zusammenseins mit Jesus. Nie zuvor oder danach stiegen ihre Hoffnungen zu solchen Höhen vertrauensvoller Erwartung an. Jesus hatte ihnen nur wenige Tage zuvor, als sie noch innerhalb der Grenzen Samarias waren, gesagt, die Stunde sei jetzt gekommen, das Königreich mit Macht zu verkündigen, und nun hatten sie mit eigenen Augen gesehen, was, wie sie vermuteten, die Erfüllung dieses Versprechens war. Die Vision dessen, was noch kommen würde, wenn diese erstaunliche Bekundung von Heilkraft bloß der Anfang war, elektrisierte sie. Ihre verbliebenen Zweifel an Jesu Göttlichkeit waren verscheucht. Sie waren buchstäblich trunken vor ekstatischem und verwirrtem Entzücken. Aber als sie nach Jesus suchten, konnten sie ihn nicht finden. Der Meister war von dem Geschehenen sehr betroffen. All diese Männer, Frauen und Kinder, die von verschiedenen Krankheiten geheilt worden waren, verweilten noch bis zum späten Abend in der Hoffnung, Jesus würde zurückkehren und sie könnten ihm danken. Die Apostel konnten des Meisters Verhalten nicht verstehen, als die Stunden verstrichen, und er sich weiterhin abseits hielt. Ohne diese anhaltende Abwesenheit wäre ihre Freude ganz und vollkommen gewesen. Als Jesus in ihre Mitte zurückkehrte, war es spät, und so gut wie alle Nutznießer der Heilungsepisode hatten sich nach Hause begeben. Jesus lehnte Glückwünsche und Bewunderung der Zwölf und all jener ab, die ausgeharrt hatten, um ihn zu grüßen, und sagte nur: "Freut euch nicht so sehr darüber, dass mein Vater die Macht hat, den Körper zu heilen, als vielmehr darüber, dass es in seiner Macht liegt, die Seele zu retten. Gehen wir nun zur Ruhe, denn morgen müssen wir uns um des Vaters Angelegenheiten kümmern." Und wiederum begaben sich zwölf enttäuschte, verstörte und tiefbetrübte Männer zur Ruhe; mit Ausnahme der Zwillinge schliefen nur wenige von ihnen viel in dieser Nacht. Kaum tat der Meister etwas, um die Seelen seiner Apostel aufzumuntern und ihre Herzen zu beglücken, als er ihre Hoffnungen augenblicklich wieder zu zerschlagen und die Grundlagen ihres Mutes und Enthusiasmus vollständig zu zerstören schien. Als diese verwirrten Fischer sich gegenseitig anschauten, hatten sie nur einen Gedanken: "Wir können ihn nicht verstehen. Was bedeutet all das?" ***** 145.5 Am frühen Sonntagmorgen ***** Aber auch Jesus schlief in jener Samstagnacht nicht viel. Er wurde gewahr, dass die Welt mit physischer Not und materiellen Schwierigkeiten angefüllt war, und er sann über die große Gefahr nach, gezwungen zu sein, so viel von seiner Zeit auf die Sorge für die Kranken und Leidenden zu verwenden, dass seine Sendung, in den Herzen der Menschen das geistige Königreich zu errichten, dadurch behindert oder zumindest der Beschäftigung mit materiellen Dingen untergeordnet würde. Wegen dieser und ähnlicher Gedanken, die den menschlichen Verstand Jesu während der Nacht beschäftigten, stand er an jenem Sonntagmorgen lange vor Tagesanbruch auf und begab sich ganz allein an einen seiner Lieblingsplätze zum Zwiegespräch mit seinem Vater. In seinem frühmorgendlichen Gebet bat Jesus um Weisheit und Urteilsfähigkeit, damit er seinem menschlichen Mitgefühl in Verbindung mit seinem göttlichen Erbarmen nicht erlaube, angesichts sterblichen Leidens so heftig an ihn zu appellieren, dass all seine Zeit mit physischer Hilfe ausgefüllt und die geistige darob vernachlässigt würde. Obwohl er nicht ganz auf den Dienst an den Kranken verzichten wollte, wusste er doch, dass er auch die wichtigere Arbeit des geistigen Lehrens und der religiösen Schulung zu leisten hatte. Jesus ging zum Beten so viele Male in die Berge hinaus, weil es für seine persönlichen Andachten keine geeigneten privaten Räumlichkeiten gab. Petrus fand in jener Nacht keinen Schlaf; deshalb weckte er sehr früh, kurz nachdem Jesus zum Beten hinausgegangen war, Jakobus und Johannes, und die drei machten sich auf die Suche nach ihrem Meister. Nach mehr als einer Stunde fanden sie Jesus und baten ihn dringend, ihnen den Grund seines seltsamen Verhaltens mitzuteilen. Sie wollten gerne wissen, weshalb er angesichts der mächtigen Ausgießung des Geistes der Heilung beunruhigt zu sein schien, während alle Leute überglücklich und seine Apostel so voller Freude waren. Mehr als vier Stunden lang bemühte sich Jesus, den drei Aposteln zu erklären, was sich ereignet hatte. Er setzte ihnen auseinander, was geschehen war, und erklärte ihnen die Gefahren solcher Manifestationen. Jesus vertraute ihnen an, weshalb er hierher zum Beten gekommen war. Er versuchte, seinen persönlichen Gefährten die wahren Gründe klarzumachen, weshalb das Königreich des Vaters nicht auf der Grundlage von Wundertaten und physischer Heilung aufgebaut werden konnte. Aber sie waren nicht imstande, seine Lehre zu verstehen. Unterdessen begannen sich am frühen Sonntagmorgen neue Scharen leidender Seelen und viele Neugierige um das Haus des Zebedäus zu versammeln. Sie verlangten lautstark nach Jesus. Andreas und die Apostel waren so ratlos, dass Andreas mit mehreren seiner Gefährten auf die Suche nach Jesus ging, während Simon Zelotes zu der versammelten Menge sprach. Als Andreas Jesus in Begleitung der drei gefunden hatte, sagte er: "Meister, weshalb lässt du uns mit der Menge allein? Sieh, alle Menschen suchen dich; nie zuvor haben so viele nach deiner Lehre verlangt. In diesem Augenblick ist das Haus umringt von Leuten, die deiner mächtigen Werke wegen von nah und fern herbeigekommen sind. Willst du nicht mit uns zurückkehren, um ihnen zu helfen?" Als Jesus dies hörte, antwortete er: "Andreas, habe ich dich und die anderen nicht gelehrt, dass meine Sendung auf Erden in der Offenbarung des Vaters besteht, und meine Botschaft in der Verkündigung des Königreichs? Wie kommt es, dass du mich nun von meinem Werk abbringen möchtest, nur um den Neugierigen Genüge zu tun und jene zufrieden zu stellen, die nach Zeichen und Wundern suchen? Haben wir nicht all diese Monate hindurch unter diesen Leuten gelebt, und sind sie etwa in Scharen herbeigeströmt, um die gute Nachricht vom Königreich zu hören? Weshalb sind sie jetzt gekommen und belagern uns? Geschieht es nicht viel eher zur Heilung ihres physischen Körpers, denn als Antwort auf das Empfangen geistiger Wahrheit zur Rettung ihrer Seelen? Wenn sich Menschen wegen außerordentlicher Geschehnisse zu uns hingezogen fühlen, dann kommen viele von ihnen nicht, weil es sie nach Wahrheit und Rettung verlangt, sondern vielmehr auf der Suche nach Heilung für ihre körperlichen Leiden und um Befreiung von ihren materiellen Schwierigkeiten zu erwirken. "All diese Zeit über bin ich in Kapernaum gewesen, und sowohl in der Synagoge als auch am Seeufer habe ich die gute Nachricht vom Königreich all denen verkündet, die Ohren hatten zu hören und Herzen, die Wahrheit zu empfangen. Es ist nicht der Wille meines Vaters, dass ich mit euch zurückkehre, um diese Neugierigen zu befriedigen und ganz durch physische Dinge unter Ausschluss der geistigen in Beschlag genommen zu werden. Ich habe euch die Weihe gegeben, um das Evangelium zu predigen und euch der Kranken anzunehmen, aber ich darf durch das Heilen nicht voll beansprucht werden und darüber meine Lehrtätigkeit aufgeben. Nein, Andreas, ich werde nicht mit euch zurückkehren. Geht und sagt den Leuten, sie sollen an das glauben, was wir sie gelehrt haben und sich über die Freiheit der Söhne Gottes freuen, und macht euch bereit für unseren Aufbruch nach den anderen Städten Galiläas, wo der Weg für das Predigen der guten Nachricht vom Königreich schon vorbereitet worden ist. Einzig zu diesem Zweck bin ich vom Vater hergekommen. Geht nun, und macht euch für unsere sofortige Abreise bereit, während ich hier auf eure Rückkehr warte." Nachdem Jesus gesprochen hatte, kehrten Andreas und seine Mitapostel niedergeschlagen zum Hause des Zebedäus zurück, entließen die versammelte Menge und machten sich rasch reisefertig, wie Jesus sie geheißen hatte, Und so traten Jesus und die Apostel am Sonntagnachmittag, dem 18. Januar 28 n. Chr. ihre erste wirklich öffentliche und unverhüllte Predigtrundreise durch die Städte Galiläas an. Während dieser ersten Rundreise predigten sie das Evangelium des Königreichs in vielen Städten, aber Nazareth besuchten sie nicht. Am selben Sonntagnachmittag, kurz nachdem Jesus und seine Apostel nach Rimmon aufgebrochen waren, sprachen seine Brüder Jakobus und Jude am Hause des Zebedäus vor, um Jesus zu besuchen. Um die Mittagszeit jenes Tages hatte Jude seinen Bruder Jakobus aufgesucht und darauf bestanden, mit ihm zu Jesus zu gehen. Aber bis Jakobus ihn zu begleiten einwilligte, war Jesus schon fortgegangen. Die Apostel verließen Kapernaum, wo ein derartiges Interesse angefacht worden war, nur sehr widerwillig. Petrus rechnete aus, dass nicht weniger als eintausend Gläubige für das Königreich hätten getauft werden können. Jesus hörte ihnen geduldig zu, willigte aber nicht ein zurückzukehren. Eine Zeit lang herrschte Stille, aber dann wandte sich Thomas an seine Mitapostel mit den Worten: "Auf denn! Der Meister hat gesprochen. Einerlei, wenn wir die Geheimnisse des Königreichs nicht ganz begreifen können, aber einer Sache sind wir sicher: Wir folgen einem Lehrer, der keinen Ruhm für sich selber sucht." Und widerstrebend zogen sie aus, in den Städten Galiläas die gute Nachricht zu predigen. ****** Kapitel 146 Die Erste Predigtrundreise durch Galiläa ****** DIE erste öffentliche Predigtrundreise durch Galiläa begann am Sonntag, dem 18. Januar 28 n. Chr., dauerte etwa zwei Monate und endete mit der Rückkehr nach Kapernaum am 17. März. Auf dieser Reise predigten Jesus und die zwölf Apostel, unterstützt von den früheren Aposteln des Johannes, das Evangelium und tauften Gläubige in Rimmon, Jotapata, Ramah, Zebulon, Iron, Gischala, Chorazin, Madon, Cana, Nain und Endor. In diesen Städten hielten sie sich länger auf und lehrten, während sie an vielen kleineren Orten das Evangelium des Königreichs nur auf der Durchreise verkündigten. Das war das erste Mal, dass Jesus seinen Mitarbeitern ohne Einschränkung zu predigen erlaubte. Während dieser Reise warnte er sie nur bei drei Gelegenheiten; er ermahnte sie, sich von Nazareth fern zu halten und unauffällig durch Kapernaum und Tiberias zu ziehen. Es war für die Apostel eine Quelle großer Befriedigung, endlich das Gefühl zu haben, ohne Beschränkung predigen und lehren zu dürfen, und mit großem Ernst und freudig stürzten sie sich in ihre Aufgabe, das Evangelium zu predigen, die Kranken zu stärken und Gläubige zu taufen. ***** 146.1 Sie predigen in Rimmon ***** In der kleinen Stadt Rimmon hatte man einstmals Ramman, einen babylonischen Gott der Luft, verehrt. Manche der früheren babylonischen und späteren zoroastrischen Lehren waren immer noch Teil des Glaubens der Rimmoniten; deshalb widmeten Jesus und die Vierundzwanzig viel von ihrer Zeit der Aufgabe, den Unterschied zwischen diesen älteren Glaubensvorstellungen und dem neuen Evangelium des Königreichs klar zu machen. Petrus hielt hier eine der großen Predigten seiner frühen Laufbahn über "Aaron und das Goldene Kalb". Obwohl viele Bürger von Rimmon an Jesu Lehren zu glauben begannen, bereiteten sie ihren Brüdern in späteren Jahren große Unannehmlichkeiten. Es ist schwierig, Naturanbeter in der kurzen Spanne eines einzigen Lebens zu vollen Teilnehmern an der Verehrung eines geistigen Ideals zu bekehren. Manche der besseren babylonischen und persischen Vorstellungen von Licht und Dunkel, Gut und Böse und Zeit und Ewigkeit wurden später den Lehren des sogenannten Christentums einverleibt, und ihre Einbeziehung machte die christlichen Lehren für die Völker des Nahen Ostens annehmbarer. In gleicher Weise machte der Einschluss vieler platonischer Theorien über den idealen Geist oder die unsichtbaren Urbilder aller sichtbaren und materiellen Dinge, wie Philo sie später der hebräischen Theologie anpasste, die christlichen Lehren des Paulus den westlichen Griechen zugänglicher. Hier in Rimmon hörte Todan zum ersten Mal das Evangelium des Königreichs, und er trug diese Botschaft später nach Mesopotamien und noch weit darüber hinaus. Er war einer der ersten, die den Menschen jenseits des Euphrats die gute Nachricht predigten. ***** 146.2 In Jotapata ***** Die einfachen Leute von Jotapata hörten Jesus und seinen Aposteln mit Freuden zu und viele nahmen das Evangelium des Königreichs an; aber Jesu Darlegungen vor den Vierundzwanzig am zweiten Abend ihres Aufenthalts in dieser kleinen Stadt zeichneten die Mission in Jotapata besonders aus. In Nathanaels Kopf herrschte Verwirrung über des Meisters Lehren bezüglich Gebet, Danksagen und Anbetung, und in Erwiderung auf seine Frage gab der Meister weitere, sehr ausführliche Erläuterungen zu seinen Lehren. Wir legen diese Ansprache in moderner Ausdrucksweise zusammengefasst und mit besonderer Betonung auf den folgenden Punkten vor: 1. Wenn der Mensch in seinem Herzen bewusst und dauernd frevelt, kommt es zu einer allmählichen Zerstörung der Gebetsverbindung der menschlichen Seele mit den Geistkreisläufen der Kommunikation zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. Natürlich hört Gott die Bitte seines Kindes, aber wenn das menschliche Herz vorsätzlich und beharrlich frevlerische Vorstellungen unterhält, folgt daraus allmählich der Verlust der persönlichen Kommunikation zwischen dem Erdenkind und seinem himmlischen Vater. 2. Ein mit den bekannten und verankerten Gesetzen Gottes nicht zu vereinbarendes Gebet ist den Gottheiten des Paradieses ein Gräuel. Will der Mensch nicht auf die Götter hören, wenn sie durch die Gesetze des Geistes, des Verstandes und der Materie zu ihrer Schöpfung sprechen, hat ein solcher vorsätzlicher und bewusster Akt der Verachtung durch das Geschöpf zur Folge, dass die Geistpersönlichkeiten ihre Ohren vor den persönlichen Bitten solcher gesetzloser und ungehorsamer Sterblicher verschließen. Jesus zitierte für seine Apostel aus dem Propheten Zacharias: "Doch sie weigerten sich hinzuhören, wandten sich ab und verstopften ihre Ohren, um nicht hören zu müssen. Ja, sie machten ihr Herz hart wie Stein, um mein Gesetz und meine Worte nicht zu hören, die mein Geist ihnen durch die Propheten sandte; deshalb kam die Ernte ihrer schlechten Gedanken wie ein großer Zorn über ihre schuldigen Häupter. Und so geschah es, dass sie nach Barmherzigkeit schrien, aber da war kein offenes Ohr, sie zu hören." Und dann zitierte Jesus das Sprichwort des Weisen, der sagte: "Wer sein Ohr abwendet, um das göttliche Gesetz nicht zu hören, dessen Gebet sogar wird ein Gräuel sein." 3. Durch Öffnen des menschlichen Endes des Kanals der Gott-Mensch-Verbindung machen die Sterblichen den für die Geschöpfe der Welt ununterbrochen fließenden Strom göttlicher Fürsorge für sich augenblicklich nutzbar. Wenn der Mensch in seinem Herzen Gottes Geist sprechen hört, dann ist in einer solchen Erfahrung die Tatsache enthalten, dass Gott gleichzeitig das Gebet dieses Menschen hört. Sogar die Vergebung der Sünden geschieht in derselben unfehlbaren Weise. Der Vater im Himmel hat euch schon vergeben, bevor ihr daran gedacht habt, ihn darum zu bitten, aber diese Vergebung wird euch in eurer persönlichen religiösen Erfahrung nicht eher zuteil, als bis ihr euren Mitmenschen verziehen habt. Gottes Vergebung als Tatsache hängt nicht davon ab, ob ihr euren Nächsten verzeiht, aber in der Erfahrung hängt sie genau davon ab. Und diese Tatsache der Gleichzeitigkeit von göttlicher und menschlicher Vergebung, ihre enge Beziehung, war als solche im Gebet anerkannt, das Jesus die Apostel lehrte. 4. Es gibt im Universum ein grundlegendes Gesetz der Gerechtigkeit, das zu umgehen Barmherzigkeit keine Macht hat. Ein durch und durch egoistisches Geschöpf der Zeit-Raum-Welten kann unmöglich die selbstlosen Herrlichkeiten des Paradieses empfangen. Selbst Gottes unendliche Liebe kann keinem sterblichen Geschöpf, das sich nicht für das Weiterleben entscheidet, das Heil des ewigen Lebens aufzwingen. Das Walten der Barmherzigkeit hat einen großen Spielraum, aber letzten Endes gibt es Gebote der Gerechtigkeit, die selbst Liebe im Verein mit Barmherzigkeit nicht wirksam außer Kraft zu setzen vermag. Und wiederum zitierte Jesus aus den hebräischen Schriften: "Ich habe gerufen, doch ihr habt euch geweigert zu hören; ich habe meine Hand ausgestreckt, aber niemand hat sie beachtet. Ihr habt all meinen Rat in den Wind geschlagen und all meine Rügen zurückgewiesen. Eure rebellische Haltung führt unvermeidlich dazu, dass ihr mich wohl anrufen, aber keine Antwort erhalten werdet. Da ihr den Weg des Lebens abgelehnt habt, mögt ihr mich in Zeiten der Not noch so eifrig suchen, aber ihr werdet mich nicht finden." 5. Wer Barmherzigkeit empfangen möchte, muss Barmherzigkeit erweisen; richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Ihr werdet mit demselben Geist gerichtet werden, mit dem ihr andere richtet. Barmherzigkeit hebt die Gerechtigkeit des Universums nicht ganz auf. Am Ende wird sich als wahr erweisen: "Wer sein Ohr vor dem Hilfeschrei des Armen verschließt, wird eines Tages auch um Hilfe schreien, und niemand wird ihn hören." In der Aufrichtigkeit eines Gebets liegt die Gewähr für seine Erhörung; geistige Weisheit und Übereinstimmung einer Bitte mit dem Universum sind bestimmend für Zeit, Art und Maß der Antwort. Ein weiser Vater antwortet nicht buchstäblich auf die törichten Bitten seiner unwissenden und unerfahrenen Kinder, obwohl die Kinder bei solchen absurden Bitten unter Umständen viel Freude und wahre innere Befriedigung empfinden mögen. 6. Wenn ihr euch ganz und gar der Erfüllung des Willens des himmlischen Vaters hingegeben habt, wird all euren Bitten eine Antwort zuteil, weil eure Gebete dann mit dem Willen des Vaters in völliger Übereinstimmung sind; und des Vaters Wille bekundet sich ständig überall in seinem gewaltigen Universum. Was der wahre Sohn wünscht und der unendliche Vater will, IST. Ein solches Gebet kann nicht unbeantwortet bleiben, und es ist unmöglich, dass einer anderen Art von Bitte voll stattgegeben werden kann. 7. Das Flehen des Rechtschaffenen ist der Glaubensakt eines Gotteskindes, der die Tür zu des Vaters Vorratskammer von Güte, Wahrheit und Barmherzigkeit öffnet. Diese guten Gaben haben seit langem darauf gewartet, dass der Sohn sich ihnen nähere und sie sich persönlich aneigne. Das Gebet ändert nicht die göttliche Einstellung zum Menschen, wohl aber des Menschen Einstellung zum unwandelbaren Vater. Der Beweggrund des Gebetes gibt ihm Wegerecht zum göttlichen Ohr, und nicht die gesellschaftliche, wirtschaftliche oder äußere religiöse Stellung des Betenden. 8. Das Gebet soll nicht dazu benutzt werden, Zeitverzögerungen zu vermeiden oder über räumliche Hindernisse hinwegzugehen. Das Gebet ist nicht vorgesehen als Methode zur Selbstverherrlichung oder zur Erlangung unrechtmäßiger Vorteile über seine Mitmenschen. Eine durch und durch selbstsüchtige Seele kann nicht im wahren Sinne des Wortes beten. Jesus sagte: "Der Charakter Gottes sei eure höchste Wonne, und er wird euch bestimmt eure aufrichtigen Herzenswünsche erfüllen." "Vertraut euren Weg dem Herrn an; verlasst euch auf ihn, und er wird handeln." "Denn der Herr hört den Ruf des Bedürftigen, und er wird dem Gebet des Notleidenden Beachtung schenken." 9. "Ich bin vom Vater gekommen; fragt deshalb in meinem Namen, wenn ihr je im Zweifel darüber seid, um was ihr den Vater bitten möchtet; und ich werde eure Bitte vorbringen in Übereinstimmung mit euren wirklichen Bedürfnissen und Wünschen und in Übereinstimmung mit meines Vaters Willen." Hütet euch vor der großen Gefahr, in euren Gebeten egozentrisch zu werden. Vermeidet es, viel für euch selber zu beten; betet mehr für den geistigen Fortschritt eurer Brüder. Vermeidet materialistische Gebete; betet im Geiste und für die Fülle der Gaben des Geistes. 10. Wenn ihr für die Kranken und Niedergeschlagenen betet, erwartet nicht, dass eure Bitten das liebende und verständige Sorgen für die Bedürfnisse dieser Leidenden ersetzen werden. Betet für das Wohlergehen eurer Familien, Freunde und Gefährten, aber insbesondere betet für jene, die euch verwünschen, und bittet in Liebe für die, die euch verfolgen. "Aber ich will nicht sagen, wann man beten soll. Einzig der euch innewohnende Geist soll euch zur Äußerung jener Bitten bewegen, die eure innere Beziehung zum Vater allen Geistes ausdrücken." 11. Viele nehmen nur in der Not Zuflucht zum Gebet. Ein solches Verhalten ist gedankenlos und irreführend. Ihr tut allerdings gut daran zu beten, wenn ihr von Sorgen geplagt seid, aber ihr solltet auch dann daran denken, als Sohn zu eurem Vater zu sprechen, wenn es eurer Seele gut geht. Stellt eure wahren Bitten stets im Geheimen. Lasst die Menschen eure persönlichen Gebete nicht hören. Dankgebete sind für Gruppen von Andächtigen angemessen, aber das Gebet der Seele ist eine persönliche Angelegenheit. Es gibt nur eine einzige Gebetsform, die für alle Gotteskinder gleich passend ist, und das ist diese: "Und dennoch, dein Wille geschehe." 12. Alle, die an dieses Evangelium glauben, sollten aufrichtig für die Ausbreitung des Königreichs beten. Von allen Gebeten der hebräischen Schriften kommentierte er diese Bitte des Psalmisten am zustimmendsten: "Schaffe in mir ein reines Herz, o Gott, und erneuere in mir den rechten Geist. Reinige mich von verborgenen Sünden, und halte deinen Diener von anmaßender Übertretung zurück." Jesus ließ sich lange über die Beziehung zwischen Gebet und unbedachtem und beleidigendem Reden aus und zitierte dazu: "Oh Herr, stell eine Wache vor meinen Mund, und hüte das Tor meiner Lippen." "Die menschliche Zunge", sagte Jesus, "ist ein Glied, das nur wenige Menschen zähmen können, aber der innere Geist kann dieses ungebärdige Glied in eine freundliche Stimme der Toleranz und in ein inspirierendes Werkzeug von Barmherzigkeit verwandeln". 13. Jesus lehrte, dass das Gebet um göttliche Führung auf dem irdischen Lebenspfad an Wichtigkeit unmittelbar nach der Bitte um Kenntnis des Willens des Vaters komme. In Wahrheit bedeutet dies ein Gebet um göttliche Weisheit. Jesus lehrte nie, dass man menschliche Kenntnisse und besondere Geschicklichkeiten durch das Gebet erlangen könne. Hingegen lehrte er, dass das Gebet ein Faktor bei der Erweiterung unserer Fähigkeit ist, die Gegenwart des göttlichen Geistes zu empfangen. Als Jesus seine Mitarbeiter lehrte, im Geist und in der Wahrheit zu beten, erklärte er, dass er dabei an ehrliches und mit der eigenen Erleuchtung übereinstimmendes Beten denke, an intelligentes, ernsthaftes und ausdauerndes Beten von ganzem Herzen. 14. Jesus warnte seine Anhänger davor, zu meinen, ihre Gebete gewännen an Wirksamkeit durch blumige Wiederholungen, beredte Ausdrucksweise, Fasten, Buße oder Opfer. Aber er forderte die Gläubigen auf, das Gebet als Mittel zu gebrauchen, das über Dank zu wahrer Anbetung emporleitet. Jesus bedauerte, dass so wenig vom Geiste des Dankes in Gebet und Anbetung seiner Anhänger vorhanden war. Bei dieser Gelegenheit zitierte er aus den Schriften: "Es ist gut, dem Herrn zu danken und dem Namen des Allerhöchsten Preislieder zu singen, jeden Morgen seine liebevolle Güte dankend anzuerkennen und jeden Abend seine Treue, denn Gott hat mich durch sein Wirken froh gemacht. In allem will ich Dank sagen gemäß dem Willen Gottes." 15. Und dann sagte Jesus: "Seid nicht ständig überängstlich wegen eurer alltäglichen Bedürfnisse. Macht euch keine Sorgen wegen der Probleme eurer irdischen Existenz, sondern breitet in alledem eure Anliegen in Gebet und demütiger Bitte im Geiste aufrichtigen Dankes vor eurem Vater im Himmel aus." Dann zitierte er aus den Schriften: "Ich will den Namen Gottes mit einem Lied preisen und ihn mit Dankgebeten verherrlichen. Und das wird dem Herrn besser gefallen als die Opferung eines Ochsen oder eines Stiers mit Hörnern und Hufen." 16. Jesus lehrte seine Anhänger, dass sie am Ende ihrer an den Vater gerichteten Gebete eine Zeit lang in schweigender Empfänglichkeit verharren sollten, um dem innewohnenden Geist eine bessere Gelegenheit zu geben, zu der horchenden Seele zu sprechen. Des Vaters Geist spricht dann am besten zum Menschen, wenn der menschliche Sinn sich in einem Zustand echter Anbetung befindet. Wir beten Gott an mit Hilfe des innewohnenden Geistes des Vaters und dank der Erleuchtung des menschlichen Verstandes durch das Wirken der Wahrheit. Jesus lehrte, dass man durch Anbetung zunehmend dem angebeteten Wesen ähnlich wird. Anbetung ist eine verwandelnde Erfahrung, durch welche das Endliche sich allmählich der Gegenwart des Unendlichen nähert und sie letzten Endes erreicht. Und Jesus sagte seinen Aposteln noch viele andere Wahrheiten über die Verbindung des Menschen mit Gott, aber nur wenige von ihnen konnten seine Lehren voll erfassen. ***** 146.3 Halt in Ramah ***** In Ramah hatte Jesus die denkwürdige Diskussion mit dem betagten griechischen Philosophen, der lehrte, dass Wissenschaft und Philosophie ausreichten, um die Bedürfnisse der menschlichen Erfahrung zu befriedigen. Jesus hörte diesem griechischen Lehrer mit Geduld und Wohlwollen zu und gestand die Wahrheit vieles dessen zu, was er vortrug. Aber als er geendet hatte, machte Jesus ihn darauf aufmerksam, dass er in seiner Erörterung der menschlichen Existenz versäumt hatte, das "Woher, Warum und Wohin" zu erklären und fügte hinzu: "Wo du aufhörst, beginnen wir. Religion ist eine Offenbarung an die Menschenseele und hat mit geistigen Realitäten zu tun, die der Verstand allein nie entdecken oder voll ergründen könnte. Intellektuelles Forschen mag die Tatsachen des Lebens offen legen, aber das Evangelium des Königreichs enthüllt die Wahrheiten des Seins. Du hast über die materiellen Schatten der Wahrheit gesprochen; willst du mir jetzt zuhören, wenn ich dir von den ewigen und geistigen Realitäten berichte, die diese vorübergehenden zeitlichen Schatten der materiellen Fakten sterblicher Existenz werfen?" Mehr als eine Stunde lang lehrte Jesus diesen Griechen die rettenden Wahrheiten des Evangeliums vom Königreich. Der alte Philosoph zeigte sich für des Meisters Betrachtungsweise empfänglich, und da er aufrichtigen Herzens war, glaubte er rasch an dieses Evangelium des Heils. Die offene Art, in der Jesus manchen Lehrsätzen des Griechen beipflichtete, verwirrte die Apostel ein wenig, aber Jesus sagte ihnen später, als sie unter sich waren: "Meine Kinder, wundert euch nicht über meine Toleranz gegenüber der Philosophie des Griechen. Wahre und echte innere Sicherheit fürchtet sich nicht im Geringsten vor äußerer Analyse, noch ist Wahrheit über eine ehrliche Kritik verärgert. Ihr solltet nie vergessen, dass Unduldsamkeit die Maske ist, hinter der wir geheime Zweifel an der Wahrheit dessen verstecken, woran wir glauben. Keiner, der vollkommenes Vertrauen in die Wahrheit dessen besitzt, woran er von ganzem Herzen glaubt, wird sich je von der Haltung seines Nachbarn anfechten lassen. Mut ist das grundehrliche Vertrauen in die Dinge, die man zu glauben beteuert. Ehrliche Menschen fürchten keine kritische Untersuchung ihrer echten Überzeugungen und edlen Ideale." Am zweiten Abend in Ramah richtete Thomas folgende Frage an Jesus: "Meister, wie kann einer, der gerade an deine Lehre zu glauben beginnt, wirklich wissen, ja, wirklich ganz sicher sein, dass das Evangelium des Königreichs wahr ist?" Und Jesus gab Thomas zur Antwort: "Deine Gewissheit, dass du in des Vaters Familie des Königreichs eingetreten bist und dass du mit den Kindern des Königreichs das ewige Leben haben wirst, ist ganz und gar eine Sache der persönlichen Erfahrung - des Glaubens an das Wort der Wahrheit. Geistige Gewissheit kann gleichgesetzt werden mit deiner persönlichen religiösen Erfahrung mit den ewigen Realitäten göttlicher Wahrheit. Sie ist im Übrigen gleich deinem intelligenten Verständnis der Wahrheitsrealitäten zuzüglich deines geistigen Glaubens und abzüglich deiner ehrlichen Zweifel. Der Sohn besitzt von Natur aus das Leben des Vaters. Ihr seid Söhne Gottes, da ihr mit der Gabe des lebendigen Geistes des Vaters ausgestattet wurdet. Ihr lebt nach eurem Leben in der materiellen Welt des Fleisches weiter, weil ihr mit des Vaters lebendigem Geist, mit der Gabe des ewigen Lebens identifiziert seid. Wahrlich, es gab viele, die dieses Leben schon hatten, bevor ich vom Vater hergekommen bin, und viele andere haben diesen Geist erhalten, weil sie an mein Wort geglaubt haben; aber ich erkläre, dass der Vater, wenn ich zu ihm zurückkehre, seinen Geist in die Herzen aller Menschen senden wird. Ihr könnt den göttlichen Geist bei seiner Tätigkeit in eurem Verstand nicht beobachten; hingegen gibt es eine praktische Methode, um herauszufinden, bis zu welchem Grad ihr die Kontrolle eurer Seelenkräfte der Unterweisung und Führung dieses in euch wohnenden Geistes des himmlischen Vaters übergeben habt, und das ist der Grad eurer Liebe zu euren Mitmenschen. Der Geist des Vaters hat teil an der Liebe des Vaters, und wenn er in einem Menschen beherrschend ist, führt er ihn unfehlbar in die Richtung göttlicher Anbetung und liebender Achtung vor seinen Mitmenschen. Anfangs glaubt ihr, Söhne Gottes zu sein, weil meine Unterweisung euch die Führung durch unseres Vaters innere Gegenwart bewusster gemacht hat; aber bald wird der Geist der Wahrheit auf alles Fleisch ausgegossen werden, und er wird unter den Menschen leben und sie alle lehren, gerade so, wie ich jetzt unter euch lebe und zu euch die Worte der Wahrheit spreche. Dieser Geist, der zur Stimme der geistigen Gaben eurer Seele wird, wird euch helfen zu wissen, dass ihr die Söhne Gottes seid. Er wird mit des Vaters innerer Gegenwart, eurem Geist, unfehlbar Zeugnis ablegen; dann wird dieser Geist in allen Menschen wohnen, so wie er jetzt in einigen wohnt, und euch sagen, dass ihr tatsächlich die Söhne Gottes seid. "Jedes Erdenkind, das sich der Führung dieses Geistes anvertraut, wird schließlich Gottes Willen kennen, und wer sich dem Willen meines Vaters überantwortet, wird ewig leben. Der Weg vom irdischen Leben zum ewigen Seinszustand ist euch nicht klar beschrieben worden; aber es gibt einen Weg - es hat ihn immer gegeben - und ich bin gekommen, diesen Weg neu und lebendig zu machen. Wer in das Königreich eintritt, hat bereits das ewige Leben - er wird nie untergehen. Aber vieles davon werdet ihr besser verstehen, wenn ich zum Vater zurückgekehrt bin und ihr imstande seid, eure gegenwärtigen Erfahrungen im Rückblick zu sehen." Und alle, die diese gesegneten Worte hörten, schöpften daraus großen Mut. Die jüdischen Lehren vom Fortleben der Rechtschaffenen waren wirr und unbestimmt, und es war für Jesu Anhänger erfrischend und inspirierend, diese sehr klaren und positiven Worte zu hören, die allen wahren Gläubigen das ewige Leben zusicherten. Die Apostel fuhren fort zu predigen, Gläubige zu taufen und von Haus zu Haus zu gehen, um die Niedergeschlagenen zu bestärken und den Kranken und Leidenden beizustehen. Die apostolische Organisation erfuhr eine Erweiterung, insofern als jeder Apostel Jesu einen Apostel von Johannes zum Mitarbeiter hatte; Abner war der Mitarbeiter von Andreas; und dieser Plan war maßgebend, bis sie zum nächsten Passahfest nach Jerusalem hinunterzogen. Der besondere Unterricht, den Jesus während ihres Aufenthaltes in Sebulon erteilte, bestand hauptsächlich aus weiteren Erörterungen der gegenseitigen Verpflichtungen im Königreich und umfasste Unterweisungen, die den Unterschied zwischen persönlicher religiöser Erfahrung und den in Freundschaft wahrgenommenen gesellschaftlichen religiösen Pflichten klarmachen sollten. Dies war eines der wenigen Male, bei denen der Meister die gesellschaftlichen Aspekte der Religion erörterte. Während seines ganzen Erdenlebens gab Jesus seinen Anhängern nur sehr wenig Unterweisung bezüglich der Sozialisierung der Religion. Die Bevölkerung von Sebulon war gemischtrassig, kaum jüdisch oder heidnisch, und nur wenige glaubten wirklich an Jesus, obwohl sie von der Krankenheilung in Kapernaum gehört hatten. ***** 146.4 Das Evangelium in Iron ***** In Iron sowie in vielen noch kleineren Orten von Galiläa und Judäa gab es eine Synagoge, und in der frühen Zeit seines Wirkens pflegte Jesus am Sabbattag in diesen Synagogen zu sprechen. Manchmal ergriff er im Morgengottesdienst das Wort, und Petrus oder einer der anderen Apostel predigte zur Nachmittagsstunde. Jesus und die Apostel unterrichteten und predigten oft auch wochentags an den Abendversammlungen in der Synagoge. Obwohl sich die religiö-sen Führer in Jerusalem immer offener gegen Jesus stellten, übten sie außerhalb der Stadt keine direkte Kontrolle über die Synagogen aus. Erst im späteren öffentlichen Jesu Wirken waren sie imstande, eine so weit verbreitete feindselige Stimmung gegen ihn zu erzeugen, dass sich fast alle Synagogen seiner Lehrtätigkeit verschlossen. Aber zu dieser Zeit standen ihm alle Synagogen Galiläas und Judäas offen. In Iron gab es eine für die damalige Zeit beträchtliche Erzgrube, und da Jesus nie das Leben eines Grubenarbeiters geteilt hatte, verbrachte er während seines Aufenthaltes in Iron die meiste Zeit im Bergwerk. Während die Apostel die Häuser besuchten und auf den öffentlichen Plätzen predigten, arbeitete Jesus mit den Grubenarbeitern unter Tage. Jesu Ruf als Heiler war sogar bis in dieses abgelegene Dorf gedrungen, und viele Kranke und Leidende suchten Heilung durch seine Hände; viele empfingen große Wohltat aus seiner Heiltätigkeit. Aber in keinem dieser Fälle außer demjenigen des Aussätzigen vollbrachte der Meister eine sogenannte Wunderheilung. Als Jesus spät am Nachmittag ihres dritten Tages in Iron aus dem Bergwerk zurückkehrte, kam er auf dem Weg zu seiner Unterkunft zufällig durch eine enge Seitengasse. Als er sich der schmutzigen Behausung eines gewissen Aussätzigen näherte, wagte der leidende Mann, der von Jesu Ruf als Heiler gehört hatte, ihn anzusprechen, als er an seiner Tür vorüberging. Er kniete vor ihm nieder und sagte: "Herr, wenn du nur wolltest, könntest du mich rein machen. Ich habe die Botschaft deiner Lehrer vernommen, und ich würde gern ins Königreich eintreten, wenn ich nur rein werden könnte." Der Aussätzige sprach so, weil es den Leprakranken bei den Juden sogar verboten war, die Synagoge zu betreten oder anderweitig an öffentlichen Gottesdiensten teilzunehmen. Dieser Mann glaubte wirklich, er könne nicht ins kommende Königreich aufgenommen werden, es sei denn, er werde von seinem Aussatz geheilt. Und als Jesus ihn in seinem Elend sah und ihn aus einem so starken Glauben heraus reden hörte, wurde sein menschliches Herz gerührt und sein göttlicher Sinn von Mitgefühl bewegt. Als Jesus auf ihn blickte, fiel der Mann in Anbetung vor ihm nieder, das Gesicht zur Erde. Da streckte der Meister seine Hand aus, berührte ihn und sagte: "Ich will es - sei rein." Und augenblicklich war er geheilt; die Lepra war von ihm gewichen. Nachdem Jesus dem Mann auf die Beine geholfen hatte, schärfte er ihm ein: "Sieh zu, dass du niemandem etwas von deiner Heilung sagst, sondern geh ruhig deiner Beschäftigung nach. Zeige dich dem Priester und bringe zum Zeugnis deiner Heilung die von Moses verordneten Opfer dar." Aber der Mann tat nicht, wie Jesus ihn geheißen hatte. Stattdessen begann er, im ganzen Ort die Kunde zu verbreiten, dass Jesus ihn von seinem Aussatz geheilt habe, und da jeder im Dorf ihn kannte, war für alle Leute klar sichtbar, dass er von seiner Krankheit geheilt worden war. Er ging nicht zu den Priestern, wie Jesus ihn ermahnt hatte. Die Verbreitung der Nachricht von seiner Heilung durch Jesus hatte zur Folge, dass der Meister so sehr von Kranken bedrängt wurde, dass er sich gezwungen sah, am nächsten Tag früh aufzustehen und das Dorf zu verlassen. Jesus betrat den Ort nicht wieder, sondern blieb zwei Tage lang in der näheren Umgebung des Bergwerks, wo er damit fortfuhr, die gläubigen Bergarbeiter im Evangelium des Königreichs zu unterrichten. Diese Reinigung vom Aussatz war das erste sogenannte Wunder, das Jesus bis dahin absichtlich und vorsätzlich vollbracht hatte. Es handelte sich dabei um einen Fall echter Lepra. Von Iron zogen sie nach Gischala weiter, verkündigten dort zwei Tage lang das Evangelium und reisten dann nach Chorazin, wo sie fast eine Woche lang die gute Nachricht predigten; aber es gelang ihnen in Chorazin nicht, viele Gläubige für das Königreich zu gewinnen. Nirgends, wo Jesus gelehrt hatte, war er auf eine solch einhellige Ablehnung seiner Botschaft gestoßen. Der Aufenthalt in Chorazin war für die meisten Apostel sehr bedrückend, und Andreas und Abner hatten große Mühe, den Mut ihrer Gefährten aufrechtzuerhalten. Und so durchquerten sie unauffällig Kapernaum und gingen weiter zum Dorf Madon, wo es ihnen kaum besser erging. In den Köpfen der meisten Apostel herrschte die Idee vor, dass ihr Misserfolg in den eben besuchten Ortschaften damit zu tun hatte, dass Jesus darauf beharrte, sie sollten sich bei ihrer Unterweisung und Predigt nicht auf ihn als einen Heiler beziehen. Wie sehr wünschten sie, er würde noch einen Aussätzigen heilen oder seine Macht auf andere Weise unter Beweis stellen, damit die Leute aufmerksam würden! Aber ihr ernsthaftes Drängen ließ den Meister ungerührt. ***** 146.5 Zurück in Kana ***** Die apostolische Gruppe fühlte sich sehr ermutigt, als Jesus ankündigte: "Morgen gehen wir nach Kana." Sie wussten, dass sie in Kana eine wohlwollende Zuhörerschaft haben würden, da man Jesus dort gut kannte. Ihre Arbeit, Leute in das Königreich zu führen, kam gut voran, als am dritten Tag Titus in Kana eintraf, ein angesehener Bürger von Kapernaum, der halb glaubte, und dessen Sohn ernsthaft krank war. Er hatte gehört, dass Jesus in Kana war, und so war er herübergeeilt, um ihn zu treffen. Die Gläubigen von Kapernaum dachten, Jesus könne jede Krankheit heilen. Als dieser vornehme Mann Jesus in Kana ausfindig gemacht hatte, flehte er ihn an, eilends nach Kapernaum zu kommen und seinen heimgesuchten Sohn zu heilen. Die Apostel standen in atemloser Erwartung da, als Jesus den Vater des kranken Knaben ansah und sprach: "Wie lange soll ich mit euch noch Geduld haben? Gottes Macht ist in eurer Mitte, aber wenn ihr nicht Zeichen sehen und Wunder bestaunen könnt, weigert ihr euch zu glauben." Aber der Vornehme drang bittend in Jesus: "Mein Herr, ich glaube wirklich, aber komm, bevor mein Sohn stirbt, denn als ich ihn verlassen habe, war er dem Tode nahe." Jesus beugte sein Haupt einen Augenblick lang in schweigender Sammlung und sagte dann plötzlich: "Kehre nach Hause zurück; dein Sohn wird leben." Titus glaubte dem Wort Jesu und eilte nach Kapernaum zurück. Bei seiner Rückkehr liefen ihm seine Bediensteten entgegen und sagten: "Freue dich, denn deinem Sohn geht es besser - er lebt." Da erkundigte sich Titus bei ihnen, zu welcher Stunde die Besserung des Knaben begonnen hatte, und auf die Antwort der Diener: "Gestern um die siebente Stunde hat ihn das Fieber verlassen", erinnerte sich der Vater, dass es etwa zu dieser Stunde war, als Jesus sagte: "Dein Sohn wird leben." Titus glaubte von da an von ganzem Herzen, und auch seine ganze Familie glaubte. Dieser Sohn wurde ein mächtiger Anwalt des Königreichs und gab später sein Leben mit jenen hin, die in Rom litten. Obwohl alle im Hause des Titus, ihre Freunde und sogar die Apostel dieses Geschehnis als ein Wunder betrachteten, war es doch keines. Wenigstens war es keine Wunderheilung einer physischen Krankheit. Es war nur ein Fall von Vorauswissen des Laufs der Naturgesetze, eben jene Art von Wissen, von der Jesus nach seiner Taufe häufig Gebrauch machte. Wegen des übermäßigen Aufsehens, das die zweite mit seinem Wirken in diesem Dorf verbundene Episode dieser Art erregt hatte, war Jesus wiederum gezwungen, Kana fluchtartig zu verlassen. Die Dorfbewohner erinnerten sich an das Wasser und den Wein, und jetzt, da er angeblich den Sohn des Vornehmen aus so großer Entfernung geheilt hatte, kamen sie nicht nur mit Kranken und Leidenden zu ihm, sondern sandten auch Boten mit der Bitte, Kranke aus der Ferne zu heilen. Und als Jesus sah, dass die ganze Gegend in Aufruhr war, sagte er: "Gehen wir nach Nain." ***** 146.6 Nain und der Sohn der Witwe ***** Diese Leute glaubten an Zeichen; sie gehörten einer Generation an, die Wunder suchte. Zu jener Zeit erwarteten die Bewohner des zentralen und südlichen Galiläa von Jesus und seinem persönlichen Wirken vor allem Wunder. Dutzende, ja Hunderte von ehrlichen Leuten, die unter rein nervösen Beschwerden litten und von Gefühlsstörungen geplagt wurden, begaben sich in Jesu Gegenwart und kehrten dann zu ihren Freunden zurück und verkündeten, Jesus habe sie geheilt. Und diese unwissenden und einfachen Leute betrachteten solche Fälle von mentaler Heilung als physische, übernatürliche Heilungen. Als Jesus Kana zu verlassen suchte, um sich nach Nain zu begeben, folgten ihm eine große Menge Gläubiger und viele Neugierige nach. Sie waren darauf versessen, Wunder und Übernatürliches zu sehen, und sie sollten nicht enttäuscht werden. Als Jesus und seine Apostel sich dem Stadttor näherten, begegneten sie einem Leichenzug, der auf dem Wege zum nahen Friedhof war und den einzigen Sohn einer Witwe von Nain mit sich führte. Diese Frau war sehr geachtet, und das halbe Dorf folgte den Trägern der Bahre des angeblich toten Knaben. Als der Trauerzug Jesus und sein Gefolge erreicht hatte, erkannten die Witwe und ihre Freunde den Meister und flehten ihn an, den Sohn wieder ins Leben zurückzurufen. Ihre Wundererwartung hatte einen so hohen Grad erreicht, dass sie dachten, Jesus könne jede menschliche Krankheit heilen, und wieso sollte solch ein Heiler nicht sogar Tote auferwecken können? Während man Jesus so bedrängte, trat er vor, hob die Decke von der Bahre hoch und untersuchte den Knaben. Als er entdeckte, dass der junge Mann nur scheintot war, erkannte er die Tragödie, die seine Anwesenheit abwenden konnte; und so wandte er sich der Mutter zu und sprach: "Weine nicht. Dein Sohn ist nicht tot; er schläft. Er wird dir wiedergegeben werden." Und dann ergriff er den jungen Mann bei der Hand und sagte: "Wach auf und erhebe dich." Und der angeblich tote Junge saß sofort auf und begann zu sprechen, und Jesus sandte sie alle nach Hause. Jesus bemühte sich, die Menge zu beschwichtigen und versuchte vergeblich zu erklären, dass der Knabe nicht wirklich tot gewesen war, dass er ihn nicht dem Grab entrissen habe, aber es war zwecklos. Die Menge, die ihm nachfolgte, und das ganze Dorf Nain befanden sich in höchster emotionaler Erregung. Viele wurden von Furcht, andere von Panik ergriffen, während wiederum andere zu beten begannen und über ihre Sünden wehklagten. Erst spät nach Einbruch der Dunkelheit gelang es, die schreiende Menge zu zerstreuen. Und trotz Jesu Erklärung, dass der Knabe nicht tot gewesen war, bestanden natürlich alle darauf, dass ein Wunder vollbracht, ja sogar ein Toter auferweckt worden sei. Obwohl Jesus ihnen sagte, der Junge habe sich nur in einem tiefen Schlaf befunden, erklärten sie, das sei seine Art zu sprechen und erinnerten an die Tatsache, dass er aus großer Bescheidenheit seine Wundertaten stets zu verbergen suche. So breitete sich in Galiläa und Judäa die Kunde aus, dass Jesus den Sohn der Witwe von den Toten auferweckt habe, und viele, denen dieser Bericht zu Ohren kam, glaubten daran. Nicht einmal allen seinen Aposteln vermochte Jesus je klarzumachen, dass der Sohn der Witwe nicht wirklich tot war, als er ihm befahl aufzuwachen und sich zu erheben. Immerhin überzeugte er sie hinlänglich, so dass die Episode in allen späteren Aufzeichnungen mit Ausnahme derjenigen des Lukas ausgelassen wurde, der sie so aufschrieb, wie sie ihm erzählt worden war. Und wiederum wurde Jesus als Arzt dermaßen belagert, dass er sich am nächsten Morgen in der Frühe nach Endor aufmachte. ***** 146.7 In Endor ***** In Endor entging Jesus ein paar Tage lang der lärmenden, nach physischer Heilung verlangenden Menge. Während ihres dortigen Aufenthaltes erzählte der Meister den Aposteln zu ihrer Unterweisung die Geschichte von König Saul und der Hexe von Endor. Jesus setzte seinen Aposteln klar auseinander, dass die herumstreunenden und rebellischen Mittler, die sich oftmals als die angeblichen Geister von Abgeschiedenen ausgegeben hatten, bald unter Kontrolle gebracht würden und nicht länger solch seltsame Dinge tun könnten. Er sagte seinen Anhängern, dass schwachsinnige und bösartige Menschen nie mehr von solchen halbgeistigen Wesen - sogenannten unreinen Geistern - besessen werden könnten, nachdem er zum Vater zurückgekehrt sein würde und sie ihren Geist über alles Fleisch ausgegossen hätten. Jesus erklärte seinen Aposteln ferner, dass die Geiste von verstorbenen menschlichen Wesen nicht zur Welt ihres Ursprungs zurückkehren, um mit ihren lebenden Gefährten in Verbindung zu treten. Erst nach Ablauf eines Dispensationszeitalters sei es dem vorrückenden Geist eines Sterblichen möglich, zur Erde zurückzukehren, und auch dann nur in Ausnahmefällen und im Rahmen der geistigen Verwaltung eines Planeten. Nachdem sie sich zwei Tage lang ausgeruht hatten, sagte Jesus zu seinen Aposteln: "Lasst uns morgen nach Kapernaum zurückkehren, um dort zu verweilen und zu lehren, bis sich das Land beruhigt hat. Zu Hause haben sie sich wohl inzwischen schon teilweise von dieser Art Aufregung erholt." ****** Kapitel 147 Der Zwischenbesuch in Jerusalem ****** JESUS und die Apostel langten in Kapernaum am Mittwoch, dem 17. März, an und verbrachten zwei Wochen im Hauptquartier von Bethsaida, bevor sie nach Jerusalem abreisten. In diesen zwei Wochen lehrten die Apostel das Volk am Seeufer, während Jesus viel Zeit allein in den Bergen mit den Angelegenheiten seines Vaters zubrachte. In dieser Zeit machte er in Begleitung von Jakobus und Johannes Zebedäus zwei heimliche Besuche in Tiberias, wo sie mit Gläubigen zusammentrafen und sie im Evangelium des Königreichs unterrichteten. Viele Angehörige der Hofhaltung des Herodes glaubten an Jesus und wohnten diesen Begegnungen bei. Der Einfluss dieser Gläubigen im offiziellen Gefolge des Herodes hatte dazu beigetragen, die Feindschaft des Herrschers gegenüber Jesus zu verringern. Diese Gläubigen von Tiberias hatten Herodes völlig klargemacht, dass das von Jesus verkündigte "Königreich" geistiger Natur und kein politisches Abenteuer war. Diesen Angehörigen seines eigenen Hauses schenkte Herodes eher Glauben und ließ sich deshalb nicht übermäßig beunruhigen, als sich die Berichte über Jesu Lehr- und Heiltätigkeit verbreiteten. Er hatte gegen Jesu Wirken als Heiler und religiöser Lehrer nichts einzuwenden. Trotz der positiven Einstellung vieler Berater des Herodes und sogar seiner selbst gab es eine Gruppe von Untergebenen, die so sehr unter dem Einfluss der religiösen Führer in Jerusalem standen, dass sie bittere und bedrohliche Feinde Jesu und der Apostel blieben und später viel unternahmen, um deren öffentliche Tätigkeit zu behindern. Die größte Gefahr für Jesus ging von den religiösen Führern in Jerusalem aus, und nicht von Herodes. Und das war der Grund, weshalb Jesus und die Apostel so viel Zeit in Galiläa zubrachten und hier die meisten ihrer öffentlichen Predigten hielten anstatt in Jerusalem und Judäa. ***** 147.1 Der Diener des Zenturios ***** Ein Tag bevor sie sich zur Abreise nach Jerusalem für das Passahfest bereitmachten, kam Mangus, ein Zenturio oder Hauptmann der in Kapernaum stationierten römischen Garde, zu den Synagogenvorstehern und sagte: "Meine treue Ordonnanz ist krank und dem Tod nahe. Würdet ihr daher in meinem Namen zu Jesus gehen und ihn inständig bitten, meinen Diener zu heilen?" Der römische Hauptmann handelte so, weil er dachte, die jüdischen Oberen hätten bei Jesus größeren Einfluss. Also suchten die Ältesten Jesus auf, und ihr Sprecher sagte: "Lehrer, wir bitten dich dringend, nach Kapernaum hinüberzukommen und den Lieblingsdiener des römischen Zenturios zu retten, der deine Beachtung verdient, denn er liebt unsere Nation und hat sogar die Synagoge erbaut, in der du so oft gesprochen hast." Nachdem Jesus sie angehört hatte, sagte er: "Ich will mit euch gehen." Und er ging mit ihnen zum Haus des Zenturios. Aber noch ehe sie dessen Hof betreten hatten, schickte der römische Soldat Jesus seine Freunde zur Begrüßung entgegen und trug ihnen auf zu sagen: "Herr, mach dir nicht die Mühe, mein Haus zu betreten, denn ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach trittst. Auch hielt ich mich nicht für wert, zu dir zu kommen; deshalb habe ich die Ältesten deines eigenen Volkes zu dir gesandt. Aber ich weiß, dass du dort, wo du stehst, das Wort sprechen kannst, und mein Diener wird geheilt sein. Denn ich selber unterstehe dem Befehl anderer, und ich habe Soldaten unter mir, und ich sage zum einen `Geh', und er geht, und zum anderen `Komm', und er kommt, und zu meinen Dienern `Tut dies und das', und sie tun es." Als Jesus diese Worte hörte, drehte er sich um und sagte zu seinen Aposteln und denen, die bei ihnen waren: "Ich staune über den Glauben dieses Heiden. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, so großen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden." Dann wandte er sich vom Haus ab und sagte: "Lasst uns weggehen." Und die Freunde des Zenturios kehrten ins Haus zurück und berichteten Mangus, was Jesus gesagt hatte. Und von der Stunde an begann es dem Diener besser zu gehen, und er erlangte schließlich wieder seine normale Gesundheit und Arbeitsfähigkeit. Wir haben aber nie erfahren, was sich bei dieser Gelegenheit zugetragen hat. Dies ist einfach der Bericht; und ob unsichtbare Wesen dem Diener des Zenturios Heilung gebracht haben oder nicht, wurde denen, die Jesus begleiteten, nicht enthüllt. Wir wissen nur von der Tatsache der vollständigen Genesung des Dieners. ***** 147.2 Die Reise nach Jerusalem ***** Früh am Dienstagmorgen, dem 30. März, brachen Jesus und die apostolische Gruppe zu ihrer Reise zum Passahfest nach Jerusalem auf, wobei sie den Weg durch das Jordantal einschlugen. Sie langten am Freitagnachmittag, dem 2. April an und schlugen ihr Hauptquartier wie gewohnt in Bethanien auf. Als sie durch Jericho kamen, legten sie eine Ruhepause ein, während Judas einen Teil ihrer gemeinsamen Geldmittel in der Bank eines Freundes seiner Familie hinterlegte. Es war das erste Mal, dass Judas einen Geldüberschuss mit sich führte, und diese Einlage blieb unangetastet, bis sie auf ihrer letzen und ereignisreichen Reise nach Jerusalem unmittelbar vor Jesu Prozess und Tod wieder durch Jericho kamen. Die Reise nach Jerusalem verlief für die Gruppe ohne Zwischenfälle; aber kaum hatten sie sich in Bethanien niedergelassen, als sich von nah und fern Menschen in solcher Zahl anzusammeln begannen, die Heilung für ihren Körper, Trost für ihr sorgenvolles Gemüt und Rettung für ihre Seele suchten, dass Jesus wenig Zeit zum Ausruhen fand. Deshalb schlugen sie in Gethsemane Zelte auf, und der Meister ging zwischen Bethanien und Gethsemane hin und her, um der Menge auszuweichen, die ihn unablässig belagerte. Die apostolische Gruppe verbrachte fast drei Wochen in Jerusalem, aber Jesus schärfte ihnen ein, nicht öffentlich zu predigen, sondern nur privat zu unterweisen und persönlich zu arbeiten. Sie feierten Passah ruhig in Bethanien. Es war das erste Mal, dass Jesus und alle Zwölf an einem Passahfest ohne Blutvergießen teilnahmen. Die Apostel des Johannes aßen das Passahmahl nicht mit Jesus und seinen Aposteln; sie feierten das Fest mit Abner und vielen, die als Erste an Johannes Predigten glaubten. Es war das zweite Passahfest, das Jesus mit seinen Aposteln in Jerusalem feierte. Als Jesus und die Zwölf nach Kapernaum aufbrachen, kehrten die Apostel des Johannes nicht mit ihnen zurück. Unter der Leitung Abners blieben sie in Jerusalem und Umgebung und arbeiteten ruhig an der Ausbreitung des Königreichs weiter, während Jesus und die Zwölf an ihre Aufgabe in Galiläa zurückkehrten. Die Vierundzwanzig waren bis kurz vor der Ernennung und Aussendung der siebzig Evangelisten nie mehr alle vereint. Aber beide Gruppen arbeiteten zusammen, und trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten herrschte meist bestes Einvernehmen zwischen ihnen. ***** 147.3 Am Teich von Bethesda ***** Als sich der Meister und die Apostel am Nachmittag des zweiten Sabbats in Jerusalem eben anschickten, am Tempelgottesdienst teilzunehmen, sagte Johannes zu Jesus: "Komm mit mir, ich möchte dir etwas zeigen." Johannes führte Jesus durch eines der Tore Jerusalems hinaus zu einem Bethesda genannten Teich. Rund um diesen Teich herum stand ein Bau mit fünf überdachten Hallen, unter denen sich eine große Zahl Leidender aufhielt, die Heilung suchten. Hier entsprang eine heiße Quelle, deren rötlich gefärbtes Wasser infolge von Gasansammlungen in den unter dem Teich gelegenen Felshöhlen in unregelmäßigen Abständen aufbrodelte. Viele glaubten, dieses periodische Aufwallen warmen Wassers sei übernatürlichen Einflüssen zuzuschreiben, und der Volksglaube sagte, dass der erste, der nach einem solchen Ausstoß ins Wasser stieg, von welchen Gebrechen auch immer geheilt werde. Infolge der Einschränkungen, die Jesus ihnen auferlegt hatte, waren die Apostel ziemlich unruhig, und Johannes, der Jüngste der Zwölf, war wegen dieser Einengung besonders rastlos. Er hatte Jesus zu dem Teich geführt, weil er dachte, der Anblick der versammelten Leidenden würde stark an das Mitleid des Meisters appellieren und ihn zu einer Wunderheilung bewegen, worüber ganz Jerusalem in Erstaunen geriete und sogleich für den Glauben an das Evangelium vom Königreich gewonnen würde. Johannes sprach zu Jesus: "Meister, schau dir all diese Leidenden an; können wir nichts für sie tun?" Und Jesus erwiderte: "Johannes, warum willst du mich in Versuchung führen, vom Weg, den ich gewählt habe, abzuweichen? Warum wünschst du immer noch, die Verkündigung des Evangeliums der ewigen Wahrheit durch Vollbringen von Wundern und Krankenheilungen zu ersetzen? Mein Sohn, ich darf das, was du wünschst, nicht tun, aber rufe diese Kranken und Bekümmerten zusammen, damit ich Worte der Ermutigung und des ewigen Trostes zu ihnen spreche." Zu den um ihn Versammelten sagte Jesus: "Viele von euch sind hier, krank und leidgeplagt, weil ihr jahrelang falsch gelebt habt. Einige leiden durch die Wechselfälle der Zeit, andere infolge der Fehler ihrer Vorfahren, und einige von euch mühen sich ab mit den Behinderungen der mangelhaften Umstände eurer irdischen Existenz. Aber mein Vater arbeitet daran - wie auch ich es tun möchte - eure irdische Lage zu verbessern, aber ganz besonders, eure Stellung in der Ewigkeit zu sichern. Niemand von uns kann viel tun, um etwas an den Schwierigkeiten des Lebens zu ändern, es sei denn, wir entdeckten, dass der Vater im Himmel es so will. Letzten Endes sind wir alle gehalten, den Willen des Ewigen zu tun. Wenn ihr alle von euren körperlichen Leiden geheilt werden könntet, würdet ihr allerdings staunen, aber etwas noch viel Größeres wäre es, ihr würdet von aller geistigen Krankheit gereinigt und fändet euch von allen sittlichen Gebrechen geheilt. Ihr seid alle Kinder Gottes; ihr seid die Söhne des himmlischen Vaters. Ihr scheint unter dem Zwang der Zeit heimgesucht zu werden, aber der Gott der Ewigkeit liebt euch. Und wenn schließlich die Zeit des Gerichts kommt, dann fürchtet euch nicht; denn ihr werdet alle nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch reichlich Barmherzigkeit finden. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer das Evangelium des Königreichs hört und an diese Lehre der Gottessohnschaft glaubt, hat das ewige Leben; solche Gläubigen gehen bereits von Gericht und Tod zu Licht und Leben über. Und die Stunde naht, da sogar die Toten in ihren Gräbern die Stimme der Auferstehung hören werden." Und viele unter den Zuhörern glaubten an das Evangelium vom Königreich. Einige der Leidenden waren derart inspiriert und geistig neu belebt, dass sie überall verkündeten, sie seien auch von ihren körperlichen Krankheiten geheilt worden. Ein Mann, der jahrelang niedergeschlagen gewesen war und schwer unter seinen Gemütsstörungen gelitten hatte, freute sich über Jesu Worte, hob sein Bett auf und ging nach Hause, obwohl es Sabbat war. Dieser geplagte Mann hatte all die Jahre hindurch darauf gewartet, dass jemand ihm helfe; er war dermaßen Opfer des Gefühls seiner eigenen Hilflosigkeit, dass er nicht ein einziges Mal auf den Gedanken verfallen war, sich selber zu helfen, was sich als einziges Mittel zur Genesung erwies - sein Bett aufzuheben und zu gehen. Dann sagte Jesus zu Johannes: "Gehen wir, bevor die Obersten Priester und Schriftgelehrten uns überraschen und daran Anstoß nehmen, dass wir zu diesen Leidenden Worte des Lebens gesprochen haben." Und sie kehrten zu ihren Gefährten in den Tempel zurück, worauf sie alle für die Nacht nach Bethanien aufbrachen. Aber Johannes sagte den anderen Aposteln nie etwas von seinem Besuch mit Jesus am Teich von Bethesda an jenem Sabbatnachmittag. ***** 147.4 Die Lebensregel ***** Als an diesem Sabbatabend Jesus, die Zwölf und eine Gruppe von Gläubigen in Lazarus' Garten um das Feuer herum versammelt waren, richtete Nathanael folgende Frage an Jesus: "Meister, obwohl du uns die positive Version der alten Lebensregel gelehrt und uns geboten hast, für andere zu tun, was wir wünschten, sie täten es für uns, erkenne ich nicht ganz, wie wir uns stets an eine solche Weisung halten können. Gestatte mir, meinen Einwand am Beispiel eines lüsternen Mannes zu erläutern, der die Gefährtin seiner Sünde in verwerflicher Absicht anschaut. Wie können wir lehren, dass dieser auf Übles sinnende Mann für andere tun sollte, was er wünscht, sie täten es für ihn?" Als Jesus Nathanaels Frage vernahm, sprang er augenblicklich auf, zeigte mit dem Finger auf den Apostel und sagte: "Nathanael, Nathanael! Was für Gedanken gehen dir durch den Sinn? Nimmst du denn meine Lehren nicht wie ein aus dem Geiste Geborener auf? Vernehmt ihr die Wahrheit nicht wie Männer von Weisheit und geistigem Verstehen? Als ich euch aufforderte, für andere zu tun, was ihr wünschtet, sie täten es für euch, sprach ich zu Männern mit hohen Idealen, nicht zu solchen, die versucht wären, meine Lehre in einen Freibrief zur Ermunterung üblen Tuns zu verdrehen." Nachdem der Meister gesprochen hatte, stand Nathanael auf und sagte: "Aber Meister, du darfst nicht denken, dass ich eine solche Interpretation deiner Lehre gutheiße. Ich stellte die Frage nur, weil ich mutmaßte, dass viele solche Menschen deine Aufforderung in diesem Sinn missverstehen könnten, und ich hoffte, du würdest uns in diesen Fragen weitere Unterweisung geben." Nachdem sich Nathanael wieder gesetzt hatte, sprach Jesus weiter: "Ich weiß wohl, Nathanael, dass du in Gedanken so schlechte Ideen nicht gutheißt, aber ich bin enttäuscht, dass ihr alle so oft versagt, meinen Lehren alltäglicher Art eine echte geistige Deutung zu geben, meinen Unterweisungen, die in menschlicher Sprache und so, wie die Menschen sprechen, erteilt werden müssen. Ich will euch jetzt die unterschiedlichen Bedeutungsebenen zeigen, die mit der Auslegung dieser Lebensregel verbunden sind, der Ermahnung, für andere zu tun, was wir wünschten, sie täten es für uns: 1. Die Ebene des Fleisches. Für eine solche selbstsüchtige und lüsterne Interpretation wäre der in deiner Frage erwähnte Fall ein gutes Beispiel. 2. Die Ebene der Gefühle. Diese Ebene steht eine Stufe höher als jene des Fleisches. Sie bedeutet, dass jetzt Mitgefühl und Mitleid unsere Interpretation dieser Lebensregel heben. 3. Die gedankliche Ebene. Nun kommen die verstandesmäßige Vernunft und die aus Erfahrung schöpfende Einsicht ins Spiel. Gutes Urteilsvermögen gebietet, dass eine solche Lebensregel in Übereinstimmung mit dem höchsten Idealismus interpretiert wird, der sich in der Würde großer Selbstachtung kundgibt. 4. Die Ebene brüderlicher Liebe. Noch höher entdeckt man die Ebene selbstloser Hingabe an das Wohlergehen unserer Nächsten. Auf dieser höheren Stufe aufrichtigen sozialen Dienstes, der aus dem Bewusstsein der Vaterschaft Gottes und der daraus folgenden Erkenntnis der Bruderschaft der Menschen wächst, entdeckt man eine neue und noch viel schönere Auslegung dieser grundlegenden Lebensregel. 5. Die sittliche Ebene. Und dann, wenn ihr die wahren philosophischen Interpretationsebenen erreicht, wenn ihr einen wahren Einblick in die Richtigkeit und Falschheit von Dingen gewonnen und erkannt habt, dass menschliche Beziehungen ewig dauern, werdet ihr beginnen, ein solches Interpretationsproblem so zu sehen, wie in eurer Vorstellung eine idealistische, weise und unvoreingenommene dritte Person von hoher Gesinnung eine solche Regel betrachten und auslegen würde, wenn sie auf eure persönlichen Probleme der Anpassung an eure Lebenlage anzuwenden wäre. "6. Die geistige Ebene. Und endlich erreichen wir die höchste von allen, die Ebene der Erkenntnis im Geist und der geistigen Interpretation, welche uns dazu bringt, in dieser Lebensregel das göttliche Geheiß zu erkennen, alle Menschen so zu behandeln, wie wir uns vorstellen, dass Gott sie behandeln würde. Das ist das im Universum geltende Ideal menschlicher Beziehungen. Und gerade das ist eure Haltung gegenüber allen derartigen Problemen, wenn es euer höchster Wunsch ist, stets den Willen des Vaters zu tun. Deshalb möchte ich, dass ihr für alle Menschen das tut, wovon ihr wisst, ich täte es unter den gleichen Umständen auch für sie." Nichts, was Jesus seinen Aposteln bis dahin gesagt hatte, hatte sie in größeres Erstaunen versetzt. Lange nachdem der Meister sich zurückgezogen hatte, fuhren sie immer noch fort, seine Worte zu diskutieren. Obwohl Nathanael sich nur langsam von seiner Befürchtung erholte, Jesus habe den Sinn seiner Frage missverstanden, waren die übrigen ihrem philosophischen Apostelgefährten mehr als dankbar, dass er den Mut gehabt hatte, eine das Nachdenken so sehr herausfordernde Frage zu stellen. ***** 147.5 Auf Besuch bei Simon dem Pharisäer ***** Obwohl Simon nicht dem jüdischen Sanhedrin angehörte, war er ein einflussreicher Pharisäer von Jerusalem. Er glaubte halbherzig, und obwohl er sich dadurch womöglich ernster Kritik aussetzte, wagte er es, Jesus und seine persönlichen Begleiter Petrus, Jakobus und Johannes in sein Heim zu einem geselligen Mahl einzuladen. Simon hatte den Meister seit langem beobachtet und war von seinen Lehren, aber noch viel mehr von seiner Persönlichkeit sehr beeindruckt. Die reichen Pharisäer waren eifrig im Almosengeben, und sie scheuten sich nicht, die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihre Menschenliebe zu lenken. Manchmal ließen sie es sogar durch Trompetenstöße verkünden, wenn sie vorhatten, irgendeinem Bettler eine Wohltat zu erweisen. Wenn diese Pharisäer für vornehme Gäste ein Bankett gaben, war es Sitte, die Türen des Hauses offen zu lassen, so dass sogar die Straßenbettler hereinkommen und hinter den Lagern der Tafelnden an den Wänden des Raumes entlang herumstehen konnten, um Essensreste aufzufangen, die ihnen etwa von Bankettteilnehmern zugeworfen wurden. Bei diesem besonderen Anlass in Simons Haus befand sich unter denen, die von der Straße her-eingekommen waren, eine Frau von zweifelhaftem Ruf, die seit kurzem an die gute Botschaft des Evangeliums des Königreichs glaubte. In ganz Jerusalem war diese Frau bekannt als vormalige Inhaberin eines sogenannten Edelbordells, das ganz in der Nähe des Tempelhofs der Heiden lag. Als sie sich zu Jesu Lehre bekannte, schloss sie den Ort ihres schändlichen Gewerbes und bewog die Mehrzahl der mit ihr verbundenen Frauen, die Frohe Botschaft anzunehmen und ihre Lebensweise zu ändern; trotzdem brachten die Pharisäer ihr weiterhin große Verachtung entgegen und zwangen sie, ihr Haar offen zu tragen - das Kennzeichen der Hure. Diese nicht mit Namen genannte Frau hatte eine große Flasche eines wohlriechenden Salböls mitgebracht. Und während sie hinter Jesus stand, der zum Mahl hingelagert war, begann sie, seine Füße einzuölen. Dabei vergoss sie Tränen der Dankbarkeit, die seine Füße benetzten, und sie wischte sie mit ihren Haaren ab. Als sie mit der Salbung zu Ende war, fuhr sie fort, zu weinen und seine Füße zu küssen. Als Simon all das sah, dachte er bei sich: "Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, hätte er erkannt, wer und was für eine Art Frau sie ist, die ihn so berührt, und dass sie eine offenkundige Sünderin ist." Und Jesus, der wusste, was in Simon vorging, sagte mit erhobener Stimme: "Simon, ich möchte dir etwas sagen." Simon antwortete: "Lehrer, sprich." Da sagte Jesus: "Ein reicher Geldverleiher hatte zwei Schuldner. Der eine schuldete ihm fünfhundert Denare und der andere fünfzig. Als sie nun beide zahlungsunfähig waren, erließ er beiden die Schuld. Welcher von ihnen, denkst du, Simon, liebte ihn wohl mehr?" Simon antwortete: "Ich denke, derjenige, dem er am meisten erließ." Und Jesus sagte: "Du hast richtig geurteilt", und auf die Frau weisend, fuhr er fort: "Simon, schau dir diese Frau gut an. Ich habe dein Haus als geladener Gast betreten, aber du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben. Diese dankbare Frau hat meine Füße mit Tränen gewaschen und sie mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir keinen Kuss zur freundlichen Begrüßung gegeben, aber diese Frau hat, seit sie hereingekommen ist, nicht aufgehört, meine Füße zu küssen. Du hast meinen Kopf nicht mit Öl gesalbt, aber sie hat meine Füße mit kostbaren Essenzen eingerieben. Und was für eine Bedeutung hat das alles? Ganz einfach, dass ihre vielen Sünden vergeben worden sind, und das hat sie dazu geführt, so sehr zu lieben. Aber jene, die nur wenig Vergebung empfangen haben, lieben manchmal nur wenig." Und indem er sich der Frau zuwandte, nahm er sie bei der Hand, hob sie auf und sprach: "Du hast deine Sünden tatsächlich bereut, und sie sind dir vergeben. Lass dich durch die gedankenlose und unfreundliche Haltung deiner Mitmenschen nicht entmutigen; geh deines Weges in der Freude und Freiheit des Königreichs." Als Simon und seine Freunde, die mit ihm beim Mahl saßen, diese Worte hörten, wuchs ihr Erstaunen, und sie begannen untereinander zu flüstern: "Wer ist dieser Mann, dass er es sogar wagt, Sünden zu vergeben?" Als Jesus ihr Gemurmel hörte, wandte er sich um, die Frau zu verabschieden, und sagte: "Frau, gehe in Frieden; dein Glaube hat dich gerettet." Als sich Jesus mit seinen Freunden zum Weggehen erhob, wandte er sich zu Simon und sprach: "Ich kenne dein Herz, Simon, und wie du zwischen Glauben und Zweifeln hin- und hergerissen wirst, wie sehr Furcht dich beunruhigt und Stolz dir zu schaffen macht; aber ich bete für dich, dass du dich dem Lichte öffnen und bei deiner hohen gesellschaftlichen Stellung derart mächtige Wandlungen an Sinn und Geist erleben mögest, dass sie sich den gewaltigen Veränderungen vergleichen lassen, die das Evangelium des Königreichs im Herzen deines ungebetenen und unerwünschten Gastes bereits bewirkt hat. Und ich erkläre euch allen, dass der Vater die Tore des himmlischen Königreichs allen geöffnet hat, die den Glauben haben einzutreten, und kein Mensch und keine Menschengemeinschaft können diese Tore verschließen, auch nicht vor der demütigsten Seele oder dem angeblich krassesten Sünder auf Erden, wenn diese den aufrichtigen Wunsch haben einzutreten." Und Jesus, Petrus, Jakobus und Johannes verabschiedeten sich von ihrem Gastgeber und begaben sich zu den übrigen Aposteln ins Lager von Gethsemane. Am selben Abend richtete Jesus an die Apostel die lange unvergessenen Worte über den relativen Wert der Stellung vor Gott und den Fortschritt im ewigen Aufstieg zum Paradies. Jesus sagte: "Meine Kinder, wenn zwischen Kind und Vater eine wahre und lebendige Beziehung besteht, dann ist das Kind sicher, ständige Fortschritte in Richtung der Ideale des Vaters zu machen. Zugegeben, das Kind macht vielleicht am Anfang nur langsame Fortschritte, aber der Fortschritt ist nichtsdestoweniger sicher. Das Entscheidende ist nicht die Geschwindigkeit eures Fortschritts, sondern seine Gewissheit. Was ihr gegenwärtig vollbringt, ist weniger wichtig, als die Tatsache, dass die Richtung eures Fortschritts gottwärts weist. Was ihr Tag für Tag werdet, ist von unendlich größerer Wichtigkeit, als was ihr heute seid. "Die verwandelte Frau, die einige von euch heute bei Simon gesehen haben, lebt gegenwärtig auf einer viel tieferen Ebene als Simon und seine wohlmeinenden Freunde. Aber während diese Pharisäer den falschen illusionären Fortschritt verfolgen, indem sie die trügerischen Kreise bedeutungsloser zeremonieller Handlungen durchschreiten, hat sich diese Frau allen Ernstes auf die lange und bewegte Suche nach Gott gemacht; und ihr Pfad himmelwärts ist nicht durch geistigen Hochmut und moralische Selbstzufriedenheit versperrt. Die Frau ist, menschlich gesprochen, viel weiter weg von Gott als Simon, aber ihre Seele ist in fortschreitender Bewegung; sie ist unterwegs zu einem ewigen Ziel. In dieser Frau stecken gewaltige geistige Möglichkeiten für die Zukunft. Es mag sein, dass sich einige von euch gegenwärtig nicht auf einer hohen seelischen und geistigen Ebene befinden, aber ihr macht täglich Fortschritte auf dem lebendigen Weg, der sich dank eures Glaubens zu Gott hin geöffnet hat. Gewaltige Möglichkeiten für die Zukunft liegen in jedem von euch. Es ist bei weitem besser, einen kleinen, aber lebendigen und wachsenden Glauben zu besitzen, als einen großen Intellekt mit seiner toten Ansammlung von weltlicher Weisheit und geistigem Unglauben." Aber Jesus warnte seine Apostel ernsthaft vor der Torheit eines Gotteskindes, das des Vaters Liebe ausnützt. Er erklärte, dass der himmlische Vater kein laxer, lockerer und törichterweise nachsichtiger Vater ist, stets bereit, Sünden zu verzeihen und Leichtsinn zu vergeben. Er riet seinen Zuhörern, sich davor zu hüten, seine Beispiele von Vater und Sohn fälschlicherweise so zu deuten, dass der Anschein erweckt würde, als gleiche Gott allzu nachsichtigen und unweisen Eltern, die sich mit der Torheit der Erde verschworen haben, um den sittlichen Ruin ihrer gedankenlosen Kinder herbeizuführen, und die auf diese Weise mit Sicherheit und direkt zur Straffälligkeit und frühen Demoralisierung ihres eigenen Nachwuchses beitragen. Jesus sagte: "Mein Vater vergibt seinen Kindern nicht nachsichtig Handlungen und Gewohnheiten, die selbstzerstörerisch sind und jedes sittliche Wachstum und jeden geistigen Fortschritt töten. Sündige Handlungen solcher Art sind in Gottes Augen ein Greuel." Bevor Jesus mit seinen Aposteln schließlich nach Kapernaum aufbrach, nahm er an vielen anderen halbprivaten Zusammenkünften und Banketten mit Hohen und Niedrigen, Reichen und Armen von Jerusalem teil. Und viele von ihnen begannen in der Tat, an das Evangelium vom Königreich zu glauben, und wurden in der Folge von Abner und seinen Gefährten getauft, die zurückblieben, um die Interessen des Königreichs in Jerusalem und Umgebung zu fördern. ***** 147.6 Auf dem Rückweg nach Kapernaum ***** In der letzten Aprilwoche verließen Jesus und die Zwölf ihr Hauptquartier in Bethanien bei Jerusalem und begannen ihre Rückreise nach Kapernaum über Jericho und den Jordan. Die obersten Priester und religiösen Führer der Juden hielten viele geheime Zusammenkünfte ab, um zu entscheiden, was mit Jesus zu geschehen habe. Sie stimmten alle darin überein, dass etwas unternommen werden müsse, um seiner Lehrtätigkeit ein Ende zu setzen, aber sie konnten sich nicht auf die Vorgehensweise einigen. Sie hatten gehofft, dass die zivilen Behörden sich seiner so entledigen würden, wie Herodes dem Johannes ein Ende bereitet hatte, aber sie entdeckten, dass Jesus sich bei seiner Arbeit so verhielt, dass die römischen Beamten durch sein Predigen nicht sonderlich beunruhigt wurden. Deshalb wurde am Tag vor Jesu Abreise nach Kapernaum bei einem Treffen beschlossen, ihn auf Grund einer religiösen Anklage zu verhaften und ihm vor dem Sanhedrin den Prozess zu machen. Also ernannten sie eine Kommission von sechs geheimen Spionen, die Jesus folgen, seine Worte und Taten beobachten und mit ihrem Bericht nach Jerusalem zurückkehren sollten, wenn sie genügend Beweise für Gesetzesbruch und Gotteslästerung zusammengetragen hätten. Diese sechs Juden holten die etwa dreißig Mitglieder zählende apostolische Gruppe bei Jericho ein und schlossen sich unter dem Vorwand, sie wünschten Jünger zu werden, Jesu Familie von Anhängern an. Sie blieben bis zum Beginn der zweiten Predigtrundreise in Galiläa bei der Gruppe, worauf drei von ihnen nach Jerusalem zurückkehrten, um ihren Bericht den obersten Priestern und dem Sanhedrin zu unterbreiten. Petrus predigte an der Jordanfurt zu der versammelten Menge, und am nächsten Morgen zogen sie flussaufwärts in Richtung Amathus. Sie hatten vor, geradewegs nach Kapernaum weiterzugehen, aber es strömte hier eine derartige Menge zusammen, dass sie drei Tage blieben und predigten, lehrten und tauften. Erst am frühen Sabbatmorgen, dem ersten Maitag, brachen sie nach Hause auf. Die Spione aus Jerusalem waren sicher, nun in den Besitz ihres ersten Anklagepunktes gegen Jesus - nämlich des Sabbatbruchs - zu kommen, da er sich angemaßt hatte, seine Reise an einem Sabbattag zu beginnen. Aber sie sollten enttäuscht werden, denn kurz vor ihrer Abreise rief Jesus Andreas zu sich und gab ihm in Gegenwart aller die Anweisung, nur neunhundert Meter weit zu gehen, die jüdische gesetzliche Reisestrecke am Sabbattag. Aber die Spione brauchten nicht lange auf eine Gelegenheit zu warten, Jesus und seine Gefährten des Sabbatbruchs zu bezichtigen. Während die Gruppe der schmalen Straße folgte, stand der wogende Weizen, der gerade heranreifte, auf beiden Seiten dicht am Weg, und da einige Apostel Hunger verspürten, pflückten sie vom reifen Korn und aßen es. Es war üblich, dass Reisende von dem Korn pflückten, das am Wegrand wuchs, und deshalb war mit einem solchen Verhalten kein Gedanke an ein Vergehen verbunden. Aber die Spione ergriffen die Gelegenheit als Vorwand, um Jesus anzugreifen. Als sie sahen, wie Andreas das Korn in seiner Hand zerrieb, gingen sie zu ihm und sagten: "Weißt du nicht, dass es ungesetzlich ist, an einem Sabbattag Korn zu pflücken und zu zerreiben?" Andreas gab zur Antwort: "Aber wir sind hungrig und zerreiben gerade soviel, wie wir brauchen; und seit wann ist es eine Sünde, am Sabbattag Korn zu essen?" Aber die Pharisäer antworteten: "Du begehst nichts Schlechtes, wenn du isst, aber du brichst in der Tat das Gesetz, wenn du das Korn pflückst und in deinen Händen zerreibst; bestimmt würde dein Meister solches Tun missbilligen." Da sagte Andreas: "Aber wenn nichts falsch daran ist, das Korn zu essen, dann ist das Zerreiben in unseren Händen kaum mehr Arbeit als das Kauen des Korns, das ihr erlaubt; wozu diese Haarspaltereien um Nichtigkeiten?" Aber als Andreas sie der Haarspalterei zieh, waren sie empört und stürzten zu Jesus, der weiter hinten ging und mit Matthäus sprach. Sie protestierten mit den Worten: "Sieh, Lehrer, deine Apostel tun, was an einem Sabbattag gesetzwidrig ist; sie pflücken, zerreiben und essen Korn. Wir sind sicher, dass du ihnen befehlen wirst, damit aufzuhören." Da sagte Jesus zu den Anklägern: "Ihr seid in der Tat eifrig auf das Gesetz bedacht, und ihr tut gut, euch des Sabbattags zu erinnern, um ihn heilig zu halten; aber habt ihr nie in den Schriften gelesen, dass David eines Tages, als er hungrig war, mit seinen Gefährten in das Haus Gottes ging und die Schaubrote aß, was das Gesetz niemandem außer den Priestern gestattete? Und David gab das Brot auch denen zu essen, die bei ihm waren. Und habt ihr in unserem Gesetz nicht gelesen, dass es erlaubt ist, am Sabbattag viele nützliche Dinge zu tun? Und werde ich euch nicht noch vor Ablauf des Tages das verzehren sehen, was ihr als Tagesbedarf mitgebracht habt? Meine guten Männer, ihr tut gut daran, euch eifrig für den Sabbat einzusetzen, aber ihr tätet noch besser daran, über Gesundheit und Wohlbefinden eurer Mitmenschen zu wachen. Ich erkläre, dass der Sabbat für den Menschen geschaffen wurde, und nicht der Mensch für den Sabbat. Und wenn ihr hier unter uns seid, um auf meine Worte aufzupassen, dann erkläre ich offen, dass der Menschensohn auch Herr über den Sabbat ist." Die Pharisäer waren erstaunt und beschämt ob seiner Worte des Scharfblicks und der Weisheit. Den Rest des Tages über blieben sie unter sich und wagten nicht, weitere Fragen zu stellen. Jesu Widerstand gegen die jüdischen Traditionen und sklavischen Zeremonien war immer positiv. Er bestand in dem, was er tat und bejahte. Der Meister verlor nur wenig Zeit mit negativem Verurteilen. Er lehrte, dass die, die Gott kennen, sich der Freiheit des Lebens erfreuen können, ohne sich selber zu betrügen mit sündiger Zügellosigkeit. Jesus sagte zu den Aposteln: "Freunde, wenn ihr von der Wahrheit erleuchtet seid und wirklich wisst, was ihr tut, seid ihr gesegnet; aber wenn ihr den göttlichen Weg nicht kennt, seid ihr bedauernswert und bereits Gesetzesbrecher." ***** 147.7 Zurück in Kapernaum ***** Am Montag, dem 3. Mai gegen Mittag, langten Jesus und die Zwölf von Tarichäa kommend mit dem Boot in Bethsaida an. Sie hatten das Boot genommen, um ihren Mitreisenden zu entrinnen. Aber am nächsten Tag hatten diese einschließlich der offiziellen Spione aus Jerusalem Jesus wieder ausfindig gemacht. Am Donnerstagabend hielt Jesus eine seiner üblichen Frage- und Antwortstunden ab, als der Führer der sechs Spione zu ihm sagte: "Ich habe heute mit einem Jünger des Johannes gesprochen, der hier bei deinem Unterricht zugegen ist, und wir konnten einfach nicht verstehen, wieso du deinen Jüngern nie zu fasten und zu beten gebietest, so wie wir Pharisäer fasten und wie Johannes seinen Anhängern zu tun gebot." Und Jesus, auf eine Erklärung des Johannes anspielend, antwortete dem Fragesteller: "Fasten denn die Brautführer, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam unter ihnen weilt, können sie schwerlich fasten. Aber die Zeit kommt, da der Bräutigam weggenommen werden wird, und dann werden die Brautführer ohne Zweifel fasten und beten. Das Beten ist den Kindern des Lichts selbstverständlich, aber das Fasten ist kein Teil des Evangeliums vom Königreich des Himmels. Ich erinnere euch daran, dass kein vernünftiger Schneider einen neuen, noch nicht eingelaufenen Stoff auf ein altes Kleid aufnäht aus Furcht, dieser könnte sich, einmal nass geworden, zusammenziehen und einen noch schlimmeren Riss verursachen. Ebenso wenig füllt man neuen Wein in alte Schläuche, damit der neue Wein nicht die Schläuche zum Platzen bringt und Wein und Schläuche verloren gehen. Ein kluger Mann füllt den jungen Wein in neue Weinschläuche. Deshalb handeln meine Jünger weise, wenn sie nicht zu vieles aus der alten Ordnung in die neue Lehre des Evangeliums vom Königreich einbringen. Ihr, die ihr euren Lehrer verloren habt, mögt mit Recht eine Zeit lang fasten. Das Fasten mag ein nützlicher Teil des mosaischen Gesetzes sein, aber im kommenden Königreich werden die Söhne Gottes das Befreitsein von Furcht und die Freude im göttlichen Geist erfahren." Und als sie diese Worte hörten, fühlten sich die Jünger des Johannes beruhigt, während die Pharisäer nur umso betretener waren. Dann ging der Meister dazu über, seine Hörer vor der Vorstellung zu warnen, dass sämtliche alten Lehren vollständig durch neue ersetzt werden müssten. Er sagte: "Was alt und auch wahr ist, soll bestehen bleiben. Ebenso muss Neues aber Falsches abgelehnt werden. Habt hingegen den Glauben und den Mut, das anzunehmen, was neu und auch wahr ist. Denkt daran, dass geschrieben steht: ,Lasse einen alten Freund nicht im Stich, denn der neue lässt sich ihm nicht vergleichen. Ein neuer Freund ist wie junger Wein, wenn er alt wird, wirst du ihn mit Freuden trinken.' " ***** 147.8 Das Fasten der geistigen Güte ***** Lange, nachdem sich die üblichen Zuhörer zurückgezogen hatten, fuhr Jesus an jenem Abend fort, seine Apostel zu unterrichten. Er begann diese besondere Unterweisung mit einem Zitat aus dem Propheten Jesaja: "Warum habt ihr gefastet? Wieso quält ihr eure Seelen, während ihr fortfahrt, euch an Unterdrückung zu freuen und an Ungerechtigkeit zu ergötzen? Seht, ihr fastet, um zu streiten und zu hadern und schlagt mit gottloser Faust zu. Aber ihr dürft nicht auf diese Weise fasten, wenn ihr wollt, dass eure Stimmen im Himmel gehört werden.' `Habe ich solch ein Fasten gewollt - einen Tag, an dem der Mensch seine Seele betrübe? Muss er sein Haupt wie eine Binse beugen und in Sack und Asche herumkriechen? Wagt ihr, so etwas Fasten und einen dem Herrn angenehmen Tag zu nennen? Sollte ich nicht eher diese Art des Fastens vorziehen: die Ketten der Bosheit zu sprengen, die Knoten schwerer Bürden zu lösen, die Unterdrückten frei zu lassen und jedes Joch zu zerbrechen? Soll ich nicht eher mein Brot mit den Hungrigen teilen und die Obdachlosen und Armen in mein Haus bringen? Und wenn ich Nackte sehe, will ich sie bekleiden.' "`Dann wird euer Licht hervorbrechen wie der Morgen und ihr werdet schnell vor Gesundheit sprühen. Eure Rechtschaffenheit wird euch vorausgehen und die Herrlichkeit des Herrn eure Nachhut sein. Dann werdet ihr den Herrn anrufen, und er wird antworten; ihr werdet nach ihm schreien, und er wird sagen: Hier bin ich. Und all das wird er tun, wenn ihr von Unterdrückung, Verurteilung und Eitelkeit ablasst. Der Vater wünscht vielmehr, dass ihr euer Herz den Hungrigen öffnet und die niedergeschlagenen Seelen aufrichtet; dann wird euer Licht in der Finsternis leuchten, und sogar eure Dunkelheit wird wie der helle Mittag sein. Dann wird der Herr euch unablässig führen, eure Seele erquicken und eure Kraft erneuern. Ihr werdet wie ein bewässerter Garten werden, wie eine Quelle, deren Wasser nie versiegt. Und diejenigen, die so handeln, werden die vergangene Herrlichkeit wiederherstellen; sie werden die Fundamente für viele Generationen legen, und man wird sie Wiederaufrichter zerfallener Mauern nennen und Wiederhersteller sicherer Pfade, an denen man sich niederlassen kann.' " Und danach legte Jesus seinen Aposteln bis tief in die Nacht hinein die Wahrheit dar, dass es ihr Glaube ist, der ihnen Sicherheit im gegenwärtigen und zukünftigen Königreich gibt, und nicht die Zerknirschung ihrer Seele oder das Fasten ihres Körpers. Er forderte die Apostel auf, wenigstens gemäß den Ideen des Propheten von einst zu leben, und drückte die Hoffnung aus, sie möchten sich weit über die Ideale Jesajas und der älteren Propheten hinaus entwickeln. Seine letzten Worte an diesem Abend waren: "Wachset in der Gnade durch einen lebendigen Glauben, der die Tatsache erfasst, dass ihr die Söhne Gottes seid, und der zugleich in jedem Menschen seinen Bruder erkennt." Als Jesus zu sprechen aufhörte, war es nach zwei Uhr morgens, und jeder begab sich zu seinem Lager. ****** Kapitel 148 Ausbildung der Evangelisten in Bethsaida ****** VOM 3. Mai bis zum 3. Oktober des Jahres 28 wohnten Jesus und die apostolische Gruppe im Haus des Zebedäus in Bethsaida. Während dieser fünf Monate der Trockenperiode unterhielten sie ein riesiges Lager am Seeufer nahe beim Haus des Zebedäus, das beträchtlich erweitert worden war, um die wachsende Familie von Jesus aufzunehmen. Eine ständig wechselnde Menge von Wahrheitssuchern, Heilungskandidaten und frommen Neugierigen bevölkerte das Lager am See, und ihre Zahl belief sich auf fünfhundert bis fünfzehnhundert. Die allgemeine Oberaufsicht über diese Zeltstadt oblag David Zebedäus, dem die Alphäus Zwillinge zur Seite standen. Das Lager war vorbildlich, was Ordnung, sanitäre Maßnahmen und allgemeine Leitung anbetraf. Die Leidenden waren nach Krankheiten voneinander abgesondert und wurden von einem gläubigen Arzt, einem Syrer namens Elman, betreut. In dieser Zeit gingen die Apostel mindestens an einem Tag in der Woche fischen. Den Fang verkauften sie David zum Verzehr im Lager am See. Die dabei erzielten Einnahmen wurden an die Gruppenkasse abgegeben. Die Zwölf hatten die Erlaubnis, jeden Monat eine Woche bei ihren Familien oder Freunden zu verbringen. Während die allgemeine Leitung der apostolischen Tätigkeit weiterhin in Andreas' Händen lag, war Petrus voll verantwortlich für die Schulung der Evangelisten. Jeden Vormittag trugen alle Apostel ihren Teil zum Unterricht der Evangelistengruppen bei, und Lehrer wie Schüler unterwiesen das Volk an den Nachmittagen. An fünf Abenden der Woche leiteten die Apostel nach dem Abendessen Fragestunden zur Förderung der Evangelisten. Einmal pro Woche hatte Jesus bei dieser Fragestunde den Vorsitz und beantwortete von vorausgegangenen Zusammenkünften aufgehobene Fragen. Im Laufe von fünf Monaten gingen mehrere tausend Menschen in diesem Lager ein und aus: Häufig waren interessierte Personen aus allen Gegenden des Römischen Reichs sowie aus den Ländern östlich des Euphrats anwesend. In des Meisters Lehrtätigkeit war dies die längste gut organisierte Periode mit festem Quartier. Jesu eigene Familie verbrachte den größten Teil dieser Zeit in Nazareth oder Kana. Das Lager wurde nicht wie die apostolische Familie als eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Interessen geführt. David Zebedäus betrieb diese große Zeltstadt als ein eigenständiges Unternehmen, obwohl nie jemand abgewiesen wurde. Dieses sich ständig verändernde Lager war ein unentbehrlicher Bestandteil von Petrus' Schule zur Ausbildung der Evangelisten. ***** 148.1 Eine neue Prophetenschule ***** Petrus, Jakobus und Andreas bildeten die von Jesus eingesetzte Kommission zur Beurteilung der Bewerber um Aufnahme in die Evangelistenschule. Alle Rassen und Nationen der römischen Welt und des Ostens bis hin nach Indien waren unter den Studenten dieser neuen Prophetenschule vertreten. Sie wurde nach dem Konzept des Lernens und Handelns geleitet. Was die Studenten am Vormittag lernten, lehrten sie am Nachmittag die am Seeufer Versammelten. Nach dem Abendessen diskutierten sie zwanglos über das am Vormittag Gelernte und das am Nachmittag Gelehrte. Jeder apostolische Lehrer lehrte seine persönliche Sicht vom Evangelium des Königreichs. Sie unternahmen keine Anstrengungen, um genau dasselbe zu lehren; es gab keine standardisierte oder dogmatische Formulierung von theologischen Lehrmeinungen. Obgleich alle dieselbe Wahrheit verkündigten, trug jeder Apostel seine eigene persönliche Interpretation der Unterweisung des Meisters vor. Und Jesus unterstützte dieses Einbringen verschiedenartiger persönlicher Erfahrungen in den Dingen des Königreichs, wobei er es nie unterließ, diese vielen unterschiedlichen Auffassungen des Evangeliums während seiner wöchentlichen Fragestunde zu harmonisieren und koordinieren. Trotz dieses großen Maßes an persönlicher Freiheit beim Unterrichten neigte Simon Petrus dazu, die Theologie der Evangelistenschule zu bestimmen. Nach Petrus übte Jakobus Zebedäus den größten persönlichen Einfluss aus. Die über hundert während dieser fünf Monate am See geschulten Evangelisten bildeten den Grundstock, dem (mit Ausnahme Abners und der Apostel des Johannes) später die siebzig Lehrer und Prediger des Evangeliums entnommen wurden. Die Evangelistenschule besaß nicht alles im selben Grade gemeinsam wie die Zwölf. Obgleich diese Evangelisten das Evangelium lehrten und predigten, tauften sie die Gläubigen erst, nachdem Jesus ihnen als den siebzig Botschaftern des Königreichs Weihe und Auftrag gegeben hatte. Von der großen Menge der an ebendiesem Ort bei Sonnenuntergang Geheilten fanden sich nur sieben unter den evangelistischen Studenten. Auch der Sohn jenes Vornehmen aus Kapernaum gehörte zu denen, die an der Schule des Petrus für den Dienst am Evangelium geschult wurden. ***** 148.2 Das Krankenhaus von Bethsaida ***** In Verbindung mit dem Lager am See organisierte und leitete Elman, der syrische Arzt, vier Monate lang das, was als erstes Krankenhaus des Königreichs angesehen werden sollte. Unterstützt wurde er dabei von einer Gruppe von fünfundzwanzig jungen Frauen und zwölf Männern. In diesem Krankenhaus, das nur ein kurzes Wegstück nach Süden von der Zeltstadt entfernt lag, behandelten sie die Kranken entsprechend allen bekannten materiellen Methoden wie auch durch die geistigen Praktiken des Gebets und der Ermutigung zum Glauben. Jesus besuchte die Kranken dieses Lagers nicht weniger als dreimal in der Woche und trat in persönlichen Kontakt mit jedem Leidenden. So weit wir unterrichtet sind, ereigneten sich keine sogenannten übernatürlichen Wunderheilungen unter den eintausend geplagten und leidenden Menschen, die dieses Krankenhaus in gebessertem Zustand oder geheilt verließen. Trotzdem hörte die große Mehrheit der Personen, denen geholfen worden war, nicht auf zu verkünden, Jesus habe sie geheilt. Viele der Heilungen, die Jesus im Zusammenhang mit seiner Fürsorge für die Patienten Elmans erzielte, schienen tatsächlich Wundern zu gleichen, aber man hat uns belehrt, dass es sich dabei nur um solche Verwandlungen von Gemüt und Geist handelte, wie sie erwartungsvolle und vom Glauben beherrschte Personen erfahren können, die unter dem unmittelbaren und inspirierenden Einfluss einer starken, positiven und wohltuenden Persönlichkeit stehen, deren Hingabe Furcht bannt und Angst zerstört. Elman und seine Mitarbeiter bemühten sich, diesen Kranken die Wahrheit über die "Besessenheit durch böse Geister" beizubringen, aber sie hatten damit wenig Erfolg. Der Glaube, dass physische Krankheit und Geistesgestörtheit durch die Gegenwart eines sogenannten unreinen Geistes im Gemüt oder Körper der leidenden Person verursacht werden könne, war nahezu universell. Was Behandlungsmethoden oder die Erklärung unbekannter Krankheitsursachen betraf, so ließ Jesus bei all seinen Kontakten mit Kranken und Leidenden nie die Anweisungen seines Paradies-Bruders Immanuel außer Acht, welche dieser ihm gegeben hatte, ehe er das Unternehmen seiner Inkarnation auf Urantia antrat. Dessen ungeachtet lernten all diejenigen, die die Kranken betreuten, manch hilfreiche Lektion bei der Beobachtung der Art, wie Jesus den Glauben und das Vertrauen der Kranken und Leidenden inspirierte. Das Lager wurde kurz vor Beginn der Jahreszeit, in der Erkältung und Fieber zunahmen, aufgelöst. ***** 148.3 Des Vaters Angelegenheiten ***** In dieser ganzen Zeitspanne leitete Jesus weniger als ein dutzend Mal öffentliche Gottesdienste im Lager und sprach nur einmal in der Synagoge von Kapernaum, nämlich am zweitletzten Sabbat, bevor sie mit den neu geschulten Evangelisten zur zweiten öffentlichen Predigtrundreise durch Galiläa aufbrachen. Seit seiner Taufe war der Meister nie so oft allein gewesen wie während der Dauer des Schulungslagers für die Evangelisten bei Bethsaida. Wenn ein Apostel sich mit der Frage vorwagte, warum er in ihrer Mitte so oft fehle, gab Jesus ausnahmslos zur Antwort, "er kümmere sich um seines Vaters Angelegenheiten". Während dieser Abwesenheiten wurde Jesus jeweils nur von zwei Aposteln begleitet. Er hatte Petrus, Jakobus und Johannes vorübergehend von ihrem Amt als seine persönlichen Gefährten entbunden, damit sie sich ebenfalls an der Ausbildungarbeit für die über hundert neuen evangeli-stischen Kandidaten beteiligen konnten. Wenn der Meister in seines Vaters Angelegenheiten in die Berge gehen wollte, forderte er zwei der Apostel, die gerade frei waren, auf, ihn zu begleiten. Auf diese Weise kam jeder der Zwölf in den Genuss enger Beziehung und naher Berührung mit Jesus. Obwohl es uns für den Zweck dieser Aufzeichnung nicht enthüllt worden ist, sind wir zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Meister während mancher dieser einsamen Zeiten in den Bergen mit vielen seiner wichtigsten Leiter der Universums-Angelegenheiten in direktem und führendem Kontakt stand. Ungefähr seit der Zeit seiner Taufe hatte sich der inkarnierte Herrscher unseres Universums immer aktiver und bewusster in die Leitung gewisser Phasen der Universums-Verwaltung eingeschaltet. Und wir haben immer die Meinung vertreten, dass er während dieser Wochen verminderter Teilnahme an irdischen Belangen in einer Weise, die er seinen unmittelbaren Gefährten nicht zu erkennen gab, die Führung jener hohen Intelligenzen wahrnahm, denen die Lenkung eines riesigen Universums oblag, und dass der menschliche Jesus solche Aktivitäten als "er kümmere sich um seines Vaters Angelegenheiten" zu bezeichnen pflegte. Oft, wenn Jesus stundenlang allein war, aber zwei der Apostel in seiner Nähe weilten, beobachteten sie, wie sein Gesichtsausdruck raschem und mannigfaltigem Wechsel unterlag, obwohl sie ihn kein Wort sprechen hörten. Ebenso wenig beobachteten sie irgendwelche sichtbaren Erscheinungen von himmlischen Wesen, die mit ihrem Meister hätten in Verbindung stehen können, wie einige von ihnen sie bei einer späteren Gelegenheit sahen. ***** 148.4 Übel, Sünde und Frevel ***** Jesus hatte die Gewohnheit, jede Woche an zwei Abenden in einem abgelegenen und geschützten Winkel des Gartens des Zebedäus mit Einzelnen, die ihn zu sprechen wünschten, ein besonderes Gespräch zu führen. Bei einer dieser privaten abendlichen Unterhaltungen stellte Thomas dem Meister diese Frage: "Warum muss der Mensch aus dem Geist geboren werden, um ins Königreich einzutreten? Ist die Neugeburt notwendig, um der Kontrolle des Teufels zu entrinnen? Meister, was ist das Üble?" Als Jesus diese Frage hörte, sprach er zu Thomas: Begeh nicht den Fehler, das Üble mit dem Teufel, besser: dem Frevler, zu verwechseln. Der, den ihr Teufel nennt, ist der Sohn der Eigenliebe, der hohe Administrator, der sich wissentlich und mit Vorsatz gegen die Herrschaft meines Vaters und seiner loyalen Söhne aufgelehnt hat. Aber ich habe diese sündigen Rebellen bereits besiegt. Werde dir klar über die verschiedenen Verhaltensweisen gegenüber dem Vater und seinem Universum, und vergiss diese Gesetze der Beziehung zum Willen des Vaters nie. Das Üble ist die unbewusste oder unbeabsichtigte Übertretung des göttlichen Gesetzes, des Willens des Vaters. Das Üble ist ebenfalls das Maß der Unvollkommenheit im Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters. Die Sünde ist die bewusste, wissende und vorsätzliche Übertretung des göttlichen Gesetzes, des Willens des Vaters. Die Sünde ist das Maß der Weigerung, sich göttlich führen und geistig ausrichten zu lassen. Der Frevel ist die willentliche, entschlossene und anhaltende Übertretung des göttlichen Gesetzes, des Willens des Vaters. Frevelhaftigkeit ist das Maß der fortgesetzten Ablehnung sowohl des liebevollen, das Fortleben der Persönlichkeit betreffenden Plans des Vaters als auch des barmherzigen Heilswirkens des Sohnes. Von Natur aus ist der sterbliche Mensch vor seiner Neugeburt aus dem Geiste den eingeborenen Tendenzen zum Üblen unterworfen, aber solche natürlichen Unvollkommenheiten des Verhaltens sind weder Sünde noch Frevel. Der sterbliche Mensch beginnt gerade erst seinen langen Aufstieg zur Vollkommenheit des Vaters im Paradies. Es ist nicht sündig, unvollkommen oder nur teilweise mit natürlichen Begabungen ausgestattet zu sein. Es ist wahr, dass der Mensch dem Üblen unterworfen ist, aber er ist in keiner Weise das Kind des Teufels, es sei denn, er habe wissentlich und vorsätzlich die Pfade der Sünde und ein Leben in der Frevelhaftigkeit gewählt. Das Üble wohnt der natürlichen Ordnung dieser Welt inne, Sünde hingegen ist eine Haltung bewusster Rebellion, welche jene in diese Welt gebracht haben, die vom geistigen Licht in tiefe Finsternis gefallen sind. Thomas, die Lehren der Griechen und die Irrtümer der Perser verwirren dich. Du verstehst die Beziehung zwischen Übel und Sünde nicht, weil die Menschheit in deinen Augen mit einem vollkommenen Adam begonnen hat und durch Sünde rasch zum gegenwärtigen beklagenswerten Zustand abgesunken ist. Aber warum sträubst du dich, die Bedeutung jener Schriftstelle zu erfassen, die verrät, wie Kain, Adams Sohn, in das Land Nods hinüberging und sich dort eine Frau holte? Und warum lehnst du es ab, die Bedeutung jener Stelle zu interpretieren, die berichtet, wie die Söhne Gottes unter den Töchtern der Menschen ihre Frauen fanden? Die Menschen sind tatsächlich von Natur aus schlecht, aber nicht notwendigerweise sündhaft. Die neue Geburt - die Taufe durch den Geist - ist unentbehrlich für die Befreiung vom Üblen und notwendig zum Eintritt ins Königreich, aber nichts von alledem beeinträchtigt die Tatsache, dass der Mensch Gottes Sohn ist. Ebenso wenig bedeutet diese inhärente Gegenwart potentiellen Übels, dass der Mensch sich auf irgendeine mysteriöse Weise seinem Vater im Himmel entfremdet hat und nun als Fremdling, Ausländer oder Stiefkind beim Vater gewissermaßen um legale Adoption nachsuchen muss. Alle derartigen Ansichten sind erstens eurer irrigen Vorstellung vom Vater, und zweitens eurer Unkenntnis von Ursprung, Natur und Bestimmung des Menschen zuzuschreiben. Die Griechen und andere haben euch gelehrt, dass der Mensch von göttlicher Perfektion stetig herabsteigt, dem Vergessen oder der Zerstörung entgegen; ich bin gekommen, um zu zeigen, dass der Mensch durch seinen Eintritt in das Königreich gewiss und sicher zu Gott und zu göttlicher Vollkommenheit emporsteigt. Jedes Wesen, das in irgendeiner Weise hinter den göttlichen und geistigen Idealen des Willens des ewigen Vaters zurückbleibt, ist potentiell schlecht, aber solche Wesen sind in keiner Hinsicht sündhaft und noch weniger frevelhaft. "Thomas, hast du denn darüber nichts in der Schrift gelesen, wo geschrieben steht: `Ihr seid die Kinder des Herrn eures Gottes.' `Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein.' `Ich habe ihn zu meinem Sohn erwählt - ich will sein Vater sein.' `Bringt meine Söhne von weit her und meine Töchter von der ganzen Welt und auch alle, die meinen Namen tragen; denn ich habe sie zu meinem Ruhm erschaffen.' `Ihr seid die Söhne des lebendigen Gottes.' `Die den Geist Gottes haben, sind wahrhaftig die Söhne Gottes.' So wie ein materieller Teil des menschlichen Vaters im natürlichen Kind lebt, lebt auch ein geistiger Teil des Himmlischen Vaters in jedem gläubigen Sohn des Königreichs." Das und noch vieles mehr sagte Jesus zu Thomas, und der Apostel verstand vieles davon. Doch Jesus ermahnte ihn: "Sprich mit den anderen nicht eher über dieses Thema, als bis ich zum Vater zurückgekehrt bin." Und Thomas erwähnte diese Unterredung nie, bis der Meister von dieser Welt gegangen war. ***** 148.5 Der Zweck des Leidens ***** Bei einer anderen dieser privaten Unterhaltungen im Garten fragte Nathanael Jesus: "Meister, obgleich ich zu begreifen beginne, wieso du dich weigerst, unterschiedslos zu heilen, kann ich immer noch nicht verstehen, wieso der liebende Vater im Himmel es zulässt, dass so viele seiner Kinder auf Erden so viel leiden müssen." Der Meister antwortete Nathanael Folgendes: "Nathanael, du und viele andere seid so betroffen, weil ihr nicht versteht, wie sehr und wie oft die natürliche Ordnung dieser Welt durch die sündigen Abenteuer gewisser Verräter, die sich gegen den Willen des Vaters auflehnten, aus dem Gleichgewicht geworfen worden ist. Ich bin gekommen, um damit zu beginnen, diese Dinge in Ordnung zu bringen. Aber es wird vieler Zeitalter bedürfen, um diesen Teil des Universums auf seine früheren Pfade zurückzubringen und dadurch die Menschenkinder von den zusätzlichen Bürden der Sünde und Rebellion zu befreien. Die Gegenwart des Üblen allein ist als Test für das Emporsteigen des Menschen ausreichend - es bedarf zum Fortleben nicht unbedingt noch der Sünde. Aber du solltest wissen, mein Sohn, dass der Vater seine Kinder nicht absichtlich mit Leid plagt: Der Mensch bringt unnötiges Leid über sich selbst infolge seiner hartnäckigen Weigerung, auf den besseren Pfaden des göttlichen Willens zu wandeln. Das Leid ist potentiell im Üblen enthalten, aber eine große Menge davon ist durch Sünde und Frevel entstanden. Viele ungewöhnliche Geschehnisse haben sich auf dieser Welt abgespielt, und es ist nicht verwunderlich, dass alle denkenden Menschen beim Anblick des Leidens und der Betrübnis, die sich ihnen darbieten, bestürzt sind. Aber einer Sache kannst du sicher sein: Der Vater schickt kein Leid als willkürliche Bestrafung für übles Tun. Die Unvollkommenheiten und Behinderungen wohnen dem Üblen inne; die Bestrafung der Sünde ist unvermeidlich, und die zerstörerischen Konsequenzen des Frevels sind unerbittlich. Der Mensch sollte Gott nicht wegen jener Leiden tadeln, die nur das natürliche Resultat der von ihm gewählten Lebensführung sind. Ebenso wenig sollte er sich über jene Erfahrungen beklagen, die zum Leben gehören, wie es auf dieser Welt gelebt wird. Es ist des Vaters Wille, dass der Mensch beharrlich und konsequent an der Verbesserung seiner Lage auf Erden arbeite. Intelligentes Bemühen würde den Menschen befähigen, einen großen Teil seines irdischen Elends zu überwinden. Nathanael, es ist unsere Sendung, den Menschen bei der Lösung ihrer geistigen Probleme zu helfen und dadurch ihr Denken zu beleben, damit sie besser vorbereitet und inspiriert an die Lösung ihrer mannigfaltigen materiellen Probleme herangehen mögen. Ich weiß, dass euch verwirrt, was ihr in den Schriften gelesen habt. Allzu oft hat die Tendenz überwogen, Gott die Verantwortung für alles zuzuschreiben, was unwissende Menschen nicht zu begreifen vermögen. Der Vater ist nicht persönlich verantwortlich für alles, was ihr vielleicht nicht verstehen könnt. Zweifelt nicht an der Liebe des Vaters, nur weil eines der von ihm verfügten gerechten und weisen Gesetze euch leiden macht, nachdem ihr unschuldigerweise oder mit Vorsatz eine solche göttliche Verordnung übertreten habt. "Aber in den Schriften steht vieles, Nathanael, was dich belehrt hätte, wenn du es mit Scharfblick gelesen hättest. Erinnerst du dich nicht, dass geschrieben steht: `Mein Sohn, verachte nicht die Züchtigung durch den Herrn und sei seiner Zurechtweisung nicht überdrüssig; denn wen der Herr liebt, den weist er zurecht, so wie auch der Vater den Sohn, an dem er Freude hat, zurechtweist.' `Der Herr schickt nur ungern Leid.' `Bevor mir Leid widerfuhr, kam ich auf Abwege, aber jetzt halte ich das Gesetz ein. Das Leid war gut für mich, damit ich die göttlichen Satzungen kennen lernte.' `Ich kenne euren Kummer. Der ewige Gott ist eure Zuflucht, und er trägt euch allezeit auf seinen Armen.' `Der Herr ist auch ein Zufluchtsort für die Bedrückten, ein Hafen der Ruhe in schwierigen Zeiten.' `Der Herr wird ihn stärken auf dem Bett des Leidens; der Herr wird die Kranken nicht vergessen.' `Wie ein Vater seinen Kindern Erbarmen zeigt, so erbarmt sich der Herr auch jener, die ihn fürchten. Er kennt euren Körper; er vergisst nicht, dass ihr Staub seid.' `Er heilt, die gebrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.' `Er ist die Hoffnung des Armen, die Kraft des Bedürftigen in seiner Not, eine Zuflucht vor dem Sturm und ein Schatten in der sengenden Hitze.' `Er verleiht den Ermatteten Stärke und den Ohnmächtigen wachsende Kraft.' `Ein gequetschtes Schilfrohr wird er nicht brechen, noch den rauchenden Docht auslöschen.' `Wenn ihr durch die Wasser der Betrübnis schreitet, werde ich bei euch sein, und wenn die Wogen des Unglücks über euch zusammenschlagen, werde ich euch nicht verlassen.' `Er hat mich gesandt zu festigen, die gebrochenen Herzens sind, den Gefangenen die Freiheit zu verkünden und alle Leidtragenden zu trösten.' `Im Leiden ist Zurechtweisung; das Leid entspringt nicht dem Staub.' " ***** 148.6 Die falsche Deutung des Leidens - Rede über Hiob ***** Am gleichen Abend in Bethsaida fragte auch Johannes Jesus, weshalb so viele anscheinend unschuldige Menschen an so vielen Krankheiten litten und so große Leiden durchmachten. In Beantwortung der Frage des Johannes sagte der Meister unter vielem anderen: "Mein Sohn, du begreifst den Sinn des Unglücks oder die Aufgabe des Leidens nicht. Hast du jenes Meisterstück semitischer Literatur - die Erzählung der Leiden Hiobs in den Schriften - nicht gelesen? Entsinnst du dich nicht des Anfangs jenes wunderbaren Gleichnisses, wo der materielle Wohlstand des Dieners des Herrn geschildert wird? Du erinnerst dich, dass Hiob mit Kindern, Reichtum, Würden, Stellung, Gesundheit und mit allem gesegnet war, dem die Menschen in diesem irdischen Leben Wert beimessen. Nach den altehrwürdigen Lehren der Kinder Abrahams war solch ein materieller Wohlstand ein unzweifelhaftes Zeichen göttlicher Gunst. Aber solch materieller Besitz und irdischer Wohlstand ist kein Beweis für die Gunst Gottes. Mein Vater im Himmel liebt die Armen genau so sehr wie die Reichen; er kennt kein Ansehen der Person. Obgleich der Übertretung des göttlichen Gesetzes früher oder später die Ernte der Bestrafung folgt und die Menschen schließlich mit Sicherheit ernten, was sie gesät haben, solltest du doch wissen, dass menschliches Leiden nicht immer eine Strafe für vorausgegangene Sünden ist. Weder Hiob noch seinen Freunden gelang es, die wahre Antwort auf ihre Verwirrtheit zu finden. Und dank dem Licht, dessen du dich jetzt erfreust, würdest du kaum Satan oder Gott die Rollen zuschreiben, die sie in diesem einzigartigen Gleichnis spielen. Obwohl Hiob durch das Leiden keine Lösung seiner intellektuellen Probleme und philosophischen Schwierigkeiten fand, so errang er doch große Siege; und selbst angesichts des Zusammenbruchs seiner theologischen Verteidigung stieg er zu jenen geistigen Höhen auf, wo er ehrlich sagen konnte: `Ich verabscheue mich selbst.' Und da wurde ihm das Heil einer Gottesvision zuteil. Also stieg Hiob sogar durch falsch ausgelegtes Leiden zu der übermenschlichen Ebene sittlichen Verständnisses und geistiger Erkenntnis empor. Auf eine Gottesvision, die einem leidenden Diener zuteil wird, folgt ein Seelenfriede, der alles menschliche Verstehen übersteigt. Eliphas, der erste von Ijobs Freunden, ermahnte den Leidenden, in seinen Heimsuchungen dieselbe Seelenstärke an den Tag zu legen, die er selber anderen zur Zeit seines Wohlergehens empfohlen hatte. Dieser falsche Tröster sprach: `Habe in deine Religion Vertrauen, Hiob; denke daran, dass es die Gottlosen sind, die leiden, und nicht die Gerechten. Sicher verdienst du diese Bestrafung, sonst müsstest du nicht leiden. Du weißt wohl, dass in Gottes Augen kein Mensch gerecht sein kann. Du weißt, dass die Bösen nie wirklich gedeihen. Wie dem auch sei, der Mensch scheint für Schwierigkeiten vorherbestimmt zu sein, und vielleicht züchtigt der Herr dich nur zu deinem eigenen Guten.' Kein Wunder, dass der arme Hiob aus einer derartigen Interpretation des Problems menschlichen Leidens nicht viel Trost schöpfte. Aber der Rat seines zweiten Freundes, Bildads, war noch niederschmetternder, wenn auch folgerichtig aus der Sicht der damals gültigen Theologie. Bildad sagte: `Gott kann nicht ungerecht sein. Deine Kinder müssen Sünder gewesen sein, da sie umgekommen sind; du musst im Irrtum sein, sonst würdest du nicht dermaßen von Leid geprüft. Wenn du aber wirklich rechtschaffen bist, wird Gott dich bestimmt von deinen Leiden befreien. Du solltest aus der Geschichte der Beziehungen Gottes zu den Menschen lernen, dass der Allmächtige nur die Gottlosen vernichtet.' Erinnere dich, was Hiob seinen Freunden darauf zur Antwort gab: `Ich weiß wohl, dass Gott meinen Hilfeschrei nicht hört. Wie kann Gott gerecht sein und zugleich meine Unschuld so ganz und gar verkennen? Ich mache die Erfahrung, dass meine Anrufung des Allmächtigen mir keine Genugtuung bringt. Seht ihr nicht, dass Gott die Verfolgung der Guten durch die Niederträchtigen zulässt? Und was für Aussicht hat der Mensch bei seiner ganzen Schwäche auf Beachtung seitens eines allmächtigen Gottes? Gott hat mich so gemacht, wie ich bin, und wenn er sich in dieser Weise gegen mich wendet, bin ich schutzlos. Warum hat er mich überhaupt erschaffen, nur um mich so elendiglich leiden zu lassen?' Wer wollte Hiobs Haltung angesichts der Ratschläge seiner Freunde und seiner eigenen irrigen Vorstellungen über Gott anfechten? Siehst du nicht, dass Hiob sich nach einem menschlichen Gott sehnte, dass ihn danach verlangte, mit einem göttlichen Wesen in Verbindung zu treten, welches den sterblichen Zustand des Menschen kennt und versteht, dass der Gerechte oft unschuldigerweise leiden muss und dass dieses Leiden zu seinem ersten Leben beim langen Aufstieg zum Paradies gehört? Dazu ist der Menschensohn vom Vater gekommen: ein ebensolches Dasein im Fleisch zu leben, um dadurch in der Lage zu sein, all jenen Trost und Hilfe zu spenden, die künftig aufgerufen sind, Ijobs Leiden durchzumachen. Hiobs dritter Freund Zophar schließlich sprach noch weniger tröstliche Worte, als er sagte: `Es ist töricht von dir, angesichts deines Elends den Anspruch zu erheben, rechtschaffen zu sein. Aber ich gebe zu, dass es unmöglich ist, Gottes Wege zu begreifen. Vielleicht liegt in all deinen Leiden ein verborgener Zweck.' Und nachdem Hiob allen drei seiner Freunde zugehört hatte, wandte er sich direkt an Gott um Hilfe, wobei er sich auf die Tatsache berief, dass der Mensch, vom Weibe geboren, nur kurz lebt und bitteres Ungemach erleidet.' Hierauf begann die zweite Unterredung mit seinen Freunden. Eliphas wurde strenger, anklagender und sarkastischer, Bildad empörte sich über Hiobs Geringschätzung seiner Freunde, und Zophar wiederholte seine melancholischen Ratschläge. Da wandte sich Hiob, angewidert von seinen Freunden, wieder an Gott, aber diesmal rief er einen gerechten Gott an im Gegensatz zu dem Gott der Ungerechtigkeit, wie er in der Philosophie seiner Freunde und sogar in seiner eigenen religiösen Haltung verkörpert war. Und dann rettete sich Hiob in die tröstende Aussicht auf ein zukünftiges Leben, in welchem das im irdischen Dasein erlittene Unrecht in billigerer Weise korrigiert würde. Das Unvermögen, menschliche Hilfe zu erhalten, führt Hiob zu Gott. Aber dann hebt in seinem Herzen der große Kampf zwischen Glauben und Zweifel an. Endlich beginnt der menschliche Dulder das Licht des Lebens zu sehen. Seine gepeinigte Seele schwingt sich zu neuen Höhen der Hoffnung und des Mutes auf. Er mag nun weiter leiden und sogar sterben; aber seine erleuchtete Seele ruft jetzt triumphierend: `Mein Rechtfertiger lebt!' "Hiob hatte ganz und gar recht, als er die Lehre anzweifelte, Gott bringe Leiden über die Kinder, um ihre Eltern zu bestrafen. Hiob war immer bereit anzuerkennen, dass Gott gerecht ist, aber er sehnte sich nach einer für die Seele befriedigenden Offenbarung des persönlichen Charakters des Ewigen. Und genau das ist unsere Sendung auf Erden. Nie wieder soll leidenden Sterblichen die Wohltat verwehrt sein, die Liebe Gottes zu erfahren und um die Barmherzigkeit des Vaters im Himmel zu wissen. Gottes Wort, aus dem Wirbelwind gesprochen, war in jenen Tagen, da es geäußert wurde, eine majestätische Vorstellung; aber du hast schon gelernt, dass der Vater sich nicht in dieser Weise offenbart, sondern eher mit einer stillen, leisen Stimme im menschlichen Herzen spricht: `Das ist der Weg, folge ihm.' Verstehst du nicht, dass Gott in dir wohnt, dass er geworden ist, was du bist, damit er dich zu dem machen kann, was er ist!" Und abschließend erklärte Jesus: "Der Vater im Himmel sucht die Menschenkinder nicht willentlich heim. Die Menschen leiden erstens unter den Wechselfällen der Zeit und dem Übel der Unvollkommenheiten einer unreifen physischen Existenz. Sodann leiden sie an den unerbittlichen Folgen der Sünde - der Überschreitung der Gesetze des Lebens und des Lichts. Und schließlich ernten die Menschen die Früchte ihres eigenen frevlerischen Verharrens in der Auflehnung gegen die gerechte Herrschaft des Himmels auf Erden. Aber die Nöte des Menschen sind keine persönliche Heimsuchung durch das göttliche Gericht. Die Menschen können und werden viel zur Verminderung ihrer zeitlichen Leiden unternehmen. Aber mache dich ein für allemal von dem Aberglauben frei, Gott suche die Menschen auf Geheiß des Teufels heim. Vertiefe dich in das Buch Hiob, um gerade darin zu entdecken, wie viele irrige Vorstellungen von Gott auch gute Menschen in aller Redlichkeit haben; und dann beachte, wie sogar dieser schmerzbeladene Hiob trotz derartiger Irrlehren den Gott des Trostes und der Rettung gefunden hat. Schließlich durchdrang sein Glaube die Wolken des Leids und nahm das Licht des Lebens wahr, welches vom Vater ausgeht als ein Strom heilender Gnade und immerwährender Gerechtigkeit." Viele Tage lang sann Johannes in seinem Herzen über diese Worte nach. Sein ganzes späteres Leben wurde infolge dieser Unterhaltung mit dem Meister im Garten merklich verändert, und er tat später viel, um auch die anderen Apostel dazu zu bewegen, ihre Anschauungen über Ursprung, Wesen und Zweck gewöhnlicher menschlicher Leiden zu ändern. Nie jedoch erwähnte er dieses Gespräch bis nach dem Hinschied des Meisters. ***** 148.7 Der Mann mit der verdorrten Hand ***** Am vorletzten Sabbat vor dem Aufbruch der Apostel und des neuen Evangelistenkorps zur zweiten Predigtrundreise durch Galiläa sprach Jesus in der Synagoge von Kapernaum über "die Freuden eines Lebens in Rechtschaffenheit". Nachdem er geendet hatte, versammelte sich eine große Schar von Krüppeln, Lahmen, Kranken und Elenden um ihn, die nach Heilung suchten. In der Menge befanden sich auch die Apostel, viele der neuen Evangelisten und die pharisäischen Spione aus Jerusalem. Wohin sich Jesus auch immer begab (außer er ging in den Bergen den Angelegenheiten seines Vaters nach), folgten ihm mit Sicherheit die sechs Spitzel aus Jerusalem. Während Jesus mit den Leuten sprach, stiftete der Anführer der spionierenden Pharisäer einen Mann mit einer verdorrten Hand an, sich Jesus zu nähern und ihn zu fragen, ob es gesetzlich sei, am Sabbat geheilt zu werden, oder ob er an einem anderen Tag um Hilfe nachsuchen solle. Als Jesus den Mann sah, seine Worte vernahm und begriff, dass die Pharisäer ihn gesandt hatten, sagte er: "Tritt näher, damit ich dich etwas fragen kann. Wenn du ein Schaf besäßest und es an einem Sabbattag in eine Grube fiele, würdest du dann hinablangen, es packen und herausholen? Ist es gesetzlich, so etwas an einem Sabbattag zu tun?" Und der Mann antwortete: "Ja, Meister, es wäre gesetzlich, auf diese Weise an einem Sabbattag Gutes zu tun." Da wandte sich Jesus an alle und sprach: "Ich weiß, weshalb ihr diesen Mann zu mir geschickt habt. Ihr würdet in mir einen Grund zur Anklage finden, wenn ihr mich dazu verleiten könntet, an einem Sabbattag Barmherzigkeit zu üben. Ihr alle habt mir stillschweigend beigepflichtet, dass es gesetzlich ist, das unglückliche Schaf aus der Grube herauszuholen, sogar an einem Sabbat, und ich rufe euch alle zu Zeugen dafür auf, dass es gesetzlich ist, am Sabbattag nicht nur Tieren, sondern auch Menschen Liebe und Güte zu erweisen. Wie viel kostbarer ist ein Mensch als ein Schaf! Ich verkündige, dass es gesetzlich ist, den Menschen am Sabbattag Gutes zu tun." Als alle schweigend vor ihm standen, wandte sich Jesus wieder dem Mann mit der verdorrten Hand zu und sprach: "Steh auf, hier neben mir, damit alle dich sehen können. Und jetzt, damit du weißt, dass es meines Vaters Wille ist, dass du am Sabbattag Gutes tust, und wenn du den Glauben hast, geheilt zu werden, gebiete ich dir, deine Hand auszustrecken." Und als der Mann seine verdorrte Hand ausstreckte, wurde sie gesund. Die Leute machten Miene, sich gegen die Pharisäer zu wenden, aber Jesus gebot ihnen Ruhe und sprach: "Eben habe ich euch gesagt, dass es gesetzlich ist, am Sabbat Gutes zu tun und Leben zu retten, aber ich habe euch nicht aufgefordert, jemandem etwas anzutun und dem Wunsch zu töten nachzugeben." Zornig gingen die Pharisäer weg, und obgleich es ein Sabbattag war, eilten sie unverzüglich nach Tiberias und berieten sich mit Herodes. Sie unternahmen alles in ihrer Macht Stehende, um seinen Argwohn zu wecken und sich der Herodianer als Verbündeter gegen Jesus zu versichern. Herodes jedoch weigerte sich, gegen Jesus vorzugehen und riet ihnen, ihre Klagen in Jerusalem vorzubringen. Dies ist der erste Fall eines Wunders, das Jesus als Antwort auf die Herausforderung seiner Feinde tat. Und der Meister vollbrachte dieses sogenannte Wunder nicht zur Demonstration seiner Macht zu heilen, sondern als wirksamen Protest dagegen, aus der religiösen Sabbatruhe eine wahre Knechtschaft sinnloser Einschränkungen für alle Menschen zu machen. Der Mann aber kehrte zu seiner Arbeit als Steinmetz zurück und erwies sich als einer von jenen, auf deren Heilung ein Leben in Dankbarkeit und Rechtschaffenheit folgte. ***** 148.8 Die letzte Woche in Bethsaida ***** In der letzten Woche des Aufenthaltes in Bethsaida entstand bei den Spionen aus Jerusalem in ihrer Haltung gegenüber Jesus und seinen Lehren eine tiefe Spaltung. Drei dieser Pharisäer waren sehr stark beeindruckt von dem, was sie gesehen und gehört hatten. Unterdessen hatte Abraham, ein junges und einflussreiches Mitglied des Sanhedrin, sich öffentlich für die Lehren Jesu eingesetzt und war von Abner im Teich von Siloa getauft worden. Ganz Jerusalem geriet durch dieses Ereignis in Aufruhr, und Botschafter wurden sofort nach Bethsaida geschickt, um die sechs spionierenden Pharisäer zurückzurufen. Der griechische Philosoph, der auf der vorigen Predigtreise durch Galiläa für das Königreich gewonnen worden war, kehrte mit gewissen reichen Juden von Alexandrien zurück, und sie luden Jesus wiederum ein, in ihre Stadt zu kommen und dort eine gemeinsame Schule für Philosophie und Religion sowie ein Krankenhaus zu gründen. Aber Jesus lehnte die Einladung höflich ab. Etwa zu dieser Zeit langte im Lager von Bethsaida ein ekstatischer Prophet aus Bagdad namens Kirmeth an. Dieser angebliche Prophet hatte seltsame Visionen, wenn er in Trance war, und phantastische Träume, wenn er einen unruhigen Schlaf hatte. Er sorgte für einen beträchtlichen Wirbel im Lager, und Simon Zelotes war dafür, mit dem sich selbst etwas vormachenden Heuchler unzimperlich zu verfahren, aber Jesus trat dazwischen und gewährte ihm einige Tage völliger Handlungsfreiheit. Alle, die ihn predigen hörten, erkannten bald, dass seine Lehre im Lichte des Evangeliums des Königreichs ungesund war. Er kehrte kurze Zeit später nach Bagdad zurück und nahm nur ein halbes Dutzend instabiler und unberechenbarer Seelen mit sich. Aber noch ehe sich Jesus für den Propheten aus Bagdad einschalten konnte, war David Zebedäus, unterstützt von einem selbsternannten Ausschuss, mit Kirmeth auf den See hinausgefahren, hatte ihn mehrmals ins Wasser getaucht und ihm dann dringend geraten, sofort abzureisen und sein eigenes Lager zu organisieren und aufzubauen. Am selben Tag wurde Beth-Marion, eine phönizische Frau, so fanatisch, dass sie überschnappte und bei dem Versuch, auf dem Wasser zu gehen, beinahe ertrunken wäre, worauf ihre Freunde sie wegschickten. Der frischbekehrte Pharisäer Abraham aus Jerusalem übergab der apostolischen Kasse seinen ganzen weltlichen Besitz, und diese Schenkung half sehr, die sofortige Aussendung der einhundert eben erst ausgebildeten Evangelisten zu ermöglichen. Andreas hatte bereits die Schließung des Lagers bekannt gegeben, worauf sich alle anschickten, entweder nach Hause zurückzukehren oder den Evangelisten nach Galiläa zu folgen. ***** 148.9 Die Heilung des Gelähmten ***** Am 1. Oktober, einem Freitagnachmittag, als Jesus mit den Aposteln, Evangelisten und anderen Leitern des in Auflösung begriffenen Lagers sein letztes Treffen abhielt, wobei die sechs Pharisäer aus Jerusalem in der vordersten Reihe dieser Versammlung im weiten, vergrößerten Vorderraum des Hauses des Zebedäus saßen, trug sich eines der seltsamsten und außerordentlichsten Ereignisse im ganzen Erdenleben Jesu zu. Der Meister sprach stehend in diesem großen Raum, der eigens gebaut worden war, um solche Versammlungen während der Regenzeit aufzunehmen. Das Haus war völlig umstellt von einer großen Menschenansammlung, und die Leute lauschten angestrengt, um einiges von Jesu Rede aufzufangen. Während das Haus derartig mit Leuten voll gestopft und ganz von begierigen Zuhörern umringt war, wurde ein seit langem gelähmter Mann auf einer kleinen Liege von seinen Freunden von Kapernaum herabgetragen. Dieser Gelähmte hatte erfahren, dass Jesus im Begriff war, Bethsaida zu verlassen, und nach einem Gespräch mit dem Steinmetzen Aaron, der erst vor kurzem geheilt worden war, beschloss er, sich vor Jesus tragen zu lassen, bei dem er Heilung suchen wollte. Seine Freunde versuchten, sich durch die Vorder- und Hintereingänge Zutritt zum Hause des Zebedäus zu verschaffen, aber zu dicht drängten sich überall die Menschen. Der Gelähmte jedoch gab sich nicht geschlagen. Er wies seine Freunde an, sich Leitern zu verschaffen, auf welchen sie das Dach über dem Raum, in dem Jesus gerade sprach, bestiegen. Dort machten sie die Ziegel los, und verwegen ließen sie den kranken Mann an Stricken auf seiner Liege hinunter, bis der Geplagte unmittelbar auf dem Boden vor dem Meister zu liegen kam. Als Jesus sah, was sie getan hatten, hörte er auf zu sprechen, und alle, die mit ihm im Raum waren, staunten über die Beharrlichkeit des kranken Mannes und seiner Freunde. Der Gelähmte sprach: "Meister, ich würde deine Rede lieber nicht unterbrechen, aber ich bin entschlossen, geheilt zu werden. Ich bin nicht wie jene, die Heilung empfangen und deine Lehre sofort vergessen haben. Ich möchte geheilt werden, um im Königreich des Himmels dienen zu können." Obwohl die Krankheit durch sein eigenes vergeudetes Leben über diesen Mann gekommen war, sagte Jesus zu dem Gelähmten, dessen Glauben er wahrnahm: "Mein Sohn, fürchte dich nicht; deine Sünden sind dir vergeben. Dein Glaube wird dich retten." Als die Pharisäer aus Jerusalem, die mit anderen Schriftgelehrten und Gesetzeskundigen zusammensaßen, Jesus so sprechen hörten, sagten sie zueinander: "Wie wagt dieser Mann, so zu sprechen? Begreift er nicht, dass solche Worte Gotteslästerung sind? Wer außer Gott kann Sünden vergeben?" Jesus nahm in seinem Geiste wahr, dass sie in ihrem Inneren und untereinander solche Überlegungen anstellten, und so wandte er sich mit folgenden Worten an sie: "Warum denkt ihr solches in euren Herzen? Wer seid ihr, um über mich zu Gericht zu sitzen? Was macht es für einen Unterschied, ob ich zu diesem Gelähmten sage `deine Sünden sind dir vergeben' oder `steh auf, nimm dein Bett und geh'? Aber damit ihr, die ihr Zeuge all dessen seid, endlich wisst, dass der Menschensohn auf Erden die Autorität und Macht besitzt, Sünden zu vergeben, will ich zu diesem geplagten Mann sagen: Steh auf, nimm dein Bett, und geh nach Hause." Und nachdem Jesus diese Worte gesprochen hatte, erhob sich der Gelähmte, man gab ihm den Weg frei, und er schritt vor ihrer aller Augen hinaus. Und alle staunten über die Dinge, die sie sahen. Petrus entließ die Versammlung, während viele beteten und Gott verherrlichten und gestanden, nie zuvor solch seltsame Ereignisse gesehen zu haben. Ungefähr zur selben Zeit langten die Boten des Sanhedrins an, um die sechs Spione zur Rückkehr nach Jerusalem aufzufordern. Als diese die Botschaft vernahmen, hub unter ihnen eine ernste Debatte an. Nach Beendigung ihrer Diskussionen kehrte der Leiter mit zwei seiner Gefährten und den Boten nach Jerusalem zurück, während drei der spionierenden Pharisäer ihren Glauben an Jesus bekannten. Sie begaben sich unverzüglich zum See, wurden von Petrus getauft und von den Aposteln in die Gemeinschaft der Kinder des Königreichs aufgenommen. ****** Kapitel 149 Die Zweite Predigtrundreise ****** DIE zweite öffentliche Predigtrundreise durch Galiläa begann am Sonntag, dem 30. Dezember. An dieser Arbeit beteiligten sich Jesus und seine zwölf Apostel, unterstützt von dem frisch aufgestellten Korps der 117 Evangelisten sowie zahlreichen anderen Interessierten. Sie besuchten auf dieser Reise Gadara, Ptolemais, Japhia, Dabaritta, Megiddo, Jesreel, Skythopolis, Tarichäa, Hippos, Gamala, Bethsaida-Julias und viele weitere Städte und Dörfer. Vor dem Aufbruch an diesem Sonntagmorgen baten Andreas und Petrus Jesus, den neuen Evangelisten eine abschließende Weisung zu geben, aber der Meister lehnte es mit den Worten ab, dass es nicht seine Aufgabe sei, Dinge zu tun, die auch andere zufrieden stellend verrichten könnten. Nach gründlicher Beratung wurde beschlossen, dass Jakobus Zebedäus diese Weisung erteilen sollte. Am Ende der Ausführungen von Jakobus sagte Jesus zu den Evangelisten: "Macht euch nun an die Arbeit, wie euch aufgetragen, und später, wenn ihr euch als kompetent und zuverlässig erwiesen habt, werde ich euch zu Predigern des Evangeliums des Königreichs weihen." Auf dieser Reise begleiteten Jesus nur Jakobus und Johannes. Petrus und die anderen Apostel nahmen jeder ungefähr ein Dutzend Evangelisten mit sich und blieben mit ihnen in engem Kontakt, während sie mit ihrer Predigt- und Lehrtätigkeit fortfuhren. Sobald Gläubige bereit waren, in das Königreich einzutreten, gaben die Apostel ihnen die Taufe. Jesus und seine zwei Gefährten waren während dieser drei Monate sehr viel unterwegs, oftmals besuchten sie an einem einzigen Tag zwei Städte, um die Arbeit der Evangelisten zu beobachten und sie bei ihren Bemühungen um die Errichtung des Königreichs zu ermutigen. Diese ganze zweite Predigtrundreise war vor allem das Bemühen, dem Korps der 117 frisch geschulten Evangelisten praktische Erfahrung zu verschaffen. Während dieser Zeit und danach bis zu dem Tag, als Jesus und die Zwölf zu ihrer letzten Reise nach Jerusalem aufbrachen, unterhielt David Zebedäus in seines Vaters Haus in Bethsaida ein ständiges Hauptquartier für die Arbeit am Königreich. Hier befand sich die Zentrale für die Arbeit Jesu auf Erden und die Relaisstation für den Botendienst, den David zwischen den in verschiedenen Teilen Palästinas und in benachbarten Gebieten wirkenden Arbeitern aufrechterhielt. Er tat all das aus eigener Initiative, aber mit Andreas' Billigung. David beschäftigte zwischen vierzig und fünfzig Boten in dieser Nachrichtenabteilung der schnell wachsenden und sich ausbreitenden Arbeit für das Königreich. Neben dieser Aufgabe sorgte er teilweise für seinen Unterhalt, indem er von Zeit zu Zeit seiner alten Fischertätigkeit nachging. ***** 149.1 Jesu in die Ferne dringender Ruf ***** Bis zu der Zeit, als das Lager in Bethsaida abgebrochen wurde, hatte sich Jesu Ruf, insbesondere als Heiler, in allen Teilen Palästinas, in ganz Syrien und den umliegenden Ländern verbreitet. Noch Wochen nach ihrem Weggang von Bethsaida kamen immer wieder Kranke an. Und wenn sie den Meister nicht fanden und von David erfuhren, wo er sich aufhielt, machten sie sich auf die Suche nach ihm. Während dieser Rundreise vollbrachte Jesus keine absichtlichen sogenannten Wunderheilungen. Dennoch erfuhren Dutzende von Leidenden die Wiederherstellung ihrer Gesundheit und ihres Frohsinns dank der wiederaufbauenden Kraft des intensiven Glaubens, der sie antrieb, Heilung zu suchen. Zur Zeit dieser Mission begannen eine ganze Reihe besonderer und unerklärlicher Heilungsphänomene aufzutreten, die während des restlichen irdischen Daseins Jesu anhielten. Im Laufe dieser dreimonatigen Rundreise kamen über einhundert Männer, Frauen und Kinder aus Judäa, Idumäa, Galiläa, Syrien, Tyrus, Sidon und von jenseits des Jordans in den Genuss dieser unbewussten Heilung durch Jesus. Nach Hause zurückgekehrt, trugen sie zu seinem wachsenden Ruf bei. Sie taten dies, obwohl Jesus jedes Mal, wenn er eine dieser Spontanheilungen beobachtete, sofort dem Betroffenen einschärfte, "niemandem etwas davon zu erzählen". Es ist uns nie enthüllt worden, was in diesen Fällen spontaner oder unbewusster Heilung genau geschah. Der Meister erklärte seinen Aposteln nie, wie diese Heilungen vor sich gingen, außer dass er bei mehreren Gelegenheiten nur bemerkte: "Ich nehme wahr, dass eine Kraft von mir ausgegangen ist." Als einmal ein krankes Kind ihn berührte, bemerkte er: "Ich stelle fest, dass Leben von mir ausgegangen ist." Da es vom Meister zu der Natur dieser Fälle spontaner Heilung keine direkte Äußerung gibt, wäre es anmaßend von uns, eine Erklärung für ihr Zustandekommen zu versuchen; wohl aber wird erlaubt sein, unsere Meinung zu all solchen Heilungsphänomenen zu äußern. Wir glauben, dass viele der scheinbaren Wunderheilungen, die sich im Laufe des irdischen Wirkens Jesu ereigneten, das Resultat der folgenden drei mächtigen, schöpferischen und miteinander verknüpften Einwirkungen waren: 1. Das Vorhandensein eines starken, beherrschenden und lebendigen Glaubens im Herzen des menschlichen Wesens, das beharrlich nach Heilung begehrte, zusammen mit der Tatsache, dass eine solche Heilung mehr um ihres geistigen Gewinns als um der rein physischen Wiederherstellung willen ersehnt wurde. 2. Die sich einem solchen menschlichen Glauben zugesellende Existenz großer Anteilnahme und großen Mitgefühls des inkarnierten und erbarmungsvollen Schöpfersohnes Gottes, der tatsächlich in seiner Person fast unbeschränkte und zeitlose schöpferische Heilkräfte und Privilegien besaß. 3. Zusätzlich zum Glauben des Geschöpfs und zum Leben des Schöpfers sollte auch erwähnt werden, dass dieser Gottmensch der personifizierte Ausdruck des Willens des Vaters war. Wenn bei der Begegnung des menschlichen Bedürfnisses und der göttlichen Macht, ihm zu entsprechen, der Vater keinen anderen Willen hatte, wurden die beiden eins, und die Heilung geschah, ohne dass der menschliche Jesus sich ihrer bewusst war; seine göttliche Natur aber nahm sie unverzüglich wahr. Die Erklärung für viele solcher Fälle von Heilung muss also in einem großen Gesetz gefunden werden, das wir seit langem kennen, nämlich diesem: Was der Schöpfersohn wünscht und der ewige Vater will, IST. Daher sind wir der Meinung, dass in der persönlichen Gegenwart Jesu gewisse Formen tiefen menschlichen Glaubens den Heilungsvorgang durch gewisse schöpferische Kräfte und Persönlichkeiten des Universums, die damals in enger Beziehung mit dem Menschensohn standen, buchstäblich und wirklich erzwangen. Es ist deshalb eine verbürgte Tatsache, dass Jesus es den Menschen oft erlaubte, sich in seiner Gegenwart durch ihren mächtigen persönlichen Glauben selber zu heilen. Viele andere suchten Heilung aus ganz und gar egoistischen Beweggründen. Eine reiche Witwe aus Tyrus mitsamt ihrem Gefolge kam, um von ihren vielerlei Gebrechen geheilt zu werden. Und während sie Jesus durch ganz Galiläa nachreiste, bot sie immer mehr Geld an, als ob die Macht Gottes etwas wäre, was der Meistbietende kaufen könnte. Aber sie interessierte sich nie für das Evangelium des Königreichs; sie suchte einzig und allein Befreiung von ihren physischen Krankheiten. ***** 149.2 Die Haltung der Leute ***** Jesus verstand die Mentalität der Menschen. Er kannte das Menschenherz, und wären seine Lehren so belassen worden, wie er sie vortrug, mit einer inspirierten Interpretation seines Erdendaseins als einzigem Kommentar, dann hätten alle Nationen und alle Religionen der Welt das Evangelium des Königreichs rasch angenommen. Die gut gemeinten Bemühungen der frühen Nachfolger Jesu, seine Lehren neu zu formulieren, um sie für gewisse Nationen, Rassen und Religionen annehmbarer zu machen, hatten nur zur Folge, dass dieselben Lehren für alle anderen Nationen, Rassen und Religionen weniger akzeptabel wurden. Der Apostel Paulus schrieb viele Lehr- und Mahnbriefe im Bemühen, den Lehren Jesu bei gewissen Gruppen seiner Zeit eine günstige Aufnahme zu sichern. Andere Lehrer des Evangeliums Jesu taten dasselbe, aber keinem von ihnen wäre es eingefallen, dass einige dieser Schriften später von anderen zusammengestellt und als Verkörperung der Lehren Jesu bekannt gemacht würden. Und so enthält das sogenannte Christentum zwar mehr vom Evangelium des Meisters als irgendeine andere Religion, aber es enthält auch vieles, was Jesus nicht lehrte. Außer der Einverleibung von vielen Lehren der persischen Mysterien und der griechischen Philosophie in das frühe Christentum wurden zwei große Fehler begangen: 1. Das Bemühen, die Lehren des Evangeliums direkt mit der jüdischen Theologie zu verbinden, wie es in den christlichen Lehren vom Sühneopfer zum Ausdruck kommt - der Lehre, Jesus sei der geopferte Sohn, der dem strengen Gericht seines Vaters Genüge tue und den göttlichen Zorn besänftige. Diese Lehren entsprangen dem lobenswerten Bemühen, ungläubigen Juden das Evangelium vom Himmelreich annehmbarer zu machen. Nicht nur vermochten diese Bestrebungen die Juden nicht zu gewinnen, sondern sie verfehlten auch nicht, in allen folgenden Generationen viele aufrichtige Seelen zu verwirren und abzustoßen. 2. Der zweite grobe Fehler der frühen Anhänger des Meisters, den alle nachfolgenden Generationen beharrlich fortgesetzt haben, war, die christliche Lehre ausschließlich auf die Person Jesu auszurichten. Diese Überbetonung der Persönlichkeit Jesu in der Theologie des Christentums hat bewirkt, dass seine Lehren undeutlich wurden, und all das hat es Juden, Mohammedanern, Hindus und anderen Vertretern östlicher Religionen immer schwieriger gemacht, die Lehren Jesu anzunehmen. Wir möchten den Stellenwert der Person Jesu in einer Religion, die wohl seinen Namen tragen mag, nicht schmälern, aber wir möchten einer solchen Hochachtung nicht erlauben, sein inspiriertes Leben zu verdunkeln oder seine rettende Botschaft zu verdrängen: die Vaterschaft Gottes und die Bruderschaft der Menschen. Die Lehrer der Religion Jesu sollten sich anderen Religionen unter Anerkennung der gemeinsamen Wahrheiten annähern (wovon viele direkt oder indirekt aus Jesu Botschaft stammen) und davon absehen, so sehr die Unterschiede zu betonen. Zwar beruhte die Berühmtheit Jesu zu jenem Zeitpunkt hauptsächlich auf seinem Ruf als Heiler; daraus folgt aber nicht, dass es immer so bleiben sollte. Mit der Zeit wurde er immer häufiger um geistiger Hilfe willen aufgesucht. Es waren aber die physischen Heilungen, die auf die einfachen Leute die unmittelbarste Anziehungskraft ausübten. Immer mehr Opfer moralischer Versklavung und seelischer Bedrängnis wandten sich an Jesus, und er lehrte sie immer den Weg der Erlösung. Väter suchten seinen Rat für den Umgang mit ihren Söhnen, und Mütter baten ihn um Hilfe bei der Anleitung ihrer Töchter. Die in der Dunkelheit saßen, kamen zu ihm, und er offenbarte ihnen das Licht des Lebens. Er hatte stets ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen, und immer half er denen, die seinen Beistand suchten. Als der Schöpfer selber in Gestalt eines Sterblichen inkarniert auf Erden weilte, war es unvermeidlich, dass sich einige außerordentliche Dinge ereigneten. Aber ihr solltet euch Jesus nie über diese sogenannten übernatürlichen Begebenheiten annähern. Lernt, euch dem Wunder durch Jesus anzunähern, aber begeht nicht den Fehler, euch Jesus durch das Wunder anzunähern. Diese Mahnung ist berechtigt, obwohl Jesus von Nazareth der einzige Religionsgründer ist, der auf Erden übermaterielle Taten vollbrachte. Der erstaunlichste und revolutionärste Aspekt der irdischen Sendung Michaels war seine Haltung gegenüber den Frauen. In einer Zeit und Generation, da es sich für einen Mann nicht einmal schickte, in der Öffentlichkeit seine eigene Frau zu grüßen, hatte Jesus die Kühnheit, Frauen als Verkünderinnen des Evangeliums auf seine dritte Rundreise durch Galiläa mitzunehmen. Und er besaß den äußersten Mut, dies angesichts der rabbinischen Lehre zu tun, die erklärte, "dass die Worte des Gesetzes eher verbrannt als Frauen anvertraut werden sollten". Im Laufe von nur einer Generation entriss Jesus die Frauen der respektlosen Nichtbeachtung, der Versklavung und Schinderei ganzer Zeitalter. Und es bleibt eine beschämende Tatsache, dass die Religion, die sich anmaßend nach Jesus benannte, nicht den sittlichen Mut aufbrachte, in ihrer späteren Haltung gegenüber den Frauen seinem edlen Beispiel zu folgen. Die Menschen, unter die sich Jesus mischte, fanden ihn völlig frei vom Aberglauben jener Tage. Er war frei von religiösen Vorurteilen; er war nie intolerant. In seinem Herzen fand sich nichts, was sozialem Antagonismus geglichen hätte. Während er das Gute aus der Religion seiner Väter befolgte, zögerte er nicht, sich über von Menschen geschaffene Traditionen des Aberglaubens und der Knechtung hinwegzusetzen. Er wagte zu lehren, dass Naturkatastrophen, Unglücksfälle der Zeit und andere verheerende Ereignisse keine Heimsuchungen durch Gottesurteile, noch mysteriöses Walten der Vorsehung sind. Er prangerte die sklavische Befolgung sinnloser Zeremonien an und machte klar, wie trügerisch alle materialistische Anbetung ist. Unerschrocken verkündete er die geistige Freiheit des Menschen und wagte zu lehren, dass die Sterblichen tatsächlich und wahrlich Söhne des lebendigen Gottes sind. Jesus ließ die Lehren seiner Vorväter weit hinter sich, als er kühn anstelle sauberer Hände reine Herzen als Zeichen wahrer Religion forderte. Er ersetzte die Tradition durch die Realität und fegte alle anmaßende Eitelkeit und Heuchelei hinweg. Und doch ließ sich dieser furchtlose Mann Gottes nie zu destruktiver Kritik hinreißen, noch ignorierte er völlig die damaligen religiösen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Gepflogenheiten. Er war kein militanter Revolutionär; er war ein progressiver Evolutionist. Er zerstörte etwas, was war, nur, wenn er seinen Mitmenschen gleichzeitig etwas Höheres, das sein sollte, anbot. Jesus erhielt den Gehorsam seiner Anhänger, ohne ihn zu fordern. Nur drei Männer, an die sein persönlicher Ruf erging, lehnten die Einladung, seine Jünger zu werden, ab. Er übte auf die Menschen eine besondere Anziehungskraft aus, ohne aber diktatorisch zu sein. Er flößte Vertrauen ein, und nie verübelte es ihm jemand, wenn er einen Befehl gab. Er übte absolute Autorität über seine Jünger aus, aber nie wandte jemand etwas dagegen ein. Er erlaubte seinen Anhängern, ihn Meister zu nennen. Der Meister wurde von allen bewundert, die ihm begegneten, mit Ausnahme derer, die tiefsitzende religiöse Vorurteile hegten oder vermeinten, in seinen Lehren politische Gefahren zu erkennen. Die Menschen staunten über die Originalität und Autorität seiner Unterweisung. Sie bewunderten seine Geduld im Umgang mit schwerfälligen oder lästigen Fragestellern. Er entfachte Hoffnung und Vertrauen in den Herzen all derer, die seine Zuwendung erfuhren. Es fürchteten ihn nur, die ihm nie begegnet waren, und es hassten ihn nur, die in ihm den Verfechter einer Wahrheit erblickten, die bestimmt war, gerade jene Übel und Irrtümer zu besiegen, die sie in ihrem Herzen um jeden Preis aufrechtzuerhalten entschlossen waren. Auf Freunde und Feinde übte er einen starken und besonders faszinierenden Einfluss aus. Menschenmengen folgten ihm wochenlang, nur um seinen freundlichen Worten zu lauschen und sein einfaches Leben zu sehen. Ergebene Männer und Frauen liebten Jesus mit einer nahezu übermenschlichen Zuneigung. Und je besser sie ihn kannten, umso mehr liebten sie ihn. Und all das gilt immer noch; auch heute und in allen zukünftigen Zeitaltern werden die Menschen, je besser sie diesen Gottmenschen kennen, ihn nur umso mehr lieben und ihm nachfolgen. ***** 149.3 Die Feindschaft der religiösen Führer ***** Ungeachtet der günstigen Aufnahme von Jesus und seinen Lehren durch das einfache Volk wuchsen Beunruhigung und Feindschaft unter den religiösen Führern in Jerusalem. Die Pharisäer hatten eine systematische und dogmatische Theologie formuliert. Jesus war ein Lehrer, der bei passender Gelegenheit lehrte; er war kein systematischer Lehrer. Jesus lehrte weniger vom Gesetz als vom Leben her, durch Gleichnisse. (Und wenn er zur Veranschaulichung seiner Botschaft ein Gleichnis heranzog, dann benutzte er absichtlich nur einen Aspekt der Geschichte zu diesem Zweck. Aus dem Versuch, aus seinen Parabeln Allegorien zu machen, können viele irrige Vorstellungen über Jesu Lehren hervorgehen.) Die religiösen Führer in Jerusalem gerieten nahezu außer sich, als sich unlängst der junge Abraham bekehrte und die drei Spione desertierten, die von Petrus getauft wurden und nun mit den Evangelisten auf der zweiten Rundreise durch Galiläa unterwegs waren. Furcht und Vorurteile machten die jüdischen Führer immer blinder, und die andauernde Zurückweisung der ansprechenden Wahrheiten des Evangeliums vom Königreich verhärtete ihre Herzen. Wenn die Menschen sich dem Appell des ihnen innewohnenden Geistes verschließen, vermag kaum etwas eine Änderung ihrer Haltung zu bewirken. Bei seiner ersten Begegnung mit den Evangelisten im Lager von Bethsaida sagte Jesus am Schluss seiner Ansprache: "Vergesst nie, dass die Menschen in ihrem Körper und Gemüt emotional individuell reagieren. Das einzig Uniforme bei den Menschen ist der ihnen innewohnende Geist. Auch wenn die göttlichen Geiste hinsichtlich Natur und Ausmaß ihrer Erfahrung einigermaßen verschieden sein können, reagieren sie doch einheitlich auf alle geistigen Appelle. Einzig durch diesen Geist und seine Anrufung kann die Menschheit zu Einheit und Brüderlichkeit gelangen." Aber viele jüdische Führer hatten die Türen ihrer Herzen vor dem geistigen Appell des Evangeliums verschlossen. Von diesem Tag an schmiedeten sie ohne Unterlass Pläne und Komplotte zur Vernichtung des Meisters. Sie waren überzeugt, dass Jesus verhaftet, verurteilt und als religiöser Missetäter und Verletzer der Hauptlehren des heiligen jüdischen Gesetzes hingerichtet werden müsse. ***** 149.4 Fortgang der Predigtrundreise ***** Jesus arbeitete während dieser Predigtreise wenig in der Öffentlichkeit, aber in den meisten Städten und Dörfern, wo er sich gerade mit Jakobus und Johannes aufhielt, unterrichtete er am Abend oft die Gläubigen. An einer dieser abendlichen Zusammenkünfte stellte ihm einer der jüngeren Evangelisten eine Frage über den Zorn, und der Meister gab ihm unter anderem zur Antwort: "Zorn ist eine materielle Äußerung, die ganz allgemein ein Gradmesser für das Unvermögen der geistigen Natur ist, die Kontrolle über die miteinander verbundenen intellektuellen und physischen Naturen zu erringen. Zorn lässt euren Mangel an toleranter brüderlicher Liebe erkennen, sowie euren Mangel an Selbstachtung und Selbstbeherrschung. Zorn untergräbt die Gesundheit, entwürdigt den Intellekt und behindert den geistigen Lehrmeister der menschlichen Seele. Habt ihr denn nicht in den Schriften gelesen, dass `der Zorn den Törichten umbringt' und dass `der Mensch in der Wut sich selber zerreißt'? Dass `wer sich nicht leicht zum Zorn hinreißen lässt, sehr verständig ist', aber `wer ein hitziges Gemüt hat, die Unvernunft preist? Ihr wisst alle, dass `eine sanfte Antwort die Wut abwendet' und `schlimme Worte den Zorn anfachen'. `Die Besonnenheit schiebt den Zorn hinaus', aber `wer keine Selbstbeherrschung besitzt, ist wie eine wehrlose Stadt ohne Mauern.' `Zorn ist grausam und Wut abscheulich.' `Zornige beschwören Streit herauf, und Wutentbrannte begehen Missetat über Missetat.' `Seid nicht hitzigen Gemütes, denn der Zorn sitzt im Herzen der Narren.' " Und zum Schluss bemerkte Jesus noch: "Lasst die Liebe so sehr euer Herz beherrschen, dass euer geistiger Führer euch ohne große Mühe von dem Hang befreien kann, solchen Ausbrüchen tierischer Wut nachzugeben, die mit dem Status göttlicher Sohnschaft unvereinbar sind." Bei dieser Gelegenheit sprach der Meister zu der Gruppe davon, dass es wünschenswert ist, einen gut ausgewogenen Charakter zu besitzen. Er anerkannte die Notwendigkeit für die meisten Menschen, sich der Meisterung irgendeines Berufes zu widmen, aber er beklagte alles, was zu Überspezialisierung, Engstirnigkeit und Einschränkung in den Lebensaktivitäten führt. Er machte auf die Tatsache aufmerksam, dass jede Tugend, wenn man in ihr zu weit geht, zu einem Laster werden kann. Jesus predigte stets Mäßigung und lehrte Konsequenz - angemessene Anpassung an die Lebensprobleme. Er wies darauf hin, dass ein Übermaß an Mitgefühl und Erbarmen in schwere emotionale Instabilität ausarten und dass Enthusiasmus in Fanatismus umschlagen kann. Er kam auf einen ihrer früheren Gefährten zu sprechen, dessen Einbildungskraft ihn zu visionären und unklugen Unternehmungen verleitet hatte. Gleichzeitig warnte er sie vor den Gefahren langweiliger, überkonservativer Mittelmäßigkeit. Danach sprach Jesus über die Gefahren von Mut und Glauben und wie diese mitunter gedankenlose Seelen zu Verwegenheit und Anmaßung bringen können. Ebenso zeigte er, wie Vorsicht und Zurückhaltung, wenn sie übertrieben werden, zu Feigheit und Versagen führen. Er forderte seine Zuhörer auf, sich um Originalität zu bemühen, aber allen Neigungen zu Überspanntheit aus dem Wege zu gehen. Er trat ein für Mitgefühl ohne Sentimentalität und Frömmigkeit ohne Frömmelei. Er lehrte von Angst und Aberglauben freie Ehrfurcht. Es war weniger das, was Jesus über einen ausgewogenen Charakter sagte, was seine Gefährten beeindruckte, als die Tatsache, dass sein eigenes Leben eine so beredte Veranschaulichung seiner Lehre war. Er lebte unter Druck und mitten im Sturm, aber er wankte nie. Seine Feinde stellten ihm ständig Fallen, aber sie fingen ihn nie. Die Weisen und Gelehrten bemühten sich, ihn zu Fall zu bringen, aber er stolperte nie. Sie versuchten, ihn in Diskussionen zu verstricken, aber seine Antworten waren immer einleuchtend, voller Würde und endgültig. Wenn er in seiner Rede durch mannigfaltige Fragen unterbrochen wurde, waren seine Antworten stets bedeutungsvoll und überzeugend. Nie griff er zu üblen Taktiken angesichts des ständigen Drucks seiner Feinde, die nicht zögerten, sich gegen ihn jederlei hinterhältiger, unfairer und ungerechter Angriffsmethoden zu bedienen. Es ist wahr, dass viele Männer und Frauen beharrlich einer bestimmten Tätigkeit nachgehen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen; dennoch ist es höchst wünschenswert, dass die menschlichen Wesen mit einem weiten Feld des kulturellen Lebens, wie es auf Erden gelebt wird, vertraut werden. Wahrhaft gebildete Personen finden es unbefriedigend, nichts über das Leben und die Tätigkeiten ihrer Mitbürger zu wissen. ***** 149.5 Lektion über die Zufriedenheit ***** Als Jesus die unter Aufsicht von Simon Zelotes arbeitende Evangelistengruppe besuchte, fragte Simon während der abendlichen Zusammenkunft den Meister: "Warum sind gewisse Leute so viel glücklicher und zufriedener als andere? Ist Zufriedenheit eine Sache religiöser Erfahrung?" Unter anderem antwortete Jesus auf Simons Frage: Simon, einige Menschen sind von Natur aus glücklicher als andere. Aber viel, sehr viel hängt vom Willen des Menschen ab, sich durch den Geist des Vaters, der in ihm wohnt, führen und leiten zu lassen. Hast du in den Schriften nicht die Worte des Weisen gelesen: `Der Geist des Menschen ist die Kerze des Herrn, die das ganze Innere ausleuchtet?' Und auch, was vom Geist geleitete Sterbliche sagen: `Das Schicksal hat mich begünstigt; mir ist ein schön Erbteil geworden.' `Das Wenige, was ein Rechtschaffener besitzt, ist besser als der Reichtum vieler Gottloser', denn `einem gutem Menschen erwächst Zufriedenheit aus seinem Innern'. `Ein fröhliches Herz bewirkt eine heitere Gemütsverfassung und ist ein fortwährendes Fest. Besser ist ein kleiner Besitz mit Ehrfurcht vor dem Herrn als ein großer Schatz mit Unannehmlichkeiten; besser ist ein Kohlgericht in Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass. Besser ist ein Weniges in Rechtschaffenheit als große Einkünfte ohne Redlichkeit.' `Ein fröhliches Herz tut gut wie eine Medizin.' `Besser ist eine Handvoll in Gemütsruhe, als Überfluss mit Sorgen und einem geplagten Geist.' Viel menschliches Leid entspringt enttäuschtem Ehrgeiz und verletztem Stolz. Obwohl die Menschen es sich selber schuldig sind, das Beste aus ihrem Leben auf Erden zu machen, sollten sie, nachdem sie sich ehrlich angestrengt haben, ihr Los fröhlich annehmen und sich mit Einfallsreichtum darum bemühen, das Bestmögliche aus dem herauszuholen, was ihnen zugefallen ist. Viel zu viele Schwierigkeiten des Menschen entstehen aus der Furcht am Grunde seines eigenen natürlichen Herzens. `Die Gottlosen fliehen, obwohl niemand sie verfolgt.' `Die Gottlosen sind wie die aufgewühlte See; sie kommt nicht zur Ruhe, sondern ihre Wasser spülen Schlamm und Schmutz herauf; es gibt keinen Frieden für die Gottlosen, spricht Gott.' "Sucht also nicht nach falschem Frieden und vergänglichen Freuden, sondern eher nach Glaubensgewissheit und nach den Sicherheiten der Gottessohnschaft, die Gelassenheit, Zufriedenheit und höchste Freude im Geist gewähren." Jesus betrachtete diese Welt kaum als "Jammertal". Er sah sie vielmehr als Geburtsstätte der ewigen und unsterblichen Seelen, die zum Paradies aufsteigen, als ein "Tal der werdenden Seelen". ***** 149.6 Die "Furcht vor dem Herrn" ***** Bei einer abendlichen Zusammenkunft in Gamala sagte Philipp zu Jesus: "Meister, wieso leiten uns die Schriften an, `den Herrn zu fürchten', während du möchtest, dass wir furchtlos zum Vater im Himmel aufschauen? Wie können wir diese Lehren in Einklang bringen?" Jesus antwortete Philipp: "Meine Kinder, es überrascht mich nicht, dass ihr solche Fragen stellt. Am Anfang konnte der Mensch Ehrfurcht nur durch Furcht lernen; aber ich bin gekommen, um des Vaters Liebe zu offenbaren, damit ihr euch unter dem Einfluss der liebenden Erkenntnis eines Sohnes und der ihr antwortenden tiefen und vollkommenen Liebe des Vaters zur Anbetung des Ewigen hingezogen fühlt. Ich möchte euch von der Hörigkeit befreien, die euch aus sklavischer Angst in den verdrießlichen Dienst an einem eifersüchtigen und zornigen Gottkönig treibt. Ich möchte euch in der zwischen Gott und Mensch bestehenden Vater-Sohn-Beziehung unterweisen, damit ihr in Fröhlichkeit zur geläuterten und himmlischen, freien Anbetung eines liebenden, gerechten und barmherzigen Vater-Gottes geführt werdet. Die `Furcht vor dem Herrn' hat in den aufeinander folgenden Zeitaltern verschiedene Bedeutungen gehabt, angefangen von Furcht - über Seelenqual und Schrecken - bis zu heiliger Scheu und Ehrfurcht. Und von der Ehrfurcht möchte ich euch nun - durch Erkenntnis, Innewerden und Würdigung - zur Liebe führen. Wenn der Mensch nur die Werke Gottes betrachtet, erwacht in ihm die Furcht vor dem Allerhöchsten; aber wenn er beginnt, die Persönlichkeit und den Charakter des lebendigen Gottes zu verstehen und zu erfahren, wird er immer mehr dazu geführt, einen so guten und vollkommenen, universalen und ewigen Vater zu lieben. Und gerade diese Veränderung der menschlichen Beziehung zu Gott ist die Aufgabe des Menschensohns auf Erden. Intelligente Kinder fürchten ihren Vater nicht, um aus seinen Händen Geschenke zu erhalten; aber weil sie schon in reichem Maße gute, von der Liebe des Vaters zu seinen Söhnen und Töchtern diktierte Dinge empfangen haben, erwacht in diesen viel geliebten Kindern die Liebe zu ihrem Vater in dankbar würdigender Beantwortung solch großzügiger Wohltaten. Die Güte Gottes führt zur Reue; die Wohltätigkeit Gottes führt zum Dienen; die Barmherzigkeit Gottes führt zur Rettung; aber die Liebe Gottes führt zu intelligenter und freimütiger Anbetung. Eure Vorfahren fürchteten Gott, weil er mächtig und geheimnisvoll war. Ihr sollt ihn anbeten, weil er überaus groß ist in seiner Liebe, freigebig in seiner Barmherzigkeit und glorreich in seiner Wahrheit. Die Macht Gottes löst im Menschenherzen Furcht aus, aber die Würde und Gerechtigkeit seiner Persönlichkeit erzeugt Ehrerbietung, Liebe und willige Anbetung. Ein pflichtbewusster und liebevoller Sohn empfindet selbst einem mächtigen und edelmütigen Vater gegenüber weder Scheu noch Furcht. Ich bin in diese Welt gekommen, um Furcht durch Liebe zu ersetzen, Leid durch Freude, Angst durch Vertrauen, sklavische Hörigkeit und bedeutungsleere Zeremonien durch Dienen in Liebe, durch dankbare Anbetung. Indessen gilt immer noch für diejenigen, die sich in der Dunkelheit befinden, dass `die Furcht vor dem Herrn der Beginn der Weisheit ist'. Aber wenn das Licht stärker scheint, werden die Kinder Gottes dahin gebracht, den Unendlichen mehr um dessentwillen zu preisen, was er ist, als ihn um dessentwillen zu fürchten, was er tut. Wenn die Kinder klein und gedankenlos sind, müssen sie wohl oder übel ermahnt werden, ihre Eltern zu ehren; aber wenn sie älter werden und die Wohltaten der Fürsorge und des Schutzes der Eltern besser würdigen, werden sie durch verständigen Respekt und wachsende Zuneigung auf jene Erfahrungsebene geführt, wo sie ihre Eltern tatsächlich mehr um dessentwillen lieben, was sie sind, als um dessentwillen, was sie getan haben. Ein Vater liebt sein Kind ganz natürlich, aber ein Kind muss die Liebe zum Vater aus der Furcht vor dem, was der Vater tun kann, über Scheu, Angst, Abhängigkeit und Ehrerbietung bis zur dankbaren und liebevollen Hochachtung entwickeln. Man hat euch gelehrt, ihr sollt `Gott fürchten und seine Gebote halten, denn das ist die ganze Pflicht des Menschen'. Aber ich bin gekommen, um euch ein neues und höheres Gebot zu geben. Ich möchte euch lehren, `Gott zu lieben und zu lernen, seinen Willen zu tun, denn das ist das höchste Vorrecht der befreiten Söhne Gottes'. Eure Väter wurden gelehrt, `Fürchtet Gott, den allmächtigen König'. Ich lehre euch: `Liebet Gott, den allerbarmenden Vater'. Im Königreich des Himmels, das ich zu verkündigen gekommen bin, gibt es keinen hohen und mächtigen König; dieses Reich ist eine göttliche Familie. Das universal anerkannte und vorbehaltlos angebetete Zentrum und Haupt dieser weit verstreuten Bruderschaft intelligenter Wesen ist mein Vater und euer Vater. Ich bin sein Sohn, und ihr seid ebenfalls seine Söhne. Deshalb ist es ewig wahr, dass wir, ihr und ich, im himmlischen Reich Brüder sind, und dies umso mehr, als wir hier im irdischen Leben Brüder im Fleisch geworden sind. Hört also auf, Gott wie einen König zu fürchten oder ihm wie einem Meister zu dienen; lernt, ihn als den Schöpfer zu verehren; ehrt ihn als den Vater eurer geistigen Jugend; liebt ihn als barmherzigen Beschützer; und betet ihn schließlich als den liebenden und allweisen Vater eurer reiferen geistigen Erkenntnis und Würdigung an. Euren irrigen Vorstellungen vom Vater im Himmel entwachsen eure falschen Ideen von Demut und entspringt ein guter Teil eurer Heuchelei. Der Mensch ist vielleicht von Natur aus und vom Ursprung her ein Wurm aus Staub, aber wenn meines Vaters Geist in ihm Wohnung nimmt, wird dieser Mensch göttlich in seiner Bestimmung. Der von meinem Vater geschenkte Geist wird mit Sicherheit zur göttlichen Quelle und Ursprungsebene des Universums zurückkehren, und die menschliche Seele des Sterblichen wird, nachdem sie das wiedergeborene Kind dieses innewohnenden göttlichen Geistes geworden ist, ebenso gewiss mit ihm bis in die Gegenwart des ewigen Vaters emporsteigen. Allerdings ziemt Demut dem Sterblichen, der all diese Gaben vom Vater im Himmel empfängt, wenngleich allen aus dem Glauben lebenden Anwärtern auf den ewigen Aufstieg zum himmlischen Königreich eine göttliche Würde anhaftet. Die bedeutungsleeren und niedrigen Praktiken einer zur Schau gestellten und falschen Demut sind unvereinbar mit der Würdigung der Quelle eures Heils und mit dem Wissen um die Bestimmung eurer geistgeborenen Seelen. Demut vor Gott ist in der Tiefe eurer Herzen durchaus angemessen; Sanftmut gegenüber den Menschen ist empfehlenswert; aber die Heuchelei einer selbstbewussten und Beachtung heischenden Demut ist kindisch und der erleuchteten Söhne des Königreichs unwürdig. Ihr tut gut daran, bescheiden vor Gott und beherrscht im Umgang mit den Menschen zu sein, aber seht zu, dass eure Sanftmut einen geistigen Ursprung hat und keine selbstbetrügerische Zurschaustellung eines selbstbewussten Gefühls selbstgerechter Überlegenheit ist. Der Prophet sprach mit Bedacht, als er sagte: `Geht demütig mit Gott', denn obwohl der Vater im Himmel der Unendliche und der Ewige ist, `wohnt er auch bei dem, der einen reuevollen Sinn und einen demütigen Geist besitzt'. Mein Vater verachtet Stolz, hasst Heuchelei und verabscheut frevlerisches Tun. Und um den Wert der Aufrichtigkeit und des vollkommenen Vertrauens in die liebevolle Unterstützung und treue Führung durch den himmlischen Vater zu unterstreichen, habe ich mich so oft auf das kleine Kind bezogen als Beispiel für Gemütsverfassung und geistiges Ansprechen, die so wesentlich sind für den Eintritt des sterblichen Menschen in die Geistrealitäten des Königreichs. "Treffend hat der Prophet Jeremia manche Sterbliche mit diesen Worten beschrieben: `Ihr seid Gott nahe mit eurer Zunge, aber fern von ihm in euren Herzen.' Und habt ihr nicht auch die schreckliche Warnung des Propheten gelesen, der sagte: `Ihre Priester lehren gegen Bezahlung, und ihre Propheten weissagen für Geld. Zugleich bekunden sie Frömmigkeit und verkünden, der Herr sei mit ihnen.' Hat man euch nicht vor jenen gewarnt, die `friedlich mit ihren Nachbarn sprechen, wenn sie Böses im Schilde führen' und vor jenen, deren `Lippen schmeicheln, während ihr Herz auf Betrug sinnt'? Kein Schmerz eines vertrauensvollen Menschen ist so schrecklich wie der, `im Hause eines getreuen Freundes verletzt zu werden'." ***** 149.7 Rückkehr nach Bethsaida ***** Nach Absprache mit Simon Petrus und Jesu Einwilligung beauftragte Andreas David in Bethsaida, Boten zu den verschiedenen Predigergruppen mit der Anweisung auszusenden, die Rundreise zu beenden und im Laufe des Donnerstags, des 30. Dezembers, nach Bethsaida zurückzukehren. Bis zur Stunde des Abendessens waren an diesem regnerischen Tag sämtliche Apostel und die lehrenden Evangelisten im Hause des Zebedäus eingetroffen. Die Gruppe blieb den Sabbattag über beisammen und fand in den Häusern von Bethsaida und im nahen Kapernaum Aufnahme. Danach wurde allen eine zweiwöchige Pause gewährt, um daheim ihre Familien aufzusuchen, ihre Freunde zu treffen oder fischen zu gehen. Die zwei bis drei Tage, die sie zusammen in Bethsaida verbrachten, waren für sie wirklich belebend und inspirierend; auch die älteren Lehrer waren von den jungen Predigern erbaut, die ihre Erlebnisse berichteten. Von den 117 Evangelisten, die an dieser zweiten Predigtrundreise durch Galiläa teilnahmen, hielten nur etwa fünfundsiebzig der Prüfung durch die wirkliche Erfahrung stand und stellten sich nach Ablauf der zweiwöchigen Pause zur Übernahme einer Aufgabe zur Verfügung. Jesus blieb mit Andreas, Petrus, Jakobus und Johannes im Hause des Zebedäus und verbrachte viel Zeit mit Besprechungen, die Wohlergehen und Ausbreitung des Königreichs betrafen. ****** Kapitel 150 Die Dritte Predigtrundreise ****** AM Sonntagabend, dem 16. Januar 29, traf Abner mit den Aposteln des Johannes in Bethsaida ein und hielt am nächsten Tag mit Andreas und den Aposteln Jesu eine gemeinsame Konferenz ab. Das Hauptquartier Abners und seiner Mitarbeiter befand sich in Hebron, und sie pflegten von Zeit zu Zeit zu diesen Besprechungen nach Bethsaida heraufzukommen. Unter den vielen Angelegenheiten, die an dieser gemeinsamen Tagung behandelt wurden, war auch die Praktik, die Kranken mit bestimmten Ölen einzureiben, wobei zur Heilung Gebete gesprochen wurden. Auch diesmal lehnte Jesus es ab, an ihren Diskussionen teilzunehmen oder sich zu ihren Schlussfolgerungen zu äußern. Die Apostel des Johannes hatten das Salböl im Dienst an den Kranken und Leidenden stets benutzt und gedachten, daraus eine für beide Gruppen verbindliche Praxis zu machen, aber Jesu Apostel lehnten es ab, sich durch eine solche Regelung binden zu lassen. Am Dienstag, dem 18. Januar, stießen die ungefähr fünfundsiebzig erprobten Evangelisten im Hause des Zebedäus in Bethsaida zu den Vierundzwanzig, um sich gemeinsam auf die dritte Predigtrundreise durch Galiläa vorzubereiten. Diese dritte Mission dauerte sieben Wochen. Die Evangelisten wurden in Fünfergruppen ausgesandt, während Jesus und die Zwölf meist zusammen reisten und die Apostel zu zweit zur Taufe von Gläubigen auszogen, wie die Umstände es erforderten. Auch Abner und seine Gefährten arbeiteten fast drei Wochen lang mit den Evangelistengruppen, berieten sie und tauften Gläubige. Sie besuchten Magdala, Tiberias, Nazareth und alle wichtigen Städte und Dörfer von Zentral- und Südgaliläa, alle schon früher besuchten Orte und viele andere. Dies war ihre letzte Botschaft an Galiläa, von den nördlichen Gegenden abgesehen. ***** 150.1 Das Evangelistenkorps der Frauen ***** Von allen wagemutigen Handlungen der irdischen Laufbahn Jesu war seine plötzliche Ankündigung am Abend des 16. Januars die erstaunlichste: "Morgen werden wir zehn Frauen für den Dienst am Königreich wählen." Zu Beginn des zweiwöchigen Urlaubs, während dessen die Apostel und Evangelisten von Bethsaida abwesend sein würden, ersuchte Jesus David, seine Eltern nach Hause kommen zu lassen und Boten auszusenden, um zehn ergebene Frauen, die in der Verwaltung des früheren Lagers und des Zeltspitals gedient hatten, nach Bethsaida einzuberufen. Alle diese Frauen hatten bei der Ausbildung der jungen Evangelisten zugehört, aber keiner von ihnen noch einem ihrer Lehrer wäre es in den Sinn gekommen, dass Jesus es wagen würde, Frauen mit dem Lehren des Evangeliums vom Königreich und mit dem Dienst an den Kranken zu betrauen. Diese zehn von Jesus ausgewählten und beauftragten Frauen waren: Susanna, die Tochter des früheren Chazans der Synagoge von Nazareth; Johanna, die Frau des Chuza, des Haushofmeisters von Herodes Antipas; Elisabeth, die Tochter eines reichen Juden aus Tiberias und Sepphoris; Martha, die ältere Schwester von Andreas und Petrus; Rachel, die Schwägerin Judes, des leiblichen Bruders des Meisters; Nasanta, die Tochter Elmans, des syrischen Arztes; Milcha, eine Kusine des Apostels Thomas; Ruth, die älteste Tochter von Matthäus Levi; Celta, die Tochter eines römischen Zenturios; und Agaman, eine Witwe aus Damaskus. Später fügte Jesus dieser Gruppe noch zwei weitere Frauen hinzu: Maria Magdalena und Rebekka, die Tochter Josephs von Arimathia. Jesus ermächtigte diese Frauen, ihre Organisation selber in die Hand zu nehmen, und wies Judas an, Geld für ihre Ausrüstung und Tragtiere bereitzustellen. Die Zehn wählten Susanna zu ihrem Oberhaupt und Johanna zur Schatzmeisterin. Von da an beschafften sie sich ihre Geldmittel selber und wandten sich nie wieder um Unterstützung an Judas. In jenen Tagen, da den Frauen sogar der Zutritt zum ebenerdigen Hauptraum der Synagoge verwehrt war (und sie auf die Frauengalerie beschränkt waren), boten sie als anerkannte und beglaubigte Lehrerinnen des neuen Evangeliums vom Königreich einen äußerst erstaunlichen Anblick. Der Auftrag, den Jesus diesen zehn Frauen gab, als er sie zu Lehrerinnen des Evangeliums und Seelsorgerinnen auswählte, war die Emanzipationserklärung, die alle Frauen für alle Zeiten befreite; der Mann sollte nicht länger auf die Frau als eine ihm geistig Unterlegene herabschauen. Dies war selbst für die zwölf Apostel ein entschiedener Schock. Obwohl sie den Meister viele Male hatten sagen hören, es gebe "im Königreich des Himmels weder Reiche noch Arme, weder Freie noch Unfreie, weder Mann noch Frau, und alle seien gleichermaßen Söhne und Töchter Gottes", waren sie buchstäblich wie betäubt, als er in aller Form ankündigte, diese zehn Frauen offiziell als Religionslehrerinnen zu bevollmächtigen und ihnen sogar zu erlauben, mit ihnen zusammen zu reisen. Das ganze Land erregte sich ob dieser Maßnahme, und die Feinde Jesu schlugen aus diesem Schritt großes Kapital; aber überall stellten sich die Frauen, die an die gute Nachricht glaubten, fest hinter ihre auserwählten Schwestern und stimmten dieser späten Anerkennung der Stellung der Frau in der religiösen Arbeit entschieden zu. Und die Apostel arbeiteten unmittelbar nach des Meisters Weggang weiter an dieser Befreiung der Frauen, die diesen die schuldige Anerkennung gab, wenn auch spätere Generationen wieder in die alten Gewohnheiten zurückfielen. In den frühen Tagen der christlichen Kirche wurden die Lehrerinnen und Seelsorgerinnen Diakoninnen genannt und erfreuten sich allgemeiner Anerkennung. Aber obgleich Paulus dies alles theoretisch gelten ließ, machte er es sich in seinem Verhalten nie wirklich zu Eigen, und er hatte mit der praktischen Anwendung persönliche Schwierigkeiten. ***** 150.2 Der Halt in Magdala ***** Als die apostolische Gesellschaft Bethsaida verließ, reisten die Frauen am Ende des Zuges. Bei den Zusammenkünften saßen sie stets als Gruppe vorn und zur Rechten des Redners. Immer mehr Frauen hatten begonnen, an das Evangelium vom Königreich zu glauben, und große Schwierigkeiten und endlose Verlegenheit waren jedes Mal entstanden, wenn sie den Wunsch zu einer persönlichen Aussprache mit Jesus oder einem der Apostel äußerten. Jetzt war alles anders geworden. Wenn eine der gläubigen Frauen den Meister zu sehen oder mit den Aposteln zu sprechen wünschte, ging sie zu Susanna, und eine der zwölf Evangelistinnen begleitete sie sofort zum Meister oder einem seiner Apostel. Hier in Magdala stellten die Frauen zum ersten Mal ihre Nützlichkeit unter Beweis und rechtfertigten die Weisheit ihrer Wahl. Andreas hatte seinen Gefährten bei der persönlichen Arbeit mit Frauen, insbesondere mit solchen zweifelhaften Charakters, recht strikte Regeln auferlegt. Als die Reisegruppe in Magdala eintraf, stand es diesen zehn Evangelistinnen frei, die üblen Häuser zu betreten und allen Insaßinnen direkt die frohe Botschaft zu verkünden. Und beim Besuch von Kranken war es diesen Frauen möglich, in Ausübung ihres Amtes in sehr enge Berührung mit ihren leidenden Schwestern zu treten. Das Wirken der zehn Frauen (nachher bekannt als die zwölf Frauen) an diesem Ort hatte zur Folge, dass Maria Magdalena für das Königreich gewonnen wurde. Durch eine Kette von Missgeschicken und infolge der Haltung der ehrbaren Gesellschaft gegenüber Frauen, welche zu solchen Trugschlüssen gelangen, hatte sich diese Frau in einem der berüchtigten Häuser von Magdala wiedergefunden. Martha und Rachel waren es, die Maria klar machten, dass die Tore des Königreichs auch einer wie ihr offen standen. Maria glaubte an die gute Nachricht und wurde am nächsten Tag von Petrus getauft. Innerhalb der Gruppe der zwölf Evangelistinnen wurde Maria Magdalena die erfolgreichste Lehrerin des Evangeliums. Etwa vier Wochen nach ihrer Bekehrung wurde sie zusammen mit Rebekka in Jotapata zu diesem Dienst berufen. Zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Gruppe arbeiteten Maria und Rebekka fortan während des restlichen irdischen Daseins Jesu treu und wirkungsvoll an der Erleuchtung und Aufrichtung ihrer unterdrückten Schwestern; und als sich der letzte und tragische Akt in Jesu Lebensdrama abspielte und alle Apostel bis auf einen flüchteten, waren alle diese Frauen anwesend, und keine einzige verleugnete oder verriet ihn. ***** 150.3 Sabbat in Tiberias ***** Auf Weisung von Jesus hatte Andreas die Sabbatgottesdienste der apostolischen Gemeinschaft in die Hände der Frauen gelegt. Das bedeutete natürlich, dass sie nicht in der neuen Synagoge abgehalten werden konnten. Die Frauen wählten Johanna dazu aus, sich dieser Sache anzunehmen, worauf die Versammlung in Abwesenheit des Herodes, der gerade im peräischen Julias residierte, im Festsaal seines neuen Palastes abgehalten wurde. Johanna las aus den Schriften über das Wirken der Frauen im religiösen Leben Israels und bezog sich dabei auf Myriam, Deborah, Esther und andere. Spät an diesem Abend hielt Jesus vor der geschlossenen Gruppe einen denkwürdigen Vortrag über "Magie und Aberglauben". In jenen Tagen wurde das Erscheinen eines hellen und angeblich neuen Sternes als ein Zeichen gedeutet, dass auf der Erde ein großer Mann geboren worden war. Nachdem ein solcher Stern kürzlich beobachtet worden war, fragte Andreas Jesus, ob dieser Glaube wohlbegründet sei. In ausführlicher Beantwortung von Andreas' Frage befasste sich der Meister in einer eingehenden Erörterung mit dem ganzen Gebiet des menschlichen Aberglaubens. Wir können die damaligen Erklärungen Jesu in moderner Ausdrucksweise folgendermaßen zusammenfassen: 1. Der Lauf der Gestirne am Himmel hat überhaupt nichts mit den Ereignissen des menschlichen Lebens auf der Erde zu tun. Die Astronomie ist ein adäquates wissenschaftliches Studium, aber die Astrologie stellt eine Masse von abergläubischen Irrtümern dar, die im Evangelium vom Königreich keinen Platz hat. 2. Die Untersuchung der inneren Organe eines frisch getöteten Tieres kann nichts über das Wetter, zukünftige Ereignisse oder den Ausgang menschlicher Angelegenheiten aussagen. 3. Die Geister der Verstorbenen kehren nicht zurück, um mit ihren Familien oder einstigen Freunden unter den Lebenden in Kontakt zu treten. 4. Talismane und Reliquien sind außerstande, Krankheiten zu heilen, Unglück abzuwenden oder böse Geister zu beeinflussen. Der Glaube, solche materiellen Mittel vermöchten die geistige Welt zu beeinflussen, ist nichts als grober Aberglaube. 5. Das Auslosen mag auf bequeme Weise viele kleinere Schwierigkeiten regeln, ist aber keine geeignete Methode, um den göttlichen Willen in Erfahrung zu bringen. Was dabei herauskommt, ist eine reine Angelegenheit materiellen Zufalls. Die einzige Möglichkeit zur Kommunikation mit der geistigen Welt besteht in der geistigen Begabung der Menschheit, dem uns innewohnenden Geist des Vaters, zusammen mit dem ausgegossenen Geist des Sohnes und der allgegenwärtigen Einwirkung des Unendlichen Geistes. 6. Wahrsagerei, Zauberei und Hexenkünste sowie die Täuschungen der Magie sind Aberglaube unwissender Gemüter. Der Glaube an magische Zahlen, Vorzeichen des Glücks und Vorboten von Unglück sind reiner Aberglaube, der jeder Grundlage entbehrt. 7. Die Traumdeuterei ist weitgehend ein abergläubisches, unbegründetes System unwissender und phantastischer Spekulation. Das Evangelium vom Königreich darf mit den wahrsagenden Priestern der primitiven Religionen nichts gemein haben. 8. Gute oder böse Geister können nicht in materiellen Symbolen aus Lehm, Holz oder Metall wohnen; Götzenbilder sind weiter nichts als das Material, aus dem sie angefertigt sind. 9. Die Praktiken der Zauberer, Hexenmeister, Magier und Schwarzkünstler hatten ihren Ursprung im Aberglauben der Ägypter, Assyrer, Babylonier und frühen Kanaaniter. Amulette und alle möglichen Formen der Beschwörung sind zwecklos, um den Schutz guter Geister zu erlangen oder vermeintliche böse Geister zu vertreiben. 10. Jesus entlarvte und verurteilte ihren Glauben an Zauberformeln, schwere Prüfungen, Verhexung, Flüche, Zeichen, Alraune, Schnüre mit Knoten und alle anderen Formen unwissenden und versklavenden Aberglaubens. ***** 150.4 Paarweise Aussendung der Apostel ***** Am nächsten Abend versammelte Jesus seine zwölf Apostel, die Apostel des Johannes und die jüngst eingesetzte Frauengruppe um sich und sagte zu ihnen: "Ihr seht selber, dass die Ernte reich ist, der Arbeiter aber nur wenige sind. Lasst uns deshalb alle den Herrn der Ernte darum bitten, dass er noch mehr Arbeiter auf seine Felder schicke. Während ich hier bleibe, um die jüngeren Lehrer zu unterstützen und zu unterweisen, möchte ich die älteren zu zweit aussenden. Sie sollen rasch durch ganz Galiläa ziehen und überall das Evangelium vom Königreich predigen, solange noch günstige und friedliche Umstände herrschen." Darauf bezeichnete er die Apostelpaare, die seinem Wunsch gemäß zusammen losziehen sollten, nämlich: Andreas und Petrus, Jakobus und Johannes Zebedäus, Philipp und Nathanael, Thomas und Matthäus, Jakobus und Judas Alphäus, Simon Zelotes und Judas Iskariot. Jesus setzte einen Tag fest, an welchem er sich mit den Zwölfen in Nazareth treffen wollte, und sagte beim Abschied: "Geht während dieser Mission in keine nichtjüdische Stadt und auch nicht nach Samaria, sondern geht stattdessen zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Predigt das Evangelium vom Königreich und verkündet die erlösende Wahrheit, dass der Mensch ein Sohn Gottes ist. Denkt daran, dass der Schüler nicht über seinem Lehrer steht und ein Diener nicht größer ist als sein Herr. Es genügt, dass der Schüler seinem Meister gleichkommt und der Diener wie sein Herr wird. Wenn einige es gewagt haben, den Herrn des Hauses einen Verbündeten Beelzebubs zu nennen, wie viel mehr werden sie dessen dann seine Hausgenossen bezichtigen! Aber ihr solltet diese ungläubigen Feinde nicht fürchten. Ich erkläre euch, dass es nichts Verborgenes gibt, was nicht offenbart, und nichts Verstecktes, was nicht bekannt werden würde. Was ich euch im engen Kreis gelehrt habe, das predigt nun mit Weisheit in der Öffentlichkeit. Was ich euch hinter verschlossenen Türen enthüllt habe, das sollt ihr zu gegebener Zeit von den Dächern herab verkünden. Und ich sage euch, meine Freunde und Jünger, fürchtet euch nicht vor denen, die wohl den Körper töten können, aber außerstande sind, die Seele zu zerstören. Setzt euer Vertrauen vielmehr in Ihn, der fähig ist, den Körper bei Kräften zu halten und die Seele zu retten. "Verkauft man nicht zwei Sperlinge für einen Pfennig? Und doch erkläre ich, dass Gott keinen von ihnen vergisst. Wisst ihr nicht, dass sogar die Haare auf eurem Kopf gezählt sind? Wohlan denn, fürchtet euch nicht; ihr seid mehr wert als eine ganze Schar von Sperlingen. Schämt euch meiner Lehre nicht; geht überall Frieden und guten Willen verkünden, aber täuscht euch nicht - eure Predigt wird nicht immer Frieden zur Folge haben. Ich bin gekommen, um den Frieden auf Erden zu bringen, aber wenn die Menschen mein Geschenk zurückweisen, werden Zwietracht und Aufruhr die Folge sein. Wenn alle Familienmitglieder das Evangelium vom Königreich annehmen, wird in jenem Hause wahrer Friede wohnen; wenn aber einige von ihnen ins Königreich eintreten, während andere das Evangelium ablehnen, kann eine solche Spaltung nur Leid und Trauer hervorrufen. Bemüht euch ernsthaft, die ganze Familie zu retten, damit die Menschen nicht ihre eigenen Familienangehörigen zu Feinden haben. Aber nachdem ihr für jedes Familienmitglied das Äußerste getan habt, erkläre ich, dass des Königreichs nicht wert ist, wer Vater oder Mutter mehr liebt als dieses Evangelium." Nach Anhörung dieser Worte machten sich die Zwölf zur Abreise fertig. Und wie der Meister es bestimmt hatte, sahen sie sich bis zum Tage des Treffens mit Jesus und den anderen Jüngern in Nazareth nicht wieder. ***** 150.5 Was muss ich tun, um gerettet zu werden? ***** Eines Abends, nachdem die Apostel des Johannes nach Hebron zurückgekehrt und Jesu Apostel paarweise ausgesandt worden waren, unterwies Jesus in Shunem eine Gruppe von zwölf jüngeren Evangelisten, die unter der Leitung des Jakobus arbeiteten, sowie die zwölf Frauen. Da fragte Rachel Jesus: "Meister, was sollen wir antworten, wenn Frauen uns fragen: `Was muss ich tun, um gerettet zu werden?' " Jesus antwortete: "Wenn Männer und Frauen euch fragen, was sie tun sollen, um gerettet zu werden, dann gebt zur Antwort: `Glaubt an dieses Evangelium vom Königreich; nehmt die göttliche Vergebung an. Erkennt durch den Glauben den in euch wohnenden Geist Gottes und wenn ihr ihn annehmt, wird aus euch ein Kind Gottes. Habt ihr nicht in den Schriften gelesen, wo geschrieben steht: `Im Herrn finde ich Gerechtigkeit und Kraft.' Oder jene, wo der Vater sagt: `Meine Gerechtigkeit ist nahe; ich habe mein Heil ausgesandt und werde mein Volk in meine Arme schließen.' `Meine Seele soll in der Liebe meines Gottes frohlocken, denn er hat mich in die Gewänder der Rettung gehüllt und mit dem Mantel seiner Gerechtigkeit bedeckt.' Und habt ihr nicht auch über den Vater gelesen, dass sein Name `der Herr unsere Gerechtigkeit' heißen soll? `Entfernt die schmutzigen Lumpen der Selbstgerechtigkeit und zieht meinem Sohn das Kleid der göttlichen Gerechtigkeit und des ewigen Heils an.' Ewig gilt die Wahrheit: `Der Gerechte soll durch den Glauben leben.' Der Eintritt in das Königreich des Vaters ist völlig frei, aber der Fortschritt - das Wachstum in der Gnade - ist wesentlich, um darin zu bleiben. "Das Heil ist eine Gabe des Vaters und wird durch seine Söhne offenbart. Wenn ihr es durch euren Glauben empfangt, nehmt ihr als Sohn oder Tochter Gottes an der göttlichen Natur teil. Durch den Glauben werdet ihr gerechtfertigt; durch den Glauben werdet ihr gerettet; und durch eben diesen Glauben werdet ihr ewig auf dem Wege zunehmender und göttlicher Vollkommenheit fortschreiten. Durch seinen Glauben wurde Abraham gerechtfertigt und durch die Unterweisung Melchisedeks wurde er sich der Errettung bewusst. Über alle Zeitalter hinweg hat der Glaube die Söhne der Menschen gerettet, aber jetzt ist ein Sohn vom Vater gekommen, um das Heil wirklicher und annehmbarer zu machen." Als Jesus aufhörte zu reden, herrschte große Freude unter allen, die diese gnadenvollen Worte gehört hatten, und in den darauf folgenden Tagen verkündeten sie alle das Evangelium vom Königreich mit neuer Macht und Energie und neuer Begeisterung. Und die Frauen freuten sich umso mehr im Wissen, dass sie in die Pläne zur Errichtung des Königreichs auf Erden mit einbezogen waren. Seine letzte Erklärung zusammenfassend, sagte Jesus: "Ihr könnt weder die Errettung kaufen, noch die Rechtschaffenheit verdienen. Die Errettung ist eine Gabe Gottes, und die Rechtschaffenheit ist das natürliche Ergebnis des aus dem Geiste geborenen Lebens eines Sohnes im Königreich. Ihr werdet nicht gerettet, weil ihr ein rechtschaffenes Leben führt; vielmehr führt ihr ein rechtschaffenes Leben, weil ihr schon gerettet seid und die Sohnschaft als eine Gabe Gottes und den Dienst am Königreich als höchstes Entzücken des Lebens auf der Erde erkannt habt. Wenn die Menschen an dieses Evangelium glauben, das eine Offenbarung der Güte Gottes ist, werden sie von selber dazu gelangen, all ihre bewussten Sünden zu bereuen. Die Verwirklichung der Sohnschaft ist mit dem Wunsch zu sündigen unvereinbar. Wer an das Königreich glaubt, hungert nach Rechtschaffenheit und dürstet nach göttlicher Vollkommenheit." ***** 150.6 Abendliche Unterweisung ***** Bei den abendlichen Gesprächen behandelte Jesus viele Themen. Während der restlichen Zeit dieser Rundreise - bevor sie alle in Nazareth wieder zusammentrafen - besprach er "Die Liebe Gottes", "Träume und Visionen", "Böswilligkeit", "Demut und Sanftmut", "Mut und Treue", "Musik und Anbetung", "Dienst und Gehorsam", "Stolz und Anmaßung", "Vergebung in Beziehung zu Reue", "Friede und Vollkommenheit", "Üble Nachrede und Neid", "Übel, Sünde und Versuchung", "Zweifel und Unglaube", "Weisheit und Anbetung". In Abwesenheit der älteren Apostel beteiligten sich die Gruppen jüngerer Männer und Frauen freier an diesen Gesprächen mit dem Meister. Jesus verbrachte jeweils zwei oder drei Tage mit einer Gruppe von zwölf Evangelisten, worauf er sich zur nächsten begab. Davids Boten hielten ihn über die Aufenthaltsorte und Bewegungen all dieser Arbeiter auf dem Laufenden. Die Frauen blieben die meiste Zeit über bei Jesus, da dies ihre erste Rundreise war. Durch den Botendienst wurden sämtliche Gruppen vollständig über den Fortgang der Reise informiert, und das Eintreffen von Nachrichten anderer Gruppen war für die verstreuten und voneinander getrennten Arbeiter immer eine Quelle der Ermutigung. Vor der Trennung war vereinbart worden, dass sich die zwölf Apostel gemeinsam mit den Evangelisten und dem Frauenkorps am Freitag, dem 4. März, in Nazareth mit dem Meister treffen sollten. Folglich begannen sich um diese Zeit die verschiedenen Apostel- und Evangelistengruppen von überall in Süd- und Zentralgaliläa her in Richtung Nazareth zu bewegen. Bis Mitte des Nachmittags hatten auch Andreas und Petrus als letzte das Lager erreicht , das von den ersten Ankömmlingen auf einer Anhöhe im Norden der Stadt errichtet worden war. Dies war Jesu erster Besuch in Nazareth seit Beginn seines öffentlichen Wirkens. ***** 150.7 Der Aufenthalt in Nazareth ***** An diesem Freitagnachmittag ging Jesus in Nazareth umher, ohne dass ihn jemand beachtet oder erkannt hätte. Er ging am Hause seiner Kindheit und an der Zimmermannswerkstatt vorüber und verbrachte eine halbe Stunde auf der Anhöhe, die er als Junge so sehr geliebt hatte. Seit dem Tage seiner Taufe durch Johannes im Jordan hatte nie eine solche Flut menschlicher Gefühle die Seele des Menschensohnes aufgewühlt. Als er vom Berg herabstieg, hörte er den vertrauten, den Sonnenuntergang verkündenden Schall der Trompete, den er in seiner Knabenzeit in Nazareth so viele, viele Male gehört hatte. Vor seiner Rückkehr ins Lager kam er an der Synagoge vorbei, wo er zur Schule gegangen war, und er verweilte im Geiste bei manchen Erinnerungen an die Tage seiner Kindheit. Früher am Tage hatte Jesus Thomas zum Leiter der Synagoge geschickt, um mit ihm seine Predigt für den Gottesdienst am Sabbatmorgen abzusprechen. Den Leuten von Nazareth hatte man nie besondere Frömmigkeit und rechtschaffenen Lebenswandel nachgesagt. Im Lauf der Jahre geriet dieses Dorf zunehmend unter den Einfluss des niedrigen sittlichen Niveaus des nahen Sepphoris. Während Jesu Jugend und früher Mannesjahre war man in Nazareth über ihn geteilter Meinung gewesen; man hatte es ihm sehr verübelt, als er nach Kapernaum übersiedelte. Zwar hatten die Bewohner von Nazareth viel über das Wirken ihres einstigen Zimmermanns vernommen, doch waren sie beleidigt, dass er seinen Geburtsort nie in eine seiner früheren Predigtreisen einbezogen hatte. Allerdings war sein Ruf zu ihnen gelangt, aber die Mehrzahl der Bewohner war darüber verärgert, dass er keines seiner großen Werke am Ort seiner Jugend vollbracht hatte. Monatelang hatten die Leute in Nazareth ausgiebig über Jesus gesprochen, aber ihre Meinungen über ihn waren im Großen und Ganzen ungünstig. Folglich umfing den Meister keine freundliche Heimkehrerstimmung, sondern er fand eine entschieden feindliche und sehr kritische Atmosphäre vor. Aber das war nicht alles. Seine Feinde, die wussten, dass er den Sabbattag in Nazareth verbringen wollte, und annahmen, dass er in der Synagoge sprechen würde, hatten zahlreiche rohe und grobe Männer angeworben, um ihn zu belästigen und auf jede erdenkliche Weise Unruhe zu stiften. Die meisten älteren Freunde Jesu, der ihn verehrende Chazan seiner Jugend inbegriffen, waren gestorben oder hatten Nazareth verlassen, und die jüngere Generation neigte dazu, auf seine Berühmtheit mit ausgesprochenem Neid zu reagieren. Sie erinnerten sich nicht an seine frühere Hingabe an die Familie seines Vaters, und sie übten bittere Kritik daran, dass er es versäumte, seinen Bruder und seine verheirateten Schwestern zu besuchen, die in Nazareth lebten. Die Haltung seiner eigenen Familie ihm gegenüber hatte auch zur Verstärkung dieser unfreundlichen Gefühle der Einwohnerschaft beigetragen. Die Strenggläubigen unter den Juden maßten sich sogar an, Jesus zu kritisieren, weil er an diesem Sabbatmorgen auf dem Weg zur Synagoge zu schnell ging. ***** 150.8 Der Sabbatgottesdienst ***** Dieser Sabbat war ein schöner Tag, und ganz Nazareth, Freund und Feind, zog aus, um den früheren Bürger ihrer Stadt in der Synagoge sprechen zu hören. Viele Angehörige des apostolischen Gefolges mussten vor der Synagoge bleiben; es gab nicht genügend Platz für alle, die gekommen waren, um ihn zu hören. Als junger Mann hatte Jesus oft an diesem Ort der Andacht gesprochen, und als ihm an diesem Morgen der Synagogenvorsteher die heilige Schriftrolle überreichte, damit er daraus einen Schrifttext vorlese, schien sich niemand unter den Anwesenden daran zu erinnern, dass es sich dabei um genau jene alte Handschrift handelte, die er der Synagoge geschenkt hatte. Der Ablauf des Gottesdienstes war an diesem Tag genau so, wie Jesus ihn als Knabe erlebt hatte. Er bestieg das Rednerpodium mit dem Synagogenvorsteher, und der Gottesdienst wurde mit der Lesung von zwei Gebeten begonnen: "Gesegnet sei der Herr, der König der Welt, der Licht und Finsternis erschafft, der Frieden stiftet und aller Dinge Schöpfer ist; welcher der Erde und ihren Bewohnern in seiner Barmherzigkeit Licht gibt und der in seiner Güte Tag für Tag und immer wieder die Werke der Schöpfung erneuert. Gesegnet sei der Herr unser Gott für die Herrlichkeit des Werkes seiner Hände und für die Licht spendenden Gestirne, die er zu seinem Ruhm erschaffen hat. Selah. Gesegnet sei der Herr unser Gott, der die Gestirne erschaffen hat." Nach einer kleinen Pause beteten sie weiter: "Mit großer Liebe hat der Herr unser Gott uns geliebt, und mit überquellendem Erbarmen hat er sich unser erbarmt, unser Vater und unser König, um unserer Väter Willen, die ihm vertrauten. Du hast sie die Satzungen des Lebens gelehrt; erbarme dich unser und lehre uns. Öffne unsere Augen für das Gesetz; bewege unsere Herzen dazu, sich an deine Gebote zu halten; vereinige unsere Herzen in der Liebe und Furcht deines Namens, und so werden wir nicht zu Schanden kommen, immer und ewig. Denn du bist ein Gott, der die Rettung vorbereitet, und uns hast du unter allen Völkern und Nationen auserwählt, und wahrlich hast du uns in die Nähe deines großen Namens gebracht - Selah - damit wir voller Liebe deine Einheit preisen. Gesegnet sei der Herr, der in seiner Liebe das Volk Israel erwählte." Danach sprach die Versammlung die Shema, das jüdische Glaubensbekenntnis. Dieses Ritual bestand in der Wiederholung zahlreicher Abschnitte aus dem Gesetz und drückte aus, dass die Betenden das Joch des Königreichs des Himmels sowie das Joch der Tag und Nacht zu beobachtenden Gebote auf sich nahmen. Und dann folgte das dritte Gebet: "Du bist wahrlich Jahve, unser Gott und der Gott unserer Väter; unser König und der König unserer Väter; unser Retter und der Retter unserer Väter; unser Schöpfer und der Fels unserer Errettung; unsere Hilfe und unser Erlöser. Dein Name kommt aus der Ewigkeit, und es gibt keinen Gott außer dir. Ein neues Lied sangen die Befreiten deinem Namen am Meeresufer; alle zusammen priesen dich, erkannten dich als König an und sagten, Jahve soll regieren, immer und ewig. Gesegnet sei der Herr, der Israel errettet." Der Vorsteher der Synagoge nahm dann seinen Platz vor der Lade oder dem Schrein ein, worin die heiligen Schriften aufbewahrt wurden, und begann mit dem Hersagen der neunzehn Gebetslobpreisungen oder Segenssprüche. Aber bei diesem Anlass war es wünschenswert, den Dienst zu kürzen, um dem erlauchten Gast mehr Zeit für seine Ansprache zu geben; aus diesem Grunde wurden nur der erste und letzte Segensspruch rezitiert. Der erste lautete: "Gesegnet sei der Herr unser Gott und der Gott unserer Väter, der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs; der große, der mächtige und der schreckliche Gott, der Barmherzigkeit und Güte zeigt, der alle Dinge erschafft, der sich der gnadenreichen, den Vätern gegebenen Versprechen erinnert und um seines eigenen Namens Willen deren Kindeskindern in seiner Liebe einen Erlöser sendet. Oh König, Helfer, Retter und Schild! Gesegnet seist du, oh Jahve, Schild Abrahams." Hierauf folgte der letzte Segensspruch: "Oh schenke deinem Volke Israel tiefen Frieden für immer, denn du bist der König und der Herr allen Friedens. Und in deinen Augen ist es gut, Israel zu allen Zeiten und zu jeder Stunde mit Frieden zu segnen. Gesegnet seist du, Jahve, der du das Volk Israel mit Frieden segnest." Die Versammlung blickte nicht zum Vorsteher hin, während er die Segenssprüche hersagte. Nach diesen sprach er ein freies, zu dem Anlass passendes Gebet, und als dieses zu Ende war, fiel die ganze Versammlung mit einem Amen ein. Dann ging der Chazan zum Schrein hinüber und entnahm ihm eine Rolle, die er Jesus überreichte, damit er den Text aus der Schrift lese. Es war Sitte, sieben Personen aufzurufen, die nicht weniger als drei Verse aus dem Gesetz zu lesen hatten; aber auf diesen Brauch wurde bei dieser Gelegenheit verzichtet, damit der Gast eine Schriftstelle eigener Wahl lesen könne. Jesus nahm die Rolle, erhob sich und begann, aus dem Deuteronomium zu lesen: "Denn das Gebot, das ich dir heute gebe, ist nicht verborgen, noch ist es weit weg. Es ist nicht im Himmel, dass du etwa sagen könntest, wer will für uns in den Himmel fahren und es zu uns herunterholen, damit wir es hören und befolgen können? Noch ist es jenseits des Meeres, dass du sagen könntest, wer will für uns über das Meer fahren und uns das Gebot bringen, damit wir es hören und befolgen können? Nein, das Wort des Lebens ist ganz nahe bei dir, sogar in deiner Gegenwart und in deinem Herzen, damit du es kennen und ihm gehorchen mögest." Nachdem er diese Lesung aus dem Gesetz beendet hatte, schlug er Jesaja auf und begann zu lesen: "Der Geist des Herrn ist über mir, denn er hat mich gesalbt, um den Bedürftigen die gute Nachricht zu predigen. Er hat mich gesandt, um den Gefangenen Befreiung und den Blinden Wiedergewinnung ihres Augenlichtes zu verkündigen, die Geschlagenen freizulassen und das gnadenvolle Jahr des Herrn auszurufen." Jesus schloss das Buch, gab es dem Synagogenvorsteher zurück, setzte sich und fing an, zu den Leuten zu sprechen. Seine ersten Worte waren: "Heute sind diese Schriften erfüllt." Und dann sprach Jesus fast eine Viertelstunde lang über "Die Söhne und Töchter Gottes". Vielen Anwesenden gefiel seine Rede, und sie staunten über seine Freundlichkeit und Weisheit. In der Synagoge war es Brauch, dass der Redner nach Beendigung des offiziellen Gottesdienstes noch dablieb, damit ihm die Interessierten Fragen stellen konnten. Also stieg Jesus an diesem Sabbatmorgen in die Menge hinunter, die sich herandrängte, um ihm Fragen zu stellen. Darunter befanden sich auch viele Unruhestifter, die Böses im Schilde führten, während am Rande der Menge jene verkommenen Männer herumgingen, die angeworben worden waren, um Jesus Schwierigkeiten zu bereiten. Viele Jünger und Evangelisten, die draußen geblieben waren, drängten nun in die Synagoge und merkten bald, dass sich Unheil zusammenbraute. Sie versuchten, den Meister wegzuführen, aber er weigerte sich, mit ihnen zu gehen. ***** 150.9 Die Zurückweisung durch Nazareth ***** Jesus sah sich in der Synagoge von einer großen Zahl seiner Feinde und einigen wenigen Anhängern umringt, und in Beantwortung ihrer groben Fragen und drohenden Sticheleien bemerkte er halb humorvoll: "Ja, ich bin Josephs Sohn; ich bin der Zimmermann, und es überrascht mich nicht, dass ihr mich an das Sprichwort `Arzt, heile dich selber', erinnert und mich herausfordert, in Nazareth zu tun, was ich, wie ihr gehört habt, in Kapernaum getan habe; aber ich rufe euch zu Zeugen auf, dass sogar die Schriften erklären: `Ein Prophet wird überall geehrt außer in seinem eigenen Lande und unter seinen eigenen Leuten.' " Aber sie rempelten ihn an, zeigten mit anklagenden Fingern auf ihn und sagten: "Du denkst, du seist besser als die Leute von Nazareth; du bist von uns weggezogen, aber dein Bruder ist ein gewöhnlicher Handwerker, und deine Schwestern leben immer noch unter uns. Wir kennen deine Mutter Maria. Wo sind sie heute? Wir hören große Dinge über dich, aber wir stellen fest, dass du keine Wunder tust, wenn du heimkehrst." Jesus antwortete ihnen: "Ich liebe die Menschen, die an dem Ort wohnen, wo ich aufgewachsen bin, und empfände große Freude, euch alle ins Königreich des Himmels eintreten zu sehen, aber es ist nicht an mir zu bestimmen, wann Gottes Werke zu tun sind. Die Verwandlungen der Gnade geschehen in Antwort auf den lebendigen Glauben derer, die ihrer teilhaftig werden." Jesus wäre auf seine gutmütige Art mit der Menge zurechtgekommen und hätte auch seine heftigsten Feinde erfolgreich entwaffnet, hätte nicht einer seiner eigenen Apostel, Simon Zelotes, einen groben taktischen Fehler begangen. Mit Hilfe Nahors, eines jüngeren Evangelisten, hatte er mittlerweile eine Anzahl von Jesu Freunden aus der Menge um sich geschart und in kriegerischer Haltung den Feinden des Meisters zu verstehen gegeben, sie sollten sich davonmachen. Seit langem hatte Jesus die Apostel gelehrt, dass eine sanfte Antwort den Zorn abwendet, aber seine Anhänger waren es nicht gewohnt, ihren geliebten Lehrer, den sie so willig Meister nannten, mit derartiger Unhöflichkeit und Verachtung behandelt zu sehen. Das war zu viel für sie, und sie gaben ihrem Unmut leidenschaftlichen und vehementen Ausdruck, was nur bewirkte, den pöbelhaften Geist dieser gottlosen und grobschlächtigen Versammlung anzufachen. Und so legten diese Kerle unter Führung der Angeheuerten Hand an Jesus und schafften ihn auf dem schnellsten Weg aus der Synagoge auf die Kuppe eines nahen, steil abfallenden Hügels, über dessen Rand sie ihn in den Tod stürzen wollten. Aber gerade als sie sich anschickten, Jesus über den Felsrand zu stoßen, wandte er sich plötzlich seinen Entführern zu, blickte sie an und verschränkte ruhig seine Arme. Er sagte nichts, aber seine Freunde waren mehr als verblüfft, als er vorwärts zu gehen begann, während der Pöbel auseinander wich und ihm erlaubte, unbehelligt weiterzugehen. Von seinen Jüngern gefolgt, begab sich Jesus ins Lager, wo all dies besprochen wurde. Und sie machten sich noch am selben Abend auf Jesu Weisung hin für ihre Rückkehr nach Kapernaum früh am nächsten Morgen bereit. Dieses turbulente Ende der dritten öffentlichen Predigtrundreise wirkte auf alle Anhänger Jesu ernüchternd. Sie begannen, die Bedeutung mancher Äußerungen des Meisters zu erfassen; langsam erwachten sie zu der Einsicht, dass das Königreich nur unter viel Leid und bitteren Enttäuschungen kommen würde. Sie verließen Nazareth an diesem Sonntagmorgen und benutzten verschiedene Reiserouten nach Bethsaida, wo sie sich schließlich alle bis zum Donnerstagmittag, dem 10. März, einfanden. Dort vereinigten sie sich als ein Trupp ernüchterter, ernster und desillusionierter Prediger des Evangeliums der Wahrheit, und nicht als eine enthusiastische und eroberungsfreudige Schar triumphierender Kreuzfahrer. ****** Kapitel 151 Abwarten und Lehren am Seeufer ****** BIS zum 10. März hatten sich alle Predigt- und Lehrgruppen in Bethsaida versammelt. Am Donnerstagabend und am Freitag fuhren viele zum Fischen hinaus, und am Sabbattag besuchten sie die Synagoge, um einem alten Juden aus Damaskus zuzuhören, der über die Herrlichkeit von Vater Abraham sprach. Jesus brachte den größten Teil des Tages allein in den Bergen zu. An jenem Samstagabend sprach er zu den versammelten Gruppen mehr als eine Stunde lang über: "Die Aufgabe des Unglücks und der geistige Wert der Enttäuschung". Das war eine denkwürdige Stunde, und seine Zuhörer vergaßen die Lektion, die er ihnen erteilte, nie. Jesus hatte sich vom Schmerz über die kürzlich in Nazareth erfahrene Abweisung noch nicht ganz erholt; die Apostel stellten bei ihm eine seltsame Traurigkeit fest, die seinem üblichen fröhlichen Wesen beigemischt war. Jakobus und Johannes waren die meiste Zeit an seiner Seite, während Petrus durch die vielen Pflichten, die Wohlergehen und Leitung des neuen Evangelistenkorps mit sich brachten, überbeansprucht war. Diese Wartezeit vor der Abreise nach Jerusalem zum Passahfest verbrachten die Frauen damit, in Kapernaum und in den umliegenden Städten und Dörfern von Haus zu Haus zu gehen, um das Evangelium zu lehren und den Kranken beizustehen. ***** 151.1 Das Gleichnis vom Sämann ***** Um diese Zeit wandte Jesus zum ersten Mal die Gleichnismethode an, um die Menge zu unterrichten, die sich so oft um ihn versammelte. Da er sich bis spät in die Nacht hinein mit den Aposteln und anderen unterhalten hatte, erschienen an diesem Sonntagmorgen nur sehr wenige zum Frühstück; und so ging Jesus zum Seeufer hinaus und setzte sich allein in ein Boot, in das alte Fischerboot von Andreas und Petrus, das ihm stets zur Verfügung stand, und sann über den nächsten Schritt zur Ausbreitung des Königreichs nach. Aber der Meister sollte nicht lange allein bleiben. Sehr bald begannen Leute aus Kapernaum und den nahe gelegenen Dörfern einzutreffen, und gegen zehn Uhr morgens hatten sich fast eintausend Menschen am Ufer nahe dem Boot Jesu versammelt und machten laut auf sich aufmerksam. Petrus war jetzt aufgestanden, bahnte sich einen Weg zum Boot und sagte zu Jesus: "Meister, soll ich zu ihnen sprechen?" Aber Jesus antwortete: "Nein, Petrus, ich will ihnen eine Geschichte erzählen." Und dann begann Jesus mit dem Gleichnis vom Sämann, einem der ersten in einer langen Reihe solcher Gleichnisse, durch die er die ihm folgende Menge unterwies. Das Boot hatte einen erhöhten Sitz, auf dem er saß (denn es war Brauch, sitzend zu lehren), während er zu der am Ufer versammelten Menge sprach. Nachdem Petrus ein paar Worte gesprochen hatte, sagte Jesus: "Ein Sämann zog aus zu säen, und es begab sich, dass beim Säen einige Samen an den Wegrand fielen, wo sie zertreten oder von den Vögeln des Himmels verzehrt wurden. Andere Samen fielen auf steinigen Grund, wo es nur wenig Erde gab, und sofort gingen sie auf, weil das Erdreich nicht tief war. Aber sobald die Sonne schien, vertrockneten sie, da sie keine Wurzeln besaßen, um sich Feuchtigkeit zu sichern. Andere Samen fielen unter die Dornen, aber die Dornen wuchsen und erstickten sie, so dass sie keine Frucht brachten. Noch andere Samen fielen auf guten Boden, wuchsen und brachten Frucht, einige dreißigfach, einige sechzigfach und einige hundertfach." Und als er das Gleichnis beendet hatte, sagte er zu der Menge: "Wer Ohren hat zu hören, der höre." Als die Apostel und die, welche mit ihnen waren, Jesus in dieser Art zum Volk sprechen hörten, waren sie über alle Maßen verwundert. Sie sprachen lange untereinander, und am Abend sagte Matthäus im Garten des Zebedäus zu Jesus: "Meister, was bedeuten die dunklen Worte, die du an die Menge richtest? Warum sprichst du in Gleichnissen zu denen, die die Wahrheit suchen?" Und Jesus antwortete: "Mit Geduld habe ich euch all die Zeit unterwiesen. Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Königreichs des Himmels zu kennen, aber der urteilslosen Menge und jenen, die nach unserer Vernichtung trachten, werden die Geheimnisse des Königreichs fortan in Gleichnissen dargeboten. Und das tun wir, damit diejenigen, die wirklich ins Königreich eintreten wollen, die Bedeutung der Unterweisung erfassen und dadurch das Heil finden, während jene, die nur zuhören, um uns eine Falle zu stellen, umso verwirrter werden, da sie sehen werden, ohne zu sehen, und hören, ohne zu hören. Meine Kinder, erkennt ihr nicht das geistige Gesetz, welches bestimmt, dass dem, der hat, gegeben wird, auf dass er reichlich habe, aber dem, der nicht hat, sogar das, was er hat, weggenommen wird? Deshalb werde ich von jetzt an zum Volk viel in Gleichnissen reden, damit unsere Freunde und alle, die die Wahrheit zu kennen begehren, das finden können, was sie suchen, während unsere Feinde und diejenigen, die die Wahrheit nicht lieben, hören werden, ohne zu verstehen. Viele dieser Leute schreiten nicht auf dem Pfad der Wahrheit. Der Prophet hat in der Tat all diese unkritischen Seelen beschrieben, als er sagte: `Denn das Herz dieser Leute hat sich verhärtet, und sie sind schwerhörig geworden, und sie haben ihre Augen geschlossen, um nur ja nicht die Wahrheit zu erkennen und in ihren Herzen zu verstehen.' " Die Apostel begriffen die Bedeutung der Worte des Meisters nicht ganz. Während Andreas und Thomas das Gespräch mit Jesus fortsetzten, zogen sich Petrus und die übrigen Apostel in einen anderen Teil des Gartens zurück, wo sie eine ernste und lange Diskussion hatten. ***** 151.2 Interpretation des Gleichnisses ***** Petrus und seine Gruppe gelangten zu dem Schluss, dass das Gleichnis vom Sämann eine Allegorie sei, wo jeder Einzelheit eine versteckte Bedeutung zukomme, und so beschlossen sie, zu Jesus zu gehen und ihn um eine Erklärung zu bitten. Also trat Petrus an den Meister heran und sprach: "Wir sind außerstande, die Bedeutung dieses Gleichnisses zu durchschauen, und unser Wunsch ist, du mögest es uns erklären; denn du sagst ja, dass es uns gegeben ist, die Geheimnisse des Königreichs zu kennen." Als Jesus das hörte, sprach er zu Petrus: "Mein Sohn, ich möchte euch nichts vorenthalten, aber wie wäre es, wenn du mir zuerst sagtest, worüber ihr gesprochen habt? Wie legt ihr das Gleichnis aus?" Nach kurzem Schweigen sagte Petrus: "Meister, wir haben lange über das Gleichnis gesprochen, und hier ist die Deutung, für die ich mich entschieden habe: Der Sämann ist der Prediger des Evangeliums; die Saat ist das Wort Gottes. Die Samen, die an den Wegrand fielen, stehen für diejenigen, die die Unterweisung des Evangeliums nicht begreifen. Die Vögel, welche die auf harten Grund gefallenen Samen aufpickten, stehen für Satan oder den Bösen, der das in die Herzen dieser Unwissenden Gesäte wegstiehlt. Die Saat, die auf felsigen Boden fiel und so rasch aufkeimte, stellt jene oberflächlichen und gedankenlosen Menschen dar, die beim Hören der frohen Botschaft die Nachricht freudig aufnehmen; aber weil die Wahrheit in ihrem tieferen Verständnis nicht wirklich verwurzelt ist, ist ihre Hingabe nur von kurzer Dauer, wenn sie Prüfungen und Verfolgungen ausgesetzt sind. Bei Schwierigkeiten stolpern diese Gläubigen und werden abtrünnig, wenn sie in Versuchung kommen. Die Samen, die zwischen die Dornen fielen, stehen für jene, die das Wort willig aufnehmen, aber den weltlichen Sorgen und den Tücken des Reichtums gestatten, das Wort der Wahrheit zu ersticken, so dass es unfruchtbar wird. Der Same schließlich, der auf guten Grund fiel und aufging und teils dreißigfache, teils sechzigfache, teils hundertfache Frucht trug, steht für diejenigen, welche die Wahrheit hören und sie je nach ihren intellektuellen Gaben .mit unterschiedlichen Graden der Wertschätzung aufnehmen und deshalb auch unterschiedliche Grade religiöser Erfahrung zeigen." Nachdem Jesus sich die Interpretation des Gleichnisses durch Petrus angehört hatte, fragte er die anderen Apostel, ob sie nicht ebenfalls Deutungen anzubieten hätten. Nur Nathanael folgte der Aufforderung. Er sagte: "Meister, obwohl ich in Simon Petrus' Interpretation des Gleichnisses manches Gute sehe, stimme ich doch nicht ganz mit ihm überein. Meine Vorstellung von diesem Gleichnis wäre etwa diese: Die Samen sind das Evangelium vom Königreich, und der Sämann steht für die Verkündiger des Königreichs. Die Samen, die am Weg auf harten Boden fielen, sind ein Bild für diejenigen, welche nur wenig von dem Evangelium gehört haben, und für diejenigen, welche die Botschaft gleichgültig lässt und die ihr Herz verhärtet haben. Die Vögel des Himmels, die die auf den Weg gefallenen Samen wegpickten, sind unsere Lebensgewohnheiten, die Versuchung durch das Böse und die Begierden des Fleisches. Die Samen, die auf die Felsen fielen, stehen für jene emotionalen Seelen, die eine neue Lehre ebenso rasch annehmen, wie sie die Wahrheit fallen lassen, wenn sie den Schwierigkeiten und Realitäten gegenüberstehen, dieser Wahrheit entsprechend zu leben; es fehlt ihnen die geistige Erkenntnis. Die in die Dornen gefallenen Samen verkörpern jene, die sich zu den Wahrheiten des Evangeliums hingezogen fühlen; ihr Sinn steht danach, seinen Lehren zu folgen, aber sie werden durch Stolz, Eifersucht, Missgunst und die Ängste der menschlichen Existenz daran gehindert. Die Samen, welche auf guten Boden fielen, aufkeimten und dreißig-, sechzig- und hundertfache Frucht trugen, stellen die natürlichen und verschiedenen Fähigkeitsgrade von Männern und Frauen dar, die Wahrheit zu erfassen und auf ihre geistige Aussage zu reagieren - ihre unterschiedliche Begabung zu geistiger Erleuchtung." Nachdem Nathanael gesprochen hatte, hob unter den Aposteln und ihren Mitarbeitern eine ernste Diskussion, eine richtige Debatte an. Die einen verfochten den Standpunkt, die Interpretation des Petrus sei die richtige, während etwa ebenso viele Nathanaels Erklärung des Gleichnisses zu verteidigen suchten. Unterdessen hatten sich Petrus und Nathanael ins Haus zurückgezogen, wo sie mit Entschiedenheit und Nachdruck versuchten, sich gegenseitig zu überzeugen und umzustimmen. Der Meister wartete so lange zu, bis das Durcheinander seinen Höhepunkt erreicht hatte; dann klatschte er in die Hände und rief sie zu sich. Als sie alle wieder um ihn versammelt waren, sagte er: "Hat jemand von euch, bevor ich zu euch über das Gleichnis rede, noch etwas zu sagen?" Nach einem Augenblick der Stille sprach Thomas: "Ja, Meister, ich möchte einige Worte sagen. Ich erinnere mich, dass du uns einmal geraten hast, gerade vor so etwas auf der Hut zu sein. Du hast uns angewiesen, wahre Geschichten und keine Fabeln zu benutzen, wenn wir beim Predigen etwas anschaulich machen wollen. Zur Illustration der einen zentralen und wesentlichen Wahrheit, die wir den Leuten nahebringen möchten, sollten wir die dazu am besten geeignete Geschichte auswählen; und nachdem wir die Geschichte in dieser Weise verwendet hätten, sollten wir nicht versuchen, alle kleineren Einzelheiten der Erzählung geistig anzuwenden. Ich meine, dass Petrus und Nathanael sich bei ihren Versuchen, dieses Gleichnis zu deuten, beide irren. Ich bewundere ihr Geschick, solche Dinge zu tun, aber ich bin zugleich sicher, dass jeder derartige Versuch, aus allen Teilen eines natürlichen Gleichnisses geistige Entsprechungen ableiten zu wollen, nur zu Konfusion und schwerwiegendem Missverständnis des wahren Zwecks eines solchen Gleichnisses führen kann. Dass ich damit recht habe, beweist vollauf die Tatsache, dass wir noch vor einer Stunde alle eines Sinnes waren, nun jedoch in zwei getrennte Lager gespalten sind, die über dieses Gleichnis verschiedene Ansichten vertreten und diese so ernst nehmen, dass dadurch meiner Meinung nach unsere Fähigkeit beeinträchtigt wird, die große Wahrheit zu erfassen, an die du dachtest, als du der Menge dieses Gleichnis gabst und uns später aufgefordert hast, uns dazu zu äußern." Thomas' Worte übten auf alle eine beruhigende Wirkung aus und veranlassten sie, sich daran zu erinnern, was Jesus sie bei früheren Gelegenheiten gelehrt hatte. Bevor Jesus wieder das Wort ergriff, erhob sich Andreas und sagte: "Ich bin überzeugt, dass Thomas recht hat, und ich würde gerne seine eigene Deutung des Gleichnisses vom Sämann hören." Ihm zunickend ermunterte Jesus Thomas zum Sprechen, worauf dieser sagte: "Meine Brüder, ich wollte diese Diskussion nicht verlängern, aber wenn ihr es wünscht, so will ich euch sagen, dass dieses Gleichnis meiner Ansicht nach erzählt worden ist, um uns eine einzige große Wahrheit zu lehren, nämlich diese: gleichviel, wie gewissenhaft und gründlich wir unsere göttlichen Aufträge ausführen, wird unserer Verkündigung des Evangeliums vom Königreich unterschiedlicher Erfolg beschieden sein; und all diese Unterschiede in den Ergebnissen sind direkt den Bedingungen zuzuschreiben, die in den Umständen unseres Amtes liegen, Bedingungen, die wir kaum oder gar nicht beeinflussen können." Nachdem Thomas geendet hatte, waren die meisten seiner Predigergefährten bereit, ihm beizupflichten, und sogar Petrus und Nathanael gingen auf ihn zu, um mit ihm zu sprechen. Da erhob sich Jesus und sagte: "Gut gesprochen, Thomas; du hast den wahren Sinn von Gleichnissen erfasst; aber auch Petrus und Nathanael haben euch einen ebenso guten Dienst erwiesen, indem sie euch die Gefahr, aus meinen Gleichnissen Allegorien machen zu wollen, so deutlich aufgezeigt haben. Insgeheim mögt ihr euch oft mit Nutzen auf solche Höhenflüge spekulativer Imagination begeben, aber ihr macht einen Fehler, wenn ihr derartige Schlussfolgerungen als einen Teil eurer öffentlichen Unterweisung anzubieten versucht." Jetzt, da die Spannung sich gelöst hatte, gratulierten Petrus und Nathanael einander zu ihren Interpretationen, und mit Ausnahme der Alphäus Zwillinge wagte jeder Apostel eine Deutung des Gleichnisses vom Sämann, bevor sie sich zur Ruhe begaben. Sogar Judas Iskariot brachte eine sehr einleuchtende Deutung vor. Unter sich versuchten die Zwölf oft, des Meisters Gleichnisse wie Allegorien zu enträtseln, aber nie wieder nahmen sie solches Theoretisieren ernst. Das war eine sehr nützliche Lektion für die Apostel und ihre Mitarbeiter, umso mehr, als Jesus von jenem Zeitpunkt an in seinem öffentlichen Unterricht immer mehr Gleichnisse verwendete. ***** 151.3 Mehr über Gleichnisse ***** Die Gleichnisse hatten es den Aposteln so sehr angetan, dass der folgende Abend ganz ihrer weiteren Erörterung gewidmet war. Als Einleitung zu der abendlichen Besprechung sagte Jesus: "Meine Lieben, bei der Unterweisung müsst ihr stets differenziert vorgehen und eure Darstellung der Wahrheit dem Verstand und den Herzen derer, die ihr vor euch habt, anpassen. Wenn ihr vor einer Vielheit verschiedener Intellekte und Temperamente steht, könnt ihr nicht für jede Zuhörergruppe andere Worte wählen, aber ihr könnt eine Geschichte erzählen, um eure Lehre zu vermitteln; und jede Gruppe, sogar jeder Einzelne, wird daraufhin imstande sein, eurem Gleichnis je nach seinen intellektuellen und geistigen Gaben seine persönliche Deutung zu geben. Ihr sollt euer Licht scheinen lassen, aber tut es mit Weisheit und Besonnenheit. Niemand zündet eine Lampe an und bedeckt sie dann mit einem Gefäß oder stellt sie unter das Bett; er stellt die Lampe auf einen Ständer, wo alle ihr Licht sehen können. Lasst mich euch sagen, dass im Königreich des Himmels nichts verborgen ist, was nicht offenbart werden wird; noch gibt es dort irgendwelche Geheimnisse, die nicht letztendlich bekannt werden sollen. All diese Dinge sollen schließlich ans Licht kommen. Denkt nicht nur an die Menge und wie sie die Wahrheit hört; achtet auch darauf, wie ihr selbst hört. Erinnert euch daran, dass ich euch oft gesagt habe: Dem, der hat, wird noch mehr gegeben werden, aber dem, der nichts hat, wird sogar das, was er zu haben glaubt, genommen werden." Die Fortsetzung der Besprechung der Gleichnisse und die zusätzliche Anleitung zu ihrer Interpretation kann in heutiger Ausdrucksweise wie folgt zusammengefasst und formuliert werden: 1. Jesus riet vom Gebrauch von Fabeln und Allegorien beim Unterrichten der Wahrheiten des Evangeliums ab. Er empfahl den freien Gebrauch von Gleichnissen, insbesondere von solchen aus der Natur. Er betonte, wie wertvoll die Benutzung der zwischen den natürlichen und geistigen Welten bestehenden Analogien zur Wahrheitsvermittlung ist. Häufig sprach er von der Natur als dem "unwirklichen und vergänglichen Schatten der geistigen Realitäten". 2. Jesus erzählte drei oder vier Gleichnisse aus den hebräischen Schriften und machte auf die Tatsache aufmerksam, dass diese Unterrichtsmethode nicht ganz neu war. Sie wurde indessen durch die Art und Weise, wie er sich ihrer von da an bediente, fast zu einer neuen Lehrmethode. 3. Jesus lehrte die Apostel den Wert der Gleichnisse und lenkte dabei ihre Aufmerksamkeit auf die folgenden Punkte: Das Gleichnis erlaubt es, gleichzeitig sehr unterschiedliche Verstandes- und Geistesebenen anzusprechen. Das Gleichnis stimuliert die Vorstellungskraft, fordert das Unterscheidungsvermögen heraus und provoziert kritisches Denken; es fördert Gleichgestimmtheit, ohne Gegensätze wachzurufen. Das Gleichnis geht von bekannten Dingen aus und führt zur Erkenntnis der unbekannten. Das Gleichnis benutzt das Materielle und Natürliche als Mittel, um das Geistige und Übermaterielle einzuführen. Gleichnisse begünstigen unparteiische sittliche Entscheidungen. Das Gleichnis umgeht manches Vorurteil, führt eine neue Wahrheit taktvoll in das Bewusstsein ein und vollbringt all das bei einem Minimum an Abwehrreaktionen persönlichen Unwillens. Um eine in gleichnishafte Analogie eingekleidete Wahrheit zurückzuweisen, ist eine bewusste intellektuelle Tätigkeit erforderlich, die eigenes ehrliches Urteil und eigene faire Entscheidung geradewegs verachtet. Das Gleichnis dient dazu, über den Gehörsinn zum Denken zu zwingen. Der Gebrauch der Unterrichtsform in Gleichnissen erlaubt es dem Lehrer, neue und sogar überraschende Wahrheiten zu vermitteln und gleichzeitig Kontroversen und den äußeren Zusammenprall mit Tradition und anerkannter Autorität weitgehend zu vermeiden. Das Gleichnis hat auch den Vorteil, die vermittelte Wahrheit jedesmal ins Gedächtnis zurückzurufen, wenn man später denselben vertrauten Szenen wiederbegegnet. Auf diese Art versuchte Jesus seine Anhänger mit vielen der Gründe für die immer häufigere Verwendung von Gleichnissen in seinen öffentlichen Unterweisungen vertraut zu machen. Gegen Ende dieser Abendlektion gab Jesus seinen ersten Kommentar zum Gleichnis vom Sämann. Er sagte, dieses beziehe sich auf zweierlei Dinge: Erstens war es ein Rückblick auf sein eigenes Wirken bis zu dieser Stunde und eine Vorhersage dessen, was ihm für den Rest seines Erdenlebens bevorstand. Und zweitens war es auch eine Anspielung auf das, was die Apostel und andere Botschafter des Königreichs bei ihrer Tätigkeit im Laufe der Zeit von Generation zu Generation zu erwarten haben würden. Jesus nahm auch Zuflucht zum Gebrauch der Gleichnisse als bestmöglicher Entkräftung des wohlberechneten Bemühens der religiösen Führer Jerusalems, zu sagen, er vollbringe alles unter Mithilfe von Dämonen und des Fürsten der Teufel. Die Berufung auf die Natur lief einer solchen Lehre zuwider, da die damaligen Menschen alle natürlichen Phänomene auf die direkte Einwirkung geistiger Wesen und übernatürlicher Kräfte zurückführten. Er entschied sich zudem für diese Lehrmethode, weil sie es ihm ermöglichte, all jenen, die den besseren Weg kennen wollten, grundlegende Wahrheiten zu verkündigen, und gleichzeitig seinen Feinden weniger Gründe zu liefern, an ihm Anstoß zu nehmen oder ihn anzuklagen. Bevor er die Versammelten zur Nachtruhe entließ, sagte Jesus: "Jetzt will ich euch das Ende des Gleichnisses vom Sämann erzählen. Ich möchte euch prüfen, um zu wissen, wie ihr dieses aufnehmt: Das Königreich gleicht auch einem Mann, der gute Saat auf die Erde streute; und während er nachts schlief und tagsüber seinen Geschäften nachging, keimte der Same und wuchs, und obwohl der Mann nicht wusste, wie es geschah, begann die Pflanze, Frucht zu tragen. Zuerst kam der Halm, dann die Ähre und zuletzt das volle Korn in der Ähre. Und als das Korn reif war, nahm er die Sichel und brachte die Ernte ein. Wer Ohren hat zu hören, der höre." Oft sannen die Apostel über diese Worte nach, aber der Meister kam nie wieder auf diesen Zusatz zum Gleichnis vom Sämann zu sprechen. ***** 151.4 Weitere Gleichnisse am See ***** Am nächsten Tag lehrte Jesus das Volk wiederum vom Boot aus. Er sprach: "Das Königreich des Himmels gleicht einem Mann, der guten Samen auf sein Feld säte; aber während er schlief, kam sein Feind, säte Unkraut zwischen den Weizen und machte sich davon. Und als nun die jungen Halme aufschossen und später Frucht trugen, erschien auch das Unkraut. Da kamen die Diener zum Herrn des Hauses und sprachen zu ihm: ,Herr, du hast doch guten Samen auf dein Feld gesät? Woher kommt denn dieses Unkraut?' Er gab seinen Dienern zur Antwort: `Das hat ein Feind getan.' Da fragten die Diener ihren Herrn: `Willst du, dass wir hin-ausgehen und dieses Unkraut ausreißen?' Aber er antwortete ihnen: `Nein, denn während ihr das Unkraut jätet, reißt ihr auch den Weizen mit heraus. Lasst sie lieber beide bis zur Erntezeit miteinander wachsen. Alsdann werde ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bündelt es, um es zu verbrennen, und danach sammelt den Weizen auf, um ihn in meiner Scheune zu lagern.' " Nachdem die Leute einige Fragen gestellt hatten, erzählte Jesus ein anderes Gleichnis: "Das Königreich des Himmels gleicht einem Senfkorn, das ein Mann auf sein Feld säte. Nun ist das Senfkorn das geringste aller Samenkörner, aber wenn es voll entwickelt ist, wird es zum größten aller Kräuter und gleicht einem Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und sich in seinen Zweigen niederlassen können." "Das Königreich des Himmels gleicht auch einem Sauerteig, den eine Frau nahm und in drei Maß Mehl verbarg, und so kam es, dass das ganze Mehl aufging." "Das Königreich des Himmels gleicht auch einem Schatz, der in einem Feld verborgen lag und den ein Mann entdeckte. In seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er besaß, um das Geld zum Kauf des Feldes zu haben." "Das Königreich des Himmels gleicht auch einem Kaufmann, der auf der Suche nach schönen Perlen war; und nachdem er eine sehr kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin und verkaufte seinen ganzen Besitz, um die außerordentliche Perle erwerben zu können." "Das Königreich des Himmels gleicht auch einem Schleppnetz, das ins Meer geworfen wurde und Fische aller Art einfing. Als das Netz voll war, zogen es die Fischer an den Strand, wo sie sich niedersetzten und die Fische sortierten; die guten füllten sie in Gefäße, aber die schlechten warfen sie weg." Jesus erzählte der Menge noch viele andere Gleichnisse. In der Tat unterwies er die Massen von dieser Zeit an selten anders als durch dieses Mittel. Nachdem er sich öffentlich in Gleichnissen an die Zuhörerschaft gewandt hatte, gab er den Aposteln und Evangelisten während des abendlichen Unterrichts gewöhnlich ausführlichere und eingehendere Erläuterungen zu seinen Unterweisungen. ***** 151.5 Der Besuch in Kheresa ***** Unaufhörlich schwoll die Menge während der ganzen Woche an. Am Sabbat entfloh Jesus in die Berge, aber mit dem Sonntagmorgen kehrten die Massen zurück. Am frühen Nachmittag sprach Jesus nach der Predigt des Petrus zu ihnen, und als er geendet hatte, sagte er zu seinen Aposteln: "Ich bin der Massen müde; lasst uns auf die andere Seite übersetzen, um einen Tag lang auszuruhen." Auf der Fahrt über den See wurden sie von einem jener heftigen und plötzlichen Stürme überrascht, die besonders in dieser Jahreszeit für das Galiläische Meer charakteristisch sind. Dessen Wasserfläche liegt mehr als zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel und ist besonders im Westen von hohen Uferböschungen umgeben. Vom See führen steile Schluchten in die Berge hinauf, und da am Tage eine Ansammlung erhitzter Luft über dem See aufsteigt, neigt die sich abkühlende Luft der Schluchten nach Sonnenuntergang dazu, auf den See hinabzufegen. Diese Stürme treten plötzlich auf und verziehen sich manchmal ebenso rasch wieder. Gerade ein solcher abendlicher Sturm überraschte das Boot, das Jesus an diesem Sonntagabend an das andere Ufer hinübertrug. Drei weitere Boote mit einigen jüngeren Evangelisten fuhren hinterher. Es war ein sehr schwerer Sturm, obwohl er auf diesen Teil des Sees beschränkt war und am Westufer nichts auf ihn hindeutete. Der Wind blies so heftig, dass die Wellen begannen, über dem Boot zusammenzuschlagen. Bevor die Apostel das Segel einrollen konnten, hatte ein Windstoß es weggerissen, und, nun ausschließlich auf ihre Ruder angewiesen, bewegten sie sich nur mühsam auf das knapp drei Kilometer entfernte Ufer zu. Unterdessen lag Jesus schlafend im Schiffsheck unter einem kleinen schützenden Aufbau. Der Meister war müde, als sie Bethsaida verließen, und um sich Ruhe zu sichern, hatte er sie angewiesen, mit ihm auf die andere Seite hinüberzusegeln. Diese ehemaligen Fischer waren kräftige und erfahrene Ruderer, aber dies war einer der schlimmsten Stürme, die sie je erlebt hatten. Obwohl der Wind und die Wellen ihr Boot herumwarfen, als wäre es ein Spielzeug, schlummerte Jesus ungestört weiter. Petrus war am rechten Ruder nahe beim Heck. Als das Boot sich mit Wasser zu füllen begann, ließ er sein Ruder fallen, stürzte zu Jesus hinüber, schüttelte ihn heftig, um ihn aufzuwecken, und als er wach war, sagte er zu ihm: "Meister, weißt du nicht, dass wir in einem gewaltigen Sturm sind? Wenn du uns nicht rettest, werden wir alle umkommen." Als Jesus in den Regen hinaustrat, schaute er zuerst Petrus an, spähte dann in der Dunkelheit nach den kämpfenden Ruderern, blickte wiederum auf Simon Petrus, der in der Aufregung noch nicht an sein Ruder zurückgekehrt war, und sprach: "Warum seid ihr alle so angsterfüllt? Wo ist euer Glaube? Friede, seid ruhig." Kaum hatte Jesus diesen Vorwurf an Petrus und die anderen Apostel gerichtet, kaum hatte er Petrus aufgefordert, Frieden zu suchen, um seine verängstigte Seele zu beruhigen, als die gestörte Atmosphäre ihr Gleichgewicht wiederfand und sich eine tiefe Ruhe einstellte. Die zornigen Wellen legten sich fast auf der Stelle, während die dunklen Wolken, die sich in einem kurzen Schauer entleert hatten, verschwanden und die Sterne am Firmament funkelten. Soweit wir es beurteilen können, war all dies reiner Zufall; aber die Apostel, allen voran Simon Petrus, hörten nie auf, diese Episode als ein Naturwunder zu betrachten. Es fiel den damaligen Menschen besonders leicht, an Naturwunder zu glauben, da sie der festen Überzeugung waren, die ganze Natur sei ein unter direkter Kontrolle geistiger Kräfte und übernatürlicher Wesen stehendes Phänomen. Jesus setzte den Zwölfen klar auseinander, dass er zu ihren beunruhigten Seelen gesprochen und sich an ihre angstgeschüttelten Gemüter gerichtet habe, dass er den Elementen nicht befohlen habe, seinem Wort zu gehorchen; aber all das war vergeblich. Die Anhänger des Meisters beharrten stets darauf, all solchen zufälligen Ereignissen ihre eigene Deutung zu geben. Von diesem Tag an hielten sie an der Ansicht fest, der Meister habe absolute Gewalt über die Naturelemente. Petrus wurde nie müde zu proklamieren, dass "ihm selbst die Winde und Wellen gehorchen". Jesus und seine Gefährten erreichten das Ufer erst spät an diesem Abend, und da es eine stille und schöne Nacht war, ruhten sie alle in den Booten und gingen erst am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang an Land. Als alle, ungefähr vierzig an der Zahl, versammelt waren, sagte Jesus: "Gehen wir in die Berge hinüber und bleiben dort ein paar Tage, derweilen wir über die Probleme des Königreichs des Vaters nachdenken." ***** 151.6 Der Geistesgestörte von Kheresa ***** Während der größte Teil des nahen östlichen Seeufers sanft zum dahinter liegenden Hochland anstieg, erhob sich hier ein steiler Berghang, der stellenweise senkrecht in den See abfiel. Auf den nahen Felshang weisend, sagte Jesus: "Lasst uns auf diesen Berg steigen, um dort zu frühstücken und uns unter den schützenden Felsen auszuruhen und zu unterhalten." Der ganze Hang war voller Höhlen, die aus dem Fels gehauen worden waren. Viele dieser Felsnischen waren alte Gräber. Etwa auf halber Höhe befand sich an einer schmalen, verhältnismäßig ebenen Stelle der Friedhof des kleinen Dorfes Kheresa. Als Jesus und seine Gefährten an diesem Gräberort vorbeikamen, stürzte ein Geistesgestörter, der in diesen Felshöhlen hauste, auf sie zu. Man kannte diesen Wahnsinnigen in der Gegend gut, denn er war früher gefesselt und angekettet in eine der Felsgrotten verbannt worden. Seit langem hatte er seine Fesseln gesprengt und irrte nun, wie es ihm gefiel, zwischen den Gräbern und verlassenen Totengrüften umher. Dieser Mann hieß Amos und litt an einer periodischen Form von Geisteskrankheit. Es gab aber auch recht lange Zeiten, in denen er sich bekleidete und sich unter seinen Mitbürgern recht gut aufführte. Während eines dieser klaren Intervalle war er nach Bethsaida hinübergegangen, hatte dort Jesus und die Apostel predigen gehört und halbherzig an das Evangelium des Königreichs zu glauben begonnen. Aber bald stellte sich wieder eine stürmische Phase seines Leidens ein, und er floh zu den Gräbern, wo er wehklagte und laut schrie und durch sein Benehmen alle, die ihm begegneten, in Schrecken versetzte. Als Amos Jesus erkannte, fiel er zu seinen Füßen nieder und rief aus: "Ich kenne dich, Jesus, aber ich bin von vielen Dämonen besessen, und ich flehe dich an, mich nicht zu quälen." Dieser Mann glaubte wirklich, seine periodische Geistesgestörtheit sei der Tatsache zuzuschreiben, dass in solchen Zeiten böse oder unreine Geister in ihn fuhren und seinen Verstand und Körper beherrschten. Sein Leiden war größtenteils emotionaler Art - sein Hirn war nicht so stark erkrankt. Jesus sah auf den Mann herab, der sich zu seinen Füßen wie ein Tier duckte, beugte sich zu ihm, nahm ihn bei der Hand, half ihm auf die Beine und sagte zu ihm: "Amos, du bist von keinem bösen Geist besessen; du hast bereits die gute Nachricht gehört, dass du ein Sohn Gottes bist. Ich befehle dir, aus diesem Zustand herauszukommen." Als Amos Jesus diese Worte sprechen hörte, ging in seinem Denken eine derartige Verwandlung vor, dass er augenblicklich seinen klaren Verstand und seine normale Gefühlskontrolle wiedererlangte. Mittlerweile hatte sich eine beträchtliche Menschenmenge aus dem nahen Dorf eingefunden, und diese Leute, vermehrt um die Schweinehirten vom darüber gelegenen Hochland, staunten beim Anblick des Irren, der bei Jesus und seinen Jüngern saß und sich mit ihnen bei klarem Verstand frei unterhielt. Während die Schweinehirten ins Dorf stürzten, um die Nachricht von der Zähmung des Geistesgestörten zu verbreiten, griffen die Hunde eine kleine, unbehütete Herde von etwa dreißig Schweinen an und trieben die meisten davon über den Abgrund ins Meer. Und diese zufällige Begebenheit, verknüpft mit Jesu Gegenwart und der angeblich wunderbaren Heilung des Irren, gab den Anlass zur Entstehung der Legende, Jesus habe Amos geheilt, indem er eine Legion von Dämonen aus ihm ausgetrieben habe, worauf diese in eine Herde von Schweinen gefahren seien, die sich daraufhin kopfüber in ihr Verderben ins Meer hinabgestürzt hätten. Noch bevor der Tag vorüber war, hatten die Schweinehirten diese Version überall verkündet, und das ganze Dorf glaubte daran. Ganz gewiss glaubte auch Amos diese Geschichte; denn kurz nachdem sich sein gestörter Geist beruhigt hatte, sah er die Schweine über den Bergrand ins Leere stürzen, und er glaubte immer daran, dass sie eben jene bösen Geister mit sich forttrugen, die ihn so lange gequält und heimgesucht hatten. Und dieser Umstand trug viel dazu bei, dass seine Heilung von Dauer war. Wahr ist auch, dass ebenfalls alle Apostel Jesu (Thomas ausgenommen) glaubten, dass die Schweineepisode direkt mit Amos' Heilung verknüpft war. Jesus kam nicht in den Genuss der ersehnten Ruhe. Fast den ganzen Tag über wurde er von Leuten bedrängt, die auf die Kunde von der Heilung des Amos herbeigeeilt waren und von der Geschichte angezogen wurden, die Dämonen seien aus dem Irren in die Schweineherde gefahren. Und so wurden Jesus und seine Freunde nach nur einer Nacht der Ruhe am frühen Dienstagmorgen durch eine Abordnung der heidnischen Schweinezüchter aufgeweckt, die kamen, um ihn dringend zu bewegen, sich aus ihrer Mitte wegzubegeben. Ihr Wortführer sagte zu Petrus und Andreas: "Ihr Fischer von Galiläa, verlasst unser Gebiet und nehmt euren Propheten mit euch. Wir wissen, dass er ein heiliger Mann ist, aber die Götter unseres Landes kennen ihn nicht, und wir stehen in Gefahr, viele Schweine zu verlieren. Die Furcht vor euch hat sich auf uns gelegt, und wir bitten euch, von hier fortzugehen." Als Jesus sie so sprechen hörte, sagte er zu Andreas: "Kehren wir nach Hause zurück." Als sie sich zum Weggehen anschickten, drang Amos in Jesus, ihm zu erlauben, mit ihnen zurückzukehren, aber der Meister wollte nicht einwilligen. Jesus sagte zu Amos: "Vergiss nicht, dass du ein Sohn Gottes bist. Kehre zu deinen eigenen Leuten zurück und zeige ihnen, was für große Dinge Gott für dich getan hat." Und Amos ging überall verkünden, Jesus habe eine Legion Teufel aus seiner verstörten Seele gejagt, und diese bösen Geister seien in eine Herde von Schweinen gefahren, welche sie sogleich ins Verderben getrieben hätten. Und er hielt nicht eher inne, als bis er alle Städte der Dekapolis besucht und überall verkündet hatte, was für große Dinge Jesus für ihn getan hatte. ****** Kapitel 152 Ereignisse, die zu der Krise in Kapernaum Führen ****** DIE Geschichte der Heilung von Amos, dem Geistesgestörten von Kheresa, hatte Bethsaida und Kapernaum bereits erreicht, so dass, als Jesu Boot an jenem Dienstagvormittag landete, eine große Menschenmenge auf ihn wartete. In der Menge befanden sich auch die neuen Beobachter des Sanhedrins von Jerusalem, die nach Kapernaum herabgekommen waren, um einen Grund für die Verhaftung und Verurteilung des Meisters zu finden. Als Jesus mit den zu seiner Begrüßung Versammelten sprach, bahnte sich Jairus, einer der Synagogenleiter, einen Weg durch die Menge, fiel ihm zu Füßen, nahm ihn bei der Hand und flehte ihn an, doch eiligst mit ihm zu kommen. Er sagte: "Meister, meine kleine Tochter, mein einziges Kind, liegt todkrank bei mir zu Hause. Ich flehe dich an, komm und heile sie." Als Jesus die Bitte des Vaters hörte, sagte er: "Ich komme mit dir." Während Jesus mit Jairus voranschritt, folgte dicht hinter ihnen der große Menschenhaufen, der des Vaters Bitte gehört hatte, um zu sehen, was geschehen würde. Kurz bevor sie das Haus des Leiters erreichten, eilten sie durch eine enge Gasse, wo die Menge Jesus bedrängte, als er plötzlich anhielt und ausrief: "Jemand hat mich berührt." Und als die Umstehenden verneinten, ihn berührt zu haben, sprach Petrus frei heraus: "Meister, du siehst doch, dass die Menge dich bedrängt und droht, uns zu erdrücken, und trotzdem sagst du: `Jemand hat mich berührt.' Was meinst du damit?" Da antwortete Jesus: "Ich habe gefragt, wer mich berührt hat, weil ich gespürt habe, dass lebendige Energie von mir ausgegangen ist." Jesus schaute sich um, und dabei fiel sein Blick auf eine Frau in der Nähe, die herbeikam, zu seinen Füßen niederkniete und sagte: "Seit vielen Jahren leide ich unter einer quälenden Blutung. Ich habe durch viele Ärzte manches erlitten; ich habe dafür meinen ganzen Besitz weggegeben, aber keiner konnte mich heilen. Da hörte ich von dir, und ich dachte, könnte ich bloß den Saum deines Gewandes berühren, so wäre ich sicherlich geheilt. Und so drängte ich mich in der sich vorwärts bewegenden Menge nach vorn, bis ich neben dir stand, Meister, und den Saum deines Gewandes berührte und geheilt wurde; ich weiß, dass ich von meinem Leiden geheilt bin." Als Jesus das hörte, nahm er die Frau bei der Hand, hob sie auf und sagte: "Meine Tochter, dein Glaube hat dich geheilt; geh hin in Frieden." Es war ihr Glaube, und nicht ihre Berührung, der sie geheilt hatte. Und dieser Fall ist ein gutes Beispiel für viele vermeintliche Wunderheilungen, die Jesu irdischen Lebensweg begleiteten, von ihm aber in keiner Weise bewusst gewollt wurden. Der spätere Verlauf zeigte klar, dass diese Frau wirklich von ihrer Krankheit geheilt war. Ihr Glaube war von einer Art, die sich unmittelbar der Schöpferkraft bemächtigte, welche der Person des Meisters innewohnte. Mit dem Glauben, den sie besaß, genügte es, sich der Person des Meisters zu nähern. Es war vollkommen unnötig, sein Gewand zu berühren. Das war nur der abergläubische Teil ihres Glaubens. Jesus rief diese Frau, Veronika von Cäsarea-Philippi, zu sich, um zwei Irrtümer zu korrigieren, die in ihren oder in den Gedanken der übrigen Zeugen dieser Heilung hätten fortleben können: Er wollte nicht, dass Veronika mit dem Gedanken wegging, ihre Furcht, aus der heraus sie versuchte, ihre Heilung zu stehlen, sei belohnt worden, oder ihr Aberglaube, die Berührung seines Kleides mit der Heilung zu verbinden, sei wirksam gewesen. Alle, wünschte er, sollten wissen, dass ihr reiner und lebendiger Glaube die Heilung bewirkt hatte. ***** 152.1 Im Hause des Jairus ***** Jairus war verständlicherweise wegen dieser Verzögerung auf dem Weg nach Hause äußerst ungeduldig; also beschleunigten sie jetzt ihre Schritte. Noch bevor sie den Hof des Leiters be-traten, kam einer seiner Diener heraus und sagte: "Bemühe den Meister nicht; deine Tochter ist tot". Aber Jesus schien die Worte des Dieners zu überhören, denn er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und wandte sich an den tiefbekümmerten Vater mit den Worten: "Fürchte nichts; glaube nur." Als er das Haus betrat, fand er dort schon die Flötenspieler und die Trauernden, die einen unziemlichen Lärm vollführten; und schon weinten und wehklagten die Angehörigen. Nachdem er alle Trauernden aus dem Zimmer gewiesen hatte, ging er mit dem Vater, der Mutter und den drei Aposteln hinein. Er hatte den Wehklagenden gesagt, dass das Mädchen nicht tot sei, aber sie verlachten ihn. Jesus wandte sich der Mutter zu und sprach: "Deine Tochter ist nicht tot, sie schläft nur." Und als es im Hause ruhiger geworden war, trat Jesus an das Lager des Kindes, nahm es bei der Hand und sagte: "Meine Tochter, ich sage dir, erwache, und steh auf!" Und als das Mädchen diese Worte vernahm, erhob es sich sogleich und ging durch das Zimmer. Und sobald es sich von seiner Benommenheit erholt hatte, gab Jesus Weisung, sie sollten ihm etwas zu essen geben; denn es war seit langem ohne Nahrung geblieben. Da in Kapernaum heftig gegen Jesus agitiert wurde, rief er die Familie zusammen und erklärte ihr, dass das Mädchen nach einem langen Fieber in ein Koma gefallen war und dass er es nur geweckt und keinesfalls von den Toten auferweckt habe. All das setzte er auch seinen Aposteln auseinander, aber es war vergebens; sie glaubten alle daran, er habe das kleine Mädchen von den Toten auferweckt. Was auch immer Jesus zur Erklärung vieler dieser vermeintlichen Wunder vorbrachte, hatte auf seine Anhänger kaum Wirkung. Sie waren auf Wunder erpicht und verloren keine Gelegenheit, Jesus ein neues Mirakel zuzuschreiben. Jesus und die Apostel kehrten nach Bethsaida zurück, nachdem er ihnen allen besonders eingeschärft hatte, niemandem etwas darüber zu erzählen. Als er aus Jairus' Haus trat, folgten ihm zwei von einem stummen Jungen geführte Blinde und riefen nach Heilung. Um diese Zeit hatte Jesu Ruf als Heiler seinen Höhepunkt erreicht. Wohin er auch ging, warteten die Kranken und Leidenden auf ihn. Der Meister sah jetzt sehr abgespannt aus, und alle seine Freunde wurden besorgt und befürchteten einen wirklichen Zusammenbruch, falls er so zu lehren und heilen fortführe. Jesu Apostel, von den gewöhnlichen Menschen ganz zu schweigen, waren ausserstande, Natur und Eigenschaften dieses Gottmenschen zu begreifen. Ebenso wenig war irgendeine spätere Generation fähig zu beurteilen, was sich auf der Erde in der Person Jesu von Nazareth ereignet hatte. Und nie mehr kann sich weder Wissenschaft noch Religion eine Gelegenheit bieten, diese bedeutenden Ereignisse zu überprüfen aus dem einfachen Grunde, weil eine so außerordentliche Situation nie wieder eintreten kann, weder auf dieser noch irgendeiner anderen Welt Nebadons. Nie wieder wird auf irgendeiner Welt dieses gesamten Universums ein Wesen in Menschengestalt erscheinen, das zugleich eine Kombination aller Attribute schöpferischer Energie mit Geistesgaben verkörpert, welche die Zeit und die meisten anderen materiellen Beschränkungen transzendieren. Niemals ist es vor Jesu Anwesenheit auf Erden noch seither möglich gewesen, dass der starke und lebendige Glaube von sterblichen Männern und Frauen so unmittelbare und anschauliche Resultate erwirkte. Um diese Phänomene zu wiederholen, müssten wir uns in die unmittelbare Gegenwart Michaels, des Schöpfers, begeben und ihn so finden, wie er damals war - als Menschensohn. Obwohl seine Abwesenheit heute solche materiellen Erscheinungen verhindert, solltet ihr euch ebenso sehr davor hüten, einem möglichen Beweis seiner geistigen Macht irgendwelche Grenzen zu setzen. Wenn der Meister auch als materielles Wesen abwesend ist, so ist er doch als geistiger Einfluss in den Herzen der Menschen gegenwärtig. Indem er von der Welt schied, ermöglichte Jesus es seinem Geist, neben demjenigen seines Vaters zu leben, der dem Verstand aller Menschen innewohnt. ***** 152.2 Die Speisung der Fünftausend ***** Jesus fuhr fort, tagsüber das Volk zu lehren und abends die Apostel und Evangelisten zu unterrichten. Am Freitag kündigte er einen einwöchigen Urlaub an, um all seinen Jüngern Gelegenheit zu geben, einige Tage zu Hause oder mit ihren Freunden zu verbringen, bevor sie sich bereitmachten, zum Passahfest nach Jerusalem hinaufzugehen. Aber mehr als die Hälfte seiner Schüler lehnte es ab, ihn zu verlassen, und die Menge schwoll täglich an, so dass David Zebedäus ein neues Lager einrichten wollte, wozu Jesus aber seine Einwilligung verweigerte. Der Meister fand den Sabbat über so wenig Ruhe, dass er am Sonntagmorgen, dem 27. März, der Menge zu entrinnen versuchte. Einige Evangelisten wurden zurückgelassen, um zu der Menge zu sprechen, während Jesus und die Zwölf planten, unbemerkt zum gegenüberliegenden Seeufer zu entweichen. Dort glaubten sie, die so sehr benötigte Ruhe in einem schönen, südlich von Bethsaida-Julias gelegenen Park zu finden. Diese Gegend war ein beliebtes Ausflugsziel der Bewohner von Kapernaum; alle kannten diese Haine an der östlichen Küste sehr gut. Aber die Leute wollten es anders haben. Als sie sahen, in welcher Richtung sich das Boot Jesu entfernte, mieteten sie jedes nur verfügbare Transportmittel und nahmen die Verfolgung auf. Wer sich kein Boot verschaffen konnte, machte sich auf und ging zu Fuß um das obere Seeende herum. Bis am späten Nachmittag hatten etwa eintausend Menschen den Meister in einem der Haine ausfindig gemacht. Er sprach kurz zu ihnen, dann löste Petrus ihn ab. Viele von ihnen hatten Proviant mitgebracht; nachdem sie das Abendbrot verzehrt hatten, versammelten sie sich in kleinen Gruppen, und die Apostel und Schüler Jesu unterwiesen sie. Am Montagnachmittag war die Menge auf über dreitausend angeschwollen. Und bis spät am Abend kamen immer noch Leute in Scharen an, die Kranke aller Art mitbrachten. Hunderte von interessierten Menschen hatten geplant, auf ihrem Weg zum Passahfest in Kapernaum Halt zu machen, um Jesus zu sehen und zu hören, und sie wollten ganz einfach nicht enttäuscht werden. Bis Mittwochmittag waren ungefähr fünftausend Männer, Frauen und Kinder in dieser Parklandschaft südlich von Bethsaida-Julias versammelt. Das Wetter war angenehm, denn das Ende der Regenzeit in dieser Gegend war nahe. Philipp hatte für Jesus und die Zwölf Verpflegung für drei Tage besorgt, die der junge Markus, ihr Bursche für alles, verwahrte. Bis zum Nachmittag dieses Tages, des dritten für fast die Hälfte der Menge, war die von den Leuten mitgebrachte Nahrung beinah aufgebraucht. David Zebedäus stand hier keine Zeltstadt zur Verfügung, um die Massen zu verpflegen und unterzubringen, noch hatte Philipp Lebensmittel für eine derartige Menge vorgesehen. Aber obgleich die Leute hungrig waren, wollten sie nicht weggehen. Es wurde herumgeflüstert, dass Jesus aus dem Wunsch heraus, Schwierigkeiten mit Herodes und den Führern in Jerusalem zu vermeiden, diesen ruhigen und außerhalb der Gerichtsbarkeit aller seiner Feinde gelegenen Erdenfleck als geeigneten Ort ausgewählt habe, um sich zum König krönen zu lassen. Die Begeisterung des Volkes wuchs mit jeder Stunde. Man sagte Jesus kein Wort davon, obwohl er natürlich genau wusste, was vor sich ging. Sogar die zwölf Apostel und insbesondere die jüngeren Evangelisten waren immer noch mit solchen Vorstellungen behaftet. Die Apostel, die diesen Versuch, Jesus zum König zu proklamieren, befürworteten, waren Petrus, Johannes, Simon Zelotes und Judas Iskariot. Gegen den Plan stellten sich Andreas, Jakobus, Nathanael und Thomas. Matthäus, Philipp und die Alphäus-Zwillinge legten sich nicht fest. Anführer in diesem Komplott, ihn zum König auszurufen, war Joab, einer der jungen Evangelisten. So lagen die Dinge um fünf Uhr am Mittwochnachmittag, als Jesus Jakobus Alphäus bat, Andreas und Philipp zu ihm zu rufen. Jesus sagte: "Was sollen wir mit der Menge tun? Sie sind nun schon drei Tage bei uns, und viele von ihnen sind hungrig. Sie haben nichts zu essen." Philipp und Andreas warfen sich gegenseitig Blicke zu, und dann antwortete Philipp: "Meister, du solltest die Leute wegschicken, damit sie sich in den umliegenden Dörfern selber Nahrung kaufen können." Und Andreas, der die Ausführung des Königskomplotts befürchtete, schloss sich Philipp rasch mit den Worten an: "Ja, Meister, ich denke, das Beste ist, du entlässt die Menge, damit sie ihrer Wege gehen und Verpflegung kaufen können, während du dir eine Zeit lang Ruhe gönnst." Mittlerweile hatten sich von den Zwölfen noch weitere zu der Besprechung eingefunden. Da sagte Jesus: "Aber ich will sie nicht hungrig wegschicken; könnt ihr sie nicht verpflegen?" Das war zu viel für Philipp, der sich mit den Worten Luft machte: "Meister, wo können wir hier auf dem Land Brot für eine solche Menschenmenge kaufen? Zweihundert Denare würden für ein Mittagessen nicht ausreichen." Bevor die Apostel Zeit hatten, sich zu äußern, wandte sich Jesus an Andreas und Philipp und sprach: "Ich will diese Leute nicht wegschicken. Da sind sie, wie Schafe ohne einen Hirten. Ich möchte ihnen gerne zu essen geben. Was haben wir an Verpflegung bei uns?" Während Philipp sich mit Matthäus und Judas beriet, ging Andreas auf die Suche nach dem jungen Markus, um festzustellen, wieviel von ihrem Lebensmittelvorrat übriggeblieben war. Er kehrte zu Jesus zurück und sagte: "Dem Burschen bleiben nur noch fünf Laibe Gerstenbrot und zwei getrocknete Fische" - und Petrus fügte sofort hinzu: "Und wir müssen heute abend noch essen". Jesus stand einen Augenblick lang schweigend da. Seine Augen schienen in weite Fernen zu schauen. Die Apostel sagten nichts. Da wandte sich Jesus plötzlich an Andreas und sagte: "Bring mir die Brote und die Fische." Und als Andreas Jesus den Korb gebracht hatte, sagte der Meister: "Weist die Leute an, sich in Gruppen zu Hundert ins Gras zu setzen, und bestimmt einen Chef für jede Gruppe. Bringt unterdessen alle Evangelisten hierher zu uns." Jesus nahm die Brotlaibe in die Hände, dankte, brach das Brot und gab es seinen Aposteln, die es an ihre Gefährten weiterreichten, welche es ihrerseits der Menge brachten. In derselben Weise brach und verteilte Jesus die Fische. Und die Menge aß und wurde satt. Und nachdem sie fertig gegessen hatten, sagte Jesus zu den Jüngern: "Sammelt die übriggebliebenen Stücke ein, damit nichts verloren geht." Und als sie mit dem Einsammeln der Reste fertig waren, hatten sie zwölf gefüllte Körbe. Es waren etwa fünftausend Männer, Frauen und Kinder, die an diesem außerordentlichen Festmahl teilgenommen hatten. Und dies ist das erste und einzige Naturwunder, das Jesus als Resultat bewusster Vorausplanung vollbrachte. Es ist wahr, dass seine Jünger dazu neigten, viele Dinge Wunder zu nennen, die keine waren, aber dieses war ein echtes übernatürliches Werk. Man hat uns gelehrt, dass Michael in diesem Fall Nahrungselemente vervielfachte, wie er es immer tut, abgesehen von der Ausschaltung des Faktors Zeit und des sichtbaren Kanals des Lebens. ***** 152.3 Der Krönungsversuch ***** Die Speisung der Fünftausend durch übernatürliche Energie war ein weiterer Fall, wo menschliches Erbarmen verbunden mit Schöpferkraft sich in einem entsprechenden Ereignis ausdrückte. Nun, da sich die Menge satt gegessen hatte und Jesu Ruhm hier und jetzt durch dieses erstaunliche Wunder noch vermehrt worden war, bedurfte der Plan, sich des Meisters zu bemächtigen und ihn zum König auszurufen, keiner weiteren persönlichen Lenkung. Die Idee schien sich in der Menge wie eine ansteckende Krankheit auszubreiten. Die Reaktion der Menge auf diese plötzliche und Aufsehen erregende Befriedigung ihrer physischen Bedürfnisse war tief und überwältigend. Seit langem war den Juden gelehrt worden, dass der Messias, der Sohn Davids, bei seinem Kommen im Lande wieder Milch und Honig fließen lassen würde, und dass ihnen das Brot des Lebens in der Weise des Himmelsmannas geschenkt werden würde, das angeblich in der Wüste auf ihre Vorväter herabgeregnet war. Und erfüllte sich diese ganze Erwartung nicht gerade jetzt vor ihren Augen? Als diese hungrige, unterernährte Menschenmenge aufgehört hatte, sich an der Wundernahrung satt zu essen, gab es nur eine einzige einmütige Reaktion: "Dies ist unser König." Der wunderwirkende Befreier Israels war gekommen. In den Augen dieser einfachen Gemüter schloss die Macht zu ernähren auch das Recht zu herrschen ein. Kein Wunder also, dass sich die Menge, als sie mit Essen fertig war, wie ein Mann erhob und schrie: "Macht ihn zum König!" Dieser mächtige Ruf begeisterte Petrus und jene Apostel, die immer noch die Hoffnung hegten, Jesus werde seinen Herrschaftsanspruch geltend machen. Aber diese falschen Hoffnungen sollten nicht lange leben. Der mächtige Ruf der Menge hatte kaum aufgehört, von den nahen Felsen zu widerzuhallen, als Jesus einen großen Stein bestieg, mit seiner erhobenen Rechten Aufmerksamkeit gebot und sprach: "Meine Kinder, ihr meint es gut, aber ihr seid kurzsichtig und auf Materielles eingestellt." Es trat eine kurze Pause ein; majestätisch stand der robuste Galiläer da im zauberhaften Glühen der östlichen Dämmerstunde. Er war jeder Zoll ein König, als er fortfuhr, zu der atemlosen Menge zu sprechen: "Ihr wollt mich zum König machen, aber nicht etwa, weil eine große Wahrheit eure Seelen erleuchtet hat, sondern weil eure Mägen mit Brot gefüllt worden sind. Wie oft habe ich euch gesagt, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist? Das Königreich des Himmels, das wir verkündigen, ist eine geistige Bruderschaft, und kein Mensch regiert es, der auf einem materiellen Thron sitzt. Mein Vater im Himmel ist der allweise und allmächtige Herrscher über diese geistige Bruderschaft der Söhne Gottes auf Erden. Ist es mir so sehr misslungen, euch den Vater allen Geistes zu offenbaren, dass ihr aus seinem Sohn im Fleische einen König machen möchtet? Geht nun alle von hier nach Hause. Wenn ihr einen König haben müsst, dann errichte jeder von euch in seinem Herzen dem Vater des Lichts als dem geistigen Herrscher aller Dinge einen Thron." Diese Worte Jesu schickten die verstörte und entmutigte Menge weg. Viele, die an ihn geglaubt hatten, kehrten um und folgten ihm von diesem Tag an nicht mehr. Die Apostel waren sprachlos; sie standen schweigend um die zwölf mit Essensresten gefüllten Körbe herum da; nur Markus, ihr junger Gehilfe, sagte: "Und er weigerte sich, unser König zu sein." Bevor Jesus sich entfernte, um in den Bergen allein zu sein, wandte er sich an Andreas mit den Worten: "Führe deine Brüder zurück in das Haus des Zebedäus und bete mit ihnen, insbesondere für deinen Bruder, Simon Petrus." ***** 152.4 Die nächtliche Vision von Simon Petrus ***** Die Apostel, von ihrem Meister fortgeschickt, bestiegen ohne ihn das Boot und begannen schweigend, nach Bethsaida am westlichen Seeufer hinüberzurudern. Keiner von den Zwölfen war so zerschmettert und niedergeschlagen wie Simon Petrus. Kaum ein Wort wurde gesprochen; sie dachten alle an den Meister, der allein in den Bergen war. Hatte er sie verlassen? Nie zuvor hatte er sie alle weggeschickt und sich geweigert, mit ihnen zu gehen. Was mochte all das bedeuten? Die Dunkelheit senkte sich auf sie herab, denn ein heftiger Gegenwind, der ein Vorwärtskommen fast unmöglich machte, hatte sich erhoben. Nach stundenlangem, hartem Rudern in der Dunkelheit wurde Petrus müde und fiel in einen tiefen Erschöpfungsschlaf. Andreas und Jakobus legten ihn auf den gepolsterten Sitz im Heck des Bootes zur Ruhe. Während die anderen Apostel gegen den Wind und die Wellen kämpften, hatte Petrus einen Traum; in einer Vision sah er Jesus auf dem See wandelnd auf sie zukommen. Als der Meister am Boot vorüberzugehen schien, schrie Petrus: "Rette uns, Meister, rette uns!" Und die im hinteren Teil des Bootes waren, hörten ihn einige dieser Worte sprechen. Die nächtliche Erscheinung nahm in Petrus ihren Fortgang, und ihm träumte, er höre Jesus sagen: "Seid guten Mutes; ich bin es; seid ohne Furcht." Das war wie Balsam von Gilead für die verstörte Seele des Petrus; es beschwichtigte seinen bedrängten Geist, so dass er (in seinem Traum) dem Meister zurief: "Herr, wenn du es wirklich bist, dann gebiete mir zu kommen und mit dir auf dem Wasser zu gehen." Und als Petrus begann, auf dem Wasser zu gehen, erschreckten ihn die stürmischen Wellen, und als er im Begriff war zu versinken, schrie er laut: "Herr, errette mich!" Und mehrere der Zwölf hörten ihn diesen Schrei ausstoßen. Dann träumte Petrus, Jesus komme ihm zu Hilfe, strecke seine Hand nach ihm aus, fasse ihn und hebe ihn mit den Worten empor: "Oh, du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?" In Verbindung mit dem letzten Teil seines Traumes erhob sich Petrus von dem Sitz, auf dem er schlief, und schritt tatsächlich über Bord ins Wasser. Und er erwachte aus seinem Traum, als Andreas, Jakobus und Johannes sich zu ihm hinabbeugten und ihn aus dem Wasser zogen. Für Petrus war dieses Erlebnis stets Wirklichkeit. Er glaubte aufrichtig daran, dass Jesus in jener Nacht zu ihnen gekommen war. Er überzeugte Johannes Markus nur halbwegs, was erklärt, weshalb Markus in seiner Erzählung einen Teil der Geschichte ausließ. Lukas, der Arzt, der diesen Dingen sorgfältig nachging, kam zu dem Schluss, dass die Episode eine Vision des Petrus war und lehnte es deshalb ab, der Geschichte bei der Abfassung seines Berichtes einen Platz einzuräumen. ***** 152.5 Zurück in Bethsaida ***** Am Donnerstagmorgen vor Tagesanbruch verankerten sie ihr Boot in Ufernähe bei Zebedäus' Haus und legten sich bis gegen Mittag schlafen. Andreas stand als erster auf und ging am See spazieren. Hier fand er Jesus in Begleitung ihres jungen Gehilfen auf einem Stein am Wasserrand sitzen. Während manch einer aus der Menge und die jungen Evangelisten die ganze Nacht hindurch und einen guten Teil des nächsten Tages in den östlichen Bergen nach Jesus suchten, war er mit dem jungen Markus kurz nach Mitternacht zum Marsch um den See herum und über den Fluss zurück nach Bethsaida aufgebrochen. Von den Fünftausend, die auf wunderbare Weise gespeist worden waren und die, als ihre Mägen voll und ihre Herzen leer waren, ihn zum König hätten machen wollen, folgten ihm unbeirrt nur ungefähr fünfhundert. Aber noch bevor diese erfuhren, dass er nach Bethsaida zurückgekehrt war, gebot Jesus Andreas, er solle die zwölf Apostel und ihre Mitarbeiter einschließlich der Frauen versammeln, indem er sagte: "Ich will mit ihnen sprechen." Und als alle beisammen waren, sagte Jesus: "Wie lange soll ich mit euch noch Nachsicht üben? Seid ihr alle langsam im geistigen Erfassen und mangelt es euch an lebendigem Glauben? All diese Monate habe ich euch die Wahrheiten des Königreichs gelehrt, und dennoch beherrschen euch immer noch materielle Beweggründe anstelle von geistigen Überlegungen. Habt ihr nicht einmal in den Schriften gelesen, wo Moses die ungläubigen Kinder Israels mit den Worten ermahnt: `Fürchtet euch nicht, steht still und seht das Heil des Herrn'? Der Psalmist sagte: `Setzt euer Vertrauen in den Herrn.' `Seid geduldig, wartet auf den Herrn und seid guten Mutes. Er wird euer Herz stärken.' `Werft eure Bürde auf den Herrn, und er wird euch stützen. Vertraut ihm allezeit, und schüttet euer Herz vor ihm aus, denn Gott ist eure Zuflucht.' `Wer am verborgenen Ort des Allerhöchsten wohnt, soll unter dem Schatten des Allmächtigen bleiben.' `Es ist besser, dem Herrn zu vertrauen, als auf menschliche Fürsten zu bauen.' "Seht ihr jetzt alle, dass Wunderwirken und Vollbringen materieller Mirakel keine Seelen für das geistige Königreich gewinnen werden? Wir speisten die Menge, aber das brachte sie nicht dazu, nach dem Brot des Lebens zu hungern und nach den Wassern geistiger Rechtschaffenheit zu dürsten. Als ihr Hunger befriedigt war, trachteten sie nicht danach, ins Königreich des Himmels einzutreten, sondern danach, den Menschensohn nach Art der Könige dieser Welt zum König zu proklamieren, nur um weiterhin Brot essen zu können, ohne dafür hart arbeiten zu müssen. Und all dies, woran sich viele von euch mehr oder weniger beteiligt haben, hilft in keiner Weise, den himmlischen Vater zu offenbaren oder sein Königreich auf Erden voranzubringen. Haben wir unter den religiösen Führern des Landes nicht schon genug Feinde, ohne noch Dinge zu tun, die geeignet sind, uns auch die zivilen Herrscher zu entfremden? Ich bete dafür, der Vater möge eure Augen salben, auf dass ihr seht, und eure Ohren öffnen, auf dass ihr hört, damit ihr in das Evangelium, das ich euch gelehrt habe, euer ganzes Vertrauen setzt." Darauf kündigte Jesus an, er wünsche, sich mit seinen Aposteln für ein paar Ruhetage zurückzuziehen, bevor sie sich bereitmachen würden, zum Passahfest nach Jerusalem zu gehen, und er verbot, dass irgendeiner von der Jüngerschar oder aus der Menge ihm folge. Also fuhren sie mit dem Boot in die Gegend von Genezareth, um hier zwei oder drei Tage lang zu ruhen und zu schlafen. Jesus bereitete sich auf eine große Krise in seinem Erdenleben vor und verbrachte deshalb viel Zeit in Zwiesprache mit dem Vater im Himmel. Die Nachricht von der Speisung der Fünftausend und dem Versuch, Jesus zum König zu krönen, erregte weites Aufsehen und rief die Befürchtungen sowohl der religiösen Führer als auch der zivilen Herrscher ganz Galiläas und Judäas wach. Dieses gewaltige Wunder trug nichts dazu bei, das Evangelium vom Königreich in den Seelen von materialistisch eingestellten und halbherzigen Gläubigen zu fördern, aber es diente auf jeden Fall dem Zweck, eine entscheidende Klärung in den Neigungen von Jesu unmittelbarer Familie von Aposteln und engen Jüngern herbeizuführen, die auf Wunder versessen waren und einen König herbeisehnten. Diese Aufsehen erregende Episode brachte die frühe Periode des Lehrens, Schulens und Heilens zum Abschluss und gab den Weg frei für die Einleitung des letzten Jahres der Verkündigung der höheren und stärker vergeistigten Phasen des neuen Evangeliums des Königreichs: göttliche Sohnschaft, geistige Freiheit und ewige Errettung. ***** 152.6 In Gennesaret ***** Während sich Jesus im Haus eines reichen Gläubigen in der Gegend von Genezareth ausruhte, kam er mit den Zwölf jeden Nachmittag zu ungezwungenen Gesprächen zusammen. Die Botschafter des Königreichs waren nun eine ernste, ernüchterte und geläuterte Gruppe desillusionierter Männer. Aber sogar nach allem, was sich ereignet hatte, waren diese zwölf Männer - wie künftige Geschehnisse es zeigen sollten - immer noch nicht ganz von ihren tief eingewurzelten und lang gehegten Ideen vom Kommen des jüdischen Messias befreit. Die Ereignisse der wenigen vorausgegangenen Wochen hatten sich zu sehr überstürzt, als dass diese erstaunten Fischer deren volle Bedeutung hätten erfassen können. Männer und Frauen brauchen Zeit, um ihre grundlegenden und wesentlichen Konzepte sozialen Verhaltens, philosophischer Einstellung und religiöser Überzeugung radikal und umfassend zu ändern. Während Jesus und die Zwölf sich in Genezareth ausruhten, verstreute sich die Menge, indem die einen nach Hause, die anderen nach Jerusalem zur Passahfeier gingen. In weniger als einem Monat schrumpfte die Zahl der begeisterten und offensichtlichen Anhänger Jesu - über fünfzigtausend allein in Galiläa - auf weniger als fünfhundert zusammen. Jesus wünschte, dass seine Apostel eine derartige Erfahrung mit der Unbeständigkeit der Volksgunst machten, damit sie dereinst nicht in Versuchung gerieten, sich auf solche Äußerungen vorübergehender religiöser Hysterie zu verlassen, wenn er sie einmal mit ihrer Arbeit für das Königreich allein lassen würde; aber er war in seinem Bemühen nur teilweise erfolgreich. Am zweiten Abend ihres Aufenthalts in Genezareth erzählte der Meister den Aposteln wiederum das Gleichnis vom Sämann und fügte diese Worte hinzu: "Ihr seht, meine Kinder, der Appell an die menschlichen Gefühle ist nur vorübergehend und ganz und gar enttäuschend; auch der ausschließliche Appell an den menschlichen Intellekt ist ohne Wert und unfruchtbar; nur wenn ihr an den Geist appelliert, der der menschlichen Seele innewohnt, könnt ihr auf dauerhaften Erfolg hoffen und jene wunderbaren Verwandlungen des menschlichen Charakters bewirken, die sich gegenwärtig im reichen Ertrag wahrer Geistesfrüchte im täglichen Leben all jener zeigen, die frei geworden sind von der Dunkelheit des Zweifels, weil ihr Geist ins Licht des Glaubens - in das Königreich des Himmels - hineingeboren worden ist." Jesus lehrte den Appell an die Emotionen als eine Technik, die intellektuelle Aufmerksamkeit zu fesseln und zu konzentrieren. Er bezeichnete den dadurch wachgewordenen und angeregten Verstand als Pforte zur Seele, wo die geistige Natur des Menschen ihren Sitz hat. Diese muss die Wahrheit erkennen und auf den geistigen Appell des Evangeliums antworten, um die dauerhaften Resultate wahrer Charakterwandlung hervorzubringen. Auf diese Weise bemühte sich Jesus, die Apostel auf den nahe bevorstehenden Schock vorzubereiten - auf die Krise in der öffentlichen Haltung ihm gegenüber, von der sie nur wenige Tage trennten. Er setzte den Zwölfen auseinander, dass die religiösen Führer in Jerusalem zusammen mit Herodes Antipas auf ihre Vernichtung hinarbeiteten. Die Zwölf begannen klarer (wenn auch nicht ganz) zu begreifen, dass Jesus nicht auf Davids Thron sitzen würde. Sie erkannten besser, dass der Fortschritt der geistigen Wahrheit sich nicht durch materielle Wunder erzielen ließ. Sie begannen einzusehen, dass die Speisung der Fünftausend und die Volksbewegung, Jesus zum König zu machen, den Höhepunkt der mirakeldurstigen und wundergläubigen Erwartung des Volks und den Gipfel von Jesu Bejubelung durch die Masse darstellten. Undeutlich erkannten und dunkel ahnten sie die nahenden Zeiten geistigen Aussiebens und grausamer Not. Die zwölf Männer erwachten langsam zur Erkenntnis der wahren Natur ihrer Aufgabe als Botschafter des Königreichs, und sie begannen, sich für die schweren Zerreißproben des letzten Jahres im Wirken des Meisters auf Erden zu wappnen. Bevor sie Genezareth verließen, gab Jesus ihnen Erklärungen zu der wunderbaren Speisung der Fünftausend. Er sagte ihnen, aus welchem Grund er zu dieser außerordentlichen Manifestation schöpferischer Macht geschritten war, und versicherte ihnen, dass er seinem Mitgefühl mit der Menge erst nachgegeben habe, als er sich vergewissert hatte, dass es "im Einklang mit des Vaters Willen geschah". ***** 152.7 In Jerusalem ***** Am Sonntag, dem 3. April, machte sich Jesus, nur von den zwölf Aposteln begleitet, von Bethsaida aus auf den Weg nach Jerusalem. Um die Menschenmassen zu meiden und so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen, reisten sie über Gerasa und Philadelphia. Er verbot ihnen auf dieser Reise jegliches öffentliche Lehren und erlaubte ihnen auch während des Aufenthalts in Jerusalem weder Lehr-noch Predigttätigkeit. Sie trafen in Bethanien bei Jerusalem am Mittwoch, dem 6. April, spät abends ein. Für diese eine Nacht stiegen sie im Hause von Lazarus, Martha und Maria ab, aber am nächsten Tag trennten sie sich. Jesus blieb mit Johannes im Heim eines Gläubigen namens Simon, in der Nähe von Lazarus' Haus in Bethanien. Judas Iskariot und Simon Zelotes hielten sich bei Freunden in Jerusalem auf, während die übrigen Apostel zu zweit in verschiedenen Häusern wohnten. Jesus betrat Jerusalem während dieses Passahfestes nur ein einziges Mal, nämlich am großen Tag der Feiern. Viele gläubige Bewohner Jerusalems wurden von Abner nach Bethanien geführt, um hier Jesus zu treffen. Während dieses Aufenthalts in Jerusalem entdeckten die Zwölf, wie erbittert die Stimmung ihrem Meister gegenüber geworden war. Sie verließen Jerusalem mit dem bestimmten Gefühl, dass eine Krise unmittelbar bevorstehe. Am Sonntag, dem 24. April, verließen Jesus und die Apostel Jerusalem mit Ziel Bethsaida. Sie reisten über die Küstenstädte Joppe, Cäsarea und Ptolemais. Danach gingen sie durch das Landesinnere über Ramah und Chorazim nach Bethsaida, wo sie am Freitag, dem 29. April anlangten. Sofort nach der Ankunft schickte Jesus Andreas zum Synagogenvorsteher, um ihn um die Erlaubnis zu bitten, am nächsten Tag, dem Sabbat, während des Nachmittagsgottesdienstes zu sprechen. Und Jesus wusste sehr wohl, dass es das letzte Mal sein würde, dass man ihm erlaubte, in der Synagoge von Kapernaum zu sprechen. ****** Kapitel 153 Die Krise in Kapernaum ****** AM Freitagabend, dem Tag ihrer Ankunft in Bethsaida, und am Sabbatmorgen fiel den Aposteln auf, dass Jesus ernsthaft mit einem wichtigen Problem beschäftigt war; sie stellten fest, dass der Meister in ungewöhnlicher Weise über eine Sache von großer Bedeutung nachdachte. Er aß nichts zum Frühstück und nur wenig am Mittag. Am Abend zuvor und den ganzen Sabbatmorgen über trafen sich die Zwölf und ihre Mitarbeiter im Haus, im Garten und am Seeufer in kleinen Gruppen. Eine spannungsgeladene Ungewissheit und Vorahnung lastete auf ihnen allen. Jesus hatte kaum mit ihnen gesprochen, seit sie Jerusalem verlassen hatten. Monatelang hatten sie den Meister nicht so in Gedanken vertieft und so wenig mitteilsam gesehen. Sogar Simon Petrus war deprimiert, wenn nicht geradezu niedergeschlagen. Andreas wusste nicht mehr, was er für seine mutlosen Gefährten tun könnte. Nathanael sagte, sie befänden sich mitten "in der Ruhe vor dem Sturm". Thomas drückte die Meinung aus, dass "demnächst etwas Ungewöhnliches geschehen werde". Philipp riet David Zebedäus, "alle Pläne für Verpflegung und Unterkunft der Menge zu vergessen, bis wir wissen, worüber der Meister nachdenkt". Matthäus unternahm neue Anstrengungen, um die Kasse zu füllen. Jakobus und Johannes besprachen die bevorstehende Predigt in der Synagoge und mutmaßten mancherlei über deren wahrscheinlichen Inhalt und Tragweite. Simon Zelotes gab seinem Glauben - in Wirklichkeit seiner Hoffnung - Ausdruck, "der Vater im Himmel stehe im Begriff, in unerwarteter Weise zu intervenieren, um seinen Sohn zu rechtfertigen und zu unterstützen", während Judas Iskariot es wagte, den Gedanken zuzulassen, vielleicht bedrücke Jesus die Reue darüber, "nicht den Mut und die Kühnheit gehabt zu haben, den Fünftausend zu erlauben, ihn zum König der Juden auszurufen". Aus der Mitte einer solchen Schar niedergeschlagener und trostloser Jünger entfernte sich Jesus an diesem schönen Sabbatnachmittag, um in der Synagoge von Kapernaum seine Epoche machende Predigt zu halten. Das einzige ermunternde Wort des Grußes oder guten Wunsches aus den Reihen seiner nächsten Gefährten kam von einem der ahnungslosen Alphäus Zwillinge, der Jesus, als er das Haus auf dem Weg zur Synagoge verließ, fröhlich grüßte und sagte: "Wir beten dafür, dass der Vater dir helfe, und dass wir größere Menschenmengen als je zuvor haben." ***** 153.1 Vor dem Auftritt ***** Eine erlauchte Versammlung begrüßte Jesus um drei Uhr an diesem herrlichen Sabbatnachmittag in der neuen Synagoge von Kapernaum. Jairus präsidierte und reichte Jesus die Schriften zur Lesung. Am Vortag waren aus Jerusalem dreiundfünfzig Pharisäer und Sadduzäer angekommen; über dreißig Häupter und Vorsitzende von Synagogen aus der Nachbarschaft waren ebenfalls zugegen. Diese jüdischen religiösen Führer handelten direkt auf Befehl des Sanhedrins in Jerusalem, und sie bildeten die orthodoxe Vorhut, die gekommen war, um den offenen Kampf gegen Jesus und seine Jünger einzuleiten. Auf den Ehrenplätzen der Synagoge saßen Seite an Seite mit diesen jüdischen Führern die offiziellen Beobachter des Herodes Antipas, die angewiesen worden waren, die Wahrheit über die alarmierenden Berichte in Erfahrung zu bringen, denen zufolge die Volksmenge einen Versuch unternommen habe, Jesus drüben im Herrschaftsbereich seines Bruders Philipp zum König der Juden zu proklamieren. Jesus war sich bewusst, dass er sich unmittelbar einer unverhüllten und offenen Kriegserklärung seiner an Zahl wachsenden Feinde gegenübersah, und er entschied sich unerschrocken, die Offensive zu ergreifen. Anlässlich der Speisung der Fünftausend hatte er ihre Vorstellungen von einem materiellen Messias herausgefordert; auch diesmal nahm er sich vor, ihre Idee von einem jüdischen Befreier offen anzugreifen. Die Krise, die mit der Speisung der Fünftausend begonnen hatte und mit dieser Predigt am Sabbatnachmittag endete, war der sichtbare Umschwung seines Rufs und seiner Gunst beim Volk. Von jetzt an hatte sich die Arbeit für das Königreich immer mehr auf die wichtigere Aufgabe zu konzentrieren, geistig Bekehrte dauerhaft für die wahrhaft religiöse Bruderschaft der Menschen zu gewinnen. Diese Predigt markiert die Krise des Übergangs von der Periode der Diskussionen, Auseinandersetzungen und Entscheidungen zur Periode offener Kriegführung und endgültiger Akzeptanz oder endgültiger Zurückweisung. Der Meister wusste genau, dass viele seiner Anhänger sich in Gedanken langsam aber sicher darauf vorbereiteten, ihn letztendlich zurückzuweisen. Ebenso wusste er, dass viele seiner Jünger langsam aber sicher durch jene Gedankenschulung und Seelendisziplin gingen, die es ihnen ermöglichen würde, ihre Zweifel zu besiegen und für ihren gefestigten Glauben an das Evangelium vom Königreich einzustehen. Jesus war sich völlig im Klaren über die Art und Weise, in der sich die Menschen auf die Entscheidungen in einer Krise vorbereiten und mutig beschlossene Taten plötzlich ausführen: nämlich durch den langsamen Vorgang wiederholten Wählens zwischen den stets wiederkehrenden Situationen von Gut und Böse. Er unterwarf seine ausgewählten Botschafter wiederholten Enttäuschungsübungen und verschaffte ihnen häufige und schwierige Gelegenheiten, bei denen sie zwischen der richtigen und der falschen Art, geistige Prüfungen zu bestehen, zu wählen hatten. Er wusste, dass er sich auf seine Jünger verlassen konnte, dass sie angesichts der letzten Prüfung ihre lebenswichtigen Entscheidungen in Übereinstimmung mit früheren, zur Gewohnheit gewordenen Denkweisen und geistigen Reaktionen fällen würden. Diese Krise in Jesu Erdenleben begann mit der Speisung der Fünftausend und endete mit dieser Predigt in der Synagoge; die Krise im Leben der Apostel begann mit dieser Predigt in der Synagoge, dauerte ein ganzes Jahr und endete erst mit des Meisters Prozess und Kreuzigung. Bevor Jesus an diesem Nachmittag in der Synagoge zu sprechen begann, bewegte alle, die dort saßen, nur ein einziges großes Rätsel, eine einzige beherrschende Frage. Sowohl seine Freunde als auch seine Feinde sannen nur über dies eine nach: "Wieso hat er die Welle der Volksbegeisterung so vorsätzlich und wirksam umgekehrt?" Unmittelbar vor und nach dieser Predigt gingen Zweifel und Enttäuschung seiner verärgerten Anhänger in unbewusste Opposition über und entwickelten sich schließlich zu richtigem Hass. Nach dieser Predigt in der Synagoge kam Judas Iskariot der erste bewusste Gedanke, abtrünnig zu werden. Aber noch wusste er solchen Neigungen wirksam zu widerstehen. Alle befanden sich in einem Zustand der Ratlosigkeit. Jesus hatte sie alle sprachlos und verwirrt gelassen. Eben erst hatte er die größte Demonstration übernatürlicher Macht seiner ganzen Laufbahn gegeben. Die Speisung der Fünftausend war in seinem irdischen Dasein das Ereignis, das am allermeisten an die jüdische Vorstellung vom erwarteten Messias appellierte. Aber dieser außerordentliche Vorteil wurde augenblicklich und unerklärlicherweise aufgehoben durch seine prompte und unzweideutige Weigerung, sich zum König ausrufen zu lassen. Am Freitagabend und wiederum am Sabbatmorgen hatten die Führer aus Jerusalem lang und ernsthaft mit Jairus gerungen, um zu verhindern, dass Jesus in der Synagoge das Wort ergriff, aber es war umsonst. Auf all ihre Bitten gab Jairus nur eine Antwort: "Ich habe diese Anfrage bewilligt, und ich werde mein Wort nicht brechen." ***** 153.2 Die epochale Predigt ***** Als Einleitung zu seiner Predigt las Jesus aus dem Gesetz im Deuteronomium: "Aber wenn dieses Volk nicht auf die Stimme Gottes hören will, wird der Fluch der Gesetzesübertretung mit Sicherheit über es kommen. Der Herr wird deine Feinde veranlassen, dich heimzusuchen; du wirst in alle Reiche der Erde zerstreut werden. Und der Herr wird dich und den König, den du dir gegeben hast, in die Hände eines fremden Volkes ausliefern. Du wirst bei allen Völkern Befremden auslösen, berüchtigt sein und zum Gespött werden. Deine Söhne und deine Töchter werden in die Gefangenschaft gehen. Die Fremden unter dir werden zu hoher Autorität aufsteigen, du aber wirst tief niedergebeugt werden. Und all diese Dinge sollen für immer über dich und deinen Samen kommen, weil du das Wort des Herrn nicht hast hören wollen. Deshalb wirst du deinen Feinden dienen, die gegen dich ausziehen werden. Du wirst Hunger und Durst leiden und dieses fremde Joch aus Eisen tragen. Der Herr wird ein Volk von weit her, vom Ende der Welt gegen dich anrücken lassen, ein Volk, dessen Sprache du nicht verstehen wirst, ein Volk mit grimmigen Gesichtern, das dich geringschätzen wird. Und sie werden dich in allen deinen Städten belagern, bis die hohen Befestigungsmauern, denen du vertraut hast, einstürzen werden; und das ganze Land wird in ihre Hände fallen. Und die Not wird dich dazu bringen, während dieser Belagerung die Frucht deines eigenen Leibes zu essen, das Fleisch deiner Söhne und Töchter, denn deine Feinde werden dir mit großer Härte zusetzen." Und nachdem Jesus diese Worte gelesen hatte, ging er zu den Propheten über und las aus Jeremia vor: "`Wenn ihr nicht auf die Worte meiner Diener, der Propheten, die ich euch gesandt habe, hören wollt, dann verfahre ich mit diesem Haus wie mit Schilo und mache diese Stadt zu einem Fluch für alle Völker der Erde.' Und die Priester und Lehrer hörten Jeremia diese Worte im Hause des Herrn sprechen. Und es geschah, nachdem Jeremia alles gesagt hatte, was der Herr ihm zum Volk zu sprechen aufgetragen hatte, dass die Priester und Lehrer ihn fassten und sagten: `Du musst sterben.' Und alles Volk drängte sich um Jeremia im Hause des Herrn. Und als die Fürsten Judäas diese Dinge erfuhren, setzten sie sich über Jeremia zu Gericht. Da sprachen die Priester und Lehrer zu den Fürsten und zum Volk: `Dieser Mann verdient zu sterben, denn er hat Prophezeiungen gegen unsere Stadt ausgesprochen, und ihr habt ihn mit euren eigenen Ohren gehört.' Darauf wandte sich Jeremia an alle Fürsten und an das Volk: `Der Herr hat mich gesandt, um gegen dieses Haus und diese Stadt mit all den Worten zu prophezeien, die ihr gehört habt. Deshalb bessert jetzt euer Verhalten und euer Tun und gehorcht der Stimme des Herrn eures Gottes, um dem Übel zu entrinnen, das gegen euch gesprochen wurde. Was mich betrifft, so bin ich in euren Händen. Verfahrt mit mir, wie es in euren Augen gut und recht ist. Aber ihr sollt mit Sicherheit wissen, dass ihr unschuldiges Blut über euch und über dieses Volk bringt, wenn ihr mich tötet, denn der Herr hat mich wahrhaftig gesandt, um all diese Worte in eure Ohren zu sprechen.' Die damaligen Priester und Lehrer trachteten danach, Jeremia umzubringen, aber die Richter gaben ihre Zustimmung nicht, obwohl sie ihn wegen seiner warnenden Worte an Seilen in ein schmutziges Verlies hinunterließen, wo er bis zu den Achselhöhlen im Schlamm versank. Solches verübte dieses Volk am Propheten Jeremia, als er dem Befehl Gottes gehorchte und seine Brüder vor ihrem kurz bevorstehenden politischen Sturz warnte. Heute möchte ich euch fragen: Was werden die obersten Priester und religiösen Führer dieses Volkes mit dem Mann tun, der es wagt, sie vor dem Tag ihres geistigen Untergangs zu warnen? Werdet auch ihr versuchen, den Lehrer zu töten, der es wagt, das Wort des Herrn zu verkündigen und der nicht davor zurückschreckt, deutlich zu machen, dass ihr euch weigert, auf dem Weg des Lichts zu schreiten, der zum Eingang des Königreichs des Himmels führt? Was braucht ihr noch zum Beweis meiner Sendung auf Erden? Wir haben euch in euren einflussreichen Machtpositionen unbehelligt gelassen, während wir den Armen und Verstoßenen die gute Nachricht predigten. Wir haben das von euch Verehrte nicht feindselig angegriffen, sondern vielmehr der von Angst beherrschten Menschenseele eine neue Freiheit verkündigt. Ich bin in die Welt gekommen, um meinen Vater zu offenbaren und auf Erden die geistige Bruderschaft der Söhne Gottes, das Königreich des Himmels, zu errichten. Und obwohl ich euch immer wieder daran erinnert habe, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist, hat euch dennoch mein Vater über die beweiskräftigeren geistigen Verwandlungen und Regenerationen hinaus viele materielle Wunder zugestanden. Was für neue Zeichen wollt ihr noch aus meinen Händen? Ich erkläre, dass ihr schon genügend Beweise habt, um eure Entscheidung zu fällen. Wahrlich, wahrlich, ich sage zu vielen, die heute vor mir sitzen: Ihr steht vor der Notwendigkeit, den Weg, den ihr gehen wollt, zu wählen; und wie Josua zu euren Vorvätern sage ich zu euch: `Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt.' Heute stehen viele von euch am Scheideweg. Als einige von euch mich nach der Speisung der Menge auf der anderen Seeseite nicht finden konnten, mieteten sie die Fischerflotte aus Tiberias, die eine Woche zuvor während eines Sturms in der Nähe Schutz gesucht hatte, um meine Verfolgung aufzunehmen, und wofür? Nicht um der Wahrheit und Rechtschaffenheit willen, oder um zu erfahren, wie ihr euren Mitmenschen besser dienen und beistehen könntet! Nein, sondern vielmehr, um mehr Brot zu haben, für das ihr nicht gearbeitet hattet. Es geschah nicht, um eure Seelen mit dem Wort des Lebens zu füllen, sondern nur euren Bauch mit dem Brot der Bequemlichkeit. Seit langem hat man euch gelehrt, dass der Messias, wenn er kommen sollte, derartige Wunder vollbringen würde, die dem ganzen auserwählten Volk ein angenehmes und leichtes Leben bescheren würden. Es verwundert deshalb nicht, dass ihr, die man solches gelehrt hat, euch nach den Broten und Fischen sehnt. Aber ich erkläre euch, dass dies nicht die Sendung des Menschensohnes ist. Ich bin gekommen, um geistige Freiheit zu verkündigen, ewige Wahrheit zu lehren und den lebendigen Glauben zu nähren. "Meine Brüder, verlangt nicht nach Speise, die verdirbt, sondern sucht vielmehr geistige Kost, die euch sogar für das ewige Leben stärkt; denn diese ist das Brot des Lebens, das der Sohn allen gibt, die es nehmen und davon essen wollen, denn der Vater hat dem Sohn dieses Leben unbeschränkt gegeben. Und als ihr mich fragtet: `Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen?' habe ich euch klar gesagt: `Das Werk Gottes ist, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.' " Und dann sagte Jesus, indem er auf die Darstellung eines Gefäßes mit Manna zeigte, das den Türsturz der neuen Synagoge zierte und mit Weintrauben geschmückt war: "Ihr habt gedacht, dass eure Vorfahren in der Wüste Manna - Himmelsbrot - aßen, aber ich sage euch, dass es irdisches Brot war. Moses gab> euren Vätern kein Himmelsbrot, aber mein Vater ist jetzt bereit, euch das wahre Brot des Lebens zu geben. Das Brot des Himmels ist das, was von Gott herabkommt und den Menschen der Welt ewiges Leben gibt. Und wenn ihr zu mir sagt: `Gib uns dieses lebendige Brot', will ich antworten: `Ich bin dieses Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den soll niemals hungern, und wer mir glaubt, den soll niemals dürsten. Ihr habt mich gesehen, mit mir gelebt und meine Werke geschaut und glaubt trotzdem nicht, dass ich vom Vater komme.' Aber denen, die glauben, sage ich: `Seid ohne Furcht.' Alle, die sich vom Vater führen lassen, werden zu mir kommen, und wer zu mir kommt, wird in keiner Weise abgewiesen werden. "Und nun lasst mich euch ein für alle Mal erklären, dass ich nicht auf die Erde herabgekommen bin, um meinen eigenen Willen zu tun, sondern den Willen Dessen, der mich gesandt hat. Und dies ist letztlich der Wille Dessen, der mich gesandt hat, dass ich von allen, die er mir gegeben hat, auch nicht einen einzigen verliere. Und dieses ist des Vaters Wille: Dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, das ewige Leben haben soll. Gestern erst gab ich euch Brot für eure Körper zu essen; heute biete ich euch das Brot des Lebens für eure hungrigen Seelen an. Wollt ihr jetzt das Brot des Geistes ebenso willig annehmen, wie ihr das Brot dieser Welt gegessen habt?" Als Jesus einen Moment innehielt, um seinen Blick über die Versammlung schweifen zu lassen, erhob sich einer der Lehrer von Jerusalem (ein Mitglied des Sanhedrins) und fragte: "Verstehe ich recht? Du sagst, du seist das Brot, das vom Himmel herabkommt, nicht so jedoch das Manna, das Moses unseren Vätern in der Wüste gab?" Und Jesus antwortete dem Pharisäer: "Du hast richtig verstanden." Da sagte der Pharisäer: "Aber bist du nicht Jesus von Nazareth, der Sohn Josephs, des Zimmermanns? Kennen nicht viele von uns sehr wohl deinen Vater und deine Mutter sowie deine Brüder und Schwestern? Wie kommt es, dass du hier im Hause Gottes erscheinst und erklärst, du seist vom Himmel herabgekommen?" Inzwischen hatte sich in der Synagoge ein starkes Gemurmel erhoben, und ein solcher Tumult drohte, dass Jesus aufstand und sagte: "Lasst uns Geduld haben; die Wahrheit leidet nie unter einer ehrlichen Prüfung. Ich bin alles, was du sagst, aber mehr. Der Vater und ich sind eins; der Sohn tut nur, was der Vater ihn lehrt, und alle, die der Vater dem Sohn gibt, wird der Sohn bei sich empfangen. Ihr habt bei den Propheten gelesen. `Gott wird euch alle unterrichten' und `Diejenigen, die der Vater lehrt, werden auch seinem Sohn Gehör schenken'. Jeder, der sich den Weisungen des in ihm wohnenden Geistes des Vaters fügt, wird letzten Endes zu mir kommen. Zwar hat kein Mensch den Vater gesehen, aber des Vaters Geist lebt tatsächlich im Menschen. Und der Sohn, der vom Himmel herabgekommen ist, hat den Vater mit Sicherheit gesehen. Und diejenigen, die wahrhaftig an diesen Sohn glauben, haben schon jetzt das ewige Leben. "Ich bin dieses Brot des Lebens. Eure Väter aßen Manna in der Wüste und sind tot. Aber wer von diesem Brot isst, das von Gott herabkommt, wird im Geiste niemals sterben. Ich wiederhole: Ich bin dieses lebendige Brot, und jede Seele, die die Verwirklichung dieser geeinten Natur von Gott und Mensch erreicht, wird auf ewig leben. Und dieses Brot des Lebens, das ich allen gebe, die es empfangen wollen, ist meine eigene lebendige Doppelnatur. Der Vater im Sohn und der Sohn eins mit dem Vater - das ist meine lebenspendende Offenbarung an die Welt und meine rettende Gabe für alle Nationen." Als Jesus fertig gesprochen hatte, entließ der Synagogenleiter die Versammlung, aber die Leute wollten nicht gehen. Sie umdrängten Jesus, um mehr Fragen zu stellen, während andere murrten und untereinander stritten. Und diese Situation hielt mehr als drei Stunden lang an. Es war schon längst nach sieben Uhr, als sich die Versammlung endlich auflöste. ***** 153.3 Der Fortgang der Versammlung ***** Viele Fragen wurden anschließend an Jesus gerichtet. Einige wurden von seinen verstörten Jüngern gestellt, aber mehr noch von nörgelnden Ungläubigen, die einzig versuchten, ihn in Verlegenheit zu bringen und ihm eine Falle zu stellen. Einer der auf Besuch weilenden Pharisäer stieg auf einen Lampenständer und schrie seine Frage heraus: "Du sagst uns, du seiest das Brot des Lebens. Wie kannst du uns dein Fleisch zu essen oder dein Blut zu trinken geben? Zu was taugt deine Lehre, wenn sie nicht ausgeführt werden kann?" Und Jesus beantwortete diese Frage mit den Worten: "Ich habe euch nicht gelehrt, mein Fleisch sei das Brot des Lebens und mein Blut das Wasser des Lebens. Hingegen habe ich gesagt, dass mein Leben im Fleisch eine Verschenkung des Himmelsbrots ist. Die Tatsache des sich im Fleisch hingebenden Wortes Gottes und das Phänomen des sich dem Willen Gottes unterwerfenden Menschensohns stellen eine erfahrbare Realität dar, die soviel bedeutet wie göttliche Nahrung. Ihr könnt weder mein Fleisch essen, noch mein Blut trinken, aber ihr könnt im Geiste eins werden mit mir, so wie ich im Geiste eins bin mit dem Vater. Ihr könnt durch das ewige Wort Gottes genährt werden, das tatsächlich das Brot des Lebens ist und das in sterblicher Menschengestalt verschenkt worden ist; und eure Seele kann vom göttlichen Geist bewässert werden, der wahrhaftig das Wasser des Lebens ist. Der Vater hat mich in die Welt gesandt, um zu zeigen, wie er in allen Menschen zu wohnen und sie zu leiten wünscht; und ich habe mein Leben im Fleisch so gelebt, dass es alle Menschen dazu inspirieren möge, gleichermaßen immer den Willen des in ihnen wohnenden himmlischen Vaters in Erfahrung zu bringen und auszuführen." Darauf sagte einer der Spione aus Jerusalem, der Jesus und seine Apostel beobachtet hatte: "Wir haben festgestellt, dass weder du noch deine Apostel ihre Hände angemessen waschen, bevor ihr Brot esst. Du musst genau wissen, dass eine Gewohnheit wie die, mit unsauberen und ungewaschenen Händen zu essen, einen Verstoß gegen das Gesetz der Ahnen darstellt. Auch eure Trinkschalen und euer Geschirr wascht ihr nicht, wie es sich geziemt. Wieso geht ihr mit der Tradition der Väter und den Gesetzen eurer Ahnen so respektlos um?" Nachdem Jesus ihm zugehört hatte, antwortete er ihm: "Wieso erlaubt ihr die Übertretung der Gebote Gottes durch die Gesetze eurer Tradition? Das Gebot sagt: `Ehre deinen Vater und deine Mutter', und fordert, dass ihr, wenn nötig, euer Vermögen mit ihnen teilt; aber ihr erlasst ein Gesetz der Tradition, das pflichtvergessenen Kindern erlaubt zu erklären, das Geld, das zur Unterstützung der Eltern hätte verwendet werden können, sei `Gott gegeben worden'. Das Gesetz der Ahnen enthebt somit derart verschlagene Kinder ihrer Verantwortung, obwohl sie danach all dieses Geld für ihr eigenes Wohlergehen benutzen. Wie kommt es, dass ihr durch eure eigene Tradition das Gebot in dieser Weise außer Kraft setzt? Jesaja beschrieb euch Heuchler gut in seiner Prophezeiung, als er sagte: `Dieses Volk ehrt mich mit seinen Lippen, aber sein Herz ist fern von mir. Umsonst verehren sie mich, denn ihre Lehren sind menschliche Vorschriften.' "Seht, wie ihr dem Gebot untreu werdet, während ihr euch an menschliche Tradition klammert. Ihr seid ganz und gar willens, das Wort Gottes abzulehnen, während ihr gleichzeitig eure eigenen Traditionen hochhaltet. Und auf manch andere Weise wagt ihr es, eure eigenen Lehren über das Gesetz und die Propheten zu stellen." Darauf wandte sich Jesus mit seinen Bemerkungen an alle Anwesenden. Er sagte: "Aber hört mir jetzt alle zu. Nicht das, was durch den Mund eintritt, verunreinigt den Menschen geistig, sondern vielmehr das, was aus dem Mund und aus dem Herzen kommt." Aber sogar die Apostel vermochten den Sinn dieser Worte nicht ganz zu erfassen, denn auch Simon Petrus fragte ihn: "Damit sich einige deiner Zuhörer nicht unnötigerweise gekränkt fühlen, wärest du so gut, uns die Bedeutung dieser Worte zu erklären?" Darauf sagte Jesus zu Petrus: "Bist auch du schwer von Begriff? Weißt du nicht, dass jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, ausgerissen werden wird? Schenke deine Aufmerksamkeit jetzt denen, die die Wahrheit kennen möchten. Man kann die Menschen nicht dazu zwingen, die Wahrheit zu lieben. Viele von diesen Lehrern sind blinde Führer. Und du weißt, wenn Blinde die Blinden führen, fallen beide in die Grube. Aber hör zu, während ich dir die Wahrheit bezüglich dessen sage, was die Menschen sittlich verunreinigt und geistig vergiftet. Ich erkläre, dass nicht das den Menschen verdirbt, was durch den Mund in den Körper gelangt oder durch Augen und Ohren ins Bewusstsein eintritt. Der Mensch wird nur von dem Übel verdorben, das im Herzen entstehen kann und sich in den Worten und Taten solch gottloser Personen ausdrückt. Weißt du denn nicht, dass schlechte Gedanken, ruchloses Sinnen auf Mord, Diebstahl und Ehebruch, sowie Eifersucht, Hochmut, Zorn, Rachsucht, Lästerung und falsches Zeugnis allesamt vom Herzen ausgehen? All das besudelt die Menschen, und nicht etwa, dass sie Brot mit zeremoniell unreinen Händen essen." Die pharisäischen Beauftragten des Sanhedrins von Jerusalem waren jetzt ziemlich davon überzeugt, dass Jesus aufgrund einer Anklage verhaftet werden müsse, die auf Gotteslästerung oder Verhöhnung der heiligen Gesetze der Juden lautete; deshalb ihre Bemühungen, ihn in die Diskussion über - und wenn möglich einen Angriff auf - einige Traditionen der Ahnen, oder die so genannten mündlichen Gesetze der Nation, zu verwickeln. Wie knapp das Wasser auch immer sein mochte, so versäumten diese durch die Tradition versklavten Juden es nie, sich vor jeder Mahlzeit der verlangten zeremoniellen Handwaschung zu unterziehen. Sie glaubten daran, "dass es besser sei zu sterben, als die Gebote der Ahnen zu übertreten". Die Spione stellten diese Frage, weil ihnen hinterbracht worden war, Jesus habe gesagt: "Die Rettung hat mehr mit sauberen Herzen als mit sauberen Händen zu tun." Aber es ist sehr schwer, von solchen Überzeugungen abzulassen, wenn sie einmal Teil der eigenen Religion geworden sind. Sogar noch viele Jahre später hielt dieser aus Angst geborene Gehorsam gegenüber manchen traditionellen Vorstellungen über Reinheit und Unreinheit den Apostel Petrus in seinem Griff, und erst ein außergewöhnlicher und lebhafter Traum befreite ihn endgültig davon. Und man kann das alles noch besser verstehen, wenn man sich daran erinnert, dass diese Juden das Essen mit ungewaschenen Händen im selben Lichte sahen wie den Verkehr mit einer Hure, und beides gleichermaßen mit Exkommunikation bestraft wurde. In dieser Weise entschied sich der Meister, die Torheit des gesamten rabbinischen Systems von Regeln und Vorschriften, das durch das mündliche Gesetz repräsentiert wurde, in Frage zu stellen und zu entlarven - diese Traditionen der Alten, die den Juden allesamt als verbindlicher und sogar heiliger galten als die Lehren der Schriften. Und Jesus sprach mit weniger Zurückhaltung, weil er wusste, dass die Stunde gekommen war, da er nichts mehr tun konnte, um einen offenen Bruch in den Beziehungen mit den religiösen Führern zu vermeiden. ***** 153.4 Letzte Worte in der Synagoge ***** Mitten in diese Diskussionen hinein brachte einer der Pharisäer von Jerusalem Jesus einen geistesgestörten Burschen, der von einem widerspenstigen und rebellischen Geist besessen war. Er führte diesen wahnsinnigen Jüngling vor ihn und sagte: "Was kannst du bei einem solchen Gebrechen tun? Kannst du Teufel austreiben?" Beim Anblick des Jungen wurde Jesus von Mitleid gerührt. Er winkte ihn heran, fasste ihn bei der Hand und sprach: "Du weißt, wer ich bin; fahre aus von ihm; und ich beauftrage einen deiner treuen Gefährten, darüber zu wachen, dass du nicht zurückkehrst." Und augenblicklich war der Junge normal und bei Sinnen. Das ist der erste Fall, bei dem Jesus tatsächlich einen "bösen Geist" aus einem menschlichen Wesen austrieb. In allen vorausgegangenen Fällen hatte es sich nur um angebliche Teufelsbesessenheit gehandelt. Aber dies war ein Fall echter dämonischer Besessenheit, wie sie damals noch hin und wieder vorkam, bis am Pfingsttag des Meisters Geist über alle Menschen ausgegossen wurde und es den wenigen himmlischen Rebellen für immer unmöglich machte, gewisse instabile Menschentypen in dieser Weise auszunutzen. Als die Leute staunten, stand einer der Pharisäer auf und erhob gegen Jesus die Anklage, er könne diese Dinge nur tun, weil er mit Teufeln im Bunde stehe; er habe in den zur Teufelsaustreibung gebrauchten Worten selber zugegeben, dass sie einander kannten. Und dann erklärte er, die religiösen Lehrer und Führer in Jerusalem seien zu dem Schluss gelangt, dass Jesus alle seine so genannten Wunder durch die Macht Beelzebubs, des Teufelsfürsten, vollbringe. Der Pharisäer sprach: "Habt mit diesem Mann nichts zu tun; er steht mit Satan im Bunde." Da sagte Jesus: "Wie kann Satan den Satan austreiben? Ein in sich selbst gespaltenes Königreich kann nicht bestehen; wenn ein Haus in sich gespalten ist, gerät es bald ins Elend. Kann eine Stadt einer Belagerung widerstehen, wenn in ihr keine Einigkeit herrscht? Wenn Satan den Satan austreibt, ist er mit sich selbst uneins; wie kann sein Reich dann bestehen? Aber ihr solltet wissen, dass niemand in das Haus eines starken Mannes eindringen und ihn seiner Güter berauben kann, es sei denn, er überwältigt und fesselt zuerst diesen starken Mann. Und wenn ich durch die Macht Beelzebubs Teufel austreibe, durch welche Macht treiben eure Söhne sie dann aus? Deshalb mögen sie selbst euch das Urteil sprechen. Aber wenn ich durch den Geist Gottes Teufel austreibe, dann ist das Königreich Gottes wahrhaftig zu euch herabgekommen: Wenn nicht Vorurteile euch blind machten und Furcht und Stolz euch irreführten, würdet ihr ohne Mühe erkennen, dass einer in eurer Mitte steht, der größer ist als die Teufel. Ihr zwingt mich zu erklären, dass, wer nicht für mich ist, gegen mich ist, und wer sich nicht um mich schart, sich draußen verzettelt. Lasst mich eine ernste Warnung an euch richten, die ihr euch wissentlich anmaßen möchtet, mit offenen Augen und vorsätzlicher Bosheit die Werke Gottes dem Treiben von Teufeln zuzuschreiben! Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, all eure Sünden sollen vergeben werden, sogar alle eure Gotteslästerungen; wer aber Gott mit Vorsatz und böser Absicht lästert, wird nie Vergebung erfahren. Da solch hartnäckige Frevler nie Vergebung suchen noch erhalten werden, sind sie der Sünde schuldig, die göttliche Vergebung auf immer zurückgewiesen zu haben. "Viele von euch sind heute an einer Wegscheide angelangt: Ihr müsst damit beginnen, eine unumgängliche Wahl zwischen dem Willen des Vaters und den selbst gewählten Wegen der Dunkelheit zu treffen. Und so wie ihr heute wählt, werdet ihr schließlich auch sein. Ihr müsst entweder den Baum und seine Früchte gesund machen, oder aber der Baum und seine Früchte werden verderben. Ich erkläre, dass in meines Vaters ewigem Königreich der Baum an seinen Früchten erkannt wird. Aber wie können einige von euch, die wie Vipern sind und sich bereits für das Böse entschieden haben, gute Früchte hervorbringen? Schließlich redet euer Mund nur aus eurem von Bösem übervollen Herzen." Da erhob sich ein anderer Pharisäer und sagte: "Lehrer, wir möchten gerne, dass du uns ein vorbestimmtes Zeichen gibst, mit dem wir uns als einem Beweis deiner Vollmacht und deines Rechts zu lehren einverstanden erklären könnten. Stimmst du einer solchen Abmachung zu?" Als Jesus das hörte, sagte er: "Diese ungläubige und Zeichen begehrende Generation sucht einen Beweis, aber keine anderen Zeichen sollen euch gegeben werden als die, welche ihr bereits habt und als die, welche ihr sehen werdet, wenn der Menschensohn aus eurer Mitte weggehen wird." Und als er geendet hatte, umringten ihn seine Apostel und führten ihn aus der Synagoge. Schweigend gingen sie mit ihm nach Hause nach Bethsaida. Sie waren alle verwundert und ziemlich in Schrecken versetzt über den plötzlichen Wechsel in der Unterweisungstaktik des Meisters. Sie waren überhaupt nicht gewohnt, ihn in solch militanter Form auftreten zu sehen. ***** 153.5 Am Samstagabend ***** Immer wieder hatte Jesus die Hoffnungen seiner Apostel zerschlagen, wiederholt hatte er ihre liebsten Erwartungen vernichtet, aber keine Zeit der Enttäuschung und des Leids kam derjenigen gleich, die sie jetzt durchmachten. Zudem mischte sich jetzt in ihre Niedergeschlagenheit wirkliche Furcht um ihre Sicherheit. Sie waren alle überrascht und verblüfft über die Plötzlichkeit und Vollständigkeit der Abwendung des Volkes. Auch waren sie einigermaßen erschrocken und beunruhigt durch die an den Tag gelegte unerwartete Kühnheit und ausgesprochene Entschlossenheit der Pharisäer, die von Jerusalem herabgekommen waren. Aber am meisten bestürzte sie Jesu plötzlicher Taktikwechsel. Unter gewöhnlichen Umständen hätten sie das Erscheinen dieser mehr kämpferischen Haltung begrüßt, aber deren Plötzlichkeit, zusammen mit so viel anderem Unvorhergesehenem, brachte sie aus der Fassung. Und nun, als sie mit all diesen Kümmernissen zu Hause anlangten, weigerte sich Jesus obendrein noch zu essen. Stundenlang zog er sich in eines der oberen Zimmer zurück. Es war fast Mitternacht, als Joab, der Leiter der Evangelisten, mit der Kunde zurückkam, dass sich ungefähr ein Drittel seiner Gefährten von ihrer Sache abgewendet hätte. Den ganzen Abend über gab es ein Kommen und Gehen von treuen Jüngern, die berichteten, dass in Kapernaum ein allgemeiner Stimmungsumschwung gegen den Meister stattgefunden habe. Die Führer aus Jerusalem zögerten nicht, diese Gefühle der Unzufriedenheit zu schüren und in jeder erdenklichen Weise die Abwendung von Jesus und seinen Lehren zu unterstützen. Während dieser Stunden der Prüfung saßen die zwölf Frauen drüben im Hause des Petrus beisammen. Sie waren furchtbar bestürzt, aber keine desertierte. Etwas nach Mitternacht kam Jesus vom oberen Zimmer herab. Die Zwölf und ihre Gefährten, alles in allem ungefähr dreißig an der Zahl, umringten ihn, als er sprach: "Ich sehe, dass dieses Aussieben des Königreichs euch tief bekümmert, aber es ist unvermeidlich. Und doch, gab es nach all der Ausbildung, die ihr erhalten habt, irgendeinen guten Grund, an meinen Worten Anstoß zu nehmen? Woher kommt es, dass Angst und Bestürzung euch erfüllen, wenn ihr seht, wie das Königreich sich dieser lauwarmen Massen und halbherzigen Jünger entledigt? Warum grämt ihr euch, da der neue Tag anbricht, an dem die geistigen Lehren des Königreichs des Himmels in neuer Herrlichkeit erstrahlen werden? Wenn ihr es schwierig findet, diese Prüfung zu ertragen, was werdet ihr dann tun, wenn der Menschensohn zum Vater zurückkehren muss? Wann und wie wollt ihr euch auf die Stunde vorbereiten, da ich an den Ort aufsteigen werde, von wo ich in diese Welt gekommen bin? "Meine Lieben, ihr müsst daran denken, dass es der Geist ist, der belebt; das Fleisch und alles, was damit im Zusammenhang steht, ist von geringem Nutzen. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben. Seid guten Mutes! Ich habe euch nicht verlassen. Viele werden sich jetzt durch meine neue offene Sprache verletzt fühlen. Ihr habt schon gehört, dass viele meiner Jünger umgekehrt sind; sie gehen nicht mehr an meiner Seite. Von Anfang an wusste ich, dass diese halbherzigen Gläubigen unterwegs abtrünnig würden. Habe ich euch zwölf Männer nicht ausgewählt und euch als Botschafter des Königreichs eine Sonderstellung gegeben? Und nun möchtet ihr in einem Augenblick wie diesem auch abtrünnig werden? Jeder von euch achte auf seinen Glauben, denn einer von euch befindet sich in großer Gefahr." Und nachdem Jesus geendet hatte, sagte Simon Petrus: "Ja, Herr, wir sind traurig und ratlos, aber wir werden dich nie verlassen. Du hast uns die Worte des ewigen Lebens gelehrt. Wir haben all die Zeit an dich geglaubt und sind dir gefolgt. Wir werden nicht umkehren, denn wir wissen, dass Gott dich gesandt hat." Und als Petrus schwieg, pflichteten sie alle diesem Treuegelöbnis mit einmütigem Kopfnicken bei. Da sagte Jesus: "Geht jetzt zur Ruhe, denn bewegte Zeiten warten auf uns; arbeitsreiche Tage stehen uns unmittelbar bevor." ****** Kapitel 154 Die Letzten Tage in Kapernaum ****** WÄHREND Jesus am Abend des 30. April, jenes ereignisreichen Samstags, Worte des Trostes und der Ermutigung zu seinen niedergeschlagenen und verstörten Jüngern sprach, fand in Tiberias zwischen Herodes Antipas und einer Gruppe von speziell beauftragten Repräsentanten des Sanhedrins von Jerusalem eine Beratung statt. Diese Schriftgelehrten und Pharisäer drängten Herodes, Jesus zu verhaften; sie taten ihr Möglichstes, um ihn davon zu überzeugen, dass Jesus das Volk zu Widerspruch, ja sogar Rebellion anstifte. Aber Herodes weigerte sich, gegen ihn als politischen Übeltäter vorzugehen. Die Berater des Herodes hatten ihm korrekt über das Ereignis am anderen Seeufer berichtet, als das Volk versucht hatte, Jesus zum König auszurufen, und wie dieser das Ansinnen zurückgewiesen habe. Chuza, der dem Kabinett des Herodes angehörte und dessen Gattin ein Mitglied des dienenden Frauenkorps war, hatte ihn dahingehend informiert, dass Jesus nicht beabsichtige, sich in irdische Regierungsangelegenheiten einzumischen und sich einzig mit der Errichtung der geistigen Bruderschaft derer, die an ihn glaubten, befasse und dass er diese Bruderschaft das Königreich des Himmels nenne. Herodes vertraute Chuzas Berichten so sehr, dass er sich weigerte, Jesus in seiner Tätigkeit zu behindern. Herodes war zu dieser Zeit in seiner Haltung gegenüber Jesus auch durch seine abergläubische Furcht vor Johannes dem Täufer beeinflusst. Herodes war einer jener von ihrem Glauben abgefallenen Juden, die an nichts glaubten, aber sich vor allem fürchteten. Er litt am schlechten Gewissen, Johannes hingerichtet zu haben, und er wollte nicht in diese Intrigen gegen Jesus verwickelt werden. Er wusste von vielen Krankheitsfällen, die Jesus, wie es schien, geheilt hatte und er hielt ihn entweder für einen Propheten oder für einen relativ harmlosen religiösen Fanatiker. Als die Juden ihm androhten, Caesar davon zu unterrichten, dass er seine schützende Hand über einen verräterischen Untertan halte, wies Herodes sie aus seinem Beratungszimmer. Die Angelegenheit ruhte also eine Woche lang, und in dieser Zeit bereitete Jesus seine Anhänger auf die unmittelbar bevorstehende Versprengung vor. ***** 154.1 Eine Woche der Beratungen ***** Vom 1. bis 7. Mai hielt Jesus im Hause des Zebedäus mit seinen Anhängern eingehenden Rat. Nur die erprobten und vertrauenswürdigen Jünger wurden zu diesen Besprechungen zugelassen. Zu dieser Zeit waren es nur etwa hundert Jünger, die den moralischen Mut aufbrachten, der Opposition der Pharisäer zu trotzen und sich offen zu Jesus zu bekennen. Mit dieser Schar hielt er morgens, nachmittags und abends Zusammenkünfte ab. Kleine Gruppen Interessierter versammelten sich jeden Nachmittag am Seeufer, wo einige der Evangelisten oder Apostel zu ihnen sprachen. Diese Gruppen zählten selten mehr als fünfzig Personen. Am Freitag dieser Woche schlossen die Leiter der Synagoge von Kapernaum in einem offiziellen Schritt das Haus Gottes für Jesus und alle seine Anhänger. Diese Maßnahme geschah auf Veranlassung der Pharisäer von Jerusalem. Jairus trat als oberster Leiter zurück und schloss sich offen Jesus an. Das letzte Treffen am Seeufer wurde am Sabbatnachmittag, dem 7. Mai, abgehalten. Jesus sprach zu weniger als hundertfünfzig Personen, die sich um diese Zeit versammelt hatten. An diesem Samstagabend hatten Jesus und seine Lehren in der wechselhaften Volksgunst ihren tiefsten Punkt erreicht. Von da an gab es ein stetiges langsames, aber gesünderes und verlässlicheres Wachstum an freundlicher Gesinnung. Eine neue Gefolgschaft wurde aufgebaut, die stärker auf geistigem Glauben und wahrer religiöser Erfahrung gründete. Das mehr oder weniger gemischte, auf Kompromissen beruhende Übergangsstadium von den materialistischen Auffassungen vom Königreich, denen des Meisters Jünger anhingen, zu den idealistischeren und vergeistigteren Vorstellungen, wie Jesus sie lehrte, war nun definitiv zu Ende. Das Evangelium vom Königreich wurde von da an offener, mit einem breiteren Horizont und mit all seinen unabsehbaren geistigen Implikationen verkündigt. ***** 154.2 Eine Woche der Ruhe ***** Am Sonntag, dem 8. Mai 29, erließ der Sanhedrin in Jerusalem ein Dekret, das Jesus und seine Anhänger von sämtlichen Synagogen Palästinas ausschloss. Das war eine neue, nie dagewesene widerrechtliche Aneignung von Autorität durch den Sanhedrin von Jerusalem. Bis dahin hatte jede Synagoge als unabhängige Gemeinde von Gläubigen existiert und funktioniert und war der Aufsicht und Leitung ihrer eigenen Behörde unterstellt gewesen. Nur Jerusalems Synagogen unterstanden der Autorität des Sanhedrins. Auf diese summarische Maßnahme des Sanhedrins hin traten fünf von dessen Mitgliedern zurück. Einhundert Kuriere wurden sofort abgesandt, um das Dekret zu überbringen und durchzusetzen. In der kurzen Spanne von nur zwei Wochen beugten sich sämtliche Synagogen Palästinas mit Ausnahme derjenigen von Hebron der Verfügung des Sanhedrins. Die Leiter der Synagoge von Hebron weigerten sich, das Recht des Sanhedrins anzuerkennen, eine derartige Gerichtsbarkeit über ihre Versammlung auszuüben. Dieser Weigerung, dem Dekret aus Jerusalem zuzustimmen, lag mehr die Streitfrage wegen der Autonomie ihrer Gemeinde als Sympathie für die Sache Jesu zugrunde. Kurz danach wurde die Synagoge von Hebron durch Feuer zerstört. Am selben Sonntagmorgen kündigte Jesus eine Ferienwoche an. Er forderte all seine Jünger auf, nach Hause oder zu ihren Freunden zu gehen, ihren erregten Gemütern Ruhe zu gönnen und zu ihren Lieben Worte der Ermutigung zu sprechen. Er sagte: "Geht nun ein jeder nach Hause zum Spielen oder Fischen, und betet für die Ausbreitung des Königreichs." Diese Woche der Ruhe verschaffte Jesus die Gelegenheit, viele Familien und Gruppen am Seeufer zu besuchen. Verschiedentlich ging er auch mit David Zebedäus fischen. Wenn er auch viele Zeit alleine umherging, hielten sich doch stets zwei oder drei von Davids vertrauenswürdigsten Boten versteckt in der Nähe auf, die von ihrem Vorgesetzten genaue Anweisungen für Jesu Sicherheit erhalten hatten. Es gab während dieser Ruhewoche keine öffentliche Unterweisung irgendwelcher Art. In derselben Woche lagen Nathanael und Jakobus Zebedäus recht schwer erkrankt darnieder. Drei Tage und Nächte lang litten sie an einer akuten, schmerzhaften Verdauungsstörung. In der dritten Nacht schickte Jesus Salome, die Mutter von Jakobus, zur Ruhe und sorgte selber für seine leidenden Apostel. Jesus hätte diese beiden Männer selbstverständlich sofort heilen können, aber dies ist nicht des Sohnes oder des Vaters Methode im Umgang mit den gewöhnlichen Schwierigkeiten und Leiden der Menschenkinder auf den evolutionären Welten von Zeit und Raum. Während seines ganzen bewegten Erdenlebens kam Jesus nicht ein einziges Mal irgendeinem seiner irdischen Familienmitglieder oder einem seiner unmittelbaren Anhänger auf übernatürliche Weise zu Hilfe. Universums-Schwierigkeiten und planetarischen Hindernissen muss man als einem Teil der Erfahrungsschule begegnen, die für das Wachstum, die Entfaltung und progressive Vervollkommung der sich entwickelnden Seelen der sterblichen Geschöpfe vorgesehen ist. Die Vergeistigung der menschlichen Seele verlangt eine gründliche Erfahrung mit der erzieherisch wirkenden Lösung eines breiten Fächers wahrer universeller Probleme. Die tierische Natur und die niedrigeren Formen der Willensgeschöpfe entwickeln sich nicht günstig in einer bequemen Umwelt. Problematische Situationen gepaart mit Anreizen, sich anzustrengen, wirken dahin, jene Verstandes-, Seelen- und Geistestätigkeiten zu wecken, welche sehr stark zur Erreichung lohnender Ziele menschlichen Fortschritts und höherer Ebenen geistiger Bestimmung beitragen. ***** 154.3 Die zweite Konferenz in Tiberias ***** Auf den 16. Mai wurde die zweite Konferenz zwischen den Behörden von Jerusalem und Herodes Antipas nach Tiberias einberufen. Neben den religiösen waren auch die politischen Führer Jerusalems anwesend. Die jüdischen Führer waren in der Lage, Herodes zu berichten, dass sowohl in Galiläa als auch in Judäa praktisch alle Synagogen für Jesu Lehren verschlossen waren. Sie bemühten sich erneut, Herodes dazu zu bewegen, Jesus in Haft zu nehmen, aber er weigerte sich, ihrer Forderung zu entsprechen. Am 18. Mai indessen willigte er in den Plan ein, der Behörde des Sanhedrins zu erlauben, Jesus zu ergreifen, ihn nach Jerusalem zu bringen und ihm dort aufgrund religiöser Anklagen den Prozess zu machen, vorausgesetzt, der römische Herrscher von Judäa gebe seine Zustimmung zu einer solchen Übereinkunft. Mittlerweile streuten Jesu Feinde in Galiläa eifrig das Gerücht aus, Herodes sei Jesus nunmehr feindlich gesinnt und beabsichtige, alle auszurotten, die an seine Lehren glaubten. Am Samstagabend, dem 21. Mai, traf in Tiberias die Nachricht ein, dass die zivilen Behörden in Jerusalem keinen Einwand gegen die zwischen Herodes und den Pharisäern getroffene Abmachung erhöben, Jesus zu ergreifen, nach Jerusalem zu bringen und ihm vor dem Sanhedrin den Prozess aufgrund der Anklage zu machen, die heiligen Gesetze der jüdischen Nation zu verhöhnen. Demzufolge unterzeichnete Herodes kurz vor Mitternacht desselben Tages ein Dekret, das die Beamten des Sanhedrins ermächtigte, Jesus auf dem Gebiet des Herodes festzunehmen und ihn mit Gewalt zur Aburteilung nach Jerusalem zu führen. Von vielen Seiten wurde auf Herodes starker Druck ausgeübt, bevor er sich zu dieser Bewilligung bereit fand, wobei er genau wusste, dass Jesus von Seiten seiner erbitterten Feinde in Jerusalem keinen gerechten Prozess erwarten konnte. ***** 154.4 Am Samstagabend in Kapernaum ***** Am selben Samstagabend kam in Kapernaum eine Gruppe von fünfzig führenden Bürgern in der Synagoge zusammen, um die folgenschwere Frage zu besprechen: "Was sollen wir mit Jesus tun?" Sie sprachen und debattierten bis nach Mitternacht, konnten aber keinen gemeinsamen Nenner für eine Übereinkunft finden. Mit Ausnahme einiger weniger, die dazu neigten, Jesus für den Messias oder wenigstens einen heiligen Mann oder vielleicht einen Propheten zu halten, war die Versammlung in vier ungefähr gleich starke Gruppen gespalten, die folgende Ansichten über Jesus vertraten: 1. Er sei ein harmloser religiöser Fanatiker, der sich selber etwas vormache. 2. Er sei ein gefährlicher und intriganter Agitator, der einen Volksaufstand anzetteln könnte. 3. Er sei mit Teufeln im Bunde oder gar selber ein Teufelsfürst. 4. Er sei nicht bei Sinnen, verrückt, geistig nicht im Gleichgewicht. Es wurde auch viel über die in Jesu Predigten enthaltenen Lehren gesprochen, die für das einfache Volk verwirrend seien; seine Feinde behaupteten, dass seine Lehren theoretisch seien und alles auseinander bräche, wenn jeder ernstlich versuchen wollte, seinen Ideen gemäß zu leben. Und die Menschen mancher späterer Generationen haben dasselbe gesagt. Selbst im aufgeklärteren Zeitalter dieser Offenbarungen behaupten viele intelligente und wohlmeinende Menschen, die moderne Zivilisation hätte nicht auf den Lehren Jesu aufgebaut werden können - und sie haben teilweise recht. Aber all diese Zweifler vergessen, dass auf seinen Lehren eine viel bessere Zivilisation hätte aufgebaut werden können - und eines Tages aufgebaut werden wird. Diese Welt hat nie ernsthaft versucht, die Lehren Jesu im großen Maßstab anzuwenden, obwohl oft halbherzige Versuche unternommen worden sind, die Lehren des so genannten Christentums zu befolgen. ***** 154.5 Der ereignisreiche Sonntagmorgen ***** Der 22. Mai war ein bewegter Tag im Leben Jesu. An diesem Sonntagmorgen noch vor Tagesanbruch traf in großer Eile einer von Davids Boten aus Tiberias mit der Nachricht ein, dass Herodes die Verhaftung Jesu durch die Beamten des Sanhedrins angeordnet habe oder dabei sei, sie zu verfügen. Als David Zebedäus die Nachricht von der unmittelbar drohenden Gefahr empfangen hatte, ließ er seine Boten wecken und schickte sie zu allen Jüngergruppen des Ortes, um diese noch am selben Morgen auf sieben Uhr zu einer Dringlichkeitsberatung zusammenzurufen. Als die Schwägerin von Jude (des Bruders Jesu) diese alarmierende Botschaft erhielt, benachrichtigte sie eilends alle Mitglieder der Familie Jesu, die in der Nähe wohnten, und forderte sie auf, sich unverzüglich im Hause des Zebedäus zu versammeln. Auf diesen dringenden Ruf hin fanden sich dort sehr bald Maria, Jakobus, Joseph, Jude und Ruth ein. An dieser frühmorgendlichen Zusammenkunft gab Jesus den versammelten Jüngern seine Abschiedsinstruktionen, d. h. er nahm vorläufig von ihnen Abschied, wohl wissend, dass sie bald von Kapernaum weg zerstreut würden. Er wies sie alle an, Gott um Führung zu bitten und die Arbeit für das Königreich ohne Rücksicht auf die Konsequenzen weiterzuführen. Die Evangelisten sollten nach ihrem Gutdünken so lange weiterarbeiten, bis sie gerufen würden. Er wählte zwölf Evangelisten aus, um ihn zu begleiten; den zwölf Aposteln gebot er, bei ihm zu bleiben, was auch immer geschehen mochte. Die zwölf Frauen wies er an, in den Häusern von Zebedäus und Petrus zu bleiben, bis er nach ihnen schicken würde. Jesus war damit einverstanden, dass David Zebedäus seinen landesweiten Botendienst aufrechterhalte. Als David bald darauf vom Meister Abschied nahm, sagte er: "Geh an dein Werk, Meister. Lass die Frömmler dich nicht fangen, und zweifle nie daran, dass die Boten dir überallhin folgen werden. Meine Leute werden nie den Kontakt mit dir verlieren, und durch sie wirst du über das Königreich in anderen Teilen des Landes Bescheid wissen, und durch sie werden wir alles über dich erfahren. Nichts, was mir zustoßen sollte, wird diesen Dienst beeinträchtigen können, denn ich habe einen ersten und einen zweiten, ja sogar einen dritten Leiter bestimmt. Ich bin weder ein Lehrer noch ein Prediger, aber es liegt mir am Herzen, dies zu tun, und niemand kann mich daran hindern." Gegen sieben Uhr dreißig begann Jesus an diesem Morgen seine Abschiedsworte an fast hundert Gläubige zu richten, die sich im Hause drängten, um ihn zu hören. Alle Anwesenden empfanden den feierlichen Ernst des Anlasses, aber Jesus schien ungewöhnlich fröhlich; er war wieder ganz er selber. Der seit Wochen währende Ernst war von ihm gewichen, und er inspirierte sie alle durch seine Worte des Glaubens, der Hoffnung und des Mutes. ***** 154.6 Jesu Familie trifft ein ***** Es war etwa acht Uhr an diesem Sonntagmorgen, als auf die dringende Aufforderung von Judes Schwägerin hin fünf Mitglieder der irdischen Familie Jesu am Ort des Geschehens eintrafen. Von seiner ganzen irdischen Familie glaubte einzig Ruth von ganzer Seele und beständig an die Göttlichkeit seiner Sendung auf Erden. Jude und Jakobus, und sogar Joseph bewahrten noch viel von ihrem Glauben an Jesus, aber sie hatten ihrem Stolz erlaubt, ihre bessere Einsicht und ihre wahren geistigen Neigungen zu verdunkeln. Ebenso wurde Maria hin- und hergerissen zwischen Liebe und Furcht, zwischen Mutterliebe und Familienstolz. Obwohl Zweifel ihr zusetzten, konnte sie den Besuch Gabriels vor Jesu Geburt nie ganz vergessen. Die Pharisäer hatten Maria bearbeitet, um sie davon zu überzeugen, dass Jesus nicht bei Sinnen, ja verrückt sei. Sie drangen in sie, mit ihren Söhnen zu ihm zu gehen, um ihn von weiteren Bemühungen, in der Öffentlichkeit zu predigen, abzubringen. Sie versicherten Maria, dass Jesus bald einen gesundheitlichen Zusammenbruch erleiden werde, und dass nur Schande und Entehrung über die ganze Familie kommen könne, wenn sie ihm erlaubten, so fortzufahren. Und so machten sich alle fünf, als sie von Judes Schwägerin die Nachricht erhielten, sofort auf den Weg zum Hause des Zebedäus, denn sie befanden sich noch alle in Marias Haus, wo sie sich am Abend zuvor mit den Pharisäern getroffen hatten. Sie hatten mit den Führern aus Jerusalem bis spät in die Nacht hinein gesprochen, und alle waren mehr oder weniger davon überzeugt, dass Jesus befremdlich handle, nun schon seit einiger Zeit in seltsamer Weise. Obwohl sich Ruth nicht sein ganzes Verhalten erklären konnte, betonte sie nachdrücklich, dass er seine Familie immer fair behandelt habe, und widersetzte sich dem Vorhaben, einen Versuch zu unternehmen, ihn von weiterer Tätigkeit abzubringen. Unterwegs zum Haus des Zebedäus besprachen sie diese Dinge und kamen untereinander überein zu versuchen, Jesus zu überreden, mit ihnen nach Hause zu kommen, denn, so sagte Maria: "Ich weiß, ich könnte meinen Sohn beeinflussen, wenn er nur heimkommen und auf mich hören wollte." Jakobus und Judas waren Gerüchte über die Pläne zu Ohren gekommen, Jesus zu verhaften und ihn in Jerusalem vor Gericht zu bringen. Sie fürchteten auch für ihre eigene Sicherheit. Solange Jesus in den Augen der Öffentlichkeit eine populäre Erscheinung war, ließ seine Familie den Dingen ihren Lauf, aber jetzt, da die Bevölkerung von Kapernaum und die Führer in Jerusalem sich plötzlich gegen ihn gewandt hatten, begannen sie, die angebliche Schande ihrer peinlichen Stellung stark zu empfinden. Sie hatten gehofft, Jesus zu treffen, ihn beiseite zu nehmen und ihn zu drängen, mit ihnen nach Hause zu kommen. Sie hatten vorgehabt, ihm zu versichern, sie würden vergessen, dass er sie vernachlässigt hatte - sie würden vergeben und vergessen -, wenn er nur die Torheit aufgeben wollte, eine neue Religion zu predigen, die ihm selber nur Schwierigkeiten und seiner Familie nur Unehre einbringen konnte. Zu alledem sagte Ruth nur soviel: "Ich will meinem Bruder sagen, dass ich ihn für einen Mann Gottes halte, und dass ich hoffe, er werde eher bereit sein zu sterben, als diesen verruchten Pharisäern zu erlauben, seinem Predigen ein Ende zu bereiten." Joseph versprach, dafür zu sorgen, dass Ruth schweige, während die anderen Jesus bearbeiteten. Als sie beim Hause des Zebedäus ankamen, befand sich Jesus mitten in seiner Abschiedsansprache an seine Jünger. Sie versuchten, sich Eintritt ins Haus zu verschaffen, aber es war schon überfüllt. Schließlich stellten sie sich an den hinteren Eingang und ließen die Kunde von ihrer Ankunft von einem zum anderen bis zu Simon Petrus weitersagen, welcher Jesus, dessen Ansprache unterbrechend, zuflüsterte: "Schau, deine Mutter und deine Brüder warten draußen, und sie möchten dich unbedingt sprechen." Nun kam es seiner Mutter nicht in den Sinn, wie wichtig diese Abschiedsbotschaft für seine Anhänger war, auch ahnte sie nicht, dass seiner Rede durch die Ankunft der Häscher jeden Augenblick ein Ende gesetzt werden konnte. Nach einer so langen offensichtlichen Entfremdung und angesichts der Tatsache, dass sie und seine Brüder ihm die Gunst erwiesen, zu ihm zu kommen, dachte sie wirklich, Jesus werde zu sprechen aufhören und ihnen entgegeneilen, sowie er hörte, dass sie auf ihn warteten. Dies war lediglich ein weiteres Beispiel von vielen, bei denen seine irdische Familie nicht verstehen konnte, dass er sich um seines Vaters Angelegenheiten kümmern musste. Und so waren Maria und seine Brüder tief verletzt, als er zwar innehielt, um die Botschaft entgegenzunehmen, aber nicht gleich zu ihnen hinausstürzte, um sie zu begrüßen. Stattdessen hörten sie seine wohlklingende Stimme etwas lauter sagen: "Sagt meiner Mutter und meinen Brüdern, sie sollen sich nicht um mich ängstigen. Der Vater, der mich in die Welt gesandt hat, wird mich nicht verlassen, noch wird meiner Familie irgendein Leid zustoßen. Sagt ihnen, sie sollen guten Mutes sein und ihr Vertrauen in den Vater des Königreichs setzen. Aber wer ist letzten Endes meine Mutter und wer sind meine Brüder?" Und indem er seine Hände allen im Raum versammelten Jüngern entgegenstreckte, sprach er: "Ich habe keine Mutter; ich habe keine Brüder. Seht hier meine Mutter und seht hier meine Brüder! Denn wer immer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist meine Mutter, mein Bruder und meine Schwester." Als Maria diese Worte hörte, brach sie in den Armen Judes zusammen. Man trug sie in den Garten hinaus, um sie wieder zu beleben, während Jesus die Schlussworte seiner Abschiedsbotschaft sprach. Er wäre gleich darauf hinausgegangen, um mit seiner Mutter und seinen Brüdern zu sprechen; aber da traf in großer Hast ein Bote aus Tiberias mit der Nachricht ein, dass die Beamten des Sanhedrins unterwegs und befugt seien, Jesus zu verhaften und ihn nach Jerusalem zu bringen. Andreas empfing diese Botschaft, unterbrach Jesus und teilte sie ihm mit. Andreas erinnerte sich nicht daran, dass David rund um das Haus des Zebedäus an die fünfundzwanzig Wachen aufgestellt hatte und niemand sie überraschen konnte, und so fragte er Jesus, was zu tun sei. Der Meister stand schweigend da, während sich seine Mutter im Garten vom Schock der Worte "Ich habe keine Mutter" erholte. Genau in diesem Augenblick erhob sich eine Frau im Raum und rief aus: "Gesegnet sei der Schoß, der dich trug und gesegnet seien die Brüste, die dich genährt haben." Für einen Augenblick wandte sich Jesus von seiner Besprechung mit Andreas ab, um der Frau zu antworten: "Nein, gesegnet ist vielmehr derjenige, der auf Gottes Wort hört und es wagt, ihm zu gehorchen." Maria und Jesu Brüder dachten, Jesus verstehe sie nicht, er interessiere sich nicht mehr für sie, und hatten keine Ahnung, dass sie es waren, die Jesus nicht verstanden. Jesus verstand völlig, wie schwierig es für Menschen ist, mit ihrer Vergangenheit zu brechen. Er wusste, wie menschliche Wesen durch eines Predigers Beredsamkeit mitgerissen werden, wie das Bewusstsein auf einen Gefühlsappell und der Verstand auf Logik und Vernunft reagieren, aber er wusste auch, wie unendlich viel schwieriger es ist, die Menschen davon zu überzeugen, die Vergangenheit loszulassen. Es ist ewig wahr, dass, wer immer sich missverstanden oder nicht anerkannt glaubt, in Jesus einen mitfühlenden Freund und verständnisvollen Ratgeber besitzt. Er hatte seine Apostel davor gewarnt, dass jemand seine eigenen Hausgenossen zu Feinden haben könnte, aber er hatte sich dabei wohl kaum vorgestellt, wie nahe diese Vorhersage seiner eigenen Erfahrung kommen würde. Jesus hatte seine irdische Familie nicht verlassen, um seines Vaters Werk zu tun - sie verließ ihn. Als Jakobus später, nach des Meisters Tod und Auferstehung, mit der jungen christlichen Bewegung in Verbindung kam, litt er unsäglich darunter, dass er es versäumt hatte, sich dieses frühen Kontaktes mit Jesus und seinen Jüngern zu erfreuen. Jesus hatte beschlossen, sich einzig von dem beschränkten Wissen seines menschlichen Verstandes durch diese Ereignisse führen zu lassen. Er wünschte, diese Erfahrung mit seinen Mitarbeitern als ein bloßer Mensch zu machen. Und Jesus hatte sich in seinem menschlichen Verstand vorgenommen, seine Familie vor seinem Weggang zu sehen. Er wollte seine Rede nicht in der Mitte abbrechen und somit ihre erste Begegnung nach einer so langen Trennung zu einer öffentlichen Angelegenheit machen. Er hatte beabsichtigt, seine Ansprache zu beenden und alsdann vor seinem Weggehen noch mit ihnen zu sprechen, aber dieser Plan wurde durch das Dazwischentreten der unmittelbar folgenden Ereignisse durchkreuzt. Die Überstürztheit ihrer Flucht wurde durch die Ankunft eines Teils von Davids Boten am hinteren Eingang von Zebedäus' Haus noch größer. Die Bewegung, die diese Männer auslösten, weckte in den Aposteln die Furcht, die Neuankömmlinge seien ihre Häscher, und aus Angst vor einer sofortigen Verhaftung eilten sie durch den vorderen Eingang zum wartenden Boot hinaus. Und all das erklärt, wieso Jesus seine Familie, die am hinteren Eingang wartete, nicht mehr sah. Aber während er in eiliger Flucht das Boot bestieg, sagte er zu David Zebedäus: "Sag meiner Mutter und meinen Brüdern, dass ich dankbar bin über ihr Kommen und dass es meine Absicht war, sie zu sehen. Ermahne sie, an mir keinen Anstoß zu nehmen, sondern vielmehr nach der Erkenntnis von Gottes Willen zu streben und nach Gnade und Mut, diesen Willen zu tun." ***** 154.7 Die überstürzte Flucht ***** Und so begann Jesus am Sonntagmorgen, dem 22. Mai des Jahres 29, mit seinen zwölf Aposteln und den zwölf Evangelisten die überstürzte Flucht vor den Beamten des Sanhedrins, die sich auf dem Wege nach Bethsaida befanden, um ihn mit Ermächtigung des Herodes Antipas zu verhaften und ihn wegen Gotteslästerung und anderer Verletzungen der heiligen Gesetze der Juden zur Aburteilung nach Jerusalem zu bringen. Es war gegen halb neun an diesem schönen Morgen, als die fünfundzwanzigköpfige Mannschaft sich an die Ruder setzte und dem Ostufer des Galiläischen Meeres zustrebte. Dem Boot des Meisters folgte ein zweites, kleineres Boot mit sechs von Davids Läufern an Bord, die Anweisung hatten, den Kontakt mit Jesus und seinen Mitarbeitern aufrechtzuerhalten und regelmäßig für die Übermittlung von Nachrichten über ihren Verbleib und ihre Sicherheit nach Bethsaida ins Haus des Zebedäus zu sorgen, das seit geraumer Zeit als Hauptquartier für die Arbeit des Königreichs diente. Aber nie wieder sollte Jesus bei Zebedäus ein Zuhause finden. Von jetzt an, während des ganzen Rests seines Erdenlebens, hatte der Meister wahrhaftig "keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen konnte". Nie mehr besaß er etwas, das auch nur entfernt einem festen Wohnsitz ähnlich war. Sie ruderten hinüber bis in die Nähe des Dorfes Kheresa, gaben ihr Schiff in die Obhut von Freunden und begannen mit den Wanderungen dieses letzten ereignisreichen Jahres von Jesu Erdenleben. Sie hielten sich eine Zeit lang im Hoheitsbereich des Philippus auf, indem sie sich von Kheresa aus nach Cäsarea-Philippi begaben und sich von dort der phönizischen Küste zuwandten. Die Menge stand noch um das Haus des Zebedäus herum und schaute zu, wie die beiden Boote über den See auf das östliche Ufer zusteuerten, und diese hatten bereits einen schönen Vorsprung, als die Beamten aus Jerusalem herangeeilt kamen und die Suche nach Jesus aufnahmen. Sie wollten es nicht wahrhaben, dass er ihnen entwischt war. Und während Jesus mit seinen Leuten durch Batanea nordwärts wanderte, verbrachten die Pharisäer und ihre Helfer fast eine ganze Woche mit der vergeblichen Suche nach ihm in der Umgebung von Kapernaum. Jesu Familie kehrte in ihr Heim nach Kapernaum zurück und brachte hier fast eine Woche mit Reden, Diskutieren und Beten zu. Ihre Verwirrung und Bestürzung war groß. Ihre Gemüter kamen nicht vor Donnerstagnachmittag zur Ruhe, als Ruth von einem Besuch im Hause des Zebedäus zurückkehrte, wo sie von David erfahren hatte, dass ihr Vater-Bruder in Sicherheit und bei guter Gesundheit auf dem Wege zur phönizischen Küste sei. ****** Kapitel 155 Die Flucht durch Nordgaliläa ****** AN diesem ereignisreichen Sonntag gingen Jesus und die Vierundzwanzig bald nach ihrer Landung in der Nähe von Kheresa ein kurzes Wegstück in nördlicher Richtung, wo sie die Nacht in einem schönen, südlich von Bethsaida-Julias gelegenen Hain verbrachten. Sie kannten diesen Zeltplatz gut, da sie sich schon früher hier aufgehalten hatten. Vor dem Schlafengehen versammelte der Meister seine Jünger um sich und besprach mit ihnen die Pläne für ihr Reisevorhaben durch Batanea und Nordgaliläa zur phönizischen Küste. ***** 155.1 Warum toben die Heiden? ***** Jesus sagte: "Ihr solltet euch alle daran erinnern, wie der Psalmist von diesen Zeiten sprach, wenn er sagte: `Warum toben die Heiden und verschwören sich die Völker vergebens? Die Könige der Erde empören sich, und die Herrscher der Völker beraten sich untereinander gegen den Herrn und gegen seinen Gesalbten und sagen: Lasst uns die Ketten der Barmherzigkeit zerreißen und die Bande der Liebe wegwerfen.' "Heute erfüllt sich all das vor euren Augen. Aber ihr werdet die Erfüllung des Rests der Prophezeiung des Psalmisten nicht sehen, denn er hatte irrige Vorstellungen vom Menschensohn und von dessen irdischer Sendung. Mein Königreich gründet auf Liebe, es wird in Barmherzigkeit verkündet und in selbstlosem Dienst aufgebaut. Mein Vater sitzt nicht im Himmel und lacht höhnisch über die Heiden. In sein großes Missfallen mischt sich kein Zorn. Wahr hingegen ist das Versprechen, dass der Sohn die so genannten Heiden (in Wahrheit seine unwissenden und unbelehrten Brüder) zum Erbe haben wird. Und ich werde diese Nichtjuden mit offenen Armen in Barmherzigkeit und Mitgefühl aufnehmen. Solch göttliche Gnade werden die so genannten Heiden erfahren trotz der unglücklichen Erklärung in der Schrift, die zu verstehen gibt, dass der siegreiche Sohn `sie mit eiserner Rute zerbrechen und sie wie das Gefäß eines Töpfers in Stücke schlagen wird.' Der Psalmist ermahnte euch, `dem Herrn in Furcht zu dienen' - ich aber lade euch ein, an den erhabenen Vorrechten der göttlichen Sohnschaft durch den Glauben teilzuhaben. Er befiehlt euch `freut euch mit Zittern'; ich sage euch `freut euch mit Zuversicht'. Er sagt: `Küsst den Sohn, dass er nicht zürne und ihr nicht umkommt, wenn sein Zorn entbrennt.' Aber ihr, die ihr mit mir gelebt habt, wisst gut, dass Zorn und Wut nicht zur Errichtung des Königreichs des Himmels in den Herzen der Menschen gehören. Hingegen sah der Psalmist einen Schimmer des wahren Lichts, als er am Schluss seiner Ermahnung sagte: `Gesegnet seien, die ihr Vertrauen in diesen Sohn legen.' " Jesus fuhr fort, die Vierundzwanzig zu unterweisen, und sprach: "Die Heiden haben eine gewisse Entschuldigung, wenn sie gegen uns toben. Weil sie nur einen kleinen und engen Blickwinkel besitzen, sind sie fähig, ihre Energien mit Begeisterung zu konzentrieren. Ihr Ziel ist nah und mehr oder weniger sichtbar; deshalb kämpfen sie mutig und erfolgreich für seine Verwirklichung. Ihr habt zwar euren Eintritt ins Königreich des Himmels erklärt, aber die Art, in der ihr unterweist, ist zu schwankend und zu unbestimmt. Die Heiden greifen ihr Ziel direkt an; ihr aber macht euch einer ständigen Sehnsucht schuldig. Wenn ihr ins Königreich eintreten wollt, warum bemächtigt ihr euch seiner dann nicht durch einen geistigen Angriff, so wie die Heiden eine belagerte Stadt einnehmen? Ihr seid des Königreichs kaum wert, wenn euer Dienst so weitgehend in einer Haltung besteht, die der Vergangenheit nachtrauert, die Gegenwart bejammert und vergeblich auf die Zukunft hofft. Warum toben die Heiden? Weil sie die Wahrheit nicht kennen. Weshalb schmachtet ihr in vergeblicher Sehnsucht? Weil ihr der Wahrheit nicht gehorcht. Hört auf, euch unnötig zu sehnen und geht tapfer daran, das zu tun, was die Errichtung des Königreichs verlangt. Werdet in allem, was ihr tut, nicht einseitig und überspezialisiert. Die Pharisäer, die uns vernichten wollen, denken wahrhaftig, sie handelten im Dienste Gottes. Die Tradition hat sie mit der Zeit so eingeengt, dass Vorurteile sie blind machen und Furcht sie verhärtet. Denkt an die Griechen, die eine Wissenschaft ohne Religion haben, während die Juden eine Religion ohne Wissenschaft haben. Wenn sich die Menschen so verirren, dass sie ein gründliches, verworrenes Auseinanderbrechen der Wahrheit akzeptieren, ist ihre einzige Hoffnung auf Errettung, sich auf die Wahrheit auszurichten - sich zu bekehren. "Lasst mich nachdrücklich diese ewige Wahrheit feststellen: Wenn ihr durch eure Ausrichtung auf die Wahrheit lernt, in eurer Lebensweise diese wunderbare Ganzheit der Rechtschaffenheit beispielhaft zum Ausdruck zu bringen, werden eure Mitmenschen euch aufsuchen, um ebenfalls zu gewinnen, was ihr erworben habt. Das Maß, in dem sich Wahrheitssucher zu euch hingezogen fühlen, ist auch das Maß der Wahrheit, die ihr besitzt, das Maß eurer Rechtschaffenheit. Das Ausmaß, in welchem ihr mit eurer Botschaft zu den Leuten gehen müsst, ist auch in gewissem Sinn das Maß eures Unvermögens, ein ganzes oder rechtschaffenes Leben, ein auf die Wahrheit abgestimmtes Leben zu leben." Und der Meister lehrte seine Apostel und die Evangelisten noch vieles andere, bevor sie ihm eine gute Nacht wünschten und sich auf ihren Kissen zur Ruhe legten. ***** 155.2 Die Evangelisten in Chorazin ***** Am Montagmorgen, dem 23. Mai, trug Jesus Petrus auf, mit den zwölf Evangelisten nach Chorazin hinüberzugehen, während er selber mit den übrigen elf nach Cäsarea-Philippi aufbrach. Sein Reiseweg führte am Jordan entlang bis zur Straße von Damaskus nach Kapernaum, von dort in nordöstlicher Richtung bis zur Verbindung mit der Straße nach Cäsarea-Philippi und schließlich in diese Stadt, wo sie zwei Wochen lang verweilten und lehrten. Sie kamen dort am Dienstagnachmittag, dem 24. Mai, an. Petrus und die Evangelisten hielten sich zwei Wochen lang in Chorazin auf, wo sie einer kleinen, aber ernsthaften Gruppe von Gläubigen das Evangelium vom Königreich predigten. Es gelang ihnen indessen nicht, viele neue Bekehrte hinzuzugewinnen. Keine Stadt in ganz Galiläa lieferte dem Königreich so wenige Seelen wie Chorazin. In Übereinstimmung mit den Instruktionen des Petrus sprachen die Evangelisten weniger über Heilung - also physische Dinge - sondern predigten und lehrten mit vermehrter Energie die geistigen Wahrheiten des himmlischen Königreichs. Diese zwei Wochen in Chorazin stellten für die zwölf Evangelisten eine richtige Feuertaufe dar, denn es war bis zu diesem Zeitpunkt die schwierigste und unproduktivste Periode ihrer Laufbahn. Da ihnen die Genugtuung, dem Königreich Seelen zu gewinnen, genommen war, suchte jeder von ihnen umso ernsthafter und ehrlicher, sich über seine eigene Seele und deren Fortschritte auf den geistigen Pfaden des neuen Lebens klar zu werden. Als es offensichtlich wurde, dass niemand mehr ins Königreich einzutreten wünschte, rief Petrus am Dienstag, dem 7. Juni, seine Gefährten zusammen, und sie machten sich nach Cäsarea-Philippi auf, um sich mit Jesus und den Aposteln zu vereinigen. Sie langten dort am Mittwoch gegen Mittag an und erzählten den ganzen Abend lang von ihren Erlebnissen mit den Ungläubigen von Chorazin. Während der Gespräche dieses Abends bezog sich Jesus wiederum auf das Gleichnis vom Sämann und lehrte sie vieles über die Bedeutung scheinbarer Fehlschläge in den Unternehmungen des Lebens. ***** 155.3 In Cäsarea-Philippi ***** Obwohl Jesus während dieses zweiwöchigen Aufenthaltes in der Nähe von Cäsarea-Philippi nie an die Öffentlichkeit trat, hielten die Apostel in der Stadt zahlreiche ruhige Abendversammlungen ab, und viele von den Gläubigen kamen zu einem Gespräch mit dem Meister ins Lager hinaus. Nur sehr wenige wurden der Gruppe der Gläubigen als Ergebnis dieses Aufenthaltes hinzugefügt. Jesus sprach jeden Tag mit den Aposteln, und sie nahmen klarer wahr, dass jetzt eine neue Arbeitsphase der Verkündigung des Königreichs begann. Sie fingen an zu begreifen, dass "das Himmelreich nicht Speise und Trank ist, sondern die Verwirklichung der geistigen Freude durch die Annahme der göttlichen Sohnschaft". Der Aufenthalt in Cäsarea-Philippi war für die elf Apostel eine echte Prüfung; sie durchlebten zwei schwierige Wochen. Sie litten nahezu an Depression und vermissten die regelmäßige Belebung durch die enthusiastische Persönlichkeit des Petrus. In diesen Zeiten war es wahrhaftig ein großes Abenteuer und eine Prüfung, an Jesus zu glauben und sich aufzumachen, ihm zu folgen. Obwohl sie in diesen zwei Wochen nur wenige bekehrten, lernten sie bei ihren täglichen Zusammenkünften mit dem Meister viel höchst Nützliches. Die Apostel erfuhren, dass die Juden im geistigen Sinne stagnierten und starben, weil sie die Wahrheit in ein starres Kredo gebracht hatten; dass, wenn die Wahrheit als Grenzlinie selbstgerechter Exklusivität formuliert wird, anstatt als Wegweiser zu geistiger Führung und geistigem Fortschritt zu dienen, solche Lehren ihre schöpferische und lebenspendende Kraft verlieren und letzten Endes lediglich konservierende und versteinernde Wirkung haben. Immer mehr lernten sie von Jesus, die menschlichen Persönlichkeiten im Lichte ihrer Möglichkeiten in Zeit und Ewigkeit zu sehen. Sie lernten, dass man viele Seelen am besten dahin bringt, den unsichtbaren Gott zu lieben, indem man sie zuerst lehrt, ihre Brüder zu lieben, die sie sehen können. Und in diesem Zusammenhang gewann des Meisters Ausspruch über den selbstlosen Dienst an unseren Mitmenschen eine neue Bedeutung: "Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Eine der großen Lektionen dieses Aufenthaltes in Cäsarea handelte vom Ursprung der religiö-sen Traditionen, von der ernsten Gefahr, es zuzulassen, unheiligen Dingen, gewöhnlichen Ideen oder alltäglichen Ereignissen eine heilige Bedeutung beizumessen. Von einer anderen Zusammenkunft nahmen sie die Lehre mit, dass wahre Religion die tiefempfundene Treue eines Menschen gegenüber seinen höchsten und wahrsten Überzeugungen ist. Jesus warnte seine Anhänger hiervor: Wenn ihr religiöses Verlangen nur materieller Art sei, werde die immer bessere Kenntnis der Natur durch die stetige Verdrängung des vermuteten übernatürlichen Ursprungs der Dinge sie letztlich ihres Glaubens an Gott berauben. Sei aber ihre Religion geistig, könne der Fortschritt der Naturwissenschaft ihren Glauben an ewige Realitäten und göttliche Werte nie ins Wanken bringen. Sie lernten auch dieses: Wenn die Beweggründe der Religion rein geistiger Natur sind, macht sie das ganze Leben lohnender, bereichert es mit hohen Zielen, verleiht ihm Würde durch transzendente Werte, inspiriert es mit herrlichen Motiven, und erquickt die menschliche Seele dauernd mit einer wunderbaren und kraftspendenden Hoffnung. Wahre Religion ist dazu bestimmt, die Belastung der Existenz zu vermindern; sie macht Glauben und Mut für das tägliche Leben und für selbstlosen Dienst frei. Der Glaube fördert geistige Vitalität und Fruchtbarkeit in rechtschaffenem Tun. Jesus lehrte seine Apostel wiederholt, dass keine Zivilisation den Verlust des Besten in ihrer Religion lange zu überleben vermag. Und er wurde nie müde, den Zwölfen die große Gefahr auseinanderzusetzen, religiöse Symbole und Zeremonien den Platz religiö-ser Erfahrung einnehmen zu lassen. Sein ganzes Erdenleben war konsequent der Aufgabe gewidmet, die gefrorenen Formen der Religion aufzutauen in die flüssigen Freiheiten erleuchteter Sohnschaft. ***** 155.4 Auf dem Weg nach Phönizien ***** Am Donnerstagmorgen, dem 9. Juni, verließ die fünfundzwanzigköpfige Schar von Lehrern der Wahrheit Cäsarea-Philippi und begann ihre Reise an die phönizische Küste, nachdem die Boten Davids ihnen aus Bethsaida Nachrichten über den Fortschritt des Königreichs überbracht hatten. Über Luz umgingen sie das Sumpfgebiet bis zur Verbindung mit dem Saumpfad Magdala-Berg Libanon und folgten diesem bis zur Kreuzung mit der Straße, die nach Sidon führte, und langten daselbst am Freitagnachmittag an. Während sie in der Nähe von Luz im Schatten eines überhängenden Felssimses ihre Mittagspause machten, hielt Jesus ihnen eine der denkwürdigsten Reden, die die Apostel in all den Jahren ihrer Zusammenarbeit mit ihm je gehört hatten. Kaum hatten sie sich gesetzt, um das Brot zu brechen, als Simon Petrus Jesus fragte: "Meister, da doch der Vater im Himmel alles weiß und sein Geist unsere Stütze bei der Errichtung des Königreichs auf Erden ist, weshalb fliehen wir dann vor den Drohungen unserer Feinde? Weshalb lehnen wir es ab, den Feinden der Wahrheit gegenüberzutreten?" Aber noch bevor Jesus Petrus antworten konnte, kam Thomas mit der Frage dazwischen: "Meister, ich möchte wirklich gerne wissen, was denn eigentlich an der Religion unserer Feinde in Jerusalem falsch ist. Was ist der wirkliche Unterschied zwischen ihrer und unserer Religion? Wie kommt es, dass ein derartiger Glaubensunterschied zwischen uns besteht, obgleich wir uns alle zum Dienst an demselben Gott bekennen?" Nachdem Thomas geendet hatte, sagte Jesus: "Ich möchte Petrus' Frage nicht ignorieren, denn ich weiß nur zu gut, wie leicht man meine Gründe missverstehen könnte, einen offenen Zusammenprall mit den Führern der Juden gerade im jetzigen Zeitpunkt zu vermeiden. Und doch wird es für euch alle hilfreicher sein, wenn ich mich eher für die Beantwortung von Thomas' Frage entscheide. Und das werde ich tun, wenn ihr mit eurem Mittagessen fertig seid." ***** 155.5 Die Rede über wahre Religion ***** Diese denkwürdige Rede über Religion, die wir zusammenfassen und in moderner Sprache neu formulieren, drückte die folgenden Wahrheiten aus: Die Religionen der Welt haben einen doppelten - einen natürlichen und einen offenbarten - Ursprung, und man findet zu jeder Zeit und in jedem Volk drei verschiedene Formen religiöser Hingebung. Und diese drei Manifestationen des religiösen Dranges sind: 1. Primitive Religion. Der halbnatürliche und instinktive Drang, geheimnisvolle Energien zu fürchten und höhere Mächte anzubeten, hauptsächlich eine Religion der physischen Natur, die Religion der Furcht. 2. Die Religion der Zivilisation. Die sich fortentwickelnden religiösen Vorstellungen und Praktiken der sich zivilisierenden Rassen - die Religion des Verstandes - die intellektuelle Theologie, die auf der Autorität der herrschenden religiösen Tradition beruht. 3. Wahre Religion - die Religion der Offenbarung . Die Offenbarung übernatürlicher Werte, ein teilweiser Einblick in ewige Realitäten, ein flüchtiger Blick auf die Güte und Schönheit des unendlichen Charakters des Vaters im Himmel - die Religion des Geistes, wie sie sich in der menschlichen Erfahrung zeigt. Der Meister wollte die Religion der physischen Sinne und die abergläubische Furcht des Naturmenschen nicht herabsetzen, bedauerte aber die Tatsache, dass so vieles von dieser primitiven Form der Anbetung in den Religionen der intelligenteren menschlichen Rassen fortlebte. Jesus machte klar, dass der große Unterschied zwischen der Religion des Verstandes und der Religion des Geistes darin besteht, dass sich die erste auf kirchliche Autorität stützt, während die zweite einzig auf menschlicher Erfahrung fußt. Und dann fuhr der Meister in dieser Lehrstunde fort, folgende Wahrheiten klarzumachen: Solange die Rassen nicht hochintelligent und zivilisierter geworden sind, werden viele dieser kindlichen und abergläubischen Zeremonien weiter bestehen, die für die evolutionären religiösen Praktiken primitiver und rückständiger Völker so bezeichnend sind. Solange die menschliche Rasse nicht zur Ebene einer höheren und allgemeineren Erkenntnis der Realitäten geistiger Erfahrung fortschreitet, wird ein großer Teil von Männern und Frauen weiterhin eine persönliche Vorliebe für jene autoritären Religionen bekunden, die nur intellektuelle Zustimmung verlangen im Unterschied zur Religion des Geistes, die die aktive Beteiligung von Verstand und Seele erfordert für das Abenteuer des Glaubens im Ringen mit den harten Realitäten der fortschreitenden menschlichen Erfahrung. Die traditionellen Autoritätsreligionen zu akzeptieren, ist ein bequemer Ausweg für den Trieb im Menschen, Befriedigung für die Sehnsüchte seiner geistigen Natur zu suchen. Die bestehenden, in festen Formen etablierten Autoritätsreligionen bieten eine stets verfügbare Zuflucht, wohin die verwirrte und beunruhigte menschliche Seele flüchten kann, wenn Furcht sie zermürbt und Ungewissheit sie quält. Eine solche Religion verlangt von ihren Anhängern als Preis für die gespendete Befriedigung und Sicherheit lediglich eine passive und rein intellektuelle Zustimmung. Und noch lange werden auf Erden solche scheuen, ängstlichen und zögernden Personen leben, die es vorziehen, sich ihre religiösen Tröstungen auf diese Art zu verschaffen, auch wenn sie damit ihr Schicksal an die Autoritätsreligionen binden und so die Souveränität ihrer Persönlichkeit aufs Spiel setzen, die Würde der Selbstachtung erniedrigen und vollkommen das Recht abgeben, teilzuhaben an der hinreißendsten und inspirierendsten aller möglichen menschlichen Erfahrungen: der persönlichen Suche nach Wahrheit, dem Reiz, den Gefahren intellektueller Entdeckungen zu begegnen, der Entschlossenheit, die Realitäten der persönlichen religiösen Erfahrung zu erforschen, der allerhöchsten Befriedigung und des persönlichen Triumphgefühls, den Sieg des geistigen Glaubens über den intellektuellen Zweifel errungen zu haben; einen Sieg, den man ehrlich erringt im größten Abenteuer der ganzen menschlichen Existenz - der Mensch auf der Suche nach Gott, für sich selbst und als er selbst, und ihn schließlich findend. Die Religion des Geistes bedeutet Anstrengung, Kampf, Konflikt, Glauben, Entschlossenheit, Liebe, Treue und Fortschritt. Die Religion des Verstandes - die Theologie der Autorität - verlangt von ihren formellen Anhängern wenige oder gar keine dieser Bemühungen. Die Tradition ist eine sichere Zuflucht und ein einfacher Weg für all jene ängstlichen und halbherzigen Seelen, die instinktiv den geistigen Auseinandersetzungen und mentalen Ungewissheiten ausweichen, welche mit dem Glauben einhergehen auf seiner kühnen Abenteuerreise auf den Meeren unerforschter Wahrheit und bei seiner Suche nach den fernen Küsten geistiger Realitäten, die vom fortschreitenden menschlichen Verstand entdeckt und von der sich entwickelnden menschlichen Seele erfahren werden können. Und Jesus fuhr fort: "In Jerusalem haben die religiösen Führer die verschiedenen Glaubenssätze ihrer traditionellen Lehrer und einstigen Propheten als fest gefügtes System intellektueller Glaubensinhalte formuliert, als eine Religion der Autorität. Alle solchen Religionen wenden sich weitgehend an den Verstand. Und nun sind wir dabei, mit einer solchen Religion in tödlichen Konflikt zu geraten, denn wir werden binnen kurzem mit der unerschrockenen Verkündigung einer neuen Religion beginnen - einer Religion, die nicht eine Religion im heute gültigen Sinne des Wortes ist, einer Religion, die hauptsächlich an den göttlichen, dem menschlichen Verstand innewohnenden Geist meines Vaters appelliert: die Autorität dieser Religion leitet sich aus den Früchten ab, die sich mit großer Sicherheit in der persönlichen Erfahrung all derjenigen zeigen werden, die sie angenommen haben und wirklich und wahrhaftig an die Wahrheiten dieser höheren geistigen Gemeinschaft glauben." Indem er auf jeden der Vierundzwanzig zeigte und ihn bei seinem Namen aufrief, sagte Jesus: "Und jetzt, wer von euch würde es vorziehen, diesen bequemen Weg der Anpassung an eine etablierte und versteinerte Religion, wie die Pharisäer in Jerusalem sie verteidigen, einzuschlagen, anstatt die mit dem Auftrag der Verkündigung eines besseren Heilsweges für die Menschen verbundenen Schwierigkeiten und Verfolgungen zu ertragen, und dabei die Genugtuung zu erleben, selber die Schönheiten der Wirklichkeit einer lebendigen und persönlichen Erfahrung der ewigen Wahrheiten und erhabenen Herrlichkeiten des Königreichs des Himmels zu entdecken? Seid ihr ängstlich, weichlich und auf der Suche nach Bequemlichkeit? Habt ihr Angst, eure Zukunft in die Hände des Gottes der Wahrheit zu legen, dessen Söhne ihr seid? Misstraut ihr dem Vater, dessen Kinder ihr seid? Wollt ihr auf den mühelosen Weg der Gewissheit und intellektuellen Unverrückbarkeit der Religion der traditionellen Autorität zurückkehren, oder wollt ihr euch rüsten und mit mir vorwärts gehen in jene unsichere und schwierige Zukunft der Verkündigung der neuen Wahrheiten der Religion des Geistes, des Königreichs des Himmels in den Herzen der Menschen?" Seine vierundzwanzig Zuhörer sprangen alle auf in der Absicht, einhellig und loyal auf diesen Appell, einen der ganz wenigen emotionalen Appelle, die Jesus je an sie richtete, zu antworten; aber er erhob seine Hand, gebot ihnen Einhalt und sprach: "Jeder ziehe sich nun zurück, um mit dem Vater allein zu sein und dort die nicht-emotionale Antwort auf meine Frage zu finden. Und wenn ihr solch eine wahre und aufrichtige Haltung der Seele gefunden habt, dann sagt eure Antwort frei heraus und kühn zu meinem Vater und eurem Vater, dessen unendliches Leben der Liebe der wahre Geist der Religion ist, die wir verkündigen." Für kurze Zeit zogen sich die Apostel und Evangelisten jeder für sich zurück. Sie waren in gehobener Stimmung, ihre Gedanken inspiriert und ihre Gefühle durch das, was Jesus gesagt hatte, mächtig aufgewühlt. Aber als Andreas sie dann zusammenrief, sagte der Meister nur: "Setzen wir unsere Reise fort. Wir gehen nach Phönizien und werden eine Weile dort bleiben, und jeder von euch sollte den Vater darum bitten, die eigenen seelischen und körperlichen Emotionen in höher stehende bewusste Treue und in befriedigendere geistige Erfahrungen umzuwandeln." Als sie auf ihrem Weg weitergingen, waren die Vierundzwanzig schweigsam, aber bald begannen sie, miteinander zu sprechen, und um drei Uhr nachmittags mochten sie nicht mehr weitergehen; sie hielten an, und Petrus ging zu Jesus und sagte: "Meister, du hast Worte des Lebens und der Wahrheit zu uns gesprochen. Wir möchten noch mehr hören; wir bitten dich inständig darum, uns mehr über diese Dinge zu sagen." ***** 155.6 Die zweite Rede über Religion ***** Und so, während sie im Schatten eines Hügelhangs eine Pause machten, fuhr Jesus fort, sie in der Religion des Geistes zu unterweisen. Er sagte im Wesentlichen: Ihr seid aus dem Kreis jener Mitmenschen ausgetreten, die sich dafür entschieden haben, sich mit einer Verstandesreligion zufrieden zu geben, die ein starkes Verlangen nach Sicherheit haben und den Konformismus vorziehen. Ihr habt euch entschlossen, die Gefühle von Sicherheit, die auf Autorität beruhen, gegen die Zuversicht des Geistes eines wagemutigen und fortschreitenden Glaubens auszutauschen. Ihr habt es gewagt, gegen den zermürbenden Zwang der institutionellen Religion zu protestieren und die Autorität der überlieferten Traditionen, die jetzt als Wort Gottes betrachtet werden, abzulehnen. Unser Vater hat tatsächlich durch Moses, Elija, Jesaja, Amos und Hosea gesprochen, aber er hat, nachdem die damaligen Propheten fertig gesprochen hatten, nicht aufgehört, der Welt Worte der Wahrheit zu schenken. Mein Vater kennt keine Unterschiede zwischen Rassen oder Generationen, indem einem Zeitalter das Wort der Wahrheit gewährt und einem anderen vorenthalten würde. Seid nicht so töricht, göttlich zu nennen, was nur allzu menschlich ist, und versäumt nicht, die Worte der Wahrheit zu erkennen, wenn sie nicht durch die traditionellen Orakel angeblicher Inspiration kommen. Ich habe euch aufgerufen, von neuem geboren zu werden, aus dem Geiste geboren zu werden. Ich habe euch aus der Finsternis der Autorität und aus der Lethargie der Tradition herausgerufen in das transzendente Licht der Verwirklichung der Möglichkeit, für euch selber die größte aller Entdeckungen zu machen, die einer menschlichen Seele zu machen gegeben ist - die himmlische Erfahrung, Gott für euch, in euch und durch euch selbst zu entdecken, und all das in eurer persönlichen Erfahrung als Tatsache zu erleben. Und so möget ihr aus dem Tod in das Leben hinüberwechseln, von der Autorität der Tradition zu der Erfahrung, Gott zu kennen; so werdet ihr von der Dunkelheit ins Licht treten, von einem ererbten Glauben der Rasse zu einem persönlichen Glauben kommen, der aus wirklicher Erfahrung wächst; und dabei werdet ihr von einer durch eure Stammväter überlieferten Theologie des Verstandes zu einer wahren Religion des Geistes fortschreiten, die sich in euren Seelen als ewiges Rüstzeug heranbilden wird. Eure Religion soll sich aus einem lediglich intellektuellen Glauben an traditionelle Autorität in die wirkliche Erfahrung jenes lebendigen Glaubens wandeln, der fähig ist, die Realität Gottes und all dessen, was mit dem göttlichen Geist des Vaters zusammenhängt, zu erfassen. Die Religion des Verstandes bindet euch hoffnungslos an die Vergangenheit; die Religion des Geistes besteht in fortschreitender Offenbarung, und sie ruft euch ständig zu höheren und heiligeren Vollbringungen in geistigen Idealen und ewigen Realitäten auf. Die Religion der Autorität mag ein momentanes Gefühl verbürgter Sicherheit vermitteln, aber ihr zahlt für solch eine vorübergehende Befriedigung mit dem Verlust eurer geistigen Freiheit und religiösen Unabhängigkeit. Mein Vater fordert von euch für den Eintritt ins Königreich des Himmels nicht den Preis, euch Zwang anzutun, einen Glauben an Dinge zu übernehmen, die geistig widerwärtig, unheilig und unwahr sind. Man verlangt von euch nicht, euch unter Verletzung eures eigenen Sinns für Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit einem überlebten System religiöser Formen und Zeremonien zu unterwerfen. Die Religion des Geistes stellt euch auf ewig frei, der Wahrheit zu folgen, wohin auch immer der Geist euch führen mag. Und wer weiß - vielleicht möchte dieser Geist der heutigen Generation etwas mitteilen, was andere Generationen zu hören sich geweigert haben? Schande über die falschen religiösen Lehrer, die hungrige Seelen in die trübe und ferne Vergangenheit zurückschleppen und sie dort belassen möchten! Diese Unglücklichen sind dann dazu verurteilt, bei jeder neuen Entdeckung zu erschrecken und bei jeder neuen Offenbarung der Wahrheit die Fassung zu verlieren. Der Prophet, der sagte: `Derjenige, dessen Gedanken in Gott ruhen, wird in vollkommenem Frieden bleiben' glaubte nicht nur intellektuell an eine autoritative Theologie. Dieser Mensch kannte die Wahrheit - er hatte Gott entdeckt; er redete nicht nur über Gott. Ich rate euch dringend, die Gewohnheit abzulegen, stets die Propheten von ehedem zu zitieren und das Lob der Helden Israels zu singen, und stattdessen danach zu streben, zu lebendigen Propheten des Allerhöchsten und zu geistigen Helden des kommenden Königreichs zu werden. Es mag wohl lohnend sein, die Führer der Vergangenheit, welche Gott kannten, zu verehren, aber warum solltet ihr darüber die erhabenste Erfahrung der menschlichen Existenz opfern: Gott für euch selber zu entdecken und ihn in eurer eigenen Seele zu kennen? Jede Menschenrasse hat ihre eigene Betrachtungsweise der menschlichen Existenz; deshalb muss die Verstandesreligion stets diesen verschiedenen rassischen Gesichtspunkten treu bleiben. Nie können die Religionen der Autorität zu einer Einigung gelangen. Menschliche Einheit und Brüderlichkeit unter den Sterblichen können einzig durch das übergeordnete Geschenk der Religion des Geistes erreicht werden. Wohl haben die Rassen verschiedene Mentalitäten, aber der ganzen Menschheit wohnt derselbe göttliche und ewige Geist inne. Die Hoffnung auf menschliche Brüderlichkeit kann nur in dem Maße Wirklichkeit werden, wie sich die ungleichen autoritären Verstandesreligionen von der einigenden und veredelnden Geistesreligion durchdringen und überschatten lassen - von der Religion der persönlichen geistigen Erfahrung. Die Religionen der Autorität können die Menschen nur entzweien und für ihre Überzeugungen gegeneinander antreten lassen; die Religion des Geistes wird die Menschen zunehmend zusammenführen und bewirken, dass sie einander verständnisvoll und einfühlend begegnen. Die Religionen der Autorität verlangen von den Menschen Einheitlichkeit des Glaubens, aber diese ist im gegenwärtigen Stadium der Welt unmöglich zu verwirklichen. Die Religion des Geistes verlangt nur eine Einheit der Erfahrung - Uniformität der Bestimmung - und lässt grossen Freiraum für unterschiedliche Glaubensinhalte. Die Religion des Geistes verlangt nur Uniformität der geistigen Erkenntnis, nicht aber Uniformität des Gesichtspunktes und der Auffassung. Die Religion des Geistes fordert nicht Uniformität intellektueller Ansichten, sondern nur Einheit im Fühlen des Geistes. Die Religio-nen der Autorität verfestigen sich zu leblosen Kredos; die Religion des Geistes wird zu wachsender Freude und Freiheit durch läuternde Taten liebevollen Dienens und barmherziger Fürsorge. Aber seht zu, dass keiner von euch verächtlich auf die Kinder Abrahams blicke, weil sie in diese üblen Zeiten traditionsbedingter Unfruchtbarkeit geraten sind. Unsere Vorväter widmeten sich der ausdauernden und leidenschaftlichen Suche nach Gott, und sie fanden ihn, wie keine andere menschliche Rasse als ganze ihn je gekannt hatte seit den Tagen Adams, der viel von diesen Dingen wusste, da er selber ein Sohn Gottes war. Seit Moses Tagen hat mein Vater Israels langes, unermüdliches Ringen, Gott zu finden und Gott zu kennen, nicht übersehen. Generationen ermatteter Juden hörten nicht auf, sich abzurackern, zu schwitzen, zu stöhnen, sich abzumühen und als ein missverstandenes und verachtetes Volk Leiden und Kummer zu erfahren und ertragen, nur um der Entdeckung der Wahrheit über Gott ein bisschen näher zu kommen. Trotz allen Versagens und Zauderns Israels haben unsere Väter von Moses bis zur Zeit von Amos und Hosea nach und nach der ganzen Welt ein immer klareres und wahreres Bild des ewigen Gottes offenbart. Und so wurde der Weg bereitet für die noch größere Offenbarung des Vaters, an der teilzunehmen ihr berufen worden seid. Vergesst nie, dass es nur noch ein beglückenderes und erregenderes Abenteuer gibt als den Versuch, den Willen des lebendigen Gottes herauszufinden, und das ist die wunderbare Erfahrung, ehrlich zu versuchen, diesen göttlichen Willen zu tun. Und vergesst nicht, dass Gottes Wille in jeder irdischen Beschäftigung getan werden kann. Es gibt nicht geheiligte und weltliche Berufe. Alle Dinge sind heilig im Leben derer, die vom Geist geführt werden, das heißt, die sich der Wahrheit unterordnen und sich durch Liebe veredeln lassen, die durch Barmherzigkeit gelenkt und durch Fairness - Gerechtigkeit - in Schranken gehalten werden. Der Geist, den mein Vater und ich in die Welt senden werden, ist nicht nur der Geist der Wahrheit, sondern auch der Geist der idealistischen Schönheit. Ihr müsst aufhören, nach Gottes Wort nur auf den Seiten der alten Schriften theologischer Autorität zu suchen. Diejenigen, die aus dem Geiste Gottes geboren sind, werden fortan Gottes Wort erkennen, aus welcher Quelle es auch immer stammen mag. Göttliche Wahrheit muss nicht mit Vorbehalt aufgenommen werden, nur weil der Kanal ihrer Darbringung scheinbar menschlich ist. Viele eurer Brüder akzeptieren die Gottestheorie verstandesmäßig, während sie verfehlen, Gottes Gegenwart geistig wahrzunehmen. Und aus genau diesem Grunde habe ich euch so oft gelehrt, dass man das Königreich des Himmels am besten versteht, indem man die geistige Haltung eines unverdorbenen Kindes erwirbt. Ich empfehle euch nicht die verstandesmäßige Unreife eines Kindes, vielmehr die geistige Einfachheit eines solchen Kleinen, das leicht glaubt und voller Vertrauen ist. Es ist für euch weniger wichtig, Gott als Tatsache zu kennen, als zunehmend in der Fähigkeit zu wachsen, die Gegenwart Gottes zu spüren. Wenn ihr einmal beginnt, Gott in eurer Seele zu finden, werdet ihr ihn bald auch in den Seelen anderer Menschen und schließlich auch in allen Geschöpfen und Schöpfungen eines mächtigen Universums entdecken. Aber welche Aussicht hat der Vater, als ein Gott höchster Treue und göttlicher Ideale in Menschenseelen zu erscheinen, die nur wenig oder gar keine Zeit auf die gedankenvolle Betrachtung solch ewiger Realitäten verwenden? Obwohl der Verstand nicht der Sitz der geistigen Natur ist, ist er in der Tat die Pforte dazu. Aber macht nicht den Fehler, anderen Menschen beweisen zu wollen, dass ihr Gott gefunden habt; ihr könnt nicht bewusst einen gültigen Beweis dafür liefern, obwohl es zwei positive und mächtige Hinweise auf die Tatsache gibt, dass ihr Gott kennt, nämlich: 1. Die Früchte des Geistes Gottes, die sich in eurem täglichen gewohnten Leben zeigen. 2. Die Tatsache, dass euer ganzer Lebensplan eindeutig den Beweis liefert, dass ihr für das Abenteuer des Fortlebens nach dem Tode rückhaltlos alles, was ihr seid und besitzt, aufs Spiel gesetzt habt in der Verfolgung der Hoffnung, den Gott der Ewigkeit zu finden, von dessen Gegenwart ihr einen Vorgeschmack in der Zeit bekommen habt. Täuscht euch indessen nicht; mein Vater wird stets auf ein noch so schwaches Aufflackern des Glaubens antworten. Er nimmt die physischen und abergläubischen Emotionen des primitiven Menschen zur Kenntnis. Und bei jenen ehrlichen, aber ängstlichen Seelen, deren Glaube so schwach ist, dass er kaum mehr ist als ein intellektuelles Gutheißen einer passiv zustimmenden Haltung gegenüber den Religionen der Autorität, achtet der Vater stets darauf, sogar all diese schwachen Versuche, ihn zu erreichen, anzuerkennen und zu fördern. Aber von euch, die ihr aus der Dunkelheit ins Licht gerufen worden seid, wird erwartet, dass ihr von ganzem Herzen glaubt; euer Glaube soll die vereinte Haltung von Körper, Verstand und Geist beherrschen. Ihr seid meine Apostel, und für euch soll Religion kein theologisches Schutzdach werden, unter das ihr flieht aus Furcht, euch den rauhen Realitäten geistigen Fortschritts und idealistischer Unternehmungen zu stellen; vielmehr soll eure Religion zur Tatsache einer realen Erfahrung werden, die bezeugt, dass Gott euch gefunden, euch idealisiert, geadelt und vergeistigt hat, und dass ihr euch am ewigen Abenteuer beteiligt, Gott zu finden, der euch gefunden und in die Sohnschaft aufgenommen hat. Und als Jesus mit Reden geendet hatte, gab er Andreas ein Zeichen, wies nach Westen in Richtung Phönizien und sagte: "Machen wir uns auf den Weg." ****** Kapitel 156 Der Aufenthalt in Tyrus und Sidon ****** AM Freitagnachmittag, dem 10. Juni, kamen Jesus und seine Gefährten in der Umgebung von Sidon an, wo sie im Haus einer wohlhabenden Frau Halt machten, die zur Zeit, als Jesus auf der Höhe der Öffentlichkeitsgunst gestanden hatte, als Patientin im Spital von Bethsaida gewesen war. Die Evangelisten und Apostel wurden in der unmittelbaren Nachbarschaft bei Freunden dieser Frau untergebracht, und sie ruhten sich den Sabbattag über in dieser erfrischenden Umgebung aus. Sie verbrachten fast zweieinhalb Wochen in Sidon und seiner Nachbarschaft, bevor sie sich zum Besuch der nördlichen Küstenstädte bereitmachten. Dieser Junisabbattag verlief sehr ruhig. Die Evangelisten und Apostel waren vollkommen in ihre Gedanken bezüglich des Meisters Reden über Religion versunken, die sie auf dem Weg nach Sidon gehört hatten. Sie waren alle in der Lage, etwas von dem, was er ihnen gesagt hatte, zu würdigen, aber keiner von ihnen erfasste die ganze Tragweite seiner Unterweisung. ***** 156.1 Die syrische Frau ***** In der Nähe des Hauses von Karuska, wo der Meister wohnte, lebte eine syrische Frau, die viel von Jesus als einem großen Heiler und Lehrer gehört hatte, und an diesem Sabbatnachmittag kam sie mit ihrer kleinen Tochter herüber. Das etwa zwölf Jahre alte Kind litt an schweren Nervenstörungen, die sich in Krämpfen und anderen quälenden Erscheinungen äußerten. Jesus hatte seinen Mitarbeitern eingeschärft, niemandem gegenüber seine Anwesenheit im Hause von Karuska zu erwähnen, und erklärt, sich ausruhen zu wollen. Sie hielten sich an ihres Meisters Weisung, aber Karuskas Magd lief zum Hause Noranas, der syrischen Frau, hinüber, um ihr zu sagen, Jesus weile im Hause ihrer Herrin, und drängte die besorgte Mutter, ihre leidende Tochter zu bringen, damit sie geheilt würde. Die Mutter glaubte natürlich, ihre Tochter sei von einem Dämon, einem unreinen Geist besessen. Als Norana mit ihrer Tochter ankam, erklärten ihr die Alphäus Zwillinge durch einen Dolmetscher, dass sich der Meister ausruhe und nicht gestört werden dürfe. Darauf erwiderte Norana, sie werde mit ihrem Kind dableiben, bis der Meister sich ausgeruht habe. Auch Petrus unternahm es, ihr gut zuzureden und sie zur Heimkehr zu bewegen. Er erklärte ihr, Jesus sei vom vielen Lehren und Heilen müde und sei nach Phönizien gekommen, um eine Zeit der Stille und Ruhe zu haben. Aber es war vergebens; Norana wollte nicht gehen. Auf Petrus' dringende Bitten antwortete sie nur: "Ich werde nicht gehen, bevor ich euren Meister gesehen habe. Ich weiß, dass er den Dämon aus meinem Kind austreiben kann, und ich werde nicht eher gehen, als bis der Heiler einen Blick auf meine Tochter geworfen hat." Dann versuchte Thomas, die Frau wegzuschicken, aber auch er hatte keinen Erfolg. Sie sagte zu ihm: "Ich glaube fest daran, dass euer Meister den Dämon, der mein Kind quält, austreiben kann. Ich habe von seinen großen Taten in Galiläa gehört, und ich glaube an ihn. Was ist denn nur mit euch, seinen Schülern, los, dass ihr jene abweist, die eures Meisters Hilfe suchen?" Als sie so gesprochen hatte, zog sich Thomas zurück. Daraufhin trat Simon Zelotes heraus, um Norana Vorhaltungen zu machen. Simon sagte: "Frau, du bist eine griechisch sprechende Heidin. Es ist nicht recht, dass du vom Meister erwartest, das für die Kinder des bevorzugten Hauses bestimmte Brot zu nehmen und es vor die Hunde zu werfen." Aber Norana ließ sich von Simons Hieb nicht beleidigen. Sie gab nur zur Antwort: "Ja, Lehrer, ich verstehe deine Worte. In den Augen der Juden bin ich nur ein Hund, aber was deinen Meister betrifft, bin ich ein gläubiger Hund. Ich bin fest entschlossen, dass er meine Tochter sehen soll, denn ich bin davon überzeugt, dass er nur einen Blick auf sie zu werfen braucht, um sie zu heilen. Und auch du, guter Mann, würdest den Hunden niemals das Recht verwehren, sich der Brotreste zu bemächtigen, die etwa vom Tisch der Kinder fallen." Gerade in diesem Augenblick wurde das kleine Mädchen vor aller Augen von einem heftigen Krampf gepackt, und die Mutter rief aus: "Da könnt ihr sehen, dass mein Kind von einem bösen Geist besessen ist. Auch wenn unsere Not euch nicht beeindruckt, so würde sie bestimmt euren Meister bewegen, der, wie ich gehört habe, alle Menschen liebt und es sogar wagt, die Heiden zu heilen, wenn sie glauben. Ihr seid es nicht wert, seine Jünger zu sein. Ich werde nicht weggehen, bis mein Kind geheilt ist." Jesus, der die ganze Unterhaltung durch ein offenes Fenster mit angehört hatte, kam nun sehr zu aller Überraschung heraus und sagte: "Oh Frau, dein Glaube ist groß, so groß, dass ich dir nicht vorenthalten kann, was du begehrst; geh in Frieden deines Weges. Deine Tochter ist bereits geheilt." Und das kleine Mädchen war von Stund an gesund. Als sich Norana und das Kind verabschiedeten, bat Jesus alle dringend, niemandem etwas von der Begebenheit zu erzählen. Seine Gefährten kamen der Bitte nach, aber Mutter und Kind wurden nicht müde, überall in der Gegend und sogar in Sidon die Tatsache der Heilung des kleinen Mädchens zu verkünden, so dass es Jesus ratsam erschien, nach ein paar Tagen seine Unterkunft zu wechseln. Als Jesus seine Apostel am nächsten Tag unterwies, sagte er als Kommentar zur Heilung der Tochter der syrischen Frau: "Und so ist es schon immer gewesen; ihr könnt selber sehen, wie sehr die Heiden des rettenden Glaubens an die Wahrheiten des Evangeliums vom Königreich des Himmels fähig sind. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass die Heiden sich des Königreichs des Vaters bemächtigen werden, wenn die Kinder Abrahams nicht genug Glauben zeigen wollen, um es zu betreten." ***** 156.2 Unterweisung in Sidon ***** Als sie in Sidon ankamen, gingen Jesus und seine Gefährten über eine Brücke, die erste, die viele von ihnen je gesehen hatten. Als sie sie überquerten, sagte Jesus unter anderem: "Diese Welt ist nur eine Brücke; man kann darüber gehen, aber man sollte nicht daran denken, ein Haus darauf zu bauen." Während die Vierundzwanzig sich in Sidon an die Arbeit machten, logierte sich Jesus etwas nördlich der Stadt im Haus der Justa und ihrer Mutter Bernice ein. Hier unterwies er die Vierundzwanzig jeden Morgen, und nachmittags und abends gingen sie nach Sidon hinüber, um zu lehren und zu predigen. Die Apostel und Evangelisten wurden durch die Art, in der die Heiden von Sidon ihre Botschaft aufnahmen, mächtig angespornt. Viele wurden während ihres kurzen Aufenthaltes dem Königreich hinzugefügt. Die ungefähr sechswöchige Periode in Phönizien war eine sehr fruchtbare Zeit in der Arbeit der Seelengewinnung, aber die späteren jüdischen Verfasser der Evangelien pflegten den Bericht von dem warmen Empfang leichtfertig zu übergehen, den diese Heiden den Lehren Jesu zu einer Zeit bereiteten, als seine eigenen Leute ihm in großer Zahl feindlich gegenüberstanden. In mancher Hinsicht würdigten diese nichtjüdischen Gläubigen die Lehren Jesu besser als die Juden. Viele von diesen griechisch sprechenden Syrophöniziern gelangten nicht nur zur Erkenntnis, dass Jesus wie Gott war, sondern auch, dass Gott wie Jesus war. Diese so genannten Heiden vermochten die Lehren des Meisters über die Einheitlichkeit der Gesetze dieser Welt und des ganzen Universums gut zu verstehen. Sie erfassten die Lehre, dass Gott keinen Unterschied zwischen Personen, Rassen oder Nationen macht; dass es für den Universalen Vater keine Günstlingswirtschaft gibt; dass das Universum ganz und gar und auf ewig Gesetzen gehorcht und unfehlbar verlässlich ist. Diese Heiden hatten keine Angst vor Jesus; sie wagten, seine Botschaft anzunehmen. In den Zeitaltern danach waren die Menschen nicht unfähig, Jesus zu verstehen; aber sie hatten Angst davor. Jesus gab den Vierundzwanzig klar zu verstehen, dass er nicht aus Mangel an Mut, seinen Feinden gegenüberzutreten, aus Galiläa geflohen war. Sie verstanden, dass er noch nicht bereit war für einen offenen Zusammenprall mit der bestehenden Religion und dass er nicht danach strebte, ein Märtyrer zu werden. Es war während einer dieser Unterweisungen im Hause von Justa, dass der Meister zum ersten Mal zu seinen Jüngern sagte: "Sollten auch Himmel und Erde vergehen, meine Worte der Wahrheit werden nicht vergehen." Das Thema der Unterweisungen Jesu während des Aufenthalts in Sidon war geistiger Fortschritt. Er sagte ihnen, sie könnten nicht stillstehen; sie müssten in Rechtschaffenheit vorwärts gehen, oder aber zurückfallen in Übel und Sünde. Er ermahnte sie, "zu vergessen, was der Vergangenheit angehört, während ihr energisch danach strebt, die größeren Realitäten des Königreichs zu erfassen". Er bat sie inständig, sich nicht mit ihrem kindlichen Stadium im Evangelium zufrieden zu geben, sondern alles daranzusetzen, das volle Format göttlicher Sohnschaft in der Zwiesprache mit dem Geist und in der Bruderschaft der Gläubigen zu erreichen. Jesus sagte: "Meine Jünger müssen nicht nur aufhören, Übles zu tun, sondern lernen, Gutes zu tun; ihr müsst nicht nur von aller bewussten Sünde rein sein, sondern ihr müsst euch auch weigern, irgendwelche Schuldgefühle zu hegen. Wenn ihr eure Sünden eingesteht, sind sie euch vergeben; deshalb sollt ihr euer Gewissen von begangenen Verfehlungen freihalten." Jesus hatte große Freude an dem ausgesprochenen Sinn für Humor, den diese Heiden an den Tag legten. Es war ebenso sehr der Sinn für Humor der Syrerin Norana wie ihr großer und beharrlicher Glaube, der des Meisters Herz so sehr rührte und an seine Barmherzigkeit appellierte. Jesus bedauerte tief, dass sein Volk, die Juden, so sehr des Humors entbehrten. Er sagte einmal zu Thomas: "Meine Landsleute nehmen sich selbst zu wichtig. Sinn für Humor geht ihnen fast gänzlich ab. Die bedrückende Religion der Pharisäer hätte niemals in einem Volk mit Sinn für Humor entstehen können. Es fehlt ihnen auch an Konsequenz; sie seihen Mücken und verschlucken Kamele." ***** 156.3 Die Reise entlang der Küste ***** Am Dienstag, dem 28. Juni, verließ der Meister mit seinen Mitarbeitern Sidon und ging an der Meeresküste entlang nach Porphyreon und Heldua. Die Heiden bereiteten ihnen einen freundlichen Empfang, und viele wurden während dieser Lehr- und Predigtwoche für das Königreich gewonnen. Die Apostel predigten in Porphyreon und die Evangelisten lehrten in Heldua. Während die Vierundzwanzig ihrer Arbeit nachgingen, verließ Jesus sie für drei oder vier Tage und stattete der Küstenstadt Beirut einen Besuch ab, wo er sich mit einem Syrer namens Malach unterhielt. Malach war ein Glaubender, der ein Jahr zuvor in Bethsaida gewesen war. Am Mittwoch, dem 6. Juli, kehrten sie alle nach Sidon zurück und blieben bis Sonntagvormittag im Hause der Justa, ehe sie nach Tyrus aufbrachen. Sie gingen südwärts an der Küste entlang über Sarepta und kamen am Montag, dem 11. Juli, in Tyrus an. Mittlerweile hatten sich die Apostel und Evangelisten daran gewöhnt, unter diesen so genannten Heiden zu arbeiten, bei denen es sich in Wahrheit hauptsächlich um Nachkommen der früheren kanaanitischen Stämme handelte, die noch früheren semitischen Ursprungs waren. All diese Leute sprachen griechisch. Die Apostel und Evangelisten waren höchst überrascht von dem Eifer dieser Nichtjuden, das Evangelium zu hören, und von der Bereitschaft, mit der viele von ihnen glaubten. ***** 156.4 In Tyrus ***** Vom 11. bis zum 24. Juli lehrten sie in Tyrus. Jeder Apostel nahm einen der Evangelisten mit sich, und so lehrten und predigten sie immer zu zweit überall in Tyrus und Umgebung. Die vielsprachige Bevölkerung dieser geschäftigen Hafenstadt hörte ihnen mit Freuden zu, und viele wurden getauft und in die äußere Bruderschaft des Königreichs aufgenommen. Jesus hatte sein Hauptquartier im Haus eines Juden namens Joseph, eines Gläubigen, aufgeschlagen, der sechs bis sieben Kilometer südlich von Tyrus unweit des Grabes von Hiram wohnte, der zur Zeit Davids und Salomons König des Stadtstaates von Tyrus gewesen war. Während dieser zwei Wochen begaben sich die Apostel und Evangelisten täglich über den Damm Alexanders nach Tyrus, um kleine Versammlungen abzuhalten, und jeden Abend kehrten die meisten von ihnen zum Lager bei Josephs Haus südlich der Stadt zurück. Jeden Tag kamen Gläubige aus der Stadt, um mit Jesus an seinem Aufenthaltsort zu reden. Der Meister sprach nur einmal, am Nachmittag des 20. Juli in Tyrus, als er zu den Gläubigen über des Vaters Liebe für alle Menschenkinder redete und über die Sendung des Sohnes, allen Rassen der Menschheit den Vater zu offenbaren. Diese Heiden bekundeten für das Evangelium vom Königreich ein derartiges Interesse, dass man Jesus bei dieser Gelegenheit die Tore des Melkarth-Tempels öffnete, und es ist interessant zu vermerken, dass in späteren Jahren an ebendieser Stelle des alten Tempels eine christliche Kirche errichtet wurde. Viele führende Hersteller von tyrischem Purpur, dem Farbstoff, der Tyrus und Sidon in der ganzen Welt berühmt gemacht und so sehr zu ihrem weltumspannenden Handel und darauf beruhenden Reichtum beigetragen hatte, glaubten an das Königreich. Als sich kurz darauf der Vorrat an Meerestieren, die diesen Farbstoff lieferten, zu erschöpfen begann, begaben sich die Farbhersteller auf die Suche nach anderweitigen Vorkommen dieser Schalentiere. Dabei gingen sie bis ans Ende der Welt und trugen überallhin die Botschaft von der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft der Menschen - das Evangelium vom Königreich. ***** 156.5 Jesu Unterweisung in Tyrus ***** An diesem Mittwochnachmittag begann Jesus seine Ausführungen damit, dass er seinen Jüngern die Geschichte von der weißen Lilie erzählte, die ihr reines und schneeiges Haupt hoch aufgerichtet der Sonne entgegenhält, während ihre Wurzeln im Schlamm und Schmutz der dunklen Erde gründen. "Ebenso vermag der sterbliche Mensch", sagte er, "während sein Ursprung und Wesen im tierischen Grund der menschlichen Natur wurzelt, seine geistige Natur kraft seines Glaubens in das Sonnenlicht der himmlischen Wahrheit zu erheben und tatsächlich die edlen Früchte des Geistes zu tragen." In derselben Predigt benutzte Jesus das erste und einzige Gleichnis, das auf sein eigenes Handwerk - den Zimmermannsberuf - Bezug nahm. Im Laufe seiner Ermahnung, "gute Fundamente für das Wachstum eines edlen Charakters mit geistigen Gaben zu bauen", sagte er: "Um die Früchte des Geistes hervorzubringen, müsst ihr aus dem Geiste geboren sein. Ihr müsst vom Geist belehrt und vom Geist geführt werden, wenn ihr unter euren Mitmenschen ein geisterfülltes Dasein leben wollt. Aber macht nicht den Fehler des törichten Zimmermanns, der kostbare Zeit mit Behauen, Ausmessen und Abhobeln eines wurmstichigen und inwendig verfaulten Bauholzes verschwendet und dann, nachdem er seine ganze Arbeitskraft an den morschen Balken gegeben hat, diesen als untauglich für das Fundament eines Hauses ausscheiden muss, das er so bauen wollte, dass es den Angriffen von Zeit und Sturm trotze. Jedermann soll sich vergewissern, dass die intellektuellen und sittlichen Fundamente seines Charakters solcherart sind, dass sie den Überbau der wachsenden und sich veredelnden geistigen Natur richtig zu tragen vermögen. Und diese soll nun ihrerseits den sterblichen Verstand verwandeln und dann im Verein mit diesem neugeschaffenen Verstand die Entfaltung der Seele bewirken, deren Bestimmung ewig ist. Eure geistige Natur - die gemeinsam erschaffene Seele - ist eine lebendige Pflanze, aber Verstand und Sittlichkeit des Einzelnen sind der Boden, aus dem die höheren Manifestationen menschlicher Entwicklung und göttlicher Bestimmung hervorsprießen müssen. Der Boden der sich entwickelnden Seele ist menschlich und materiell, aber die Bestimmung dieses aus Verstand und Geist kombinierten Geschöpfes ist geistig und göttlich." Am Abend desselben Tages fragte Nathanael Jesus: "Meister, warum beten wir, Gott möge uns nicht in Versuchung führen, obwohl wir durch deine Offenbarung des Vaters wohl wissen, dass der Vater niemals solche Dinge tut?" Jesus antwortete Nathanael: "Es verwundert mich nicht, dass du solche Fragen stellst, da du beginnst, den Vater so zu kennen, wie ich ihn kenne, und nicht, wie die alten hebräischen Propheten, die sich ein so düsteres Bild von ihm machten. Du weißt wohl, dass unsere Vorväter stets bereit waren, in fast allem, was geschah, Gott zu sehen. Sie suchten die Hand Gottes in allem natürlichen Geschehen und in jeder ungewöhnlichen Episode der menschlichen Existenz. Sie brachten Gott ebenso mit dem Guten wie mit dem Bösen in Verbindung. Sie dachten, er besänftige das Herz des Moses und verhärte das Herz des Pharao. Wenn ein Mensch einen starken Drang verspürte, etwas zu tun, Gutes oder Böses, dann hatte er die Gewohnheit, sich über diese ungewöhnlichen Regungen mit den Worten Rechenschaft abzulegen: `Der Herr hat zu mir gesprochen und gesagt, tue dies und das, oder gehe dahin oder dorthin.' Da die Menschen so oft und heftig in Versuchung gerieten, gewöhnten sich unsere Ahnen deshalb daran zu glauben, Gott habe sie dahin gebracht, um sie zu prüfen, zu bestrafen oder zu stärken. Aber du weißt es jetzt natürlich besser. Du weißt, dass die Menschen nur allzu oft unter dem Drang ihrer Selbstsucht und unter den Impulsen ihrer animalischen Natur in Versuchung geführt werden. Solltest du in dieser Weise versucht werden, so ermahne ich dich, derweilen du die Versuchung ehrlich und aufrichtig als das erkennst, was sie ist, die geistigen, mentalen und körperlichen Energien, die sich ausdrücken möchten, einsichtsvoll in höhere Kanäle und zu idealistischeren Zielen hinzulenken. Auf diese Weise kannst du deine Versuchungen in die höchsten Formen beflügelnden menschlichen Dienstes umwandeln und die vergeudenden und schwächenden Konflikte zwischen der animalischen und der geistigen Natur fast ganz vermeiden. "Aber ich möchte dich vor der Torheit warnen, Versuchungen durch das Bemühen überwinden zu wollen, mit bloßer menschlicher Willenskraft das eine Verlangen durch ein anderes, angeblich höher stehendes Verlangen zu verdrängen. Wenn du wirklich über die Versuchungen der geringeren und niedrigeren Natur triumphieren möchtest, musst du erst an jenen Punkt geistiger Überlegenheit gelangen, an dem du wirklich und wahrhaftig tatsächliches Interesse und Liebe für diese höheren und idealistischeren Formen der Lebensführung entwickelt hast, die dein Verstand an die Stelle der niedrigeren und weniger idealistischen Lebensgewohnheiten setzen möchte, welche du als Versuchungen erkennst. Auf diesem Weg wirst du durch geistige Wandlung erlöst werden, anstatt von der illusorischen Unterdrückung der menschlichen Begierden zunehmend belastet zu werden. Das Alte und Niedrigere wird in der Liebe zum Neuen und Höheren vergessen sein. Schönheit triumphiert immer über Hässlichkeit in den Herzen derer, die von der Liebe zur Wahrheit erleuchtet sind. Mächtig ist die eliminierende Energie einer neuen und aufrichtigen geistigen Liebe. Und noch einmal sage ich dir: Lass dich nicht vom Bösen überwältigen, sondern überwältige das Böse durch das Gute." Bis spät in die Nacht hinein fuhren die Apostel und Evangelisten fort, Fragen zu stellen. Von den vielen Antworten möchten wir folgende Gedanken, in moderner Ausdrucksweise formuliert, vorlegen: Kräftiger Ehrgeiz, intelligentes Urteil und gereifte Weisheit sind die wesentlichen Voraussetzungen für materiellen Erfolg. Führerschaft hängt ab von natürlicher Anlage, Besonnenheit, Willenskraft und Entschlossenheit. Geistige Bestimmung hängt ab von Glauben, Liebe und Hingabe an die Wahrheit - Hunger und Durst nach Rechtschaffenheit - von dem aus tiefstem Herzen kommenden Wunsch, Gott zu finden und ihm zu gleichen. Lasst euch durch die Entdeckung, dass ihr menschlich seid, nicht entmutigen. Die menschliche Natur hat wohl Tendenzen zum Üblen, aber sie ist an sich nicht sündig. Seid nicht entmutigt, wenn es euch nicht ganz gelingt, einige eurer bedauerlichen Erfahrungen zu vergessen. Die Fehler, die ihr in der Zeit nicht vergessen könnt, werden in der Ewigkeit vergessen sein. Erleichtert eure Seelenbürden, indem ihr rasch einen Fernblick auf eure ewige Bestimmung gewinnt, euren Werdegang ins Universum hinausdenkt. Macht nicht den Fehler, die Seele nach den Unzulänglichkeiten des Verstandes oder nach den Begierden des Körpers zu bewerten. Verbietet euch, aufgrund einer einzigen unglücklichen menschlichen Begebenheit die Seele zu beurteilen oder ihre Bestimmung einzuschätzen. Eure geistige Bestimmung wird einzig durch eure geistigen Sehnsüchte und Ziele bedingt. Religion ist die ausschließlich geistige Erfahrung der sich entwickelnden unsterblichen Seele eines Menschen, der Gott kennt, aber sittliche Stärke und geistige Energie sind mächtige Kräfte, die im Umgang mit schwierigen sozialen Situationen und beim Lösen verwickelter wirtschaftlicher Probleme genutzt werden können. Diese sittlichen und geistigen Gaben machen alle Ebenen des menschlichen Lebens reicher und bedeutungsvoller. Ein enges und armseliges Leben ist euch beschieden, wenn ihr nur diejenigen lieben lernt, die euch lieben. Menschliche Liebe kann tatsächlich gegenseitig sein, aber göttliche Liebe ist bei all ihrem Suchen nach Befriedigung nach außen gerichtet. Je weniger Liebe in der Natur eines Geschöpfes, umso größer sein Bedarf an Liebe, und umso mehr trachtet die göttliche Liebe danach, diesen Bedarf zu befriedigen. Nie sucht die Liebe sich selbst, und sie kann sich nicht an sich selbst austeilen. Göttliche Liebe kann sich nicht auf sich selber beschränken; sie muss selbstlos verschenkt werden. Wer an das Königreich glaubt, sollte mit bedingungslosem Glauben und von ganzer Seele auf den sicheren Triumph der Rechtschaffenheit vertrauen. Wer am Königreich baut, darf keinen Zweifel an der Wahrheit des Evangeliums vom ewigen Heil haben. Gläubige müssen immer mehr lernen, sich von der Hektik des Lebens zurückzuziehen - den Belästigungen der materiellen Existenz zu entrinnen - um durch anbetende Versenkung die Seele zu erfrischen, das Denken zu inspirieren und den Geist zu erneuern. Menschen, die Gott kennen, lassen sich durch Missgeschick nicht entmutigen und durch Enttäuschungen nicht deprimieren. Gläubige sind immun gegen die durch rein materielle Umwälzungen verursachten Depressionen. Wer im Geiste lebt, wird durch die Ereignisse der materiellen Welt nicht aus dem Gleis geworfen. Anwärter auf das ewige Leben üben sich in einer kräftigenden und konstruktiven Methode, den Wechselfällen und Belästigungen des menschlichen Lebens zu begegnen. Mit jedem neuen Tag fällt es einem wahren gläubigen Menschen leichter, das Richtige zu tun. Das Leben im Geist steigert die wahre Selbstachtung erheblich. Aber Selbstachtung ist nicht Selbstbewunderung. Selbstachtung geht immer einher mit Liebe für unsere Mitmenschen und mit dem Dienst an ihnen. Eure Selbstachtung kann unmöglich größer sein als eure Liebe für euren Nächsten; die eine ist das Maß der Fähigkeit für die andere. Mit der Zeit wird jeder wahre Gläubige geschickter, seine Mitmenschen für die Liebe zur ewigen Wahrheit zu gewinnen. Seid ihr heute einfallsreicher als gestern, wenn ihr den Menschen Güte offenbaren wollt? Seid ihr in diesem Jahr ein besserer Fürsprecher der Rechtschaffenheit als letztes Jahr? Werdet ihr immer mehr zum Künstler in eurer Methode, dem geistigen Königreich hungrige Seelen zuzuführen? Sind eure Ideale hoch genug, um euer ewiges Heil sicherzustellen, und eure Ideen praktisch genug, um aus euch brauchbare Bürger zu machen, die auf Erden mit ihren sterblichen Gefährten zusammenarbeiten? Im Geiste seid ihr Bürger des Himmels; im Fleisch seid ihr immer noch Bürger der irdischen Königreiche. Gebt den Cäsaren die materiellen Dinge und Gott die geistigen. Das Maß für die geistige Kapazität der sich entwickelnden Seele ist euer Glaube an die Wahrheit und eure Liebe zu den Menschen, aber das Maß für eure menschliche Charakterstärke ist eure Fähigkeit, dem Groll zu widerstehen und euch in tiefem Leid nicht dem Trübsinn zu überlassen. Niederlagen sind der wahre Spiegel, in dem ihr euer wahres Selbst aufrichtig betrachten könnt. Werdet ihr mit zunehmendem Alter und größerer Erfahrung in den Angelegenheiten des Königreichs auch taktvoller im Umgang mit schwierigen Sterblichen und toleranter im Zusammenleben mit starrköpfigen Mitarbeitern? Takt ist der Angelpunkt für soziale Einflussnahme, und Toleranz ist das Kennzeichen einer großen Seele. Wenn ihr diese seltenen und gewinnenden Gaben besitzt, werdet ihr mit der Zeit wacher und erfahrener in eurem lohnenden Bemühen, alle unnötigen sozialen Missverständnisse zu vermeiden. Solche weisen Seelen sind imstande, manchen Schwierigkeiten auszuweichen, die mit Sicherheit das Los all derer sind, welche unter einem Mangel an emotionaler Anpassung leiden, welche sich weigern, erwachsen zu werden und sich dagegen sträuben, mit Würde alt zu werden. Vermeidet Unehrlichkeit und unfaires Vorgehen bei all eurem Bemühen, Wahrheit zu predigen und das Evangelium zu verkünden. Sucht keine ungerechtfertigte Anerkennung und sehnt euch nicht nach unverdienter Sympathie. Empfangt rückhaltlos Liebe aus göttlicher und menschlicher Quelle ungeachtet eurer Verdienste, und antwortet mit ebenso bedingungsloser Liebe. Aber bei allem, was mit Ehren und Verehrung zu tun hat, sucht nur, was euch ehrlich zusteht. Der gottbewusste Sterbliche ist der Errettung sicher; er hat keine Angst vor dem Leben; er ist ehrlich und unbeirrbar. Er weiß, wie man unvermeidliche Leiden tapfer erträgt; er beklagt sich nicht, wenn er in Not gerät, aus der es kein Entrinnen gibt. Der wahre Gläubige lässt in seinem Bemühen, Gutes zu tun, nicht ab, nur weil seine Pläne durchkreuzt werden. Schwierigkeit spornt den Eifer des Wahrheitsliebenden an, und Hindernisse fordern den ganzen Einsatz des Unverzagten heraus, der am Königreich baut. Und Jesus lehrte sie noch vieles andere, bevor sie sich zur Abreise von Tyrus bereitmachten. Am Tag bevor Jesus Tyrus verließ, um in die Gegend des Galiläischen Meeres zurückzukehren, rief er seine Mitarbeiter zusammen und wies die zwölf Evangelisten an, auf einer anderen als der von ihm und den Aposteln gewählten Route heimzukehren. Nachdem die Evangelisten hier Jesus verlassen hatten, waren sie nie wieder so eng mit ihm verbunden. ***** 156.6 Die Heimkehr von Phönizien ***** Am Sonntag, dem 24. Juli um die Mittagsstunde, verließen Jesus und die Zwölf das Haus Josephs im Süden von Tyrus und gingen an der Küste entlang nach Ptolemaios. Dort verweilten sie einen Tag lang und sprachen Worte der Ermutigung zu der hier wohnenden Gruppe von Gläubigen. Petrus predigte zu ihnen am Abend des 25. Juli. Am Dienstag verließen sie Ptolemaios, wandten sich landeinwärts nach Osten und erreichten die Gegend von Jotapata über die Strasse nach Tiberias. Am Mittwoch hielten sie in Jotapata an und setzten die Unterweisung der Gläubigen in den Angelegenheiten des Königreichs fort. Am Donnerstag verließen sie Jotapata und gingen nach Norden über Rama auf dem von Nazareth zum Berg Libanon führenden Saumpfad bis zum Dorf Zebulun. In Rama hielten sie am Freitag Versammlungen ab und blieben den Sabbat über dort. In Zebulun langten sie am Sonntag, dem 31. Juli, an, hielten am gleichen Abend eine Versammlung ab und setzten am nächsten Morgen ihre Reise fort. Von Zebulun wanderten sie weiter, bis sie in der Nähe von Gischala die Verbindungsstrasse Magdala-Sidon erreichten, und von dort begaben sie sich nach Genezareth am Westufer des Galiläischen Meers südlich von Kapernaum, wo sie abgemacht hatten, sich mit David Zebedäus zu treffen, und wo sie beabsichtigten, miteinander den nächsten Schritt in der Verkündigungsarbeit des Evangeliums vom Königreich zu beratschlagen. Bei einer kurzen Besprechung mit David erfuhren sie, dass viele führende Gläubige jetzt am gegenüberliegenden Seeufer bei Kheresa versammelt waren, und so brachte ein Boot sie noch am selben Abend hinüber. Einen Tag lang pflegten sie in den Bergen der Ruhe. Am nächsten Tag gingen sie in den nahen Hain, wo der Meister die Fünftausend gespeist hatte. Hier blieben sie drei Tage lang und hielten täglich Zusammenkünfte ab, bei denen etwa fünfzig Männer und Frauen zugegen waren, der Rest der vormals zahlreichen Gruppe von Gläubigen, die in Kapernaum und Umgebung wohnten. Während Jesus von Kapernaum und Galiläa abwesend war und in Phönizien weilte, vermuteten seine Feinde, die ganze Bewegung sei in sich zusammengefallen, und kamen zu dem Schluss, dass Jesu hastiger Rückzug seine große Verängstigung zum Ausdruck bringe und er wahrscheinlich nie mehr zurückkehren und sie beunruhigen würde. Aller aktive Widerstand gegen seine Lehren hatte sich so ziemlich gelegt. Die Gläubigen begannen wieder, öffentliche Versammlungen abzuhalten, und es trat ein allmähliches, aber kräftiges Erstarken der geprüften und wahren Überlebenden des großen Aussiebens ein, das die Evangeliumgläubigen gerade durchlebt hatten. Philipp, der Bruder des Herodes, glaubte inzwischen halbherzig an Jesus und ließ wissen, dass der Meister frei sei, sich auf seinem Gebiet aufzuhalten und zu wirken. Der Befehl zur Schließung sämtlicher jüdischer Synagogen für Jesu Lehren und all seine Anhänger hatte sich für die Schriftgelehrten und Pharisäer nachteilig ausgewirkt. Unmittelbar nachdem Jesus sich als Stein des Anstoßes entfernt hatte, fand im ganzen jüdischen Volk eine Reaktion statt; es herrschte allgemeiner Unmut über die Pharisäer und die Führer des Sanhedrins in Jerusalem. Viele Synagogenleiter begannen heimlich, ihre Synagogen Abner und seinen Mitarbeitern zu öffnen, indem sie erklärten, diese Lehrer seien Anhänger des Johannes und nicht Jünger Jesu. Sogar Herodes Antipas erlebte einen Sinneswandel. Als er erfuhr, dass sich Jesus jenseits des Sees auf dem Territorium seines Bruders Philipp aufhielt, ließ er ihm die Nachricht zukommen, dass er zwar in Galiläa Haftbefehle für ihn unterzeichnet, aber damit nicht seine Verhaftung in Peräa verfügt habe, und ließ damit erkennen, dass Jesus keine Belästigung zu erwarten hatte, wenn er außerhalb Galiläas blieb; und er teilte den Juden in Jerusalem ebendiese Entscheidung mit. So lagen die Dinge um den 1. August des Jahres 29 herum, als der Meister von seiner Mission in Phönizien zurückkehrte und damit begann, seine zerstreuten, geprüften und dezimierten Kräfte für das letzte und bewegte Jahr seiner Erdensendung zu reorganisieren. Ein klarer Einsatzplan liegt vor, jetzt, da der Meister und seine Mitarbeiter sich anschicken, mit der Verkündigung einer neuen Religion zu beginnen, der Religion des Geistes des lebendigen Gottes, der im Verstand der Menschen wohnt. ****** Kapitel 157 In Cäsarea-Philippi ****** BEVOR Jesus die Zwölf zu einem kurzen Aufenthalt in die Nähe von Cäsarea-Philippi mitnahm, traf er durch Davids Boten die Abmachung, am Sonntag, dem 7. August nach Kapernaum hinüberzugehen, um mit seiner Familie zusammenzutreffen. Zum Ort der Begegnung wurde die Schiffswerft des Zebedäus bestimmt. David Zebedäus hatte mit Jude, dem Bruder Jesu, dafür gesorgt, dass die ganze Familie von Nazareth - Maria und alle Brüder und Schwestern Jesu - zugegen sein würden, und Jesus kam mit Andreas und Petrus, um die Verabredung einzuhalten. Es war gewiss auch Marias und der Kinder Absicht, diese Abmachung einzuhalten, aber es traf sich, dass eine Pharisäergruppe, die von Jesu Aufenthalt auf der gegenüberliegenden Seeseite im Gebiet des Philippus wusste, Maria zu besuchen beschloss, um alles, was möglich war, über seinen Verbleib in Erfahrung zu bringen. Die Ankunft dieser Abgesandten aus Jerusalem beunruhigte Maria sehr, und aus der Spannung und Nervosität der ganzen Familie schlossen sie, dass Jesu Besuch erwartet wurde. Also richteten sie sich in Marias Haus ein, forderten Verstärkung an und warteten geduldig auf Jesu Ankunft. Dadurch wurde natürlich wirksam verhindert, dass irgendein Familienmitglied versuchen konnte, die Verabredung mit Jesus einzuhalten. Mehrmals am Tage versuchten Jude und Ruth in ihrem Bemühen, Jesus zu benachrichtigen, der Wachsamkeit der Pharisäer zu entgehen, aber vergeblich. Früh am Nachmittag brachten Davids Boten Jesus die Nachricht, dass die Pharisäer ihr Lager vor dem Eingang des Hauses seiner Mutter aufgeschlagen hätten, und deshalb unternahm er keinen Versuch, seine Familie zu besuchen. Und so scheiterte auch dieses neue Bemühen um eine Begegnung zwischen Jesus und seiner irdischen Familie ohne Schuld von irgendeiner Seite. ***** 157.1 Der Tempelsteuer-Einnehmer ***** Als Jesus mit Andreas und Petrus am See in der Nähe der Bootswerkstatt wartete, kam ein Einnehmer der Tempelsteuer auf sie zu. Als er Jesus erkannte, nahm er Petrus beiseite und sagte: "Bezahlt dein Meister die Tempelsteuer nicht?" Petrus' erste Reaktion war, sich über das Ansinnen zu empören, von Jesus zu verlangen, zur Aufrechterhaltung der religiösen Aktivitäten seiner geschworenen Feinde beizusteuern, aber ein merkwürdiger Ausdruck im Gesicht des Steuereintreibers ließ ihn zu Recht vermuten, dass beabsichtigt war, sie bei der Weigerung zu ertappen, den üblichen halben Schekel zur Unterstützung der Tempeldienste in Jerusalem zu bezahlen. Also erwiderte Petrus: "Aber natürlich bezahlt der Meister die Tempelsteuer. Warte beim Tor, ich kehre sofort mit der Steuer zurück." Doch Petrus hatte voreilig gesprochen, denn Judas trug ihre Barmittel bei sich, und er befand sich auf der anderen Seeseite. Weder Petrus noch sein Bruder noch Jesus hatten Geld mitgenommen. Und da sie wussten, dass die Pharisäer ihnen nachstellten, konnten sie nicht gut nach Bethsaida gehen, um sich Geld zu verschaffen. Als Petrus Jesus von dem Einnehmer berichtete und dass er ihm das Geld versprochen habe, sagte Jesus: "Wenn du es versprochen hast, solltest du es auch bezahlen. Aber womit willst du dein Versprechen einlösen? Willst du wieder Fischer werden, um dein Wort halten zu können? Und doch, Petrus, ist es unter den gegebenen Umständen richtig, dass wir die Steuer bezahlen. Wir wollen diesen Leuten keinen Anlass geben, Anstoß an unserer Haltung zu nehmen. Wir werden hier auf dich warten, während du mit dem Boot hinausfährst und das Netz nach Fischen auswirfst. Und wenn du sie drüben am Markt verkauft hast, bezahle dem Einnehmer die Steuer für uns drei." Ein geheimer Bote Davids, der in der Nähe stand, hatte das alles belauscht und gab einem Gefährten, der in Ufernähe fischte, ein Zeichen, rasch an Land zu kommen. Als Petrus sich eben anschickte, im Boot zum Fischen hinauszufahren, überreichten dieser Bote und sein Fischerfreund ihm mehrere große, mit Fischen gefüllte Körbe und halfen ihm, diese zum nahen Fischhändler zu tragen, der ihnen den Fang abkaufte. Der Betrag reichte mit dem, was Davids Bote aus dem Eigenen beisteuerte, zur Begleichung der Tempelsteuer für die drei. Der Einnehmer nahm die Steuer entgegen und erließ ihnen die Buße für den Zahlungsverzug, weil sie eine Zeitlang außerhalb Galiläas gewesen waren. Es ist nicht verwunderlich, dass ihr einen Bericht über Petrus besitzt, wie er einen Fisch mit einem Schekel im Maul fing. In jenen Tagen kursierten viele Geschichten von Schätzen, die man in den Mäulern von Fischen gefunden hatte; solche ans Wunderbare grenzenden Erzählungen waren gang und gäbe. Denn als Petrus von ihnen weg zum Boot gegangen war, hatte Jesus halb im Scherz bemerkt: "Seltsam, dass die Königssöhne Tribut entrichten müssen; gewöhnlich besteuert man die Fremden für die Unterhaltskosten des Hofs; aber es ist unsere Pflicht, den Behörden keinen Stein des Anstoßes zu liefern. Geh nur ! Vielleicht erwischst du den Fisch mit dem Schekel im Maul." Nachdem Jesus so gesprochen hatte und Petrus kurz darauf mit der Tempelsteuer erschienen war, überrascht es nicht, dass aus dieser Episode später das Wunder gemacht wurde, von dem der Verfasser des Matthäusevangeliums berichtet. Jesus wartete mit Andreas und Petrus fast bis Sonnenuntergang am Seeufer. Boten brachten ihnen die Nachricht, dass das Haus Marias immer noch unter Bewachung stehe. Deshalb bestiegen die drei wartenden Männer bei Einbruch der Dunkelheit ihr Boot und ruderten langsam dem Ostufer des Galiläischen Meeres zu. ***** 157.2 In Bethsaida-Julias ***** Am Montag, dem 8. August, kamen mehr als einhundert Gläubige - die Evangelisten, das Frauenkorps und andere, die an der Errichtung des Himmelreichs interessiert waren - von Kapernaum herüber zu einer Versammlung in den Hain von Magadan nahe bei Bethsaida-Julias, wo Jesus und die Zwölf ihr Lager hatten. Und viele Pharisäer, die von Jesu Anwesenheit erfahren hatten, kamen ebenfalls. Unterdessen hatten sich auch einige Sadduzäer mit den Pharisäern in dem Bemühen verbündet, Jesus in Widersprüche zu verwickeln. Bevor er sich mit den Gläubigen zu einer geschlossenen Besprechung traf, hielt Jesus eine öffentliche Versammlung ab, bei der die Pharisäer zugegen waren und ihm mit Zwischenfragen zusetzten und auch sonstwie die Versammlung zu stören versuchten. Der Anführer der Störenfriede sagte: "Lehrer, wir möchten, dass du uns ein Zeichen deiner Vollmacht zu lehren gibst. Wenn dies geschieht, werden alle Menschen wissen, dass Gott dich gesandt hat." Und Jesus antwortete ihnen: "Am Abend sagt ihr: es wird schönes Wetter geben, denn der Himmel ist rot; am Morgen: es wird schlechtes Wetter geben, denn der Himmel ist rot und drohend; wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht, sagt ihr: es wird regnen; wenn der Wind von Süden bläst, sagt ihr: eine glühende Hitze ist im Anzug. Wie kommt es, dass ihr das Aussehen des Himmels so gut zu beurteilen versteht, aber so vollkommen unfähig seid, die Zeichen der Zeit zu deuten? Denen, die die Wahrheit kennen möchten, ist bereits ein Zeichen gegeben worden. Aber einer übelgesinnten und heuchlerischen Generation soll kein Zeichen gegeben werden." Nach diesen Worten zog sich Jesus zurück und bereitete sich auf die abendliche Zusammenkunft mit seinen Anhängern vor, bei der beschlossen wurde, eine gemeinsame Mission in allen Städten und Dörfern der Dekapolis zu unternehmen, sobald Jesus und die Zwölf von ihrem geplanten Besuch in Cäsarea-Philippi zurück wären. Der Meister nahm selber an der Vorbereitung der Mission in der Dekapolis teil, und er entließ die Versammelten mit den Worten: "Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer. Lasst euch durch ihre zur Schau gestellte große Gelehrsamkeit und ihre tiefe Ergebenheit gegenüber allem Förmlichen der Religion nicht täuschen. Kümmert euch allein um den Geist der lebendigen Wahrheit und um die Kraft der wahren Religion. Nicht die Furcht vor einer toten Religion wird euch retten, sondern euer Glaube an eine lebendige Erfahrung mit den geistigen Realitäten des Königreichs. Erlaubt weder Vorurteilen, euch blind zu machen, noch Furcht, euch zu lähmen. Gestattet eurer Ehrfurcht vor der Tradition nicht, euer Verständnis so zu trüben, dass eure Augen nicht sehen und eure Ohren nicht hören. Das Ziel wahrer Religion ist nicht nur, Frieden zu bringen, sondern vielmehr, den Fortschritt zu sichern. Und es kann im Herzen keinen Frieden und im Denken keinen Fortschritt geben, solange ihr die Wahrheit, die Ideale der ewigen Realitäten, nicht von ganzem Herzen liebt. Die Kernfragen von Leben und Tod stehen vor euch - die sündhaften Vergnügungen der Zeit gegen die rechtschaffenen Realitäten der Ewigkeit. Schon jetzt, da ihr in ein neues Leben des Glaubens und der Hoffnung eintretet, solltet ihr beginnen, euch aus der Sklaverei der Furcht und des Zweifels zu befreien. Und wenn sich in eurer Seele das Verlangen regt, euren Mitmenschen zu helfen, dann erstickt es nicht; und wenn in eurem Herzen Gefühle der Liebe für euren Nächsten aufsteigen, dann gebt solch spontaner Zuneigung durch intelligentes Eingehen auf die wahren Bedürfnisse eurer Mitmenschen Ausdruck." ***** 157.3 Das Bekenntnis des Petrus ***** Am frühen Dienstagmorgen brachen Jesus und die zwölf Apostel vom Hain von Magadan nach Cäsarea-Philippi auf, der Hauptstadt des Herrschaftsbereiches des Tetrarchen Philippus. Cäsarea-Philippi lag in einer herrlich schönen Gegend. Es war in ein zauberhaftes Tal zwischen malerischen Bergen eingebettet, wo der Jordan aus einer unterirdischen Höhle hervorsprudelte. Im Norden ragte der Berg Hermon hoch auf, während sich von den unmittelbar südlich gelegenen Anhöhen aus eine wunderbare Sicht auf den oberen Jordanlauf und das Galiläische Meer bot. Jesus hatte den Berg Hermon bei seiner ersten Auseinandersetzung mit den Angelegenheiten des Königreichs aufgesucht, und nun, da er an den letzten Abschnitt seiner Aufgabe ging, wünschte er, zu diesem Berg der Prüfung und des Triumphs zurückzukehren. Hier würden, so hoffte er, die Apostel eine neue Vision ihrer Verantwortung erhalten und neue Kräfte für die unmittelbar bevorstehenden schweren Zeiten sammeln. Während sie so dahinwanderten und südlich an den Wassern von Meron vorübergingen, begannen die Apostel, untereinander ihre vor kurzem in Phönizien und anderswo gemachten Erfahrungen auszutauschen und zu berichten, wie ihre Botschaft aufgenommen worden war und wie die verschiedenen Volksgruppen über Jesus dachten. Während der Mittagspause konfrontierte Jesus die Zwölf plötzlich mit der ersten ihn selber betreffenden Frage, die er je an sie gerichtet hatte. Er stellte ihnen überraschend die Frage: "Wer, sagen die Menschen, bin ich?" Viele Monate hatte Jesus damit zugebracht, die Apostel über Natur und Charakter des Königreichs des Himmels aufzuklären, und er wusste wohl, dass nun die Zeit gekommen war, wo er damit beginnen musste, ihnen mehr über seine eigene Natur und seine persönliche Beziehung zum Königreich zu sagen. Und jetzt, da sie unter den Maulbeerbäumen lagerten, schickte sich der Meister an, eine der denkwürdigsten Besprechungen in seiner langen Verbindung mit seinen berufenen Aposteln abzuhalten. Mehr als die Hälfte der Apostel nahm an der Beantwortung von Jesu Frage teil. Sie sagten ihm, dass alle, die ihn kannten, ihn als einen Propheten oder einen außergewöhnlichen Menschen betrachteten; dass seine Feinde ihn sogar sehr fürchteten, da sie seine Kräfte mit der Beschuldigung erklärten, er stehe mit dem Fürsten der Teufel im Bunde. Sie berichteten ihm, dass in Judäa und Samaria Leute, die ihm persönlich nie begegnet waren, ihn für den von den Toten auferstandenen Johannes den Täufer hielten. Petrus erklärte, er sei bei mehreren Gelegenheiten und von verschiedenen Personen mit Moses, Elija, Jesaja und Jeremia verglichen worden. Nachdem Jesus sich diesen Bericht angehört hatte, erhob er sich, schaute auf die im Halbkreis um ihn sitzenden Zwölf, und mit bestürzender Eindringlichkeit zeigte er mit einer weiten Armbewegung auf einen nach dem anderen und fragte: "Aber wer sagt ihr, dass ich bin?" Ein Augenblick gespannter Stille trat ein, während dessen die Zwölf den Meister unverwandt anblickten. Dann sprang Simon Petrus auf und rief: "Du bist der Erlöser, der Sohn des lebendigen Gottes." Und die elf sitzenden Apostel erhoben sich alle einmütig und gaben dadurch zu verstehen, dass Petrus für sie alle gesprochen hatte. Nachdem Jesus ihnen bedeutet hatte, sich wieder zu setzen, und noch vor ihnen stehend, sagte er: "Das hat euch mein Vater geoffenbart. Die Stunde ist gekommen, wo ihr die Wahrheit über mich wissen sollt. Aber vorläufig weise ich euch an, niemandem etwas davon zu sagen. Lasst uns weitergehen." Also machten sie sich wieder auf den Weg nach Cäsarea-Philippi, wo sie spät am Abend eintrafen und im Hause von Celsus, der sie erwartete, Halt machten. Die Apostel schliefen kaum in dieser Nacht; sie schienen zu fühlen, dass sich eben etwas Großes in ihrem Leben und in der Arbeit am Königreich ereignet hatte. ***** 157.4 Das Gespräch über das Königreich ***** Seit den Ereignissen von Jesu Taufe durch Johannes und des in Wein verwandelten Wassers in Kana hatten die Apostel Jesus zu verschiedenen Zeiten praktisch als Messias akzeptiert. Während kurzer Zeitabschnitte hatten einige von ihnen wirklich geglaubt, er sei der erwartete Befreier. Aber kaum hatten solche Hoffnungen in ihren Herzen aufzukeimen begonnen, als der Meister diese durch irgendein vernichtendes Wort oder eine enttäuschende Tat gründlich zerschlug. Der Konflikt zwischen den Vorstellungen vom erwarteten Messias, die in ihrem Bewusstsein lebten, und die Erfahrung ihres außerordentlichen Zusammenlebens mit diesem außerordentlichen Menschen, die in ihren Herzen lebte, hatte sie lange Zeit in einem Zustand inneren Tumults gehalten. Es war schon spät an diesem Mittwochvormittag, als sich die Apostel in Celsus' Garten zum Mittagessen versammelten. Fast die ganze Nacht hindurch und seit sie diesen Morgen aufgestanden waren, hatten Simon Petrus und Simon Zelotes ihre Brüder ernsthaft bearbeitet, um sie alle dahin zubringen, den Meister von ganzem Herzen nicht nur als den Messias, sondern auch als den göttlichen Sohn des lebendigen Gottes anzuerkennen. Die beiden Simon stimmten in ihrer Meinung über Jesus so ziemlich überein, und sie bearbeiteten ihre Brüder eifrig, um sie voll und ganz zur Annahme ihrer Ansichten zu bewegen. Während Andreas weiterhin das Amt eines Vorstehers des apostolischen Korps versah, wurde sein Bruder Simon Petrus mit allgemeinem Einverständnis mehr und mehr zum Wortführer der Zwölf. Sie saßen um die Mittagszeit alle im Garten, als der Meister erschien. Auf ihren Gesichtern lag ein Ausdruck würdiger Feierlichkeit, und alle erhoben sich, als er zu ihnen trat. Jesus lockerte die Spannung durch jenes freundliche und brüderliche Lächeln, das ihm so eigen war, wenn seine Anhänger sich oder ein sie betreffendes Ereignis zu ernst nahmen. Mit einer gebietenden Handbewegung bedeutete er ihnen, sich zu setzen. Von da an erhoben sich die Zwölf nie wieder, um ihren Meister zu begrüßen, wenn er zu ihnen kam. Sie erkannten, dass er eine solche äußerliche Respektbezeugung nicht guthieß. Nachdem sie ihr Mahl eingenommen hatten und mitten in der Besprechung von Plänen für die bevorstehende Rundreise durch die Dekapolis waren, blickte Jesus plötzlich auf, sah sie an und sagte: "Nun, da ein ganzer Tag verstrichen ist, seit ihr Simon Petrus' Erklärung bezüglich der Identität des Menschensohnes zugestimmt habt, möchte ich euch fragen, ob ihr immer noch zu eurer Entscheidung steht?" Als sie das hörten, standen die Zwölf auf und Simon Petrus tat ein paar Schritte auf Jesus zu und sagte: "Jawohl, Meister, wir glauben, dass du der Sohn des lebendigen Gottes bist." Darauf setzten Petrus und seine Brüder sich wieder. Immer noch im Stehen sprach Jesus zu den Zwölfen: "Ihr seid meine auserwählten Botschafter, aber ich weiß, dass ihr diesen Glauben unter den gegebenen Umständen nicht allein aufgrund menschlichen Wissens haben könntet. Dies ist eine Offenbarung des Geistes meines Vaters an das Innerste eurer Seele. Und wenn ihr deshalb dieses Bekenntnis aufgrund der Wahrnehmung des Geistes meines Vaters, der in euch wohnt, ablegt, veranlasst mich das zu der Erklärung, dass ich auf diesem Fundament die Bruderschaft des Königreichs des Himmels errichten will. Auf diesem Felsen geistiger Wirklichkeit will ich den lebendigen Tempel geistiger Gemeinschaft in den ewigen Realitäten des Königreichs meines Vaters bauen. Alle Mächte des Bösen und die Heerscharen der Sünde sollen dieser menschlichen Bruderschaft des göttlichen Geistes nichts anhaben können. Und während meines Vaters Geist auf ewig der geistige Führer und Mentor aller ist, die sich zu dieser geistigen Gemeinschaft verpflichten, übergebe ich euch und euren Nachfolgern jetzt die Schlüssel zum äußeren Reich - die Autorität über die zeitlichen Dinge - über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte von Männern und Frauen als Angehörigen des Königreichs." Und wiederum schärfte er ihnen ein, vorerst keinem Menschen zu sagen, dass er der Sohn Gottes war. Jesus begann, an die Treue und Integrität seiner Apostel zu glauben. Der Meister sagte sich, dass ein Glaube, der all dem standhalten konnte, was seine auserwählten Vertreter kürzlich durchgemacht hatten, zweifellos auch die bald zu erwartenden Feuerproben bestehen und aus dem scheinbaren Schiffbruch all ihrer Hoffnungen zum neuen Licht einer neuen Dispensation erwachen würde, nun fähig, hinauszugehen, um eine in der Finsternis liegende Welt zu erhellen. An diesem Tag begann der Meister, dem Glauben seiner Apostel, außer einem, zu vertrauen. Und seit jenem Tag hat derselbe Jesus ohne Unterlass an diesem lebendigen Tempel auf demselben ewigen Fundament seiner Gottessohnschaft gebaut. Und diejenigen, die so zu bewussten Söhnen Gottes werden, sind die menschlichen Steine, die diesen lebendigen Tempel der Sohnschaft bilden, der sich erhebt zur Verherrlichung und Verehrung der Weisheit und Liebe des ewigen Vaters aller Geistwesen. Nach diesen Worten gab Jesus den Zwölf Weisung, jeder für sich in die Berge zu gehen und bis zur Zeit des Abendessens Weisheit, Kraft und geistige Führung zu suchen. Und sie taten, wie der Meister sie geheißen hatte. ***** 157.5 Die neue Konzeption ***** Das Neue und Wesentliche am Bekenntnis von Petrus war die eindeutige Anerkennung, dass Jesus der Sohn Gottes sei, die Anerkennung seiner fraglosen Göttlichkeit. Seit seiner Taufe und der Hochzeit zu Kana hatten die Apostel ihn immer in unterschiedlicher Weise für den Messias gehalten, aber die jüdische Vorstellung von einem nationalen Befreier beinhaltete nicht, dass er göttlich sein sollte. Die Juden hatten nicht gelehrt, dass der Messias göttlicher Abstammung sein würde; sie erwarteten "den Gesalbten", aber sie hatten sich ihn kaum je als "Sohn Gottes" vorgestellt. Im zweiten Bekenntnis wurde die Doppelnatur, die überirdische Tatsache, dass er Menschensohn und Gottessohn war, stärker betont, und Jesus erklärte, auf dieser großen Wahrheit der Vereinigung der menschlichen Natur mit der göttlichen Natur das Königreich des Himmels aufbauen zu wollen. Jesus hatte beabsichtigt, sein Erdendasein als Menschensohn zu leben und als solcher seine Sendung der Selbsthingabe zu beschließen. Seine Anhänger waren bereit, in ihm den erwarteten Messias zu sehen. Da er wusste, dass er ihren messianischen Erwartungen nie gerecht werden konnte, bemühte er sich, an ihrer Vorstellung vom Messias solche Veränderungen vorzunehmen, die ihn in die Lage versetzen würden, ihren Erwartungen teilweise entgegenzukommen. Aber er erkannte jetzt, dass ein solcher Plan kaum erfolgreich durchgeführt werden konnte. Deshalb entschied er sich nun kühn, den dritten Plan zu eröffnen - offen seine Göttlichkeit zu verkünden, die Wahrheit des Bekenntnisses von Petrus zu bestätigen und den Zwölfen ohne Umschweife zu verkünden, dass er ein Sohn Gottes war. Drei Jahre lang hatte Jesus verkündet, er sei der "Menschensohn", und während dieser drei Jahre hatten die Apostel immer beharrlicher darauf bestanden, dass er der erwartete jüdische Messias sei. Er enthüllte jetzt, dass er der Sohn Gottes war und entschied, das Königreich des Himmels auf der Vorstellung der Doppelnatur des Menschen- und Gottessohnes aufzubauen. Er hatte beschlossen, von weiteren Anstrengungen abzusehen, sie davon zu überzeugen, dass er nicht der Messias sei. Er gedachte jetzt, ihnen kühn zu offenbaren, was er ist, und ihre Entschlossenheit, ihn beharrlich für den Messias zu halten, nicht mehr zu beachten. ***** 157.6 Der nächste Nachmittag ***** Jesus und die Apostel blieben noch einen Tag länger im Hause des Celsus, weil sie auf Boten warteten, die ihnen von David Zebedäus Geld überbringen sollten. Dem Popularitätssturz Jesu bei den Massen folgte ein empfindlicher Rückgang der Einnahmen. Als sie in Cäsarea-Philippi eintrafen, war die Kasse leer. Matthäus verließ Jesus und seine Brüder gerade in einem solchen Augenblick nur sehr ungern, und er konnte Judas keine eigenen flüssigen Mittel aushändigen, wie er es in der Vergangenheit so oft getan hatte. Doch David Zebedäus hatte diese wahrscheinliche Einnahmeneinbuße vorausgesehen und deshalb seine Boten angewiesen, auf ihrem Weg durch Judäa, Samaria und Galiläa Geld zu sammeln und es den im Exil lebenden Aposteln und ihrem Meister zu bringen. Und so trafen diese Boten am Abend dieses Tages aus Bethsaida ein und brachten genügend Mittel für den Unterhalt der Apostel, bis diese zurückkehren und ihre Rundreise durch die Dekapolis antreten würden. Matthäus erwartete um diese Zeit Geld aus dem Verkauf seines letzten Besitzes in Kapernaum und hatte Vorkehrungen zur anonymen Überweisung dieser Summe an Judas getroffen. Weder Petrus noch die anderen Apostel hatten eine sehr zutreffende Vorstellung von Jesu Göttlichkeit. Es war ihnen kaum bewusst, dass dies der Beginn eines neuen Abschnittes im irdischen Werdegang ihres Meisters war, der Augenblick, in dem der Lehrer und Heiler zum neu konzipierten Messias wurde - zum Sohn Gottes. Von da an klang in der Botschaft des Meisters etwas Neues mit. Sein einziges Lebensideal war hinfort die Offenbarung des Vaters, und seine einzige Lehridee war, für sein Universum jene höchste Weisheit zu personifizieren, die man nur verstehen kann, indem man sie lebt. Er kam, damit wir alle das Leben hätten, und es in reicherem Maße hätten. Jesus trat nun in die vierte und letzte Phase seines menschlichen irdischen Daseins ein. Die erste Phase waren die Jahre der Kindheit, als er sich nur dunkel seines Ursprungs, seiner Natur und seiner Bestimmung als menschliches Wesen bewusst war. Die zweite Phase waren die zunehmend selbstbewussten Jahre der Jugend und des fortschreitenden Mannesalters, während welcher er zu einem klareren Verständnis seiner göttlichen Natur und menschlichen Mission gelangte. Diese zweite Phase endete mit den Erfahrungen und Offenbarungen im Zusammenhang mit seiner Taufe. Die dritte Phase der irdischen Erfahrung des Meisters erstreckte sich von der Taufe über die Jahre seines Wirkens als Lehrer und Heiler bis zu der denkwürdigen Stunde des Bekenntnisses von Petrus in Cäsarea-Philippi. Diese dritte Periode seines Erdenlebens umfasste die Zeit, da seine Apostel und unmittelbaren Anhänger ihn als den Menschensohn kannten und ihn als den Messias betrachteten. Die vierte und letzte Phase seiner irdischen Laufbahn begann hier in Cäsarea-Philippi und währte bis zur Kreuzigung. Diese Periode seines Wirkens war von dem Bekenntnis zu seiner Göttlichkeit gekennzeichnet und umfasste die Werke seines letzten Jahres auf Erden. Während die Mehrzahl seiner Anhänger in ihm in dieser vierten Periode immer noch den Messias sah, kannten die Apostel ihn nun als Sohn Gottes. Des Petrus Bekenntnis bezeichnete den Beginn der neuen Periode umfassenderer Verwirklichung der Wahrheit seines hohen Amtes als ein Sohn der Selbsthingabe auf Urantia und für ein ganzes Universum, sowie die Erkenntnis dieser Tatsache, zumindest verschwommen, durch seine auserwählten Botschafter. Damit brachte Jesus durch sein Leben beispielhaft zum Ausdruck, was er in seiner Religion lehrte: das Wachstum der geistigen Natur durch die Methode lebendigen Fortschritts. Im Unterschied zu seinen späteren Anhängern legte er die Betonung nicht auf den unaufhörlichen Kampf zwischen Seele und Körper. Er lehrte vielmehr, dass der Geist leicht zum Sieger über beide werden und manchen dieser Kämpfe zwischen Intellekt und Instinkt wirksam und nutzbringend schlichten kann. Von da an kommt allen Unterweisungen Jesu eine neue Bedeutung zu. Vor Cäsarea-Philippi präsentierte er das Evangelium vom Königreich als meisterhafter Lehrer. Nach Cäsarea-Philippi erschien er nicht nur als Lehrer, sondern als der göttliche Vertreter des ewigen Vaters, welcher Mittelpunkt und Umfang dieses geistigen Königreiches ist, und es war ihm aufgetragen, das alles als menschliches Wesen, als Menschensohn zu tun. Jesus hatte sich aufrichtig darum bemüht, zuerst als Lehrer und dann als Lehrer-Heiler seine Anhänger in das geistige Königreich zu führen, aber sie wollten es nicht so haben. Er wusste sehr wohl, dass seine irdische Mission die messianischen Erwartungen des jüdischen Volkes unmöglich erfüllen konnte; die Propheten von einst hatten einen Messias geschildert, der er nie sein könnte. Er trachtete danach, des Vaters Königreich als Menschensohn zu errichten, aber seine Anhänger waren nicht gewillt, ihm in dieses Abenteuer zu folgen. Als Jesus dessen gewahr wurde, entschloss er sich, den Gläubigen halbwegs entgegenzukommen, und machte sich bereit, in aller Offenheit die Rolle des sich selbst hingebenden Gottessohnes zu übernehmen. Demzufolge bekamen die Apostel an diesem Tag, als Jesus im Garten zu ihnen sprach, viel Neues zu hören. Und einige dieser Erklärungen klangen selbst in ihren Ohren seltsam. Neben anderem Erstaunlichen hörten sie ihn folgende Erklärungen machen: "Wer von jetzt an mit uns Gemeinschaft haben will, der nehme die Verpflichtungen der Sohnschaft auf sich und folge mir. Und wenn ich nicht mehr unter euch bin, denkt nicht, dass die Welt euch dann besser behandeln wird als euren Meister. Wenn ihr mich liebt, dann bereitet euch darauf vor, diese Liebe durch eure Bereitschaft zum äußersten Opfer unter Beweis zu stellen." "Und achtet gut auf meine Worte: Ich bin nicht gekommen, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder. Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als eine Gabe für alle zu verschenken. Ich erkläre euch, dass ich gekommen bin, um die Verlorenen zu suchen und zu retten." "Niemand auf dieser Welt sieht jetzt den Vater, außer dem Sohn, der vom Vater gekommen ist. Aber wenn der Sohn erhöht sein wird, wird er alle Menschen an sich ziehen, und wer immer an diese Wahrheit von der Doppelnatur des Sohnes glaubt, dem wird ein Leben zuteil, das durch keine Zeit begrenzt wird." "Wir sprechen es zwar noch nicht öffentlich aus, dass der Menschensohn der Sohn Gottes ist, aber es ist euch offenbart worden; deshalb spreche ich unerschrocken über diese Geheimnisse zu euch. Obgleich ich hier vor euch in meiner physischen Erscheinung stehe, bin ich von Gott, dem Vater hergekommen. Bevor Abraham war, bin ich. Vom Vater bin ich in diese Welt gekommen, so wie ihr mich gekannt habt, und ich erkläre euch, dass ich in Kürze diese Welt verlassen und zur Arbeit meines Vaters zurückkehren muss." "Vermag euer Glaube jetzt die Wahrheit dieser Erklärungen zu fassen, obwohl ich euch gewarnt habe, dass der Menschensohn den Vorstellungen eurer Väter vom erwarteten Messias nicht entsprechen wird? Mein Königreich ist nicht von dieser Welt. Könnt ihr die Wahrheit über mich angesichts der Tatsache glauben, dass ich keinen Ort habe, wo ich mein Haupt hinlegen kann, während die Füchse Höhlen und die Vögel des Himmels Nester haben?" "Und doch sage ich euch: der Vater und ich sind eins. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Mein Vater arbeitet in all diesen Dingen mit mir, und er wird mich in meiner Sendung nie allein lassen, ebenso wenig wie ich euch je verlassen werde, wenn ihr euch bald aufmacht, um dieses Evangelium in der ganzen Welt zu verkündigen." "Und jetzt habe ich euch mit mir und jeden mit sich selber für eine kleine Weile abseits geführt, damit ihr die Herrlichkeit des Lebens, zu dem ich euch berufen habe, ermessen und seine Größe fassen möget: Es geht um das Glaubensabenteuer, meines Vaters Reich in den Herzen der Menschen zu errichten, um den Bau meiner brüderlichen und lebendigen Gemeinschaft mit den Seelen aller, die an dieses Evangelium glauben." Die Apostel hörten diesen kühnen und umwerfenden Erklärungen schweigend zu; sie waren maßlos erstaunt. Und sie lösten sich in Grüppchen auf, um des Meisters Worte zu diskutieren und darüber nachzudenken. Sie hatten bekannt, dass er der Sohn Gottes sei, aber sie konnten die ganze Bedeutung dessen, wozu sie angehalten worden waren, nicht begreifen. ***** 157.7 Die Unterredung mit Andreas ***** An diesem Abend nahm Andreas es auf sich, mit jedem seiner Brüder ein persönliches und eingehendes Gespräch zu führen, und er hatte außer mit Judas Iskariot mit jedem seiner Gefährten nützliche und ermutigende Aussprachen. Andreas hatte sich mit Judas nie einer so engen persönlichen Beziehung erfreut wie mit den anderen Aposteln und deshalb dem Umstand keine ernsthafte Bedeutung beigemessen, dass Judas nie freien und vertraulichen Umgang mit dem Haupt des Apostelkorps gepflegt hatte. Aber diesmal war Andreas über Judas' Haltung derart besorgt, dass er später am Abend, als alle Apostel fest schliefen, Jesus aufsuchte und dem Meister den Grund seiner Beunruhigung darlegte. Jesus sagte: "Es ist nicht unangebracht, Andreas, mich in dieser Angelegenheit aufzusuchen, aber wir können weiter nichts tun; setze nur weiterhin dein vollstes Vertrauen in diesen Apostel. Und sage seinen Brüdern nichts über dieses Gespräch mit mir." Und das war alles, was Andreas Jesus entlocken konnte. Es hatte immer eine gewisse Fremdheit zwischen diesem Judäer und seinen galiläischen Brüdern geherrscht. Judas war über den Tod Johannes' des Täufers schockiert gewesen, verschiedene Male hatte des Meisters Tadel ihn zutiefst verletzt, er war enttäuscht, als Jesus die Königswürde ausschlug, gedemütigt, als er vor den Pharisäern floh, gekränkt, als er es ablehnte, die Herausforderung der Pharisäer, die ein Zeichen verlangten, anzunehmen, bestürzt über seines Meisters Weigerung, zu Machtdemonstrationen zu greifen, und jetzt, in jüngster Vergangenheit, niedergeschlagen und manchmal mutlos wegen der leeren Kasse. Und Judas vermisste die Stimulierung durch die Menge. Jeder der anderen Apostel war gleichfalls in gewissem und unterschiedlichem Maß denselben Prüfungen und Kümmernissen ausgesetzt, aber sie liebten Jesus. Zumindest müssen sie den Meister mehr geliebt haben, als Judas es tat, denn sie gingen mit ihm bis zum bitteren Ende. Da er aus Judäa war, empfand Judas es als persönliche Beleidigung, als Jesus die Apostel kurz zuvor warnte, "sich vor dem Sauerteig der Pharisäer in Acht zu nehmen"; er neigte dazu, diese Erklärung als eine verhüllte Anspielung auf sich selber anzusehen. Aber Judas' großer Fehler war dieser: Immer wieder, wenn Jesus seine Apostel wegschickte, damit sie allein für sich beteten, gab Judas Regungen menschlicher Angst nach, anstatt mit den geistigen Kräften des Universums in aufrichtige Verbindung zu treten. Er unterhielt schleichende Zweifel an Jesu Sendung und gab seiner unglückseligen Neigung nach, Rachegefühle zu hegen. Und jetzt wollte Jesus seine Apostel auf den Berg Hermon mitnehmen, wo er beschlossen hatte, die vierte Phase seines irdischen Wirkens als Sohn Gottes einzuleiten. Einige von ihnen waren bei seiner Taufe im Jordan zugegen gewesen und waren Zeugen des Beginns seines Werdegangs als Menschensohn geworden, und er wünschte, dass einige von ihnen ebenfalls zugegen wären, um seine Ermächtigung zur Übernahme der neuen und öffentlichen Rolle als Sohn Gottes mit anzuhören. Also sagte Jesus am Freitagmorgen, dem 12. August, zu den Zwölfen: "Packt Proviant ein und macht euch zu einer Wanderung auf den Berg da drüben bereit, wohin mich der Geist zu gehen heißt, auf dass ich für den Abschluss meines Werks auf Erden ausgerüstet werde. Und ich möchte meine Brüder gern mitnehmen, damit auch sie gestärkt werden mögen für die Zeiten der Prüfung, die sie mit mir durchmachen werden." ****** Kapitel 158 Der Berg der Verklärung ****** ES war kurz vor Sonnenuntergang, als Jesus und seine Gefährten am Freitagnachmittag, dem 12. August 29 am Fuße des Berges Hermon ganz nahe bei der Stelle ankamen, wo der junge Tiglad einst wartete, während der Meister allein den Berg bestieg, um die geistige Bestimmung von Urantia festzulegen und die Rebellion Luzifers rein formal zu beenden. Und zwei Tage lang blieben sie hier, um sich geistig auf die unmittelbar bevorstehenden Ereignisse vorzubereiten. Jesus wusste ungefähr im Voraus, was sich auf dem Berg ereignen würde, und er wünschte sehr, dass all seine Apostel diese Erfahrung teilen könnten. Er verweilte mit ihnen am Fuße des Berges, um sie auf diese Offenbarung seiner selbst vorzubereiten. Aber sie konnten jene geistigen Ebenen nicht erreichen, die es gerechtfertigt hätten, sie dem ganzen Erlebnis des Besuchs der himmlischen Wesen auszusetzen, die so bald auf Erden erscheinen sollten. Und da er nicht alle seine Gefährten mitnehmen konnte, beschloss er, nur jene drei mitzunehmen, die es gewohnt waren, ihn in solchen durchwachten Nächten zu begleiten. Infolgedessen teilten lediglich Petrus, Jakobus und Johannes, wenn auch nur teilweise, dieses einmalige Erlebnis mit dem Meister. ***** 158.1 Die Verklärung ***** Am frühen Montagmorgen, dem 15. August, sechs Tage nach dem denkwürdigen mittäglichen Bekenntnis von Petrus unter den Maulbeerbäumen am Straßenrand, begannen Jesus und die drei Apostel mit der Besteigung des Berges Hermon. Jesus war aufgefordert worden, ganz allein auf den Berg zu steigen, um wichtige Dinge im Zusammenhang mit dem Fortschritt seiner Selbsthingabe in Menschengestalt zu regeln, da diese Sendung das ganze Universum seiner eigenen Schöpfung betraf. Es ist bedeutsam, dass dieses außerordentliche Ereignis auf einen Zeitpunkt angesetzt wurde, da Jesus und die Apostel sich auf nichtjüdischem Territorium aufhielten, und dass es tatsächlich auf einem Berg der Nichtjuden stattfand. Sie kamen an ihrem Bestimmungsort etwa auf halber Bergeshöhe kurz vor Mittag an, und beim Mittagessen erzählte Jesus den drei Aposteln etwas von dem, was er in den östlich vom Jordan gelegenen Bergen kurz nach seiner Taufe erlebt hatte, und auch noch etwas mehr von seinem Erlebnis auf dem Berg Hermon bei seinem früheren Aufenthalt an diesem einsamen Ort. Als Junge pflegte Jesus auf die Anhöhe in der Nähe seines Elternhauses zu steigen und von den Schlachten zu träumen, die sich die Armeen von Imperien in der Ebene von Esdraelon geliefert hatten; jetzt bestieg er den Berg Hermon, um hier das Rüstzeug zu empfangen, das ihn darauf vorbereiten sollte, in die Ebenen des Jordans hinunterzusteigen und die Schlussszenen im Drama seiner Selbsthingabe auf Urantia zu spielen. Der Meister hätte an diesem Tag auf dem Berg Hermon den Kampf aufgeben und an die Spitze seines Universums zurückkehren können, aber er entschloss sich nicht nur, den Anforderungen seiner Ordnung göttlicher Sohnschaft zu genügen, wie sie im Mandat des Ewigen Sohnes des Paradieses enthalten sind, sondern er entschied sich auch, den tatsächlichen Willen seines Paradies-Vaters im letzten und vollsten Maße zu erfüllen. An diesem Augusttag sahen drei seiner Apostel mit an, wie er es ablehnte, mit voller Autorität über sein Universum ausgestattet zu werden. Staunend schauten sie zu, wie sich die himmlischen Boten entfernten und ihn allein ließen, sein irdisches Leben als Menschensohn und Gottessohn zu beenden. Zum Zeitpunkt der Speisung der Fünftausend hatte der Glaube der Apostel einen Höhepunkt erreicht und war dann rapide fast bis auf Null abgesunken. Jetzt, nachdem der Meister sich zu seiner Göttlichkeit bekannt hatte, erklomm der erlahmte Glaube der Zwölf in den nächsten paar Wochen die höchsten Höhen, um danach wieder zunehmend zu schwinden. Zum dritten Mal lebte ihr Glaube erst nach des Meisters Auferstehung wieder auf. Etwa um drei Uhr an diesem wunderschönen Nachmittag verließ Jesus die drei Apostel mit den Worten: "Ich will mich jetzt eine Weile zurückziehen, um mit meinem Vater und seinen Botschaftern zu sein. Ich bitte euch, hier auf meine Rückkehr zu warten und dafür zu beten, dass des Vaters Wille geschehe in allem, was ihr im Zusammenhang mit der weiteren Mission der Selbsthingabe des Menschensohnes erfahren werdet." Und nachdem er so zu ihnen gesprochen hatte, zog er sich zu einer langen Unterredung mit Gabriel und dem Vater Melchisedek zurück und kam erst gegen sechs Uhr wieder. Als Jesus ihre Besorgnis über seine lange Abwesenheit bemerkte, sagte er: "Wieso habt ihr euch geängstigt? Ihr wisst doch, dass ich mich um die Angelegenheiten meines Vaters kümmern muss; weshalb zweifelt ihr, wenn ich nicht bei euch bin? Ich erkläre jetzt, dass der Menschensohn entschlossen ist, sein ganzes Leben in eurer Mitte und als einer von euch zu leben. Seid guten Mutes; ich werde euch nicht verlassen, bevor mein Werk abgeschlossen ist." Während sie ihr karges Abendbrot einnahmen, fragte Petrus den Meister: "Wie lange bleiben wir noch auf diesem Berg, fern von unseren Brüdern?" Und Jesus antwortete: "Bis ihr den verherrlichten Menschensohn gesehen habt und wisst, dass alles, was ich euch verkündet habe, wahr ist." Und während sie um die glimmenden Feuerreste herum saßen, sprachen sie über die Rebellion Luzifers, bis die Dunkelheit heraufzog und die Lider der Apostel schwer wurden ; denn sie waren sehr früh am Morgen aufgebrochen. Die drei hatten etwa eine halbe Stunde fest geschlafen, als sie plötzlich durch ein nahes Knistern aufgeweckt wurden; und als sie sich umschauten, erblickten sie Jesus sehr zu ihrer Verwunderung und Bestürzung in vertraulichem Gespräch mit zwei strahlenden Wesen, gekleidet in Lichtgewänder der himmlischen Welt. Und Gesicht und Gestalt Jesu strahlten im Glanze himmlischen Lichts. Die drei unterhielten sich in einer unbekannten Sprache, aber von gewissen gesagten Dingen her vermutete Petrus irrtümlich, dass die beiden Wesen bei Jesus Moses und Elija seien; in Wirklichkeit handelte es sich um Gabriel und den Vater Melchisedek. Die physischen Überwacher hatten es den Aposteln auf Jesu Wunsch hin ermöglicht, Zeugen dieser Szene zu werden. Die drei Apostel erschraken so heftig, dass sie ihre Fassung nur langsam wiedergewannen, aber Petrus, der sich zuerst erholte, sagte, als die gleißende Vision vor ihnen dahinschwand und sie Jesus allein dastehen sahen: "Jesus, Meister, es ist gut, dass wir hier gewesen sind. Wir sind glücklich, diese Herrlichkeit zu sehen. Wir gehen nur ungern in die unrühmliche Welt da unten zurück. Wenn du einverstanden bist, lass uns hier bleiben und drei Zelte errichten, eines für dich, eines für Moses und eines für Elija." Petrus sagte das aus seiner großen Verwirrung heraus und weil ihm in diesem Augenblick gerade nichts Besseres einfiel. Petrus sprach noch, als eine silberne Wolke näher kam und die vier überschattete. Die Apostel wurden nun von großer Furcht gepackt und fielen mit dem Gesicht zur Erde in Anbetung nieder. Da hörten sie eine Stimme sagen - es war dieselbe, die bei Jesu Taufe gesprochen hatte: "Dies ist mein geliebter Sohn; achtet auf ihn." Und als die Wolke verschwand, war Jesus mit den dreien wieder allein. Und er beugte sich zu ihnen hinab, berührte sie und sagte: "Steht auf und seid ohne Furcht; ihr sollt größere Dinge sehen als das." Aber die Apostel hatten wirklich Angst. Sie waren ein schweigsames und nachdenkliches Trio, als sie sich kurz vor Mitternacht bereitmachten, den Berg hinunterzusteigen. ***** 158.2 Abstieg vom Berg ***** Während der ersten Hälfte des Abstiegs vom Berg wurde kein Wort gesprochen. Da begann Jesus das Gespräch mit der Bemerkung: "Schärft euch ein, niemandem, nicht einmal euren Brüdern, etwas von dem, was ihr auf diesem Berg gesehen und gehört habt, zu sagen, ehe der Menschensohn von den Toten auferstanden ist." Die drei Apostel waren schockiert und bestürzt über des Meisters Worte "ehe der Menschensohn von den Toten auferstanden ist". Sie hatten doch noch ganz kürzlich ihren Glauben an ihn als den Erlöser, den Sohn Gottes, von neuem bestätigt und ihn eben erst mit eigenen Augen in verklärtem Glanz gesehen, und nun fing er an, von "Auferstehung von den Toten" zu reden! Petrus schauderte es beim Gedanken an ein Sterben des Meisters - diese Idee war zu unerträglich. Aus der Furcht heraus, Jakobus oder Johannes könnten im Zusammenhang mit diesem Ausspruch eine Frage stellen, hielt er es für das Beste, eine ablenkende Unterhaltung zu beginnen. Und da ihm gerade nichts anderes einfiel, drückte er den erstbesten Gedanken aus, der ihm durch den Kopf ging, nämlich: "Meister, warum sagen die Schriftgelehrten, zuerst müsse Elija kommen, bevor der Messias erscheint?" Und Jesus, der wusste, dass Petrus eine Anspielung auf seinen Tod und seine Auferstehung vermeiden wollte, gab zur Antwort: "Elija kommt in der Tat zuerst, um den Weg für den Menschensohn zu bereiten, der vieles erdulden muss und schließlich abgelehnt werden wird. Aber ich sage euch, dass Elija bereits gekommen ist; doch haben sie ihn nicht angenommen, sondern mit ihm ihren Mutwillen getrieben." Da begriffen die drei Apostel, dass er mit Elija Johannes den Täufer meinte. Jesus wusste, dass, wenn sie schon darauf bestanden, ihn als den Messias zu betrachten, Johannes dann der Prophezeiung zufolge Elija sein musste. Jesus auferlegte ihnen Schweigen über den von ihnen beobachteten Vorgeschmack seiner Herrlichkeit nach der Auferstehung, weil er der Idee nicht Vorschub leisten wollte, dass er jetzt, da man ihn als den Messias anerkannte, in irgendeiner Weise ihre irrigen Vorstellungen von einem Wunder wirkenden Befreier erfüllen würde. Obwohl Petrus, Jakobus und Johannes über all diese Dinge nachsannen, sprachen sie bis nach des Meisters Auferstehung mit niemandem darüber. Während sie weiter den Berg hinunter stiegen, sagte Jesus zu ihnen: "Ihr habt mich nicht als Menschensohn annehmen wollen; deshalb habe ich eingewilligt, von euch euren festen Vorstellungen entsprechend angenommen zu werden, aber täuscht euch nicht: Der Wille meines Vaters ist ausschlaggebend. Wenn ihr es also vorzieht, der Neigung eures eigenen Willens zu folgen, müsst ihr darauf gefasst sein, viele Enttäuschungen zu erleben und durch manche Prüfung zu gehen; aber die Schulung, die ich euch gegeben habe, sollte ausreichen, um euch siegreich auch durch dieses von euch selbst gewollte Leid zu tragen." Jesus hatte Petrus, Jakobus und Johannes nicht deshalb mit sich auf den Berg der Verklärung genommen, weil sie in irgendeinem Sinne besser als die anderen Apostel vorbereitet gewesen wären, Zeuge des Geschehens zu werden, oder in geistiger Hinsicht tauglicher, sich eines so seltenen Privilegs zu erfreuen. Mitnichten. Er wusste wohl, dass keiner der Zwölf geistig für das Erlebnis qualifiziert war; deshalb nahm er nur jene drei Apostel mit, die bestimmt waren, ihn immer dann zu begleiten, wenn er allein sein wollte, um einsame Einkehr zu halten. ***** 158.3 Die Bedeutung der Verklärung ***** Das, was Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg der Verklärung miterlebten, war nur ein flüchtiger Blick auf die sich an jenem ereignisreichen Tag auf dem Berg Hermon entfaltende himmlische Pracht. Bei der Verklärung geschah Folgendes: 1. Anerkennung der gesamten Hingabe des inkarnierten Lebens Michaels auf Urantia durch den Ewigen Mutter-Sohn des Paradieses. Was die Anforderungen des Ewigen Sohnes betraf, erhielt Jesus die Versicherung, sie erfüllt zu haben. Und es war Gabriel, der Jesus diese Versicherung überbrachte. 2. Bezeugung der Zufriedenheit des Unendlichen Geistes mit der gesamten Selbsthingabe in menschlicher Gestalt auf Urantia. Die Repräsentantin des Unendlichen Geistes für das Universum, die unmittelbare Gefährtin und stets gegenwärtige Mitarbeiterin Michaels von Salvington, sprach bei dieser Gelegenheit durch den Vater Melchisedek. Jesus begrüßte diese Bezeugung des Erfolgs seiner Erdensendung, die ihm die Botschafter des Ewigen Sohnes und des Unendlichen Geistes überbrachten, aber er stellte fest, dass sein Vater sich nicht dahin äußerte, seine Selbsthingabe auf Urantia sei zu Ende; nur Jesu Personifizierter Justierer bezeugte die unsichtbare Gegenwart des Vaters, indem er sprach: "Das ist mein geliebter Sohn; achtet auf ihn." Und das wurde in Worten gesagt, die auch die drei Apostel hören konnten. Nach diesem himmlischen Besuch forschte Jesus nach des Vaters Willen und beschloss, seine Selbsthingabe als Sterblicher bis zu ihrem natürlichen Ende weiterzuführen. Das war die Bedeutung, die die Verklärung für Jesus hatte. Für die drei Apostel war es ein Ereignis, das den Eintritt des Meisters in die Endphase seiner irdischen Laufbahn als Gottes- und Menschensohn markierte. Nach dem offiziellen Besuch Gabriels und des Vaters Melchisedek unterhielt sich Jesus ungezwungen mit ihnen, seinen dienenden Söhnen, und sprach mit ihnen vertraulich über die Angelegenheiten des Universums. ***** 158.4 Der epileptische Junge ***** An diesem Dienstagmorgen trafen Jesus und seine Gefährten kurz vor der Frühstückszeit im apostolischen Lager ein. Beim Näherkommen erblickten sie eine beträchtliche, um die Apostel gescharte Menschenmenge und hörten bald lautes Argumentieren und Streiten der etwa fünfzigköpfigen Gruppe. Diese umfasste außer den neun Aposteln zu gleichen Teilen Schriftgelehrte aus Jerusalem und gläubige Jünger, die Jesus und seinen Gefährten seit Magadan gefolgt waren. Obwohl die Leute über vieles heftig miteinander stritten, betraf die Hauptstreitfrage einen gewissen Bürger aus Tiberias, der am Vortag auf der Suche nach Jesus angelangt war. Dieser Mann, Jakob von Safed, hatte einen etwa vierzehn Jahre alten Sohn - sein einziges Kind - der unter heftiger Epilepsie litt. Zusätzlich zu dieser Nervenkrankheit hatte einer jener herumstreunenden, bösartigen und rebellischen Mittler, die damals unkontrolliert auf der Erde anwesend waren, von dem jungen Burschen Besitz ergriffen, so dass er sowohl epileptisch als auch von einem Dämon besessen war. Fast zwei Wochen lang war dieser besorgte Vater, ein subalterner Beamter von Herodes Antipas, im westlichen Grenzgebiet von Philippus' Territorium umhergezogen auf der Suche nach Jesus, den er anflehen wollte, seinen leidenden Sohn zu heilen. Er holte die apostolische Gruppe erst am Mittag des Tages ein, an dem Jesus mit den drei Aposteln auf dem Berg weilte. Die neun Apostel waren sehr überrascht und recht verstört, als dieser Mann in Begleitung von fast vierzig anderen Leuten, die Jesus suchten, plötzlich auf sie zukam. Zum Zeitpunkt der Ankunft der Gruppe waren die neun Apostel, oder zumindest die meisten von ihnen, ihrer alten Versuchung erlegen - zu erörtern, wer von ihnen im kommenden Königreich der Größte sein werde; sie sprachen eifrig darüber, welche Posten den einzelnen Aposteln aller Wahrscheinlichkeit nach zugewiesen werden würden. Sie konnten sich einfach nicht ganz von ihrer langgehegten Vorstellung von einer materiellen Mission des Messias loslösen. Und nun, da Jesus selber ihr Bekenntnis akzeptiert hatte, dass er wirklich der Befreier sei - wenigstens hatte er die Tatsache seiner Göttlichkeit anerkannt - was war da natürlicher, als während dieser Zeit der Trennung vom Meister auf jene Hoffnungen und Ambitionen zu sprechen zu kommen, die in ihren Herzen an erster Stelle standen. Und sie waren mitten in diesen Diskussionen, als Jakob von Safed und die anderen nach Jesus Forschenden auftauchten. Andreas ging zur Begrüßung auf Vater und Sohn zu und sagte: "Wen sucht ihr?" Jakob antwortete: "Mein guter Mann, ich suche nach deinem Meister, ich suche Heilung für meinen leidenden Sohn. Ich möchte, dass Jesus den Teufel austreibt, von dem mein Kind besessen ist." Und darauf erzählte der Vater den Aposteln, dass sein Sohn derart leide, dass er mehrmals nach solch bösartigen Anfällen beinahe gestorben wäre. Während die Apostel zuhörten, traten Simon Zelotes und Judas Iskariot plötzlich vor den Vater und sagten: "Wir können ihn heilen; du brauchst nicht auf die Rückkehr des Meisters zu warten. Wir sind Botschafter des Königreichs; wir halten diese Dinge nicht länger geheim. Jesus ist der Befreier, und die Schlüssel des Königreichs sind uns übergeben worden." Zu diesem Zeitpunkt besprach Andreas sich abseits mit Thomas, während Nathanael und die anderen entgeistert zuschauten. Sie waren alle über die plötzliche Kühnheit, wenn nicht Anmaßung, von Simon und Judas entsetzt. Da sagte der Vater: "Wenn es euch gegeben ist, diese Werke zu tun, flehe ich euch an, die Worte zu sprechen, die mein Kind von dieser Knechtschaft befreien werden." Da trat Simon vor, legte seine Hand auf den Kopf des Kindes, schaute ihm in die Augen und befahl: "Komm heraus aus ihm, du unreiner Geist; im Namen Jesu gehorche mir." Aber der Junge erlitt bloß einen noch heftigeren Anfall, während die Schriftgelehrten sich über die Apostel lustig machten und die enttäuschten Anhänger Jesu den Hohn dieser unfreundlichen Kritiker über sich ergehen lassen mussten. Andreas war zutiefst gekränkt über diesen unbesonnenen Versuch und sein klägliches Scheitern. Er rief die Apostel zu Beratung und Gebet beiseite. Nach einer Weile der Andacht unternahm Andreas im heftig schmerzenden Gefühl ihrer Niederlage und der auf ihnen allen lastenden Demütigung einen zweiten Anlauf, um den Dämon auszutreiben, aber seinen Anstrengungen war nur Misserfolg beschieden. Andreas gab seine Niederlage unumwunden zu und lud den Vater ein, über Nacht oder bis zu Jesu Rückkehr bei ihnen zu bleiben, und sagte: "Vielleicht lässt sich diese Teufelsart nur auf des Meisters persönlichen Befehl hin austreiben." Während Jesus mit seinen überschwänglichen und begeisterten Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes den Berg herunterkam, waren auch ihre neun Brüder schlaflos, aber vor Verwirrung, Niedergeschlagenheit und Demütigung. Sie waren ein mutloses und ernüchtertes Häuflein. Aber Jakob von Safed gab sich nicht geschlagen. Obwohl sie ihm überhaupt nicht sagen konnten, wann Jesus zurückkehren würde, beschloss er, auf den Meister zu warten. ***** 158.5 Jesus heilt den Jungen ***** Als Jesus näher kam, waren die neun Apostel mehr als erleichtert, ihn willkommen zu heißen, und sie fassten frischen Mut, als sie auf den Gesichtern von Petrus, Jakobus und Johannes Fröhlichkeit und ungewöhnliche Begeisterung lasen. Sie eilten alle Jesus und ihren drei Brüdern zur Begrüßung entgegen. Während sie Grüße tauschten, kamen die Leute herbei, und Jesus fragte: "Worüber habt ihr gestritten, als wir näher kamen?" Aber noch bevor die verstörten und gedemütigten Apostel auf die Frage des Meisters antworten konnten, trat der besorgte Vater des kranken Jungen vor, kniete zu Jesu Füßen nieder und sagte: "Meister, ich habe einen Sohn, er ist mein einziges Kind, und er ist von einem bösen Geist besessen. Er schreit nicht nur entsetzt auf, mit Schaum vor dem Mund, und fällt bei einem Anfall wie tot auf den Boden, sondern oft packt ihn der böse Geist, der ihn beherrscht, so dass er sich in Krämpfen windet, und einige Male hat er ihn ins Wasser und sogar ins Feuer geworfen. Zähneknirschend und durch die erlittenen Quetschungen geschwächt, siecht mein Kind dahin. Sein Leben ist schlimmer als der Tod; seine Mutter und ich sind traurigen Herzens und gebrochenen Geistes. Auf der Suche nach dir bin ich gestern um die Mittagsstunde auf deine Jünger gestoßen, und während wir warteten, haben deine Apostel versucht, den Dämon auszutreiben, aber es ist ihnen nicht gelungen. Willst du, Meister, dies jetzt für uns tun, willst du meinen Sohn heilen?" Nachdem Jesus sich den Bericht angehört hatte, berührte er den knienden Vater und hieß ihn aufstehen, während er einen prüfenden Blick auf die nahe dabeistehenden Apostel warf. Dann sprach er zu allen, die vor ihm standen: "Oh ungläubige und verdorbene Generation, wie lange soll ich euch noch ertragen? Wie lange noch soll ich unter euch bleiben? Wie lange noch wird es dauern, bis ihr lernt, dass die Werke des Glaubens nicht auf Geheiß zweifelnden Unglaubens geschehen?" Und dann zeigte er auf den verstörten Vater und sprach: "Bringe deinen Sohn her." Und als Jakob den Jungen vor Jesus gebracht hatte, fragte dieser: "Seit wann leidet der Junge in dieser Weise?" Der Vater antwortete: "Seit seiner frühesten Kindheit." Noch während sie sprachen, erlitt der Junge eine heftige Attacke und stürzte in ihrer Mitte zähneknirschend und mit schäumendem Mund zu Boden. Nach einer Reihe heftiger Krämpfe lag er wie ein Toter vor ihnen. Nun kniete der Vater wieder zu Jesu Füßen nieder und flehte den Meister mit den Worten an: "Wenn du ihn heilen kannst, dann bitte ich dich inständig, dich unser zu erbarmen und uns von diesem Leiden zu befreien." Als Jesus diese Worte hörte, blickte er auf das angsterfüllte Gesicht des Vaters nieder und sprach: "Ziehe die Macht der Liebe meines Vaters nicht in Zweifel, nur die Aufrichtigkeit und die Stärke deines Glaubens. Alles ist demjenigen möglich, der wirklich glaubt." Da sprach Jakob von Safed diese aus Glauben und Zweifel gemischten Worte, derer man sich noch lange erinnern wird: "Herr, ich glaube, ich bitte dich, hilf meinem Unglauben." Als Jesus diese Worte hörte, trat er vor, fasste die Hand des Jungen und sagte: "Ich will dies in Übereinstimmung mit meines Vaters Willen und zur Ehre des lebendigen Glaubens tun. Mein Sohn, steh auf! Komm aus ihm heraus, ungehorsamer Geist, und kehre nicht wieder in ihn zurück." Und indem er die Hand des Jungen in die Hand seines Vaters legte, sagte Jesus: "Geht eures Weges. Der Vater hat dem Wunsch eures Herzens entsprochen." Und alle Anwesenden, sogar Jesu Feinde, staunten über das, was sie sahen. Für die drei Apostel, die gerade erst die geistige Ekstase der Szenen und Erlebnisse der Verklärung genossen hatten, war es allerdings ernüchternd, so bald an diesen Schauplatz der Niederlage und Verlegenheit ihrer Apostelbrüder zurückzukehren. Aber so erging es diesen zwölf Botschaftern des Himmelreichs immer. Unfehlbar war ihnen beschieden, im Wechsel Überschwang und Demütigung zu erleben. Es handelte sich in diesem Fall um eine wahre Heilung von einem doppelten Leiden, einer physischen Krankheit und einer Geistesgestörtheit. Und der junge Bursche war von dieser Stunde an für immer geheilt. Als Jakob mit seinem geheilten Sohn weggegangen war, sagte Jesus: "Wir gehen jetzt nach Cäsarea-Philippi; macht euch sofort bereit." Und sie wanderten, eine schweigende Gruppe, südwärts, während der Menschenhaufe ihnen weiter hinten nachfolgte. ***** 158.6 Im Garten von Celsus ***** Sie blieben über Nacht bei Celsus. An diesem Abend versammelten sich die Zwölf, nachdem sie gegessen und sich ausgeruht hatten, im Garten um Jesus, und Thomas sagte: "Meister, wir, die wir zurückblieben, wissen immer noch nicht, was sich oben auf dem Berg abgespielt hat und was unsere Brüder, die bei dir waren, in solche Hochstimmung versetzt hat. Aber da wir einsehen, dass die Dinge, die sich dort zugetragen haben, uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht eröffnet werden können, ist es uns ein großes Anliegen, dass du mit uns über unsere Niederlage sprichst und uns in diesen Dingen Anleitung gibst." Und Jesus antwortete Thomas: "Alles, was eure Brüder auf dem Berg gehört haben, soll euch zu gegebener Zeit enthüllt werden. Aber ich will euch jetzt den Grund eures Misserfolgs bei dem von euch so leichtfertig unternommenen Versuch sagen. Während euer Meister und seine Gefährten, eure Brüder, gestern da drüben auf den Berg gestiegen sind, um einen tieferen Einblick in des Vaters Willen zu gewinnen und um reichere Weisheitssegnungen zu bitten, damit sie diesen göttlichen Willen auch wirksam ausführten, seid ihr als Wachen mit dem Auftrag hier geblieben, alles zu tun, um euch in einen Zustand geistiger Erkenntnis zu versetzen und mit uns für eine vollständigere Offenbarung des väterlichen Willens zu beten. Aber ihr habt versäumt, den Glauben, der euch zu Gebote stand, zu leben und habt stattdessen der Versuchung nachgegeben und seid in eure alten üblen Gewohnheiten zurückgefallen, für euch Vorzugsplätze im Königreich des Himmels zu suchen - dem materiellen und weltlichen Reich, dem ihr hartnäckig nachhängt. Und ihr klammert euch an diese irrigen Auffassungen trotz meiner wiederholten Erklärung, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist. Kaum habt ihr mit eurem Glauben die Identität des Menschensohnes erfasst, beschleicht euch von neuem euer eigennütziges Verlangen nach weltlicher Bevorzugung und verfallt ihr dar-auf, unter euch zu diskutieren, wer von euch wohl der Größte im Königreich des Himmels sein werde, einem Königreich, das es so, wie ihr es euch beharrlich vorstellt, gar nicht gibt und nie geben wird. Habe ich euch denn nicht gesagt, dass, wer im Königreich der geistigen Bruderschaft meines Vaters der Größte sein möchte, in seinen eigenen Augen klein und dadurch zum Diener an seinen Brüdern werden muss? Geistige Größe besteht in einer verstehenden Liebe, die gottähnlich ist, und nicht im Genuss materieller Machtausübung zur Selbsterhöhung. Eure Absicht in dem, was ihr versucht habt und was euch so vollkommen misslungen ist, war nicht rein. Euer Beweggrund war nicht göttlich. Euer Ideal war nicht geistig. Euer Ehrgeiz war nicht altruistisch. Euer Vorgehen beruhte nicht auf Liebe und euer angestrebtes Ziel war nicht der Wille des Vaters im Himmel. "Wie lange braucht ihr noch, um zu lernen, dass man den Lauf der bestehenden natürlichen Phänomene nicht abkürzen kann, es sei denn, diese Dinge stehen im Einklang mit dem Willen des Vaters? Ebenso wenig könnt ihr geistige Werke ohne geistige Macht vollbringen. Und ihr könnt weder das eine noch das andere tun, auch wenn beides potentiell vorhanden ist, ohne die Existenz jenes dritten und wesentlichen menschlichen Faktors, nämlich der persönlichen Erfahrung, einen lebendigen Glauben zu besitzen. Braucht ihr immer materielle Manifestationen als Anreiz für die geistigen Realitäten des Königreichs? Seid ihr nicht in der Lage, die geistige Bedeutung meiner Sendung ohne sichtbare Zurschaustellung ungewöhnlicher Werke zu sehen? Wann wird man sich auf euch verlassen können, dass ihr den höheren und geistigen Realitäten des Königreichs unabhängig von allen äußeren materiellen Manifestationen treu bleibt?" Nachdem Jesus so zu den Zwölfen gesprochen hatte, fügte er hinzu: "Begebt euch jetzt zur Ruhe, denn morgen kehren wir nach Magadan zurück und beraten dort über unsere Mission in den Städten und Dörfern der Dekapolis. Und zum Abschluss der heutigen Erfahrungen lasst mich jedem von euch erklären, was ich auf dem Berg zu euren Brüdern gesprochen habe, und bewahrt diese Worte tief in euren Herzen: Der Menschensohn tritt nun in die letzte Phase seiner Selbsthingabe ein. Wir werden jetzt unmittelbar mit jenen Tätigkeiten beginnen, welche bald zu der großen und endgültigen Prüfung eures Glaubens und eurer Hingabe führen werden, wenn ich in die Hände der Menschen ausgeliefert werde, die mich vernichten wollen. Und merkt euch, was ich euch sage: Der Menschensohn wird getötet werden, aber er wird wieder auferstehen." Sie zogen sich kummervoll für die Nacht zurück. Sie waren bestürzt; sie konnten diese Worte nicht verstehen. Sie hatten Angst, zu dem, was er gesagt hatte, irgendeine Frage zu stellen, aber nach seiner Auferstehung erinnerten sie sich an alles. ***** 158.7 Der Protest des Petrus ***** Am frühen Mittwochmorgen machten sich Jesus und die Zwölf von Cäsarea-Philippi aus auf den Weg zum Hain von Magadan nahe bei Bethsaida-Julias. Die Apostel hatten in dieser Nacht nur wenig geschlafen; also waren sie früh auf und reisefertig. Selbst die unerschütterlichen Alphäus Zwillinge waren tief betroffen durch Jesu Worte über seinen Tod. Auf ihrer Wanderung nach Süden erreichten sie gleich jenseits der Wasser von Merom die Straße von Damaskus. Jesus wusste, dass die Schriftgelehrten und die übrigen sie bald einholen würden, und um das zu vermeiden, entschied er, auf der Straße von Damaskus, die durch Galiläa führte, nach Kapernaum zu gehen. Er tat dies, weil er wusste, dass die ihnen Folgenden die Straße dem östlichen Jordanufer entlang aus der Überlegung heraus wählen würden, dass Jesus und die Apostel sich davor fürchteten, das Gebiet des Herodes Antipas zu durchqueren. Jesus suchte seinen Kritikern und der ihm folgenden Menge zu entrinnen, um an diesem Tag mit seinen Aposteln allein zu sein. Sie zogen weiter durch Galiläa, und die Mittagsstunde war längst vorüber, als sie zur Erfrischung im Schatten anhielten. Nachdem sie ihre Mahlzeit eingenommen hatten, wandte sich Andreas an Jesus und sagte: "Meister, meine Brüder verstehen deine tiefgründigen Worte nicht. Wir sind zu dem vollen Glauben gelangt, dass du der Sohn Gottes bist, und nun hören wir diese seltsamen Worte von Abschied und Tod. Wir verstehen deine Rede nicht. Sprichst du in Gleichnissen zu uns? Wir bitten dich, sprich direkt und in unverhüllter Form zu uns." Jesus gab Andreas zur Antwort: "Meine Brüder, weil ihr euch dazu bekannt habt, dass ich der Sohn Gottes bin, bin ich genötigt, damit zu beginnen, euch die Wahrheit über das Ende der Selbsthingabe des Menschensohnes auf Erden zu eröffnen. Ihr klammert euch beharrlich an den Glauben, ich sei der Messias, und ihr wollt nicht von der Idee ablassen, dass der Messias auf einem Thron in Jerusalem sitzen müsse; deshalb sage ich euch beharrlich, dass der Menschensohn bald nach Jerusalem gehen und dort viel erdulden muss, von den Schriftgelehrten, den Ältesten und Hohenpriestern abgelehnt, schließlich getötet und von den Toten auferweckt werden muss. Und ich sage euch kein Gleichnis; ich sage euch die Wahrheit, damit ihr auf diese Ereignisse vorbereitet seid, wenn sie plötzlich über uns hereinbrechen." Er hatte noch nicht fertig gesprochen, als Simon Petrus ungestüm zu ihm hinstürzte, seine Hand auf des Meisters Schulter legte und sagte: "Meister, es sei fern von uns, mit dir zu streiten, aber ich erkläre, dass diese Dinge dir nie zustoßen werden." Petrus sagte das, weil er Jesus liebte; aber die menschliche Natur des Meisters erkannte in diesen Worten gut gemeinter Zuneigung den subtilen Beeinflussungsversuch, ihn von seiner Linie abzubringen, seine irdische Selbsthingabe dem Willen des Paradies-Vaters gemäß zu Ende zu führen. Und weil er sich der Gefahr bewusst wurde, den Einflüsterungen sogar seiner lieben und treu ergebenen Freunde zu gestatten, ihn umzustimmen, wandte er sich an Petrus und die anderen Apostel mit den Worten: "Geht weg von mir. Ihr riecht nach dem Geist des Widersachers, des Versuchers. Wenn ihr so sprecht, seid ihr nicht auf meiner Seite, sondern auf der Seite unseres Feindes. Auf diese Weise macht ihr eure Liebe für mich zu einem Stolperstein bei der Ausführung des Willens des Vaters. Kümmert euch nicht um die Wege der Menschen, sondern einzig um den Willen Gottes." Nachdem sie sich vom ersten Schock über Jesu scharfen Tadel erholt hatten, und bevor sie sich wieder auf den Weg machten, sagte Jesus noch Folgendes: "Wenn jemand mir nachfolgen will, soll er von sich selbst absehen, täglich seiner Verantwortung nachkommen und mir folgen. Denn wer sein Leben eigennützig retten möchte, wird es verlieren, aber wer sein Leben um meiner und des Evangeliums willen verliert, wird es retten. Was nützt es einem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und dabei seine Seele zu verlieren? Was könnte ein Mensch im Austausch gegen das ewige Leben geben? Schämt euch meiner und meiner Worte nicht in dieser sündigen und heuchlerischen Generation, so wie auch ich mich nicht schämen werde, euch anzuerkennen, wenn ich in Gegenwart aller himmlischen Heerscharen verherrlicht vor meinen Vater treten werde. Trotzdem werden manche von euch, die hier vor mir stehen, nicht sterben, bevor ihr dieses Reich Gottes mit Macht kommen seht." Klar zeigte Jesus den Zwölfen den schmerzlichen und konfliktreichen Pfad, den sie beschreiten mussten, wenn sie ihm folgen wollten. Welch ein Schock waren seine Worte für diese galiläischen Fischer, die an ihrem Traum von einem irdischen Königreich mit Ehrenplätzen für sich selber festhielten! Aber ihre treuen Herzen wurden durch diesen mutigen Appell stark berührt und keiner von ihnen dachte daran, Jesus zu verlassen. Jesus schickte sie nicht allein in den Konflikt; er führte sie an. Er forderte nur, dass sie ihm tapfer folgten. Langsam erfassten die Zwölf den Gedanken, dass Jesus zu ihnen von der Möglichkeit seines Sterbens sprach. Sie verstanden nur vage, was er über seinen Tod sagte, während seine Äußerung über die Auferstehung von den Toten von ihnen überhaupt nicht bewusst registriert wurde. Im Laufe der folgenden Tage gelangten Petrus, Jakobus und Johannes durch das Überdenken ihres Erlebnisses auf dem Berg der Verklärung zu einem besseren Verständnis mancher dieser Dinge. Während des ganzen Zusammenseins der Zwölf mit ihrem Meister kam es nur einige wenige Male vor, dass sie dieses blitzende Auge sahen und so jähe Worte des Tadels vernahmen, wie sie bei dieser Gelegenheit an Petrus und die übrigen gerichtet wurden. Jesus war mit ihren menschlichen Unzulänglichkeiten immer geduldig gewesen, nicht aber angesichts einer unmittelbaren Bedrohung seines Programms bedingungsloser Ausführung des väterlichen Willens, den Rest seiner irdischen Laufbahn betreffend. Die Apostel waren buchstäblich wie betäubt; sie waren überrascht und entsetzt. Sie fanden keine Worte, um ihren Kummer auszudrücken. Allmählich begannen sie zu erkennen, was der Meister zu erdulden hatte, und dass sie mit ihm durch diese Prüfungen gehen mussten, aber erst lange nach diesen frühen Andeutungen über die bevorstehende Tragödie seiner letzten Tage erwachten sie zur Realität der kommenden Ereignisse. Schweigend machten sich Jesus und die Zwölf auf den Weg über Kapernaum nach ihrem Lager im Hain von Magadan. Während der Nachmittag sich dahinschleppte, redeten sie zwar nicht mit Jesus, sprachen aber viel miteinander, indessen Andreas sich mit dem Meister unterhielt. ***** 158.8 Im Hause des Petrus ***** Sie betraten Kapernaum zur Dämmerstunde und begaben sich auf unbegangenen Verbindungsgassen direkt zum Haus von Simon Petrus zum Abendessen. Während David Zebedäus Vorbereitungen traf, um sie über den See zu befördern, warteten sie in Simons Haus, und Jesus fragte mit einem Blick auf Petrus und die anderen Apostel: "Was habt ihr heute Nachmittag unterwegs so ernsthaft miteinander besprochen?" Die Apostel verhielten sich still, weil viele von ihnen die am Berg Hermon begonnene Diskussion darüber fortgesetzt hatten, welche Positionen ihnen im kommenden Königreich zukommen würden, welcher von ihnen der Größte sein würde, und so fort. Jesus, der wusste, womit ihre Gedanken an diesem Tage beschäftigt waren, winkte eines von Petrus' kleinen Kindern heran, setzte es in ihre Mitte und sagte: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und mehr wie dieses Kind werdet, werdet ihr im Königreich des Himmels nur geringe Fortschritte machen. Wer immer sich demütigt und wie dieses kleine Kind wird, der soll im Königreich der Größte werden. Und wer immer so ein Kleines aufnimmt, der nimmt mich auf. Und wer mich aufnimmt, nimmt auch Den auf, der mich gesandt hat. Wenn ihr im Königreich die Ersten sein möchtet, dann trachtet danach, euren Menschenbrüdern diese guten Wahrheiten zu bringen. Aber wer immer eines dieser Kleinen ins Stolpern bringt, dem geschähe besser, man hinge ihm einen Mühlstein um den Hals und würfe ihn ins Meer. Wenn die Dinge, die ihr mit euren Händen tut oder die Dinge, die ihr mit euren Augen seht, euren Fortschritt im Königreich stören, dann opfert diese euch teuren Idole; denn es ist besser, das Königreich ohne die viel begehrten Dinge des Lebens zu betreten, als euch an diese Idole zu klammern und vom Königreich ausgeschlossen zu finden. Aber seht vor allem zu, nicht eines dieser Kleinen gering zu achten, denn ihre Engel schauen stets die himmlischen Heerscharen." Als Jesus zu Ende gesprochen hatte, bestiegen sie das Boot und segelten nach Magadan hinüber. ****** Kapitel 159 Die Reise durch die Dekapolis ****** ALS Jesus und die Zwölf im Hain von Magadan eintrafen, erwartete sie eine fast hundertköpfige Evangelisten- und Jüngerschar einschließlich des Frauenkorps, und sie waren bereit, sofort die Lehr- und Predigtreise durch die Städte der Dekapolis anzutreten. An diesem Donnerstagmorgen, dem 18. August, rief der Meister seine Anhänger zusammen und bestimmte, dass sich jeder Apostel mit einem der zwölf Evangelisten zusammentun sollte, um sich dann mit weiteren Evangelisten in zwölf Gruppen zur Arbeit in die Städte und Dörfer der Dekapolis aufzumachen. Das Frauenkorps und andere Jünger wies er an, bei ihm zu bleiben. Jesus legte die Dauer der Reise auf vier Wochen fest und beauftragte seine Anhänger, nicht später als am Freitag, dem 16. September, nach Magadan zurückzukehren. Er versprach, sie während dieser Zeit oft zu besuchen. Im Laufe dieses Monats arbeiteten die zwölf Gruppen in Gerasa, Gamala, Hippos, Zaphon, Gadara, Abila, Edrei, Philadelphia, Hesbon, Dium, Skythopolis und in vielen anderen Städten. Während dieser Reise geschahen weder Wunderheilungen noch andere außerordentliche Ereignisse. ***** 159.1 Die Predigt über die Vergebung ***** In Beantwortung der Frage eines Jüngers lehrte Jesus in Hippos eines Abends über die Vergebung. Der Meister sagte: "Wenn ein gutherziger Mann hundert Schafe besitzt und sich eines von ihnen verirrt, verlässt er dann nicht sofort die neunundneunzig und macht sich auf die Suche nach dem einen, das sich verlaufen hat? Und wenn er ein guter Hirte ist, wird er dann nicht so lange nach seinem verlorenen Schaf suchen, bis er es findet? Und wenn der Hirte sein verlorenes Schaf gefunden hat, legt er es über seine Schulter und kehrt freudig nach Hause zurück und ruft Freunden und Nachbarn zu: `Freut euch mit mir, denn ich habe mein verlorenes Schaf wieder gefunden.' Ich erkläre, dass im Himmel mehr Freude herrscht über einen einzigen reuigen Sünder als über neunundneunzig rechtschaffene Personen, die nichts zu bereuen haben. Desgleichen ist es nicht meines himmlischen Vaters Wille, dass eines dieser Kleinen auf Abwege gerate, und noch viel weniger, dass es umkomme. In eurer Religion mag Gott reuige Sünder annehmen; im Evangelium vom Königreich geht der Vater auf die Suche nach ihnen, noch bevor sie ernsthaft an Reue gedacht haben. "Der Vater im Himmel liebt seine Kinder, und deshalb solltet ihr lernen, einander zu lieben; der Vater im Himmel vergibt euch eure Sünden, deshalb solltet ihr lernen, einander zu vergeben. Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh zu ihm und zeige ihm mit Takt und Geduld sein Verschulden. Und verhandle das nur zwischen euch beiden. Wenn er auf dich hören will, dann hast du deinen Bruder gewonnen. Aber wenn dein Bruder nicht auf dich hören will und auf seinem irrigen Weg weiter schreitet, dann suche ihn wiederum auf, aber diesmal mit einem oder zwei gemeinsamen Freunden, um zwei oder gar drei Zeugen zu haben, die deine Aussagen bestätigen und feststellen können, dass du an deinem Bruder, der dich beleidigt hat, gerecht und barmherzig gehandelt hast. Wenn er sich nun weigert, auf deine Brüder zu hören, kannst du die ganze Angelegenheit vor die Gemeinschaft bringen. Wenn er sich dann weigert, auf die Bruderschaft zu hören, soll diese eine ihr weise erscheinende Maßnahme ergreifen; solch ein aufsässiges Mitglied soll aus dem Königreich ausgeschlossen werden. Zwar dürft ihr euch nicht anmaßen, über die Seelen eurer Mitmenschen zu Gericht sitzen oder Sünden vergeben zu wollen oder euch anderswie anzumaßen, die Vorrechte der Leiter der himmlischen Heerscharen zu usurpieren; gleichwohl ist die Aufrechterhaltung der weltlichen Ordnung im irdischen Königreich in eure Hände gelegt worden. Obwohl ihr euch nicht in die göttlichen, das ewige Leben betreffenden Verfügungen einmischen dürft, müsst ihr Verhaltensprobleme regeln, die das weltliche Wohlergehen der Bruderschaft auf Erden angehen. Und so wird alles, was ihr in Verbindung mit disziplinarischen Angelegenheiten der Bruderschaft auf Erden beschließt, im Himmel anerkannt werden. Ihr könnt zwar das ewige Schicksal des Einzelnen nicht bestimmen, aber ihr könnt bezüglich des Verhaltens in der Gruppe Gesetze erlassen; denn, wenn zwei oder drei von euch in irgendeiner dieser Fragen miteinander übereinstimmen und sich an mich wenden, soll euch eure Bitte gewährt werden, wenn sie mit dem Willen des Vaters im Himmel nicht unvereinbar ist. Und all das ist auf ewig wahr, denn wo zwei oder drei Gläubige zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen." Simon Petrus war der Apostel, der die Verantwortung für die in Hippos Arbeitenden trug, und als er Jesus so sprechen hörte, fragte er: "Herr, wie oft soll ich meinem Bruder, der gegen mich sündigt, verzeihen? Siebenmal?" Und Jesus antwortete Petrus: "Nicht nur siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. Deshalb kann das Königreich des Himmels mit einem König verglichen werden, der seinen Verwaltern eine Überprüfung der Finanzen befahl. Und als diese mit der Durchsicht der Abrechnungen begonnen hatten, wurde einer seiner wichtigsten Gefolgsleute vor den König geführt, und er gestand, dass er ihm zehntausend Talente schuldete. Dieser Hofbeamte brachte zu seiner Verteidigung vor, dass er schwere Zeiten durchgemacht und nichts habe, womit er diese Schuld begleichen könnte. Da befahl der König, seinen Besitz zu beschlagnahmen und seine Kinder zu verkaufen, um seine Schulden zu bezahlen. Als der Hauptverwalter dieses harte Urteil vernahm, fiel er vor dem König nieder und flehte ihn an, sich seiner zu erbarmen und ihm Aufschub zu gewähren, und sprach: `Herr, habe noch ein wenig Geduld mit mir, und ich werde dir alles bezahlen.' Und als der König diesen nachlässigen Diener und seine Familie ansah, regte sich Mitleid in ihm. Er ordnete an, ihn freizugeben und ihm die ganze geliehene Summe zu erlassen. "Und nachdem der oberste Verwalter vom König solcherart Barmherzigkeit und Vergebung empfangen hatte, ging er an seine Geschäfte, und als er auf einen seiner untergeordneten Verwalter traf, der ihm lediglich hundert Denare schuldete, hielt er ihn fest, packte ihn an der Gurgel und sagte: `Bezahle mir alles, was du mir schuldest'. Da fiel der Mitverwalter vor dem Hauptverwalter zu Boden und bat ihn inständig mit den Worten: `Hab nur Geduld mit mir, und ich werde bald imstande sein, dir alles zu bezahlen.' Aber der Hauptverwalter war nicht gewillt, gegen seinen Mitverwalter Milde walten zu lassen, sondern ließ ihn bis zur Tilgung seiner Schulden ins Gefängnis werfen. Als seine Mitdiener sahen, was geschehen war, waren sie so bekümmert, dass sie zu ihrem Herrn und Meister, dem König, gingen und es ihm erzählten. Als der König vom Tun seines Hauptverwalters erfuhr, rief er den undankbaren und hartherzigen Mann zu sich und sprach: `Du bist ein bösartiger und nichtswürdiger Verwalter. Als du mein Mitgefühl anriefst, erließ ich dir großzügig deine sämtlichen Schulden. Warum hast du dich deines Mitverwalters nicht ebenso erbarmt, wie ich mich deiner erbarmt habe?' Und der König war derart erzürnt, dass er seinen undankbaren Hauptverwalter den Gefängniswärtern übergab, damit sie ihn in Gewahrsam hielten, bis er all seine Schulden abbezahlt hätte. Und ebenso wird auch mein himmlischer Vater in umso reicherem Maße an jenen Barmherzigkeit üben, die sich uneingeschränkt ihrer Mitmenschen erbarmen. Wie könnt ihr es wagen, vor Gott zu treten und um Milde für eure Fehler zu bitten, während ihr doch gewöhnlich eure Brüder straft, wenn sie sich ebendieser menschlichen Schwächen schuldig machen? Zu euch allen sage ich: Ihr habt die guten Dinge des Königreichs reichlich empfangen; deshalb gebt auch euren Brüdern auf Erden reichlich." Damit zeigte Jesus die Gefahren auf und veranschaulichte die Ungerechtigkeit, über seine Mitmenschen persönlich zu Gericht zu sitzen. Disziplin muss aufrechterhalten und Recht muss gesprochen werden, aber in all diesen Angelegenheiten sollte die Weisheit der Bruderschaft ausschlaggebend sein. Jesus übertrug die gesetzgeberische und gerichtliche Vollmacht der Gruppe, und nicht dem Individuum. Aber auch diese auf die Gruppe übertragene Autorität darf nicht als persönliche Autorität ausgeübt werden. Es besteht immer die Gefahr, dass Vorurteil oder Leidenschaft das Urteil eines Einzelnen beeinflussen und verzerren. Ein Gruppenurteil macht es wahrscheinlicher, dass die Gefahren und Ungerechtigkeiten persönlicher Befangenheit ausgeschaltet werden. Jesus ging es immer darum, die Faktoren Ungerechtigkeit, Vergeltung und Rache auf ein Minimum zu beschränken. [Der Gebrauch der Zahl siebenundsiebzig zur Illustration von Barmherzigkeit und Nachsicht ist aus der Schrift abgeleitet und bezieht sich auf Lamechs Jubel über die metallenen Waffen seines Sohnes Tubal-Kain, der, als er diese überlegenen Werkzeuge mit denen seiner Feinde verglich, ausrief: "Wenn Kain ohne Waffen in seiner Hand siebenmal gerächt worden ist, werde ich nun siebenundsiebzigmal gerächt werden."] ***** 159.2 Der fremde Prediger ***** Jesus ging nach Gamala hinüber, um dort Johannes und seine Mitarbeiter zu besuchen. An jenem Abend sagte Johannes nach der Frage- und Antwortstunde zu Jesus: "Meister, gestern bin ich nach Aschtaroth hinübergegangen, um einen Mann zu sehen, der in deinem Namen lehrt und sogar behauptet, er könne Teufel austreiben. Nun war dieser Bursche weder jemals bei uns, noch folgte er uns nach; ich habe ihm deshalb verboten, solche Dinge zu tun." Da sagte Jesus: "Verbiete es ihm nicht. Erkennst du nicht, dass dieses Evangelium vom Königreich bald auf der ganzen Welt verkündet werden wird? Wie kannst du erwarten, dass sich alle, die an das Evangelium glauben, deinen Weisungen beugen werden? Freue dich darüber, dass unsere Lehre bereits begonnen hat, sich außerhalb unseres persönlichen Einflussbereiches zu manifestieren. Siehst du nicht, Johannes, dass die, welche beteuern, in meinem Namen große Dinge zu tun, schließlich unsere Sache unterstützen müssen? Sie werden bestimmt nicht so bald Übles über mich reden. Mein Sohn, in solchen Angelegenheiten solltest du dir eher überlegen, dass wer nicht gegen uns ist, für uns ist. In den kommenden Generationen werden viele nicht ganz ehrenwerte Menschen in meinem Namen viele seltsame Dinge tun, aber ich werde es ihnen nicht verbieten. Ich sage dir, sogar wenn einer durstigen Seele eine Schale kalten Wassers gereicht wird, vermerken die Boten des Vaters immer einen solchen Liebesdienst." Diese Belehrung verwirrte Johannes sehr. Hatte er den Meister nicht sagen hören: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich?" Er begriff nicht, dass Jesus damals auf des Menschen persönliche Beziehung zu den geistigen Lehren vom Königreich angespielt hatte, während er diesmal die äußeren, weit verzweigten Beziehungen der Gläubigen untereinander meinte, soweit es um Fragen administrativer Kontrolle ging und um die Zuständigkeit einer Gruppe von Gläubigen für die Arbeit von anderen Gruppen, die schließlich alle die bevorstehende, weltweite Bruderschaft bilden würden. Aber Johannes erzählte diese Begebenheit oft während seiner späteren Arbeit für das Königreich. Trotzdem nahmen die Apostel viele Male an denen Anstoß, die sich erkühnten, in des Meisters Namen zu lehren. Es schien ihnen immer unangemessen, wenn Leute, die nie zu Jesu Füßen gesessen hatten, sich erdreisteten, in seinem Namen zu lehren. Jener Mann, dem Johannes verboten hatte, in Jesu Namen zu lehren und zu wirken, kümmerte sich aber nicht um den ausdrücklichen Befehl des Apostels. Er setzte seine Tätigkeit unbeirrt fort und brachte in Kanata eine ansehnliche Zahl Menschen zum Glauben, bevor er nach Mesopotamien weiterzog. Dieser Mann namens Aden hatte an Jesus zu glauben begonnen aufgrund des Zeugnisses des Rasenden, den Jesus in der Nähe von Kherasa geheilt hatte und der so fest daran glaubte, dass die angeblichen bösen Geister, die der Meister aus ihm verjagt hatte, in die Schweineherde gefahren seien und diese über die Klippe kopfüber in den Tod gestürzt hätten. ***** 159.3 Unterweisung für Lehrer und Gläubige ***** In Edrei, wo Thomas und seine Gefährten wirkten, brachte Jesus einen Tag und eine Nacht zu und legte in der abendlichen Diskussion die Prinzipien dar, die die Prediger der Wahrheit leiten und all jene aktivieren sollten, die das Evangelium vom Königreich lehren. Zusammengefasst und in moderne Ausdrucksweise übertragen, lehrte Jesus Folgendes : Respektiert immer die Persönlichkeit des Menschen. Nie sollte eine gerechte Sache mit Gewalt vorangetrieben werden; geistige Siege können nur durch geistige Macht errungen werden. Dieses ausdrückliche Verbot der Anwendung materieller Beeinflussungen betrifft sowohl psychische wie physische Kraft. Man darf weder überwältigende Argumente noch intellektuelle Überlegenheit einsetzen, um Männer und Frauen ins Königreich hineinzuzwingen. Der Verstand des Menschen soll nicht durch das bloße Gewicht der Logik erdrückt oder durch scharfsinnige Beredsamkeit überwältigt werden. Emotion kann als Faktor bei menschlichen Entscheidungen nicht ganz ausgeschaltet werden, aber diejenigen, welche die Sache des Königreichs fördern wollen, sollten sich in ihrer Unterweisung nie direkt an sie wenden. Appelliert direkt an den göttlichen Geist, der im Verstand der Menschen wohnt. Appelliert nicht an Furcht, Mitleid oder nur an das Gefühl. Seid fair in eurem Appell an die Menschen; übt Selbstbeherrschung und legt angemessene Zurückhaltung an den Tag; zeigt gebührenden Respekt vor der Persönlichkeit eurer Schüler. Erinnert euch, dass ich gesagt habe: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an, und wenn jemand mir öffnen will, werde ich hereinkommen." Wenn ihr Menschen ins Königreich führt, dann mindert oder zerstört nicht ihre Selbstachtung. Während ein Zuviel an Selbstachtung angemessene Demut zerstören und in Stolz, Dünkel und Arroganz ausarten kann, endet ein Verlust der Selbstachtung oft mit der Lähmung des Willens. Ziel dieses Evangeliums ist es, die Selbstachtung in jenen wiederherzustellen, die sie verloren haben, und sie in jenen zu dämpfen, die sie besitzen. Macht nicht den Fehler, nur das Unrecht im Leben eurer Schüler zu verurteilen; denkt auch daran, den lobenswertesten Dingen in ihrem Leben großzügig Anerkennung zu zollen. Vergesst nicht, dass nichts mich aufhalten kann, die Selbstachtung derer wiederherzustellen, die sie verloren haben und wirklich wünschen, sie wiederzuerlangen. Seht zu, dass ihr schüchterne und ängstliche Seelen in ihrer Selbstachtung nicht verletzt. Lasst euch nicht zu Sarkasmen auf Kosten meiner einfachen Brüder verleiten. Seid nicht zynisch gegen meine verängstigten Kinder. Müßiggang zerstört die Selbstachtung; ermahnt deshalb eure Brüder, immer ihren gewählten Tätigkeiten nachzugehen, und scheut keine Anstrengung, um denen, die ohne Beschäftigung sind, zu Arbeit zu verhelfen. Macht euch nie solch unwürdiger Taktiken wie des Versuchs schuldig, Männer und Frauen Schrecken einzujagen, um sie ins Königreich zu treiben. Ein liebender Vater erschreckt seine Kinder nicht, damit sie seinen gerechten Forderungen nachkommen. Manchmal werden sich die Kinder des Königreichs bewusst, dass starke Gefühlsregungen nicht dasselbe sind wie die Führung durch den göttlichen Geist. Der heftige und seltsame Drang, etwas zu tun oder sich an einen bestimmten Ort zu begeben, bedeutet nicht notwendigerweise, dass solche Impulse Weisungen des innewohnenden Geistes sind. Macht alle Gläubigen im Voraus auf die Konfliktzone aufmerksam, die all jene durchschreiten müssen, die vom im Fleisch gelebten Leben zum höheren, im Geist gelebten Leben übergehen. Für diejenigen, die ganz und gar in einem der beiden Bereiche leben, gibt es kaum Konflikte und Verwirrung, aber während der Übergangszeit zwischen den beiden Daseinsebenen sind alle dazu verurteilt, eine mehr oder weniger große Ungewissheit durchzumachen. Wenn ihr in das Königreich eintretet, könnt ihr seinen Verantwortungen nicht entgehen oder seinen Verpflichtungen ausweichen. Aber denkt daran: Das Joch des Evangeliums ist leicht und die Bürde der Wahrheit drückt nicht. Die Welt ist voll hungriger Seelen, die selbst in Gegenwart des Brotes des Lebens hungern; die Menschen sterben auf der Suche nach ebendem Gott, der in ihnen selber lebt. Die Menschen suchen mit sehnsuchtsvollem Herzen und müden Füßen nach den Schätzen des Königreichs, die doch dem lebendigen Glauben unmittelbar zugänglich sind. Der Glaube ist der Religion, was die Segel dem Schiff; er ist eine zusätzliche Kraft, nicht eine zusätzliche Lebensbürde. Für diejenigen, die das Königreich betreten, gibt es nur einen Kampf: Sie müssen den guten Kampf des Glaubens kämpfen. Der Glaubende hat nur eine Schlacht zu liefern, nämlich gegen den Zweifel - den Unglauben. Wenn ihr das Evangelium vom Königreich predigt, lehrt ihr ganz einfach die Freundschaft mit Gott. Und diese Gemeinschaft wird auf Männer und Frauen die gleiche Anziehungskraft ausüben, weil beide darin finden werden, was ihre typischen Sehnsüchte und Ideale im wahrsten Sinne befriedigt. Sagt meinen Kindern, dass mich ihre Gefühle bewegen und ich mit ihren Schwächen Geduld habe, dass ich aber auch ohne Nachsicht gegenüber Sünde bin und Frevelhaftigkeit nicht dulde. Ich bin freilich sanft und demütig in Gegenwart meines Vaters, aber ich bin ebenso schonungslos und unerbittlich gegenüber vorsätzlichen Missetaten und sündiger Auflehnung gegen den Willen meines Vaters im Himmel. Ihr sollt euren Lehrer nicht als einen Schmerzensmann darstellen. Künftige Generationen werden auch das Strahlende unserer Freude, die belebende Wirkung unseres guten Willens und die Inspiration unseres fröhlichen Wesens kennen lernen. Wir verkünden eine Botschaft guter Nachrichten, die durch ihre verwandelnde Kraft ansteckend wirkt. Unsere Religion pulsiert vor neuem Leben und neuen Bedeutungen. Wer diese Lehre annimmt, wird mit Freude erfüllt und im Grunde seines Herzens gezwungen, sich ewig zu freuen. Zunehmendes Glücksgefühl ist stets die Erfahrung aller, die Gewissheit über Gott haben. Lehrt alle Gläubigen, sich davor zu hüten, sich auf den unsicheren Halt falschen Mitleids zu verlassen. Wer sich dem Selbstmitleid überlässt, kann keinen starken Charakter entwickeln. Gebt euch ehrlich Mühe, den trügerischen Einfluss einer Brüderlichkeit zu meiden, die nur auf Elend anspricht. Bezieht auch die Tapferen und Mutigen in euer Mitgefühl ein, aber versagt jenen feigen Seelen allzu viel Mitleid, die sich den Herausforderungen des Lebens nur halbherzig stellen. Schenkt denen keinen Trost, die angesichts ihrer Schwierigkeiten kampflos aufgeben. Bringt euren Mitmenschen nicht bloß Sympathie entgegen, damit sie euch ihrerseits wiederum Sympathie bezeigen. Wenn sich meine Kinder einmal mit Sicherheit der göttlichen Gegenwart bewusst werden, wird dieses Vertrauen den Verstand weiten, die Seele adeln, die Persönlichkeit stärken, die Zufriedenheit steigern, die geistige Schau vertiefen und die Kraft, zu lieben und geliebt zu werden, vergrößern. Lehrt alle Gläubigen, dass, wer ins Königreich eintritt, dadurch nicht vor den Missgeschicken der Zeit oder vor gewöhnlichen Naturkatastrophen bewahrt wird. Der Glaube an das Evangelium wird nicht verhindern, in Schwierigkeiten zu geraten, aber er wird sicherstellen, dass ihr unerschrocken sein werdet, wenn Schwierigkeiten euch überraschen. So ihr es wagt, an mich zu glauben und mir weiter vorbehaltlos nachzufolgen, werdet ihr euch dadurch mit größter Bestimmtheit auf den sicheren Weg zu Schwierigkeiten begeben. Ich verspreche euch nicht, euch aus den Fluten des Unglücks zu ziehen, aber ich verspreche euch, mit euch durch sie hindurchzugehen. Und noch vieles mehr lehrte Jesus die Schar der Gläubigen, bevor sie sich zur Nachtruhe begaben. Und diejenigen, die seine Worte gehört hatten, bewahrten sie in ihren Herzen und erzählten sie oft zur Erbauung jener Apostel und Jünger, die abwesend waren, als sie gesprochen wurden. ***** 159.4 Das Gespräch mit Nathanael ***** Und dann begab sich Jesus nach Abila, wo Nathanael mit seinen Gefährten arbeitete. Nathanael war stark beunruhigt durch gewisse Äußerungen Jesu, die die Autorität der anerkannten hebräischen Schriften anzutasten schienen. Deshalb nahm er an diesem Abend Jesus nach der üblichen Frage- und Antwortstunde beiseite und fragte ihn: "Meister, hast du genug Vertrauen zu mir, um mich die Wahrheit über die Schriften wissen zu lassen? Ich beobachte, dass du uns nur einen Teil - und meiner Ansicht nach den besten - der heiligen Schriften lehrst, und ich folgere daraus, dass du die Lehre der Rabbiner ablehnst, nach welcher die Worte des Gesetzes die Worte Gottes selber sind und schon vor den Zeiten Abrahams und Moses bei Gott im Himmel gewesen sind. Welches ist die Wahrheit über die Schriften?" Auf die Frage seines bedrängten Apostels antwortete Jesus: "Nathanael, du hast richtig geurteilt; ich sehe die Schriften nicht so wie die Rabbiner. Ich will gerne mit dir über diese Frage reden unter der Bedingung, dass du deinen Brüdern nichts darüber mitteilst; denn nicht alle von ihnen sind bereit, eine solche Betrachtungsweise anzunehmen. Die Worte des Gesetzes von Moses und die Lehren der Schriften existierten nicht vor Abraham. Erst in jüngster Vergangenheit sind die Schriften in ihrer heutigen Form zusammengestellt worden. Sie enthalten zwar das Beste der höheren Gedanken und Sehnsüchte des jüdischen Volkes, aber sie enthalten auch vieles, was weit davon entfernt ist, für den Charakter und die Lehren des himmlischen Vaters repräsentativ zu sein; deshalb muss ich aus den besseren Lehren jene Wahrheiten auswählen, die sich für das Evangelium vom Königreich eignen. Die Schriften sind das Werk von Menschen, von denen einige heilig, andere weniger heilig waren. Die Lehren dieser Bücher repräsentieren die Ansichten und den Grad der Aufgeklärtheit der Zeit, in der sie entstanden sind. Als eine Offenbarung der Wahrheit sind die letzten verlässlicher als die ersten. Die Schriften sind fehlerhaft und haben einen gänzlich menschlichen Ursprung, aber täusche dich nicht: sie bilden die beste Sammlung religiöser Weisheit und geistiger Wahrheit, die man gegenwärtig auf der ganzen Welt finden kann. Viele dieser Bücher sind nicht von den Personen geschrieben worden, deren Namen sie tragen, aber das tut dem Wert der Wahrheiten, die sie enthalten, keinen Abbruch. Wenn die Geschichte Jonas nicht auf Tatsachen beruhen sollte, und selbst wenn Jona nie gelebt hätte, wäre doch die tiefe Wahrheit dieser Geschichte, die Liebe Gottes zu Ninive und den so genannten Heiden, in den Augen derer, die ihre Mitmenschen lieben, nicht weniger kostbar. Die Schriften sind heilig, weil sie Gedanken und Handlungen von Menschen wiedergeben, die auf der Suche nach Gott waren, und die in diesen Aufzeichnungen ihre höchsten Vorstellungen von Rechtschaffenheit, Wahrheit und Heiligkeit festgehalten haben. Die Schriften enthalten viel, sehr viel Wahres, aber du weißt, dass sie im Lichte deiner jetzigen Unterweisung auch vieles enthalten, was ein falsches Bild vom Vater im Himmel gibt, dem liebenden Gott, den allen Welten zu offenbaren ich gekommen bin. Nathanael, erlaube dir nie auch nur für einen Augenblick, den Berichten der Schriften Glauben zu schenken, welche dir sagen, dass der Gott der Liebe eure Vorväter anwies, sich in den Kampf zu stürzen, um alle ihre Feinde - Männer, Frauen und Kinder - zu ermorden. Solche Aufzeichnungen sind Worte von Menschen, von nicht sehr heiligen Menschen, und sie sind nicht Gottes Wort. Die Schriften haben stets die intellektuelle, sittliche und geistige Stufe ihrer Verfasser widergespiegelt und werden es immer tun. Hast du nicht bemerkt, dass die Vorstellung von Jahwe in den Aufzeichnungen der Propheten von Samuel bis Jesaja stetig an Schönheit und Herrlichkeit gewinnt? Und du solltest dich daran erinnern, dass die Schriften als religiöse Belehrung und geistige Führung gedacht sind. Sie sind weder das Werk von Historikern noch von Philosophen. Das Betrüblichste ist nicht einmal diese irrige Idee von der absoluten Vollkommenheit dessen, was die Schriften berichten, und von der Unfehlbarkeit ihrer Lehren, sondern vielmehr die verwirrende Falschinterpretation dieser geheiligten Schriften durch die sklavisch der Tradition gehorchenden Schriftgelehrten und Pharisäer in Jerusalem. Und nun wollen sie sowohl die Lehre von der göttlichen Inspiration der Schriften als auch ihre falsche Auslegung derselben für ihren entschlossenen Widerstand gegen diese neueren Lehren des Evangeliums vom Königreich verwenden. Vergiss nie, Nathanael, dass der Vater die Offenbarung der Wahrheit nicht auf eine Generation oder auf irgendein Volk beschränkt. Viele ernsthafte Wahrheitssucher sind durch diese Lehre von der Vollkommenheit der Schriften verwirrt und entmutigt worden, und werden es auch in Zukunft sein. Die Autorität der Wahrheit liegt im Geist selber, der seinen lebendigen Erscheinungsformen innewohnt, und nicht in den toten Worten der weniger erleuchteten und angeblich inspirierten Menschen einer früheren Generation. Und selbst wenn diese heiligen Menschen von einst ein inspiriertes und geisterfülltes Dasein lebten, muss das nicht bedeuten, dass ihre Worte ebenso sehr vom Geist inspiriert waren. Wir halten heute die Lehren des Evangeliums vom Königreich nicht schriftlich fest, damit ihr euch nach meinem Fortgang nicht sofort in Einzelgruppen aufspaltet, die sich über die Wahrheit streiten, weil ihr meine Lehren verschieden auslegt. Für diese Generation ist es am besten, dass wir die Wahrheiten leben und Aufzeichnungen vermeiden. Merke dir meine Worte gut, Nathanael! Nichts, woran menschliche Natur gerührt hat, kann als unfehlbar betrachtet werden. Göttliche Wahrheit kann in der Tat durch den Verstand des Menschen hindurch scheinen, aber immer nur in relativer Reinheit und teilweiser Göttlichkeit. Das Geschöpf kann Unfehlbarkeit ersehnen, aber nur die Schöpfer besitzen sie. Aber der größte Irrtum in der Lehre über die Schriften besteht in der Auffassung, sie seien versiegelte Mysterien- und Weisheitsbücher, deren Auslegung nur die weisen Köpfe der Nation wagen dürften. Die Offenbarungen göttlicher Wahrheit sind nicht versiegelt, es sei denn durch menschliche Unwissenheit, Frömmelei und engstirnige Intoleranz. Das Licht der Schriften wird einzig durch Vorurteile getrübt und durch Aberglauben verdunkelt. Falsche Ehrfurcht vor dem Heiligen hat der Religion den Schutz durch den gesunden Menschenverstand genommen. Die Furcht vor der Autorität der geheiligten Schriften der Vergangenheit verhindert die aufrichtigen Seelen von heute wirksam daran, das neue Licht des Evangeliums anzunehmen, gerade das Licht, das diese Gott kennenden Menschen früherer Generationen so sehnlichst schauen wollten. "Aber das Traurigste an alledem ist die Tatsache, dass einige von den Lehrern, die den Traditionalismus als heilig betrachten, diese Wahrheit sehr wohl kennen. Sie verstehen diese Begrenzungen der Schrift mehr oder weniger gut, aber sie sind moralisch feige und intellektuell unehrlich. Sie kennen die Wahrheit über die heiligen Schriften, aber sie ziehen es vor, dem Volk derart störende Tatsachen zu verschweigen. Und auf diese Weise pervertieren und verdrehen sie die Schriften und machen aus ihnen einen Leitfaden für sklavisch zu befolgende Einzelheiten des täglichen Lebens und eine Autorität auf nichtgeistigem Gebiet, anstatt sich auf die heiligen Bücher als einen Hort sittlicher Weisheit, religiöser Inspiration und geistiger Unterweisung von Gott kennenden Menschen früherer Generationen zu berufen." Die Äußerungen des Meisters klärten Nathanael auf; zugleich schockierten sie ihn. Er sann in der Tiefe seiner Seele lange über diese Worte nach, aber er erzählte niemandem von dieser Besprechung bis nach Jesu Himmelfahrt; und auch dann noch fürchtete er, die Ausführungen des Meisters in ihrer Gesamtheit mitzuteilen. ***** 159.5 Die positive Natur der Religion Jesu ***** In Philadelphia, wo Jakobus arbeitete, belehrte Jesus die Jünger über die positive Natur des Evangeliums vom Königreich. Als er im Laufe seiner Ausführungen die Andeutung machte, dass gewisse Schriftstellen mehr Wahrheit enthielten als andere, und seine Hörer ermahnte, ihren Seelen nur die beste geistige Nahrung zu geben, unterbrach Jakobus den Meister mit der Frage: "Wärest du so gut, Meister, uns einen Vorschlag zu machen, wie wir die besseren Schriftstellen für unsere persönliche Erbauung auswählen sollen?" Und Jesus antwortete: "Ja, Jakobus, wenn du die Schriften liest, suche nach ewig wahren und göttlich schönen Unterweisungen wie diesen: Schaffe in mir ein reines Herz, oh Herr. Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Denn ich, der Herr dein Gott, werde deine rechte Hand halten und zu dir sagen: Fürchte dich nicht; ich werde dir helfen. "Nie wieder sollen die Nationen das Kriegshandwerk erlernen." Dies ist bezeichnend für die Art und Weise, wie Jesus Tag für Tag das Erlesenste aus den hebräischen Schriften für den Unterricht seiner Jünger und zur Aufnahme in die Lehren des neuen Evangeliums vom Königreich heranzog. Andere Religionen hatten den Gedanken geäußert, dass Gott dem Menschen nahe sei, aber Jesus setzte die Sorge Gottes um den Menschen der Besorgtheit eines liebenden Vaters um das Wohlergehen seiner von ihm abhängigen Kinder gleich und machte diese Lehre dann zum Eckstein seiner Religion. Und so folgte aus dieser Lehre von der Vaterschaft Gottes zwingend die Praxis der Brüderlichkeit unter den Menschen. Die Anbetung Gottes und der Dienst an den Menschen wurden zum Kern seiner Religion. Jesus entnahm der jüdischen Religion das Beste und übertrug es in den würdigen Rahmen der neuen Lehren des Evangeliums vom Königreich. Jesus brachte in die passiven Lehren der jüdischen Religion den Geist positiver Aktion ein. Anstelle negativer Befolgung zeremonieller Vorschriften machte Jesus die positive Ausführung dessen zur Pflicht, was die neue Religion von denen verlangte, die sie annahmen. Jesu Religion bestand nicht nur darin, zu glauben, was das Evangelium verlangte, sondern es auch wirklich zu tun. Er lehrte nicht, dass das Wesentliche seiner Religion im sozialen Dienen liege, sondern, dass dieses sich unter anderem bei denen mit Sicherheit einstelle, die den Geist wahrer Religion besitzen. Jesus zögerte nicht, sich die bessere Hälfte einer Schriftstelle anzueignen und den unbedeutenderen Teil derselben zu verwerfen. Seine große Aufforderung "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" entnahm er der Schriftstelle, die lautet: "Du sollst dich nicht an den Kindern deines Volkes rächen, sondern deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Jesus eignete sich den positiven Teil der Schriftstelle an und verwarf den negativen. Er war auch ein Gegner von negativer oder rein passiver Widerstandslosigkeit. Er sagte: "Wenn ein Feind dich auf die eine Wange schlägt, stehe nicht stumm und passiv da, sondern halte ihm in positiver Haltung die andere hin; das heißt, tue das Bestmögliche, um deinen irrenden Bruder aktiv von den schlechten Pfaden abzubringen und auf die besseren Wege rechtschaffenen Lebens zu führen." Jesus forderte von seinen Anhängern, positiv und energisch auf jede Lebenssituation zu reagieren. Die andere Wange hinzuhalten oder irgendetwas zu tun, wofür diese Handlung typisch ist, verlangt Initiative und bedingt, dass sich die Persönlichkeit des Gläubigen kraftvoll, aktiv und mutig ausdrückt. Jesus befürwortete nicht, sich auf negative Weise Demütigungen von Leuten zu unterwerfen, die mit Absicht jene zu missbrauchen versuchen, die sich in der Widerstandslosigkeit gegen das Böse üben; vielmehr sollten seine Anhänger weise und aufgeweckt sein, um auf Böses rasch und positiv mit Gutem zu reagieren, um Böses erfolgreich durch Gutes zu überwinden. Vergesst nicht, dass das wahrhaft Gute ausnahmslos mächtiger ist als das tückischste Böse. Der Meister lehrte einen positiven Maßstab von Rechtschaffenheit: "Wer immer mein Jünger zu sein wünscht, achte sich selber gering, und komme voll und ganz den Verantwortlichkeiten nach, die sich daraus ergeben, mir täglich zu folgen." Und er lebte selber danach, indem "er umherging und Gutes tat". Und diesen Aspekt des Evangeliums veranschaulichten viele Gleichnisse, die er später seinen Anhängern erzählte. Er forderte sie nie auf, ihre Verpflichtungen geduldig zu ertragen, sondern ihrer menschlichen Verantwortung und ihren göttlichen Privilegien im Königreich Gottes mit Energie und Begeisterung voll gerecht zu werden. Wenn Jesus seine Apostel lehrte, jemandem, der ihnen ungerechterweise einen Mantel wegnahm, noch ein weiteres Kleidungsstück zu geben, meinte er weniger einen wirklichen zweiten Mantel, als die Idee, etwas Positives zu tun, um den Übeltäter zu retten, anstelle des alten Rates zurückzuschlagen - "Auge um Auge" und so fort. Jesus verabscheute die Idee der Vergeltung ebenso sehr wie Bereitschaft, nur zu einem passiven Dulder oder Opfer der Ungerechtigkeit zu werden. Bei dieser Gelegenheit unterwies er sie in den drei Möglichkeiten, das Böse zu bekämpfen und ihm zu widerstehen: 1. Böses mit Bösem zu vergelten - die positive, aber nicht rechtschaffene Methode. 2. Böses klaglos und widerstandslos zu ertragen - die rein negative Methode. 3. Böses mit Gutem zu vergelten, die Bekundung des Willens, Meister der Situation zu werden, die Überwindung des Bösen durch das Gute - die positive und rechtschaffene Methode. Einer der Apostel fragte einmal: "Meister, was sollte ich tun, wenn mich ein Fremder dazu zwänge, sein Gepäck eine Meile weit zu tragen?" Jesus antwortete: "Setz dich nicht hin und seufze nach Erleichterung, während du den Fremden heimlich verwünschst. Rechtschaffenheit erwächst nicht aus einer derart passiven Haltung. Wenn dir nichts Wirksameres und Positiveres zu tun einfällt, kannst du den Packen wenigstens eine zweite Meile weit tragen. Das wird den ungerechten und gottlosen Fremden mit Sicherheit herausfordern." Die Juden hatten von einem Gott gehört, der reuigen Sündern vergab und ihre Missetaten zu vergessen suchte, aber bevor Jesus kam, hatten die Menschen nie von einem Gott gehört, der auf die Suche nach verlorenen Schafen ging, der die Initiative zur Suche nach Sündern ergriff und sich freute, wenn er sie willig fand, ins Vaterhaus zurückzukehren. Diese positive Note der Religion weitete Jesus auch auf seine Gebete aus. Und er verwandelte die negative goldene Regel in eine positive Aufforderung zu menschlicher Fairness. In all seinem Lehren vermied Jesus stets ablenkende Einzelheiten, blumige Redeweise sowie eine mit Worten spielende rein poetische Bildersprache. Kleinen Ausdrücken legte er gewöhnlich große Bedeutungen bei. Zum Zweck der Veranschaulichung änderte Jesus die gebräuchlichen Bedeutungen vieler Ausdrücke wie Salz, Sauerteig, Fischfang, kleine Kinder. Er gebrauchte die Antithese sehr wirksam, indem er das Winzige dem Unendlichen u.s.w. gegenüberstellte. Seine Bilder waren frappierend wie zum Beispiel "die Blinden, welche Blinde führen". Aber die größte Stärke seiner bildhaften Unterrichtsweise war ihre Natürlichkeit. Jesus brachte die Philosophie der Religion vom Himmel auf die Erde herunter. Er stellte die elementaren Bedürfnisse der Seele mit neuer Einsicht und mit sich neu hingebender Liebe dar. ***** 159.6 Die Rückkehr nach Magadan ***** Die vierwöchige Mission in der Dekapolis war mäßig erfolgreich. Hunderte von Seelen wurden ins Königreich aufgenommen, und Apostel wie Evangelisten machten die wertvolle Erfahrung, ihre Aufgabe ohne die Inspiration der persönlichen Gegenwart Jesu fortzusetzen. Am Freitag, dem 16. September, versammelte sich das ganze Mitarbeiterkorps, wie zuvor verabredet, im Hain von Magadan. Am Sabbattag wurde eine Beratung mit über hundert Gläubigen abgehalten, bei der die Zukunftspläne zur Ausdehnung der Arbeit am Königreich eingehend besprochen wurden. Die Boten Davids waren anwesend und erstatteten Bericht über das Wohlergehen der Gläubigen in ganz Judäa, Samaria, Galiläa und den angrenzenden Gebieten. Nur wenige Jünger Jesu wussten zu dieser Zeit den großen Wert der Dienste des Botentrupps richtig zu schätzen. Einerseits hielten die Boten in ganz Palästina den Kontakt der Gläubigen untereinander und mit Jesus und den Aposteln aufrecht, und andererseits betätigten sie sich während dieser dunklen Tage auch als Sammler von Geldmitteln, nicht nur für den Unterhalt Jesu und seiner Mitarbeiter, sondern auch für denjenigen der Familien der zwölf Apostel und zwölf Evangelisten. Um diese Zeit verlegte Abner seine Operationsbasis von Hebron nach Bethlehem, und hier befand sich auch das Hauptquartier für Davids Boten in Judäa. David unterhielt einen nächtlichen Staffeldienst der Boten zwischen Jerusalem und Bethsaida. Diese Läufer verließen Jerusalem jeden Abend, lösten sich in Sychar und Skythopolis ab und trafen in Bethsaida am nächsten Morgen zur Frühstückszeit ein. Jesus und seine Mitarbeiter schickten sich nun an, eine Woche lang auszuruhen, bevor sie den letzten Abschnitt ihrer Anstrengungen für das Königreich in Angriff nahmen. Dies war ihre letzte Ruhezeit, denn die Mission in Peräa entwickelte sich zu einer Predigt- und Lehrkampagne, die sich bis zu ihrer Ankunft in Jerusalem hinzog, wo sich die letzten Episoden von Jesu Erdenlaufbahn abspielen sollten. ****** Kapitel 160 Rodan von Alexandrien ****** AM Sonntagmorgen, dem 18. September, kündigte Andreas an, dass für die kommende Woche keine Arbeit geplant sei. Alle Apostel mit Ausnahme von Nathanael und Thomas gingen nach Hause zu ihren Familien oder verbrachten den Urlaub mit Freunden. Während dieser Woche genoss Jesus beinahe völlige Ruhe, aber Nathanael und Thomas wurden stark beansprucht durch ihre Diskussionen mit einem gewissen griechischen Philosophen namens Rodan aus Alexandrien. Dieser Grieche war vor kurzem ein Jünger Jesu geworden dank der Lehrtätigkeit eines von Abners Mitarbeitern, der in Alexandrien eine Mission geleitet hatte. Rodan befasste sich jetzt ernsthaft mit der Aufgabe, seine Lebensphilosophie mit den neuen religiösen Lehren Jesu in Einklang zu bringen, und er war in der Hoffnung nach Magadan gekommen, der Meister würde diese Probleme mit ihm besprechen. Er wünschte auch, eine maßgebende Version des Evangeliums aus erster Hand zu erhalten, sei es durch Jesus oder einen seiner Apostel. Obwohl der Meister es ablehnte, auf eine solche Unterredung mit Rodan einzugehen, empfing er ihn wohlwollend und gab Nathanael und Thomas sogleich Weisung, sich alles anzuhören, was er zu sagen hatte, und ihn dafür mit dem Evangelium vertraut zu machen. ***** 160.1 Rodans griechische Philosophie ***** Früh am Montagmorgen begann Rodan mit einer Reihe von zehn Vorträgen für Nathanael, Thomas und eine Gruppe von etwa zwei Dutzend Gläubigen, die sich gerade in Magadan aufhielten. Diese Reden, zusammengefasst, zusammengestellt und in moderner Ausdrucksweise neu formuliert, bieten der Reflexion folgende Gedanken: Das menschliche Leben besteht aus drei mächtigen Impulsen - den Trieben, den Wünschen und den Verführungen. Einen starken Charakter, eine Achtung gebietende Persönlichkeit erwirbt man nur, wenn man den natürlichen Lebenstrieb in die soziale Lebenskunst überführt, indem man momentane Begehren in jene höheren Sehnsüchte umwandelt, die fähig sind, dauerhafte Resultate zu bringen, während man seine konventionellen und verwurzelten Ideen von dem, was gewöhnlich die Anziehungskraft des Daseins ausmacht, aufgibt zugunsten der Reiche unerforschter Ideen und unentdeckter Ideale. Je komplexer die Zivilisation wird, umso schwieriger wird die Lebenskunst. Je rascher sich die gesellschaftlichen Sitten ändern, umso komplizierter wird die Aufgabe der Charakterentwicklung. Die Menschheit muss alle zehn Generationen eine neue Lebenskunst erlernen, wenn der Fortschritt weitergehen soll. Und wenn der Mensch so erfinderisch wird, dass er immer schneller zu der Komplexität der Gesellschaft beiträgt, wird die Lebenskunst in kürzeren Zeitabständen, vielleicht sogar von jeder einzelnen Generation, neu gemeistert werden müssen. Wenn die Entwicklung der Lebenskunst mit der Technik der Existenz nicht Schritt zu halten vermag, wird die Menschheit rasch auf den bloßen Lebenstrieb zurückfallen - auf die Befriedigung unmittelbarer Wünsche. Die Menschheit wird dann unreif bleiben; der Gesellschaft wird es nicht gelingen, zu voller Reife heranzuwachsen. Die soziale Reife entspricht dem Maß, in dem die Menschen gewillt sind, die Befriedigung der rein vergänglichen Begehren des Augenblicks zugunsten höherer Sehnsüchte aufzugeben. Das Streben nach deren Erfüllung gewährt die viel reichere Befriedigung einer schrittweisen Annäherung an dauerhafte Ziele. Aber das sichere Zeichen für die soziale Reife eines Volkes ist seine Bereitschaft, auf das Recht, friedlich und zufrieden gemäß den bequemen Maßstäben des Köders festverankerter Überzeugungen und konventioneller Vorstellungen dahinzuleben, zu verzichten zu Gunsten der beunruhigenden und Energie erfordernden Lockungen der unerforschten Möglichkeiten von unentdeckten Zielen idealistischer geistiger Realitäten. Die Tiere gehorchen dem Lebenstrieb auf edle Art; aber nur der Mensch kann die Lebenskunst erreichen, obwohl die Mehrheit der Menschheit lediglich die Erfahrung des tierischen Lebenstriebs macht. Die Tiere kennen nur den blinden und instinktiven Trieb; der Mensch ist fähig, diesen Drang zu natürlicher Funktion zu transzendieren. Der Mensch kann wählen, auf der hohen Ebene intelligenter Kunst zu leben, sogar auf der Ebene himmlischer Freude und geistiger Ekstase. Tiere fragen nicht nach dem Sinn des Lebens; deshalb sind sie nie besorgt und begehen nie Selbstmord. Bei den Menschen bezeugt der Selbstmord, dass sich solche Wesen über die rein tierische Existenzstufe erhoben haben, aber auch die weitere Tatsache, dass es dem forschenden Bemühen solcher Menschen nicht gelungen ist, die Ebene zu erreichen, wo die menschliche Erfahrung zu einer Kunst wird. Die Tiere kennen den Sinn des Lebens nicht; der Mensch besitzt nicht nur die Fähigkeit, Werte zu erkennen und Bedeutungen zu verstehen, sondern er ist sich auch der Bedeutung von Bedeutungen bewusst - er ist sich seiner Einsichten bewusst. Wenn Menschen es wagen, ein Leben natürlicher Begierden für ein Leben künstlerischen Wagemuts und ungewisser Logik aufzugeben, müssen sie sich auf die Risiken daraus erwachsender emotionaler Schwierigkeiten wie Konflikte, Unglücklichsein und Ungewissheiten einstellen, mindestens bis zu der Zeit, da sie einen gewissen Grad intellektueller und emotionaler Reife erlangt haben. Entmutigung, Kummer und Gleichgültigkeit sind eindeutige Zeichen sittlicher Unreife. Die menschliche Gesellschaft sieht sich zwei Problemen gegenüber: der Erlangung von Reife durch den Einzelnen und der Erlangung von Reife durch die Rasse. Das reife menschliche Wesen beginnt bald, alle anderen Sterblichen mit zärtlichen und nachsichtigen Gefühlen anzuschauen. Reife Menschen begegnen unreifen Mitmenschen mit der Liebe und Aufmerksamkeit, die Eltern ihren Kindern entgegenbringen. Erfolgreiches Leben ist nichts mehr und nichts weniger als die Kunst, zuverlässige Methoden zur Lösung gewöhnlicher Probleme zu beherrschen. Der erste Schritt zur Lösung irgendeines Problems besteht darin, die Schwierigkeit zu lokalisieren, das Problem zu isolieren und sich dessen Wesen und Schwere offen einzugestehen. Wenn Lebensprobleme unsere tiefen Ängste erregen, begehen wir den großen Fehler, sie nicht sehen zu wollen. Und wenn die Anerkennung unserer Schwierigkeiten die Verminderung unserer lang gehegten Eitelkeit, das Eingeständnis von Neid oder das Aufgeben tiefsitzender Vorurteile nach sich zieht, klammert sich der Durchschnittsmensch lieber an seine alten Illusionen von Geborgenheit und an seine liebgewonnenen falschen Sicherheitsgefühle. Nur ein tapferer Mensch ist bereit, ehrlich anzunehmen, was sein aufrichtiges und folgerichtiges Denken entdeckt, und sich dem furchtlos zu stellen. Die weise und wirksame Lösung irgendeines Problems verlangt, dass der Geist frei sei von Befangenheit, Leidenschaft und allen anderen rein persönlichen Vorurteilen, die eine uneigennützige Betrachtung der wirklichen Faktoren des zu lösenden Problems stören könnten. Die Lösung von Lebensproblemen erfordert Mut und Aufrichtigkeit. Nur ehrliche und tapfere Personen sind fähig, unerschrocken durch das komplizierte und verwirrende Lebenslabyrinth zu gehen, wohin auch immer die Logik eines furchtlosen Verstandes sie führen mag. Und eine solche Emanzipation von Geist und Seele kann nie geschehen ohne die treibende Kraft eines intelligenten Enthusiasmus, der an religiösen Glaubenseifer grenzt. Es bedarf des Anreizes eines hohen Ideals, um den Menschen zur Verfolgung eines Zieles zu bewegen, bei dessen Verwirklichung sich schwierige materielle Probleme und mancherlei intellektuelle Risiken häufen. Auch wenn ihr gut gewappnet seid, um schwierigen Lebenssituationen zu begegnen, könnt ihr schwerlich Erfolg erwarten, wenn ihr nicht mit jener Weisheit des Verstandes und jenem Charme der Persönlichkeit ausgestattet seid, welche euch in die Lage versetzen, die kräftige Unterstützung und Mitarbeit eurer Mitmenschen zu gewinnen. Weder bei weltlicher noch bei religiöser Tätigkeit könnt ihr auf großen Erfolg hoffen, wenn ihr nicht lernt, eure Mitmenschen zu überzeugen und euch bei ihnen durchzusetzen. Ihr müsst ganz einfach Takt und Toleranz besitzen. Aber die mächtigste aller Methoden zur Lösung von Problemen habe ich von Jesus, eurem Meister gelernt. Ich meine das, was er so beständig praktiziert und was er euch so nachdrücklich gelehrt hat: Die versunkene Anbetung in der Einsamkeit. In dieser Gewohnheit Jesu, sich so oft zum Zwiegespräch mit seinem Vater im Himmel zurückzuziehen, kann man das Verfahren finden, nicht nur Kraft und Weisheit für die gewöhnlichen Lebenskonflikte zu sammeln, sondern sich auch die Energie zur Lösung der höheren Probleme sittlicher und geistiger Natur anzueignen. Indessen können auch richtige Methoden der Problemlösung inhärente Mängel der Persönlichkeit nicht aufwiegen oder die Abwesenheit von Hunger und Durst nach wahrer Rechtschaffenheit ersetzen. Ich bin tief beeindruckt von dieser Gewohnheit Jesu, sich abzusondern, um die Lebensprobleme eine Weile in der Abgeschiedenheit zu überdenken; um nach neuen Vorräten an Weisheit und Energie zu suchen, um den mannigfachen Anforderungen sozialen Dienstes gewachsen zu sein; um den höchsten Lebenszweck neu zu beleben und zu vertiefen, indem er seine ganze Persönlichkeit dem Bewusstsein, mit der Göttlichkeit in Kontakt zu sein, unterwirft; um nach dem Besitz neuer und besserer Methoden eigener Anpassung an die ständig wechselnden Lebenssituationen zu streben; um jene lebenswichtigen Rekonstruktionen und Neuausrichtungen in der persönlichen Haltung vorzunehmen, die so wesentlich für einen tieferen Einblick in alles Lohnende und Wirkliche sind; und um all dies einzig mit dem Blick auf die Herrlichkeit Gottes zu tun - in Aufrichtigkeit eures Meisters Lieblingsgebet zu flüstern: "Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe." Diese Gebetspraxis eures Meisters bewirkt die Entspannung, die den Geist erneuert, die Erleuchtung, die die Seele inspiriert, den Mut, der einen befähigt, tapfer an seine Probleme her-anzugehen, jenes Selbstverständnis, das schwächende Angst nimmt, und das Bewusstsein von Einheit mit dem Göttlichen, das dem Menschen die Sicherheit verleiht, es zu wagen, gottähnlich zu sein. Das Aufgehen in der Anbetung oder im geistigen Einssein, wie euer Meister es praktiziert, löst die Spannung, räumt Konflikte aus dem Wege und vermehrt die gesamten Ressourcen der Persönlichkeit erheblich. Diese ganze Philosophie, zuzüglich des Evangeliums vom Königreich, bildet die neue Religion, wie ich sie verstehe. Vorurteil macht die Seele blind für die Erkenntnis der Wahrheit und kann nur beseitigt werden, wenn die Seele in aufrichtiger Hingabe eine Sache anbetet, die allumfassend ist und all unsere Mitmenschen einschließt. Vorurteil ist untrennbar mit Selbstsucht verbunden. Vorurteil kann nur ausgemerzt werden, wenn man die Selbstsucht aufgibt und stattdessen im Dienst an einer Sache Befriedigung sucht, die nicht nur größer ist als das Selbst, sondern größer noch als die ganze Menschheit - die Suche nach Gott, das Erlangen der Göttlichkeit. Der Beweis für die Reife einer Persönlichkeit besteht in der Umwandlung der menschlichen Wünsche, die nun dauernd auf die Verwirklichung der höchsten und göttlich wirklichsten Werte gerichtet sind. In einer sich ständig verändernden Welt und inmitten einer sich entfaltenden gesellschaftlichen Ordnung ist es unmöglich, an unverrückbaren, ein für allemal fixierten Zielen festzuhalten. Die Erfahrung einer stabilen Persönlichkeit kann nur machen, wer den lebendigen Gott als ewiges Ziel unendlichen Vollbringens entdeckt und angenommen hat. Um sein Ziel derartig von der Zeit in die Ewigkeit zu verlegen, von der Erde zum Paradies und vom Menschlichen zum Göttlichen, bedarf es der Regeneration des Menschen, seiner Bekehrung, seiner Neugeburt, dass er zum neu erschaffenen Kind des göttlichen Geistes wird und den Eintritt in die Bruderschaft des Königreichs des Himmels verdient. Alle Philosophien und Religionen, welche diesen Idealen nicht genügen, sind unreif. Die Philosophie, die ich lehre, verbunden mit dem Evangelium, das ihr predigt, stellt die neue Religion der Reife, das Ideal aller künftigen Generationen dar. Und das ist wahr, weil unser Ideal endgültig, unfehlbar, ewig, universal, absolut und unendlich ist. Meine Philosophie hat mir den Drang zur Suche nach den Realitäten wahrer Vollbringung, nach dem Ziel der Reife gegeben. Aber dieser Drang war unfruchtbar; meinem Streben fehlte die Antriebskraft; meine Suche litt unter der Abwesenheit einer sicheren Richtungsweisung. All diesen Mängeln hat das neue Evangelium Jesu mit seinen vertieften Einsichten, seinen hohen Idealen und unverrückbaren Zielen weit mehr als nur abgeholfen. Ohne Zweifel und Befürchtungen kann ich jetzt mit ganzem Herzen das ewige Wagnis beginnen. ***** 160.2 Die Lebenskunst ***** Es gibt für die Sterblichen nur zwei mögliche Arten des Zusammenlebens: die materielle oder animalische Art und die geistige oder menschliche Art. Durch Verwendung von Zeichen und Lauten sind die Tiere fähig, in beschränkter Weise miteinander zu kommunizieren. Aber solche Kommunikationsformen vermitteln keine Bedeutungen, Werte oder Ideen. Der große Unterschied zwischen Mensch und Tier ist, dass der Mensch mit seinesgleichen mit Hilfe von Symbolen kommunizieren kann, die höchst zuverlässig Bedeutungen, Werte, Ideen und sogar Ideale bezeichnen und identifizieren. Da Tiere untereinander keine Ideen austauschen können, sind sie außerstande, eine Persönlichkeit zu entwickeln. Der Mensch entwickelt eine Persönlichkeit, weil er so mit seinen Mitmenschen Ideen sowie Ideale austauschen kann. Es ist diese Fähigkeit, zu kommunizieren und Bedeutungen zu teilen, die die menschliche Kultur ausmacht und den Menschen in die Lage versetzt, durch sozialen Zusammenschluss Zivilisationen aufzubauen. Wissen und Weisheit sammeln sich an dank der Fähigkeit der Menschen, diese Besitztümer an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Und dabei entstehen die kulturellen Aktivitäten der Rasse: Kunst, Wissenschaft, Religion und Philosophie. Die zwischenmenschliche Kommunikation mittels Symbolen ruft die Entstehung sozialer Gruppen hervor. Die wirksamste aller sozialen Gruppen ist die Familie, insbesondere die beiden Eltern. Persönliche Zuneigung ist das geistige Band, welches diese materiellen Verbindungen zusammenhält. Solch eine wirksame Beziehung ist auch zwischen zwei Personen desselben Geschlechts möglich, wie es eine Fülle von Beispielen der Hingabe in echten Freundschaften veranschaulicht. Diese auf Freundschaft und gegenseitiger Zuneigung beruhenden Zusammenschlüsse wirken sozialisierend und veredelnd, weil sie die folgenden wesentlichen Faktoren der höheren Ebenen der Lebenskunst begünstigen und erleichtern: 1. Wechselseitiges Zum-Ausdruck-Bringen des eigenen Selbst und des Selbstverständnisses. Viele edle menschliche Impulse sterben, weil es niemanden gibt, der ihre Bekundung hört. Wahrhaftig, es ist nicht gut für den Menschen, allein zu sein. Ein gewisses Maß an Anerkennung und Wertschätzung ist wesentlich zur Entwicklung des menschlichen Charakters. Ohne die echte Liebe eines Zuhauses vermag kein Kind einen normalen Charakter voll zu entwickeln. Charakter ist mehr als nur Verstand und sittliches Verhalten. Von allen gesellschaftlichen Beziehungen, die die Entwicklung des Charakters zum Ziel haben, ist die wirksamste und idealste die liebende und verstehende Freundschaft zwischen Mann und Frau in der beiderseitigen Bejahung einer intelligenten Ehe. Die Ehe ist mit ihren mannigfachen Beziehungen am besten geeignet, jene kostbaren Impulse und höheren Beweggründe hervorzulocken, die für die Entwicklung eines starken Charakters unerlässlich sind. Ich zögere nicht, das Familienleben derart zu verherrlichen, denn weise hat euer Meister die Vater-Kind-Beziehung als wahren Eckstein dieses neuen Evangeliums vom Königreich gewählt. Und solch eine unvergleichliche Beziehungsgemeinschaft - Mann und Frau vereint in liebender Hingabe an die höchsten Ideale der Zeit - stellt eine so kostbare und befriedigende Erfahrung dar, dass sie jeden Preis und jedes für ihren Besitz erforderliche Opfer wert ist. 2. Vereinigung der Seelen - Aktivierung der Weisheit. Jedes menschliche Wesen gelangt früher oder später zu einer gewissen Vorstellung von dieser Welt und zu einer gewissen Vision von der nächsten. Durch den Zusammenschluss von Persönlichkeiten wird es nun möglich, diese Anschauungen über zeitliche Existenz und ewige Aussichten zu vereinigen. Dabei vermehrt der Verstand des einen seine geistigen Werte dadurch, dass er vieles von der Erkenntnis des anderen aufnimmt. Auf diese Weise bereichern die Menschen ihre Seele durch die Zusammenlegung ihrer jeweiligen geistigen Besitztümer. Ebenso wird der Mensch dadurch befähigt, die stets vorhandene Neigung zu vermeiden, Opfer verzerrter Vorstellungen, eines voreingenommenen Standpunktes oder engstirnigen Urteils zu werden. Furcht, Neid und Dünkel kann nur durch engen Kontakt mit anderen vorgebeugt werden. Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass der Meister euch nie allein aussendet, um an der Erweiterung des Königreichs zu arbeiten; er schickt euch immer zu zweit aus. Und da Weisheit höheres Wissen ist, folgt daraus, dass die gesellschaftliche Gruppe, ob klein oder groß, durch die Vereinigung von Weisheit untereinander alles Wissen teilt. 3. Leben mit Enthusiasmus. Isolierung neigt dazu, die Energieladung der Seele zu erschöpfen. Das Zusammensein mit unseren Mitmenschen ist wesentlich für die Erneuerung des Lebensschwungs und unerlässlich zur Aufrechterhaltung des Mutes für die Kämpfe, die sich beim Erklimmen höherer Lebensebenen einstellen. Freundschaft steigert die Freuden und verherrlicht die Lebenssiege. Liebevolle und innige menschliche Verbindungen tragen dazu bei, dem Leid den Stachel und der Not viel von ihrer Bitterkeit zu nehmen. Die Gegenwart eines Freundes macht alle Schönheit strahlender und verstärkt jede gute Tat. Durch intelligente Zeichen kann der Mensch bei seinen Freunden die Fähigkeit, etwas zu würdigen, beleben und steigern. Einer der Ruhmeskränze menschlicher Freundschaft ist diese Macht und Möglichkeit gegenseitiger Stimulierung der Vorstellungskraft. Es liegt eine große geistige Kraft im Bewusstsein rückhaltloser Hingabe an eine gemeinsame Sache, in der gemeinsamen Treue gegenüber einer kosmischen Gottheit. 4. Gesteigerte Abwehr gegen alles Üble. Der Zusammenschluss von Persönlichkeiten und gegenseitige Zuneigung sind eine wirkungsvolle Absicherung gegenüber allem Üblen. Schwierigkeiten, Kummer, Enttäuschungen und Niederlagen sind schmerzlicher und entmutigender, wenn man sie allein ertragen muss. Gemeinschaft verwandelt Übles nicht in Rechtschaffenheit, aber hilft in der Tat sehr, seine Heftigkeit zu mindern. Euer Meister hat gesagt: "Selig sind die Leidtragenden" - wenn ein Freund zur Stelle ist, um Trost zu spenden. Es liegt eine positive Kraft im Wissen, dass ihr für das Wohlergehen anderer lebt und dass diese anderen ebenso für euer Wohlergehen und Vorwärtskommen leben. Der Mensch ermattet in der Einsamkeit. Die menschlichen Wesen verlieren unfehlbar den Mut, wenn sie nur die vergänglichen Wechselfälle der Zeit sehen. Wenn man die Gegenwart von Vergangenheit und Zukunft trennt, wird sie zum Verzweifeln trivial. Nur ein Blick auf den Kreis der Ewigkeit kann den Menschen dazu inspirieren, sein Bestes zu geben und das Beste in ihm herausfordern, sein Äußerstes zu tun. Und wenn ein Mensch in solcher Hochform ist, lebt er völlig selbstlos für das Wohl anderer, für seine Gefährten in der Zeit und in der Ewigkeit. Ich wiederhole, ein solch inspirierender und veredelnder Zusammenschluss findet seine idealen Möglichkeiten in der menschlichen Ehebeziehung. Zugegeben, vieles wird außerhalb der Ehe erreicht, und viele, sehr viele Ehen verfehlen völlig, diese sittlichen und geistigen Früchte hervorzubringen. All zu oft treten Menschen in den Ehestand auf der Suche nach Werten, die tiefer liegen als diese höher stehenden Begleiterscheinungen menschlicher Reife. Die ideale Ehe muss auf etwas Stabilerem gründen als dem Auf und Ab der Gefühle und der Unbeständigkeit bloßer geschlechtlicher Anziehung; ihre Grundlage muss echte und gegenseitige persönliche Hingabe sein. Wenn ihr also fähig seid, solch vertrauenswürdige und wirkungsvolle kleine Einheiten menschlicher Zusammenarbeit aufzubauen, und wenn diese sich zum Ganzen fügen, wird die Welt eine große und verherrlichte gesellschaftliche Struktur sehen, die Zivilisation der menschlichen Reife. Eine solche Rasse könnte damit beginnen, etwas von eures Meisters Ideal zu verwirklichen: "Friede auf Erden und guter Wille unter den Menschen". Obwohl eine solche Gesellschaft weder vollkommen, noch ganz von Übel frei wäre, würde sie sich doch zumindest der Stabilisierung der Reife nähern. ***** 160.3 Das Anziehende der Reife ***** Das Bemühen um Reife bedingt Arbeit, und Arbeit erfordert Energie. Woher kommt die Kraft, um all das zu vollbringen? Wir setzen die physischen Faktoren als gegeben voraus, aber der Meister hat richtig gesagt: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein." Unter der Voraussetzung des Besitzes eines normalen Körpers und einer einigermaßen guten Gesundheit müssen wir uns nach jenen Anreizen umsehen, die die schlummernden geistigen Kräfte des Menschen zu wecken und anzuregen vermögen. Jesus hat uns gelehrt, dass Gott im Menschen lebt; wie können wir also den Menschen dahin bringen, diese in der Seele gebundenen göttlichen und unendlichen Kräfte freizusetzen? Wie können wir die Menschen veranlassen, Gott loszulassen, auf dass er aus uns hervorsprudle, dabei unsere eigenen Seelen erfrische und dann der Erleuchtung, der Erhebung und dem Segen zahlloser anderer Seelen diene? Wie kann ich am besten ein für allemal diese verborgenen Kräfte wecken, die in meiner Seele schlummern? Einer Sache bin ich sicher: Emotionale Erregung ist kein ideales geistiges Stimulans. Aufregung vermehrt die Energie nicht, sondern erschöpft vielmehr die geistigen und körperlichen Kräfte. Woher kommt dann die Energie, so große Dinge zu tun? Schaut euch euren Meister an. Jetzt gerade weilt er draußen in den Bergen, um Kraft zu schöpfen, während wir hier Energie abgeben. Das Geheimnis dieses ganzen Problems liegt in der geistigen Zwiesprache, in der Anbetung. Vom menschlichen Standpunkt aus ist es eine Frage der Kombination von Meditation und Entspannung. Die Meditation stellt den Kontakt des Verstandes mit dem Geist her; die Entspannung ist entscheidend für die Fähigkeit, den Geist zu empfangen. Und dieser Eintausch von Kraft gegen Schwäche, von Mut gegen Furcht, des Willens Gottes gegen die eigene Sicht, macht die Anbetung aus. Wenigstens ist das die Betrachtungsweise des Philosophen. Wenn diese Erfahrungen häufig wiederholt werden, verdichten sie sich zu Gewohnheiten, zu kraftspendenden und anbetenden Gewohnheiten, und solche Gepflogenheiten bilden schließlich einen geistigen Charakter heran, und ein solcher Charakter wird am Ende von den Mitmenschen als reife Persönlichkeit wahrgenommen. Diese Praktiken sind am Anfang schwierig und zeitraubend, aber wenn sie zur Gewohnheit werden, sind sie zugleich erholsam und zeitsparend. Je komplexer die Gesellschaft und je zahlreicher die Verlockungen der Zivilisation werden, umso nötiger wird es für Gott kennende Menschen, solche gewohnheitsmäßigen, schützenden Praktiken zu entwickeln, um ihre geistigen Energien zu bewahren und zu vermehren. Ein weiteres Erfordernis zur Erlangung der Reife ist die kooperative Anpassung sozialer Gruppen an eine in ständigem Wandel begriffene Umwelt. Der unreife Mensch erregt den Widerstand seiner Mitmenschen; der reife Mensch gewinnt die herzliche Kooperation seiner Gefährten, und vermehrt dadurch die Früchte seiner Lebensanstrengungen um ein Vielfaches. Meine Philosophie sagt mir, dass es Zeiten gibt, wo ich, wenn nötig, für die Verteidigung meiner Auffassung von Rechtschaffenheit kämpfen muss, aber ich zweifle nicht, dass der Meister mit seiner reiferen Persönlichkeit dank seiner überlegenen und gewinnenden Methode von Takt und Toleranz mit Leichtigkeit und Anmut einen ebensolchen Sieg davontragen würde. Wenn wir für das Recht kämpfen, erweist es sich nur allzu oft, dass beide, Sieger und Besiegter, eine Niederlage erlitten haben. Erst gestern habe ich den Meister sagen hören: "Wenn ein weiser Mann durch ein verschlossenes Tor eintreten will, zerstört er nicht das Tor, sondern sucht vielmehr nach dem Schlüssel, womit er es aufschließen kann." Allzu oft lassen wir uns in einen Kampf ein, nur um uns selber davon zu überzeugen, dass wir keine Angst haben. Dieses neue Evangelium vom Königreich erweist der Lebenskunst einen großen Dienst, weil es einen neuen und reicheren Ansporn zu einem höheren Leben liefert. Es bietet ein neues und erhabenes Ziel der Bestimmung, einen allerhöchsten Lebenszweck. Und diese neuen Vorstellungen von dem ewigen und göttlichen Ziel der Existenz sind in sich selber transzendente Anreize, die der Reaktion des Allerbesten rufen, was in der höheren Natur des Menschen wohnt. Auf jedem Gipfel intellektuellen Denkens findet man Entspannung für den Verstand, Kraft für die Seele und Kommunizieren für den Geist. Von solchen Aussichtspunkten hohen Lebens aus ist der Mensch imstande, die materiellen Irritationen der niedrigeren Gedankenebenen zu überwinden - Sorgen, Eifersucht, Neid, Rachegefühle und Stolz der unreifen Persönlichkeit. Solche die Höhen erklimmenden Seelen entledigen sich selber einer Vielzahl zuwiderlaufender Bagatellkonflikte des Lebens und werden dadurch frei, ein Bewusstsein von höheren Strömen geistiger Vorstellungen und himmlischer Kommunikation zu erlangen. Aber das Lebensziel muss eifersüchtig vor der Versuchung bewahrt werden, nach einem bequemen, aber vorübergehenden Ergebnis zu streben; außerdem muss ihm in einer Weise Sorge getragen werden, dass es gegen die verhängnisvolle Bedrohung durch Fanatismus gefeit ist. ***** 160.4 Die Ausgewogenheit der Reife ***** Obwohl euer ganzes Streben auf das Erreichen ewiger Realitäten ausgerichtet sein soll, müsst ihr doch Vorkehrungen für die Bedürfnisse des zeitlichen Lebens treffen. Der Geist ist zwar unser Ziel, aber das Fleisch ist eine Tatsache. Gelegentlich mag uns das Lebensnotwendige zufällig in die Hände fallen, aber im Allgemeinen müssen wir intelligent dafür arbeiten. Die zwei Hauptprobleme des Lebens sind: für seinen irdischen Unterhalt sorgen und das ewige Leben erreichen. Und selbst das Problem des Lebensunterhaltes bedarf zu seiner idealen Lösung der Religion. Beide Probleme sind im höchsten Maße persönlich. Wahre Religion kann tatsächlich nicht vom Einzelwesen getrennt funktionieren. Die wesentlichen Dinge des zeitlichen Lebens sind meiner Ansicht nach: 1. Gute physische Gesundheit. 2. Klares und sauberes Denken. 3. Begabung und Geschicklichkeit. 4. Reichtum - die Lebensgüter. 5. Fähigkeit zum Widerstand in der Niederlage. 6. Kultur - Bildung und Weisheit. Selbst die physischen Probleme körperlicher Gesundheit und Leistungsfähigkeit werden am besten gelöst, wenn man sie vom religiösen Gesichtspunkt der Lehre unseres Meisters aus betrachtet: dass Körper und Verstand des Menschen die Wohnung des Geschenks der Götter sind, des Geistes Gottes, der zum Geist des Menschen wird. Dabei wird der Verstand des Menschen zum Vermittler zwischen materiellen Dingen und geistigen Realitäten. Es bedarf der Intelligenz, um sich seinen Anteil an den wünschenswerten Dingen des Lebens zu sichern. Vollkommen irrig ist die Annahme, dass gewissenhaft ausgeführte tägliche Arbeit mit Sicherheit durch Reichtum belohnt werde. Abgesehen von gelegentlich und zufällig erworbenem Reichtum stellt man fest, dass die materiellen Belohnungen des irdischen Lebens in bestimmten gut organisierten Kanälen fließen; und nur diejenigen, die zu diesen Kanälen Zugang haben, können erwarten, für ihre irdischen Anstrengungen gut belohnt zu werden. Armut muss immer das Los aller Menschen bleiben, die in isolierten und individuellen Kanälen nach Reichtum suchen. Deshalb ist weise Planung die wesentliche Voraussetzung für weltlichen Wohlstand. Erfolg setzt nicht nur Hingabe an seine Arbeit voraus, sondern auch, dass man als Teil irgendeines Kanals materiellen Reichtums wirke. Wenn ihr unklug seid, könnt ihr ein ganzes Leben der Hingabe ohne materielle Belohnung an eure Generation verschenken; wenn ihr durch Zufall Nutznießer eines Überflusses an Reichtum werdet, könnt ihr im Luxus schwimmen, auch wenn ihr für eure Mitmenschen nichts Nützliches getan habt. Begabung ist, was ihr erbt, Geschicklichkeit, was ihr erwerbt. Das Leben ist unwirklich für jemanden, der es nicht versteht, irgendetwas gut und fachmännisch auszuführen. Geschicklichkeit ist eine der wahren Quellen der Befriedigung im Leben. Begabung schließt auch die Gabe des Vor-ausschauens, der weit blickenden Vision ein. Lasst euch nicht täuschen durch die verlockenden Belohnungen für unredliche Unternehmungen; seid willens, hart zu arbeiten für die späteren Entgelte, die ehrlicher Anstrengung innewohnen. Ein weiser Mensch weiß zwischen Mitteln und Zwecken zu unterscheiden; sonst verfehlt übermäßiges Planen für die Zukunft manchmal das eigene hochgesteckte Ziel. Auf der Suche nach Freuden solltet ihr immer bestrebt sein, solche sowohl zu produzieren als auch zu konsumieren. Übt euer Gedächtnis darin, die kraftspendenden und wertvollen Episoden eures Lebens in heiligem Gewahrsam zu halten, damit ihr sie euch nach Belieben zu eurer Freude und Erbauung in Erinnerung rufen könnt. Errichtet so in euch und für euch auf Vorrat solche Galerien der Schönheit, Güte und künstlerischen Größe. Aber die edelsten aller Erinnerungen sind die im Gedächtnis wohlbewahrten großen Augenblicke einer wundervollen Freundschaft. Und all diese Erinnerungsschätze verströmen ihre kostbarsten und erhebendsten Einflüsse im befreienden Kontakt mit der geistigen Anbetung. Aber das Leben wird zur Bürde, wenn ihr nicht lernt, Misserfolge würdevoll hinzunehmen. Es gibt eine Kunst der Niederlage, die edle Seelen immer erwerben; ihr müsst lernen, fröhlich zu verlieren; ihr müsst ohne Furcht vor Enttäuschungen sein. Zögert nie, einen Misserfolg einzugestehen. Versucht nicht, ihn hinter trügerischem Lächeln und strahlendem Optimismus zu verbergen. Es klingt gut, stets zu behaupten, man sei erfolgreich, aber das Endresultat ist verheerend. Eine solche Taktik führt geradewegs zur Erschaffung einer unwirklichen Welt und zum unvermeidlichen Zusammenbruch in endgültiger Ernüchterung. Erfolg kann Mut erzeugen und das Vertrauen stärken, aber Weisheit gewinnt man nur durch die Erfahrungen bei der Anpassung an die Resultate seiner Misserfolge. Menschen, die der Realität optimistische Illusionen vorziehen, können nie weise werden. Nur jene, die den Tatsachen ins Auge sehen und sie mit ihren Idealen abstimmen, können Weisheit erlangen. Die Weisheit umfasst sowohl die Tatsache als auch das Ideal und rettet daher ihre Anhänger vor den beiden unfruchtbaren Extremen der Philosophie - dem Menschen, dessen Idealismus die Tatsachen ausschließt, und dem Materialisten, dem jede geistige Sicht abgeht. Jene schüchternen Seelen, die den Lebenskampf nur dank ständiger falscher Erfolgsillusionen bestehen können, sind dazu verurteilt, Misserfolge zu erleiden und Niederlagen einzustecken, wenn sie endlich aus der Traumwelt ihrer eigenen Imagination aufwachen. Und gerade wenn es darum geht, sich mit einem Misserfolg abzufinden und einer Niederlage anzupassen, übt die weitreichende Vision einer Religion ihren höchsten Einfluss aus. Misserfolg ist nur eine erzieherische Episode - ein kulturelles Experiment zur Erlangung von Weisheit - in der Erfahrung des nach Gott suchenden Menschen, der sich auf das ewige Abenteuer der Erforschung eines Universums eingelassen hat. Für solche Menschen ist eine Niederlage lediglich ein neues Werkzeug, um höhere Ebenen der Universums-Realität zu erreichen. Der Werdegang eines Gott suchenden Menschen kann sich im Lichte der Ewigkeit als großer Erfolg herausstellen - sollte auch das ganze Unternehmen seines irdischen Lebens als überwältigender Fehlschlag erscheinen - vorausgesetzt, dass jeder Misserfolg seines Lebens die Förderung von Weisheit und geistigem Vollbringen bewirkte. Macht nicht den Fehler, Wissen, Kultur und Weisheit miteinander zu verwechseln. Sie sind zwar im Leben miteinander verknüpft, aber sie repräsentieren voneinander weit abweichende geistige Werte; Weisheit überragt stets das Wissen und gereicht der Kultur immer zum Ruhm. ***** 160.5 Die Religion des Ideals ***** Ihr habt mir gesagt, dass euer Meister authentische menschliche Religion als die Erfahrung des Einzelnen mit den geistigen Realitäten ansieht. Ich selber habe die Religion als die Erfahrung des Menschen betrachtet, auf etwas zu reagieren, das er der Hochachtung und Verehrung durch die ganze Menschheit würdig erachtet. In diesem Sinne symbolisiert die Religion unsere größte Hingabe an das, was unsere höchste Vorstellung von den Idealen der Realität darstellt, sowie den äußersten Vorstoß unseres Verstandes in Richtung auf die ewigen Möglichkeiten geistiger Vollbringung. Wenn sich die Menschen gegenüber der Religion im stammesbedingten, nationalen oder rassischen Sinne verhalten, rührt das daher, dass sie auf alle, die nicht ihrer Gruppe angehören, als auf nicht wirklich menschliche Wesen herabschauen. Wir betrachten das Objekt unserer religiösen Ergebenheit stets als der Ehrerbietung sämtlicher Menschen würdig. Religion kann nie lediglich Sache intellektueller Überzeugung oder philosophischen Argumentierens sein; Religion ist stets und für immer eine Reaktionsweise auf Lebenssituationen; sie ist eine besondere Art des Verhaltens. Religion umfasst Denken, Fühlen und ehrerbietiges Handeln gegenüber einer Realität, die wir universeller Anbetung für wert halten. Wenn etwas in eurer Erfahrung zur Religion geworden ist, versteht es sich von selbst, dass ihr bereits ein aktiver Verkünder dieser Religion geworden seid, da ihr die höchste Vorstellung von eurer Religion als der Anbetung durch die ganze Menschheit, ja durch alle Intelligenzen des Universums für würdig erachtet. Wenn ihr nicht ein überzeugter und missionierender Verkünder eurer Religion seid, täuscht ihr euch selber insofern, als das, was ihr Religion nennt, nur ein traditioneller Glaube oder nur ein System intellektueller Philosophie ist. Wenn eure Religion eine geistige Erfahrung ist, muss die universale Geistrealität und das Ideal all eurer vergeistigten Vorstellungen Objekt eurer Anbetung sein. Ich nenne alle Religionen, die auf Furcht, Emotion, Tradition und Philosophie beruhen, die intellektuellen Religionen, während ich jene, die auf echter geistiger Erfahrung basieren, die wahren Religionen nennen möchte. Das Objekt religiöser Anbetung kann materiell oder geistig sein, wahr oder falsch, wirklich oder unwirklich, menschlich oder göttlich. Daraus folgt, dass Religionen entweder gut oder schlecht sein können. Sittlichkeit und Religion sind nicht notwendigerweise dasselbe. Ein Moralsystem, das sich ein Objekt zur Anbetung nimmt, kann zu einer Religion werden. Wiederum kann sich eine Religion, die ihren universalen Appell an Treue und größte Hingabe einbüßt, zu einem philosophischen System oder zu einem Moralkodex entwickeln. Das Ding, das Wesen, der Zustand, die Existenz-ordnung oder die Möglichkeit der Vollbringung - was auch immer das höchste Ideal religiöser Loyalität darstellt und die religiöse Hingabe der Anbetenden empfängt - ist Gott. Ganz gleich, welchen Namen man für dieses Ideal der geistigen Realität verwendet, es ist Gott. Das soziale Charakteristikum einer wahren Religion besteht in der Tatsache, dass sie immer versucht, die Einzelperson zu bekehren und die Welt zu verwandeln. Religion schließt die Existenz unentdeckter Ideale in sich, die die bekannten ethischen und sittlichen Maßstäbe, wie sie selbst in den höchststehenden sozialen Gepflogenheiten der reifsten Institutionen der Zivilisation verkörpert sind, weit hinter sich lassen. Die Religion greift aus nach unentdeckten Idealen, unerforschten Realitäten, übermenschlichen Werten, göttlicher Weisheit und wahrer geistiger Vollbringung. Die wahre Religion tut all das; alle anderen Glaubensformen sind dieses Namens unwürdig. Keine echte geistige Religion ist denkbar ohne das höchste und himmlische Ideal eines ewigen Gottes. Eine Religion ohne diesen Gott ist eine Erfindung des Menschen, eine menschliche Institution lebloser intellektueller Glaubensinhalte und bedeutungsloser emotionaler Zeremonien. Eine Religion könnte sich als Objekt ihrer Verehrung auf ein großes Ideal berufen. Aber solche Ideale der Unwirklichkeit sind unerreichbar; solch eine Vorstellung ist illusorisch. Die einzigen Ideale, die menschliches Streben erreichen kann, sind die göttlichen Realitäten der unendlichen Werte, die in der geistigen Tatsache des ewigen Gottes beschlossen sind. Das Wort Gott, die Idee Gottes im Gegensatz zum Ideal Gottes, kann Teil jeder Religion werden, wie kindisch oder falsch diese auch immer sein mag. Und diese Idee Gottes kann zu allem werden, was ihre Verfechter aus ihr machen wollen. Die niedrigeren Religionen geben ihrer Gottesidee eine Form, die der natürlichen Verfassung des menschlichen Herzens entgegenkommt; die höheren Religionen verlangen, dass das menschliche Herz sich ändere, um den Ansprüchen der Ideale wahrer Religion gerecht zu werden. Jesu Religion geht weit über alle unsere früheren Vorstellungen von der Idee der Anbetung hinaus, indem er seinen Vater nicht nur als das Ideal der unendlichen Realität darstellt, sondern mit Bestimmtheit erklärt, dass diese göttliche Quelle aller Werte und ewiger Mittelpunkt des Universums wahrhaftig von jedem sterblichen Geschöpf persönlich erreicht werden kann, das sich auf Erden zum Eintritt ins Königreich des Himmels entscheidet und sich damit zur Annahme der Gottessohnschaft und der Brüderlichkeit unter den Menschen bekennt. Das, behaupte ich, ist die höchste Vorstellung von Religion, die die Welt je gekannt hat, und ich erkläre, dass es nie eine höhere geben kann, da dieses Evangelium die Unendlichkeit der Realitäten, die Göttlichkeit der Werte und die Ewigkeit universalen Vollbringens umfasst. Eine solche Vorstellung bedeutet, die Erfahrung des Idealismus des Supremen und Ultimen zu machen. Nicht nur faszinieren mich die vollkommenen Ideale der Religion eures Meisters, sondern es drängt mich auch sehr stark, meinen Glauben an seine Erklärung zu bekennen, dass diese Ideale geistiger Realitäten erreichbar sind ; dass ihr und ich uns auf dieses lange und ewige Abenteuer zufolge seiner Versicherung einlassen können, mit Bestimmtheit letztendlich vor den Pforten des Paradieses anzulangen. Meine Brüder, ich bin ein Glaubender, ich habe mich auf den Weg gemacht; ich bin mit euch in diesem ewigen Abenteuer unterwegs. Der Meister sagt, er sei vom Vater gekommen, und er wolle uns den Weg zeigen. Ich bin vollkommen überzeugt, dass er die Wahrheit sagt. Ich bin der endgültigen Überzeugung, dass es keine erreichbaren Ideale der Realität oder Werte der Vollkommenheit gibt außer dem ewigen und Universalen Vater. Ich komme, nicht nur den Gott der Existenzen anzubeten, sondern auch den Gott aller möglichen zukünftigen Existenzen. Deshalb muss eure Hingabe an ein höchstes Ideal, wenn dieses wirklich sein soll, eine Hingabe an diesen Gott vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Universen von Dingen und Wesen sein. Und es gibt keinen anderen Gott, weil es die Möglichkeit eines anderen Gottes nicht gibt. Alle anderen Götter sind Phantasieprodukte, Trugbilder des sterblichen Verstandes, Verzerrungen einer falschen Logik und Idole, die diejenigen täuschen, die sie erschaffen haben. Zugegeben, ihr könnt eine Religion ohne diesen Gott haben, aber sie bedeutet rein gar nichts. Und wenn ihr versucht, das Wort Gott an die Stelle der Realität dieses Ideals des lebendigen Gottes zu setzen, begeht ihr nur Selbstbetrug, indem ihr ein Ideal, eine göttliche Realität, durch eine Idee ersetzt. Solche Arten von Glauben sind nur Religionen phantasievollen Wunschdenkens. Ich sehe in Jesu Lehren die Religion auf ihrem höchsten Stand. Dieses Evangelium befähigt uns, den wahren Gott zu suchen und ihn zu finden. Aber sind wir bereit, den Eintrittspreis für das Königreich zu bezahlen? Sind wir bereit, von neuem geboren zu werden? neu geschaffen zu werden? Sind wir bereit, uns diesem schrecklichen und prüfungsreichen Prozess der Selbstzerstörung und der Seelenrekonstruktion zu unterwerfen? Hat nicht der Meister gesagt: "Wer sein Leben retten möchte, muss es verlieren. Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden zu bringen, sondern vielmehr seelischen Kampf"? Es ist wahr, dass wir, wenn wir einmal den Preis der Hingabe an des Vaters Willen entrichtet haben, in der Tat großen inneren Frieden erleben, vorausgesetzt, wir schreiten auf diesen geistigen Pfaden hingebungsvollen Lebens weiter. Wir entsagen jetzt wirklich den Verlockungen der bekannten Existenzordnung und begeben uns rückhaltlos auf die Suche nach der lockenden, unbekannten und unerforschten Existenzordnung eines zukünftigen, abenteuerlichen Daseins in den Geistwelten des höheren Idealismus göttlicher Realität. Und wir suchen nach jenen Bedeutungssymbolen, die dazu angetan sind, unseren Mitmenschen diese Vorstellungen von der Realität des Idealismus der Religion Jesu zu vermitteln. Wir wollen unablässig für jenen Tag beten, an dem die ganze Menschheit von der gemeinsamen Vision dieser höchsten Wahrheit begeistert sein wird. Gerade jetzt ist unsere konzentrierte Vorstellung vom Vater, wie wir sie in unserem Herzen tragen, die, dass Gott Geist ist; und dass Gott Liebe ist, wenn wir ihn an unsere Mitmenschen weitergeben. Jesu Religion will lebendig und geistig erfahren werden. Andere Religionen mögen aus traditionellem Glauben, emotionalen Gefühlen, philosophischem Bewusstsein und dergleichen mehr bestehen, aber die Lehre des Meisters erfordert das Erreichen von Ebenen wirklichen geistigen Fortschritts. Sich des inneren Antriebs, Gott zu gleichen, bewusst zu sein, ist nicht wahre Religion. Die Gefühle einer emotionalen Anbetung Gottes sind nicht wahre Religion. Die bewusste Überzeugung, dem Selbst zu entsagen und Gott zu dienen, ist nicht wahre Religion. Die Weisheit der Begründung, dass diese Religion die beste von allen ist, ist nicht Religion als persönliche und geistige Erfahrung. Wahre Religion bezieht sich ebenso sehr auf die ewige Bestimmung und die Realität der Vollbringung wie auf die Realität und den Idealismus dessen, was mit dem Glauben von ganzem Herzen akzeptiert worden ist. Und all das muss uns persönlich vertraut werden durch die Offenbarung des Geistes der Wahrheit. So endeten die Ausführungen des griechischen Philosophen, eines der größten seiner Rasse, der zum Glauben an das Evangelium Jesu gekommen war. ****** Kapitel 161 Weitere Diskussionen mit Rodan ****** AM Sonntag, dem 25. September 29, versammelten sich die Apostel und Evangelisten in Magadan. Nachdem Jesus sich am Abend lange mit seinen Mitarbeitern besprochen hatte, überraschte er alle mit der Mitteilung, dass er und die zwölf Apostel am nächsten Morgen in der Frühe nach Jerusalem aufbrechen würden, um dort am Laubhüttenfest teilzunehmen. Die Evangelisten wies er an, die Gläubigen in Galiläa zu besuchen, und das Frauenkorps, für eine Weile nach Bethsaida zurückzukehren. Als die Stunde des Aufbruchs nach Jerusalem kam, befanden sich Nathanael und Thomas immer noch mitten in ihren Gesprächen mit Rodan von Alexandrien, und sie erhielten vom Meister die Erlaubnis, noch einige Tage in Magadan zu bleiben. Und während Jesus und die Zehn Jerusalem zu wanderten, befanden sich Nathanael und Thomas in ernsten Diskussionen mit Rodan. In der vorangegangenen Woche, in der Rodan seine Philosophie dargelegt hatte, hatten Thomas und Nathanael dem griechischen Philosophen abwechselnd das Evangelium vom Königreich erläutert. Dabei konnte Rodan feststellen, dass er von einem früheren Apostel von Johannes dem Täufer, der in Alexandrien sein Lehrer gewesen war, gut über Jesu Lehren unterrichtet worden war. ***** 161.1 Die Persönlichkeit Gottes ***** Es gab einen Punkt, in dem Rodan und die zwei Apostel verschiedener Meinung waren, und das war die Persönlichkeit Gottes. Rodan akzeptierte bereitwillig alles, was sie ihm über die Attribute Gottes sagten, aber er verfocht den Standpunkt, dass der Vater im Himmel in dem Sinn, wie der Mensch Persönlichkeit begreift, keine Person ist und keine sein kann. Während die Apostel bei dem Versuch zu beweisen, dass Gott eine Person ist, in Schwierigkeiten gerieten, fiel es Rodan noch schwerer zu beweisen, dass er keine Person ist. Rodan behauptete, dass die Tatsache der Persönlichkeit in der damit einhergehenden Tatsache vollständiger gegenseitiger Kommunikation zwischen ebenbürtigen Wesen bestehe, Wesen, die zu mitfühlendem Verstehen fähig sind. Rodan sagte: "Um eine Person zu sein, muss Gott über Symbole geistiger Kommunikation verfügen, die ihn dazu befähigen, von denen, mit welchen er in Kontakt treten möchte, vollkommen verstanden zu werden. Aber da Gott unendlich und ewig und der Schöpfer aller anderen Wesen ist, folgt daraus, dass er bezüglich ebenbürtiger Wesen im Universum allein ist. Es gibt keine ihm ebenbürtigen Wesen und keine, mit denen er als Ebenbürtiger kommunizieren könnte. Gott mag tatsächlich der Ursprung aller Persönlichkeit sein, aber als solcher transzendiert er die Persönlichkeit in derselben Weise, wie der Schöpfer über dem Geschöpf und jenseits von ihm steht." Diese Behauptung beunruhigte Thomas und Nathanael außerordentlich, und sie baten Jesus, ihnen zu Hilfe zu kommen, aber der Meister lehnte es ab, an ihren Gesprächen teilzunehmen. Er sagte zu Thomas: "Es ist unerheblich, was für eine Idee du dir vom Vater machst, solange du geistig mit dem Ideal seiner unendlichen und ewigen Natur vertraut bist." Thomas machte geltend, dass Gott tatsächlich mit dem Menschen kommuniziert, und dass der Vater folglich eine Person ist, sogar im Sinne der Definition Rodans. Das lehnte der Grieche mit der Begründung ab, dass Gott sich nicht persönlich offenbart, dass er immer ein Geheimnis bleibt. Da berief Nathanael sich auf seine eigene persönliche Erfahrung mit Gott, und das ließ Rodan gelten und bestätigte, kürzlich ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben; aber, behauptete er, diese Erfahrungen bewiesen nur die Realität Gottes, nicht aber seine Persönlichkeit. Am Montagabend gab Thomas auf. Aber bis Dienstagabend hatte Nathanael Rodan dafür gewonnen, an die Persönlichkeit des Vaters zu glauben. Er führte diese Änderung der Betrachtungsweise des Griechen durch folgende Gedankenschritte herbei: 1. Der Vater im Paradies erfreut sich einer Kommunikation auf gleicher Ebene mit mindestens zwei anderen Wesen, die ihm völlig ebenbürtig sind und ihm vollkommen gleichen - dem Ewigen Sohn und dem Unendlichen Geist. Angesichts der Lehre von der Trinität sah sich der Grieche gezwungen, die Möglichkeit einer Persönlichkeit des Universalen Vaters einzuräumen. (Es war späteres Nachdenken über diese Diskussionen, was die zwölf Apostel zum erweiterten Konzept der Trinität führte. Natürlich wurde allgemein geglaubt, Jesus sei der Ewige Sohn.) 2. Da Jesus dem Vater ebenbürtig war, und da dieser Sohn es geschafft hatte, seinen irdischen Kindern seine Persönlichkeit kundzutun, stellte dieses Phänomen den Beweis der Tatsache und somit der Möglichkeit dar, dass alle drei Gottheiten Persönlichkeit besitzen, und klärte endgültig die Frage, ob Gott fähig sei, mit dem Menschen zu kommunizieren, und ob es diesem möglich sei, mit Gott zu kommunizieren. 3. Jesus stand mit den Menschen in gegenseitiger Verbindung und perfekter Kommunikation; Jesus war der Sohn Gottes. Die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn setzt Ebenbürtigkeit der Kommunikation und Gegenseitigkeit mitfühlenden Verstehens voraus; Jesus und der Vater waren eins. Jesus unterhielt zugleich mit Gott und den Menschen verständnisvolle Kommunikation, und da sowohl Gott als auch die Menschen die Bedeutung der Kommunikationssymbole Jesu verstanden, besaßen sowohl Gott als auch die Menschen insofern die Attribute der Persönlichkeit, als die Erfordernisse der gegenseitigen Kommunikationsfähigkeit betroffen waren. Die Persönlichkeit Jesu erbrachte den Beweis für die Persönlichkeit Gottes - und damit einen ebenso endgültigen Beweis für die Gegenwart Gottes im Menschen. Zwei Dinge, die zur selben Sache in Beziehung stehen, stehen auch miteinander in Beziehung. 4. Persönlichkeit stellt die höchste Vorstellung des Menschen von menschlicher Realität und göttlichen Werten dar; Gott stellt auch des Menschen höchste Vorstellung von göttlicher Realität und unendlichen Werten dar; folglich muss Gott eine göttliche und unendliche Persönlichkeit, tatsächlich eine Persönlichkeit sein, obwohl sie die menschliche Vorstellung und Definition von Persönlichkeit unendlich und ewig übersteigt; aber trotz alledem ist sie immer und ewig eine Persönlichkeit. 5. Gott muss eine Persönlichkeit sein, da er ja Schöpfer aller Persönlichkeit und Endbestimmung aller Persönlichkeit ist. Jesu Lehre "Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist", hatte Rodan gewaltig beeinflusst. Als Rodan diese Argumente hörte, sagt er: "Ich bin überzeugt. Ich will mich zu Gott als zu einer Person bekennen, wenn ihr mir erlaubt, mein Bekenntnis zu diesem Glauben insofern zu nuancieren, als ich der Bedeutung der Persönlichkeit eine Reihe erweiterter Werte beimesse - wie übermenschlich, transzendent, allerhöchst, unendlich, ewig, endgültig und universal. Ich bin jetzt davon überzeugt, dass Gott zwar unendlich mehr sein muss als eine Persönlichkeit, aber dass er auch nichts weniger sein kann. Ich kann jetzt zufrieden die Diskussion beenden und Jesus als die persönliche Offenbarung des Vaters akzeptieren und als denjenigen, der alle unbefriedigten Faktoren in Logik, Vernunft und Philosophie befriedigt." ***** 161.2 Die göttliche Natur Jesu ***** Da Nathanael und Thomas Rodans Sicht vom Evangelium des Königreichs so völlig zustimmten, blieb nur noch ein Punkt zu erwägen, nämlich die Lehre von der göttlichen Natur Jesu, eine erst vor so kurzer Zeit öffentlich verkündete Doktrin. Nathanael und Thomas legten ihre Anschauungen von der göttlichen Natur des Meisters gemeinsam dar, und das Folgende ist eine gedrängte, neu gruppierte und neu formulierte Darstellung ihrer Unterweisung: 1. Jesus hat sich zu seiner Göttlichkeit bekannt, und wir glauben ihm. Viele bemerkenswerte Dinge haben sich in Verbindung mit seinem Wirken ereignet, die wir nur verstehen können, wenn wir glauben, dass er sowohl der Menschensohn als auch der Gottessohn ist. 2. Sein Zusammenleben mit uns ist ein ideales Beispiel menschlicher Freundschaft; nur einem göttlichen Wesen ist es möglich, solch ein menschlicher Freund zu sein. Er ist die wahrhaft selbstloseste Person, die wir je gekannt haben. Er ist sogar der Freund von Sündern; er wagt es, seine Feinde zu lieben. Er hält sehr treu zu uns. Obwohl er nicht zögert, uns zu tadeln, ist es uns allen klar, dass er uns wahrhaftig liebt. Je besser man ihn kennt, umso mehr liebt man ihn. Man ist von seiner unbeirrbaren Hingabe bezaubert. In all diesen Jahren, da wir nicht imstande waren, seine Sendung zu verstehen, war er uns ein treuer Freund. Er macht keinen Gebrauch von Schmeichelei; er behandelt uns alle mit gleicher Liebenswürdigkeit; er ist stets sanft und mitfühlend. Er hat sein Leben und alles andere mit uns geteilt. Wir sind eine glückliche Gemeinschaft; wir teilen alles miteinander. Wir glauben nicht, dass ein bloßer Mensch ein solch untadeliges Leben unter so schwierigen Umständen führen könnte. 3. Wir denken, dass Jesus göttlich ist, weil er nie Unrecht tut; er macht nie Fehler. Seine Weisheit ist außerordentlich und seine Frömmigkeit wunderbar. Er lebt Tag für Tag in vollkommener Übereinstimmung mit des Vaters Willen. Er bereut nie irgendwelche Missetaten, weil er keines der Gesetze des Vaters übertritt. Er betet für uns und mit uns, aber er bittet uns nie, für ihn zu beten. Wir glauben, dass er durch und durch ohne Sünde ist. Wir glauben nicht, dass jemand, der nur menschlich ist, sich je dazu bekannt hat, ein solches Leben zu leben. Er erhebt den Anspruch, ein vollkommenes Leben zu führen, und wir bestätigen, dass er es wirklich tut. Unsere Frömmigkeit entspringt der Reue, aber seine Frömmigkeit kommt aus Rechtschaffenheit. Er erklärt sogar, Sünden zu vergeben und er heilt tatsächlich Krankheiten. Kein bloßer Mensch, der bei Sinnen ist, würde erklären, er könne Sünden vergeben; das ist ein göttliches Vorrecht. Und er ist uns vom ersten Kontakt an mit ihm in dieser vollkommenen Rechtschaffenheit erschienen. Wir wachsen in Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit, aber unser Meister zeigt von Anbeginn an ausgereifte Rechtschaffenheit. Alle Menschen, ob gut oder böse, anerkennen diese Elemente der Tugend in Jesus. Und doch ist seine Frömmigkeit nie aufdringlich oder zur Schau gestellt. Er ist zugleich mild und furchtlos. Er scheint unserem Glauben an seine Göttlichkeit zuzustimmen. Er ist entweder, was er zu sein erklärt, oder aber er ist der größte Heuchler und Betrüger, den die Welt je gekannt hat. Wir sind überzeugt, dass er gerade das ist, was er zu sein behauptet. 4. Die Einzigartigkeit seines Charakters und die Vollkommenheit seiner emotionalen Kontrolle überzeugen uns davon, dass er eine Kombination von Menschlichkeit und Göttlichkeit ist. Er reagiert unfehlbar auf den Anblick menschlicher Not; Leid berührt ihn immer. Sein Mitleid wird ebenso sehr durch physische Leiden wie durch seelische Qualen und geistigen Kummer erregt. Sofort stellt er bei seinen Mitmenschen vorhandenen Glauben oder irgendeine andere gute Eigenschaft fest und anerkennt sie großzügig. Er ist so gerecht und fair, und zugleich so barmherzig und rücksichtsvoll. Die geistige Halsstarrigkeit der Leute bekümmert ihn, und er freut sich, wenn sie bereit sind, das Licht der Wahrheit zu sehen. 5. Er scheint die Gedanken seiner Mitmenschen zu kennen und die Sehnsüchte ihrer Herzen zu verstehen. Und er ist immer verständnisvoll, wenn unser Gemüt beunruhigt ist. Er scheint all unsere menschlichen Emotionen zu besitzen, aber sie sind wunderbar verklärt. Er liebt Güte und hasst Sünde gleichermaßen. Er besitzt ein übermenschliches Bewusstsein von der Gegenwart der Gottheit. Er betet wie ein Mensch, aber handelt wie ein Gott. Er scheint die Dinge im Voraus zu wissen; er wagt es, schon jetzt von seinem Tod zu sprechen und mystische Andeutungen über seine kommende Verherrlichung zu machen. Er ist liebenswürdig, aber auch tapfer und mutig. Er schwankt nie in seiner Pflichterfüllung. 6. Wir sind ständig beeindruckt vom Phänomen seines übermenschlichen Wissens. Es vergeht kaum ein Tag, an dem uns nicht irgendeine Begebenheit enthüllt, dass der Meister weiß, was sich außerhalb seiner unmittelbaren Gegenwart abspielt. Er scheint auch die Gedanken seiner Mitarbeiter zu kennen. Er steht ohne Zweifel mit himmlischen Persönlichkeiten in Verbindung; er lebt fraglos auf einer geistigen Ebene, die sich weit über uns allen befindet. Alles scheint seinem einzigartigen Verständnis zugänglich zu sein. Er stellt uns Fragen, damit wir aus uns herausgehen, und nicht, um Auskünfte zu erhalten. 7. Neulich hat der Meister nicht gezögert, sich zu seiner Übermenschlichkeit zu bekennen. Vom Tag unserer Weihe als Apostel an bis in die jüngste Gegenwart hat er nie in Abrede gestellt, vom Vater im Himmel herzukommen. Er spricht mit der Autorität eines göttlichen Lehrers. Der Meister zögert nicht, die heutigen religiösen Lehren zu widerlegen und das neue Evangelium mit positiver Autorität zu verkündigen. Er ist bestimmt, positiv und voller Autorität. Als er Jesus sprechen hörte, erklärte sogar Johannes der Täufer, er sei der Sohn Gottes. Er scheint vollkommen sich selber zu genügen. Er sucht nicht die Unterstützung der Menge; er macht sich nichts aus der Meinung der Menschen. Er ist tapfer und doch so frei von Stolz. 8. Er spricht ständig von Gott als von einem immer gegenwärtigen Gefährten in allem, was er tut. Wo er geht, tut er Gutes, denn Gott scheint in ihm zu sein. Er gibt über sich selber und seine Sendung auf Erden die erstaunlichsten Erklärungen ab, die absurd wären, wenn er nicht göttlich wäre. Er sagte einmal: "Bevor Abraham war, bin ich." Er hat sich eindeutig zu seiner Göttlichkeit bekannt; er erklärt, Gottes Partner zu sein. Er erschöpft nahezu die Möglichkeiten der Sprache im ständig wiederholten Anspruch, mit dem himmlischen Vater in enger Verbindung zu stehen. Er wagt sogar zu erklären, er und sein Vater seien eins. Er sagt, dass jeder, der ihn gesehen hat, den Vater gesehen hat. Und er sagt und tut all diese ungeheuren Dinge mit einer solch kindhaften Natürlichkeit. Er spricht von seiner Verbundenheit mit dem Vater in derselben Art, wie er sich auf die Verbundenheit mit uns bezieht. Er scheint Gottes so sicher zu sein und spricht von diesen Beziehungen in einer so selbstverständlichen Weise. 9. Im Gebet scheint er direkt mit seinem Vater zu kommunizieren. Wir haben nur wenige seiner Gebete gehört, aber diese wenigen sind ein Hinweis darauf, dass er mit Gott wie von Angesicht zu Angesicht spricht. Er scheint die Zukunft wie die Vergangenheit zu kennen. Er könnte ganz einfach nicht all das sein und all diese außerordentlichen Dinge vollbringen, wenn er nicht etwas Mehr-als-Menschliches wäre. Wir wissen, dass er menschlich ist, dessen sind wir sicher, aber wir sind fast genauso sicher, dass er auch göttlich ist. Wir glauben, dass er göttlich ist. Wir sind überzeugt, dass er der Menschensohn und der Gottessohn ist. Nach Beendigung ihrer Gespräche mit Rodan eilten Nathanael und Thomas nach Jerusalem, um sich wieder mit ihren Mitaposteln zu vereinigen. Sie trafen dort am Freitag jener Woche ein. Das war eine große Erfahrung im Leben aller drei Gläubigen, und die anderen Apostel lernten viel aus dem, was Nathanael und Thomas ihnen davon berichteten. Rodan kehrte nach Alexandrien zurück, wo er seine Philosophie lange Zeit an der Schule von Meganta lehrte. Er wurde später ein mächtiger Mann in den Angelegenheiten des Königreichs des Himmels; er glaubte treu bis ans Ende seiner Erdentage, als er in Griechenland auf dem Höhepunkt der Verfolgungen zusammen mit anderen sein Leben hingab. ***** 161.3 Jesu menschlicher und göttlicher Verstand ***** Das Bewusstsein der Göttlichkeit wuchs allmählich in Jesu Verstand bis zum Ereignis seiner Taufe. Nachdem er sich seiner göttlichen Natur, seiner vormenschlichen Existenz und seiner Universums-Privilegien voll bewusst geworden war, scheint er die Macht besessen zu haben, sein menschliches Bewusstsein von seiner Göttlichkeit beliebig abzugrenzen. Es scheint uns, dass es Jesus von der Taufe bis zur Kreuzigung völlig freigestanden hat, sich entweder nur auf den menschlichen Verstand zu verlassen oder das Wissen sowohl des menschlichen als auch des göttlichen Verstandes zu benutzen. Zuzeiten schien er nur von der Information Gebrauch zu machen, die sich in seinem menschlichen Intellekt befand. Bei anderer Gelegenheit schien er mit einer derartigen Fülle von Wissen und Weisheit zu handeln, dass sie allein aus der Benutzung des übermenschlichen Inhalts seines göttlichen Bewusstseins stammen konnte. Wir können seine einzigartigen Handlungen nur dann verstehen, wenn wir die Theorie akzeptieren, dass er sein göttliches Bewusstsein nach Belieben einschränken konnte. Wir wissen sehr gut, dass er seinen Gefährten häufig seine Kenntnis zukünftiger Ereignisse vorenthielt, und dass er sich der Natur ihres Denkens und Planens bewusst war. Wir verstehen seinen Wunsch, dass seine Anhänger nicht zu genau über seine Fähigkeit Bescheid wissen sollten, ihre Gedanken wahrzunehmen und ihre Pläne zu durchschauen. Er wollte nicht zu weit über die Vorstellung vom Menschlichen hinausgehen, wie es in den Gedanken seiner Apostel und Jünger lebte. Wir sind in völliger Verlegenheit zu unterscheiden zwischen seiner Praxis der Selbstbegrenzung seines göttlichen Bewusstseins und seiner Methode, vor seinen menschlichen Gefährten sein Vorauswissen und seine Gedankenwahrnehmung zu verbergen. Wir sind der Überzeugung, dass er sich beider Techniken bediente, aber wir sind im Einzelfall nicht immer in der Lage, genauere Angaben darüber zu machen, welches Verfahren er angewandt haben mag. Wir beobachteten ihn oft, wie er einzig aus dem menschlichen Inhalt seines Bewusstseins heraus handelte; dann wieder sahen wir ihn bei der Unterredung mit den Leitern der himmlischen Heerscharen des Universums und stellten das zweifelsfreie Funktionieren des göttlichen Verstandes fest. Und wiederum wurden wir bei fast unzähligen Gelegenheiten Zeugen des Wirkens dieser Mensch und Gott vereinenden Persönlichkeit, das durch das anscheinend vollkommene Zusammenspiel des menschlichen und göttlichen Verstandes aktiviert wurde. Hier liegt die Grenze unserer Kenntnis solcher Phänomene; wirklich, die ganze Wahrheit über dieses Mysterium kennen wir nicht. ****** Kapitel 162 Beim Laubhüttenfest ****** ALS Jesus mit den zehn Aposteln nach Jerusalem aufbrach, plante er, Samaria zu durchqueren, weil das der kürzere Weg war. Also gingen sie am Ostufer des Sees entlang und gelangten über Skythopolis in das Grenzgebiet Samarias. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit sandte Jesus Philipp und Matthäus in ein Dorf am östlichen Abhang des Berges Gilboa, um für die Gruppe eine Unterkunft zu besorgen. Nun traf es sich, dass diese Dorfbewohner gegenüber den Juden sehr voreingenommen waren, mehr noch als die Durchschnitts-Samaritaner, und diese Gefühle waren zu diesem Zeitpunkt, da so viele auf dem Weg zum Laubhüttenfest waren, besonders stark. Diese Leute wussten sehr wenig über Jesus, und sie lehnten es ab, ihn zu beherbergen, weil er und seine Gefährten Juden waren. Als sich Matthäus und Philipp entrüsteten und diesen Samaritanern zu verstehen gaben, dass sie dem Heiligen Israels die Gastfreundschaft verweigerten, verjagten die erzürnten Dorfbewohner sie mit Stöcken und Steinen aus dem kleinen Ort. Zu ihren Kameraden zurückgekehrt, erzählten Philipp und Matthäus, wie man sie aus dem Dorf hinausgetrieben hatte. Da gingen Jakobus und Johannes zu Jesus und sagten: "Meister, wir bitten dich, erlaube uns, Feuer vom Himmel herabzurufen, damit es diese frechen und verstockten Samaritaner vernichte." Aber als Jesus diese rachsüchtigen Worte hörte, wandte er sich den Söhnen des Zebedäus zu und tadelte sie streng: "Ihr seid euch nicht bewusst, was ihr mit eurem Verhalten zum Ausdruck bringt. Rache ist mit den Anschauungen des Königreichs des Himmels unvereinbar. Statt zu streiten, lasst uns lieber zu jenem Dörfchen an der Jordanfurt hinübergehen." Und so beraubten sich diese Samaritaner aus religiösem Vorurteil der Ehre, dem Schöpfersohn eines Universums ihre Gastfreundschaft zu gewähren. Jesus und die Zehn übernachteten im Dorf nahe der Jordanfurt. Früh am nächsten Tag überquerten sie den Fluss und setzten ihren Weg nach Jerusalem auf der dem Jordanostufer folgenden Hauptstraße fort. Sie trafen in Bethanien spät am Mittwochabend ein. Thomas und Nathanael langten am Freitag an, da sie durch ihre Gespräche mit Rodan aufgehalten wurden. Jesus und die Zwölf blieben bis Ende des folgenden Monats (Oktober), ungefähr viereinhalb Wochen lang, in der Nachbarschaft Jerusalems. Jesus selber begab sich nur ein paar Mal in die Stadt, und diese kurzen Besuche machte er während des Laubhüttenfestes. Einen beträchtlichen Teil des Oktobers verbrachte er mit Abner und dessen Mitarbeitern in Bethlehem. ***** 162.1 Die Gefahren des Besuchs in Jerusalem ***** Lange vor ihrer Flucht aus Galiläa hatten Jesu Jünger ihn inständig gebeten, zur Verkündigung des Evangeliums vom Königreich nach Jerusalem zu gehen, damit seine Botschaft mit dem Prestige ausgestattet würde, am Zentrum jüdischer Kultur und Bildung verkündigt worden zu sein; aber jetzt, da er tatsächlich nach Jerusalem gekommen war, um zu lehren, fürchteten sie für sein Leben. Da die Apostel wussten, dass der Sanhedrin versucht hatte, Jesus nach Jerusalem vor Gericht zu bringen, und sie sich an die kürzlichen, wiederholten Äußerungen des Meisters erinnerten, er müsse den Tod erleiden, waren sie bei seinem plötzlichen Entschluss, dem Laubhüttenfest beizuwohnen, buchstäblich vom Blitz getroffen. Auf alle ihre früheren Bitten, nach Jerusalem zu gehen, hatte er stets zur Antwort gegeben: "Die Stunde ist noch nicht gekommen." Nun antwortete er auf ihre ängstlichen Proteste hin nur: "Aber die Stunde ist gekommen." Während des Laubhüttenfestes ging Jesus bei verschiedenen Gelegenheiten unerschrocken nach Jerusalem hinein und lehrte öffentlich im Tempel. Er tat dies trotz der Bemühungen seiner Apostel, ihn davon abzuhalten. Obwohl sie ihn lange Zeit gedrängt hatten, seine Botschaft in Jerusalem zu verkündigen, hatten sie jetzt Angst, ihn die Stadt zu diesem Zeitpunkt betreten zu sehen, da sie nur zu gut wussten, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer entschlossen waren, ihn umzubringen. Jesu kühnes Auftreten in Jerusalem verwirrte seine Anhänger mehr denn je. Viele seiner Jünger, und sogar der Apostel Judas Iskariot, hatten zu denken gewagt, er sei übereilt nach Phönizien geflohen, weil er sich vor den Führern der Juden und vor Herodes Antipas fürchtete. Sie waren außerstande, die Bedeutung der Schritte des Meisters zu verstehen. Seine Anwesenheit beim Laubhüttenfest in Jerusalem, sogar gegen den Rat seiner Jünger, genügte, um alles Geflüster über Furcht und Feigheit endgültig zum Verstummen zu bringen. Während des Laubhüttenfestes sahen Tausende von Gläubigen aus allen Teilen des Römischen Reichs Jesus und hörten ihn lehren, und viele von ihnen begaben sich sogar hinaus nach Bethanien, um mit ihm den Fortschritt des Königreichs in ihren Heimatgebieten zu besprechen. Es gab viele Gründe, die es Jesus ermöglichten, während der Festtage in den Tempelhöfen öffentlich zu predigen, aber der wichtigste war die Furcht, die die Amtsträger des Sanhedrins infolge der heimlichen gefühlsmäßigen Spaltung in den eigenen Reihen überkommen hatte. Es war eine Tatsache, dass viele Mitglieder des Sanhedrins entweder heimlich an Jesus glaubten oder aus anderen Gründen einer Verhaftung während des Festes entschieden abgeneigt waren, da eine so große Zahl von Menschen sich in Jerusalem aufhielt, von denen viele an ihn glaubten oder wenigstens die geistige Bewegung, die er anführte, mit Wohlwollen betrachteten. Die Bemühungen Abners und seiner Mitarbeiter in ganz Judäa trugen auch viel zur Festigung der positiven Gefühle gegenüber dem Königreich bei, so dass Jesu Feinde es nicht wagten, ihre Opposition allzu deutlich zu bekunden. Das war einer der Gründe, weshalb Jesus Jerusalem in aller Öffentlichkeit besuchen und es lebend verlassen konnte. Ein oder zwei Monate zuvor hätte man ihn bestimmt umgebracht. Aber die verwegene Kühnheit von Jesu öffentlichem Auftreten in Jerusalem schüchterte seine Feinde ein; sie waren auf solch eine wagemutige Herausforderung nicht gefasst. Während dieses Monats unternahm der Sanhedrin mehrere Male schwache Versuche, den Meister zu verhaften, aber diese Bemühungen blieben ergebnislos. Jesu unerwartetes öffentliches Erscheinen in Jerusalem überraschte seine Feinde derart, dass sie mutmaßten, die römischen Befehlshaber hätten ihm Schutz versprochen. Da die Mitglieder des Sanhedrins wussten, dass Philipp (der Bruder von Herodes Antipas) fast ein Anhänger Jesu war, vermuteten sie, Philipp habe für Jesus das Versprechen auf Schutz vor seinen Feinden erwirkt. Bevor sie gewahr wurden, dass sie sich in dem Glauben getäuscht hatten, Jesu plötzliches kühnes Auftreten in Jerusalem beruhe auf einer geheimen Absprache mit den römischen Beamten, hatte er ihren Rechtsbereich wieder verlassen. Als sie aus Magadan weggingen, wussten nur die zwölf Apostel, dass Jesus am Laubhüttenfest teilzunehmen beabsichtigte. Die anderen Anhänger des Meisters waren höchst erstaunt, als er in den Tempelhöfen erschien und öffentlich zu predigen begann, und die jüdischen Amtsträger waren über alle Maßen überrascht, als ihnen berichtet wurde, er lehre im Tempel. Obwohl Jesu Jünger nicht erwartet hatten, dass er am Fest teilnehmen würde, hatte die überwiegende Mehrzahl der von weither angereisten Pilger, die von ihm gehört hatten, die Hoffnung gehegt, ihn in Jerusalem zu sehen. Und sie wurden nicht enttäuscht, denn verschiedene Male lehrte er in der Vorhalle Salomons und anderswo in den Tempelhöfen. Diese Predigten waren wirklich die offizielle und formelle Verkündigung von Jesu Göttlichkeit an das jüdische Volk und an die ganze Welt. Die Scharen derer, die den Unterweisungen des Meisters zuhörten, waren uneins in ihren Meinungen. Die einen sagten, er sei ein guter Mensch; andere, er sei ein Prophet; wieder andere, er sei wirklich der Messias; und noch andere meinten, er sei ein schädlicher Störenfried, der die Leute mit seinen seltsamen Lehren auf Abwege führe. Seine Feinde zögerten aus Furcht vor den ihm freundlich gesinnten Gläubigen, ihn offen anzuprangern, während seine Freunde es aus Angst vor den jüdischen Führern nicht wagten, ihn offen anzuerkennen, denn sie wussten, dass der Sanhedrin seinen Tod beschlossen hatte. Aber auch seine Feinde staunten über seine Unterweisung, zumal sie wussten, dass er nicht an den rabbinischen Schulen ausgebildet worden war. Jedes Mal, wenn Jesus sich nach Jerusalem begab, erfüllte Schrecken seine Apostel. Sie ängstigten sich umso mehr, als sie seine von Tag zu Tag kühner werdenden Erklärungen zur Natur seiner Sendung auf Erden hörten. Sie waren es nicht gewohnt, Jesus solch eindeutige Ansprüche erheben und so erstaunliche Behauptungen aufstellen zu hören, auch nicht, wenn er unter Freunden predigte. ***** 162.2 Das erste Tempelgespräch ***** Am ersten Nachmittag, als Jesus im Tempel lehrte, war eine beachtliche Menge anwesend und hörte ihm zu, wie er die Freiheit des neuen Evangeliums und die Freude derer beschrieb, die an die gute Nachricht glaubten, als ein neugieriger Zuhörer ihn mit der Frage unterbrach: "Lehrer, wie kommt es, dass du aus den Schriften zitieren und das Volk so redegewandt unterrichten kannst, wenn mir gesagt wird, dass du nicht in der Gelehrsamkeit der Rabbiner geschult bist?" Jesus erwiderte: "Kein Mensch hat mich die Wahrheit gelehrt, die ich euch verkündige. Und diese Lehre ist nicht die meine, sondern die Lehre Dessen, der mich gesandt hat. Wenn ein Mensch wirklich begehrt, meines Vaters Willen zu tun, wird er mit Bestimmtheit wissen, ob meine Lehre diejenige Gottes ist oder ob ich in eigener Sache spreche. Wer in eigener Sache spricht, sucht seine eigene Ehre, aber wenn ich die Worte des Vaters verkündige, geht es mir dabei um die Ehre Dessen, der mich gesandt hat. Aber solltet ihr nicht, bevor ihr versucht, in das neue Licht zu treten, zuerst dem Licht folgen, das ihr bereits besitzt? Moses gab euch das Gesetz, aber wie viele von euch geben sich ehrlich Mühe, seine Forderungen zu erfüllen? Moses befiehlt euch in diesem Gesetz: `Ihr sollt nicht töten'; aber trotz dieses Befehls trachten einige von euch danach, den Menschensohn zu töten." Als die Leute diese Worte vernahmen, begannen sie untereinander zu streiten. Einige sagten, er sei verrückt; einige, er sei von einem Teufel besessen. Andere sagten, das sei wirklich der Prophet aus Galiläa, den die Schriftgelehrten und Pharisäer seit langem umzubringen suchten. Einige sagten, die religiösen Behörden fürchteten sich, ihn zu belästigen; andere dachten, jene legten nicht Hand an ihn, weil sie begonnen hätten, an ihn zu glauben. Nach erheblicher Debatte trat einer aus der Menge hervor und fragte Jesus: "Weshalb wollen die Führer dich töten?" Und er erwiderte: "Die Führer wollen mich töten, weil sie Anstoß nehmen an meiner Lehre von der guten Nachricht vom Königreich, einem Evangelium, das die Menschen freimacht von den auf ihnen lastenden Traditionen einer formelhaften Religion von Zeremonien, die diese Lehrer um jeden Preis aufrechtzuerhalten entschlossen sind. Sie nehmen die Beschneidung gemäß Gesetz am Sabbat vor, aber sie möchten mich töten, weil ich einmal an einem Sabbat einen Mann von seinem Leiden befreite. Sie folgen mir am Sabbat nach, um mich auszuspionieren, aber sie möchten mich umbringen, weil ich es bei anderer Gelegenheit für gut befand, einen schwer heimgesuchten Mann an einem Sabbat wieder vollkommen gesund zu machen. Sie wollen mich töten, weil sie genau wissen, dass ihr ganzes System traditioneller Religion über den Haufen geworfen und für immer zerstört wird, wenn ihr aufrichtig an meine Lehre glaubt und sie anzunehmen wagt. Und sie werden dabei ihre Macht über das verlieren, was zu ihrem Lebensinhalt geworden ist, da sie sich hartnäckig weigern, dieses neue und glorreichere Evangelium vom Königreich Gottes anzunehmen. Und nun appelliere ich an einen jeden von euch: Urteilt nicht nach dem äußeren Schein, sondern urteilt vielmehr nach dem wahren Geist dieser Lehren; urteilt gerecht." Da sagte ein anderer Fragesteller: "Ja, Lehrer, wir erwarten den Messias, aber wir wissen, wenn er kommt, wird sein Erscheinen ein Mysterium sein. Wir wissen, woher du kommst. Du lebtest von Anfang an unter deinen Brüdern. Der Erlöser wird mit Macht kommen, um den Thron von Davids Königreich wiederherzustellen. Erhebst du wirklich den Anspruch, der Messias zu sein?" Und Jesus antwortete: "Du behauptest, mich zu kennen und zu wissen, woher ich komme. Ich wünschte, deine Behauptungen stimmten, denn dann würdest du in diesem Wissen Leben im Überfluss finden. Aber ich erkläre, dass ich nicht in eigener Sache zu euch gekommen bin; der Vater hat mich gesandt, und er, der mich gesandt hat, ist wahr und treu. Wenn ihr euch weigert, mich zu hören, weigert ihr euch, Denjenigen zu empfangen, der mich sendet. Wenn ihr aber dieses Evangelium empfangen wollt, werdet ihr Ihn kennen, der mich gesandt hat. Ich kenne den Vater, denn ich bin vom Vater gekommen, um ihn euch zu verkündigen und zu offenbaren." Die Agenten der Schriftgelehrten wollten Hand an ihn legen, aber sie fürchteten sich vor der Menge, denn viele glaubten an ihn. Jesu Wirken seit seiner Taufe war im ganzen Judentum gut bekannt geworden, und während viele der Anwesenden diese Dinge aufzählten, sprachen sie untereinander: "Obwohl dieser Lehrer aus Galiläa kommt und obwohl er nicht all unseren Erwartungen vom Messias entspricht, fragen wir uns doch, ob der Befreier bei seinem Kommen wirklich wunderbarere Dinge tun wird, als dieser Jesus von Nazareth bereits getan hat." Als die Pharisäer und ihre Agenten die Leute in dieser Weise sprechen hörten, berieten sie sich mit ihren Führern und beschlossen, unverzüglich etwas zu unternehmen, um mit diesen öffentlichen Auftritten Jesu in den Tempelhöfen Schluss zu machen. Die Führer der Juden waren im Allgemeinen geneigt, einen Zusammenprall mit Jesus zu vermeiden, denn sie glaubten, die römischen Behörden hätten ihm Immunität zugesichert. Sie konnten sich seine Kühnheit, zu diesem Zeitpunkt nach Jerusalem zu kommen, nicht anders erklären; aber die Beamten des Sanhedrins glaubten diesem Gerücht nicht ganz. Sie überlegten, dass die römischen Herrscher so etwas nicht im Geheimen machen würden und ohne die oberste regierende Körperschaft der jüdischen Nation davon in Kenntnis zu setzen. Also wurde Eber, der zuständige Beamte des Sanhedrins, mit zwei Helfern ausgeschickt, um Jesus zu verhaften. Als Eber auf Jesus zuschritt, sagte der Meister: "Fürchte nicht, dich mir zu nähern. Komm näher und höre dir meine Lehre an. Ich weiß, dass man dich geschickt hat, um mich festzunehmen, aber du solltest verstehen, dass dem Menschensohn nichts zustoßen wird, bevor seine Stunde gekommen ist. Du bist mir nicht feindlich gesinnt; du kommst nur in Ausführung des Auftrags deiner Meister, und sogar diese Führer der Juden denken allen Ernstes, Gott zu dienen, wenn sie heimlich nach meiner Vernichtung trachten. "Ich hege gegen keinen von euch irgendwelchen Groll. Der Vater liebt euch, und deshalb sehne ich eure Befreiung von der Knechtung durch Vorurteil und von der Finsternis der Tradition herbei. Ich biete euch die Freiheit des Lebens und die Freude der Errettung an. Ich verkündige den neuen und lebendigen Weg, die Erlösung vom Übel und das Zerreißen der Ketten der Sünde. Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und es in aller Ewigkeit habt. Ihr sinnt darauf, mich und meine beunruhigenden Lehren loszuwerden. Wenn ihr nur begreifen könntet, dass ich nur noch eine kleine Weile bei euch sein werde! Binnen kurzem kehre ich zu Ihm zurück, der mich in diese Welt gesandt hat. Und dann werden viele von euch eifrig nach mir suchen, aber ihr werdet meine Gegenwart nicht entdecken, denn ihr könnt nicht dahin kommen, wohin ich bald gehen werde. Aber alle, die sich aufrichtig bemühen, mich zu finden, werden einmal das Leben finden, das in meines Vaters Gegenwart führt." Einige Spötter sagten zueinander: "Wohin will dieser Mann gehen, wo wir ihn nicht finden können? Will er unter den Griechen leben? Will er sich umbringen? Was meint er wohl, wenn er sagt, er werde uns bald verlassen und wir könnten nicht hingehen, wo er hingeht?" Eber und seine Gehilfen weigerten sich, Jesus zu verhaften; sie kehrten ohne ihn an ihren Treffpunkt zurück. Als die Hohenpriester und Pharisäer Eber und seine Helfer rügten, weil sie Jesus nicht mitgebracht hatten, antwortete Eber nur: "Wir fürchteten uns, ihn mitten aus der Menge heraus festzunehmen, weil viele an ihn glauben. Überdies haben wir nie einen Menschen reden hören wie diesen Mann. Es ist etwas an diesem Lehrer, das aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fällt. Ihr tätet alle gut daran, hinüberzugehen und ihm zuzuhören." Erstaunt vernahmen die Hohenpriester diese Worte und sagten spöttisch zu Eber: "Hast auch du dich verleiten lassen? Bist du dabei, diesem Betrüger zu glauben? Hast du gehört, dass irgendeiner unserer gelehrten Männer oder unserer Führer an ihn glaubt? Hat sich irgendeiner von den Schriftgelehrten oder von den Pharisäern von seinen raffinierten Lehren täuschen lassen? Wie kommt es, dass du dich durch das Verhalten dieser ignoranten Menge beeinflussen lässt, die weder das Gesetz noch die Propheten kennt? Weißt du nicht, dass solch ungebildete Leute verflucht sind?" Darauf antwortete Eber: "Wenn schon, mein Meister, aber dieser Mann spricht Worte des Erbarmens und der Hoffnung zu der Menge. Er gibt den Niedergeschlagenen wieder Mut, und seine Worte haben auch unseren Seelen gut getan. Was kann falsch sein an diesen Lehren, auch wenn er nicht der Messias der Schriften sein sollte? Und auch dann, verlangt unser Gesetz nicht Fairness? Verurteilen wir einen Menschen, bevor wir ihn angehört haben?" Das Oberhaupt des Sanhedrins war über Eber erzürnt und wandte sich mit den Worten an ihn: "Bist du verrückt geworden? Kommst etwa auch du aus Galiläa? Geh die Schriften durch, und du wirst entdecken, dass aus Galiläa kein Prophet kommt, und noch viel weniger der Messias." Der Sanhedrin löste sich in der Verwirrung auf, und Jesus zog sich für die Nacht nach Bethanien zurück. ***** 162.3 Die Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde ***** Es geschah während dieses Besuchs in Jerusalem, dass Jesus mit einer gewissen Frau von zweifelhaftem Ruf zu tun hatte, die von ihren Anklägern und von seinen Feinden vor ihn geführt wurde. Der entstellte Bericht, den ihr von dieser Begebenheit besitzt, gibt zu verstehen, dass es die Schriftgelehrten und Pharisäer waren, die diese Frau vor Jesus brachten, und dass Jesus mit seiner Handlungsweise zum Ausdruck bringen wollte, diese religiösen Führer der Juden hätten sich selbst unmoralisches Verhalten zu Schulden kommen lassen. Jesus wusste sehr gut, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer, obwohl geistig blind und durch ihre Traditionstreue intellektuell voreingenommen, zu den durch und durch moralischen Menschen jener Tage und Generation zu zählen waren. Was sich tatsächlich zutrug, war Folgendes: Als Jesus sich früh am Morgen des dritten Festtages dem Tempel näherte, kam ihm eine Gruppe durch den Sanhedrin angeworbener Agenten entgegen, die eine Frau mit sich schleppten. Als sie ihn erreicht hatten, sagte ihr Sprecher: "Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt worden. Nun befiehlt uns das Gesetz von Moses, eine solche Frau zu steinigen. Was soll deiner Meinung nach mit ihr geschehen?" Der Plan der Feinde Jesu war dieser: Sollte er sich an Mose Gesetz halten, das die Steinigung der geständigen Übeltäterin forderte, würden sie ihn in Schwierigkeiten mit den römischen Herrschern verwickeln, die den Juden das Recht verwehrt hatten, die Todesstrafe ohne Genehmigung durch ein römisches Gericht zu verhängen. Sollte er die Steinigung der Frau verbieten, würden sie ihn vor dem Sanhedrin anklagen, sich über Moses und das jüdische Gesetz zu stellen. Schwiege er, würden sie ihn der Feigheit bezichtigen. Aber der Meister handhabte die Situation derart, dass das ganze Komplott unter seinem eigenen schmutzigen Gewicht zusammenbrach. Diese einst attraktive Frau war die Ehefrau eines verkommenen Bürgers von Nazareth, eines Mannes, der Jesus während seiner Jugend immer wieder Schwierigkeiten bereitet hatte. Nach seiner Heirat mit dieser Frau zwang er sie auf schändliche Weise, ihren Körper zu verkaufen, um für beider Lebensunterhalt aufzukommen. Er war zum Fest nach Jerusalem gekommen, damit seine Frau aus der Prostitution ihrer physischen Reize finanziellen Gewinn schlüge. Er hatte mit den Mietlingen der jüdischen Führer einen Handel abgeschlossen, um seine eigene Frau bei ihrem einträglichen Laster zu verraten. Und so kamen sie nun daher mit dieser Frau und dem mit ihr an der Gesetzesübertretung Beteiligten, um Jesus in eine Erklärung zu verstricken, die im Falle seiner Verhaftung gegen ihn benutzt werden könnte. Jesus überblickte die Ansammlung und bemerkte ihren Mann, der hinter den anderen stand. Er wusste, was für ein Mensch er war und erkannte, dass er an dem abscheulichen Unternehmen beteiligt war. Jesus ging nahe an die Stelle, wo der verkommene Ehemann stand, und schrieb einige Worte in den Sand, die jenen veranlassten, sich eilends zu entfernen. Darauf kehrte er zu der Frau zurück und schrieb wieder auf den Boden, diesmal für ihre Möchtegern-Ankläger; und als diese seine Worte lasen, gingen auch sie einer nach dem anderen weg. Und nachdem der Meister zum dritten Mal in den Sand geschrieben hatte, entfernte sich der Sündengefährte der Frau, so dass der Meister, als er sich vom Schreiben erhob, die Frau allein vor sich stehen sah. Jesus sagte: "Frau, wo sind deine Ankläger? Ist niemand geblieben, um dich zu steinigen?" Die Frau hob ihre Augen auf und antwortete: "Niemand, Herr." Und dann sprach Jesus: "Ich kenne dich; und ich verurteile dich auch nicht. Geh deines Weges in Frieden." Und diese Frau, Hildanah, verließ ihren lasterhaften Ehemann und schloss sich den Jüngern des Königreichs an. ***** 162.4 Das Laubhüttenfest ***** Die Anwesenheit von Menschen aus der ganzen bekannten Welt, von Spanien bis Indien, machte aus dem Laubhüttenfest eine ideale Gelegenheit für Jesus, sein vollständiges Evangelium zum ersten Mal öffentlich in Jerusalem zu verkündigen. An diesem Fest hielten die Leute sich viel im Freien in Laubhütten auf. Es war das Fest der Einbringung der Ernte. Da es in der Kühle der Herbstmonate stattfand, wurde es von den Juden der ganzen Welt stärker besucht als Passah am Ende des Winters oder Pfingsten zu Sommerbeginn. Die Apostel sahen endlich ihren Meister kühn seine Sendung auf Erden gleichsam vor der ganzen Welt verkündigen. Es war das Fest der Feste, da jedes anlässlich eines anderen Festes versäumte Opfer jetzt nachgeholt werden konnte. Es war der günstige Augenblick, da die Tempelopfer entgegengenommen wurden; es war eine Kombination von Ferienfreuden mit feierlichen Riten religiöser Verehrung. Es war eine Zeit allgemeiner Fröhlichkeit der Rasse, vermischt mit Opfern, Levitischen Gesängen und dem feierlichen Geschmetter der silbernen Trompeten der Priester. Des Nachts wurde das eindrucksvolle Schauspiel von Tempel und Pilgerscharen glanzvoll erleuchtet von großen Kandelabern, die hell im Hof der Frauen brannten, sowie durch den Schein von Hunderten von Fackeln, die überall in den Tempelhöfen standen. Die ganze Stadt war fröhlich geschmückt mit Ausnahme der römischen Burg Antonia, die in grimmigem Kontrast auf dieses festliche und andächtige Schauspiel herabblickte. Und wie die Juden diese stets gegenwärtige Erinnerung an das römische Joch hassten! Siebzig Ochsen wurden während des Festes geopfert; sie symbolisierten die siebzig Nationen der heidnischen Welt. Die Zeremonie des Ausgießens des Wassers symbolisierte das Ausgießen des heiligen Geistes. Diese Wasserzeremonie folgte auf die Prozession der Priester und Leviten bei Sonnenaufgang. Die Andächtigen stiegen die Stufen hinunter, die vom Hof Israels zum Hof der Frauen führten, während nacheinander Trompetenstöße aus den silbernen Instrumenten erschallten. Und dann schritten die Gläubigen auf das prächtige Tor zu, das sich zum Hof der Heiden hin öffnete. Hier wandten sie sich nach Westen, wiederholten ihre Gesänge und setzten ihre Prozession für das symbolische Wasser fort. Am letzten Tag des Festes leiteten fast vierhundertfünfzig Priester mit einer entsprechenden Anzahl Leviten den Gottesdienst. Bei Tagesanbruch versammelten sich die Pilger aus allen Stadtteilen. Jeder hielt in der Rechten einen Bund aus Myrthe, Weiden- und Palmzweigen, und in der Linken trugen sie einen Zweig des Paradiesapfels - der Zitrone oder "verbotenen Frucht". Die Pilger teilten sich für die frühmorgendliche Zeremonie in drei Gruppen. Die eine blieb im Tempel, um dem Morgenopfer beizuwohnen; eine andere stieg hinab, um unterhalb von Jerusalem in der Nähe von Maza Weidenzweige zum Schmuck des Opferaltars zu schneiden, während die dritte Gruppe eine Prozession bildete, die vom Tempel weg hinter dem Wasserpriester herschritt, welcher unter dem Geschmetter der silbernen Trompeten den goldenen Krug, der das symbolische Wasser aufnehmen sollte, durch Ophel in die Nähe von Siloa hinaustrug, wo sich das Brunnentor befand. Nachdem der goldene Krug im Teich von Siloa gefüllt worden war, bewegte sich die Prozession zum Tempel zurück, den sie durch das Wassertor betrat, und ging direkt in den Hof der Priester, wo sich zu dem Priester, der den Wasserkrug trug, der Priester gesellte, der den Wein für das Trankopfer trug. Die beiden Priester begaben sich danach zu den silbernen Trichtern, die zur Altarbasis führten, und schütteten den Inhalt der Krüge hinein. Die Ausführung dieses Ritus der Ausgießung von Wein und Wasser war das Signal für die versammelten Pilger, mit dem Sprechgesang der Psalmen 118 im Wechsel mit den Leviten zu beginnen. Und beim Wiederholen dieser Texte schwenkten sie ihre Garben zum Altar hin. Dann folgten die Opferungen des Tages unter wiederholtem Singen des Psalms des Tages; der Psalm des letzten Festtages war der zweiundachtzigste, und sie begannen mit dem fünften Vers. ***** 162.5 Predigt über das Licht der Welt ***** Am Abend des vorletzten Festtags, als Kandelaber und Fackeln den Schauplatz in ihr helles Licht tauchten, erhob sich Jesus inmitten der versammelten Menge und sagte: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, wird nicht in der Finsternis gehen, sondern er wird das Licht des Lebens haben. Ihr maßt euch an, mich vor Gericht zu bringen und nehmt euch heraus, euch zu meinen Richtern aufzuwerfen und erklärt, weil ich über mich selber Zeugnis ablege, könne mein Zeugnis nicht wahr sein. Aber niemals kann das Geschöpf über den Schöpfer zu Gericht sitzen. Auch wenn ich von mir selber zeuge, ist mein Zeugnis auf ewig wahr, denn ich weiß, woher ich kam, wer ich bin und wohin ich gehe: Ihr, die ihr den Menschensohn umbringen möchtet, wisst nicht, woher ich komme, wer ich bin und wohin ich gehe. Ihr urteilt nur nach dem äußeren Schein; ihr nehmt die Realitäten des Geistes nicht wahr. Ich richte niemanden, nicht einmal meinen Erzfeind. Aber sollte ich mich entschließen zu richten, wäre mein Urteil wahr und gerecht, denn ich würde nicht alleine richten, sondern zusammen mit meinem Vater, der mich in die Welt gesandt hat und der die Quelle allen wahren Gerichts ist. Auch ihr anerkennt die Gültigkeit des Zeugnisses von zwei vertrauenswürdigen Personen - nun also, dann bezeuge ich diese Wahrheiten; und ebenso tut das mein Vater im Himmel. Und als ich euch das gestern sagte, fragtet ihr mich in eurer Finsternis: `Wo ist dein Vater?' Wahrhaftig, ihr kennt weder mich noch meinen Vater, denn hättet ihr mich gekannt, hättet ihr auch meinen Vater gekannt. Ich habe euch bereits gesagt, dass ich bald weggehen werde, und dass ihr mich suchen, aber nicht finden werdet, denn dahin, wo ich gehe, könnt ihr nicht kommen. Ihr, die ihr dieses Licht zurückweisen möchtet, seid von hienieden; ich bin vom Himmel. Ihr, die ihr es vorzieht, in der Finsternis zu sitzen, seid von dieser Welt; ich bin nicht von dieser Welt, und ich lebe im ewigen Licht des Vaters allen Lichtes. Ihr habt alle reichlich Gelegenheit gehabt zu erfahren, wer ich bin, aber ihr sollt noch weitere Beweise erhalten, die die Identität des Menschensohnes bestätigen. Ich bin das Licht des Lebens, und jeder, der dieses rettende Licht vorsätzlich und wissentlich zurückweist, soll in seinen Sünden sterben. Ich habe euch viel zu sagen, aber ihr seid unfähig, meine Worte aufzunehmen. Aber der mich gesandt hat, ist wahr und treu; mein Vater liebt sogar seine verirrten Kinder. Und alles, was mein Vater gesprochen hat, verkündige auch ich der Welt. "Wenn der Menschensohn erhöht sein wird, werdet ihr alle erkennen, dass ich derjenige bin, und dass ich nichts aus mir selber heraus getan habe, sondern nur, was der Vater mich gelehrt hat. Ich spreche diese Worte zu euch und euren Kindern. Und der mich gesandt hat, ist auch jetzt bei mir; er hat mich nicht allein gelassen, denn ich tue immer, was ihm gefällt." Als Jesus die Pilger in den Tempelhöfen in dieser Art lehrte, glaubten viele. Und niemand wagte es, Hand an ihn zu legen. ***** 162.6 Rede über das Wasser des Lebens ***** Am letzten, dem großen Tag des Festes, als die Prozession vom Teich von Siloa herkommend durch die Tempelhöfe schritt, und gerade nachdem die Priester das Wasser und den Wein über dem Altar ausgegossen hatten, sagte Jesus, der inmitten der Pilger stand: "Wenn jemand Durst hat, so komme er zu mir und trinke. Vom Vater im Himmel bringe ich dieser Welt das Wasser des Lebens. Wer mir glaubt, der soll mit dem Geist erfüllt werden, den dieses Wasser darstellt, denn sogar die Schriften haben gesagt, `Aus ihm werden Ströme lebendigen Wassers fließen'. Wenn der Menschensohn sein Werk auf Erden vollendet hat, wird über alles Fleisch der lebendige Geist der Wahrheit ausgegossen werden. Wer diesen Geist empfängt, wird nie geistigen Durst kennen." Jesus unterbrach den Gottesdienst mit diesen Worten nicht. Er wandte sich an die Andächtigen unmittelbar nach dem im Chor gesprochenen Hallel, das der Lesung der Psalmen antwortete und vom Schwenken der Zweige vor dem Altar begleitet wurde. Gerade hier gab es eine Pause, während der die Opfer vorbereitet wurden, und in diesem Augenblick hörten die Pilger die faszinierende Stimme des Meisters, der erklärte, er spende jeder nach Geist durstenden Seele das lebendige Wasser. Am Ende dieses frühen Morgengottesdienstes fuhr Jesus fort, die Menge zu unterweisen. Er sagte: "Habt ihr in der Schrift nicht gelesen: `Siehe, wie Wasser auf den trockenen Boden ausgegossen wird und sich über das versengte Erdreich verteilt, also werde ich euch den Geist der Heiligkeit geben, dass er über eure Kinder ausgegossen werde zum Segen sogar eurer Kindeskinder?' Warum wollt ihr nach der Wohltat des Geistes dürsten, indem ihr eure Seelen mit dem Wasser menschlicher Tradition zu erfrischen sucht, das aus den zerbrochenen Krügen zeremoniel-ler Handlungen geschüttet wird? Das, was ihr in diesem Tempel sich abspielen seht, ist die Art und Weise, in der eure Väter das Geschenk des göttlichen Geistes an die Kinder des Glaubens zu symbolisieren versuchten, und ihr habt gut daran getan, an diesen Symbolen bis zum heutigen Tag festzuhalten. Aber nun ist für diese Generation die Offenbarung des Vaters der Geiste durch die Hingabe seines Sohnes gekommen, und auf all das wird mit Sicherheit das Geschenk des Geistes des Vaters und des Sohnes an die Menschenkinder folgen. Für jeden, der den Glauben hat, wird dieses Geschenk des Geistes der wahre Lehrer werden auf dem Weg, der zum ewigen Leben führt, zu den wahren Wassern des Lebens im himmlischen Königreich auf Erden und im Paradies des Vaters im Jenseits." Und Jesus fuhr fort, die Fragen zu beantworten, die aus der Menge und von den Pharisäern an ihn gerichtet wurden. Einige dachten, er sei ein Prophet, andere glaubten, er sei der Messias, und wieder andere sagten, er könne nicht der Christus sein, da er ja aus Galiläa stamme und der Messias Davids Thron wiederherstellen müsse. Aber sie wagten nicht, ihn zu verhaften. ***** 162.7 Die Rede über geistige Freiheit ***** Am Nachmittag des letzten Festtages ging Jesus wiederum in den Tempel, um zu lehren, nachdem die Apostel vergeblich versucht hatten, ihn zur Flucht aus Jerusalem zu bewegen. Als er in der Vorhalle Salomons eine große Zahl von versammelten Gläubigen antraf, richtete er folgende Worte an sie: "Wenn meine Worte in euch bleiben und ihr gesonnen seid, den Willen meines Vaters zu tun, seid ihr wahrhaftig meine Jünger. Ihr werdet die Wahrheit kennen, und die Wahrheit wird euch freimachen. Ich weiß, ihr werdet mir antworten: Wir sind die Kinder Abrahams und niemandes Knechte; wie können wir denn da befreit werden? Aber ich spreche nicht von äußerer Unterwerfung unter die Herrschaft eines anderen, ich spreche von den Freiheiten der Seele. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, jeder, der sündigt, ist der Sklave der Sünde. Und ihr wisst, dass der Sklave voraussichtlich nicht für immer im Hause des Herrn wohnen wird. Ihr wisst aber auch, dass der Sohn in des Vaters Haus bleibt. Wenn der Sohn euch also freimachen, zu Söhnen machen wird, werdet ihr tatsächlich frei werden. Ich weiß, dass ihr Abrahams Same seid, und doch trachten mir eure Führer nach dem Leben, weil sie meinem Wort nicht erlaubt haben, in ihren Herzen seine verwandelnde Kraft auszuüben. Ihre Seelen sind mit Vorurteilen versiegelt, und Hochmut und Rachsucht machen sie blind. Ich verkünde euch die Wahrheit, die der ewige Vater mir zeigt, während diese irregeführten Lehrer die Dinge zu tun suchen, die sie nur von ihren irdischen Vätern gelernt haben. Und wenn ihr entgegnet, dass Abraham euer Vater ist, dann sage ich euch, dass ihr, wäret ihr Abrahams Kinder, auch die Werke Abrahams tätet. Einige von euch glauben an meine Lehre, aber andere suchen mich zu vernichten, weil ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich von Gott erhalten habe. Aber so verfuhr Abraham nicht mit der Wahrheit Gottes. Ich sehe klar, dass einige von euch entschlossen sind, die Werke der Finsternis zu tun. Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich kennen und die Wahrheit lieben, die ich offenbare. Wollt ihr nicht sehen, dass ich vom Vater komme, dass ich von Gott gesandt bin, dass ich all dies nicht von mir aus tue? Warum versteht ihr meine Worte nicht? Ist es, weil ihr es vorzieht, die Kinder des Bösen zu werden? Wenn ihr Kinder der Finsternis seid, werdet ihr kaum im Licht der Wahrheit wandeln, die ich offenbare. Die Kinder des Bösen treten bloß in die Fußstapfen ihres Vaters, der ein Betrüger war und nicht die Wahrheit vertrat, weil keine in ihm war. Aber jetzt kommt der Menschensohn, der die Wahrheit spricht und sie lebt, und viele von euch weigern sich zu glauben. Wer von euch überführt mich der Sünde? Wenn ich also die Wahrheit, die der Vater mir gezeigt hat, verkündige und lebe, warum glaubt ihr mir nicht? Wer Gottes ist, der hört das Wort Gottes mit Freuden; viele von euch hören deshalb meine Worte nicht, weil ihr nicht Gottes seid. Eure Lehrer haben sich sogar zu der Behauptung verstiegen, ich tue mein Werk durch die Macht des Teufelsfürsten. Jemand ganz in der Nähe hat eben gesagt, ich habe einen Teufel in mir, ich sei ein Kind des Teufels. Aber alle von euch, die ihrer Seele gegenüber aufrichtig sind, wissen sehr gut, dass ich kein Teufel bin. Ihr wisst, dass ich den Vater ehre, und doch möchtet ihr mich entehren. Ich suche nicht meinen eigenen Ruhm, sondern einzig den Ruhm meines Vaters im Paradies. Und ich richte euch nicht, denn es gibt einen, der an meiner Stelle richtet. "Wahrlich, wahrlich, ich sage zu denen, die an das Evangelium glauben, dass ein Mensch, der dieses Wort der Wahrheit in seinem Herzen lebendig halten will, nie den Tod erfahren wird. Und jetzt gerade sagt ein Schriftgelehrter an meiner Seite, diese Erklärung beweise, dass ich einen Teufel habe, da ja Abraham und auch die Propheten tot sind. Und er fragt: `Bist du soviel größer als Abraham und die Propheten, dass du es wagst, hier zu stehen und zu sagen, dass wer dein Wort bewahrt, nicht sterben wird? Wer beanspruchst du zu sein, dass du es wagst, solche Gotteslästerungen auszustoßen?' Und zu allen solchen sage ich, dass, wenn ich mich selber glorifiziere, mein Ruhm nichts ist. Aber es ist der Vater, der mich verherrlichen wird, genau derselbe Vater, den ihr Gott nennt. Aber es ist euch nicht gelungen, diesen euren Gott und meinen Vater zu kennen, und ich bin gekommen, um euch zusammenzubringen; euch zu zeigen, wie ihr wahrhaftig Söhne Gottes werden könnt. Obwohl ihr den Vater nicht kennt, kenne ich ihn wahrhaftig. Sogar Abraham freute sich, meinen Tag zu sehen, und durch den Glauben sah er ihn und war glücklich." Mittlerweile hatten sich ungläubige Juden und die Agenten des Sanhedrins eingefunden, und als sie diese Worte hörten, lösten sie einen Tumult aus und riefen: "Du bist keine fünfzig Jahre alt, und sprichst trotzdem davon, Abraham gesehen zu haben. Du bist ein Kind des Teufels!" Jesus konnte seine Rede nicht fortsetzen. Im Gehen sagte er nur: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, bevor Abraham war, bin ich." Viele von den Ungläubigen stürzten hinaus, um Steine zu holen und ihn damit zu bewerfen, und die Agenten des Sanhedrins versuchten, ihn zu verhaften, aber der Meister durchschritt rasch die Tempelkorridore und entwich an einen geheimen Treffpunkt in der Nähe von Bethanien, wo Martha, Maria und Lazarus auf ihn warteten. ***** 162.8 Das Gespräch mit Martha und Maria ***** Man hatte Vorkehrungen getroffen, Jesus mit Lazarus und seinen Schwestern im Hause eines Freundes unterzubringen, während die Apostel hier und dort in Grüppchen verteilt waren. Diese Vorsichtsmaßnahmen wurden getroffen, weil die jüdischen Behörden sich wieder dreister mit Verhaftungsplänen trugen. Seit Jahren pflegten diese drei alles fallen zu lassen und Jesu Lehren zuzuhören, wann immer er zu ihnen auf Besuch kam. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte Martha die häuslichen Pflichten übernommen, und so bereitete sie bei dieser Gelegenheit das Abendessen zu, während Lazarus und Maria Jesu zu Füßen saßen und seine erfrischenden Lehren begierig in sich aufnahmen. Man muss wissen, dass Martha sich unnötigerweise durch zahlreiche überflüssige Beschäftigungen ablenken ließ und sich viele nichtige Sorgen auflud; das war ihre Art. Als Martha sich mit all diesen vermeintlichen Pflichten beschäftigte, stieß sie sich daran, dass Maria nichts tat, um ihr zu helfen. Deshalb ging sie zu Jesus und sagte: "Meister, macht es dir nichts aus, dass meine Schwester mich bei der ganzen Bewirtung allein gelassen hat? Willst du sie nicht auffordern, mir helfen zu kommen?" Jesus antwortete: "Martha, Martha, warum bist du immer um so viele Dinge besorgt und beunruhigen dich so viele Nichtigkeiten? Nur eines ist wirklich der Mühe wert, und da Maria diesen guten und notwendigen Teil gewählt hat, will ich ihn ihr nicht nehmen. Aber wann werdet ihr beide lernen, so zu leben, wie ich es euch gelehrt habe: in Zusammenarbeit zu dienen und eure Seelen im Einklang zu erfrischen? Könnt ihr nicht lernen, dass es eine Zeit gibt für jedes Ding - dass die geringeren Dinge des Lebens zurücktreten sollten vor den größeren des Königreichs?" ***** 162.9 Mit Abner in Bethlehem ***** Während der ganzen auf das Laubhüttenfest folgenden Woche versammelten sich Scharen von Gläubigen in Bethanien und empfingen von den zwölf Aposteln Unterweisung. Der Sanhedrin unternahm nichts, um diese Versammlungen zu stören, da Jesus abwesend war; er arbeitete die ganze Zeit über mit Abner und dessen Gefährten in Bethlehem. Am Tag nach dem Abschluss des Festes war Jesus nach Bethanien gegangen, und während dieses Aufenthaltes in Jerusalem predigte er nicht wieder im Tempel. Um diese Zeit schlug Abner sein Hauptquartier in Bethlehem auf, und von diesem Zentrum aus waren viele Arbeiter in die Städte Judäas und des südlichen Samaria und sogar nach Alexandrien gesandt worden. Wenige Tage nach seiner Ankunft hatten Jesus und Abner die nötigen Maßnahmen zur Konsolidierung der Arbeit der beiden Apostelgruppen abgeschlossen. Während des ganzen Besuchs des Laubhüttenfestes hatte Jesus seine Zeit etwa gleichmäßig zwischen Bethanien und Bethlehem aufgeteilt. In Bethanien brachte er erhebliche Zeit mit seinen Aposteln zu; in Bethlehem unterwies er eingehend Abner und die anderen früheren Apostel des Johannes. Und dieser enge Kontakt brachte sie schließlich zum Glauben an ihn. Diese einstigen Apostel Johannes' des Täufers wurden durch den Mut beeinflusst, den er bei seinen öffentlichen Predigten in Jerusalem zeigte, sowie von dem mitfühlenden Verstehen, das sie bei seinem privaten Unterricht in Bethlehem erlebten. Diese Einflüsse gewannen jeden der Mitarbeiter Abners endgültig und vollständig dafür, das Königreich und alles, was ein solcher Schritt in sich schloss, von ganzem Herzen anzunehmen. Bevor der Meister Bethlehem zum letzten Mal verließ, traf er mit ihnen allen Vorkehrungen zu einer gemeinsamen Anstrengung mit ihm, die dem Ende seiner irdischen Laufbahn in Menschengestalt vorausgehen sollte. Man kam überein, dass sich Abner und seine Mitarbeiter mit Jesus und den Zwölfen in nächster Zukunft im Hain von Magadan vereinigen sollten. Gemäß dieser Übereinkunft machten Abner und seine elf Gefährten Anfang November mit Jesus und den Zwölfen gemeinsame Sache und arbeiteten mit ihnen als eine einzige Organisation bis zur Kreuzigung. Gegen Ende Oktober zogen sich Jesus und die Zwölf aus der unmittelbaren Nachbarschaft Jerusalems zurück. Am Sonntag, dem 30. Oktober verließen Jesus und seine Gefährten die Stadt Ephraim, wo er sich in der Abgeschiedenheit ein paar Tage ausgeruht hatte, und gingen auf der Hauptstraße des Jordan-Westufers direkt zum Hain von Magadan, wo sie am späten Mittwochnachmittag, dem 2. November anlangten. Die Apostel waren sehr erleichtert, den Meister wieder in einer freundlichen Umgebung zu wissen. Und sie drängten ihn nicht mehr, nach Jerusalem zu gehen, um das Evangelium vom Königreich zu verkündigen. ****** Kapitel 163 Die Weihe der Siebzig in Magadan ****** EINIGE Tage nachdem Jesus und die Zwölf von Jerusalem nach Magadan zurückgekehrt waren, traf Abner mit einer Gruppe von ungefähr fünfzig Jüngern aus Bethlehem ein. Zu diesem Zeitpunkt waren im Lager von Magadan auch das Evangelistenkorps, das Frauenkorps und etwa hundertfünfzig weitere wahre und erprobte Jünger aus allen Teilen Palästinas versammelt. Jesus und die Zwölf widmeten ein paar Tage persönlichen Gesprächen und der Neuorganisation des Lagers und begannen darauf mit einem Kursus intensiver Schulung für diese besondere Gruppe von Gläubigen. Dieser gut ausgebildeten und erfahrenen Jüngerschar entnahm Jesus anschließend siebzig Lehrer und sandte sie zur Verkündigung des Evangeliums vom Königreich aus. Ihre regelmäßige Unterweisung begann am Freitag, dem 4. November, und dauerte bis zum Sabbat, dem 19. November. Jesus sprach jeden Morgen zu dieser Gruppe. Petrus lehrte sie Methoden öffentlichen Predigens; Nathanael unterrichtete sie in der Kunst des Lehrens; Thomas erklärte, wie man Fragen beantworten sollte; und Matthäus leitete die Organisation der Finanzen der Gruppe. Auch die anderen Apostel beteiligten sich an dieser Ausbildung entsprechend ihrer besonderen Erfahrung und ihren natürlichen Gaben. ***** 163.1 Die Weihe der Siebzig ***** Jesus gab den Siebzig am Sabbatnachmittag, dem 19. November, im Lager von Magadan die Weihe, und Abner wurde als Haupt dieser Evangeliumsprediger und - lehrer eingesetzt. Das siebzigköpfige Korps bestand aus Abner und zehn der einstigen Apostel des Johannes, aus einundfünfzig der früheren Evangelisten und acht weiteren Jüngern, die sich im Dienst am Königreich hervorgetan hatten. Bei zeitweiligen Regenschauern versammelte sich gegen zwei Uhr an diesem Sabbatnachmittag am Ufer des Galiläischen Meers eine Schar von Gläubigen, die durch die Ankunft Davids mit dem größten Teil seines Botenkorps auf über vierhundert angewachsen war, um die Weihe der Siebzig mitzuerleben. Bevor Jesus seine Hände auf die Köpfe der Siebzig legte, um sie als besondere Botschafter des Evangeliums einzusetzen, wandte er sich mit diesen Worten an sie: "Die Ernte ist in der Tat reich, aber der Arbeiter sind nur wenige; deshalb fordere ich euch alle auf, dafür zu beten, dass der Herr der Ernte noch weitere Arbeiter senden möge, um die Ernte einzubringen. Ich bin dabei, euch als besondere Botschafter des Himmelreichs einzusetzen und euch zu Juden und Heiden wie Lämmer unter die Wölfe auszusenden. Wenn ihr euch nun zu zweit auf den Weg macht, weise ich euch an, weder Geldbörse noch zusätzliche Kleidung mitzunehmen, denn ihr geht nur für kurze Zeit hinaus zu dieser ersten Mission. Begrüßt unterwegs niemanden, tut nur eure Arbeit. Immer, wenn ihr in einem Haus bleiben wollt, sagt zuerst: Friede sei mit diesem Haus. Wenn dessen Bewohner friedliebend sind, sollt ihr dort Wohnung nehmen; wenn nicht, sollt ihr von dort weggehen. Und wenn ihr euch für ein Haus entschieden habt, dann bleibt dort während eures ganzen Aufenthalts in jener Stadt und esst und trinkt, was immer man euch vorsetzt. Und ihr tut dies, weil der Arbeiter sein Brot verdient hat. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes um, weil man euch vielleicht eine bessere Unterkunft anbietet. Während ihr hinausgeht, um Frieden auf Erden und guten Willen unter den Menschen zu verkündigen, denkt daran, dass ihr gegen erbitterte, der Selbsttäuschung unterliegende Feinde zu kämpfen habt; seid deshalb klug wie die Schlangen und unschuldig wie die Tauben. "Und wo immer ihr geht, predigt: `Das Königreich des Himmels ist nah', und kümmert euch liebevoll um alle geistig oder körperlich Kranken. Reichlich habt ihr die guten Dinge des Königreichs erhalten; reichlich gebt sie weiter. Wenn euch die Bewohner einer Stadt bei sich aufnehmen, werden sie die Tür zu des Vaters Königreich weit offen finden; aber wenn die Bewohner einer Stadt sich weigern, dieses Evangelium zu empfangen, dann verkündet eure Botschaft trotzdem, wenn ihr diese ungläubige Gemeinschaft verlasst. Sagt im Weggehen zu denen, die eure Lehre ablehnen: `Obwohl ihr die Wahrheit zurückweist, bleibt doch die Tatsache, dass das Königreich Gottes sich euch genaht hat.' Wer auf euch hört, hört auf mich. Und wer auf mich hört, hört auf Den, Der mich gesandt hat. Wer eure Evangeliumsbotschaft von sich weist, weist mich von sich. Und wer mich von sich weist, weist Den von sich, der mich gesandt hat." Als Jesus so zu den Siebzig geredet hatte, knieten sie im Kreis um ihn nieder, und mit Abner beginnend, legte er einem jeden seine Hände auf den Kopf. Früh am nächsten Morgen sandte Abner die siebzig Botschafter in alle Städte Galiläas, Samarias und Judäas aus. Und diese fünfunddreißig Paare zogen etwa sechs Wochen lang predigend und lehrend umher, bis alle am Freitag, dem 30. Dezember, in das neue Lager in der Nähe von Pella in Peräa zurückkehrten. ***** 163.2 Der reiche junge Mann und andere Jünger ***** Über fünfzig Jünger, die sich um Weihe und Zulassung zur Mitgliedschaft bei den Siebzig bewarben, wurden vom Ausschuss abgelehnt, den Jesus zur Kandidatenauslese ernannt hatte. Dieser Ausschuss bestand aus Andreas, Abner und dem amtierenden Oberhaupt des evangelistischen Korps. In allen Fällen, in denen dieser Dreierausschuss zu keiner einstimmigen Übereinkunft gelangte, brachten sie den Kandidaten zu Jesus, und obgleich der Meister nie jemanden zurückwies, der sich danach sehnte, zum Botschafter des Evangeliums geweiht zu werden, so gab es ihrer doch mehr als ein Dutzend, die nach ihrem Gespräch mit Jesus nicht mehr wünschten, Evangeliumsverkündiger zu werden. Ein ernsthafter Jünger kam zu Jesus und sagte: "Meister, ich möchte einer deiner neuen Apostel werden, aber mein Vater ist sehr alt und dem Tode nahe. Kann ich Erlaubnis bekommen, nach Hause zurückzukehren, um ihn zu beerdigen?" Jesus sprach zu diesem Mann: "Mein Sohn, die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen könnte. Du bist ein treuer Jünger, und du kannst ein solcher bleiben, während du nach Hause zurückkehrst und für deine Lieben sorgst, aber mit meinen Botschaftern des Evangeliums verhält es sich anders. Sie haben alles verlassen, um mir nachzufolgen und das Königreich zu verkündigen. Willst du ein geweihter Lehrer werden, musst du andere die Toten begraben lassen, während du selber ausziehst, um die gute Nachricht bekannt zu machen." Und dieser Mann entfernte sich tief enttäuscht. Ein anderer Jünger kam zum Meister und sagte: "Ich möchte die Weihe als Botschafter erhalten, aber zuerst möchte ich für kurze Zeit nach Hause gehen, um meiner Familie Mut zu machen." Und Jesus antwortete ihm: "Wenn du die Weihe empfangen möchtest, musst du gewillt sein, alles aufzugeben. Die Botschafter des Evangeliums dürfen in ihrer Liebe nicht geteilt sein. Niemand, der seine Hand an den Pflug gelegt hat, ist wert, ein Botschafter des Königreichs zu werden, wenn er wieder umkehrt." Und dann führte Andreas einen reichen jungen Mann vor Jesus, der mit Hingabe glaubte und die Weihe zu empfangen wünschte. Dieser junge Mann, Matadormus, war Mitglied des Sanhedrins von Jerusalem; er hatte Jesus lehren hören und war anschließend von Petrus und den anderen Aposteln im Evangelium vom Königreich unterwiesen worden. Jesus sprach mit Matadormus über die Anforderungen der Weihe und legte ihm nahe, mit seiner Entscheidung noch zuzuwarten, bis er die ganze Angelegenheit besser überdacht hätte. Als Jesus am nächsten Morgen in der Frühe spazieren ging, sprach ihn der junge Mann an und sagte: "Meister, ich möchte von dir wissen, wie man sich des ewigen Lebens versichern kann. Nachdem ich von Kindheit an alle Gebote gehalten habe, möchte ich gern wissen, was ich darüber hinaus tun muss, um das ewige Leben zu gewinnen?" Jesus antwortete auf diese Frage: "Wenn du alle Gebote hältst - du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen, du sollst nicht betrügen und deine Eltern ehren - handelst du gut, aber das Heil ist die Belohnung für den Glauben, nicht nur für Werke. Glaubst du an dieses Evangelium?" Und Matadormus antwortete: "Ja, Meister, ich glaube alles, was du und deine Apostel mich gelehrt haben." Und Jesus sagte: "Dann bist du in der Tat mein Jünger und ein Kind des Königreichs." Darauf sagte der junge Mann: "Aber, Meister, es genügt mir nicht, dein Jünger zu sein; ich möchte einer deiner neuen Botschafter werden." Als Jesus das hörte, schaute er mit großer Liebe auf ihn herab und sagte: "Ich will dich als einen meiner Botschafter annehmen, wenn du willens bist, den Preis zu bezahlen, wenn du dir das Einzige verschaffen willst, woran es dir mangelt." Matadormus erwiderte: "Meister, ich will alles tun, wenn ich nur die Erlaubnis erhalte, dir zu folgen." Jesus küsste den knieenden jungen Mann auf die Stirn und sagte: "Wenn du mein Botschafter sein willst, dann geh und verkaufe alles, was du hast, und nachdem du den Erlös unter die Armen oder unter deine Brüder verteilt hast, komm und folge mir, und du wirst einen Schatz im Königreich des Himmels haben." Als Matadormus dies vernahm, machte er ein langes Gesicht. Er erhob sich und entfernte sich kummervoll, denn er hatte große Besitztümer. Dieser reiche junge Pharisäer war in dem Glauben erzogen worden, dass Reichtum das Zeichen göttlicher Gunst sei. Jesus wusste, dass er von Eigenliebe und Liebe zu seinem Reichtum nicht frei war. Der Meister wollte ihn von der Liebe zum Reichtum befreien, nicht notwendigerweise vom Reichtum selber. Die Jünger Jesu trennten sich nicht von all ihrem weltlichen Besitz, wohl aber die Apostel und die Siebzig. Matadormus wünschte einer der siebzig neuen Botschafter zu sein, und deshalb verlangte Jesus von ihm, sich von seinem ganzen weltlichen Besitz zu trennen. Fast jedes menschliche Wesen hat irgendeine lieb gewonnene Schwäche, die der Eintritt in das Königreich des Himmels von ihm als Teil des Zulassungspreises fordert. Hätte Matadormus sich von seinem Reichtum gelöst, wäre ihm dieser wahrscheinlich sofort wieder zur Verwaltung als Schatzmeister der Siebzig anvertraut worden. Denn später, nach der Gründung der Kirche in Jerusalem, gehorchte er tatsächlich der Aufforderung des Meisters, obwohl es dann zu spät war, sich der Mitgliedschaft bei den Siebzig zu erfreuen, und er wurde der Finanzverwalter der Kirche in Jerusalem, deren Haupt Jakobus, der leibliche Bruder des Herrn, war. So war es immer, und so wird es immer bleiben: Die Menschen müssen selber zu ihren Entschlüssen gelangen. Die Menschen haben in der freien Wahl einen gewissen Spielraum zur Verfügung. Die Kräfte der geistigen Welt wollen dem Menschen keinen Zwang auferlegen; sie erlauben ihm, den Weg seiner eigenen Wahl zu gehen. Jesus sah voraus, dass Matadormus mit seinem Reichtum unmöglich ein geweihter Mitarbeiter von Männern werden konnte, die für das Evangelium auf alles verzichtet hatten; zugleich sah er, dass er ohne seinen Reichtum ihrer aller Oberhaupt werden würde. Aber wie Jesu eigene Brüder wurde er nie groß im Königreich, weil er sich selbst der engen und persönlichen Verbindung mit dem Meister beraubte, die er hätte erleben können, hätte er sich nur in jenem Augenblick bereit erklärt, genau das zu tun, was Jesus verlangte, und was er mehrere Jahre danach dann auch wirklich tat. Reichtum hat direkt nichts mit dem Eintritt ins Königreich des Himmels zu tun, wohl aber die Liebe zum Reichtum. Geistige Loyalität gegenüber dem Königreich ist mit Unterwerfung unter den materialistischen Mammon unvereinbar. Der Mensch kann seine höchste Treue zu einem geistigen Ideal nicht mit der Hingabe an Materielles teilen. Jesus lehrte nie, dass es verkehrt sei, Reichtum zu haben. Er verlangte nur von den Zwölfen und den Siebzig, ihren ganzen weltlichen Besitz an die gemeinsame Sache zu geben. Aber auch dann sorgte er für eine lohnende Liquidation ihres Besitzes wie im Fall des Apostels Matthäus. Jesus beriet seine begüterten Jünger oft in derselben Weise wie den reichen Mann in Rom. Der Meister betrachtete die weise Investierung überschüssigen Einkommens als eine legitime Art der Versicherung gegen künftige, unvermeidliche Missgeschicke. Wenn die apostolische Kasse überquoll, hinterlegte Judas stets Geld, damit es ihnen später zur Verfügung stünde, falls sie stark unter einer Verringerung der Einnahmen leiden sollten. Das tat Judas nach Absprache mit Andreas. Jesus hatte persönlich nie etwas mit den apostolischen Finanzen zu tun außer bei der Austeilung von Almosen. Aber es gab einen wirtschaftlichen Missbrauch, den er viele Male verurteilte, und das war die unfaire Ausnutzung von schwachen, unerfahrenen und weniger begünstigten Menschen durch ihre kräftigen, schlauen und intelligenteren Mitmenschen. Jesus erklärte, eine solch unmenschliche Behandlung von Männern, Frauen und Kindern sei mit den Idealen der Brüderlichkeit des Königreichs des Himmels unvereinbar. ***** 163.3 Diskussion über den Reichtum ***** Während Jesus sein Gespräch mit Matadormus beendete, versammelten sich Petrus und einige andere Apostel um ihn, und als der reiche junge Mann wegging, wandte sich Jesus zu den Aposteln und sprach: "Ihr seht, wie schwierig es für die Reichen ist, ganz und gar ins Königreich Gottes einzutreten! Die Verehrung des Geistes kann nicht mit der Hingabe an Materielles geteilt werden; niemand kann zwei Herren dienen. Eines eurer Sprichworte sagt: `Es ist leichter für ein Kamel, durch ein Nadelöhr zu gehen, als für einen Heiden, das ewige Leben zu erben.' Und ich erkläre, dass es für dieses Kamel ebenso leicht ist, durch das Nadelöhr zu gehen, wie für diese selbstzufriedenen Reichen, in das Königreich des Himmels einzutreten." Als Petrus und die Apostel diese Worte hörten, waren sie über die Maßen erstaunt, so sehr, dass Petrus sagte: "Wer kann dann gerettet werden, Herr? Müssen alle Reichen vom Königreich ausgeschlossen bleiben?" Und Jesus erwiderte: "Nein, Petrus, aber alle, die auf den Reichtum vertrauen, werden schwerlich in das geistige Leben eintreten, das zum ewigen Fortschritt führt. Aber auch dann noch liegt vieles, was dem Menschen unmöglich ist, nicht außerhalb der Möglichkeiten des Vaters im Himmel; wir sollten vielmehr erkennen, dass bei Gott alle Dinge möglich sind." Sie gingen allein weiter, und Jesus war betrübt, dass Matadormus nicht bei ihnen blieb, denn er liebte ihn sehr. Sie gingen zum See hinunter und setzten sich ans Wasser, und Petrus sprach im Namen der Zwölf, die jetzt alle anwesend waren: "Deine Worte zu dem jungen, reichen Mann machen uns zu schaffen. Müssen wir die, die dir folgen möchten, auffordern, all ihre weltlichen Güter aufzugeben?" Und Jesus sagte: "Nein, Petrus, nur diejenigen, die Apostel werden möchten und wünschen, mit mir zu leben wie ihr und wie eine Familie. Aber der Vater verlangt, dass die Liebe seiner Kinder rein und ungeteilt sei. Was für eine Sache oder Person auch immer zwischen euch und die Liebe zu den Wahrheiten des Königreichs tritt, muss aufgegeben werden. Wenn der Reichtum nicht in den Bereich ihrer Seele eindringt, hat er keine Auswirkungen auf das geistige Leben derer, die ins Königreich eintreten möchten." Da sagte Petrus: "Aber Meister, wir haben alles aufgegeben, um dir zu folgen, was wird uns denn zuteil werden?" Und Jesus sprach zu allen Zwölf: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es gibt keinen, der Besitz, Heim, Frau, Brüder, Eltern oder Kinder meinetwegen und um des Königreichs des Himmels willen verlassen hat, der nicht schon in dieser Welt, vielleicht nebst einigen Verfolgungen, das Mehrfache davon erhielte und in der künftigen Welt das ewige Leben. Aber viele von den Ersten werden die Letzten sein, während die Letzten oft die Ersten sein werden. Der Vater behandelt seine Geschöpfe entsprechend ihren Bedürfnissen und in Übereinstimmung mit seinen gerechten Gesetzen erbarmender und liebevoller Rücksicht auf das Wohlergehen eines Universums. Das Königreich des Himmels gleicht einem Besitzer, der viele Menschen beschäftigte und früh am Morgen hinausging, um Männer für die Arbeit in seinem Weinberg einzustellen. Nachdem er mit den Arbeitern übereingekommen war, ihnen pro Tag einen Denar zu bezahlen, schickte er sie in den Weinberg. Darauf ging er um neun Uhr wieder außer Haus, und als er auf dem Marktplatz andere müßig herumstehen sah, sprach er zu ihnen: `Geht auch ihr in meinem Weinberg arbeiten, und ich werde euch bezahlen, was recht ist.' Und sie machten sich sofort an die Arbeit. Um zwölf und um drei ging er wiederum hinaus und tat desgleichen. Und als er um fünf Uhr nachmittags zum Marktplatz ging, fand er immer noch untätig Herumstehende, und er fragte sie: `Warum steht ihr hier den ganzen Tag müßig herum?' Und die Männer antworteten: `Weil uns niemand angeworben hat.' Da sprach der Besitzer: `Geht auch ihr in meinem Weinberg arbeiten, und ich werde euch gerechten Lohn bezahlen.' Als der Abend kam, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Wirtschafter: `Rufe die Arbeiter herbei und zahle ihnen ihre Löhne aus, beginne mit den zuletzt Eingestellten und höre mit den Ersten auf.' Als die um fünf Uhr Angeworbenen erschienen, erhielt jeder von ihnen einen Denar, und so geschah es mit allen übrigen Arbeitern. Als die am frühen Morgen Eingestellten sahen, wie die späteren Ankömmlinge bezahlt wurden, erwarteten sie, mehr als den vereinbarten Betrag zu erhalten. Aber gleich allen anderen erhielt jeder Mann nur einen Denar. Und als alle ihren Lohn empfangen hatten, beklagten sie sich beim Besitzer mit den Worten: `Die zuletzt Eingestellten haben nur eine Stunde gearbeitet, und doch hast du ihnen gleich viel bezahlt wie uns, die wir uns den ganzen Tag unter der brennenden Sonne abgerackert haben.' "Da antwortete der Besitzer ihnen: `Meine Freunde, ich tue euch kein Unrecht an. War nicht jeder von euch einverstanden, für einen Denar am Tag zu arbeiten? Nehmt nun jeder das Seine und geht eurer Wege, denn es ist mein Wunsch, den zuletzt Gekommenen ebenso viel wie euch zu geben. Steht es mir nicht von Gesetzes wegen zu, nach eigenem Ermessen über das Meine zu verfügen? Oder missgönnt ihr den anderen meine Freigebigkeit, weil es mein Wunsch ist, Güte und Barmherzigkeit zu bekunden?' " ***** 163.4 Abschiedsworte an die Siebzig ***** Am Tag, als die Siebzig zu ihrer ersten Mission aufbrachen, herrschte im Lager von Magadan eine erregte Stimmung. Am frühen Morgen legte Jesus in seiner letzten Ansprache an die Siebzig besonderes Gewicht auf Folgendes: 1. Das Evangelium vom Königreich muss der ganzen Welt verkündet werden, den Nichtjuden ebenso wie den Juden. 2. Wenn ihr den Kranken Trost bringt, weckt bei ihnen nicht die Hoffnung auf Wunder. 3. Verkündet eine geistige Bruderschaft der Söhne Gottes, nicht ein äußeres Königreich weltlicher Macht und materiellen Ruhms. 4. Vermeidet Zeitverlust durch zu viel geselliges Zusammensein und andere Nebensächlichkeiten, die euch von eurer rückhaltlosen Hingabe an die Verkündigung des Evangeliums ablenken könnten. 5. Wenn sich das von euch zu Beginn als Quartier gewählte Haus als achtbar erweist, dann bleibt dort während eures ganzen Aufenthaltes in jener Stadt. 6. Macht allen treuen Gläubigen klar, dass die Zeit für einen offenen Bruch mit den religiö-sen Führern der Juden in Jerusalem jetzt gekommen ist. 7. Lehrt, dass die ganze Pflicht des Menschen in diesem einen Gebot zusammengefasst ist: Liebe den Herrn deinen Gott von ganzem Herzen und ganzer Seele und deinen Nachbarn wie dich selber. (Das sollten sie als die ganze Pflicht des Menschen anstelle der 613 von den Pharisäern aufgestellten Lebensregeln lehren.) Nachdem Jesus in Gegenwart aller Apostel und Jünger so zu den Siebzig gesprochen hatte, nahm Simon Petrus sie beiseite und hielt ihnen ihre Weihepredigt, die eine Ausarbeitung des Auftrags des Meisters war, als er ihnen die Hände aufgelegt und sie als besondere Botschafter des Königreichs eingesetzt hatte. Petrus ermahnte die Siebzig, in all ihrem Tun die folgenden Tugenden hochzuhalten: 1. Restlose Hingabe. Sie sollten immer um mehr Arbeiter beten, die bereit wären, zur Ernte des Evangeliums ausgesandt zu werden. Er erklärte, wenn man so betet, wird sich mit größerer Wahrscheinlichkeit einer finden, der sagt: "Hier bin ich; sende mich." Er ermahnte sie, ihre tägliche Andacht nicht zu vernachlässigen. 2. Wahrer Mut. Er wies sie warnend darauf hin, dass sie auf Feindschaft stossen und mit Sicherheit verfolgt werden würden. Petrus sagte ihnen, ihre Aufgabe sei nichts für Feiglinge, und denen, die etwa Angst hätten, riet er zurückzutreten, bevor sie anfingen. Aber niemand zog sich zurück. 3. Glaube und Vertrauen. Sie sollten sich völlig unausgerüstet auf diese kurze Mission begeben; sie sollten für Nahrung, Unterkunft und alle übrigen nötigen Dinge ihr Vertrauen in den Vater legen. 4. Inbrunst und Initiative. Sie sollten von Inbrunst und intelligentem Enthusiasmus erfüllt sein; sie sollten sich strikt nur um die Angelegenheiten ihres Meisters kümmern. Die orientalische Begrüßung war eine lange und umständliche Zeremonie; deshalb waren sie dazu angehalten worden, "unterwegs niemanden zu begrüßen", was eine damals übliche Art war, jemanden zu ermahnen, seinen Geschäften ohne Zeitverschwendung nachzugehen. Es hatte nichts mit freundlichem Grüßen zu tun. 5. Freundlichkeit und Höflichkeit. Der Meister hatte sie angewiesen, unnötigen Zeitverlust durch gesellschaftliche Förmlichkeiten zu vermeiden, aber er machte ihnen Höflichkeit gegenüber allen, mit denen sie in Kontakt treten würden, zur Pflicht. Sie sollten denen, die sie bei sich beherbergten, jede Freundlichkeit erweisen. Eine strikte Warnung war an sie ergangen, nie ein bescheidenes Heim zu verlassen, um sich in einem bequemeren oder einflussreicheren bewirten zu lassen. 6. Fürsorge für die Kranken. Petrus trug den Siebzig auf, die seelisch und körperlich Kranken ausfindig zu machen und alles in ihrer Macht Stehende zur Erleichterung oder Heilung ihrer Krankheiten zu unternehmen. Und mit solchem Auftrag und derart angeleitet, brachen sie immer zu zweit zu ihrer Mission in Galiläa, Samaria und Judäa auf. Obwohl die Juden eine besondere Vorliebe für die Zahl siebzig besaßen und manchmal meinten, es gebe siebzig heidnische Nationen, und obwohl die Siebzig Botschafter das Evangelium allen Völkern bringen sollten, war es doch, soweit wir es beurteilen können, nur Zufall, dass diese Gruppe gerade siebzig Mitglieder zählte. Mit Sicherheit hätte Jesus mindestens ein halbes Dutzend weitere akzeptiert; aber sie waren nicht gewillt, den Preis, Reichtum und Familie zu verlassen, zu bezahlen. ***** 163.5 Verlegung des Lagers nach Pella ***** Jesus und die Zwölf schickten sich nun an, ihr letztes Hauptquartier in Peräa in der Nähe von Pella zu errichten, wo der Meister im Jordan getauft worden war. Die letzten zehn Novembertage wurden mit Beratungen in Magadan verbracht, und am Dienstag, dem 6. Dezember, machte sich die fast dreihundertköpfige Gesellschaft bei Tagesanbruch mit allem Mitgeführten auf den Weg, um sich noch am gleichen Abend in Pella einzurichten. Es war derselbe bei der Quelle gelegene Ort, wo Johannes der Täufer einige Jahre zuvor sein Lager aufgeschlagen hatte. Nach dem Abbruch des Lagers von Magadan kehrte David Zebedäus nach Bethsaida zurück und begann unverzüglich mit der Einschränkung des Botendienstes. Das Königreich trat in eine neue Phase ein. Täglich trafen Pilger aus allen Teilen Palästinas und sogar aus entlegenen Gebieten des Römischen Reichs ein. Gelegentlich kamen Gläubige aus Mesopotamien und aus den Ländern östlich des Tigris. Die Ausrüstung, mit der David zuvor das Lager in Bethsaida am See betrieben hatte, befand sich im Hause seines Vaters. Am Sonntag, dem 18. Dezember, verlud er sie mit Hilfe seines Botenkorps auf Packtiere, sagte Bethsaida vorläufig Lebewohl und zog am Seeufer und am Jordan entlang bis zu einem etwa einen Kilometer nördlich des apostolischen Lagers gelegenen Ort. Und nach weniger als einer Woche war er in der Lage, fast fünfzehnhundert pilgernden Besuchern Gastfreundschaft anzubieten. Das apostolische Lager konnte etwa fünfhundert Menschen beherbergen. Man befand sich in Palästina in der Regenzeit, und diese Unterkünfte waren erforderlich, um für die stets wachsende Zahl meist ernster Wissbegieriger zu sorgen, die nach Peräa kamen, um Jesus zu sehen und seine Unterweisung zu hören. David tat all dies aus eigener Initiative, obwohl er in Magadan den Rat von Philipp und Matthäus eingeholt hatte. Er beschäftigte die Mehrzahl seines früheren Botenkorps als Helfer bei der Lagerführung und setzte nur noch weniger als zwanzig Männer im regelmäßigen Dienst als Boten ein. Gegen Ende Dezember und vor der Rückkehr der Siebzig waren über achthundert Besucher um den Meister versammelt, und sie fanden in Davids Lager Unterkunft. ***** 163.6 Die Rückkehr der Siebzig ***** Am Freitag, dem 30. Dezember, während Jesus sich mit Petrus, Jakobus und Johannes in den nahen Bergen aufhielt, trafen die siebzig Botschafter, paarweise und von zahlreichen Gläubigen begleitet, im Hauptquartier von Pella ein. Alle siebzig waren um fünf Uhr, als Jesus ins Lager zurückkehrte, am Unterrichtsort versammelt. Das Abendbrot wurde um mehr als eine Stunde verschoben, in der diese begeisterten Verkünder des Evangeliums über ihre Erlebnisse berichteten. Davids Boten hatten den Aposteln in den vorangehenden Wochen viele von diesen Neuigkeiten überbracht, aber es war wahrhaftig inspirierend, diese frisch geweihten Lehrer des Evangeliums persönlich erzählen zu hören, wie ihre Botschaft von Juden und Nichtjuden begierig aufgenommen worden war. Endlich konnte Jesus sehen, wie Menschen auszogen, um die gute Nachricht ohne seine persönliche Gegenwart zu verbreiten. Der Meister wusste jetzt, dass er diese Welt verlassen konnte, ohne dass dadurch der Fortschritt des Königreichs ernstlich behindert würde. Als die Siebzig berichteten, wie "sogar die Teufel ihnen untertan gewesen seien", bezogen sie sich auf die wunderbaren Heilungen, die sie in Fällen von Opfern nervöser Störungen bewirkt hatten. Nichtdestoweniger hatten diese Prediger in einigen Fällen echter dämonischer Besessenheit Befreiung gebracht, und in Anspielung darauf sagte Jesus: "Es ist nicht verwunderlich, dass diese ungehorsamen untergeordneten Geister euch untertan sind, denn ich sah Satan wie einen Blitz vom Himmel herunterstürzen. Aber freut euch nicht so sehr darüber, denn ich erkläre euch, dass mein Vater und ich, sowie ich zu ihm zurückgekehrt bin, unsere Geiste direkt in den Verstand der Menschen senden werden, so dass diese wenigen verlorenen Geister nie mehr in den Verstand unglücklicher Sterblicher eindringen können. Ich freue mich mit euch, dass ihr Macht habt bei den Menschen, aber fühlt euch durch diese Erfahrung nicht erhaben, sondern freut euch vielmehr darüber, dass eure Namen in den Urkunden des Himmels eingetragen sind, und ihr somit sicher seid, auf dem endlosen Wege geistiger Eroberungen fortzuschreiten." Und gerade als sie sich anschickten, das Abendbrot miteinander zu teilen, durchlebte Jesus einen jener seltenen Augenblicke emotionaler Ekstase, dessen Zeugen seine Jünger gelegentlich wurden. Er sprach: "Ich danke dir, mein Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass der Geist diesen Kindern des Königreichs die geistigen Herrlichkeiten offenbart hat, während dieses wunderbare Evangelium den Weisen und Selbstgerechten verborgen blieb. Ja, mein Vater, es muss dir Freude bereitet haben, dies zu tun, und ich freue mich zu wissen, dass die gute Nachricht sich auf der ganzen Welt verbreiten wird, auch nach meiner Rückkehr zu dir und zu dem Werk, das auszuführen du mir aufgetragen hast. Ich bin mächtig ergriffen, da ich mir bewusst werde, dass du dabei bist, alle Autorität in meine Hände zu legen, dass nur du wirklich weißt, wer ich bin, und dass nur ich und diejenigen, denen ich dich offenbart habe, dich wirklich kennen. Und wenn ich diese Offenbarung an meine irdischen Brüder beendet habe, will ich die Offenbarung für deine Geschöpfe in der Höhe fortsetzen." Nachdem Jesus so mit seinem Vater gesprochen hatte, wandte er sich beiseite und sagte zu seinen Aposteln und Seelsorgern: "Gesegnet seien die Augen, die diese Dinge sehen, und die Ohren, die sie hören. Lasst mich euch sagen, dass viele Propheten und viele große Männer vergangener Zeitalter sich gewünscht haben zu sehen, was ihr jetzt seht, aber es wurde ihnen nicht gewährt. Und viele kommende Generationen von Kindern des Lichts werden, wenn sie von diesen Dingen hören, euch darum beneiden, sie gesehen und gehört zu haben." Und dann wandte er sich an alle Jünger mit den Worten: "Ihr habt gehört, wie viele Städte und Dörfer die gute Nachricht vom Königreich aufgenommen haben, und wie meine Abgesandten und Lehrer von Juden wie Heiden empfangen worden sind. Wahrhaftig gesegnet sind diese Gemeinschaften, die sich zum Glauben an das Evangelium des Königreichs entschlossen haben. Aber wehe den das Licht zurückweisenden Bewohnern von Chorazin, Bethsaida-Julias und Kapernaum, der Städte, die diesen Sendboten einen üblen Empfang bereitet haben. Ich erkläre euch: Wären die mächtigen Werke, die an diesen Orten vollbracht wurden, in Tyrus und Sidon geschehen, hätten die Leute dieser so genannten heidnischen Städte seit langem in Sack und Asche Buße getan. Es soll Tyrus und Sidon am Tag des Jüngsten Gerichts in der Tat erträglicher ergehen." Am folgenden Tag war Sabbat, und Jesus führte die Siebzig beiseite und sprach zu ihnen: "Ich habe mich wahrhaftig mit euch gefreut, als ihr mit der guten Nachricht zurückgekehrt seid, dass so viele in Galiläa, Samaria und Judäa verstreute Menschen das Evangelium vom Königreich angenommen haben. Aber warum lag in eurer Hochstimmung so viel Überraschung? Hattet ihr nicht erwartet, dass eure Botschaft beim Überbringen eine mächtige Wirkung ausüben würde? Seid ihr mit einem so kleinen Glauben an dieses Evangelium ausgezogen, dass ihr von seiner Wirksamkeit überrascht zurückkehrt? Und jetzt, obzwar ich euren Jubel nicht dämpfen will, möchte ich euch eindringlichst vor der Tücke des Hochmuts, des geistigen Hochmuts warnen. Wenn ihr den Sturz Luzifers, des Frevlers, begreifen könntet, würdet ihr euch ernsthaft vor jeglicher Form geistigen Hochmuts hüten. "Ihr habt das große Werk begonnen, den sterblichen Menschen zu lehren, dass er ein Sohn Gottes ist. Ich habe euch den Weg gezeigt; gehet an eure Pflicht, und werdet nicht müde, Gutes zu tun. Lasst mich euch und allen, die im Laufe der Zeiten in eure Fußstapfen treten werden, sagen: Ich bin stets nahe, und mein einladender Ruf lautet jetzt und immer: `Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch Ruhe geben. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin wahr und treu, und ihr werdet geistige Ruhe finden für eure Seelen.' " Und sie konnten sich von der Wahrhaftigkeit der Worte des Meisters überzeugen, als sie seine Versprechungen auf die Probe stellten. Und seit jenem Tag haben ungezählte Tausende die Zuverlässigkeit ebendieser Versprechungen gleichfalls erprobt und bewiesen. ***** 163.7 Vorbereitung auf die letzte Mission ***** In den nächsten paar Tagen gab es im Lager von Pella viel zu tun; die Vorbereitungen zur Mission in Peräa wurden abgeschlossen. Jesus und seine Mitarbeiter waren dabei, ihre letzte Sendung anzutreten, die dreimonatige Rundreise durch ganz Peräa, die erst mit dem Einzug des Meisters in Jerusalem zu seiner letzten Arbeit auf Erden zu Ende ging. Während dieser Zeit wurde das Hauptquartier Jesu und der zwölf Apostel hier im Lager von Pella aufrechterhalten. Jesus brauchte nicht mehr umherzuziehen, um die Leute zu lehren. Sie kamen jetzt jede Woche in zunehmender Zahl und von überall her zu ihm, nicht nur aus Palästina, sondern auch aus der ganzen römischen Welt und aus dem Nahen Osten. Obwohl der Meister mit den Siebzig an der Rundreise durch Peräa teilnahm, verbrachte er viel Zeit im Lager von Pella, wo er die Menge unterrichtete und die Zwölf unterwies. Während dieser drei Monate blieben mindestens zehn der Apostel bei Jesus. Das Frauenkorps schickte sich ebenfalls an, jeweils zu zweit mit den Siebzig in den größeren Städten Peräas zu arbeiten. Die ursprüngliche Gruppe von zwölf Frauen hatte vor kurzem ein größeres Korps von fünfzig Frauen in der Arbeit der Hausbesuche und in der Kunst, den Kranken und Leidenden beizustehen, geschult. Perpetua, die Ehefrau von Simon Petrus, wurde ein Mitglied dieser neuen Abteilung des Frauenkorps und mit der Führung der erweiterten Frauenaktivitäten unter Abner betraut. Nach Pfingsten blieb sie mit ihrem berühmten Ehemann zusammen und begleitete ihn auf all seinen Missionsreisen; und am Tage, da Petrus in Rom gekreuzigt wurde, wurde sie in der Arena den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen. Diesem neuen Frauenkorps gehörten als Mitglieder auch die Ehefrauen von Philipp und Matthäus und die Mutter von Jakobus und Johannes an. Das Werk des Königreichs steuerte nun auf seine Endphase unter der persönlichen Leitung von Jesus zu. Und dies war eine Phase geistiger Tiefe, die mit den wundergläubigen und nach Mirakeln rufenden Massen kontrastierte, welche dem Meister in den früheren Tagen seiner Popularität in Galiläa nachgefolgt waren. Trotzdem gab es unter seinen Anhängern immer noch viele materiell Gesinnte, die die Wahrheit nicht zu erfassen vermochten, dass das Königreich des Himmels die geistige Bruderschaft der Menschen ist, die auf der ewigen Tatsache der universalen Vaterschaft Gottes gründet. ****** Kapitel 164 Beim Fest der Tempelweihe ****** WÄHREND das Lager in Pella eingerichtet wurde, nahm Jesus Nathanael und Thomas mit sich und begab sich heimlich nach Jerusalem, um am Fest der Tempelweihe teilzunehmen. Erst als sie bei der Furt von Bethanien den Jordan durchquerten, wurde den beiden Aposteln bewusst, dass ihr Meister im Begriff war, nach Jerusalem zu gehen. Als ihnen klar wurde, dass er wirklich beabsichtigte, am Fest der Tempelweihe teilzunehmen, machten sie ihm sehr ernsthafte Vorhaltungen und versuchten, ihn davon abzubringen. Aber all ihr Bemühen war umsonst; Jesus war zum Besuch Jerusalems entschlossen. Auf all ihre dringenden Bitten und Warnungen vor der Torheit und Gefahr, sich in die Hände des Sanhedrins zu begeben, erwiderte er nur: "Ich möchte diesen Lehrern in Israel noch eine weitere Gelegenheit geben, das Licht zu sehen, bevor meine Stunde kommt." Während sie Jerusalem entgegengingen, fuhren die beiden Apostel fort, ihren Furchtgefühlen Ausdruck zu geben und ihre Zweifel an der Weisheit eines offensichtlich so verwegenen Unternehmens zu äußern. Sie erreichten Jericho gegen halb fünf und bezogen dort das Nachtquartier. ***** 164.1 Die Geschichte vom guten Samariter ***** An diesem Abend versammelte sich eine ansehnliche Schar um Jesus und die beiden Apostel, um Fragen zu stellen, von denen die Apostel viele beantworteten, während der Meister auf andere selber einging. Im Verlaufe des Abends versuchte ein gewisser Rechtsgelehrter, Jesus in eine kompromittierende Diskussion zu verstricken, und sagte: "Lehrer, ich möchte dich fragen, was genau ich tun muss, um das ewige Leben zu erlangen?" Jesus antwortete: "Was steht im Gesetz und bei den Propheten geschrieben? Wie deutest du die Schriften?" Der Rechtsgelehrte, der sowohl Jesu als auch der Pharisäer Lehren kannte, antwortete: "Gott, den Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Verstand und mit aller Kraft zu lieben und deinen Nächsten wie dich selbst." Da sagte Jesus: "Du hast richtig geantwortet; wenn du das wirklich tust, wird es dich zum ewigen Leben führen." Aber der Rechtsgelehrte war nicht ganz aufrichtig, als er seine Frage stellte, und in dem Wunsch, sich zu rechtfertigen, und zugleich hoffend, Jesus in Verlegenheit zu bringen, wagte er noch eine weitere Frage. Er rückte etwas näher an den Meister heran und sagte: "Aber, Lehrer, wärest du so gut, mir zu sagen, wer denn eigentlich mein Nächster ist?" Der Rechtsgelehrte stellte diese Frage in der Hoffnung, Jesus bei einer Erklärung zu ertappen, die im Widerspruch zum jüdischen Gesetz stünde, welches seinen Nächsten als "die Kinder seines eigenen Volkes" definierte. Die Juden sahen auf alle anderen als auf "heidnische Hunde" herab. Dieser Rechtsgelehrte war mit Jesu Lehren einigermaßen vertraut und wusste deshalb gut, dass der Meister anders dachte; er hoffte, ihn auf diese Weise zu bewegen, etwas zu sagen, was als Angriff auf das heilige Gesetz ausgelegt werden könnte. Aber Jesus durchschaute die Absicht des Rechtsgelehrten. Anstatt in die Falle zu gehen, begann er, seinen Zuhörern eine Geschichte zu erzählen, und zwar eine, der jede beliebige Zuhörerschaft von Jericho zustimmen würde. Jesus sprach: "Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinunter und fiel in die Hände grausamer Räuber, die ihn ausraubten, entkleideten, schlugen und halbtot liegen ließen. Bald danach kam zufälligerweise ein Priester des Weges, und als er sich dem Verwundeten näherte und seinen kläglichen Zustand sah, ging er auf der anderen Straßenseite an ihm vorüber. Und auch ein Levit, der daherkam und den Mann sah, schritt desgleichen auf der anderen Straßenseite an ihm vorüber. Um diese Zeit traf auch ein Samaritaner auf seinem Weg nach Jericho auf den verwundeten Mann; und als er sah, wie man ihn ausgeraubt und zusammengeschlagen hatte, fühlte er Mitleid, ging zu ihm hinüber, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Und dann setzte er den Mann auf sein eigenes Tier, brachte ihn hierher zur Herberge und pflegte ihn. Und am Morgen zog er etwas Geld hervor und gab es dem Wirt mit den Worten: `Kümmere dich gut um meinen Freund, und wenn es mehr kosten sollte, werde ich dir bei meiner Rückkehr den Rest bezahlen.' Nun lass mich dich fragen: Welcher von den dreien erwies sich als der Nächste dessen, der unter die Räuber gefallen war?" Und als der Rechtsgelehrte merkte, dass er sich in seiner eigenen Schlinge gefangen hatte, antwortete er: "Derjenige, der ihm Barmherzigkeit erwies." Und Jesus sagte: "Gehe hin und tue desgleichen." Der Rechtskundige antwortete "derjenige, der ihm Barmherzigkeit erwies", damit er das verabscheute Wort "Samaritaner" nicht auszusprechen hatte. Er sah sich gezwungen, auf die Frage "Wer ist mein Nächster?" die Antwort zu geben, die Jesus wünschte, und die, hätte Jesus selber sie gegeben, ihn direkt der Anklage der Häresie ausgesetzt hätte. Jesus beschämte nicht nur den unehrlichen Rechtsgelehrten, sondern er erzählte seinen Zuhörern auch eine Geschichte, die zugleich eine wunderbare Aufforderung an alle seine Anhänger und für alle Juden ein vernichtender Tadel bezüglich ihrer Haltung gegenüber den Samaritanern war. Und diese Geschichte hat nie aufgehört, bei all jenen brüderliche Liebe zu fördern, die in späterer Zeit an Jesu Evangelium geglaubt haben. ***** 164.2 In Jerusalem ***** Jesus hatte dem Laubhüttenfest beigewohnt, um den Pilgern aus dem ganzen Kaiserreich das Evangelium verkünden zu können; jetzt ging er zum Fest der Tempelweihe nur zu einem einzigen Zweck: dem Sanhedrin und den jüdischen Führern eine weitere Gelegenheit zu geben, das Licht zu sehen. Das wichtigste Ereignis dieser paar Tage in Jerusalem fand am Freitagabend im Hause des Nikodemus statt. Hier waren an die fünfundzwanzig jüdische Führer versammelt, die an Jesu Lehre glaubten. Unter ihnen befanden sich vierzehn Männer, die zu diesem Zeitpunkt Mitglieder des Sanhedrins waren oder diesem bis vor kurzem angehört hatten. Eber, Matadormus und Joseph von Arimathäa nahmen an diesem Treffen teil. Bei diesem Anlass waren sämtliche Zuhörer Jesu gebildete Männer, und sowohl sie wie auch seine beiden Apostel staunten über die Breite und Tiefe der Ausführungen, die der Meister vor diesem erlesenen Kreis machte. Nie seit den Tagen, da er in Alexandrien, Rom und auf den Mittelmeerinseln gelehrt hatte, hatte er ein solches Wissen an den Tag gelegt und ein derartiges Erfassen menschlicher Angelegenheiten, weltlicher wie religiöser, gezeigt. Als sich die kleine Versammlung auflöste, gingen alle verblüfft über des Meisters Persönlichkeit fort, bezaubert von seinem gütigen Wesen und von Liebe zu ihm erfüllt. Sie hatten Jesus bezüglich seines Wunsches, die übrigen Mitglieder des Sanhedrins zu gewinnen, zu beraten versucht. Der Meister hörte all ihren Vorschlägen aufmerksam, aber schweigend zu. Er wusste sehr wohl, dass keiner ihrer Pläne gelingen würde. Er spürte, dass die Mehrzahl der jüdischen Führer das Evangelium vom Himmelreich niemals akzeptieren würde; trotzdem gab er ihnen allen diese weitere Chance zu wählen. Aber als er sich an diesem Abend mit Nathanael und Thomas auf den Ölberg zur Nachtruhe begab, hatte er sich noch nicht entschieden, mit welcher Methode er die Aufmerksamkeit des Sanhedrins einmal mehr auf sein Werk lenken würde. Nathanael und Thomas schliefen in dieser Nacht kaum; sie waren von dem im Hause des Nikodemus Gehörten zu tief beeindruckt. Sie dachten lange über die Schlussworte Jesu im Zusammenhang mit dem Angebot der früheren und gegenwärtigen Mitglieder des Sanhedrins nach, mit ihm vor die Siebzig zu gehen. Der Meister sagte: "Nein, meine Brüder, das hätte keinen Sinn. Ihr würdet bloß vermehrten Zorn auf eure eigenen Häupter laden, aber ihren Hass gegen mich nicht im Mindesten besänftigen. Jeder von euch kümmere sich nun um des Vaters Angelegenheiten, so wie der Geist es ihm eingibt, und ich werde ihr Augenmerk noch einmal in der von meinem Vater bestimmten Weise auf das Königreich lenken." ***** 164.3 Die Heilung des blinden Bettlers ***** Am nächsten Morgen gingen die drei nach Bethanien zum Frühstück in Marthas Haus hin-über und begaben sich anschließend sofort nach Jerusalem. Als Jesus und seine zwei Apostel sich an diesem Sabbatmorgen dem Tempel näherten, begegneten sie einem stadtbekannten Bettler, einem Mann, der blind zur Welt gekommen war und der an seinem üblichen Platz saß. Obwohl die Bettler am Sabbattag weder um Almosen baten, noch welche erhielten, hatten sie die Erlaubnis, an ihren gewohnten Plätzen zu sitzen. Jesus hielt an und schaute auf den Bettler. Während er diesen blindgeborenen Mann betrachtete, kam ihm der Gedanke, wie er den Sanhedrin und die anderen jüdischen Führer und religiösen Lehrer ein weiteres Mal auf seine irdische Mission aufmerksam machen könnte. Als der Meister tief in Gedanken versunken vor dem blinden Mann stand, überlegte Nathanael, was wohl der Grund von dessen Blindheit sein mochte, und er fragte: "Meister, wer hat gesündigt, dieser Mann oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?" Die Rabbiner lehrten, dass alle solchen Fälle angeborener Blindheit durch Sünde verur-sacht waren. Nicht nur wurden die Kinder in der Sünde gezeugt und geboren, sondern ein Kind konnte zur Strafe für eine bestimmte, von seinem Vater begangene Sünde blind geboren werden. Sie lehrten sogar, dass ein Kind selber sündigen könne, noch bevor es das Licht der Welt erblickte. Sie lehrten auch, dass solche Gebrechen durch irgendeine Sünde oder Ausschweifung der Mutter während der Schwangerschaft verursacht werden konnten. In all diesen Gegenden lebte immer noch der Glaube an Reinkarnation. Die älteren jüdischen Lehrer so wie Plato, Philo und viele Essener duldeten die Theorie, dass die Menschen in einer Inkarnation ernteten, was sie in einer früheren Existenz gesät hatten; man glaubte, sie sühnten in einem Leben die in vorausgegangenen Leben begangenen Sünden. Es fiel dem Meister schwer, die Menschen zu dem Glauben zu bringen, dass ihre Seelen keine früheren Existenzen hatten. Obwohl angenommen wurde, dass solche Blindheit die Folge von Sünde war, hielten es die Juden, so widersprüchlich es auch scheint, dennoch für äußerst verdienstvoll, den blinden Bettlern Almosen zu geben. Diese blinden Menschen hatten die Gewohnheit, für die Vorübergehenden fortwährend herzuleiern: "Oh Weichherziger, erwirb dir Verdienst und hilf einem Blinden." Jesus begann mit Nathanael und Thomas über diesen Fall zu sprechen, nicht nur weil er sich bereits entschieden hatte, diesen blinden Mann dazu zu gebrauchen, an diesem Tag die Aufmerksamkeit der jüdischen Führer wiederum in auffälliger Weise auf seine Mission zu lenken, sondern auch, weil er seine Apostel stets ermunterte, nach den wahren Ursachen aller Phänomene, natürlicher wie geistiger, zu suchen. Er hatte sie oft davor gewarnt, der allgemeinen Neigung, gewöhnlichen physischen Ereignissen geistige Ursachen zuzuschreiben, nachzugeben. Jesus entschloss sich, den Bettler in seine Pläne für die Arbeit dieses Tages einzubeziehen, aber bevor er für den blinden Mann, der Josia hieß, etwas unternahm, begann er, Nathanaels Frage zu beantworten. Der Meister sagte: "Weder dieser Mann noch seine Eltern hatten es nötig zu sündigen, damit sich Gottes Werke in ihm zeigten. Diese Blindheit befiel ihn im natürlichen Lauf der Dinge, aber wir müssen jetzt die Werke Dessen tun, der mich gesandt hat, während es noch Tag ist; denn die Nacht wird bestimmt kommen, da es nicht mehr möglich sein wird zu vollbringen, was wir uns jetzt zu tun anschicken. Während ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt, aber binnen kurzem werde ich nicht mehr bei euch sein." Darauf sagte Jesus zu Nathanael und Thomas: "Schenken wir diesem blinden Mann am heutigen Sabbattag das Augenlicht, um den Schriftgelehrten und Pharisäern jenen vollgültigen Anlass zu verschaffen, nach dem sie suchen, um den Menschensohn anzuklagen." Dann beugte er sich vor, spuckte auf den Boden und vermischte den Lehm mit Speichel. Er sprach bei alledem so, dass der Blinde ihn hören konnte, ging dann zu Josia, legte den Lehm auf seine blinden Augen und sagte: "Geh, mein Sohn, und wasche den Lehm im Teich von Siloa ab, und auf der Stelle wirst du das Augenlicht erhalten." Und nachdem sich Josia im Teich von Siloa also gewaschen hatte, kehrte er sehend zu seinen Freunden und seiner Familie zurück. Da er immer ein Bettler gewesen war, kannte er nichts anderes; also kehrte er, sowie sich seine erste Aufregung über die Herstellung seines Sehvermögens gelegt hatte, an seinen vertrauten Platz zum Almosenbetteln zurück. Als seine Freunde und Nachbarn und alle, die ihn zuvor gekannt hatten, feststellten, dass er sehen konnte, sagten sie alle: "Ist das nicht Josia, der blinde Bettler?" Einige sagten, er sei es, während andere meinten: "Nein, es ist einer, der ihm gleicht, denn dieser Mann kann sehen." Aber als sie den Mann selber fragten, antwortete er: "Ich bin es." Als sie ihn auszufragen begannen, wieso er sehen könne, antwortete er ihnen: "Ein Mann namens Jesus kam des Weges, und während er mit seinen Freunden über mich sprach, mischte er Lehm mit Speichel, bestrich damit meine Augen und befahl mir, mich im Teich von Siloa waschen zu gehen. Ich tat, wie dieser Mann mich geheißen hatte, und wurde augenblicklich sehend. Und das ist erst vor ein paar Stunden geschehen. Ich verstehe die Bedeutung von vielem, was ich sehe, noch nicht." Und als die Leute, die sich um ihn herum anzusammeln begannen, fragten, wo sie den seltsamen Mann, der ihn geheilt hatte, finden könnten, konnte Josia nur antworten, er wisse es nicht. Dieses ist eines der merkwürdigsten Wunder des Meisters. Dieser Mann bat nicht darum, geheilt zu werden. Er wusste nicht, dass der Jesus, der ihm geboten hatte, sich in Siloa zu waschen, und ihm die Sehkraft versprochen hatte, der Prophet aus Galiläa war, der während des Laubhüttenfestes in Jerusalem gepredigt hatte. Dieser Mann glaubte nur schwach daran, sehend zu werden, aber die Menschen jener Tage hatten einen starken Glauben an die Wirksamkeit des Speichels eines großen oder heiligen Mannes; und aus Jesu Unterhaltung mit Nathanael und Thomas hatte Josia gefolgert, dass sein angehender Wohltäter ein großer Mann, ein gebildeter Lehrer oder ein heiliger Prophet sein müsse; und deshalb tat er, wie Jesus ihm befohlen hatte. Aus drei Gründen bediente sich Jesus des Lehms und Speichels und schickte Josia zum symbolischen Teich von Siloa, um sich zu waschen: 1. Es handelte sich hier nicht um ein Wunder als Antwort auf den Glauben eines Einzelnen. Es war ein Wunder, das Jesus zu persönlichen Zwecken zu vollbringen beschloss, aber so handhabte, dass dieser Mann dauernden Nutzen daraus ziehen konnte. 2. Da der Blinde nicht um Heilung gebeten hatte und nur einen schwachen Glauben besaß, waren diese materiellen Handlungen zu seiner Ermutigung gedacht. Er vertraute tatsächlich auf abergläubische Weise der Wirksamkeit des Speichels, und er wusste, dass der Teich von Siloa ein halbwegs heiliger Ort war. Aber er hätte sich wohl kaum dorthin begeben, wäre es nicht nötig gewesen, den aufgetragenen Lehm abzuwaschen. Das Ganze enthielt gerade genügend Zeremoniell, um ihn zum Handeln zu bewegen. 3. Aber Jesus hatte noch einen dritten Grund, im Zusammenhang mit dieser einzigartigen Handlung zu solch materiellen Hilfsmitteln zu greifen: Dies war ein völlig nach seiner eigenen Wahl gestaltetes Wunder, und er wollte damit seine Anhänger von damals und aller späteren Zeitalter lehren, bei der Heilung von Kranken die materiellen Hilfsmittel nicht zu verachten oder zu vernachlässigen. Er wollte sie lehren, damit aufzuhören, Wunder als einzige Heilmethode für menschliche Krankheiten zu betrachten. Als Jesus am Sabbatmorgen und in Jerusalem in Tempelnähe diesem Mann durch eine Wundertat das Augenlicht schenkte, ging es ihm in erster Linie darum, mit dieser Handlung den Sanhedrin und alle jüdischen Lehrer und religiösen Führer offen herauszufordern. Das war seine Art, einen offenen Bruch mit den Pharisäern zu verkünden. Er war immer positiv in allem, was er tat. Und damit die Angelegenheit vor den Sanhedrin gebracht würde, führte Jesus seine zwei Apostel am frühen Nachmittag dieses Sabbattages zu dem Mann und provozierte vorsätzlich die Diskussionen, welche die Pharisäer zwangen, das Wunder zur Kenntnis zu nehmen. ***** 164.4 Josia vor dem Sanhedrin ***** Bis Mitte des Nachmittags hatte Josias Heilung im Umkreis des Tempels derartige Diskussionen erregt, dass die Führer des Sanhedrins beschlossen, den Rat an seinem üblichen Tagungsort im Tempel einzuberufen. Und sie taten dies unter Verletzung einer bestehenden Regel, die es dem Sanhedrin verbot, am Sabbattag zusammenzutreten. Jesus wusste, dass Sabbatbruch eine der gegen ihn erhobenen Hauptanklagen sein würde, wenn die letzte Prüfung käme, und er wollte aufgrund der Anklage, am Sabbattag einen Blinden geheilt zu haben, vor den Sanhedrin geführt werden, wenn die Versammlung des hohen jüdischen Gerichtshofs, die über ihn wegen dieses Aktes der Barmherzigkeit zu Gericht säße, über die Angelegenheit gerade an einem Sabbattag und unter direkter Verletzung ihrer eigenen, selbstauferlegten Gesetze beraten würde. Aber sie zitierten Jesus nicht vor sich; sie fürchteten sich davor. Stattdessen schickten sie nach Josia. Nach einigen einleitenden Fragen forderte der Sprecher des Sanhedrins, von dessen Mitgliedern etwa fünfzig anwesend waren, Josia auf, ihnen zu erzählen, was mit ihm geschehen war. Seit seiner Heilung am Vormittag hatte Josia durch Thomas, Nathanael und andere erfahren, dass die Pharisäer über seine Heilung an einem Sabbat erbost waren und wahrscheinlich allen Beteiligten Schwierigkeiten machen würden; aber Josia begriff noch nicht, dass Jesus derjenige war, den man den Befreier nannte. So gab er auf die Fragen der Pharisäer zur Antwort: "Dieser Mann kam daher, legte Lehm auf meine Augen und gebot mir, mich in Siloa waschen zu gehen, und ich kann jetzt wirklich sehen." Nach einer langatmigen Rede sagte einer der älteren Pharisäer: "Dieser Mann kann nicht von Gott sein, da er sich, wie ihr seht, nicht an den Sabbat hält. Er bricht das Gesetz erstens, indem er den Lehm macht, und zweitens, indem er diesen Bettler am Sabbattag nach Siloa schickt, um sich zu waschen. Ein solcher Mann kann kein von Gott gesandter Lehrer sein." Da sagte einer der jüngeren Männer, der heimlich an Jesus glaubte: "Wie kann dieser Mann solche Dinge tun, wenn er nicht von Gott gesandt ist? Wir wissen, dass ein gewöhnlicher Sünder keine solchen Wunder wirken kann. Wir alle kennen diesen Bettler und wissen, dass er blind geboren wurde; jetzt sieht er. Wollt ihr immer noch sagen, dass dieser Prophet all seine Wunder durch die Macht des Teufelsfürsten tut?" Und für jeden Pharisäer, der Jesus anzuklagen und anzuprangern wagte, erhob sich ein anderer, der verwirrende und unbequeme Fragen stellte, so dass sie sich ernsthaft zu spalten begannen. Als der Vorsitzende sah, wohin sie trieben, ging er, um die Diskussion zu beruhigen, dazu über, den Mann selber zu befragen. Er wandte sich an Josia und sprach: "Was hast du über diesen Mann, diesen Jesus zu sagen, von dem du behauptest, er habe dir die Augen geöffnet?" Und Josia antwortete: "Ich denke, er ist ein Prophet." Die Führer waren sehr beunruhigt, und in ihrer Ratlosigkeit beschlossen sie, Josias Eltern kommen zu lassen, um von ihnen zu erfahren, ob er tatsächlich blind zur Welt gekommen war. Sie waren nicht gewillt, an die Heilung des Bettlers zu glauben. Jedermann in Jerusalem wusste, dass nicht nur Jesus der Zutritt zu allen Synagogen verwehrt war, sondern dass alle, die an seine Lehre glaubten, ebenfalls aus der Synagoge ausgestoßen, aus der Versammlung Israels exkommuniziert wurden; und das bedeutete die Aberkennung aller Rechte und Privilegien im ganzen Judentum mit Ausnahme des Rechts, sich das Lebensnotwendige zu kaufen. Deshalb fürchteten sich Josias Eltern, arme und verängstigte Seelen, frei zu sprechen, als sie vor dem ehrwürdigen Sanhedrin erschienen. Der Gerichtssprecher sagte: "Ist das euer Sohn? Und haben wir richtig verstanden, dass er blind geboren wurde? Wenn das wahr ist, wie kommt es, dass er jetzt sehen kann?" Da antwortete Josias Vater, unterstützt von seiner Mutter: "Wir wissen, dass das unser Sohn ist, und dass er blind zur Welt kam, aber wie es kommt, dass er sehen kann, und wer ihm seine Augen geöffnet hat, wissen wir nicht. Fragt ihn; er ist mündig; lasst ihn für sich selber sprechen." Jetzt ließen sie Josia ein zweites Mal vortreten. Sie kamen mit ihrem Vorgehen, eine förmliche Gerichtsverhandlung abzuhalten, nicht gut voran, und einige hatten ein merkwürdiges Gefühl dabei, dies an einem Sabbat zu tun. Deshalb versuchten sie, als sie Josia erneut aufriefen, ihn durch eine veränderte Taktik in die Falle zu locken. Der Gerichtsvorsitzende sagte zu dem zuvor Blinden: "Warum gibst du nicht Gott die Ehre dafür? Warum verschweigst du uns die volle Wahrheit über das, was sich ereignet hat? Wir alle wissen, dass dieser Mann ein Sünder ist. Warum weigerst du dich, die Wahrheit zu erkennen? Du weißt, dass du und dieser Mann euch des Sabbatbruchs schuldig gemacht habt. Willst du deine Sünde nicht wieder gutmachen, indem du Gott als deinen Heiler anerkennst, wenn du an deiner Behauptung festhältst, deine Augen seien heute geöffnet worden?" Aber Josia war weder einfältig noch humorlos; also antwortete er dem Gerichtsvorsitzenden: "Ob dieser Mann ein Sünder ist, weiß ich nicht; aber eines weiß ich - dass ich, während ich vorher blind war, jetzt sehe." Und da sie Josia nicht in Widerspruch verwickeln konnten, versuchten sie es mit einer anderen Frage: "Wie ist er genau vorgegangen, als er deine Augen geöffnet hat? Was hat er tatsächlich mit dir getan? Was hat er zu dir gesagt? Hat er von dir verlangt, an ihn zu glauben?" Mit einiger Ungeduld antwortete Josia: "Ich habe euch genau erzählt, wie sich alles zugetragen hat, und wenn ihr meiner Aussage nicht glaubt, warum wollt ihr sie dann noch einmal hören? Wollt ihr etwa auch seine Jünger werden?" Nach diesen Worten Josias löste sich der Sanhedrin in Verwirrung, fast gewalttätig, auf, denn die Führer stürzten sich auf Josia und riefen im Zorn: "Du magst von dir sagen, ein Jünger dieses Mannes zu sein, wir aber sind die Jünger Mose, und wir sind die Lehrer der Gesetze Gottes. Wir wissen, dass Gott durch Moses gesprochen hat, aber was diesen Mann Jesus betrifft, wissen wir nicht, woher er kommt." Da stieg Josia auf einen Schemel und rief in die Runde zu allen, die es hören konnten: "Hört, die ihr beansprucht, die Lehrer ganz Israels zu sein, und lasst mich euch erklären, dass es hier ein großes Wunder gibt, da ihr gesteht, nicht zu wissen, woher dieser Mann kommt, und doch aus dem Zeugnis, das ihr gehört habt, mit Bestimmtheit wisst, dass er meine Augen geöffnet hat. Wir wissen alle, dass Gott solche Dinge nicht für die Gottlosen tut; dass Gott so etwas nur auf die Bitte eines wahrhaft Frommen - eines Heiligen und Rechtschaffenen - tut. Ihr wisst, dass ihr seit Bestehen der Welt nie von einem Blindgeborenen gehört habt, dessen Augen geöffnet wurden. Schaut mich also an, ihr alle, und begreift, was am heutigen Tag in Jerusalem getan worden ist! Ich sage euch, wenn dieser Mann nicht von Gott wäre, könnte er so etwas nicht tun." Die Sanhedristen gingen wutentbrannt und verwirrt auseinander und riefen Josia im Weggehen zu: "Du bist ganz und gar in Sünde geboren, und jetzt maßest du dir an, uns zu belehren? Vielleicht bist du gar nicht wirklich blind zur Welt gekommen, und selbst wenn deine Augen am Sabbattag geöffnet worden sind, geschah es durch die Macht des Teufelsfürsten." Und sie begaben sich unverzüglich zur Synagoge, um Josia auszustoßen. Bei Prozessbeginn hatte Josia nur vage Vorstellungen über Jesus und über die Natur seiner Heilung gehabt. Das Meiste seines wagemutigen Zeugnisses, das er so klug und unerschrocken vor diesem höchsten Gerichtshof ganz Israels ablegte, entwickelte sich in seinem Verstand, während der Prozess auf eine so unfaire und ungerechte Weise ablief. ***** 164.5 Unterweisung in der Halle Salomos ***** Während der ganzen Dauer dieser den Sabbat brechenden Tagung des Sanhedrins in einem der Tempelräume ging Jesus ganz in der Nähe umher und lehrte die Leute in der Halle Salomos und hoffte, vor den Sanhedrin gerufen zu werden, um den Versammelten die gute Nachricht von der Freiheit und Freude der göttlichen Sohnschaft im Königreich Gottes zu verkündigen. Aber sie hatten Angst, nach ihm zu schicken. Diese plötzlichen und öffentlichen Auftritte Jesu in Jerusalem beunruhigten sie jedes Mal. Die Gelegenheit, nach der sie mit solchem Eifer gesucht hatten, gab Jesus ihnen jetzt, aber sie fürchteten sich davor, ihn auch nur als Zeugen vor den Sanhedrin zu bringen, und noch mehr fürchteten sie sich davor, ihn zu verhaften. Es war mitten im Winter in Jerusalem, und die Leute suchten den teilweisen Schutz der Halle Salomos auf; und während Jesus dort weilte, wurden ihm aus der Menge viele Fragen gestellt, und er lehrte sie mehr als zwei Stunden lang. Einige jüdische Lehrer versuchten, ihn in eine Falle zu locken, indem sie ihn öffentlich fragten: "Wie lange willst du uns noch im Ungewissen lassen? Wenn du der Messias bist, warum sagst du es uns nicht unmissverständlich?" Jesus sagte: "Ich habe euch oft von mir und meinem Vater erzählt, aber ihr wollt mir nicht glauben. Könnt ihr nicht sehen, dass die Werke, die ich in meines Vaters Namen tue, für mich Zeugnis ablegen? Aber viele von euch glauben nicht, weil sie nicht zu meiner Herde gehören. Der Lehrer der Wahrheit zieht nur diejenigen an, die nach Wahrheit hungern und nach Gerechtigkeit dürsten. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir. Und allen, die meine Lehre befolgen, gebe ich das ewige Leben; sie werden nie untergehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen können. Mein Vater, der mir diese Kinder gegeben hat, ist größer als alle, so dass niemand imstande ist, sie aus Seinen Händen zu nehmen. Der Vater und ich sind eins." Einige ungläubige Juden stürzten sich zu einer Stelle, wo man immer noch am Tempel baute, um Steine zu ergreifen und Jesus damit zu bewerfen, aber die Gläubigen hielten sie zurück. Jesus fuhr in seiner Unterweisung fort: "Ich habe euch viele Werke der Liebe meines Vaters gezeigt, und ich möchte euch nun fragen, wegen welcher dieser guten Werke ihr mich jetzt steinigen wollt?" Und da antwortete einer der Pharisäer: "Nicht guter Werke wegen wollen wir dich steinigen, sondern wegen Gotteslästerung, weil du es als Mensch wagst, dich Gott gleichzustellen." Und Jesus antwortete: "Ihr klagt den Menschensohn der Gotteslästerung an, weil ihr euch geweigert habt, mir zu glauben, als ich erklärte, von Gott gesandt zu sein. Wenn ich nicht Gottes Werke tue, dann glaubt mir nicht, aber wenn ich Gottes Werke tue, dann dächte ich, würdet ihr, auch wenn ihr nicht an mich glaubt, wenigstens an meine Werke glauben. Aber damit es für euch an meiner Verkündigung keine Zweifel mehr gebe, lasst mich von neuem mit Bestimmtheit erklären, dass der Vater in mir ist und ich in ihm, und dass, so wie der Vater in mir wohnt, ich in jedem wohnen werde, der an dieses Evangelium glaubt." Als die Leute diese Worte vernahmen, eilten viele hinaus, um Steine zu ergreifen und sie nach ihm zu werfen, aber er entwich aus dem Tempelbezirk und traf sich mit Nathanael und Thomas, die der Sitzung des Sanhedrins beigewohnt hatten. Und mit ihnen wartete er in Tempelnähe, bis Josia den Sitzungsraum verließ. Jesus und die beiden Apostel suchten Josia zu Hause erst auf, als sie erfuhren, dass er aus der Synagoge ausgeschlossen worden war. Als sie bei seinem Haus anlangten, rief Thomas, er solle in den Hof kommen, und Jesus sagte zu ihm: "Josia, glaubst du an den Sohn Gottes?" Und Josia antwortete: "Sag mir, wer er ist, damit ich an ihn glaube." Und Jesus sagte: "Du hast ihn sowohl gesehen als auch gehört, und er ist es, der jetzt zu dir spricht." Und Josia sagte: "Herr, ich glaube", fiel zur Erde nieder und betete an. Als Josia vernahm, dass er aus der Synagoge ausgestoßen worden war, war er zuerst sehr niedergeschlagen, aber er schöpfte neuen Mut, als ihn Jesus anwies, sich sofort bereit zu machen, um mit ihnen zum Lager von Pella zu gehen. Dieser schlichte Bürger von Jerusalem war zwar aus einer jüdischen Synagoge ausgeschlossen worden, aber siehe! da nahm ihn der Schöpfer eines Universums mit sich, auf dass er ein Teil des geistigen Adels jener Tage und jener Generation werde. Und nun verließ Jesus Jerusalem, um erst wieder dahin zurückzukehren, wenn er sich anschicken würde, diese Welt zu verlassen. Der Meister ging mit den beiden Aposteln und Josia nach Pella zurück. Und Josia erwies sich als einer jener Empfänger von Wundertaten des Meisters, der Früchte trug, denn er predigte sein ganzes Leben lang das Evangelium vom Königreich. ****** Kapitel 165 Die Peräische Mission Beginnt ****** ABNER, das frühere Oberhaupt der zwölf Apostel von Johannes dem Täufer, Nasiräer und einst Vorsteher der nasiräischen Schule von Engedi, jetzt Oberhaupt der siebzig Botschafter des Königreichs, rief am Dienstag, dem 3. Januar 30, seine Mitarbeiter zusammen und gab ihnen letzte Anweisungen, bevor er sie zu einer Mission in alle Städte und Dörfer Peräas aussandte. Diese Mission in Peräa dauerte fast drei Monate und sie war das letzte Wirken des Meisters. Nach diesen Anstrengungen begab sich Jesus geradewegs nach Jerusalem, um durch die letzten Erfahrungen als Mensch zu gehen. Bei ihrer Arbeit gelegentlich von Jesus und den zwölf Aposteln unterstützt, wirkten die Siebzig in den folgenden größeren und kleineren Städten und noch weiteren fünfzig Dörfern: Zaphon, Gadara, Macad, Arbela, Ramath, Edrei, Bosora, Caspin, Mispeh, Gerasa, Ragaba, Succoth, Amathus, Adam, Penuel, Capitolias, Dion, Hatita, Gadda, Philadelphia, Jogbehah, Gilead, Beth-Nimrah, Tyrus, Elealah, Livias, Hesbon, Callirhoe, Beth-Peor, Shittim, Sibmah, Medeba, Beth-Meon, Areopolis und Aroer. Während dieser Rundreise durch Peräa übernahm das jetzt zweiundsechzig Mitglieder zählende Frauenkorps den größten Teil der Krankenarbeit. Das war die Schlussphase, in der die höheren, geistigen Aspekte des Evangeliums vom Königreich entwickelt wurden, und dementsprechend fehlten Wundertaten. Kein anderer Teil Palästinas wurde von den Aposteln und Jüngern Jesu so gründlich bearbeitet, und in keiner anderen Gegend nahmen die gehobeneren Klassen der Bewohner die Lehre des Meisters so generell an. Peräa war zu dieser Zeit etwa zu gleichen Teilen jüdisch und nichtjüdisch, da die Juden zur Zeit des Judas Makkabäus im Allgemeinen aus diesen Gegenden weggebracht worden waren. Peräa war die schönste und malerischste Provinz von ganz Palästina. Die Juden bezeichneten sie meist als "Land jenseits des Jordans". Während dieser ganzen Periode teilte Jesus seine Zeit zwischen dem Lager in Pella und Abstechern mit den Zwölfen zu den Siebzig, um diesen in den verschiedenen Städten, wo sie lehrten und predigten, beizustehen. Unter Abners Anleitung tauften die Siebzig alle Gläubigen, obwohl Jesus ihnen keinen derartigen Auftrag erteilt hatte. ***** 165.1 Im Lager von Pella ***** Mitte Januar waren mehr als zwölfhundert Personen in Pella versammelt, und Jesus lehrte diese Menge wenigstens einmal am Tage, wenn er im Lager anwesend war. Meistens sprach er um neun Uhr morgens, wenn ihn der Regen nicht daran hinderte. Petrus und die anderen Apostel lehrten jeden Nachmittag. Die Abende blieben den üblichen Frage-und-Antwort-Stunden Jesu mit den Zwölf und anderen fortgeschrittenen Jüngern vorbehalten. Die Abendgruppen zählten im Durchschnitt etwa fünfzig Teilnehmer. Mitte März, als Jesus zu seiner Reise nach Jerusalem aufbrach, bestand die große Zuhörerschaft, die jeden Morgen der Predigt von Jesus oder Petrus beiwohnte, aus über viertausend Personen. Der Meister entschloss sich zur Beendigung seines irdischen Werks, als das Interesse an seiner Botschaft einen hohen Grad, den höchsten Punkt in der zweiten oder nicht wundertätigen Entwicklungsphase des Königreichs, erreicht hatte. Während die Menge sich zu drei Vierteln aus Wahrheitssuchern zusammensetzte, waren neben vielen Zweiflern und Nörglern auch zahlreiche Pharisäer aus Jerusalem und von anderswo anwesend. Jesus und die Zwölf widmeten einen Großteil ihrer Zeit der im Lager von Pella versammelten Menge. Die Zwölf kümmerten sich nur wenig oder gar nicht um die Außenarbeit, abgesehen von ihren gelegentlichen Besuchen mit Jesus bei Abners Mitarbeitern. Abner war mit dem Distrikt von Peräa bestens vertraut, da sein vormaliger Meister, Johannes der Täufer, meistens in dieser Gegend gewirkt hatte. Nach dem Beginn der Mission in Peräa kehrten Abner und die Siebzig nie mehr ins Lager von Pella zurück. ***** 165.2 Die Predigt über den guten Hirten ***** Eine über dreihundertköpfige Schar von Bewohnern Jerusalems, von Pharisäern und anderen, folgte Jesus gen Norden nach Pella, als er sich am Ende des Festes der Tempelweihe eilends aus dem Hoheitsgebiet der jüdischen Führer wegbegab. Und es geschah in Gegenwart dieser jüdischen Lehrer und Führer und im Beisein der zwölf Apostel, dass Jesus die Predigt über den "Guten Hirten" hielt. Nach einer halben Stunde ungezwungener Diskussion sprach Jesus zu einer Gruppe von ungefähr hundert Anwesenden: "Heute Abend habe ich euch viel zu sagen, und da viele von euch meine Jünger und einige von euch meine erbitterten Feinde sind, will ich meiner Unterweisung die Form eines Gleichnisses geben, so dass jeder von euch für sich davon nehmen kann, was in seinem Herzen einen Widerhall findet. Hier vor mir sind heute Abend Menschen, die bereit wären, für mich und dieses Evangelium vom Königreich zu sterben, und einige von ihnen werden sich auch in den kommenden Jahren in dieser Weise opfern; und hier unter euch sind ebenfalls einige, Sklaven der Tradition, die mir von Jerusalem her gefolgt sind, und die zusammen mit ihren verfinsterten und irregeleiteten Führern dem Menschensohn nach dem Leben trachten. Das Leben, das ich jetzt in Menschengestalt lebe, wird beide von euch richten, die wahren Hirten und die falschen Hirten. Wenn der falsche Hirte blind wäre, wäre er ohne Sünde, aber ihr erhebt den Anspruch zu sehen; ihr bezeichnet euch als Lehrer in Israel; deshalb bleibt eure Sünde auf euch. "Der wahre Schafhirte treibt in Zeiten der Gefahr seine Herde über Nacht im Pferch zusammen. Und wenn es tagt, betritt er den Pferch durch das Gatter, und wenn er ruft, kennen die Schafe seine Stimme. Jeder Schäfer, der auf andere Weise als durch das Gatter in den Schafpferch eindringt, ist ein Dieb und Räuber. Der wahre Schafhirte betritt den Pferch, nachdem der Türhüter ihm das Gatter geöffnet hat, und seine Schafe, die seine Stimme kennen, kommen heraus, wenn er sie ruft. Und wenn er sie, die ihm gehören, so hinausgebracht hat, geht der wahre Schafhirt ihnen voraus; er zeigt den Weg, und die Schafe folgen ihm. Seine Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen; sie werden keinem Fremden folgen. Sie werden vor dem Fremden fliehen, weil sie seine Stimme nicht kennen. Die vielen Menschen, die hier um uns versammelt sind, gleichen Schafen ohne Schafhirten, aber wenn wir zu ihnen sprechen, erkennen sie des Hirten Stimme und sie folgen uns nach; wenigstens tun es jene, die nach Wahrheit hungern und nach Gerechtigkeit dürsten. Einige von euch gehören nicht zu meinem Pferch. Ihr kennt meine Stimme nicht und ihr folgt mir nicht. Und weil ihr falsche Hirten seid, kennen die Schafe eure Stimme nicht und wollen euch nicht folgen." Nachdem Jesus dieses Gleichnis beendet hatte, stellte ihm niemand eine Frage. Nach einer Weile ergriff er wieder das Wort und ging dazu über, das Gleichnis zu besprechen: "Ihr, die ihr Unterhirten der Herde meines Vaters sein möchtet, müsst nicht nur gute Anführer sein, sondern ihr müsst die Herde auch mit guter Nahrung speisen; ihr seid keine wahren Hirten, wenn ihr eure Herden nicht auf grüne Weiden und zu stillen Wassern führt. Und damit niemand von euch dieses Gleichnis zu mühelos verstehe, will ich erklären, dass ich zugleich das Tor zu meines Vaters Schafpferch und der wahre Hirte der Herde meines Vaters bin. Keinem Schäfer wird es gelingen, den Pferch ohne mich zu betreten, und die Schafe werden seine Stimme nicht hören. Ich, zusammen mit denen, die mit mir dienen, bin das Tor. Jegliche Seele, die den ewigen Weg durch die von mir geschaffenen und angeordneten Mittel betritt, wird gerettet werden und fähig sein, sich aufzumachen zu den ewigen Weiden des Paradieses. Ich bin aber auch der wahre Hirte, der gewillt ist, für die Schafe sogar sein Leben hinzugeben. Der Dieb bricht nur in den Pferch ein, um zu stehlen, zu töten und zu zerstören; aber ich bin gekommen, damit ihr alle das Leben habt und es in reichlicherem Maße habt. Ein bloßer gedungener Knecht wird fliehen, wenn Gefahr droht, und zulassen, dass seine Herde auseinander gerissen und vernichtet wird; aber der wahre Schäfer wird nicht die Flucht ergreifen, wenn der Wolf kommt; er wird seine Herde schützen und, wenn nötig, für seine Schafe sein Leben lassen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, meinen Freunden und Feinden, ich bin der wahre Hirte; ich kenne die Meinigen, und die Meinigen kennen mich. Ich werde angesichts der Gefahr nicht fliehen. Ich werde den Willen meines Vaters bis zum Ende dienend erfüllen, und ich werde die Herde nicht verlassen, die der Vater meiner Obhut anvertraut hat. Aber ich habe noch viele andere Schafe, die nicht zu dieser Herde gehören, und diese Worte haben nicht nur für diese Welt Gültigkeit. Diese anderen Schafe hören und kennen meine Stimme ebenfalls, und ich habe dem Vater versprochen, sie alle in eine einzige Herde einzubringen, in eine einzige Bruderschaft der Söhne Gottes. Und dann werdet ihr alle die Stimme eines einzigen Schäfers, des wahren Hirten kennen, und ihr werdet alle die Vaterschaft Gottes anerkennen. "Und so werdet ihr wissen, weshalb der Vater mich liebt und sämtliche Herden dieses Reichs in die Obhut meiner Hände gegeben hat; er tut es, weil er weiß, dass ich bei der Bewachung der Schafherde nicht versagen und meine Schafe nicht verlassen werde und dass ich, sollte es nötig werden, nicht zögern werde, im Dienste seiner mannigfaltigen Herden mein Leben hinzugeben. Aber merkt euch wohl, wenn ich mein Leben ablege, werde ich es auch wieder aufnehmen. Kein Mensch noch irgendein anderes Geschöpf kann mir mein Leben nehmen. Ich habe das Recht und die Macht, mein Leben abzulegen, und ich habe dieselbe Macht und dasselbe Recht, es wieder aufzunehmen. Ihr könnt das nicht verstehen, aber ich habe solche Vollmacht von meinem Vater erhalten, noch ehe es diese Welt gab." Als sie diese Worte vernahmen, waren seine Apostel verwirrt, seine Jünger erstaunt, während die Pharisäer von Jerusalem und Umgebung in die Nacht hinausgingen und sagten: "Er ist entweder verrückt oder von einem Teufel besessen." Aber sogar einige der Lehrer aus Jerusalem sagten: "Er spricht wie einer, der Vollmacht hat; wer hat übrigens je einen von einem Dämonen Besessenen gesehen, der die Augen eines Blindgeborenen öffnet und all die wunderbaren Dinge vollbringt, die dieser Mann getan hat?" Am anderen Morgen bekannte sich etwa die Hälfte dieser jüdischen Lehrer zum Glauben an Jesus, während die andere Hälfte verstört nach Jerusalem und nach Hause zurückkehrte. ***** 165.3 Die Sabbatpredigt in Pella ***** Ende Januar zählte die Menge an Sabbatnachmittagen fast dreitausend Menschen. Am Samstag, dem 28. Januar, hielt Jesus die denkwürdige Predigt über "Vertrauen und geistige Bereitschaft". Nach einleitenden Worten von Simon Petrus sagte der Meister: "Was ich meinen Aposteln und Jüngern viele Male gesagt habe, erkläre ich jetzt vor dieser Menge: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, der Heuchelei ist, geboren aus Vorurteil und gewachsen in Hörigkeit gegenüber der Tradition, obwohl viele dieser Pharisäer innerlich ehrlich und einige von ihnen hier als meine Jünger anwesend sind. Bald werdet ihr alle meine Lehre verstehen, denn es gibt nichts, was jetzt verborgen ist, das nicht offenbar werden soll. Alles, was euch jetzt noch verborgen ist, soll bekannt werden, wenn der Menschensohn seine Sendung auf Erden und in Menschengestalt abgeschlossen hat. Bald, sehr bald, werden die Dinge, die unsere Feinde jetzt im Geheimen und in der Dunkelheit planen, ans Tageslicht gebracht und von den Hausdächern herab verkündet werden. Aber ich sage euch, meine Freunde, fürchtet euch nicht vor ihnen, wenn sie den Menschensohn zu vernichten versuchen. Fürchtet euch nicht vor denen, die wohl fähig sind, den Körper zu töten, aber danach keine Macht mehr über euch haben. Ich ermahne euch, niemanden zu fürchten, weder im Himmel noch auf Erden, aber euch in der Kenntnis Dessen zu freuen, der die Macht hat, euch von aller Ungerechtigkeit zu befreien und euch ohne Tadel vor den Richterstuhl eines Universums treten zu lassen. Verkauft man nicht fünf Spatzen für zwei Pfennige? Und wenn diese Vögel auf der Suche nach ihrer Nahrung herumflattern, existiert doch keiner von ihnen ohne das Wissen des Vaters, der Quelle allen Lebens. Euren seraphischen Hütern ist sogar die Zahl der Haare auf euren Köpfen bekannt. Und wenn all das wahr ist, warum solltet ihr in Furcht leben vor den vielen Kleinigkeiten, die euer tägliches Leben mit sich bringt? Ich sage euch: Fürchtet euch nicht; ihr seid viel mehr wert als viele Spatzen. Euch alle, die ihr den Mut gehabt habt, euch vor den Menschen zu meinem Evangelium zu bekennen, werde auch ich bald vor den Engeln des Himmels anerkennen; aber wer wissentlich vor den Menschen die Wahrheit meiner Lehren leugnet, den wird auch sein Schicksalshüter vor den Engeln des Himmels verleugnen. Sagt über den Menschensohn, was ihr wollt, und es soll euch vergeben werden; aber wer sich anmaßt, Gott zu lästern, wird schwerlich Vergebung finden. Wenn Menschen so weit gehen, wissentlich die Werke Gottes den Kräften des Bösen zuzuschreiben, werden so vorsätzliche Rebellen wohl kaum Vergebung ihrer Sünden suchen. Und wenn unsere Feinde euch vor die Leiter der Synagogen und vor andere hohe Autoritäten schaffen, dann sorgt euch nicht darüber, was ihr sagen sollt, und ängstigt euch nicht, wie ihr ihre Fragen beantworten sollt, denn der Geist, der in euch wohnt, wird euch in jener Stunde mit Bestimmtheit eingeben, was ihr zur Ehre des Evangeliums vom Königreich sagen sollt. "Wie lange wollt ihr noch im Tal der Entscheidung zaudern? Warum bleibt ihr zwischen zwei Meinungen stehen? Warum sollte ein Jude oder Heide zögern, die gute Nachricht anzunehmen, dass er ein Sohn des ewigen Gottes ist? Wie lange werden wir noch brauchen, um euch zu überzeugen, freudig euer geistiges Erbe anzutreten? Ich bin in diese Welt gekommen, um euch den Vater zu offenbaren und euch zum Vater zu führen. Das Erste habe ich getan, aber das Zweite kann ich ohne euer Einverständnis nicht tun; der Vater zwingt nie jemanden, ins Königreich einzutreten. Die Einladung lautete stets und wird stets lauten: Wer immer will, der komme und habe reichlich am Wasser des Lebens teil." Als Jesus fertig gesprochen hatte, traten viele vor, um sich von den Aposteln im Jordan taufen zu lassen, während er sich die Fragen derer, die zurückblieben, anhörte. ***** 165.4 Die Teilung der Erbschaft ***** Während die Apostel Gläubige tauften, unterhielt sich der Meister mit denen, die noch blieben. Und ein junger Mann sagte zu ihm: "Meister, mein Vater hat mir und meinem Bruder bei seinem Tode einen großen Besitz hinterlassen, aber mein Bruder weigert sich, mir meinen Anteil herauszugeben. Wärest du so gut, meinen Bruder aufzufordern, dieses Erbe mit mir zu teilen?" Jesus war leicht ungehalten darüber, dass dieser materialistisch gesinnte Bursche eine derartig geschäftliche Frage in das Gespräch einbrachte; aber er nutzte die Gelegenheit zur Erteilung weiterer Unterweisung. Jesus sagte: "Junger Mann, wer hat mir aufgetragen, für euch zu teilen? Woher kommt dir der Gedanke, dass ich den materiellen Angelegenheiten dieser Welt Aufmerksamkeit schenke?" Und dann wandte er sich an alle, die um ihn herumstanden und sagte: "Gebt acht und haltet euch frei von Begehrlichkeit; das Leben eines Menschen besteht nicht aus dem Überfluss der Dinge, die er besitzen mag. Glück kommt nicht aus der Macht des Besitzes, und Freude entspringt nicht dem Reichtum. Reichtum ist an sich kein Fluch, aber die Liebe zum Reichtum führt oft zu einer derartigen Hingabe an die Dinge dieser Welt, dass die Seele blind wird für die wunderbaren Reize der geistigen Realitäten des Königreichs Gottes auf Erden und für die Freuden des ewigen Lebens im Himmel. Lasst mich euch eine Geschichte erzählen von einem begüterten Mann, dessen Land im Überfluss Ertrag brachte; und als er sehr reich geworden war, begann er, so mit sich zu Rate zu gehen: `Was soll ich mit all meinen Gütern tun? Ich habe jetzt so viel, dass mir der Platz fehlt, um meinen Reichtum zu speichern.' Und nachdem er über sein Problem nachgedacht hatte, sagte er: `Das will ich tun: ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dann werde ich reichlich Platz haben, um meine Frucht und mein Gut einzulagern. Dann kann ich zu meiner Seele sagen: Seele, du hast großen Reichtum für viele Jahre angehäuft; lass es dir nun wohl ergehen; iss, trink, und sei lustig, denn du bist reich und dein Vermögen ist noch größer geworden.' "Aber dieser reiche Mann war auch unklug. Während er für die materiellen Bedürfnisse seines Gemüts und Körpers sorgte, hatte er es versäumt, im Himmel Schätze zur Befriedigung des Geistes und zum Heil der Seele anzuhäufen. Aber auch dann sollte er nicht die Freude haben, seine gehorteten Reichtümer zu verzehren, denn noch in derselben Nacht wurde seine Seele von ihm gefordert. In jener Nacht brachen die Räuber in sein Haus ein, um ihn zu ermorden. Und nachdem sie seine Scheunen geplündert hatten, brannten sie nieder, was übrig geblieben war. Und seine Erben gerieten wegen des Besitzes, der den Räubern entgangen war, miteinander in Streit. Dieser Mann häufte auf Erden Schätze für sich selber an, aber er war nicht reich vor Gott." Jesus verfuhr mit dem jungen Mann und seiner Erbschaft in dieser Weise, weil er wusste, dass Habsucht sein Problem war. Auch wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte sich der Meister nicht eingemischt, denn er gab sich nie mit den weltlichen Angelegenheiten seiner Apostel ab, geschweige denn mit denen seiner Jünger. Als Jesus seine Geschichte beendet hatte, erhob sich ein anderer Mann und fragte ihn: "Meister, ich weiß, dass deine Apostel all ihren irdischen Besitz verkauft haben, um dir nachzufolgen, und dass sie wie die Essener alle Dinge gemeinsam haben, aber möchtest du, dass wir, deine Jünger, alle ebenso handelten? Ist es eine Sünde, ehrlich erworbenen Reichtum zu besitzen?" Und Jesus antwortete auf diese Frage: "Mein Freund, es ist keine Sünde, ehrlich erworbenen Reichtum zu haben; aber es ist eine Sünde, wenn du aus materiellem Besitz bestehenden Reichtum in Schätze verwandelst, die deine Interessen möglicherweise völlig in Anspruch nehmen und deine Gefühle von der Hingabe an die geistigen Ziele des Königreichs ablenken. Es ist keine Sünde, ehrlichen Besitz auf Erden zu haben, vorausgesetzt, dass sich dein Schatz im Himmel befindet, denn da, wo dein Schatz ist, wird auch dein Herz sein. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Reichtum, der zu Begehrlichkeit und Selbstsucht führt, und jenem, der in treuhänderischem Geiste von Menschen verwaltet und verwendet wird, die die Güter dieser Welt im Überfluss besitzen und so großzügig zum Unterhalt derer beitragen, die all ihre Energien dem Werk des Königreichs widmen. Viele von euch, die ohne Geld hier sind, werden in der Zeltstadt da drüben verköstigt und beherbergt, weil freigebige begüterte Männer und Frauen eurem Gastgeber David Zebedäus zu diesem Zweck Mittel gegeben haben. "Aber vergesst nie, dass Reichtum letzten Endes vergänglich ist. Die Liebe zum Reichtum verfinstert nur allzu oft die geistige Schau oder zerstört sie gar. Verkennt nicht die Gefahr, dass Reichtum, statt euer Diener zu sein, euer Herr wird." Jesus lehrte nicht Sorglosigkeit, Trägheit, Gleichgültigkeit gegenüber der Versorgung der eigenen Familie mit dem notwendigen Materiellen, Abhängigkeit von Almosen, noch ermunterte er dazu. Dagegen lehrte er, dass das Materielle und Weltliche dem Wohlergehen der Seele und dem Fortschritt der geistigen Natur im Königreich des Himmels untergeordnet werden müssen. Als die Leute dann zum Fluss hinuntergingen, um die Taufe mitzuerleben, kam der zuerst erwähnte junge Mann wegen seiner Erbschaft vertraulich zu Jesus, da er fand, Jesus sei mit ihm zu streng verfahren; und als der Meister ihn erneut angehört hatte, erwiderte er: "Mein Sohn, warum verpasst du die Gelegenheit, anstatt deiner habgierigen Neigung nachzugeben, an einem Tag wie diesem vom Brot des Lebens zu speisen? Weißt du nicht, dass die jüdischen Erbgesetze gerecht angewendet werden, wenn du dich mit deiner Beschwerde an das Gericht der Synagoge wendest? Kannst du nicht sehen, dass meine Aufgabe vielmehr darin besteht, dafür zu sorgen, dass du über deine himmlische Erbschaft im Bilde bist? Hast du diese Schriftstelle nicht gelesen: `Da ist einer, den Vorsicht und große Knausrigkeit reich gemacht haben, und dies wird ihm als Belohnung zuteil: Obwohl er sagt, ich bin zur Ruhe gekommen und werde nun unablässig von meinem Gut zehren können, weiß er doch nicht, was die Zeit ihm bringen wird, und dass er all diese Dinge anderen hinterlassen muss, wenn er stirbt.' Hast du das Gebot `Du sollst nicht begehren' nicht gelesen? Wiederum: `Sie haben sich voll gegessen und sind dick geworden, und dann haben sie sich anderen Göttern zugewandt'? Hast du in den Psalmen gelesen, dass `der Herr die Habgierigen verabscheut' und dass `das Wenige, das ein Rechtschaffener besitzt, besser ist, als der Reichtum vieler böser Menschen'? `Wenn euer Reichtum wächst, dann hängt euer Herz nicht an ihn.' Hast du das Wort Jeremias gelesen: `Der Reiche rühme sich seines Reichtums nicht.' Und Ezechiel sagte die Wahrheit, als er sprach: `Ihr Mund täuscht Liebe vor, aber ihr Herz hängt an ihrer eigensüchtigen Bereicherung.' Jesus verabschiedete den jungen Mann mit den Worten: "Mein Sohn, was wird es dir nützen, wenn du die ganze Welt gewinnst und dabei deine Seele verlierst?" Einem anderen, der dabei stand und Jesus fragte, was die Reichen am Tag des Gerichts zu erwarten hätten, antwortete er: "Ich bin gekommen, um weder die Reichen, noch die Armen zu richten, aber das Leben, das die Menschen führen, wird über sie alle zu Gericht sitzen. Was darüber hinaus die Reichen im Gericht betrifft, so müssen alle, die großen Reichtum erworben haben, mindestens drei Fragen beantworten, nämlich diese: 1. Wie viel Reichtum hast du angehäuft? 2. Wie hast du diesen Reichtum erworben? "3. Wie hast du deinen Reichtum verwendet?" Darauf begab sich Jesus in sein Zelt, um sich vor dem Abendessen eine Weile auszuruhen. Als die Apostel mit dem Taufen fertig waren, kamen auch sie und hätten gerne mit ihm über den Reichtum auf Erden und die Schätze im Himmel gesprochen, aber er schlief. ***** 165.5 Gespräch mit den Aposteln über den Reichtum ***** Als sich Jesus und die Zwölf an diesem Abend nach dem Essen zu ihrem täglichen Gespräch zusammensetzten, fragte Andreas: "Meister, während wir die Gläubigen tauften, sagtest du zu der herumstehenden Menge vieles, das wir nicht hören konnten. Wärest du bereit, das Gesagte zu unserem Besten zu wiederholen?" Und in Beantwortung von Andreas' Bitte sagte Jesus: "Ja, Andreas, ich will mit euch über diese Fragen des Reichtums und des Selbstunterhalts sprechen, aber meine Worte zu euch Aposteln müssen sich etwas von jenen unterscheiden, die ich zu den Jüngern und zu der Menge gesprochen habe, da ihr alles aufgegeben habt, nicht nur, um mir zu folgen, sondern auch, um die Weihe als Botschafter des Königreichs zu empfangen. Ihr habt jetzt bereits eine mehrjährige Erfahrung, und ihr wisst, dass der Vater, dessen Königreich ihr verkündet, euch nicht verlassen wird. Ihr habt euer Leben dem Dienst am Königreich gewidmet; ängstigt und sorgt euch deshalb nicht um die Dinge des weltlichen Lebens, um das, was ihr essen, oder womit ihr euren Körper kleiden werdet. Das Wohlergehen der Seele ist mehr als Speise und Trank, und der geistige Fortschritt steht weit über der Notwendigkeit der Kleidung. Wenn ihr versucht seid, an der Gewissheit eures täglichen Brotes zu zweifeln, dann betrachtet die Raben; sie säen nicht, sie ernten nicht und haben weder Speicher noch Scheunen, und doch hält der Vater Nahrung bereit für jeden von ihnen, der danach sucht. Und wie viel mehr seid ihr wert als viele Vögel! Übrigens kann all euer Bangen, können eure nagenden Zweifel nichts ausrichten, um eure materiellen Bedürfnisse zu befriedigen. Wer von euch kann seiner Statur durch Bangigkeit eine Handbreit hinzufügen oder seinem Leben einen Tag? Da diese Dinge nicht in eurer Hand liegen, weshalb verschwendet ihr dann ängstliche Gedanken an diese Probleme? Schaut die Lilien an, wie sie wachsen; sie rackern sich nicht ab und spinnen nicht; und doch sage ich euch, dass nicht einmal Salomon in seiner ganzen Pracht gekleidet war wie eine von ihnen. Wenn Gott die Gräser des Feldes also kleidet, die heute leben und morgen niedergemäht und ins Feuer geworfen werden, wie viel besser wird er dann euch, die Botschafter des himmlischen Königreichs, kleiden! O ihr Kleingläubigen! Wenn ihr euch von ganzem Herzen der Verkündigung des Evangeliums vom Königreich hingebt, solltet ihr von Zweifeln frei sein, was euren eigenen Unterhalt betrifft oder denjenigen eurer Familien, die ihr verlassen habt. Wenn ihr euer Leben wahrhaftig dem Evangelium gebt, werdet ihr durch das Evangelium leben. Wenn ihr nur gläubige Jünger seid, müsst ihr euer eigenes Brot verdienen und zum Unterhalt all derer beisteuern, die lehren, predigen und heilen. Wenn euch wegen eures Brotes und Wassers bangt, worin unterscheidet ihr euch dann von den Nationen der Welt, die so eifrig nach solchen Notwendigkeiten suchen? Widmet euch eurer Arbeit und glaubt daran, dass sowohl der Vater als auch ich wissen, dass ihr all diese Dinge braucht. Lasst mich euch ein für allemal versichern, dass alle eure tatsächlichen Bedürfnisse befriedigt werden, wenn ihr euer Leben ganz der Arbeit am Königreich verschreibt. Trachtet nach dem Größeren, und das Kleinere wird sich darin finden; fragt nach dem Himmlischen, und das Irdische wird darin inbegriffen sein. Der Schatten folgt der Substanz mit Sicherheit. Ihr seid nur eine kleine Schar, aber wenn ihr Glauben habt und nicht aus Furcht strauchelt, erkläre ich, dass sich mein Vater darüber freut, euch dieses Königreich zu geben. Ihr habt eure Schätze dort angelegt, wo der Geldbeutel sich nicht erschöpft, wo kein Dieb plündern und keine Motte fressen kann. Und wie ich zu den Leuten gesagt habe: Da, wo euer Schatz ist, wird auch euer Herz sein. Aber bei dem Werk, das uns unmittelbar bevorsteht und bei demjenigen, das euch zu tun bleibt, nachdem ich zu meinem Vater gegangen bin, werdet ihr bitter geprüft werden. Ihr müsst alle vor Furcht und Zweifeln auf der Hut sein. Jeder von euch wappne sein Gemüt und halte seine Lampe am Brennen. Verhaltet euch wie Männer, die auf die Rückkehr ihres Meisters vom Hochzeitsfest warten, damit ihr ihm, wenn er kommt und klopft, rasch öffnen könnt. Der Meister segnet solch wachsame Diener, wenn er sie in einem so großen Augenblick treu findet. Dann wird der Meister seine Diener Platz nehmen lassen, und er wird sie selbst bedienen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass eine Krise in eurem Leben unmittelbar bevorsteht, und es ist eure Pflicht, zu wachen und bereit zu sein. "Ihr versteht wohl, dass niemand es zuließe, dass man in sein Haus eindringt, wenn er wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommt. Möge auch jeder von euch für sich selber auf der Hut sein, denn gerade dann, wenn ihr es am wenigsten vermutet und auf eine Art, an die ihr nicht denkt, wird der Menschensohn weggehen." Einige Minuten lang saßen die Zwölf schweigend da. Sie hatten schon zuvor solche Warnungen gehört, aber nicht in der diesmal dargebotenen Fassung. ***** 165.6 Antwort auf Petrus' Frage ***** Als sie nachdenklich dasaßen, fragte Simon Petrus: "Sprichst du dieses Gleichnis zu uns, deinen Aposteln, oder ist es für alle Jünger bestimmt?" Und Jesus antwortete: In Zeiten der Prüfung offenbart sich die Seele eines Menschen; die Prüfung enthüllt, was wirklich im Herzen ist. Wenn der Diener auf die Probe gestellt worden ist und sich bewährt hat, kann der Herr des Hauses ihn als Hausvorstand einsetzen und sicher darauf zählen, dass dieser treue Verwalter sich um die Ernährung und Erziehung seiner Kinder kümmert. Ebenso werde ich bald wissen, wem das Wohl meiner Kinder anvertraut werden kann, nachdem ich zum Vater zurückgekehrt bin. So wie der Herr des Hauses den wahren und erprobten Diener über seine Familienangelegenheiten setzt, werde auch ich jene erhöhen, die diese Stunde der Prüfungen in den Angelegenheiten meines Königreichs durchstehen. "Aber wenn der Diener faul ist und insgeheim zu sagen anfängt, `mein Meister schiebt seine Rückkehr hinaus' und beginnt, seine Mitdiener zu misshandeln und mit Trunkenbolden zu essen und zu trinken, dann wird der Herr zu einer Stunde kommen, da der Diener ihn nicht erwartet, und da er ihn untreu findet, wird er ihn in Ungnade fortjagen. Deshalb tut ihr gut daran, euch für jenen Tag bereitzumachen, da ihr plötzlich und auf unvorhergesehene Weise besucht werdet. Denkt daran, es ist euch viel gegeben worden; deshalb wird auch viel von euch verlangt werden. Es kommen Feuerproben auf euch zu. Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bleibe auf der Hut, bis dies vollbracht ist. Ihr predigt Frieden auf Erden, aber meine Sendung wird in den materiellen Angelegenheiten der Menschen keinen Frieden bringen - wenigstens vorläufig nicht. Wo zwei Mitglieder einer Familie an mich glauben und drei Mitglieder das Evangelium ablehnen, kann das Resultat nur Entzweiung sein. Freunde, Verwandte und geliebte Menschen sind dazu bestimmt, durch das Evangelium, das ihr predigt, gegeneinander aufgebracht zu werden. Es ist wahr, dass jeder dieser Gläubigen in seinem Herzen einen großen und dauerhaften Frieden haben wird, aber Friede wird auf Erden nicht eher einziehen, als bis alle zu glauben und ihr glorreiches Erbe als Söhne Gottes anzutreten bereit sind. Geht nichtsdestoweniger in die ganze Welt hinaus, um das Evangelium allen Nationen, jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind zu verkündigen." Und so endete ein ausgefüllter und arbeitsreicher Sabbattag. Am nächsten Morgen begaben sich Jesus und die Zwölf in die Städte des nördlichen Peräa, um die Siebzig zu besuchen, die in dieser Gegend unter Abners Aufsicht arbeiteten. ****** Kapitel 166 Letzter Besuch im Nördlichen Peräa ****** VOM 11. bis zum 20. Februar besuchten Jesus und die Zwölf sämtliche Städte und Dörfer des nördlichen Peräa, wo die Mitarbeiter Abners und das Frauenkorps tätig waren. Sie stellten fest, dass die Botschafter des Evangeliums erfolgreich waren, und Jesus lenkte wiederholt die Aufmerksamkeit seiner Apostel auf die Tatsache, dass das Evangelium vom Königreich sich auch ohne Begleitung von Wundern und Mirakeln ausbreiten konnte. Diese ganze dreimonatige Mission in Peräa wurde erfolgreich ohne große Mithilfe der zwölf Apostel fortgeführt, und das Evangelium gab von dieser Zeit an nicht so sehr Jesu Persönlichkeit als seine Lehren wieder. Aber seine Nachfolger hielten sich nicht lange an seine Anweisungen, denn bald nach Jesu Tod und Auferstehung entfernten sie sich von seinen Lehren und begannen, die frühe Kirche um die übernatürlichen Vorstellungen von ihm, um die verherrlichten Erinnerungen an seine göttlich-menschliche Persönlichkeit herum, aufzubauen. ***** 166.1 Die Pharisäer zu Ragaba ***** Am Sabbat, dem 18. Februar, war Jesus in Ragaba, wo ein reicher Pharisäer namens Nathanael lebte; und da eine stattliche Anzahl seiner Mitpharisäer Jesus und den Zwölfen durch das Land folgte, gab er an diesem Sabbatmorgen für sie alle, etwa zwanzig an der Zahl, ein Frühstück und lud Jesus als Ehrengast ein. Als sich Jesus zum Frühstück einfand, waren die meisten der Pharisäer nebst zwei oder drei Gesetzeskundigen bereits da und saßen am Tisch. Der Meister nahm sogleich zur Linken Nathanaels Platz, ohne vorher zum Wasserbecken zu gehen und sich die Hände zu waschen. Manche der Pharisäer, insbesondere die Jesu Lehren freundlich gesinnten, wussten, dass er seine Hände nur aus Reinlichkeitsgründen wusch und dass er diese rein zeremoniellen Handlungen verabscheute; und so waren sie nicht überrascht, dass er direkt zu Tisch kam, ohne zuvor seine Hände zweimal gewaschen zu haben. Aber Nathanael war schockiert, dass Jesus es unterließ, die strikten Vorschriften pharisäischer Praxis zu befolgen. Ebenso wenig wusch Jesus seine Hände wie die Pharisäer nach jedem Gang und am Ende der Mahlzeit. Nachdem Nathanael lange mit einem unfreundlich gesinnten Pharisäer zu seiner Rechten geflüstert hatte und die dem Meister Gegenübersitzenden ausgiebig die Augenbrauen hochgezogen und ihren Mund zu höhnischem Lächeln verzogen hatten, sagte Jesus endlich: "Ich hatte gedacht, ihr habt mich in dieses Haus eingeladen, um mit euch Brot zu brechen und um euch vielleicht bei mir über die Verkündigung des neuen Evangeliums vom Königreich Gottes zu erkundigen; aber ich stelle fest, dass ihr mich hierher geladen habt, damit ich Zeuge des Schauspiels eurer zeremoniellen Verneigung vor eurer eigenen Selbstgerechtigkeit werde. Diesen Dienst habt ihr mir nun getan; womit wollt ihr mich, euren Gast, bei dieser Gelegenheit als Nächstes beehren?" Nachdem der Meister also gesprochen hatte, schlugen sie die Augen nieder, schauten auf den Tisch und blieben still. Und da niemand sprach, fuhr Jesus fort: "Manche von euch Pharisäern sind hier mit mir als Freunde, einige sind sogar meine Jünger, aber die Mehrheit der Pharisäer lehnt es beharrlich ab, das Licht zu sehen und die Wahrheit anzuerkennen, sogar wenn das Werk des Evangeliums mit großer Macht vor sie gebracht wird. Wie sorgfältig reinigt ihr das Äußere der Schalen und Platten, während die Gefäße für die geistige Nahrung verdreckt und verschmutzt sind! Ihr achtet darauf, dem Volk in Frömmigkeit und Heiligkeit zu erscheinen, aber das Innere eurer Seele ist angefüllt mit Selbstgerechtigkeit, Begehrlichkeit, Erpressung und aller Art von geistiger Verworfenheit. Eure Führer wagen es sogar, sich gegen den Menschensohn zu verschwören und seine Ermordung zu planen. Versteht ihr törichten Männer nicht, dass der Gott des Himmels ebenso sehr die inneren Beweggründe der Seele betrachtet wie eure äußerlichen Vortäuschungen und frommen Erklärungen? Denkt nicht, dass das Spenden von Almosen und das Entrichten des Zehnten euch von Ungerechtigkeit reinigen und befähigen wird, einwandfrei vor den Richter aller Menschen zu treten. Wehe euch Pharisäern, die ihr beharrlich das Licht des Lebens abgelehnt habt! Ihr bezahlt den Zehnten peinlich genau und verteilt demonstrativ Almosen, aber ihr weist das Kommen Gottes wissentlich mit Verachtung zurück und verschmäht die Offenbarung seiner Liebe. Obwohl ihr recht damit habt, die kleineren Pflichten zu beachten, hättet ihr diese weit wichtigeren Erfordernisse nie unerfüllt lassen dürfen. Wehe all denen, die der Gerechtigkeit ausweichen, Barmherzigkeit verachten und die Wahrheit zurückweisen! Wehe allen, die die Offenbarung des Vaters verachten, während sie in der Synagoge die Ehrenplätze begehren und sich danach sehnen, auf dem Marktplatz in schmeichelhafter Weise gegrüßt zu werden!" Als Jesus sich zum Gehen anschickte, wandte sich einer der Gesetzeskundigen, der am Tisch saß, an ihn und sprach: "Aber, Meister, in einigen deiner Erklärungen tadelst du auch uns Gesetzeskundige. Ist denn nichts Gutes an Schriftgelehrten, Pharisäern oder Gesetzeskundigen?" Und Jesus antwortete dem Gesetzeskundigen im Stehen: "Wie die Pharisäer nehmt auch ihr mit Wonne bei Festen die ersten Plätze ein und tragt lange Roben, während ihr den Schultern der Menschen schwere Lasten aufbürdet, die qualvoll zu tragen sind. Und wenn die Seelen der Menschen unter diesen schweren Bürden wanken, rührt ihr auch nicht einen Finger. Wehe euch, deren größte Genugtuung es ist, den von euren Vätern getöteten Propheten Grabmäler zu errichten! Und dass ihr das, was eure Väter getan haben, billigt, wird offenkundig, wenn ihr jetzt die Ermordung jener plant, die heute kommen und das tun, was die Propheten damals taten - die Gerechtigkeit Gottes verkünden und die Barmherzigkeit des himmlischen Vaters offenbaren. Aber das Blut der Propheten und Apostel aller Generationen der Vergangenheit wird von dieser abartigen und selbstgerechten Generation gefordert werden. Wehe all euch Gesetzeskundigen, die ihr dem einfachen Volk den Schlüssel zum Wissen weggenommen habt! Ihr selber weigert euch, den Weg der Wahrheit zu betreten, und zugleich wollt ihr auch alle anderen, die ihn gehen möchten, daran hindern. Aber ihr könnt die Türen zum Königreich des Himmels auf diese Weise nicht verschließen; wir haben sie für alle geöffnet, die den Glauben haben einzutreten, und diese Tore der Barmherzigkeit werden nicht geschlossen werden durch die Vorurteile und die Arroganz falscher Lehrer und treuloser Hirten, die weißgetünchten Grabmälern gleichen, welche äußerlich schön erscheinen, aber innen mit Totengebein und allem möglichen geistigen Unrat angefüllt sind." Und als Jesus an Nathanaels Tisch fertig gesprochen hatte, verließ er das Haus, ohne am Mahl teilgenommen zu haben. Und von den Pharisäern, die diese Worte hörten, begannen einige, an seine Lehre zu glauben und traten ins Königreich ein, aber die Mehrzahl blieb auf dem Weg der Finsternis und wurde nur umso entschlossener, ihm aufzulauern und irgendeines seiner Worte aufzuschnappen, das geeignet war, ihn zum Prozess und zur Aburteilung vor den Sanhedrin nach Jerusalem zu bringen. Es gab im Ganzen drei Dinge, denen die Pharisäer ganz besondere Aufmerksamkeit schenkten: 1. Die Praxis der genauen Entrichtung des Zehnten. 2. Peinlich genaue Beachtung der Gesetze der Reinigung. 3. Vermeidung des Kontaktes mit allen Nichtpharisäern. Diesmal ging es Jesus darum, die geistige Unfruchtbarkeit der zwei ersten Praktiken bloßzustellen, während er Bemerkungen, die dazu bestimmt waren, die Weigerung der Pharisäer zu tadeln, mit Nichtpharisäern in gesellschaftlichen Kontakt zu treten, auf eine andere, spätere Gelegenheit verschob, wenn er wiederum mit vielen dieser Männer bei Tische sitzen würde. ***** 166.2 Die zehn Aussätzigen ***** Am nächsten Tag ging Jesus mit den Zwölf nach Amathus, nahe der Grenze zu Samaria, hin-über, und als sie sich der Stadt näherten, trafen sie auf eine Gruppe von zehn Aussätzigen, die sich in der Nähe des Ortes aufhielten. Neun von ihnen waren Juden und einer ein Samaritaner. Üblicherweise hätten diese Juden jede Verbindung und jeden Kontakt mit dem Samaritaner vermieden, aber ihr gemeinsames Leiden war mehr als ausreichend, um alle religiösen Vorurteile zu überwinden. Sie hatten viel von Jesus und seinen früheren Wunderheilungen gehört, und da die Siebzig jeweils den Zeitpunkt, an dem man mit Jesu Ankunft rechnete, anzukündigen pflegten, wenn der Meister mit den Zwölfen auf diesen Rundreisen war, hatte man die zehn Aussätzigen darauf aufmerksam gemacht, dass er in der Gegend ungefähr um diese Zeit erwartet wurde. Und so hatten sie sich hier am Stadtrand aufgestellt, wo sie hofften, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und Heilung zu erbitten. Als die Aussätzigen Jesus näher kommen sahen, es aber nicht wagten, auf ihn zuzugehen, riefen sie ihm von weitem zu: "Meister, hab Erbarmen mit uns; reinige uns von unserem Gebrechen. Heile uns, wie du andere geheilt hast." Jesus hatte den Zwölfen eben erklärt, wieso die Nichtjuden von Peräa und die weniger orthodoxen Juden eher als die orthodoxeren und traditionsgebundeneren Juden von Judäa gewillt waren, an das von den Siebzig gepredigte Evangelium zu glauben. Er hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Botschaft desgleichen von den Galiläern und sogar von den Samaritanern bereitwilliger aufgenommen worden war. Aber die zwölf Apostel waren noch kaum bereit, gegenüber den lange verachteten Samaritanern freundliche Gefühle zu hegen. Als deshalb Simon Zelotes den Samaritaner unter den Aussätzigen bemerkte, versuchte er den Meister zu bewegen, geradewegs in die Stadt zu gehen, ohne auch nur anzuhalten, um mit ihnen Grüße zu wechseln. Da sagte Jesus zu Simon: "Aber wie, wenn der Samaritaner Gott ebenso liebt wie die Juden? Sollen wir über unsere Mitmenschen zu Gericht sitzen? Wer weiß, ob sich, wenn wir diese zehn Männer heilen, der Samaritaner nicht noch dankbarer erweisen wird als die Juden? Bist du deiner Meinung wirklich so sicher, Simon?" Und Simon antwortete rasch: "Wenn du sie reinigst, wirst du es bald herausfinden." Und Jesus erwiderte: "So sei es, Simon, und bald wirst du die Wahrheit über die Dankbarkeit der Menschen und die liebende Barmherzigkeit Gottes erfahren." Jesus ging nahe an die Aussätzigen heran und sagte: "Wenn ihr geheilt werden wollt, dann geht unverzüglich und zeigt euch den Priestern, wie das Gesetz Moses es verlangt." Und im Weggehen wurden sie geheilt. Aber als der Samaritaner sah, dass er geheilt wurde, kehrte er um, und auf der Suche nach Jesus begann er, Gott mit lauter Stimme zu preisen. Und als er den Meister gefunden hatte, fiel er zu seinen Füßen auf die Knie nieder und dankte für seine Reinigung. Die neun übrigen, die Juden, hatten ihre Heilung ebenfalls entdeckt und waren ebenfalls dankbar für ihre Reinigung, aber sie setzten ihren Weg fort, um sich den Priestern zu zeigen. Während der Samaritaner immer noch zu Jesu Füßen kniete, blickte der Meister auf die Zwölf, und insbesondere auf Simon Zelotes, und sagte: "Haben wir nicht zehn gereinigt? Wo sind denn die anderen neun, die Juden? Nur einer, dieser Fremde, ist zurückgekehrt, um Gott zu lobpreisen." Und dann sagte er zum Samaritaner: "Steh auf und geh deiner Wege; dein Glaube hat dich gesund gemacht." Und wieder schaute Jesus seine Apostel an, während der Fremdling sich entfernte. Und alle Apostel schauten Jesus an mit Ausnahme Simons Zelotes, der mit niedergeschlagenen Augen dastand. Die Zwölf sprachen kein Wort. Auch Jesus sagte nichts; es war unnötig, dass er etwas sagte. Obwohl alle zehn Männer tatsächlich glaubten, an Lepra erkrankt zu sein, waren nur vier von ihnen aussätzig. Die anderen sechs wurden von einer Hautkrankheit geheilt, die irrtümlich für Lepra gehalten worden war. Aber der Samaritaner hatte wirklich die Lepra. Jesus schärfte den Zwölfen ein, nichts von der Reinigung der Aussätzigen verlauten zu lassen, und als sie nach Amathus hineingingen, bemerkte er: "Ihr seht, wie die Kinder des Hauses, auch wenn sie sich dem Willen des Vaters nicht unterwerfen, ihre Segnungen als selbstverständlich hinnehmen. Sie denken, es sei von geringer Bedeutung, wenn sie es versäumen, dem Vater für das Geschenk ihrer Heilung zu danken, aber die Fremden, die vom Herrn des Hauses Geschenke erhalten, sind von Staunen erfüllt und sehen sich genötigt, zu danken in Anerkennung der guten Dinge, die ihnen zuteil geworden sind." Und auch auf diese Worte des Meisters erwiderten die Apostel nichts. ***** 166.3 Die Predigt in Gerasa ***** Als Jesus und die Zwölf die Botschafter des Königreichs in Gerasa besuchten, stellte einer der Pharisäer, der an ihn glaubte, diese Frage: "Herr, werden wenige oder viele wirklich gerettet werden?" Und Jesus gab zur Antwort: "Man hat euch gelehrt, dass nur die Kinder Abrahams gerettet werden; dass nur die aufgenommenen Nichtjuden auf Rettung hoffen können. Da die Schriften überliefern, dass von all den Scharen, die aus Ägypten auszogen, nur Kaleb und Josua es erlebten, das verheißene Land zu betreten, haben einige von euch daraus gefolgert, dass nur relativ wenige von denen, die das Königreich suchen, dort Eingang finden werden. Ihr besitzt auch ein anderes Sprichwort, das viel Wahres enthält: Dass der Weg, der zum ewigen Leben führt, gerade und eng ist, und dass das Tor, das dazu führt, ebenfalls eng ist, so dass von denen, die Rettung suchen, nur wenige durch dieses Tor Einlass finden können. Ihr habt auch eine Lehre, die sagt, dass der Weg, der zur Zerstörung führt, breit ist, dass der Eingang dazu weit ist, und dass es viele gibt, die diesen Weg gehen. Und dieses Sprichwort ist nicht ohne Bedeutung. Aber ich erkläre, dass die Rettung zuallererst eine Angelegenheit eurer persönlichen Wahl ist. Auch wenn das Tor zum Weg des Lebens eng ist, so ist es doch weit genug, um all die einzulassen, die aufrichtig einzutreten begehren, denn ich bin dieses Tor. Und der Sohn wird nie irgendeinem Kind des Universums den Eintritt verwehren, das aufgrund seines Glaubens den Vater durch den Sohn zu finden sucht. Aber hierin liegt die Gefahr für alle, die ihren Eintritt ins Königreich hinausschieben möchten und damit fortfahren, den Vergnügungen der Unreife nachzujagen und sich egoistischer Befriedigung hinzugeben: Nachdem sie die geistige Erfahrung, ins Königreich einzutreten, zurückgewiesen haben, werden sie vielleicht später, wenn die Herrlichkeit des besseren Weges im kommenden Zeitalter offenbar wird, Einlass begehren. Und wenn jene, die für das Königreich nur Verachtung übrig hatten, als ich in Menschengestalt kam, dann einzutreten versuchen, wenn es in göttlicher Gestalt offenbart wird, werde ich zu all diesen Egoisten sagen: Ich weiß nicht, woher ihr kommt. Ihr hattet die Möglichkeit, euch auf diese himmlische Bürgerschaft vorzubereiten, aber ihr habt alle Angebote der Barmherzigkeit abgelehnt; ihr habt alle Einladungen zu kommen ausgeschlagen, solange das Tor offen stand. Jetzt ist das Tor für euch, die ihr die Rettung verschmäht habt, verschlossen. Dieses Tor steht für jene nicht offen, die das Königreich aus selbstsüchtigem Ruhmesstreben betreten möchten. Das Heil ist nicht für diejenigen bestimmt, die nicht willens sind, den Preis der rückhaltlosen Hingabe an die Ausführung des väterlichen Willens zu zahlen. Wenn ihr dem Königreich des Vaters geistig und seelisch den Rücken gekehrt habt, ist es nutzlos, gedanklich und körperlich vor diesem Tor zu stehen, anzuklopfen und zu sprechen: `Herr, öffne uns; wir möchten auch groß sein im Königreich.' Dann werde ich erklären, dass ihr nicht zu meiner Herde gehört. Ich werde euch nicht empfangen, damit ihr euch unter jene einreiht, die den guten Kampf des Glaubens gekämpft und die Belohnung für ihren selbstlosen Dienst im Königreich auf Erden gewonnen haben. Und wenn ihr sagt: `Aber haben wir nicht mit dir gegessen und getrunken, und hast du nicht in unseren Straßen gelehrt?' dann werde ich wiederum erklären, dass ihr geistige Fremdlinge seid; dass wir beim barmherzigen Liebeswerk des Vaters auf Erden nicht miteinander dienten; dass ich euch nicht kenne; und dann wird der Richter der ganzen Erde zu euch sagen: `Hebt euch weg von uns, ihr alle, die ihr euch an frevelhaftem Tun ergötzt habt.' "Aber seid ohne Furcht; jeder, der durch den Eintritt in das Königreich Gottes aufrichtig das ewige Heil zu finden wünscht, wird mit Sicherheit diese ewige Rettung erlangen. Aber ihr, die ihr dieses Heil zurückweist, werdet eines Tages zusehen, wie die Propheten aus Abrahams Samen sich in diesem glorreichen Königreich mit den Gläubigen der heidnischen Nationen zusammensetzen, um das Brot des Lebens zu teilen und sich mit dem Wasser des Lebens zu erfrischen. Und die, die sich des Königreichs mit geistiger Macht und durch die nimmermüden Angriffe des lebendigen Glaubens bemächtigen, werden von Norden und Süden und von Osten und Westen kommen. Und siehe da! Viele der Ersten werden die Letzten sein, und die Letzten werden oft die Ersten sein." Das war allerdings eine neue und seltsame Version des alten und vertrauten Sprichworts vom geraden und engen Weg. Langsam begannen die Apostel und viele der Jünger die Bedeutung der frühen Erklärung Jesu zu begreifen: "Ihr könnt nicht ins Königreich Gottes eintreten, es sei denn, ihr seid wiedergeboren, aus dem Geiste geboren." Nichtsdestoweniger bleibt es für alle, die aufrichtigen Herzens sind und ehrlich glauben, auf ewig wahr: "Siehe, ich stehe an der Türe der Herzen der Menschen und klopfe an, und wenn jemand mir öffnen will, so will ich hereinkommen und mit ihm zu Abend essen und ihn mit dem Brot des Lebens speisen; wir werden eins sein in Geist und Ziel, und so werden wir auf ewig Brüder sein im langen und erfolgreichen Dienst auf der Suche nach dem Vater im Paradies." Und so hängt, ob wenige oder viele gerettet werden, einzig davon ab, ob wenige oder viele auf diese Einladung achten: "Ich bin das Tor, ich bin der neue und lebendige Weg, und wer immer es wünscht, trete ein und mache sich zur endlosen Wahrheitssuche nach dem ewigen Leben auf." Auch die Apostel waren unfähig, seine Unterweisung ganz zu verstehen, dass man nämlich geistige Kraft anwenden muss, um allen materiellen Widerstand zu brechen und jedes irdische Hindernis zu überwinden, das sich etwa dem Erfassen der über alles wichtigen geistigen Werte des im Geiste gelebten neuen Lebens als befreite Söhne Gottes in den Weg stellen könnte. ***** 166.4 Unterweisung über Unfälle ***** Während die meisten Palästinenser nur zwei Mahlzeiten am Tag einnahmen, pflegten Jesus und die Apostel, wenn sie unterwegs waren, am Mittag eine Pause zum Ausruhen und zur Erfrischung einzulegen. Bei so einem mittäglichen Halt auf dem Weg nach Philadelphia war es, dass Thomas Jesus fragte: "Meister, nach dem, was du heute Vormittag unterwegs geäußert hast, möchte ich mich gerne erkundigen, ob geistige Wesen an der Herbeiführung seltsamer und außerordentlicher Ereignisse in der materiellen Welt beteiligt sind, und dich außerdem fragen, ob Engel und andere Geistwesen in der Lage sind, Unfälle zu verhüten." In Beantwortung der Frage von Thomas sagte Jesus: "Schon so lange bin ich jetzt bei euch, und trotzdem fahrt ihr fort, mir derartige Fragen zu stellen. Habt ihr denn nicht bemerkt, wie der Menschensohn als einer von euch lebt und es konsequent ablehnt, die Kräfte des Himmels für seinen persönlichen Lebensunterhalt einzusetzen? Leben wir nicht alle durch dieselben Mittel wie alle anderen Menschen? Seht ihr, dass sich die Macht der geistigen Welt im materiellen Leben dieser Welt irgendwie manifestiert, außer in der Offenbarung des Vaters und der gelegentlichen Heilung seiner leidenden Kinder? Allzu lange haben eure Väter geglaubt, Wohlstand sei ein Zeichen göttlicher Zustimmung und Unglück ein Beweis von Gottes Missfallen. Ich erkläre, dass solche Vorstellungen Aberglaube sind. Bemerkt ihr nicht, dass eine viel größere Zahl von Armen das Evangelium freudig annimmt und augenblicklich ins Königreich eintritt? Wenn Reichtum göttliche Gunst beweist, warum lehnen die Reichen es dann so oft ab, an die guten Nachrichten vom Himmel zu glauben? Der Vater lässt es auf die Gerechten und die Ungerechten regnen, und die Sonne scheint ebenso auf die Rechtschaffenen wie auf die Sünder. Ihr habt von jenen Galiläern gehört, deren Blut Pilatus mit den Opfern vermischte. Aber ich sage euch, diese Galiläer waren in keiner Weise größere Sünder als ihre Mitbürger, nur weil ihnen dies zustieß. Ihr habt auch von den achtzehn Männern gehört, auf die der Turm von Siloa fiel und sie tötete. Denkt nicht, dass die auf diese Weise Umgekommenen größere Sünder als ihre Brüder in Jerusalem waren. Diese Leute waren einfach unschuldige Opfer eines der zeitlichen Unfälle. Es gibt drei Gruppen von Vorkommnissen, die in eurem Leben eintreten können: 1. Ihr könnt an den normalen Geschehnissen teilhaben, die zu dem Leben gehören, das ihr und eure Gefährten auf der Erde lebt. 2. Ihr könnt zufälligerweise Opfer eines Naturereignisses, eines menschlichen Missgeschicks werden, und dabei sehr wohl wissen, dass solche Begebenheiten in keiner Weise vorgeplant oder anderswie durch die geistigen Kräfte der Welt herbeigeführt worden sind. 3. Ihr könnt die Früchte eurer direkten Bemühungen ernten, mit den Naturgesetzen, welche die Welt regieren, zusammenzuarbeiten. Es gab da einen Mann, der in seinem Hof einen Feigenbaum pflanzte. Und nachdem er viele Male nach Früchten Ausschau gehalten und keine an ihm gefunden hatte, rief er die Winzer zu sich und sagte: `Nun habe ich schon dreimal zur Erntezeit an diesem Feigenbaum nach Früchten gesucht und keine gefunden. Legt diesen unfruchtbaren Baum um; warum sollte er unnützen Platz einnehmen?' Aber der Hauptgärtner antwortete seinem Meister: `Lass ihn noch ein Jahr stehen, damit ich um ihn herum graben und Dünger hineingeben kann; und sollte er dann nächstes Jahr wieder keine Frucht tragen, wird er umgehauen.' Und nachdem sie den Gesetzen der Fruchtbarkeit in dieser Weise Rechnung getragen hatten und da der Baum lebendig und gut war, wurden sie mit reichlichem Ertrag belohnt. Was Krankheit und Gesundheit anbelangt, so solltet ihr wissen, dass diese körperlichen Zustände das Resultat materieller Ursachen sind; Gesundheit ist nicht das Lächeln des Himmels, noch ist Leiden das Stirnrunzeln Gottes. "Des Vaters menschliche Kinder haben alle die gleiche Fähigkeit zur Entgegennahme materieller Segnungen; deshalb lässt er den Menschenkindern physische Dinge unterschiedslos zukommen. Wenn es um die Vergabe von geistigen Geschenken geht, ist der Vater durch die Fähigkeit der Menschen, diese göttlichen Gaben entgegenzunehmen, beschränkt. Obwohl der Vater keine Unterschiede der Person kennt, ist er bei der Austeilung der geistigen Gaben durch den Glauben des Menschen und seine Bereitschaft, sich stets dem Willen des Vaters zu fügen, begrenzt." Als sie auf Philadelphia zuwanderten, fuhr Jesus fort, sie zu unterrichten und ihre Fragen über Unfälle, Krankheit und Wunder zu beantworten, aber sie waren nicht imstande, diese Unterweisung ganz zu verstehen. Eine Stunde Unterricht wird die Überzeugungen eines ganzen Lebens nicht völlig verändern, und so fand Jesus es nötig, seine Botschaft zu wiederholen und ihnen das immer wieder zu sagen, was er ihnen beizubringen wünschte; und selbst dann waren sie außerstande, die Bedeutung seiner Erdenmission vor seinem Tod und seiner Auferstehung zu erfassen. ***** 166.5 Die Gemeinde in Philadelphia ***** Jesus und die Zwölf befanden sich auf dem Weg zu Abner und seinen Mitarbeitern in Philadelphia, wo diese predigten und lehrten. Von allen Städten Peräas nahm in Philadelphia die größte Gruppe von Juden und Nichtjuden, Reichen und Armen, Gebildeten und Ungebildeten die Unterweisungen der Siebzig an und trat ins Königreich des Himmels ein. Die Synagoge von Philadelphia hatte nie der Oberaufsicht des Sanhedrins von Jerusalem unterstanden und war deshalb für die Lehren Jesu und seiner Mitarbeiter nie verschlossen worden. Zu dieser Zeit predigte Abner dreimal am Tag in der Synagoge von Philadelphia. Dieselbe Synagoge wurde später eine christliche Kirche; sie war das Missionshauptquartier für die Verbreitung des Evangeliums in den ostwärts gelegenen Gebieten. Lange Zeit war sie eine Hochburg der Lehren des Meisters und stand jahrhundertelang allein in dieser Gegend als christliches Studienzentrum. Die Juden von Jerusalem hatten mit den Juden von Philadelphia immer Schwierigkeiten gehabt. Und nach dem Tod und der Auferstehung Jesu begann die Kirche von Jerusalem, deren Haupt Jakobus, der Bruder des Herrn, war, mit der Gemeinde der Gläubigen von Philadelphia ernsthafte Schwierigkeiten zu haben. Abner wurde das Haupt der Kirche von Philadelphia und blieb es bis zu seinem Tod. Und diese Entfremdung mit Jerusalem erklärt, weshalb die Evangeliumsberichte des Neuen Testaments Abner und sein Werk nie erwähnen. Die Fehde zwischen Jerusalem und Philadelphia dauerte, solange Jakobus und Abner lebten und noch bis einige Zeit nach der Zerstörung Jerusalems. Philadelphia war wirklich ebenso sehr Hauptquartier der frühen Kirche im Süden und Osten wie Antiochia im Norden und Westen. Abner widerfuhr das scheinbare Unglück, mit allen Führern der frühen christlichen Kirche uneins zu sein. Er überwarf sich mit Petrus und Jakobus (Jesu Bruder) in Fragen der Verwaltung und Rechtsprechung der Kirche von Jerusalem und er trennte sich von Paulus wegen Meinungsverschiedenheiten in Philosophie und Theologie. Abner war in seiner Philosophie mehr babylonisch als hellenistisch, und er widersetzte sich hartnäckig allen Versuchen des Paulus, Jesu Lehren so umzuformen, dass in den Hintergrund gerückt wurde, was auf den Widerspruch zuerst der Juden und dann der griechisch-römischen Anhänger der Mysterienkulte stieß. Und so wurde Abner zu einem Leben in der Isolation gezwungen. Er war das Haupt einer Kirche, die in Jerusalem kein Ansehen genoss. Er hatte es gewagt, Jakobus, den Bruder des Herrn, herauszufordern, der später die Unterstützung des Petrus genoss. Diese Haltung trennte ihn gänzlich von all seinen früheren Mitarbeitern. Dann wagte er es, Paulus die Stirn zu bieten. Obwohl er mit der Mission des Paulus bei den Nichtjuden völlig übereinstimmte und ihn bei seinen Auseinandersetzungen mit der Kirche in Jerusalem unterstützte, widersetzte er sich erbittert der Version der Lehren Jesu, die Paulus zu predigen gewählt hatte. In seinen letzten Jahren prangerte Abner Paulus als den "geschickten Verderber der Lebenslehren Jesu von Nazareth, des Sohnes des lebendigen Gottes", an. Während der späteren Lebensjahre Abners und noch einige Zeit danach hielten sich die Gläubigen von Philadelphia enger als irgendeine andere Gemeinde auf Erden an die Religion Jesu, wie er sie gelebt und gelehrt hatte. Abner wurde neunundachtzig Jahre alt und starb in Philadelphia am 21. November 74. Und bis an sein Ende glaubte und lehrte er treu das Evangelium vom himmlischen Königreich. ****** Kapitel 167 Der Besuch in Philadelphia ****** WENN vom Besuch Jesu und der Apostel in den verschiedenen Ortschaften die Rede ist, wo die Siebzig während dieser peräischen Mission arbeiteten, dann sollte daran erinnert werden, dass ihn in der Regel nur zehn Apostel begleiteten, da er mindestens zwei von ihnen zur Unterweisung der Menge in Pella zurückzulassen pflegte. Als sich Jesus zum Besuch Philadelphias anschickte, kehrten Simon Petrus und sein Bruder Andreas in das Lager nach Pella zurück, um die dort versammelten Scharen zu unterweisen. Wenn der Meister das Lager von Pella verließ, um in Peräa herumzuziehen, war es nichts Ungewöhnliches, dass drei-bis fünfhundert Lagerbewohner ihm folgten. Er kam in Philadelphia in Begleitung von über sechshundert Anhängern an. Wunder hatten sich bei der kürzlichen Predigtreise durch die Dekapolis keine ereignet, und mit Ausnahme der Reinigung der zehn Aussätzigen hatte es bis dahin auch während dieser Mission in Peräa keine gegeben. Dies war eine Zeit machtvoller Verkündigung des Evangeliums ohne Wunder und meistens ohne die persönliche Gegenwart Jesu oder sogar seiner Apostel. Jesus und die zehn Apostel trafen in Philadelphia am Mittwoch, dem 22. Februar ein und ruhten sich am Donnerstag und Freitag von ihren kürzlichen Reisen und Mühen aus. An jenem Freitagabend sprach Jakobus in der Synagoge, und für den folgenden Abend wurde eine Generalversammlung einberufen. Sie freuten sich sehr über den Fortschritt des Evangeliums in Philadelphia und in den nahe gelegenen Dörfern. Davids Boten brachten auch aus ganz Palästina Bescheid vom weiteren Wachstum des Königreichs neben guten Nachrichten aus Alexandrien und Damaskus. ***** 167.1 Das Frühstück mit den Pharisäern ***** In Philadelphia lebte ein sehr reicher und einflussreicher Pharisäer, der die Lehren Abners angenommen hatte und der Jesus für den Sabbatmorgen in sein Haus zum Frühstück einlud. Man wusste, dass Jesus um diese Zeit in Philadelphia erwartet wurde; infolgedessen war eine große Besucherzahl, darunter viele Pharisäer, von Jerusalem und anderswo hergekommen. Dementsprechend wurden etwa vierzig dieser führenden Männer und einige Gesetzeskundige zu dem Frühstück geladen, das zu Ehren des Meisters bereitet worden war. Während Jesus, mit Abner plaudernd, noch an der Türe stand und nachdem der Gastgeber sich gesetzt hatte, betrat einer der führenden Pharisäer von Jerusalem, ein Mitglied des Sanhedrins, den Raum, und, wie es seine Gewohnheit war, ging er geradewegs auf den Ehrenplatz zur Linken des Gastgebers zu. Aber da dieser Platz für den Meister und der zur Rechten für Abner bestimmt war, bedeutete der Gastgeber dem Pharisäer aus Jerusalem, sich vier Sitze weiter links zu setzen. Und dieser Würdenträger war sehr beleidigt, weil er nicht den Ehrenplatz erhalten hatte. Bald hatten alle Platz genommen und freuten sich, miteinander zu plaudern, denn die Mehrheit der Anwesenden waren Jünger Jesu oder standen anderswie dem Evangelium freundlich gegenüber. Nur seine Feinde nahmen Notiz von der Tatsache, dass er die zeremonielle Handwaschung nicht beachtete, bevor er sich zum Essen setzte. Abner wusch seine Hände zu Beginn der Mahlzeit, aber nicht während der Bewirtung. Gegen Ende des Mahls kam von der Straße ein Mann herein, der seit langem an einer chronischen Krankheit und nun an Wassersucht litt. Dieser Mann war gläubig und erst vor kurzem von Abners Mitarbeitern getauft worden. Er bat den Meister nicht um Heilung, aber der Meister wusste sehr wohl, dass der leidende Mann in der Hoffnung zu diesem Frühstück gekommen war, der Menge, die Jesus stets umdrängte, zu entrinnen und dadurch eher seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Der Mann wusste, dass zu dieser Zeit nur wenige Wundertaten vollbracht wurden; trotzdem hatte er insgeheim gedacht, sein kläglicher Zustand werde vielleicht des Meisters Mitleid erregen. Und er hatte sich nicht geirrt, denn als er den Raum betrat, bemerkten ihn sowohl Jesus als auch der selbstgerechte Pharisäer aus Jerusalem. Der Pharisäer empörte sich sogleich laut darüber, dass man so jemandem den Zutritt zum Raum gestattete. Aber Jesus blickte auf den kranken Mann und lächelte ihm so gütig zu, dass er näher kam und sich auf den Boden setzte. Als das Mahl zu Ende ging, schaute der Meister in die Runde der mit ihm tafelnden Gäste, warf dann einen bedeutungsvollen Blick auf den von Wassersucht befallenen Mann und sagte: "Meine Freunde, Lehrer in Israel und gelehrte Gesetzeskundige, ich möchte euch eine Frage stellen: Ist es gesetzlich, am Sabbattag die Kranken und Leidenden zu heilen, oder nicht?" Aber alle hier Anwesenden kannten Jesus nur zu gut; sie verhielten sich still und beantworteten seine Frage nicht. Da ging Jesus hinüber, wo der kranke Mann saß, nahm ihn bei der Hand und sagte: "Erhebe dich und gehe deines Weges. Du hast nicht um Heilung gebeten, aber ich kenne deinen Herzenswunsch und den Glauben deiner Seele." Bevor der Mann den Raum verließ, kehrte Jesus an seinen Platz zurück und wandte sich an die Tischgenossen mit den Worten: "Mein Vater vollbringt solche Werke nicht, um euch in das Königreich zu locken, sondern um sich denjenigen zu offenbaren, die bereits darin sind. Ihr könnt begreifen, dass es die Art des Vaters ist, gerade solche Dinge zu tun, denn wer von euch, dessen Lieblingstier am Sabbattag in den Brunnen gefallen ist, würde nicht sofort hingehen und es herausziehen?" Und da niemand ihm antworten wollte und zumal sein Gastgeber offensichtlich billigte, was vor sich ging, erhob sich Jesus und sprach zu allen Anwesenden: "Meine Brüder, wenn ihr zu einem Hochzeitsfest geladen seid, setzt euch nicht an den Ehrenplatz, aus Furcht, es befinde sich unter den Geladenen ein noch geehrterer Mann als ihr und der Gastgeber müsse zu euch kommen und euch bitten, euren Platz diesem anderen Ehrengast zu überlassen. In diesem Fall werdet ihr beschämt einen niedrigeren Platz an der Tafel einnehmen müssen. Wenn ihr zu einem Fest geladen seid, würde Klugheit gebieten, dass ihr, bei der Festtafel angelangt, nach dem niedrigsten Platz Ausschau hieltet und euch dort hinsetztet, damit der Gastgeber, wenn er seine Gäste überblickt, möglicherweise zu euch sagt: `Mein Freund, warum sitzt du am geringsten Platz? Komm höher herauf'; und so wird der Betreffende in Gegenwart aller Mitgeladenen geehrt werden. Vergesst nicht: Wer sich selbst erhöht, soll erniedrigt werden, wer sich aber aufrichtig selbst erniedrigt, soll erhöht werden. Wenn ihr also zum Mittagsmahl empfangt oder ein Abendessen gebt, so ladet nicht immer eure Freunde, eure Brüder, eure Verwandten oder eure reichen Nachbarn ein, damit sie euch ihrerseits zu ihren Festen einlüden und euch dadurch vergolten würde. Wenn ihr ein Festessen gebt, ladet auch manchmal die Armen, die Krüppel und die Blinden ein. So werdet ihr in eurem Herzen Segen empfangen, denn ihr wisst wohl, dass sich die Lahmen und Hinkenden für euren Liebesdienst nicht erkenntlich zeigen können." ***** 167.2 Das Gleichnis vom großen Abendessen ***** Als Jesus am Frühstückstisch des Pharisäers fertig gesprochen hatte, sagte einer der anwesenden Gesetzeskundigen aus dem Wunsch heraus, das Schweigen zu brechen, gedankenlos: "Gesegnet ist derjenige, der Brot im Königreich Gottes essen wird" - was ein damals gängiger Spruch war. Und darauf erzählte Jesus ein Gleichnis, das zu beherzigen sogar sein freundlicher Gastgeber gezwungen war. Er sagte: "Ein Fürst gab ein großes Abendessen, zu dem er viele Gäste eingeladen hatte, und um die Essenszeit sandte er seine Diener aus, um den Geladenen zu sagen: `Kommt, denn alles ist jetzt bereit.' Aber sie begannen alle einstimmig, Entschuldigungen vorzubringen. Der erste sagte: `Ich habe gerade einen Bauernhof gekauft, und ich muss ihn unbedingt besichtigen gehen; ich bitte dich, mich zu entschuldigen.' Ein anderer sagte: `Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und muss sie in Empfang nehmen; ich bitte dich, mich zu entschuldigen.' Und wieder ein anderer brachte vor: `Ich habe eben eine Frau geheiratet und kann deshalb nicht kommen.' Und die Diener kehrten zurück und richteten ihrem Meister all das aus. Als der Herr des Hauses das hörte, war er empört und sagte zu seinen Dienern: `Ich habe dieses Hochzeitsfest vorbereitet; die Mastkälber sind geschlachtet, und alles ist bereit für meine Gäste, aber diese haben meine Einladung verächtlich zurückgewiesen; jeder ist gegangen, um nach seinem Land oder seiner Ware zu sehen, und sie haben sogar meine Diener respektlos behandelt, die gekommen waren, sie zu meinem Fest einzuladen. Deshalb geht jetzt rasch hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und auf die Hauptstraßen und Nebenwege, und bringt die Armen und die Ausgestoßenen, die Blinden und die Lahmen hierher, damit es beim Hochzeitsfest Gäste gebe.' Und die Diener taten, wie ihr Herr befohlen, und auch dann blieb noch Platz für mehr Gäste übrig. Da sprach der Herr zu seinen Dienern: `Geht nun hinaus auf die Landstraßen und aufs Land und drängt die, die dort sind, zu kommen, damit mein Haus voll werde. Ich erkläre, dass keiner von den zuerst Geladenen mein Abendessen anrühren wird.' Und die Diener taten, wie ihr Herr ihnen befohlen hatte, und das Haus wurde voll." Und nachdem sie diese Worte gehört hatten, gingen sie weg; jeder begab sich zu seiner Wohnung. Wenigstens einer von den höhnischen, an diesem Morgen anwesenden Pharisäern begriff die Bedeutung dieses Gleichnisses, denn er wurde noch am gleichen Tage getauft und bekannte sich öffentlich zu seinem Glauben an das Evangelium des Königreichs. Abner hielt am selben Abend an der Generalversammlung der Gläubigen eine Predigt über dieses Gleichnis. Am nächsten Tag übten sich alle Apostel in philosophischen Versuchen, die Bedeutung des Gleichnisses vom großen Abendessen zu interpretieren. Auch wenn Jesus all den unterschiedlichen Deutungen interessiert zuhörte, weigerte er sich hartnäckig, ihnen weitere Hilfe zum Verständnis des Gleichnisses anzubieten. Er sagte stets nur: "Lasst jeden die Bedeutung für sich selber und in seiner eigenen Seele herausfinden." ***** 167.3 Die gemütskranke Frau ***** Abner hatte Vorkehrungen getroffen, damit der Meister an diesem Sabbattag in der Synagoge lehren konnte. Es war das erste Mal, dass Jesus in einer Synagoge erschien, seit diese sämtlich auf Befehl des Sanhedrins für seine Lehren geschlossen worden waren. Am Ende des Gottesdienstes blickte Jesus auf eine ältere Frau vor ihm herab, deren Ausdruck Niedergeschlagenheit verriet und die stark vornüber gebeugt war. Diese Frau litt seit langem unter Angstzuständen, und alle Freude war aus ihrem Leben gewichen. Als Jesus vom Rednerpult herabstieg, ging er zu ihr hin, berührte ihre niedergebeugte Gestalt an der Schulter und sagte: "Frau, wenn du nur glauben wolltest, könntest du von deinem kranken Geist völlig befreit werden." Und diese Frau, die mehr als achtzehn Jahre lang an Angstzuständen gelitten hatte, die sie niedergebeugt und gebunden hatten, glaubte den Worten des Meisters und richtete sich dank ihrem Glauben sogleich auf. Als die Frau feststellte, dass sie aufrecht geworden war, erhob sie ihre Stimme und lobte Gott. Obwohl das Leiden dieser Frau rein psychisch und ihre gebeugte Gestalt das Resultat ihres depressiven Gemüts war, glaubten die Leute, Jesus habe ein richtiges physisches Gebrechen geheilt. Die Gemeinde der Synagoge von Philadelphia war Jesu Lehren gegenüber zwar freundlich eingestellt, aber der Hauptverantwortliche der Synagoge war ein nicht günstig gesinnter Pharisäer. Und da er mit der Versammlung die Meinung teilte, Jesus habe eine physische Krankheit geheilt und er über die Anmaßung Jesu empört war, so etwas an einem Sabbat zu tun, erhob er sich vor der Gemeinde und sprach: "Gibt es nicht sechs Tage, an denen die Menschen all ihre Arbeit tun sollten? Kommt deshalb an diesen Werktagen zur Heilung, aber nicht am Sabbattag." Nach diesen Worten des unfreundlichen Leiters bestieg Jesus noch einmal das Rednerpodium und sagte: "Warum die Rolle von Heuchlern spielen? Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen los und führt ihn aus dem Stall zur Tränke? Wenn ein solcher Dienst am Sabbattag zulässig ist, darf dann nicht auch diese Frau, eine Tochter Abrahams, die von achtzehn Jahre langem Unglück niedergebeugt war, aus ihren Fesseln befreit und hinausgeführt werden, um vom Wasser der Freiheit und des Lebens zu trinken, sogar am heutigen Sabbattag?" Als die Frau fortfuhr, Gott zu lobpreisen, war sein Kritiker beschämt, und die Gemeinde freute sich mit ihr darüber, dass sie geheilt worden war. Infolge seiner an diesem Sabbat an Jesus geübten öffentlichen Kritik wurde der Hauptverantwortliche der Synagoge abgesetzt und durch einen Anhänger Jesu ersetzt. Oft befreite Jesus solche Opfer der Angst von ihrem kranken Gemüt, von ihrer Niedergeschlagenheit und Gefangenschaft in der Furcht. Aber die Leute meinten, dass all diese Leiden entweder physische Krankheiten oder Besessenheit durch böse Geister seien. Am Sonntag lehrte Jesus wieder in der Synagoge, und viele wurden gegen Mittag jenes Tages von Abner im Bach getauft, der südlich an der Stadt vorbeifloss. Am nächsten Morgen wären Jesus und die zehn Apostel zur Rückkehr ins Lager von Pella aufgebrochen, wenn nicht ein Bote Davids mit einer dringenden Botschaft für Jesus von seinen Freunden in Bethanien bei Jerusalem eingetroffen wäre. ***** 167.4 Die Botschaft von Bethanien ***** Sehr spät am Sonntagabend, dem 26. Februar, traf ein Läufer aus Bethanien in Philadelphia ein, der eine Botschaft von Martha und Maria überbrachte, die lautete: "Herr, der, den du liebst, ist sehr krank." Diese Botschaft erreichte Jesus am Schluss der abendlichen Zusammenkunft, gerade als er sich von den Aposteln für die Nacht verabschiedete. Zuerst gab Jesus keine Antwort. Es fand eines jener seltsamen Zwischenspiele statt, währenddessen er für kurze Zeit in Verbindung mit etwas außerhalb und jenseits von ihm zu stehen schien. Und dann blickte er auf und wandte sich in Hörweite der Apostel mit den Worten an den Boten: "Diese Krankheit führt nicht wirklich zum Tode. Zweifelt nicht daran, dass sie dazu dienen kann, Gott zu verherrlichen und den Sohn zu erhöhen." Jesus hatte Martha, Maria und ihren Bruder Lazarus sehr lieb; er liebte sie mit inniger Zuneigung. Sein erster und menschlicher Gedanke war, ihnen sofort zu Hilfe zu eilen, aber dann trat eine andere Idee in seinen kombinierten Verstand. Er hatte die Hoffnung fast aufgegeben, dass die jüdischen Führer in Jerusalem das Königreich je annehmen würden, aber er fuhr fort, sein Volk zu lieben, und es fiel ihm nun ein Plan ein, der den Schriftgelehrten und Pharisäern Jerusalems vielleicht eine weitere Gelegenheit bieten würde, seine Lehren zu akzeptieren; und er beschloss, vorausgesetzt, sein Vater war einverstanden, aus diesem letzten Aufruf an Jerusalem das tiefgründigste und erstaunlichste äußere Werk seiner gesamten irdischen Laufbahn zu machen. Die Juden hingen an der Idee eines wundertätigen Befreiers. Und obwohl er sich weigerte, sich zur Ausführung materieller Wunder oder zur weltlichen Zurschaustellung politischer Macht herabzulassen, bat er nun um des Vaters Zustimmung zur Manifestation seiner bislang nicht an den Tag gelegten Macht über Leben und Tod. Die Juden hatten die Gewohnheit, ihre Toten am Tage ihres Ablebens zu beerdigen; das war in einem so warmen Klima eine notwendige Praxis. Es kam oft vor, dass sie einen nur im Koma Liegenden ins Grab legten und dieser am zweiten oder sogar am dritten Tag wieder daraus hervorkam. Aber die Juden glaubten, dass der Geist oder die Seele wohl zwei oder drei Tage lang in der Nähe des Körpers verweilte, aber nie nach dem dritten Tag; dass die Verwesung am vierten Tag schon stark fortgeschritten sei und dass nie jemand nach Ablauf dieser Frist vom Grab zurückgekehrt sei. Und aus genau diesen Gründen ließ Jesus noch zwei volle Tage in Philadelphia verstreichen, bevor er sich zum Aufbruch nach Bethanien bereitmachte. Infolgedessen sprach er am frühen Mittwochmorgen zu seinen Aposteln: "Machen wir uns sofort reisefertig, um wiederum nach Judäa zu gehen." Als die Apostel ihren Meister solches sagen hörten, zogen sie sich eine Weile zurück, um sich miteinander zu beraten. Jakobus übernahm die Leitung der Besprechung, und sie kamen alle überein, dass es reine Torheit wäre, Jesus zu erlauben, wieder nach Judäa zu gehen, und sie kamen geschlossen zurück und teilten es ihm mit. Jakobus sprach: "Meister, erst vor wenigen Wochen warst du in Jerusalem, und die Führer trachteten dir nach dem Leben, während das Volk gesonnen war, dich zu steinigen. Damals hast du diesen Menschen ihre Chance, die Wahrheit zu empfangen, gegeben, und wir wollen dir nicht erlauben, noch einmal nach Judäa zu gehen." Da sagte Jesus: "Aber versteht ihr nicht, dass der Tag zwölf Stunden hat, an denen die Arbeit sicher ausgeführt werden kann? Wenn ein Mann bei Tag wandert, stolpert er nicht, da er ja Licht hat. Wenn er in der Nacht wandert, läuft er Gefahr zu stolpern, da er ohne Licht ist. Solange mein Tag dauert, fürchte ich mich nicht davor, nach Judäa zu gehen. Ich möchte für diese Juden noch ein weiteres mächtiges Werk tun; ich möchte ihnen noch eine Chance mehr zum Glauben geben, sogar zu ihren eigenen Bedingungen - Bedingungen äußerer Herrlichkeit und sichtbarer Manifestation der Macht des Vaters und der Liebe des Sohnes. Seid ihr euch übrigens nicht bewusst, dass unser Freund Lazarus eingeschlafen ist und ich gehen möchte, ihn aus seinem Schlaf aufzuwecken!" Da sagte einer der Apostel: "Meister, wenn Lazarus eingeschlafen ist, wird er sich umso sicherer erholen." Die Juden jener Tage pflegten vom Tod als von einer Art Schlaf zu sprechen, aber da die Apostel nicht begriffen, dass Jesus sagen wollte, Lazarus sei aus dieser Welt geschieden, sagte er jetzt unmissverständlich: "Lazarus ist tot. Um euretwillen und auch wenn die übrigen dadurch nicht gerettet werden sollten, bin ich froh, dass ich nicht zugegen war, auf dass ihr jetzt neuen Grund habt, an mich zu glauben; und das, wovon ihr Zeugen sein werdet, sollte euch stärken in Vorbereitung auf den Tag, an dem ich euch verlassen und zu meinem Vater gehen werde." Als sie ihn nicht überzeugen konnten, vom Gang nach Judäa abzusehen, und einige der Apostel nicht willens waren, ihn zu begleiten, wandte sich Thomas mit diesen Worten an seine Gefährten: "Wir haben dem Meister unsere Befürchtungen mitgeteilt. Aber er ist fest entschlossen, nach Bethanien zu gehen. Ich bin überzeugt, dass es das Ende bedeutet; sie werden ihn sicherlich töten, aber wenn der Meister es so will, dann lasst uns unsere Schuldigkeit als Männer von Mut tun; lasst uns auch gehen und mit ihm sterben." Und es war immer so; in Angelegenheiten, die entschiedenen und beharrlichen Mut erforderten, war Thomas stets die Hauptstütze der zwölf Apostel. ***** 167.5 Unterwegs nach Bethanien ***** Auf dem Weg nach Judäa folgte Jesus eine Schar von etwa fünfzig Freunden und Feinden. Am Mittwoch während ihrer Mittagspause sprach er zu seinen Aposteln und dieser Gruppe von Begleitern über die "Bedingungen der Errettung" und erzählte am Ende dieser Lektion das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner (einem Steuereinnehmer). Jesus sagte: "Ihr seht also, dass der Vater den Menschenkindern Rettung anbietet, und diese Errettung ist ein umsonst gewährtes Geschenk für alle, die den Glauben haben, die Sohnschaft in der göttlichen Familie zu empfangen. Es gibt nichts, was der Mensch tun könnte, um diese Errettung zu verdienen. Werke der Selbstgerechtigkeit können Gottes Gunst nicht erkaufen und viel öffentliches Beten kann kein Ersatz für den Mangel an lebendigem Glauben im Herzen sein. Ihr mögt die Menschen durch euer äußerliches Dienen täuschen, aber Gott schaut in eure Seelen. Was ich euch sage, wird gut durch zwei Männer veranschaulicht, die in den Tempel gingen, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand da und betete für sich: `Oh Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie alle übrigen Menschen, wie die Wucherer, die Ungebildeten, die Ungerechten, die Ehebrecher, oder sogar wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche; ich liefere den Zehnten ab von allem, was ich erhalte.' Aber der Zöllner, der sich abseits hielt, wagte nicht einmal, zum Himmel aufzublicken, sondern schlug sich an die Brust und sagte: `Gott, hab' Erbarmen mit mir Sünder.' Ich sage euch, dass der Zöllner eher mit Gottes Billigung nach Hause ging, als der Pharisäer, denn wer sich selbst erhöht, soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, soll erhöht werden." Am Abend versuchten in Jericho die feindlichen Pharisäer, den Meister in eine Falle zu locken, indem sie ihn wie einst ihre Mitpharisäer in Galiläa in eine Diskussion über Heirat und Scheidung verstricken wollten; aber Jesus wich ihren Versuchen, ihn mit ihren Scheidungsgesetzen in Konflikt zu bringen, geschickt aus. So wie der Zöllner und der Pharisäer für gute und schlechte Religion standen, dienten ihm ihre Scheidungspraktiken dazu, den besseren Heiratsgesetzen der jüdischen Gesetzessammlung die schändliche Lockerheit der pharisäischen Auslegungen des mosaischen Scheidungsrechts gegenüberzustellen. Der Pharisäer beurteilte sich selber nach den niedrigsten Kriterien; der Zöllner maß sich an dem höchsten Ideal. Für den Pharisäer war die Andacht ein Mittel, sich selbstgerechter Inaktivität zu überlassen und sich in falscher geistiger Sicherheit zu wiegen; für den Zöllner war die Andacht das Mittel, seine Seele wachzurütteln, damit sie die Notwendigkeit der Reue und des Sündenbekenntnisses erkenne und durch ihren Glauben die erbarmende Vergebung annehme. Der Pharisäer suchte Gerechtigkeit, der Zöllner Barmherzigkeit. Dies ist das Gesetz des Universums: Bittet, und ihr werdet empfangen; sucht, und ihr werdet finden. Jesus weigerte sich zwar, sich von den Pharisäern in eine Kontroverse über die Scheidung hineinziehen zu lassen, verkündete aber eine positive Lehre von den höchsten die Ehe betreffenden Idealen. Er pries die Ehe als die idealste und höchste aller menschlichen Beziehungen. Ebenso gab er seiner strengen Missbilligung der lockeren und unfairen Scheidungspraktiken der Juden von Jerusalem Ausdruck, die es zu jener Zeit einem Mann erlaubten, sich von seiner Frau aus den nichtigsten Gründen scheiden zu lassen, sei es, weil sie eine schlechte Köchin oder nachlässige Hausfrau war, oder aus keinem gewichtigeren Grund, als dass er sich in eine hübschere Frau verliebt hatte. Die Pharisäer waren sogar so weit gegangen zu lehren, dass die Scheidung dieser bequemen Art eine dem jüdischen Volk und insbesondere den Pharisäern gewährtes, besonderes Vorrecht sei. Während sich Jesus jeder Erklärung über Ehe und Scheidung enthielt, verurteilte er diese beschämenden Verhöhnungen der ehelichen Beziehung aufs schärfste und wies auf deren Ungerechtigkeit gegenüber Frauen und Kindern hin. Er billigte nie irgendeine Scheidungspraxis, die dem Mann irgendeinen Vorteil gegenüber der Frau gab; der Meister hieß nur jene Lehren gut, die den Frauen Gleichberichtigung mit den Männern zugestanden. Auch wenn Jesus keine neuen Regeln für Ehe und Scheidung anbot, so drängte er die Juden doch, ihren eigenen Gesetzen und höheren Lehren entsprechend zu leben. Er berief sich ständig auf die Schriften bei seinem Versuch, ihre Praktiken im Sinne der darin enthaltenen sozialen Richtlinien zu verbessern. Während er so an den hohen und idealen Vorstellungen von der Ehe festhielt, vermied Jesus geschickt jeden Zusammenstoß mit den Fragestellern wegen der gesellschaftlichen Praktiken, wie sie in ihren geschriebenen Gesetzen und in den ihnen so teuren Scheidungsprivilegien zum Ausdruck kamen. Es fiel den Aposteln sehr schwer, das Widerstreben des Meisters zu verstehen, sich eindeutig zu wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Problemen zu äußern. Sie begriffen nicht ganz, dass seine irdische Sendung ausnahmslos die Offenbarung geistiger und religiöser Wahrheiten betraf. Nachdem Jesus über Ehe und Scheidung gesprochen hatte, stellten ihm seine Apostel später am Abend persönlich viele zusätzliche Fragen, und seine Antworten befreiten ihre Gedanken von vielen irrigen Auffassungen. Am Schluss dieser Fragestunde sagte Jesus: "Die Ehe ist ehrenvoll und sollte von allen Menschen angestrebt werden. Die Tatsache, dass der Menschensohn seine Erdenmission allein ausführt, mindert die Wünschbarkeit der Ehe in keiner Weise herab. Es ist des Vaters Wille, dass ich meine Arbeit in dieser Weise tue, aber derselbe Vater hat die Erschaffung von Mann und Frau verfügt, und es ist göttlicher Wille, dass Männer und Frauen ihren höchsten Dienst und die daraus hervorgehende Freude in der Gründung eines Hausstandes finden, um Kinder zu empfangen und zu erziehen, durch deren Erzeugung die Eltern zu Partnern der Schöpfer von Himmel und Erde werden. Und aus diesem Grunde soll ein Mann Vater und Mutter verlassen und treu zu seiner Gattin halten, und beide sollen sie werden wie eins." Und damit befreite er die Gedanken seiner Apostel von vielen Sorgen hinsichtlich der Ehe und klärte viele die Scheidung betreffende Missverständnisse auf; zugleich trug er viel dazu bei, ihre Ideale von sozialer Verbindung zu erhöhen und ihre Achtung vor den Frauen, den Kindern und dem Heim zu vergrößern. ***** 167.6 Die Segnung der kleinen Kinder ***** An diesem Abend verbreitete sich Jesu Botschaft über die Ehe und den Segen der Kinder in ganz Jericho, so dass am nächsten Morgen, lange bevor Jesus und die Apostel sich zum Aufbruch anschickten, und sogar schon vor der Frühstückszeit, Scharen von Müttern an den Ort kamen, wo Jesus wohnte. In ihren Armen brachten sie ihre Kinder oder führten sie an der Hand und wünschten, dass er die Kleinen segne. Als die Apostel herauskamen und diese Versammlung von Müttern mit ihren Kindern erblickten, versuchten sie, sie wegzuschicken, aber die Frauen weigerten sich zu gehen, bevor der Meister ihren Kindern nicht die Hand aufgelegt und sie gesegnet hätte. Und als die Apostel die Mütter laut schalten, kam Jesus, der den Tumult hörte, heraus und tadelte sie ungehalten mit den Worten: "Lasst die kleinen Kinder zu mir kommen; verbietet es ihnen nicht, denn aus ihresgleichen besteht das Königreich des Himmels. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer das Königreich Gottes nicht wie ein kleines Kind empfängt, wird es schwerlich betreten können, um darin zur vollen Statur geistigen Menschentums heranzuwachsen." Und nachdem der Meister so zu seinen Aposteln gesprochen hatte, empfing er alle Kinder und legte seine Hände auf sie, während er ihren Müttern Mut und Hoffnung zusprach. Jesus sprach zu seinen Aposteln häufig über die himmlischen Wohnungen und lehrte sie, dass die sich fortentwickelnden Kinder Gottes dort geistig aufwachsen müssen wie die Kinder auf dieser Welt physisch aufwachsen. Und so erscheint das Heilige oft als etwas Gewöhnliches, denn diese Kinder und ihre Mütter hatten an diesem Tag kaum eine Ahnung, dass Nebadons Intelligenzen zuschauten und sahen, wie die Kinder von Jericho mit dem Schöpfer eines Universums spielten. Die Stellung der Frau in Palästina wurde durch Jesu Lehre beträchtlich verbessert; und so wäre es auf der ganzen Welt gewesen, wenn sich seine Anhänger nicht weit von dem entfernt hätten, was er sie so eindringlich lehrte. Ebenfalls in Jericho und im Zusammenhang mit der Diskussion über die frühe religiöse Einübung von Kindern in die Praxis göttlicher Anbetung prägte Jesus seinen Aposteln den großen Wert des Schönen als eines Einflusses ein, der insbesondere Kinder dazu drängt, Gott anzubeten. Der Meister lehrte durch Unterweisung und Beispiel den Wert der Verehrung des Schöpfers inmitten der natürlichen Umgebung der Schöpfung. Er zog es vor, umgeben von Bäumen und mitten unter den niederen Geschöpfen der natürlichen Welt mit dem himmlischen Vater zu kommunizieren. Es war ihm eine Freude, den Vater durch das inspirierende Schauspiel der gestirnten Reiche der Schöpfersöhne zu betrachten. Wenn es den Menschen nicht möglich ist, Gott im Tempel der Natur anzubeten, sollten sie ihr Bestes tun, um ihm Häuser von großer Schönheit zu errichten, künstlerisch geschmückte Heiligtümer von ansprechender Einfachheit, damit in ihnen zusammen mit der intellektuellen Einstimmung auf die geistige Verbindung mit Gott die höchsten menschlichen Gefühle geweckt werden. Wahrheit, Schönheit und Heiligkeit sind mächtige und wirksame Hilfen bei der wahren Anbetung. Aber geistige Verbindung wird nicht gefördert durch massigen, überreichen Schmuck und überladene Verzierung mit menschlicher, komplizierter und großtuerischer Kunst. Schönheit ist am religiösesten, wenn sie am einfachsten ist und der Natur am nächsten kommt. Wie bedauerlich, wenn kleine Kinder ihren ersten Kontakt mit Konzepten öffentlichen Gottesdienstes in kalten und kahlen Räumen erleben, die so gänzlich aller ansprechenden Schönheit entbehren und so bar jeglicher Spur von Frohsinn und inspirierender Heiligkeit sind! Das Kind sollte draußen in der Natur in die Anbetung eingeführt werden und später seine Eltern zu religiösen Versammlungen in öffentlichen Gebäuden begleiten, die zum mindesten materiell ebenso anziehend und künstlerisch ebenso schön sind wie das Heim, wo es täglich wohnt. ***** 167.7 Das Gespräch über Engel ***** Als sie von Jericho durch die Anhöhen nach Bethanien hinaufstiegen, ging Nathanael während des größten Wegstücks an Jesu Seite, und ihr Gespräch über Kinder im Zusammenhang mit dem Königreich des Himmels führte sie indirekt zur Betrachtung der Aufgabe der Engel. Nathanael stellte dem Meister schließlich die Frage: "Was sollen wir in Anbetracht der Tatsache, dass der Hohepriester ein Sadduzäer ist und die Sadduzäer nicht an Engel glauben, das Volk bezüglich der himmlischen Helfer lehren?" Darauf antwortete Jesus unter anderem: "Die Engelscharen sind eine besondere Ordnung von erschaffenen Wesen; sie sind von der materiellen Ordnung sterblicher Geschöpfe völlig verschieden und wirken als eine selbständige Gruppe von Universums-Intelligenzen. Die Engel gehören nicht zu der in den Schriften `die Söhne Gottes' genannten Gruppe von Geschöpfen, noch sind sie die glorifizierten Geiste sterblicher Menschen, die sich auf den Weg des Fortschritts durch die Wohnungen in der Höhe begeben haben. Die Engel sind eine direkte Schöpfung und sie reproduzieren sich nicht selbst. Die Engelscharen haben mit der menschlichen Rasse nur eine geistige Verwandtschaft. Im Verlaufe seiner Reise zum Vater im Paradies durchläuft der Mensch einmal ein Stadium, das demjenigen der Engel entspricht, aber der sterbliche Mensch wird nie ein Engel. Die Engel sterben nie wie die Menschen. Die Engel sind unsterblich, außer es geschähe, dass sie sich in Sünde verstrickten wie einige von ihnen, die dem Betrüger Luzifer folgten. Die Engel sind die geistigen Diener des Himmels, und sie sind weder allweise noch allmächtig. Aber alle treuen Engel sind wahrhaft rein und heilig. Und erinnerst du dich nicht, dass ich früher einmal zu euch gesagt habe: `Wären eure geistigen Augen gesalbt, ihr sähet die Himmel offen stehen und erblicktet die Engel Gottes, wie sie auf- und niedersteigen'? Es geschieht durch den Dienst der Engel, dass eine Welt mit anderen Welten in Kontakt bleiben kann, denn habe ich euch nicht wiederholt gesagt, dass ich noch andere Schafe habe, die nicht zu dieser Herde gehören? Die Engel sind keine Spione der geistigen Welt, die euch überwachen und dann dem Vater die Gedanken eurer Herzen hinterbringen und ihm über die Taten des Menschengeschlechts berichten. Der Vater benötigt keinen derartigen Dienst, da ja sein eigener Geist in euch wohnt. Aber die Funktion dieser Engelsgeiste ist es, einen Teil der himmlischen Schöpfung über die Geschehnisse in anderen und entlegenen Teilen des Universums auf dem Laufenden zu halten. Und viele dieser Engel versehen ihren Dienst in der Regierung des Vaters und in den Universen der Söhne und sind zugleich dem Dienst an den menschlichen Rassen zugeteilt. Als ich euch gelehrt habe, dass viele dieser Seraphim dienende Geiste seien, habe ich weder in bildlicher Sprache noch auf poetische Weise gesprochen. All das ist wahr, unabhängig von eurer Schwierigkeit, solche Dinge zu verstehen. Viele dieser Engel haben die Errettung der Menschen zur Aufgabe, denn habe ich euch nicht von der seraphischen Freude gesprochen, wenn eine Seele den Entschluss fasst, die Sünde aufzugeben und mit der Suche nach Gott zu beginnen? Ich habe euch auch von der Freude im Himmel über einen reuigen Sünder in der Gegenwart der Engel erzählt und damit angedeutet, dass es noch andere und höhere Ordnungen himmlischer Wesen gibt, die sich ebenfalls um das geistige Wohlergehen und um den göttlichen Fortschritt der sterblichen Menschen kümmern. "Die Engel befassen sich auch insbesondere mit dem Vorgang, durch welchen der Geist des Menschen aus dem physischen Leib freigelassen und seine Seele zu den himmlischen Residenzen begleitet wird. Die Engel sind die sicheren und himmlischen Führer der Menschenseele während der unerforschten und unbestimmten Zeitspanne, die zwischen dem Tod des Körpers und dem neuen Leben in den geistigen Wohnungen liegt." Und er hätte noch länger mit Nathanael über das Amt der Engel geredet, wäre er nicht durch Marthas Nahen unterbrochen worden. Freunde, die beobachtet hatten, dass der Meister im Osten durch die Berge heraufkam, hatten sie unterrichtet, dass er sich Bethanien nähere. Und so eilte sie ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. ****** Kapitel 168 Die Auferstehung des Lazarus ****** ES WAR kurz nach Mittag, als Martha hinaus- und Jesus entgegeneilte, als er gerade über die Kuppe der nahe Bethanien gelegenen Anhöhe kam. Ihr Bruder Lazarus war bereits seit vier Tagen tot. Man hatte ihn am späten Sonntagnachmittag in die private Grabstätte am Ende des Gartens gelegt. Der Stein am Grabeingang war an diesem Donnerstagmorgen an seinen Platz gerollt worden. Als Martha und Maria Jesus von der Krankheit des Lazarus benachrichtigten, taten sie es im Vertrauen darauf, dass der Meister etwas unternehmen würde. Sie wussten, dass ihr Bruder schwerkrank war, und obwohl sie kaum zu hoffen wagten, dass Jesus seine Lehr- und Predigttätigkeit unterbrechen würde, um ihnen zu Hilfe zu kommen, hatten sie doch ein derartiges Vertrauen in seine Macht, Krankheit zu heilen, dass sie dachten, er würde nur die heilenden Worte sprechen, und Lazarus würde unverzüglich gesund. Und als Lazarus wenige Stunden, nachdem der Bote Bethanien mit Ziel Philadelphia verlassen hatte, starb, zogen sie daraus den Schluss, dass der Meister die Nachricht von der Krankheit ihres Bruders zu spät erfahren habe, als er schon seit mehreren Stunden tot war. Aber die Botschaft, die der Läufer am Dienstagvormittag nach Bethanien zurückbrachte, stellte sie und alle ihre gläubigen Freunde vor ein großes Rätsel. Der Bote bestand darauf, er habe Jesus sagen hören: ... "diese Krankheit führt nicht wirklich zum Tode." Ebenso wenig konnten sie verstehen, wieso er ihnen nichts ausrichten ließ oder ihnen auf andere Weise Hilfe anbot. Viele Freunde kamen aus den nahen Dörfern, andere von Jerusalem herüber, um den schwergeprüften Schwestern in ihrem Leid beizustehen. Lazarus und seine Schwestern waren die Kinder eines wohlhabenden und angesehenen Juden, der im kleinen Bethanien der führende Dorfbewohner gewesen war. Und obwohl die drei seit langem glühende Anhänger Jesu waren, standen sie bei allen, die sie kannten, in hohem Ansehen. Sie hatten in der Nachbarschaft ausgedehnte Weinberge und Olivenhaine geerbt, und dass sie reich waren, bezeugte im Übrigen der Umstand, dass sie sich eine private Totengruft auf ihrem eigenen Grundstück leisten konnten. Ihre beiden Eltern waren bereits in diesem Grab zur Ruhe gelegt worden. Maria hatte den Gedanken an Jesu Kommen aufgegeben und sich ihrem Kummer überlassen, aber Martha klammerte sich noch bis zu dem Morgen, an dem der Stein vor das Grab gerollt und der Eingang dazu versiegelt wurde, an die Hoffnung, Jesus werde kommen. Und auch dann noch trug sie einem Nachbarjungen auf, von der Bergkuppe östlich Bethaniens auf die Straße nach Jericho hinabzuspähen; und es war dieser Junge, der Martha die Nachricht vom Nahen Jesu und seiner Freunde brachte. Als Martha Jesus erreicht hatte, fiel sie ihm mit dem Ausruf zu Füßen: "Meister, wenn du nur hier gewesen wärest, wäre mein Bruder nicht gestorben!" Viele angstvolle Gedanken gingen Martha durch den Kopf, aber sie drückte keinen Zweifel aus, noch maßte sie sich an, des Meisters Verhalten im Zusammenhang mit Lazarus' Tod zu kritisieren oder in Frage zu stellen. Als sie gesprochen hatte, beugte sich Jesus zu ihr hinab, richtete sie auf und sagte: "Hab' nur Vertrauen, Martha, und dein Bruder wird wieder erwachen." Da antwortete Martha: "Ich weiß, dass er bei der Auferstehung am letzten Tag wieder erwachen wird; und auch jetzt glaube ich, worum du Gott auch bitten magst, das wird unser Vater dir geben." Da blickte Jesus Martha gerade in die Augen und sprach: "Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, soll leben, obwohl er stirbt. Wahrlich, wer lebt und an mich glaubt, wird niemals wirklich sterben. Martha, glaubst du das?" Und Martha gab dem Meister zur Antwort: "Ja, ich glaube seit langem, dass du der Erlöser bist, der Sohn des lebendigen Gottes, eben der, der in diese Welt kommen sollte." Jesus erkundigte sich nach Maria, und Martha ging sofort ins Haus und flüsterte ihrer Schwester zu: "Der Meister ist hier und hat nach dir verlangt." Als Maria das hörte, stand sie rasch auf und eilte hinaus, Jesus entgegen, der immer noch in einiger Entfernung vom Haus an derselben Stelle verweilte, wo Martha ihn zuerst getroffen hatte. Als die Freunde, die bei Maria waren und sie zu trösten versuchten, diese rasch aufstehen und hinauseilen sahen, folgten sie ihr in der Annahme, sie gehe zum Grab, um zu weinen. Viele der Anwesenden waren erbitterte Feinde Jesu. Das war der Grund, weshalb Martha hinausgeeilt war, um ihn allein zu empfangen, und weshalb sie hineinging, um Maria insgeheim mitzuteilen, dass er nach ihr verlangt habe. Obgleich Martha sehnlichst wünschte, mit Jesus zu sprechen, wollte sie doch jeden möglichen unerfreulichen Zwischenfall vermeiden, den sein plötzliches Erscheinen inmitten einer großen Schar seiner Feinde von Jerusalem hätte verursachen können. Ihre Absicht war, mit ihren Freunden im Hause zu bleiben, während Maria Jesus begrüßen ging, aber das misslang ihr, denn alle folgten Maria und befanden sich unerwartet in des Meisters Gegenwart. Martha führte Maria zu Jesus, und als diese ihn erblickte, fiel sie ihm zu Füßen und rief aus: "Wärest du nur hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben!" Und als Jesus sah, wie schmerzerfüllt sie alle über den Tod des Lazarus waren, erfüllte Mitleid seine Seele. Als die Trauergäste sahen, dass Maria gegangen war, um Jesus zu begrüßen, zogen sie sich auf kurze Entfernung zurück, während Martha und Maria mit dem Meister sprachen und von ihm weitere tröstende Worte und die Aufforderung erhielten, an ihrem großen Vertrauen in den Vater und an ihrer vollkommenen Ergebenheit in den göttlichen Willen festzuhalten. Jesu menschliches Gemüt wurde mächtig aufgewühlt von dem Widerstreit zwischen seiner Liebe zu Lazarus und den hinterbliebenen Schwestern und seiner Verachtung und seinem Abscheu vor den vordergründigen Liebesbezeugungen einiger dieser ungläubigen und auf Mord sinnenden Juden. Jesus empfand Empörung über die Zurschaustellung forcierter, äußerlicher Trauer um Lazarus durch diese angeblichen Freunde, während dieser falsche Schmerz in ihren Herzen mit so erbitterter Feindschaft gegen ihn selber zusammenwohnte. Einige dieser Juden hingegen waren von echter Trauer erfüllt, denn sie waren wirkliche Freunde der Familie. ***** 168.1 Am Grab des Lazarus ***** Nachdem Jesus Martha und Maria einige Augenblicke lang abseits von den Trauernden Trost gespendet hatte, fragte er sie: "Wo habt ihr ihn hingelegt?" Da sagte Martha: "Komm und schau." Und während der Meister schweigend hinter den zwei trauernden Schwestern herging, weinte er. Als die freundlichen Juden, die ihnen nachfolgten, seine Tränen bemerkten, sagte einer von ihnen: "Seht, wie sehr er ihn geliebt hat. Hätte er, der dem Blinden die Augen öffnete, diesen Mann nicht vor dem Tode bewahren können?" Unterdessen waren sie vor dem Familiengrab angelangt, einer kleinen natürlichen Höhle, eher einem Überhang, in der etwa zehn Meter hohen Felswand, die am Ende des Gartengrundstücks aufragte. Es fällt schwer, menschlichem Verstand zu erklären, weshalb Jesus weinte. Obwohl wir Zugang zu der Registrierung der Kombination menschlicher Emotionen und göttlicher Gedanken haben, wie sie im Bewusstsein des Personifizierten Justierers Jesu aufgezeichnet sind, sind wir nicht ganz sicher bezüglich des wahren Grundes dieser emotionalen Äußerungen. Wir neigen zu der Annahme, dass Jesus wegen einer ganzen Anzahl von Gedanken und Gefühlen weinte, die ihm in diesen Augenblicken durch den Sinn gingen, nämlich: 1. Er empfand echtes und trauerndes Mitgefühl für Martha und Maria; er hatte wirkliche und tiefe menschliche Zuneigung zu diesen Schwestern, die ihren Bruder verloren hatten. 2. Sein Gemüt war aufgewühlt durch die Gegenwart der großen Menge von echten und unechten Trauernden. Er stieß sich immer an solch äußerlicher Zurschaustellung von Trauer. Er wusste, dass die Schwestern ihren Bruder liebten und an das Fortleben der Gläubigen glaubten. Diese widerstreitenden Gefühle erklären vielleicht, weshalb er stöhnte, als sie sich dem Grab näherten. 3. Er zögerte tatsächlich, Lazarus ins sterbliche Leben zurückzubringen. Seine Schwestern brauchten ihn wirklich, aber Jesus bedauerte, seinen Freund zurückrufen zu müssen. Denn er wusste sehr wohl, dass Lazarus durch die Erfahrung einer harten Verfolgung zu gehen haben würde infolge der Tatsache, dass er bei der größten aller Demonstrationen göttlicher Macht des Menschensohns die Hauptperson sein würde. Und an dieser Stelle wollen wir eine interessante und lehrreiche Tatsache mitteilen: Obwohl sich diese Erzählung wie ein scheinbar natürlicher und normaler Ablauf menschlicher Angelegenheiten anhört, hat sie auch einige sehr interessante Nebenaspekte. Einerseits ging am Sonntag ein Bote zu Jesus und teilte ihm die Erkrankung des Lazarus mit, worauf Jesus ausrichten ließ, dass diese "nicht zum Tode führen" werde; andererseits ging er persönlich nach Bethanien hinauf und fragte die Schwestern sogar: "Wo habt ihr ihn hingelegt?" Wenn all dies auch darauf hinzuweisen scheint, dass der Meister nach Art irdischen Lebens und in Übereinstimmung mit der beschränkten Kenntnis des menschlichen Verstandes vorging, enthüllen dennoch die Aufzeichnungen des Universums, dass Jesu Personifizierter Justierer Befehl gab, den Gedankenjustierer des Lazarus nach dessen Tod auf unbestimmte Zeit auf dem Planeten zurückzubehalten, und dass dieser Befehl genau fünfzehn Minuten vor Lazarus' letztem Atemzug registriert wurde. Wusste Jesu göttlicher Verstand schon, noch bevor Lazarus starb, dass er ihn von den Toten auferwecken würde? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur das, was wir hier zu Protokoll geben. Viele von Jesu Feinden neigten dazu, diese Zeichen seiner Gemütsbewegung zu bespötteln und sagten unter sich: "Wenn er soviel von diesem Mann hielt, wieso zögerte er dann solange, bis er nach Bethanien kam? Wenn er wirklich das ist, was man behauptet, warum hat er dann seinen lieben Freund nicht gerettet? Was nützt es, Fremde in Galiläa zu heilen, wenn er außerstande ist, diejenigen zu retten, die er liebt?" Und auf manch andere Weise verhöhnten und verharmlosten sie die Lehren und Werke Jesu. Und so war an diesem Donnerstagnachmittag etwa um halb drei Uhr in dem Dörfchen Bethanien alles bereit für die Ausführung des größten aller mit dem irdischen Wirken Michaels von Nebadon verbundenen Werke, für die größte Manifestation göttlicher Macht während seiner Inkarnation, da seine eigene Auferstehung erst nach seiner Befreiung von der Bindung an die sterbliche Hülle erfolgte. Die kleine Gruppe der vor dem Grab des Lazarus Versammelten hatte nicht die leiseste Ahnung von der nahen Gegenwart einer riesigen Versammlung aller Ordnungen von himmlischen Wesen unter der Leitung Gabriels, die jetzt auf Anordnung des Personifizierten Justierers Jesu bereitstanden, bebend vor Erwartung und sofort zur Hand, den Befehl ihres geliebten Herrschers auszuführen. Als Jesus die befehlenden Worte sprach: "Nehmt den Stein weg", machten sich die versammelten himmlischen Scharen bereit, das Drama der Auferweckung des Lazarus in sterblicher Gestalt zu spielen. Mit dieser Art von Auferstehung sind Ausführungsschwierigkeiten verbunden, die bei weitem die gewöhnliche Technik der Wiedererweckung menschlicher Geschöpfe in morontieller Gestalt übersteigen und weit mehr himmlische Persönlichkeiten und ein viel größeres Aufgebot von Hilfsmitteln des Universums erfordern. Als Martha und Maria Jesu Befehl, den Stein vom Grabeingang wegzurollen, hörten, empfanden sie widerstreitende Gefühle. Maria hoffte, Lazarus werde von den Toten auferweckt werden, aber Martha, obwohl sie den Glauben ihrer Schwester bis zu einem gewissen Grade teilte, wurde mehr durch die Furcht beunruhigt, Lazarus sei in seinem jetzigen Zustand für Jesus, die Apostel und ihre Freunde nicht vorzeigbar. Martha sagte: "Müssen wir den Stein wegrollen? Mein Bruder ist jetzt seit vier Tagen tot, so dass zu diesem Zeitpunkt die Verwesung des Körpers begonnen hat." Martha sagte dies auch, weil sie nicht sicher war, weshalb der Meister geboten hatte, den Stein wegzuschieben; sie dachte, Jesus wolle vielleicht nur einen letzten Blick auf Lazarus werfen. Sie war in ihrer Haltung schwankend und unbeständig. Als sie zögerten, den Stein wegzurollen, sagte Jesus: "Habe ich euch nicht von Anfang an gesagt, diese Krankheit führe nicht zum Tode? Bin ich nicht gekommen, um mein Versprechen einzulösen? Und nachdem ich zu euch gekommen bin, habe ich nicht gesagt, wenn ihr nur glauben wolltet, würdet ihr Gottes Herrlichkeit sehen? Warum zweifelt ihr? Wie lange wird es noch dauern, bis ihr glaubt und gehorcht?" Als Jesus zu sprechen aufgehört hatte, ergriffen seine Apostel unter Mithilfe bereitwilliger Nachbarn den Stein und rollten ihn vom Grabeingang weg. Die Juden glaubten allgemein, dass der Tropfen Galle an der Schwertspitze des Todesengels am Ende des dritten Tages zu wirken beginne und am vierten Tag seine volle Wirkung entfalte. Sie räumten ein, dass die Seele des Menschen sich noch bis ans Ende des dritten Tages im Bemühen um Wiederbelebung des toten Körpers beim Grab aufhalten könne; aber sie waren der festen Überzeugung, dass die Seele, noch ehe der vierte Tag heraufdämmerte, an den Aufenthaltsort der hingeschiedenen Geiste hinübergehe. Diese Vorstellungen und Meinungen über die Toten und den Weggang der Seelen der Toten sorgten dafür, dass es für alle, die jetzt am Grab des Lazarus standen und für alle, die später von dem hörten, was sich gleich abspielen sollte, mit Sicherheit feststand, dass es sich dabei wirklich und wahrhaftig um die Auferweckung des Toten durch das persönliche Eingreifen eines handelte, der erklärte, er sei "die Auferstehung und das Leben". ***** 168.2 Die Auferstehung des Lazarus ***** Die Schar von ungefähr fünfundvierzig Sterblichen, die vor dem Grab standen, konnten undeutlich die Gestalt des Lazarus wahrnehmen, die, in leinene Binden gewickelt, in der unteren rechten Nische der Totengruft ruhte. Während diese irdischen Geschöpfe in nahezu atemloser Stille dastanden, hatten sich die in gewaltiger Zahl versammelten himmlischen Wesen an ihre Plätze begeben, um in Aktion zu treten, sobald Gabriel, ihr Befehlshaber, ihnen das Zeichen dazu geben würde. Jesus erhob seine Augen und sagte: "Vater, ich danke dir, dass du meine Bitte gehört und gewährt hast. Ich weiß, dass du mich immer hörst, aber um derentwillen, die hier bei mir stehen, spreche ich so mit dir, damit sie glauben mögen, dass du mich in die Welt gesandt hast, und damit sie wissen, dass du bei dem, was wir jetzt gleich tun werden, mit mir zusammenarbeitest." Und nachdem er gebetet hatte, rief er mit lauter Stimme: "Lazarus, komm heraus!" Die menschlichen Zuschauer verharrten regungslos, aber das riesige himmlische Heer, dem Wort des Schöpfers gehorchend, arbeitete fiebrig in vereinter Aktion. Nach nur zwölf Sekunden irdischer Zeit begann sich die bislang leblose Gestalt des Lazarus zu bewegen und setzte sich am Rand der Steinplatte, worauf sie geruht hatte, augenblicklich aufrecht. Sein Körper war mit Grabtüchern umwickelt und sein Gesicht mit einem Tuch bedeckt. Und als er vor ihnen aufstand - lebendig - sprach Jesus: "Macht ihn frei und lasst ihn gehen." Mit Ausnahme der Apostel, Marthas und Marias flohen alle zum Haus. Sie waren bleich vor Entsetzen und von Staunen überwältigt. Einige blieben noch, aber viele hasteten nach Hause. Lazarus grüßte Jesus und die Apostel und erkundigte sich nach der Bedeutung der Grabtücher und wieso er im Garten erwacht sei. Jesus und die Apostel begaben sich etwas zur Seite, während Martha Lazarus von seinem Tod, Begräbnis und seiner Auferstehung berichtete. Sie musste ihm erklären, dass er am Sonntag gestorben und jetzt, am Donnerstag, ins Leben zurückgebracht worden sei, denn er hatte ja kein Zeitbewusstsein besessen, seit er in den Todesschlaf gefallen war. Als Lazarus aus dem Grab herauskam, gab der Personifizierte Justierer Jesu, der jetzt in diesem Lokaluniversum das Haupt seiner Ordnung war, dem wartenden vormaligen Justierer des Lazarus den Befehl, wiederum dem Verstand und der Seele des auferstandenen Mannes einzuwohnen. Da ging Lazarus zu Jesus hinüber und kniete mit seinen Schwestern zu des Meisters Füßen nieder, um zu danken und Gott zu lobpreisen. Jesus nahm Lazarus an der Hand, hob ihn auf und sagte: "Mein Sohn, was dir widerfahren ist, werden auch alle, die an das Evangelium glauben, erleben, außer dass sie in einer glorreicheren Gestalt auferstehen werden. Du sollst ein lebendiger Zeuge der Wahrheit sein, die ich gesprochen habe - ich bin die Auferstehung und das Leben. Aber lasst uns jetzt alle ins Haus gehen, um unsere physischen Körper beim gemeinsamen Mahl zu stärken." Während sie dem Hause zuschritten, entließ Gabriel die Sondergruppen der versammelten himmlischen Heerschar und ließ den auf Urantia ersten und letzten Fall registrieren, bei dem ein sterbliches Geschöpf aus seinem toten physischen Körper ins Leben zurückgerufen worden war. Lazarus konnte kaum verstehen, was vorgefallen war. Er wusste, dass er sehr krank gewesen war, aber er vermochte sich nur daran zu erinnern, dass er eingeschlafen und aufgeweckt worden war. Er war nie fähig, irgendetwas über diese vier Tage im Grabe auszusagen, weil er vollkommen bewusstlos gewesen war. Für die, die den Todesschlaf schlafen, existiert keine Zeit. Obwohl auf dieses machtvolle Werk hin viele an Jesus glaubten, verhärteten andere nur ihr Herz und lehnten ihn nur noch mehr ab. Bis zum Mittag des nächsten Tages hatte sich die Kunde davon in ganz Jerusalem verbreitet. Scharen von Männern und Frauen kamen nach Bethanien, um Lazarus zu sehen und mit ihm zu sprechen, und die alarmierten und beunruhigten Pharisäer beriefen in aller Hast eine Sitzung des Sanhedrins ein, um zu beschließen, was nach diesen jüngsten Entwicklungen zu tun sei. ***** 168.3 Die Sitzung des Sanhedrins ***** Auch wenn das Zeugnis des von den Toten auferweckten Mannes viel zur Festigung des Glaubens der Masse der Gläubigen an das Evangelium vom Königreich beitrug, übte es nur einen geringen oder gar keinen Einfluss auf die Haltung der religiösen Führer und Herrscher Jerusalems aus, außer dass es sie in ihrer Entschlossenheit, Jesus umzubringen und sein Werk aufzuhalten, nur noch bestärkte. Anderntags, am Freitag um ein Uhr, trat der Sanhedrin zusammen, um weiter über die Frage zu beraten: "Was sollen wir mit Jesus von Nazareth tun?" Nach mehr als zwei Stunden Diskussion und erbitterter Debatte legte ein Pharisäer eine Resolution vor, die Jesu unverzüglichen Tod verlangte und erklärte, er sei eine Bedrohung für ganz Israel, und die den Sanhedrin offiziell auf das Todesurteil festlegte, ohne Prozess und in Missachtung aller bestehenden Regeln. Immer wieder hatte dieses erlauchte Gremium jüdischer Führer verfügt, Jesus müsse verhaftet und wegen Gotteslästerung und zahlreicher anderer, auf Verhöhnung des heiligen jüdischen Gesetzes lautender Anklagen vor Gericht gestellt werden. Sie waren zuvor einmal sogar so weit gegangen zu erklären, er müsse sterben, aber dies war das erste Mal, dass sich der Sanhedrin dahin äußerte, sein Todesurteil noch vor einem Prozess auszusprechen. Aber es kam zu keiner Abstimmung über diese Resolution, da vierzehn Mitglieder des Sanhedrins geschlossen ihren Rücktritt erklärten, als ein derart unerhörtes Vorgehen vorgeschlagen wurde. Obwohl diese Amtsniederlegungen erst nach fast zwei Wochen rechtskräftig wurden, zog sich die vierzehnköpfige Gruppe an diesem Tag aus dem Sanhedrin zurück, um nie wieder an dessen Beratungen teilzunehmen. Als man diese Rücktritte später bearbeitete, wurden fünf weitere Mitglieder hinausgeworfen, weil ihre Kollegen annahmen, sie hegten Jesus gegenüber freundliche Gefühle. Nach dem Hinauswurf dieser neunzehn Männer war der Sanhedrin in der Lage, Jesus mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Geschlossenheit vor Gericht zu stellen und zu verurteilen. In der Woche darauf wurden Lazarus und seine Schwestern aufgefordert, vor dem Sanhedrin zu erscheinen. Nach Anhörung ihres Zeugnisses konnte kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass Lazarus von den Toten auferweckt worden war. Obwohl der Sitzungsbericht des Sanhedrins die Auferstehung des Lazarus faktisch anerkannte, enthielt das Protokoll auch eine Resolution, die dieses und alle anderen durch Jesus gewirkten Wunder der Macht des Teufelsfürsten zuschrieb, mit dem im Bunde zu stehen Jesus bezichtigt wurde. Was auch immer die Quelle seiner Wunder wirkenden Macht sein mochte, diese jüdischen Führer waren überzeugt, dass, geböten sie ihm nicht augenblicklich Einhalt, das einfache Volk sehr bald an ihn glauben würde, und sich überdies ernsthafte Schwierigkeiten mit den römischen Behörden ergäben, da so viele, die an ihn glaubten, ihn als den Messias und Befreier Israels betrachteten. Bei derselben Sitzung des Sanhedrins äußerte der Hohepriester Kajaphas zum ersten Mal das alte jüdische Sprichwort, das er dann so oft wiederholte: "Es ist besser, dass ein Mensch stirbt, als dass die Gemeinschaft zugrunde geht." Obwohl Jesus über das Vorgehen des Sanhedrins an diesem düsteren Freitagnachmittag Bescheid erhalten hatte, war er nicht im Geringsten beunruhigt und ruhte sich auch noch den Sabbat über bei Freunden in Bethphage, einem Bethanien benachbarten Weiler, aus. Wie verabredet, kamen Jesus und die Apostel am frühen Sonntagmorgen im Hause des Lazarus zusammen, und nachdem sie von der Familie in Bethanien Abschied genommen hatten, machten sie sich auf den Rückweg zum Lager von Pella. ***** 168.4 Die Antwort auf das Gebet ***** Auf dem Weg von Bethanien nach Pella stellten die Apostel Jesus viele Fragen, die der Meister alle frei heraus beantwortete mit Ausnahme derer, die sich auf die Einzelheiten der Auferstehung von den Toten bezogen. Diese Probleme lagen jenseits des Fassungsvermögens seiner Apostel; deshalb lehnte der Meister es ab, diese Fragen mit ihnen zu diskutieren. Da sie Bethanien heimlich verlassen hatten, waren sie allein. Jesus nahm die Gelegenheit wahr, um den Zehn vieles zu sagen, was sie seiner Meinung nach auf die unmittelbar bevorstehenden Tage der Prüfung vorbereiten würde. Die Gedanken der Apostel waren sehr aufgewühlt und sie verbrachten beträchtliche Zeit mit der Diskussion ihrer kürzlich gemachten Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Gebet und seiner Beantwortung. Sie erinnerten sich alle an Jesu Erklärung in Philadelphia gegenüber dem Boten, als er eindeutig sagte: "Diese Krankheit führt nicht wirklich zum Tode." Und trotz dieses Versprechens starb Lazarus tatsächlich. Den ganzen Tag über kamen sie immer wieder auf diese Frage der Beantwortung des Gebets zu sprechen. Jesu Antworten auf ihre vielen Fragen können wie folgt zusammengefasst werden: 1. Das Gebet ist Ausdruck des endlichen Verstandes in seinem Bemühen, sich dem Unendlichen zu nähern. Die Formulierung eines Gebets muss deshalb durch das Wissen, die Weisheit und die Attribute des Endlichen beschränkt sein; ebenso muss die Antwort durch die Sichtweise, die Ziele, Ideale und Prärogativen des Unendlichen bedingt sein. Nie kann eine ununterbrochene Kontinuität materieller Phänomene zwischen einer Gebetsformulierung und dem Empfang der ganzen darauf erteilten geistigen Antwort beobachtet werden. 2. Wenn ein Gebet scheinbar unbeantwortet bleibt, bedeutet der Aufschub oft eine bessere Antwort, wenn auch eine, die aus irgendeinem guten Grunde stark hinausgeschoben wird. Als Jesus sagte, die Krankheit von Lazarus führe nicht wirklich zum Tode, war er schon seit elf Stunden tot. Keinem aufrichtigen Gebet wird eine Antwort verwehrt, außer der höhere Gesichtspunkt der geistigen Welt hat eine bessere Antwort ersonnen, eine Antwort, die die Bitte des Geistes des Menschen erhört im Unterschied zum Gebet des bloßen Verstandes des Menschen. 3. Wenn die zeitlichen Gebete vom Geist verfasst und im Glauben gesprochen werden, sind sie oft so weit und allumfassend, dass ihnen erst in der Ewigkeit eine Antwort zuteil werden kann; die endliche Bitte ist manchmal mit einer derartigen Sehnsucht nach dem Unendlichen befrachtet, dass die Antwort lange hinausgeschoben werden muss, um abzuwarten, bis eine angemessene Fähigkeit, sie zu empfangen, geschaffen ist; möglicherweise ist ein Gebet des Glaubens so allumfassend, dass die Antwort darauf erst im Paradies empfangen werden kann. 4. Die Antworten auf die Gebete des sterblichen Verstandes sind oft von solcher Art, dass sie erst empfangen und erkannt werden können, wenn der betreffende betende Verstand den unsterblichen Status erreicht hat. Den Gebeten eines materiellen Wesens kann oft erst entsprochen werden, wenn es zur Geistebene fortgeschritten ist. 5. Das Gebet eines Menschen, der Gott kennt, kann durch Unwissenheit so verzerrt und durch Aberglauben so entstellt werden, dass seine Beantwortung höchst unerwünscht wäre. In diesem Fall müssen die vermittelnden Geistwesen ein solches Gebet anders ausdrücken, so dass, wenn die Antwort darauf kommt, der Bittsteller außerstande ist, sie als Antwort auf sein Gebet zu erkennen. 6. Alle wahren Gebete richten sich an geistige Wesen, und allen solchen Bitten muss in geistigem Sinne entsprochen werden, und alle diese Antworten müssen aus geistigen Realitäten bestehen. Geistwesen können auf die geistigen Bitten von Wesen, auch wenn diese materiell sind, keine materiellen Antworten geben. Materielle Wesen können nur wirkungsvoll beten, wenn sie "im Geiste beten". 7. Kein Gebet kann auf eine Antwort hoffen, es sei denn aus dem Geiste geboren und vom Glauben genährt. Euer aufrichtiger Glaube schließt ein, dass ihr den Empfängern eurer Gebete faktisch schon im Voraus das volle Recht zugestanden habt, auf eure Bitten mit jener höchsten Weisheit und göttlichen Liebe zu antworten, die die Wesen, zu denen ihr betet, eurem Glauben nach stets zum Handeln bewegen. 8. Das Kind ist immer in seinem Recht, wenn es sich erlaubt, eine Bitte an seine Eltern zu richten; und die Eltern bleiben immer im Rahmen ihrer elterlichen Verpflichtungen gegenüber dem unreifen Kind, wenn ihre höhere Weisheit ihnen gebietet, die Antwort auf das kindliche Gebet zu verschieben, abzuändern, aufzuteilen, einzuschränken, zu überschreiten oder auf ein späteres Stadium des geistigen Aufstiegs zu verlegen. 9. Zögert nicht, Gebete geistiger Sehnsucht zu sprechen; zweifelt nicht daran, dass ihr auf eure Bitten Antwort erhalten werdet. Diese Antworten werden aufbewahrt und warten darauf, dass ihr auf dieser oder anderen Welten jene zukünftigen geistigen Ebenen wirklich kosmischer Vollbringung erreicht, auf denen es euch möglich sein wird, die seit langem wartenden Antworten auf eure einstigen, aber verfrühten Bitten zu erkennen und sie euch zu eigen zu machen. 10. Alle echten, aus dem Geiste geborenen Bitten können einer Antwort sicher sein. Bittet, und ihr werdet empfangen. Aber ihr solltet daran denken, dass ihr in Zeit und Raum fortschreitende Geschöpfe seid; deshalb müsst ihr hinsichtlich eures persönlichen Empfangs der vollen Antworten auf eure vielfältigen Gebete und Bitten stets mit dem Zeit-Raumfaktor rechnen. ***** 168.5 Was aus Lazarus wurde ***** Lazarus blieb in seinem Haus in Bethanien und stand im Mittelpunkt des Interesses vieler aufrichtig Glaubender und zahlreicher Neugieriger, bis er in der Woche der Kreuzigung Jesu die Warnung erhielt, der Sanhedrin habe seinen Tod verfügt. Die Führer der Juden waren entschlossen, der weiteren Ausbreitung von Jesu Lehren Einhalt zu gebieten, und sie überlegten sehr richtig, dass es zwecklos wäre, Jesus zu töten, wenn sie Lazarus, der den Höhepunkt der Wundertaten Jesu verkörperte, leben und die Tatsache bezeugen ließen, dass Jesus ihn von den Toten auferweckt hatte. Bereits hatte Lazarus unter ihrer erbitterten Verfolgung zu leiden gehabt. Und so nahm Lazarus in Bethanien eilends von seinen Schwestern Abschied, floh durch Jericho und über den Jordan und gönnte sich kaum Ruhepausen, bevor er Philadelphia erreicht hatte. Lazarus kannte Abner gut, und hier fühlte er sich vor den mörderischen Intrigen des verruchten Sanhedrins sicher. Bald danach verkauften Martha und Maria ihren Grundbesitz in Bethanien und gingen zu ihrem Bruder in Peräa. Dieser war mittlerweile Schatzmeister der Kirche von Philadelphia geworden. Er wurde zu einer starken Stütze Abners in dessen Auseinandersetzung mit Paulus und der Kirche von Jerusalem und starb schließlich mit siebenundsechzig Jahren an derselben Krankheit, die ihn als jüngeren Mann in Bethanien dahingerafft hatte. ****** Kapitel 169 Letzte Unterweisung in Pella ****** AM Montag, dem 6. März, langte Jesus mit den zehn Aposteln spätabends im Lager von Pella an. Dies war die letzte Woche seines dortigen Aufenthaltes, und er widmete sich sehr aktiv der Unterweisung der Menge und der Ausbildung der Apostel. Jeden Nachmittag predigte er zu den Massen und jeden Abend beantwortete er Fragen der Apostel und gewisser fortgeschrittenerer Jünger, die im Lager wohnten. Die Kunde von der Auferweckung des Lazarus hatte zwei Tage vor des Meisters Ankunft das Lager erreicht, und all die Versammelten waren äußerst gespannt. Seit der Speisung der Fünftausend hatte sich nichts ereignet, das die Einbildungskraft der Leute derart erregt hätte. Und so beschloss Jesus auf dem Höhepunkt der zweiten Phase der öffentlichen Verkündigung des Königreichs, während dieser einen kurzen Woche in Pella zu lehren und danach die Rundreise durch Südperäa anzutreten, die direkt zu den abschließenden und tragischen Geschehnissen der letzten Woche in Jerusalem führen sollte. Die Pharisäer und höchsten Priester hatten begonnen, ihre Anklagen zu formulieren und ihre Anschuldigungen zu präzisieren. Aus folgenden Gründen erhoben sie gegen des Meisters Lehren Protest: 1. Er ist ein Freund von Zöllnern und Sündern; er empfängt die Gottlosen und setzt sich sogar mit ihnen zu Tisch. 2. Er ist ein Gotteslästerer; er spricht von Gott als seinem Vater und denkt, er sei Gott ebenbürtig. 3. Er ist ein Gesetzesbrecher. Er heilt am Sabbat Krankheiten und verspottet in manch anderer Weise das heilige Gesetz Israels. 4. Er steht mit Teufeln im Bunde. Er wirkt Wunder und scheinbare Mirakel durch die Macht Beelzebubs, des Teufelsfürsten. ***** 169.1 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ***** Am Donnerstagnachmittag sprach Jesus zu der Menge über die "Gnade der Errettung". Im Laufe dieser Predigt erzählte er einmal mehr die Geschichte vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Münze und fügte dann sein Lieblingsgleichnis vom verlorenen Sohn an. Jesus sagte: "Die Propheten von Samuel bis Johannes haben euch ermahnt, Gott zu suchen - nach Wahrheit zu forschen. Sie haben immer gesagt: `Sucht den Herrn, solange ihr ihn finden könnt.' Alle derartigen Unterweisungen sollte man sich zu Herzen nehmen. Aber ich bin gekommen, um euch zu zeigen, dass, während ihr Gott zu finden versucht, Gott euch ebenfalls zu finden versucht. Viele Male habe ich euch die Geschichte vom guten Hirten erzählt, der die neunundneunzig Schafe seiner Herde verließ, um sich auf die Suche nach dem einen zu machen, das sich verlaufen hatte, und der dann das verirrte Schaf, als er es gefunden hatte, auf seine Schultern lud und es liebevoll zur Herde zurücktrug. Und ihr erinnert euch, dass, nachdem das verlorene Schaf zu der Herde zurückgebracht worden war, der gute Hirte seine Freunde zusammenrief und sie einlud, sich mit ihm über das wiedergefundene Schaf zu freuen, das sich verirrt hatte. Wiederum sage ich, im Himmel herrscht größere Freude über einen einzigen reuigen Sünder als über neunundneunzig Gerechte, die nichts zu bereuen haben. Die Tatsache, dass Seelen sich verirrt haben, verstärkt nur noch das Interesse des himmlischen Vaters. Ich bin in diese Welt gekommen, um meines Vaters Gebot auszuführen, und man hat zu Recht vom Menschensohn gesagt, er sei ein Freund von Zöllnern und Sündern. Man hat euch gelehrt, Gott nehme euch erst nach eurer Reue und zufolge all eurer Opfer- und Bußhandlungen an, aber ich versichere euch, dass der Vater euch schon annimmt, noch bevor ihr reuig geworden seid, und den Sohn und seine Mitarbeiter aussendet, um euch zu finden und euch mit Freude zur Herde zurückzubringen, ins Königreich der Sohnschaft und des geistigen Fortschritts. Ihr seid alle wie Schafe, die vom Wege abgeirrt sind, und ich bin gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten. Und ihr solltet ebenfalls an die Geschichte jener Frau denken, die als Schmuck ein aus zehn Silbermünzen gefertigtes Halsband besaß und eine davon verlor. Sie zündete darauf die Lampe an, kehrte fleißig das Haus und gab die Suche nicht eher auf, als bis sie das verlorene Silberstück gefunden hatte. Und sobald sie die verlorene Münze gefunden hatte, rief sie ihre Freunde und Nachbarn herbei und sagte: `Freut euch mit mir, denn ich habe das verlorene Geldstück wieder gefunden.' So sage ich wiederum, es herrscht stets Freude bei den Engeln des Himmels über einen einzigen Sünder, der Reue zeigt und zu des Vaters Herde zurückkehrt. Und ich erzähle euch diese Geschichte, um euch einzuprägen, dass der Vater und sein Sohn sich auf die Suche nach denjenigen machen, die sich verirrt haben; und bei dieser Suche setzen wir alle Einflüsse ein, die uns bei unseren eifrigen Bemühungen hilfreich sein können, die Verlorenen und der Rettung Bedürftigen zu finden. Und so geht der Menschensohn nicht nur in die Wüste hinaus, um das vom Weg abgeirrte Schaf zu suchen, sondern er sucht auch nach der Münze, die im Hause abhanden gekommen ist. Das Schaf entfernt sich unabsichtlich; die Münze wird vom Staub der Zeit zugedeckt und liegt unter den Dingen verborgen, die der Mensch anhäuft. Und jetzt möchte ich euch die Geschichte von dem unbesonnenen Sohn eines wohlhabenden Bauern erzählen, der seines Vaters Haus willentlich verließ und sich in ein fremdes Land begab, wo ihm viel Widerwärtiges zustieß. Ihr erinnert euch daran, dass das Schaf ohne Absicht in die Irre ging, aber dieser Jüngling verließ sein Heim mit Vorbedacht. Das trug sich folgendermaßen zu: Ein Mann besaß zwei Söhne; der eine, jüngere, war unbeschwert und sorglos, trachtete immer danach, sich zu vergnügen und drückte sich vor Verantwortung, während sein älterer Bruder ernsthaft und sachlich war, hart arbeitete und gewillt war, Verantwortung zu tragen. Nun, diese beiden Brüder vertrugen sich nicht gut; sie stritten und zankten sich dauernd. Der jüngere Bursche war fröhlich und lebhaft, aber träge und unzuverlässig; der ältere Sohn war solide und fleißig, aber zugleich egozentrisch, mürrisch und eingebildet. Der jüngere Sohn liebte es zu spielen, aber mied die Arbeit; der ältere gab sich ganz der Arbeit hin und spielte selten. Das Zusammenleben wurde derart unangenehm, dass der jüngere Sohn zum Vater kam und sagte: `Vater, gib mir den dritten Teil deines Besitzes, der mir zufallen würde, und erlaube mir, in die Welt hinauszuziehen und mein Glück zu versuchen.' Und als der Vater, der wusste, wie unglücklich der junge Mann zu Hause mit seinem älteren Bruder war, diese Bitte hörte, teilte er seinen Besitz auf und gab dem Jüngling seinen Anteil. Innerhalb weniger Wochen raffte der junge Mann all sein Geld zusammen und begab sich auf die Reise in ein fernes Land. Da er keine einträgliche Arbeit fand, die zugleich auch vergnüglich gewesen wäre, brachte er in kurzer Zeit sein ganzes Erbe in zügellosem Lebenswandel durch. Und als er alles ausgegeben hatte, brach in jenem Land eine lang andauernde Hungersnot aus und stürzte ihn ins Elend. Und dann, als er Hunger litt und seine Not groß war, fand er eine Beschäftigung bei einem Bewohner jenes Landes, der ihn auf die Felder sandte, um die Schweine zu füttern. Und der junge Mann wäre glücklich gewesen, sich an den Schoten satt zu essen, die die Schweine fraßen, aber niemand wollte ihm etwas geben. Eines Tages, als er sehr hungrig war, ging er in sich und sagte: `Wie viele angeworbene Knechte meines Vaters haben mehr als genug Brot zu essen, während ich hier vor Hunger schier umkomme und in diesem fremden Land Schweine füttere! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen, und ich will zu ihm sagen: Vater, ich habe gegen den Himmel und gegen dich gesündigt. Ich bin es nicht länger wert, dein Sohn zu heißen; willige bloß ein, mich zu einem deiner angeworbenen Knechte zu machen.' Und nachdem der junge Mann zu diesem Entschluss gelangt war, erhob er sich und machte sich auf den Weg nach dem Hause seines Vaters. Unterdessen hatte der Vater wegen seines Sohnes großen Kummer gelitten; er hatte den fröhlichen, wenn auch unbesonnenen Jungen vermisst. Dieser Vater liebte seinen Sohn und hielt stets nach dessen Heimkehr Ausschau, so dass an dem Tag, als dieser sich dem Hause näherte, der Vater ihn sogar schon sah, als er noch weit entfernt war. Und Liebe und Mitleid trieben ihn, ihm entgegenzueilen, und zur Begrüßung schloss er ihn liebevoll in seine Arme und küsste ihn. Und nachdem sie sich so wieder gefunden hatten, schaute der Sohn auf in das tränennasse Gesicht seines Vaters und sagte: `Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin es nicht mehr wert, ein Sohn genannt zu werden' - aber der Jüngling konnte seine Beichte nicht zu Ende sprechen, da der überglückliche Vater zu den mittlerweile herbeigeeilten Dienern sagte: `Bringt schnell sein bestes Gewand herbei, dasjenige, das ich aufbewahrt habe, und zieht es ihm an, und steckt den Sohnesring an seinen Finger, und holt Sandalen für seine Füße.' Und dann führte der glückliche Vater den müden Jungen, dessen Füße wund waren, ins Haus und rief seinen Dienern zu: `Bringt das gemästete Kalb und schlachtet es, und lasst uns essen und fröhlich sein, denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig; er war verloren und ist wieder gefunden.' Und sie versammelten sich alle um den Vater, um sich mit ihm über die Heimkehr seines Sohnes zu freuen. Und während sie feierten, kehrte der ältere Sohn von seinem Tagewerk auf dem Feld zurück, und als er sich dem Hause näherte, hörte er Musik und Tanzen. Beim hinteren Eingang angelangt, rief er einen Diener heraus und fragte ihn, was diese ganze Festlichkeit zu bedeuten habe. Da sagte der Diener: `Dein lange vermisster Bruder ist nach Hause zurückgekehrt, und dein Vater hat das Mastkalb geschlachtet, um sich über den heil zurückgekehrten Sohn zu freuen. Komm herein, um deinen Bruder ebenfalls zu begrüßen und ihn wieder daheim in deines Vaters Haus willkommen zu heißen.' Aber als der ältere Bruder das hörte, war er derart verletzt und ungehalten, dass er das Haus nicht betreten wollte. Als der Vater vernahm, dass er über den seinem jüngeren Bruder bereiteten Empfang aufgebracht war, ging er zu ihm hinaus, um ihn dringend hereinzubitten. Aber der ältere Sohn blieb gegenüber den Versuchen seines Vaters, ihn umzustimmen, unnachgiebig und antwortete ihm: `All diese Jahre hindurch habe ich dir gedient und nie gegen den geringsten deiner Befehle verstoßen, und dennoch hast du mir nicht wenigstens einmal ein Zicklein gegeben, um mit meinen Freunden fröhlich zu sein. All diese Jahre bin ich hier geblieben, um für dich zu sorgen, und nie hast du wegen meines treuen Dienstes feiern lassen, aber wenn dieser dein Sohn zurückkehrt, nachdem er dein Gut mit Huren verprasst hat, beeilst du dich, das Mastkalb zu töten und für ihn ein Fest zu geben.' "Da der Vater seine beiden Söhne wahrhaftig liebte, versuchte er, dem älteren gut zuzureden: `Aber, mein Sohn, du warst die ganze Zeit bei mir, und alles, was ich besitze, gehört auch dir. Jederzeit hättest du ein Zicklein haben können, wenn du dir Freunde gemacht hättest, um mit ihnen fröhlich zu sein. Aber es ist nur natürlich, wenn du jetzt mein Glück und meine Fröhlichkeit über deines Bruders Rückkehr teilst. Denke daran, mein Sohn, dein Bruder war verloren und ist wiedergefunden worden; er ist lebendig zu uns zurückgekehrt!' " Dies war eines der rührendsten und wirkungsvollsten Gleichnisse, die Jesus je vortrug, um seinen Hörern einzuprägen, dass der Vater stets bereit ist, alle zu empfangen, die Einlass ins Königreich begehren. Jesus erzählte diese drei Geschichten besonders gern zu gleicher Zeit. Mit der Erzählung des Gleichnisses vom verlorenen Schaf wollte er zeigen, dass, wenn Menschen unabsichtlich vom Pfad des Lebens abkommen, der Vater sich um die so Verlorenen kümmert und mit seinen Söhnen, den wahren Hirten der Herde, auf die Suche nach dem verlorenen Schaf geht. Hierauf pflegte er die Geschichte von der im Hause verlorenen Münze zu erzählen, um zu veranschaulichen, wie gründlich die göttliche Suche nach allen ist, die zufolge der materiellen Sorgen und Anhäufungen des Lebens verwirrt, ratlos oder sonstwie geistig blind geworden sind. Und danach ging er jeweils zur Erzählung dieses Gleichnisses vom verlorenen Sohn über, vom Empfang des heimkehrenden Verschwenders, um klarzumachen, wie vollständig die Rehabilitierung des verlorenen Sohnes im Hause und im Herzen seines Vaters ist. Viele, viele Male während seiner Jahre des Lehrens erzählte Jesus nimmermüde diese Geschichte vom verschwenderischen Sohn. Dieses Gleichnis und die Geschichte vom guten Samariter waren seine bevorzugten Mittel, um die Liebe des Vaters und die Nächstenliebe der Menschen zu lehren. ***** 169.2 Das Gleichnis vom schlauen Verwalter ***** Sich auf eine Äußerung Jesu beziehend, sagte Simon Zelotes eines Abends: "Meister, was meintest du, als du heute sagtest: `Viele Kinder der Welt sind weiser als ihre Zeitgenossen, die Kinder des Königreichs, da sie sich darauf verstehen, sich mit dem ungerechten Mammon anzufreunden'?" Jesus antwortete: "Bevor einige von euch ins Königreich eintraten, waren sie im Umgang mit ihren Geschäftspartnern sehr schlau. Wenn ihr auch ungerecht und oft unfair wart, so wart ihr doch vorsichtig und vorausblickend, indem ihr bei der Abwicklung eurer Geschäfte allein euren gegenwärtigen Profit und eure zukünftige Sicherheit im Auge hattet. Desgleichen solltet ihr jetzt euer Leben im Königreich so einrichten, dass ihr für eure gegenwärtige Freude sorgt und zugleich eure künftige Freude an den im Himmel angelegten Schätzen sicherstellt. Wart ihr schon so eifrig auf euren Gewinn bedacht, als ihr euch selber dientet, warum solltet ihr weniger Eifer zeigen, dem Königreich Seelen zu gewinnen, jetzt, da ihr Diener der Bruderschaft der Menschen und Gottes Verwalter seid? Ihr könnt alle eine Lehre aus der Geschichte eines reichen Mannes ziehen, der einen gewitzten, aber ungerechten Verwalter besaß. Dieser hatte nicht nur seines Meisters Kunden selbstsüchtig zur eigenen Bereicherung bedrängt, sondern auch direkt die Gelder seines Herrn verschwendet und vertan. Als dies schließlich seinem Meister zu Ohren kam, rief er den Verwalter zu sich und fragte, was diese Gerüchte zu bedeuten hätten, und verlangte, dass er ihm unverzüglich über seine Verwaltung Rechenschaft ablege und Maßnahmen treffe, um seines Meisters Angelegenheiten einem anderen zu übergeben. Da begann der ungetreue Verwalter zu sich zu sagen: `Was soll ich tun, da ich in Kürze mein Verwalteramt verlieren werde? Den Boden umzugraben, bin ich nicht kräftig genug, und ich schäme mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun werde, um sicherzustellen, nach dem Verlust meiner Verwalterstelle in den Häusern all derer, die mit meinem Meister Geschäfte treiben, willkommen zu sein.' Darauf rief er die Schuldner seines Herrn einen nach dem anderen herein und sagte zum ersten: `Wie viel schuldest du meinem Meister?' Er antwortete: `Hundert Maß Öl'. Da sagte der Verwalter: `Nimm deine Wachstafel mit den Schulden, setz dich schnell hin und ändere die Zahl in fünfzig um.' Dann sagte er zu einem anderen Schuldner: `Wie viel schuldest du?' Und er antwortete: `Hundert Maß Weizen'. Da sagte der Verwalter: `Nimm deine Urkunde und schreib achtzig.' Und so verfuhr er mit zahlreichen anderen Schuldnern. Auf diese Weise versuchte sich dieser unehrliche Verwalter Freunde zu machen für die Zeit nach der Entlassung aus seinem Amt. Als sein Herr und Meister dies später herausfand, war sogar er gezwungen zuzugeben, dass sein ungetreuer Verwalter wenigstens in der Art, wie er für künftige Tage der Not und des Unglücks vorzusorgen versuchte, Scharfsinn an den Tag gelegt hatte. Und so beweisen die Söhne dieser Welt manchmal bei der Vorbereitung auf die Zukunft größere Umsicht als die Kinder des Lichts. Ich sage euch, die ihr beteuert, euch einen Schatz im Himmel anzulegen: Nehmt euch ein Beispiel an denen, die sich mit dem ungerechten Mammon anfreunden, und führt euer Leben ebenfalls so, dass ihr auf ewig mit den Kräften der Rechtschaffenheit Freundschaft schließt, um einmal, wenn alles Irdische zu Ende gegangen ist, in den himmlischen Wohnungen freudig empfangen zu werden. Ich bekräftige, dass, wer im Kleinen treu ist, auch im Großen treu sein wird. Wer aber im Kleinen Unrecht tut, wird auch im Großen Unrecht tun. Wenn ihr in den weltlichen Dingen nicht vorausschauend und unbescholten gewesen seid, wie könnt ihr dann hoffen, treu und besonnen zu sein, wenn ihr mit der Verwaltung der wahren Reichtümer des himmlischen Königreichs betraut werdet? Wenn ihr keine guten Verwalter und gewissenhaften Finanzleute seid, wenn ihr mit dem Gut anderer treulos umgegangen seid, wer wird dann so töricht sein, Euch auf euren Namen hin einen großen Schatz anzuvertrauen? "Und wiederum erkläre ich, dass niemand zwei Herren dienen kann. Entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen." Als die anwesenden Pharisäer das hörten, begannen sie zu hohnlächeln und zu spötteln, da sie stark am Erwerb von Reichtum hingen. Diese unfreundlichen Zuhörer versuchten, Jesus in eine unfruchtbare Diskussion zu verstricken, aber er lehnte es ab, mit seinen Feinden zu debattieren. Als die Pharisäer aneinander gerieten, zogen ihre lauten Stimmen einen großen Teil der nahen Lagerbewohner an, und angesichts des zunehmenden Streits zog sich Jesus zurück und begab sich für die Nacht in sein Zelt. ***** 169.3 Der Reiche und der Bettler ***** Als die Versammlung zu laut wurde, stand Simon Petrus auf und nahm die Sache in die Hand, indem er sagte: "Männer und Brüder, es ist nicht schicklich, so miteinander zu streiten. Der Meister hat gesprochen, und ihr tut gut daran, über seine Worte nachzudenken. Was er euch verkündet hat, ist keine neue Lehre. Habt ihr das Gleichnis der Nasiräer vom Reichen und vom Bettler nicht auch schon gehört? Einige von uns haben Johannes den Täufer mit diesem warnenden Gleichnis gegen jene donnern hören, die den Reichtum lieben und nach unrechtmäßig erworbenen Gütern trachten. Und obwohl dieses alte Gleichnis nicht gemäß dem Evangelium ist, das wir verkünden, würdet ihr alle guttun, seine Lehre zu beherzigen, bis die Zeit kommt, da ihr das neue Licht des Königreichs des Himmels begreift. Und dies ist die Geschichte, wie Johannes sie erzählte: "Es gab da einen reichen Mann, Dives mit Namen, der sich in Purpur und feines Linnen kleidete und jeden Tag herrlich und in Freuden lebte. Und da war auch ein Bettler, der Lazarus hieß und vor der Pforte des reichen Mannes lag. Er war mit Wunden übersät und bat darum, sich von den Krumen ernähren zu dürfen, die von des reichen Mannes Tisch fielen; ja, sogar die Hunde kamen und leckten seine Wunden. Und es begab sich, dass der Bettler starb und die Engel ihn zur Ruhe in Abrahams Schoß hinwegtrugen. Und bald darauf verstarb auch der Reiche und wurde mit großem Pomp und fürstlicher Pracht beigesetzt. Nach seinem Hinschied aus dieser Welt erwachte der Reiche im Hades, wo er Qualen litt. Als er aufblickte, sah er in der Ferne Abraham und in seinem Schoß Lazarus. Da rief Dives mit lauter Stimme: `Vater Abraham, erbarme dich meiner und schicke mir Lazarus herüber, damit er seine Fingerspitze ins Wasser tauche, um meine Zunge zu kühlen, denn ich bin wegen meiner Bestrafung in großer Pein.' Da antwortete Abraham: `Mein Sohn, du solltest dich zurückerinnern, dass du dich zu Lebzeiten ebenso sehr der guten Dinge erfreutest, wie Lazarus Schlimmes erlitt. Aber jetzt ist alles anders, denn Lazarus wird getröstet, während du gepeinigt wirst. Und zudem liegt zwischen uns und dir ein großer Abgrund, so dass wir weder zu dir gelangen können, noch du zu uns.' Da sprach Dives zu Abraham: `Ich bitte dich, Lazarus zum Haus meines Vaters zurückzuschicken, zumal ich noch fünf Brüder habe, und vor ihnen Zeugnis abzulegen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual gelangen.' Abraham jedoch sprach: `Mein Sohn, sie haben Moses und die Propheten; mögen sie auf diese hören.' Und Dives antwortete: `Nein, nein, Vater Abraham! Nur wenn einer aus dem Totenreich zu ihnen kommt, werden sie Buße tun.' Da sagte Abraham: `Wenn sie nicht auf Moses und die Propheten hören, wird auch ein von den Toten Auferstandener sie nicht überzeugen.' " Nachdem Petrus dieses alte Gleichnis der Bruderschaft der Nasiräer erzählt und sich die Menge wieder beruhigt hatte, erhob sich Andreas und entließ die Leute für die Nacht. Obgleich sowohl die Apostel wie seine Jünger Jesus oft Fragen zum Gleichnis von Dives und Lazarus stellten, fand er sich nie zu einem Kommentar bereit. ***** 169.4 Der Vater und sein Reich ***** Jesus hatte immer Mühe, seinen Aposteln begreiflich zu machen, dass, obwohl sie die Errichtung des Königreichs Gottes verkündigten, der Vater im Himmel kein König ist. Zur Zeit, da Jesus als Mensch auf Erden lebte und lehrte, kannten die Völker Urantias meist nur Könige und Kaiser als Herrscher über die Nationen, und die Juden hatten seit langem das Kommen des Königreichs Gottes erwartet. Aus diesen und anderen Gründen fand der Meister es am besten, die geistige Bruderschaft der Menschen als Königreich des Himmels und das geistige Haupt dieser Bruderschaft als den Vater im Himmel zu bezeichnen. Nie bezog sich Jesus auf seinen Vater als einen König. In seinen vertraulichen Gesprächen mit den Aposteln sprach er von sich selbst immer als vom Menschensohn und als von ihrem älteren Bruder. Er bezeichnete alle seine Anhänger als Diener der Menschheit und Botschafter des Evangeliums vom Königreich. Jesus gab seinen Aposteln nie eine systematische Lektion über die Persönlichkeit und die Eigenschaften des Vaters im Himmel. Er forderte die Menschen nie auf, an seinen Vater zu glauben; er hielt es für selbstverständlich, dass sie dies taten. Jesus setzte sich nie selber herab, indem er Argumente zum Beweis der Realität des Vaters vorbrachte. Seine den Vater betreffende Unterweisung konzentrierte sich immer auf die Erklärung, dass er und der Vater eins sind; dass, wer den Sohn gesehen hat, den Vater gesehen hat; dass der Vater, wie der Sohn, alles weiß; dass nur der Sohn den Vater wirklich kennt und derjenige, dem der Sohn ihn offenbaren will; dass, wer den Sohn kennt, auch den Vater kennt; und dass der Vater ihn in die Welt gesandt hat, um ihre vereinigten Naturen zu offenbaren und den Menschen ihr gemeinsames Werk vor Augen zu führen. Er gab über seinen Vater nie andere Erklärungen ab außer gegenüber der Frau aus Samaria am Jakobsbrunnen, als er ihr erklärte: "Gott ist Geist." Kenntnis von Gott wird euch durch Jesus zuteil, wenn ihr die Göttlichkeit seines Lebens betrachtet und nicht, indem ihr euch auf seine Lehren beruft. Ein jeder von euch mag sich vom Leben des Meisters her jene Vorstellung von Gott aneignen, die dem Grad seiner Fähigkeit entspricht, geistige und göttliche Realitäten, echte und ewige Wahrheiten zu erkennen. Das Endliche kann nie hoffen, das Unendliche zu verstehen, außer als sich das Unendliche in der Zeit-Raum-Persönlichkeit Jesu von Nazareth verdichtete, der die endliche Erfahrung des menschlichen Lebens machte. Jesus wusste sehr wohl, dass man Gott nur durch die Realitäten der Erfahrung kennen kann; nie kann er durch bloße verstandesmäßige Unterweisung begriffen werden. Jesus lehrte seine Apostel, dass sie Gott zwar niemals ganz verstehen, aber mit Sicherheit kennen könnten, gerade so, wie sie den Menschensohn gekannt hatten. Ihr könnt Gott nicht kennen, weil ihr versteht, was Jesus sagte, sondern weil ihr wisst, was Jesus war. Jesus war eine Offenbarung Gottes. Außer wenn er aus den hebräischen Schriften zitierte, bezog sich Jesus immer nur unter zwei Namen auf die Gottheit: Gott und Vater. Und wenn sich der Meister auf seinen Vater als Gott bezog, gebrauchte er gewöhnlich das hebräische Wort, das den pluralen Gott (die Trinität) bezeichnete, und nicht das Wort Jahwe, das für die sich entwickelnde Vorstellung vom Stammesgott der Juden stand. Jesus nannte den Vater nie König, und er bedauerte es außerordentlich, dass die jüdische Hoffnung auf ein wiederhergestelltes Königreich und die Verkündigung eines kommenden Königreichs durch Johannes ihn dazu zwangen, seine geplante geistige Bruderschaft Königreich des Himmels zu nennen. Mit der einzigen Ausnahme - der Erklärung "Gott ist Geist" - bezog sich Jesus auf die Gottheit nie anders als in Ausdrücken, die seine eigene, persönliche Beziehung mit dem Ersten Zentralen Ursprung des Paradieses beschrieben. Jesus gebrauchte das Wort Gott, um die Idee der Gottheit, und das Wort Vater, um die Erfahrung, Gott zu kennen, zu bezeichnen. Wenn das Wort Vater gebraucht wird, um Gott zu bezeichnen, sollte man es in seiner weitestmöglichen Bedeutung verstehen: Das Wort Gott kann nicht definiert werden und steht infolgedessen für die unendliche Vorstellung vom Vater, während der Ausdruck Vater, der sich teilweise definieren lässt, zur Beschreibung der menschlichen Vorstellung vom göttlichen Vater in seiner Beziehung zum Menschen während dessen sterblicher Existenz angewendet werden kann. Für die Juden war Elohim der Gott der Götter, während Jahwe der Gott Israels war. Jesus akzeptierte das Elohim-Konzept und nannte diese Gruppe höchster Wesen Gott. Anstelle der Vorstellung von Jahwe, der Gottheit der Rasse, führte er die Idee der Vaterschaft Gottes und der weltumspannenden Bruderschaft der Menschen ein. Er hob die Jahwe-Vorstellung von einem vergöttlichten Vater der Rasse zur Idee eines Vaters aller Menschenkinder, eines göttlichen Vaters jedes einzelnen Gläubigen empor. Und er lehrte überdies, dass dieser Gott der Universen und dieser Vater aller Menschen ein und dieselbe Gottheit des Paradieses sind. Jesus erhob nie den Anspruch, eine Manifestation von Elohim (Gott) in Menschengestalt zu sein. Er erklärte nie, er sei eine Offenbarung Elohims (Gottes) an die Welten. Er lehrte nie, dass, wer ihn gesehen habe, Elohim (Gott) gesehen habe. Aber er verkündigte sich selber als Offenbarung des Vaters in Menschengestalt und sagte in der Tat, dass, wer ihn gesehen habe, den Vater gesehen habe. Als göttlicher Sohn beanspruchte er, einzig den Vater zu repräsentieren. In der Tat war er auch der Sohn des Gottes Elohim; aber in der Gestalt eines Sterblichen und für die sterblichen Söhne Gottes beschränkte er seine Lebensoffenbarung auf die Porträtierung des Wesens seines Vaters im Rahmen der Fähigkeit des sterblichen Menschen, eine solche Offenbarung zu verstehen. Was das Wesen der anderen Personen der Trinität des Paradieses anbelangt, müssen wir uns mit der Lehre begnügen, dass sie jenem Vater vollkommen gleichen, dessen persönliches Porträt im Leben seines inkarnierten Sohnes, Jesu von Nazareth, offenbart worden ist. Obwohl Jesus in seinem Erdenleben die wahre Natur des himmlischen Vaters offenbarte, lehrte er nur weniges über ihn. Eigentlich lehrte er lediglich zwei Dinge: dass Gott in seinem Wesen Geist ist und dass er in allem, was seine Beziehungen zu seinen Geschöpfen betrifft, ein Vater ist. An diesem Abend äußerte sich Jesus abschließend über seine Beziehung zu Gott, als er erklärte: "Ich bin aus dem Vater hervorgegangen, und ich bin in die Welt gekommen; und ich werde die Welt wieder verlassen und zum Vater zurückkehren." Aber wohlgemerkt! Jesus sagte nie: "Wer mich gehört hat, hat Gott gehört." Sondern er sagte: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen." Jesu Lehre zu hören, ist nicht gleichbedeutend damit, Gott zu kennen, aber Jesus zu sehen ist eine Erfahrung, die in sich selber eine Offenbarung des Vaters an die Seele ist. Der Gott der Universen regiert die gewaltige Schöpfung, aber der Vater im Himmel ist es, der seinen Geist aussendet, um eurem Verstand innezuwohnen. Jesus ist das geistige Objektiv in Menschengestalt, das dem materiellen Geschöpf Ihn, den Unsichtbaren, sichtbar macht. Er ist euer älterer Bruder, der, inkarniert, euch mit einem Wesen bekannt macht, das mit unendlichen Attributen ausgestattet ist und das ganz zu begreifen sich nicht einmal die himmlischen Heerscharen anmaßen. Aber all das muss persönliche Erfahrung des individuellen Gläubigen sein. Gott, der Geist ist, kann nur als eine geistige Erfahrung gekannt werden. Gott kann den endlichen Söhnen der materiellen Welten durch den göttlichen Sohn der geistigen Reiche nur als ein Vater offenbart werden. Ihr könnt den Ewigen als einen Vater kennen; ihr könnt ihn anbeten als den Gott der Universen, den unendlichen Schöpfer aller Existenzen. ****** Kapitel 170 Das Königreich des Himmels ****** AM Samstag, dem 11. März nachmittags hielt Jesus seine letzte Predigt in Pella. Sie war eine der bemerkenswertesten Ansprachen seines öffentlichen Wirkens und hatte eine vollständige und erschöpfende Abhandlung über das Königreich des Himmels zum Inhalt. Er war sich der Verwirrung bewusst, die in den Köpfen seiner Apostel und Jünger hinsichtlich Sinn und Bedeutung der Begriffe "Königreich des Himmels" und "Königreich Gottes" herrschte, die er austauschbar zur Bezeichnung seiner Mission der Selbsthingabe verwendete. Obwohl der Begriff Königreich des Himmels an sich hätte genügen sollen, das, wofür er stand, von aller Verbindung mit irdischen Königreichen und weltlichen Regierungen zu trennen, tat er es dennoch nicht. Die Idee eines weltlichen Königs war in der jüdischen Vorstellung zu tief verwurzelt, um in einer einzigen Generation ausgemerzt zu werden. Deshalb stellte sich Jesus am Anfang nicht offen gegen diese so lange genährte Vorstellung von einem Königreich. An diesem Samstagnachmittag versuchte der Meister, die Lehre vom Königreich des Himmels zu klären; er behandelte das Thema aus jedem Gesichtswinkel und bemühte sich, die vielen verschiedenen Bedeutungen, unter denen der Begriff gebraucht worden war, klarzumachen. Wir wollen in diesem Bericht Jesu Predigt um die Hinzufügung zahlreicher Erklärungen bereichern, die er bei früheren Gelegenheiten gemacht hatte, und um einige Bemerkungen, die er während der abendlichen Diskussionen desselben Tages nur gegenüber seinen Aposteln äußerte. Wir werden auch einen Kommentar zur weiteren Entwicklung der Idee des Königreichs im Zusammenhang mit der späteren christlichen Kirche abgeben. ***** 170.1 Vorstellungen vom Königreich des Himmels ***** In Verbindung mit der Wiedergabe von Jesu Predigt sollte vermerkt werden, dass das Königreich des Himmels durch die ganzen hebräischen Schriften hindurch in zweifachem Sinne verstanden wurde. Die Propheten stellten das Königreich Gottes dar als: 1. Eine gegenwärtige Realität; und als 2. Eine Hoffnung auf Zukünftiges - wenn das Königreich dereinst nach dem Erscheinen des Messias voll verwirklicht würde. Dies ist die Auffassung vom Königreich, die Johannes der Täufer lehrte. Von allem Anfang an lehrten Jesus und die Apostel diese beiden Vorstellungen. Es gab zwei weitere Vorstellungen vom Königreich, die man sich vergegenwärtigen sollte: 3. Die spätere jüdische Vorstellung von einem weltweiten und transzendenten Königreich übernatürlichen Ursprungs mit wunderbarem Auftakt. 4. Die persischen Lehren von der Errichtung eines göttlichen Königreichs als letztendlicher Triumph des Guten über das Böse am Ende der Welt. Gerade vor Jesu Erscheinen auf Erden verbanden und verwirrten die Juden alle diese Ideen vom Reich zu ihrer apokalyptischen Vorstellung vom Messias, der kommen würde, um das Zeitalter des jüdischen Triumphs zu errichten, das ewige Zeitalter der höchsten Herrschaft Gottes auf Erden, der neuen Welt, der Ära, in der die ganze Menschheit Jahwe anbeten würde. Indem sich Jesus entschloss, dieses Konzept des Königreichs des Himmels zu verwenden, traf er die Wahl, sich das wesentlichste und den Höhepunkt bildende Erbe der jüdischen wie der persischen Religion zu eigen zu machen. So, wie das Königreich des Himmels durch all die Jahrhunderte der christlichen Ära hindurch verstanden und missverstanden wurde, umfasste es vier verschiedene Ideengruppen: 1. Die Vorstellung der Juden. 2. Die Vorstellung der Perser. 3. Jesu Vorstellung, auf persönlicher Erfahrung beruhend - "das Himmelreich in euch". 4. Die gemischten und wirren Vorstellungen, die die Gründer und Verbreiter des Christentums der Welt einzuprägen versuchten. Wenn Jesus auch zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Anlässen in seiner öffentlichen Unterweisung zahlreiche Konzepte des "Königreichs" verwendet haben mag, so lehrte er seine Apostel doch ständig, das Königreich beinhalte die persönliche Erfahrung des Menschen mit seinesgleichen auf Erden und mit dem Vater im Himmel. In allem, was das Königreich betraf, war sein letztes Wort immer: "Das Königreich ist in euch." Die jahrhundertelange Verwirrung um die Bedeutung des Ausdrucks "Königreich des Himmels" ist auf drei Faktoren zurückzuführen: 1. Die Verwirrung, die aus der Beobachtung hervorging, wie die Idee des "Königreichs" die verschiedenen Phasen allmählicher Umgestaltung durch Jesus und seine Apostel durchlief. 2. Die Verwirrung, die unvermeidlich mit der Verpflanzung des frühen Christentums aus jüdischem in nichtjüdischen Boden einherging. 3. Die Verwirrung, die in der Tatsache beschlossen lag, dass das Christentum zu einer Religion wurde, die um die zentrale Idee von der Person Jesu herum aufgebaut wurde; das Evangelium vom Königreich wurde je länger je mehr zu einer Religion über ihn. ***** 170.2 Jesu Vorstellung vom Königreich ***** Der Meister machte klar, dass das Königreich des Himmels mit dem doppelten Konzept von der Wahrheit der Vaterschaft Gottes und von der damit verbundenen Tatsache der Bruderschaft der Menschen beginnen und darin seinen Mittelpunkt haben muss. Jesus erklärte, dass die Annahme solch einer Lehre den Menschen von der Jahrtausende alten Knechtung durch animalische Furcht befreien und das menschliche Leben zugleich mit den folgenden Gaben des neuen Lebens geistiger Freiheit bereichern würde: 1. Besitz neuen Mutes und vermehrter geistiger Macht. Das Evangelium vom Königreich war dazu bestimmt, den Menschen zu befreien und ihn zu inspirieren, wagemutig auf das ewige Leben zu hoffen. 2. Das Evangelium brachte allen Menschen und selbst den Armen eine Botschaft neuen Vertrauens und wahren Trostes. 3. Es stellte in sich selber eine neue Norm sittlicher Werte dar, einen neuen ethischen Maßstab, der an die menschliche Lebensführung angelegt werden konnte. Es entwarf das Ideal einer daraus hervorgehenden neuen Ordnung der menschlichen Gesellschaft. 4. Es lehrte den Vorrang des Geistigen gegenüber dem Materiellen; es verherrlichte geistige Realitäten und pries übermenschliche Ideale. 5. Das neue Evangelium erhob geistige Errungenschaften zum wahren Lebensziel. Das menschliche Leben wurde mit neuen sittlichen Werten und mit neuer göttlicher Würde ausgestattet. 6. Jesus lehrte, dass die ewigen Realitäten das Resultat (die Belohnung) rechtschaffenen irdischen Bemühens seien. Der irdische Aufenthalt des sterblichen Menschen erlangte neue Bedeutungen dank der Wahrnehmung einer edlen Bestimmung. 7. Das neue Evangelium versicherte, dass die menschliche Errettung die Offenbarung eines weitgesteckten göttlichen Planes ist, der sich in der zukünftigen Bestimmung endlosen Dienens der erretteten Söhne Gottes erfüllt und verwirklicht. Diese Lehren umfassen die erweiterte Idee vom Königreich, die Jesus vermittelte. Diese großartige Vorstellung war in den elementaren und verworrenen Lehren Johannes' des Täufers über das Königreich kaum enthalten. Die Apostel waren unfähig, die wahre Bedeutung der Äußerungen Jesu zu erfassen, die das Königreich betrafen. Die spätere Entstellung von Jesu Lehren, wie sie im Neuen Testament aufgezeichnet sind, rührt daher, dass die Vorstellung der Evangelienverfasser vom Glauben durchdrungen war, Jesus sei nur für kurze Zeit von der Erde abwesend und werde bald wiederkehren, um das Königreich in Macht und Herrlichkeit zu errichten - genau die Vorstellung, die sie gehabt hatten, als er als Mensch unter ihnen weilte. Aber Jesus verband die Errichtung des Königreichs nicht mit der Idee seiner Rückkehr in diese Welt. Dass Jahrhunderte ohne Zeichen der Ankunft eines "Neuen Zeitalters" vergangen sind, steht in keiner Weise im Widerspruch zu Jesu Lehre. Das große Bestreben dieser Predigt war der Versuch, die Vorstellung vom Königreich in das Ideal der Idee, den Willen des Vaters zu tun, umzuwandeln. Seit langem lehrte der Meister seine Anhänger beten: "Dein Königreich komme; dein Wille geschehe"; und jetzt versuchte er ernstlich, sie dahin zubringen, den Ausdruck Königreich Gottes zugunsten des praktischeren, gleichbedeutenden Ausdrucks der Wille Gottes aufzugeben. Aber es gelang ihm nicht. Jesus wünschte, die Vorstellung von einem Königreich mit König und Untertanen zu ersetzen durch die Idee von der himmlischen Familie, dem himmlischen Vater und den befreiten Söhnen Gottes, die sich dem freudigen und freiwilligen Dienst an ihren Mitmenschen und der sublimen und intelligenten Anbetung Gottes, des Vaters widmen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Apostel zu einer doppelten Betrachtungsweise des Königreichs gekommen; sie begriffen es als: 1. Eine Angelegenheit vorhandener persönlicher Erfahrung in den Herzen der wahren Gläubigen, und 2. Eine Angelegenheit rassischer oder weltlicher Phänomene; das Königreich lag in der Zukunft und war etwas, worauf man sich freuen konnte. Sie betrachteten das Kommen des Königreichs in den Herzen der Menschen als eine schrittweise Entwicklung, vergleichbar der Hefe im Teig oder dem Wachsen des Senfkorns. Sie glaubten, das Königreich im rassischen oder weltlichen Sinn würde auf plötzliche und Aufsehen erregende Weise kommen. Jesus wurde nie müde, ihnen zu sagen, das Königreich des Himmels sei ihre persönliche Erfahrung der Wahrnehmung höherer Qualitäten geistigen Lebens, und dass diese Realitäten geistiger Erfahrung fortschreitend auf immer neue und höhere Ebenen göttlicher Gewissheit und ewiger Größe übergingen. An diesem Nachmittag lehrte der Meister deutlich ein neues Konzept der Doppelnatur des Königreichs, indem er die folgenden zwei Phasen beschrieb: Erstens. Das Königreich Gottes in dieser Welt, der höchste Wunsch, den Willen Gottes zu tun, die selbstlose Liebe des Menschen, die die guten Früchte eines verbesserten ethischen und sittlichen Verhaltens hervorbringt. "Zweitens. Das Königreich Gottes im Himmel, das Ziel der sterblichen Gläubigen, der Zustand, in dem die Liebe zu Gott vervollkommnet und der Wille Gottes auf göttlichere Weise getan wird." Jesus lehrte, dass der Gläubige kraft seines Glaubens jetzt ins Königreich eintritt. In seinen verschiedenen Reden lehrte er, dass zwei Dinge wesentlich sind, um durch den Glauben in das Königreich einzutreten: 1. Glaube, Aufrichtigkeit. Zu kommen wie ein kleines Kind, um die Gabe der Sohnschaft als ein Geschenk zu empfangen; sich dem Willen des Vaters ohne zu zweifeln in völliger Sicherheit und mit echtem Vertrauen in seine Weisheit zu fügen; vorurteilsfrei und vorbehaltlos in das Königreich einzutreten; offenen Sinnes und belehrbar zu sein wie ein unverdorbenes Kind. 2. Hunger nach Wahrheit. Durst nach Rechtschaffenheit, ein Sinneswandel, Erlangung des Antriebs, Gott zu gleichen und ihn zu finden. Jesus lehrte, dass die Sünde nicht das Kind einer mangelhaften Veranlagung ist, sondern vielmehr das Erzeugnis eines wissenden Verstandes, der von einem rebellischen Willen beherrscht wird. Bezüglich der Sünde lehrte er, dass Gott bereits vergeben hat und dass wir persönlich zu dieser Vergebung gelangen können, indem wir unseren Nächsten verzeihen. Wenn ihr eurem menschlichen Bruder vergebt, schafft ihr dadurch in eurer eigenen Seele die Fähigkeit zum Empfang der tatsächlichen Vergebung eurer Missetaten durch Gott. Bis zu der Zeit, als der Apostel Johannes die Geschichte von Jesu Leben und Lehren aufzuschreiben begann, hatten die frühen Christen mit der Idee vom Königreich Gottes als der Ursache von Verfolgung so viel Unannehmlichkeiten erlebt, dass sie auf den Gebrauch des Ausdrucks weitgehend verzichtet hatten. Johannes spricht viel vom "ewigen Leben". Jesus sprach oft vom "Königreich des Lebens". Er bezog sich auch oft auf das "Königreich Gottes in euch". Einmal sprach er von dieser Erfahrung als von der "Familiengemeinschaft mit Gott dem Vater". Jesus versuchte es mit vielen anderen Ausdrücken als Ersatz für Königreich, aber immer ohne Erfolg. Er gebrauchte unter anderem: die Familie Gottes, des Vaters Wille, die Freunde Gottes, die Gemeinschaft der Gläubigen, die Bruderschaft der Menschen, des Vaters Herde, die Kinder Gottes, die Gemeinschaft der Getreuen, der Dienst des Vaters und die befreiten Söhne Gottes. Aber er kam nicht um den Gebrauch der Idee des Königreichs herum. Erst mehr als fünfzig Jahre später, nach der Zerstörung Jerusalems durch die römischen Armeen, begann sich diese Vorstellung vom Königreich in den Kult des ewigen Lebens zu verwandeln, während ihre sozia-len und institutionellen Aspekte von der rasch expandierenden und feste Formen annehmenden Kirche in die Hand genommen wurden. ***** 170.3 Die Beziehung zur Rechtschaffenheit ***** Jesus versuchte immer, seinen Aposteln und Jüngern einzuprägen, dass sie aus ihrem Glauben heraus eine Rechtschaffenheit erwerben müssten, die über die Rechtschaffenheit der sklavischen Werke hinausginge, mit denen sich manche der Schriftgelehrten und Pharisäer so großsprecherisch vor der Welt brüsteten. Obwohl Jesus lehrte, dass der Glaube, ein einfacher, kindlicher Glaube, der Schlüssel zum Tor des Königreichs ist, so lehrte er auch, dass jedes gläubige Kind nach dem Durchschreiten des Tors die Stufen der Rechtschaffenheit hinanzusteigen hat, um zu der vollen Statur eines widerstandsfähigen Gottessohnes heranzuwachsen. Durch die Betrachtung der Art und Weise, Gottes Vergebung zu empfangen, enthüllt sich uns die Art, wie man die Rechtschaffenheit des Königreichs erlangt. Glaube ist der Preis, den ihr für die Zulassung in die Familie Gottes zahlt; aber Vergebung ist der Akt Gottes, der euren Glauben als Preis eurer Aufnahme akzeptiert. Und das Empfangen der Vergebung Gottes durch einen, der an das Königreich glaubt, umfasst eine ganz bestimmte und reale Erfahrung und besteht aus den vier folgenden Stufen, den Königreich-Stufen innerer Rechtschaffenheit: 1. Der Mensch kann Gottes Vergebung genau in dem Maße tatsächlich empfangen und persönlich erfahren, wie er seinen Mitmenschen vergibt. 2. Der Mensch wird seinen Mitmenschen nicht wahrhaftig verzeihen, solange er sie nicht liebt, wie sich selber. 3. Deinen Nächsten so zu lieben wie dich selber, ist deshalb die höchste Ethik. 4. Sittliches Verhalten, wahre Rechtschaffenheit wird dann die natürliche Folge dieser Liebe. Daraus geht klar hervor, dass die wahre und verinnerlichte Religion des Königreichs unfehlbar und zunehmend danach strebt, sich in praktischem, sozialem Dienst zu äußern. Jesus lehrte eine lebendige Religion, welche diejenigen, die sich ihr öffnen, dazu bewegt, sich liebendem Dienen zu verpflichten. Aber Jesus setzte nicht die Ethik an die Stelle der Religion. Er lehrte Religion als eine Ursache und Ethik als ein Resultat. Die Rechtschaffenheit jeder Handlung muss an ihrem Motiv gemessen werden: Deshalb sind die höchsten Formen des Guten unbewusst. Jesus kümmerte sich nie um Moral oder Ethik als solche. Sein ganzes Bemühen galt der inneren und geistigen Verbundenheit mit Gott dem Vater, die sich so gewiss und direkt im äußeren und liebenden Dienst an den Menschen kundtut. Er lehrte, dass die Religion des Königreichs eine echte, persönliche Erfahrung ist, die niemand für sich selbst behalten kann; dass das Bewusstsein, ein Mitglied der Familie der Gläubigen zu sein, unvermeidlich zur Befolgung der im Familienleben geltenden Regeln führt, nämlich zum Dienst an seinen Brüdern und Schwestern im Bestreben, die Brüderlichkeit zu verstärken und zu erweitern. Die Religion des Königreichs ist persönlich, individuell; die Früchte, die Resultate sind familiär, sozial. Jesus verfehlte nie, den geheiligten Charakter des Einzelnen im Gegensatz zur Gemeinschaft zu preisen. Aber ebenso sehr anerkannte er, dass der Mensch seinen Charakter durch selbstlosen Dienst entwickelt; dass er seine sittliche Natur in liebevollen Beziehungen zu seinen Mitmenschen entfaltet. Durch seine Lehre, dass das Königreich sich im Inneren befindet, durch sein Feiern des Einzelnen versetzte Jesus der alten Gesellschaft den Todesstoß, womit er eine neue Epoche wahrer sozialer Rechtschaffenheit einleitete. Man hat in der Welt von dieser neuen Gesellschaftsordnung wenig gespürt, weil sie sich geweigert hat, die Prinzipien des Evangeliums vom Königreich des Himmels in die Tat umzusetzen. Aber wenn dieses Königreich geistiger Vormachtstellung auf die Erde kommt, wird es nicht nur durch verbesserte soziale und materielle Bedingungen in Erscheinung treten, sondern vielmehr im Glanz jener erhöhten und bereicherten geistigen Werte, die charakteristisch sind für das nahende Zeitalter verbesserter menschlicher Beziehungen und fortschreitender geistiger Errungenschaften. ***** 170.4 Jesu Lehre vom Königreich ***** Jesus definierte das Königreich nie genau. Einmal mochte er über den einen Gesichtspunkt des Königreichs sprechen und ein andermal einen anderen Aspekt der Brüderlichkeit behandeln, die Gottes Herrschaft in den Herzen der Menschen entstehen lässt. Im Laufe der Predigt dieses Sabbatnachmittags erwähnte Jesus nicht weniger als fünf Phasen, oder Epochen, des Königreichs, nämlich: 1. Des individuellen Gläubigen persönliche und innere Erfahrung der lebendigen geistigen Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. 2. Die wachsende Bruderschaft der an das Evangelium Glaubenden, die sozialen Aspekte einer gehobenen Moral und neu aufblühenden Ethik, die eine Folge des in den Herzen der individuellen Gläubigen herrschenden Geistes Gottes sind. 3. Die übersterbliche Bruderschaft unsichtbarer geistiger Wesen, die auf Erden und im Himmel vorherrscht, das übermenschliche Königreich Gottes. 4. Die Aussicht auf eine vollkommenere Erfüllung des göttlichen Willens, der Fortschritt in Richtung des Heraufdämmerns einer neuen gesellschaftlichen Ordnung in Verbindung mit einem verbesserten geistigen Leben - das nächste Zeitalter des Menschen. 5. Das Königreich in seiner Fülle, das künftige Zeitalter des Lichts und Lebens auf Erden. Deshalb müssen wir die Unterweisung des Meisters stets aufmerksam studieren, um sicher zu sein, auf welche der fünf Phasen er sich bezieht, wenn er den Ausdruck Königreich gebraucht. Durch den Prozess der allmählichen Veränderung des menschlichen Willens und den dadurch auf die menschlichen Entscheidungen ausgeübten Einfluss verändern Michael und seine Mitarbeiter ebenfalls allmählich, aber bestimmt den ganzen gesellschaftlichen und übrigen Lauf der menschlichen Evolution. Bei dieser Gelegenheit unterstrich der Meister insbesondere die folgenden fünf Punkte, die die wesentlichen Züge des Evangeliums vom Königreich darstellen: 1. Der Vorrang des Individuums. 2. Der Wille als entscheidender Faktor in der Erfahrung des Menschen. 3. Geistige Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. 4. Die allerhöchsten Befriedigungen durch den liebevollen Dienst an den Menschen. 5. Die Überlegenheit des Geistigen über das Materielle in der menschlichen Persönlichkeit. Die Welt hat diese dynamischen Ideen und göttlichen Ideale von Jesu Lehre vom Königreich des Himmels nie ernstlich oder aufrichtig oder ehrlich erprobt. Aber ihr solltet euch durch den scheinbar langsamen Fortschritt der Idee des Königreichs auf Urantia nicht entmutigen lassen. Denkt daran, dass die Ordnung der fortschreitenden Evolution plötzlichen und unerwarteten periodischen Veränderungen sowohl in der materiellen wie in der geistigen Welt unterworfen ist. Die Selbsthingabe Jesu als inkarnierter Sohn war gerade solch ein seltsames und unerwartetes Ereignis im geistigen Leben der Welt. Macht auch nicht den verhängnisvollen Fehler, nach der epochalen Manifestation des Königreichs Ausschau zu halten und es darüber zu versäumen, dieses in eurer eigenen Seele zu errichten. Obwohl Jesus auf eine bestimmte, in der Zukunft liegende Phase des Königreichs hinwies und bei zahlreichen Gelegenheiten zu verstehen gab, dass ein solches Ereignis als Teil einer Weltkrise auftreten könnte; und obwohl er ebenfalls bei mehreren Anlässen mit großer Bestimmtheit und definitiv versprach, eines Tages nach Urantia zurückzukehren, sollte festgehalten werden, dass er diese beiden Ideen nie eindeutig miteinander in Verbindung brachte. Er versprach eine neue Offenbarung des Königreichs auf Erden zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt; er versprach ebenfalls, dereinst persönlich auf diese Welt zurückzukehren. Aber er sagte nicht, dass diese beiden Ereignisse dasselbe seien. Nach allem, was wir wissen, können sich diese Versprechen auf dasselbe Ereignis beziehen, oder auch nicht. Seine Apostel und Jünger hingegen verknüpften ohne Zweifel diese beiden Lehren miteinander. Als sich das Königreich nicht erwartungsgemäß verwirklichte, erinnerten sie sich an des Meisters Äußerungen über ein zukünftiges Königreich und an sein Versprechen wiederzukehren und zogen den voreiligen Schluss, dass diese Versprechen sich auf ein und dasselbe Geschehen bezögen; und also lebten sie in der Hoffnung auf sein unmittelbar bevorstehendes zweites Kommen, um das Königreich in seiner ganzen Fülle und mit Macht und Herrlichkeit zu errichten. Und so haben gläubige Generationen nacheinander auf der Erde gelebt und dieselbe inspirierende, aber enttäuschende Hoffnung aufrechterhalten. ***** 170.5 Spätere Vorstellungen vom Königreich ***** Nachdem wir Jesu Lehren über das Königreich des Himmels zusammengefasst haben, sind wir autorisiert, einige spätere Ideen wiederzugeben, die mit der Vorstellung vom Königreich in Verbindung gebracht worden sind, und eine prophetische Vorhersage über die mögliche Entwicklung des Königreichs im kommenden Zeitalter zu machen. Während der ersten Jahrhunderte christlicher Propaganda wurde die Idee des Königreichs von den sich damals rasch ausbreitenden Gedanken des griechischen Idealismus sehr stark beeinflusst, von der Vorstellung vom Natürlichen als dem Schatten des Geistigen - vom Zeitlichen als dem vergänglichen Schatten des Ewigen. Aber der große Schritt, der die Verpflanzung der Lehren Jesu von jüdischem in nichtjüdischen Boden kennzeichnete, geschah, als aus dem Messias des Königreichs der Erlöser der Kirche wurde, einer religiösen und sozialen Organisation, die aus den Aktivitäten des Paulus und seiner Nachfolger hervorging und auf Jesu Lehren basierte, welche ihrerseits durch Philos Ideen und die persischen Lehren von Gut und Böse ergänzt worden waren. Die Verwirklichung der in der Lehre des Evangeliums vom Königreich enthaltenen Ideen und Ideale Jesu wäre beinahe misslungen, da seine Anhänger seine Aussagen in zunehmendem Maße entstellten. Des Meisters Vorstellung vom Königreich wurde durch zwei große Tendenzen nennenswert verändert: 1. Die jüdischen Gläubigen hielten daran fest, in ihm den Messias zu sehen. Sie glaubten, Jesus würde sehr bald wiederkehren, um tatsächlich das weltweite und mehr oder weniger materielle Königreich zu errichten. 2. Die nichtjüdischen Christen begannen sehr früh, die Lehren des Paulus anzunehmen, was immer mehr zu dem allgemeinen Glauben führte, Jesus sei der Erlöser der Kinder der Kirche, jener neuen institutionellen Nachfolgerin der früheren Vorstellung von der rein geistigen Bruderschaft des Königreichs. Die Kirche als soziale Folgeerscheinung des Königreichs wäre völlig natürlich und sogar wünschenswert gewesen. Das Schlimme an der Kirche war nicht ihre Existenz, sondern vielmehr, dass sie Jesu Vorstellung vom Königreich fast vollständig verdrängte. Die institutionalisierte Kirche des Paulus wurde praktisch zum Ersatz für das Königreich des Himmels, das Jesus verkündet hatte. Aber zweifelt nicht daran: Dieses selbe Königreich des Himmels, das der Lehre des Meisters zufolge im Herzen des Gläubigen existiert, wird der christlichen Kirche, sowie allen anderen Religio-nen, Rassen und Nationen der Erde trotzdem verkündigt werden - und sogar jedem Einzelnen. Das Königreich, wie Jesus es lehrte, das geistige Ideal individueller Rechtschaffenheit und die Vorstellung von der göttlichen Gemeinschaft des Menschen mit Gott ging allmählich in der mystischen Vorstellung von Jesu Person als dem Erlöser-Schöpfer und geistigen Haupt einer sozialisierten, religiösen Gemeinschaft unter. Auf diese Weise wurde eine offizielle und institutionelle Kirche zum Ersatz für die individuell durch den Geist gelenkte Bruderschaft des Königreichs. Die Kirche war ein unvermeidliches und nützliches soziales Ergebnis aus Jesu Leben und Lehren; die Tragödie lag in der Tatsache, dass diese soziale Reaktion auf die Lehren des Königreichs die geistige Vorstellung vom wahren Königreich, wie Jesus es lehrte und lebte, so vollkommen verdrängte. Für die Juden war das Königreich die israelitische Gemeinschaft; für die Nichtjuden wurde aus ihm die christliche Kirche. Für Jesus war das Königreich die Summe jener Individuen, die sich zu ihrem Glauben an die Vaterschaft Gottes bekannt und damit die aus tiefem Herzen kommende Bereitschaft bekundet hatten, Gottes Willen zu tun, wodurch sie zu Mitgliedern der geistigen Bruderschaft der Menschen wurden. Der Meister war sich völlig im Klaren darüber, dass sich im Gefolge der Verbreitung des Evangeliums vom Königreich in der Welt gewisse soziale Auswirkungen einstellen würden; aber seine Absicht war, dass alle solchen wünschenswerten sozialen Erscheinungen als unbewusste und unvermeidliche Ergebnisse oder natürliche Früchte jener inneren persönlichen Erfahrung der einzelnen Gläubigen auftreten sollten, als Früchte jener rein geistigen Gemeinschaft und Verbindung mit dem göttlichen Geist, der allen derartigen Gläubigen innewohnt und sie aktiviert. Jesus sah voraus, dass eine soziale Organisation oder Kirche dem Fortschritt des wahren geistigen Königreichs auf dem Fuße folgen würde, und aus diesem Grunde widersetzte er sich nie der Ausübung des Taufritus des Johannes durch die Apostel. Er lehrte, dass eine Seele, die die Wahrheit liebt und nach Rechtschaffenheit, nach Gott hungert und dürstet, durch ihren Glauben Einlass in das geistige Königreich erhält; gleichzeitig lehrten die Apostel, dass dieser Gläubige durch den äußeren Ritus der Taufe zu der sozialen Organisation der Jünger zugelassen wird. Als Jesu unmittelbare Anhänger ihren teilweisen Misserfolg bei der Verwirklichung seines Ideals erkannten, des Ideals der Errichtung des Königreichs in den Menschenherzen aufgrund der Beherrschung und Führung des einzelnen Gläubigen durch den Geist, machten sie sich daran, seine Lehre vor dem völligen Verschwinden zu bewahren, indem sie des Meisters Ideal vom Königreich durch die schrittweise Schaffung einer sichtbaren sozialen Organisation, der christlichen Kirche, ersetzten. Und nachdem sie diesen Austauschplan durchgeführt hatten, verlegten sie das Königreich in die Zukunft, um folgerichtig zu bleiben und die Anerkennung der Lehre des Meisters bezüglich der Tatsache des Königreichs sicherzustellen. Sobald die Kirche fest begründet war, begann sie zu lehren, das Königreich werde in Wahrheit auf dem Höhepunkt des christlichen Zeitalters mit dem zweiten Kommen von Christus erscheinen. Auf diese Weise wurde das Himmelreich zur Vorstellung von einem Zeitalter, zur Idee einer späteren Wiederkehr und zum Ideal der schließlichen Erlösung der Heiligen des Allerhöchsten. Die frühen Christen (und allzu viele der späteren) verloren im Allgemeinen die in Jesu Lehre vom Königreich enthaltene Vater-und-Sohn-Idee aus den Augen und setzten an ihre Stelle die gut organisierte soziale Gemeinschaft der Kirche. So wurde die Kirche in der Hauptsache eine sozia- le Bruderschaft, die Jesu Ideal und Vorstellung von einer geistigen Bruderschaft wirkungsvoll verdrängte. Jesu ideale Vorstellung schlug weitgehend fehl, aber auf dem Fundament des persönlichen Lebens des Meisters und seiner Lehren, ergänzt durch die griechischen und persischen Vorstellungen vom ewigen Leben und erweitert durch Philos Lehre vom Zeitlichen im Kontrast zum Geistigen, ging Paulus daran, eine der fortschrittlichsten menschlichen Gesellschaften aufzubauen, die es auf Urantia je gegeben hat. Jesu Vorstellung ist in den fortgeschrittenen Religionen der Welt immer noch lebendig. Die christliche Kirche des Paulus ist der sozialisierte und humanisierte Schatten dessen, was das Königreich des Himmels in Jesu Absicht sein sollte - und mit großer Sicherheit einmal werden wird. Paulus und seine Nachfolger übertrugen teilweise die Fragen des ewigen Lebens vom Individuum auf die Kirche. Dadurch wurde Christus eher zum Haupt der Kirche als zum älteren Bruder jedes einzelnen Gläubigen in des Vaters Familie des Königreichs. Paulus und seine Zeitgenossen wandten alle geistigen Zusammenhänge, die Jesus selber und den einzelnen Gläubigen betrafen, auf die Kirche als eine Gruppe von Gläubigen an; und damit versetzten sie der Vorstellung Jesu vom göttlichen Königreich in den Herzen der individuellen Gläubigen den Todesstoß. Und so hat die christliche Kirche jahrhundertelang unter großer Behinderung gelitten, weil sie es gewagt hatte, jene geheimnisvollen Kräfte und Privilegien des Königreichs für sich zu beanspruchen, Kräfte und Privilegien, die nur zwischen Jesus und seinen gläubigen Brüdern im Geiste ausgeübt und erfahren werden können. Und dabei wird offensichtlich, dass Mitgliedschaft in der Kirche nicht notwendigerweise Gemeinschaft im Königreich bedeutet; diese ist geistig, jene hauptsächlich sozial. Früher oder später wird ein anderer und größerer Johannes der Täufer mit der Botschaft auftreten: "Das Reich Gottes ist nahe" - und darunter eine Rückkehr zu jener hohen geistigen Idee Jesu verstehen, der verkündete, dass das Königreich der Wille seines himmlischen Vaters ist, der auf transzendente Weise im Herzen der Gläubigen herrscht - und er wird all dies tun, ohne sich in irgendeiner Weise auf die sichtbare Kirche auf Erden oder auf das erwartete zweite Kommen Christi zu beziehen. Es muss eine Wiedererweckung der tatsächlichen Lehren Jesu kommen, eine Neuformulierung, die das Werk seiner frühen Anhänger rückgängig macht, die es unternommen hatten, ein soziophilosophisches Glaubenssystem um die Tatsache des Aufenthalts Michaels auf Erden herum aufzubauen. In kurzer Zeit verdrängte die Lehre dieser Geschichte über Jesus beinahe die Predigt von Jesu Evangelium vom Königreich. In dieser Weise ersetzte eine historische Religion jene Lehre, in der Jesus die höchsten sittlichen Ideen und geistigen Ideale des Menschen mit der erhabensten Zukunftshoffnung des Menschen - dem ewigen Leben - verschmolzen hatte. Und das war das Evangelium vom Königreich. Gerade weil Jesu Evangelium so vielschichtig war, spalteten sich innerhalb weniger Jahrhunderte die Exegeten der Aufzeichnungen seiner Lehren in so viele Kulte und Sekten. Diese erbärmliche Unterteilung der christlichen Gläubigen resultiert aus dem Unvermögen, in des Meisters vielfältigen Lehren die göttliche Einheit seines unvergleichlichen Lebens zu erkennen. Aber eines Tages werden die wahrhaft an Jesus Glaubenden in ihrer Haltung gegenüber den Ungläubigen nicht mehr derart geistig gespalten sein. Stets wird es wohl Unterschiede in intellektuellem Verstehen und Interpretieren und sogar unterschiedliche Stufen der Sozialisierung geben, aber ein Mangel an geistiger Brüderlichkeit ist ebenso unentschuldbar wie verwerflich. Täuscht euch nicht! In Jesu Lehren wohnt eine ewige Natur, die ihnen nicht erlaubt, in den Herzen der denkenden Menschen auf immer unfruchtbar zu bleiben. Das Königreich, wie Jesus es entwarf, hat auf Erden weitgehend fehlgeschlagen; einstweilen hat eine vordergründige Kirche seinen Platz eingenommen; aber ihr solltet begreifen, dass diese Kirche nur ein Larvenstadium des verhinderten geistigen Königreichs ist und dieses durch das materielle Zeitalter hindurch in eine geistigere Dispensation tragen wird, wo die Lehren des Meisters sich günstigerer Entwicklungsbedingungen erfreuen werden. So wird die so genannte christliche Kirche zum Kokon, in dem das Königreich nach Jesu Vorstellung jetzt schlummert. Das Königreich der geistigen Bruderschaft ist immer noch lebendig und wird schließlich und sicher aus seiner langen Versenkung auftauchen, ebenso sicher, wie der Schmetterling letzten Endes prächtig entfaltet aus dem unscheinbareren Geschöpf metamorphischer Entwicklung hervorgeht. ****** Kapitel 171 Auf dem Weg nach Jerusalem ****** AM Tag nach der denkwürdigen Predigt über "Das Königreich des Himmels" kündigte Jesus an, dass er sich am folgenden Tag mit den Aposteln zum Passahfest nach Jerusalem aufmachen und unterwegs zahlreiche Städte im südlichen Peräa besuchen werde. Die Ansprache über das Königreich und die Ankündigung, dass er sich zum Passahfest begeben werde, ließ all seine Anhänger annehmen, dass er nach Jerusalem gehe, um das zeitliche Königreich jüdischer Oberhoheit zu eröffnen. Was Jesus auch immer über den nichtmateriellen Charakter des Königreichs sagen mochte, so konnte er doch aus den Gemütern seiner jüdischen Zuhörer die Idee nicht ganz entfernen, dass es Aufgabe des Messias sei, irgendeine Art nationalistischer Regierung mit Sitz in Jerusalem einzusetzen. Was Jesus in dieser Sabbatpredigt sagte, trug nur dazu bei, die Mehrheit seiner Anhänger zu verwirren; sehr wenige wurden durch die Rede des Meisters erleuchtet. Die führenden Jünger begriffen etwas von seinen das innere Königreich, "das Königreich des Himmels in euch", betreffenden Lehren, aber sie hatten ihn auch über ein anderes, künftiges Königreich sprechen hören, und sie glaubten, er gehe jetzt nach Jerusalem hinauf, um dieses Königreich zu errichten. Als sie in dieser Erwartung enttäuscht wurden, als er von den Juden zurückgewiesen wurde, und als später Jerusalem buchstäblich vernichtet wurde, klammerten sie sich immer noch an diese Hoffnung und glaubten wahrhaftig, der Meister werde bald in großer Macht und majestätischer Herrlichkeit zur Erde zurückkehren, um das versprochene Königreich zu errichten. An diesem Sonntagnachmittag geschah es, dass Salome, die Mutter von Jakobus und Johannes Zebedäus, mit ihren beiden Apostelsöhnen zu Jesus kam und versuchte, in der Art, wie man sich einem orientalischen Potentaten nähert, von ihm das Versprechen zu erhalten, ihr im Voraus jede Bitte zu gewähren, die sie an ihn richten würde. Aber der Meister wollte nichts versprechen; stattdessen fragte er sie: "Was möchtest du von mir?" Da antwortete Salome: "Meister, jetzt, da du nach Jerusalem hinaufgehst, um das Königreich zu begründen, möchte ich dich im Voraus darum bitten, mir zu versprechen, dass diese meine Söhne die Ehre haben werden, in deinem Königreich der eine zu deiner Rechten und der andere zu deiner Linken zu sitzen." Als Jesus dieses Ansinnen Salomes vernahm, sagte er: "Frau, du weißt nicht, was du verlangst." Und darauf sagte er zu den zwei nach Ehren trachtenden Aposteln, indem er ihnen gerade in die Augen schaute: "Weil ich euch lange gekannt und geliebt habe und weil ich sogar in eurer Mutter Haus gewohnt habe und weil Andreas euch dazu bestimmt hat, jederzeit bei mir zu sein: deshalb erlaubt ihr eurer Mutter, mich heimlich aufzusuchen und dieses unziemliche Ansinnen an mich zu stellen. Aber lasst mich euch fragen: Seid ihr fähig, den Kelch zu trinken, den ich bald trinken werde?" Und ohne einen Augenblick zu überlegen, antworteten Jakobus und Johannes: "Ja, Meister, wir sind dazu fähig." Da sagte Jesus: "Ich bin betrübt, dass ihr nicht begreift, weshalb wir nach Jerusalem hinaufgehen; es bekümmert mich, dass ihr die Art meines Königreichs verkennt. Ich bin enttäuscht, dass ihr eure Mutter herbringt, um so etwas von mir zu erbitten; aber ich weiß, dass ihr mich in euren Herzen liebt; deshalb erkläre ich, dass ihr tatsächlich aus meinem Kelch der Bitternis trinken und meine Demütigung teilen werdet, aber mir steht es nicht zu, die Sitze an meiner Rechten und an meiner Linken zu vergeben. Solche Ehren sind denen vorbehalten, die von meinem Vater dazu bestimmt worden sind." Unterdessen hatte jemand Petrus und den anderen Aposteln die Nachricht von dieser Besprechung hinterbracht, und sie waren hell empört darüber, dass Jakobus und Johannes versucht hatten, ihnen bevorzugt zu werden, und sie heimlich mit ihrer Mutter gegangen waren, um eine solche Bitte vorzubringen. Als sie untereinander zu streiten begannen, rief Jesus sie alle zusammen und sagte: "Ihr wisst gut, wie die Gebieter der Nichtjuden sich ihren Untertanen gegenüber als Herren aufspielen, und wie die Großen ihre Autorität ausüben. Aber im Königreich des Himmels soll es nicht so sein. Wer unter euch groß sein möchte, werde zuerst euer Diener. Wer im Königreich der erste sein möchte, lasse euch seine tätige Liebe spüren. Ich erkläre euch, dass der Menschensohn nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um zu dienen; und ich gehe jetzt nach Jerusalem hinauf, um in Ausführung des Willens meines Vaters und im Dienst an meinen Brüdern mein Leben hinzugeben." Als die Apostel diese Worte hörten, zogen sie sich zurück, um jeder für sich zu beten. Infolge der Bemühungen von Petrus entschuldigten sich Jakobus und Johannes an diesem Abend gebührend bei ihren zehn Brüdern und wurden von ihnen wieder angenommen. Als die Söhne des Zebedäus Plätze zur Rechten und zur Linken Jesu in Jerusalem begehrten, ahnten sie nicht, dass ihr geliebter Lehrer in weniger als einem Monat an einem römischen Kreuz hängen würde mit einem sterbenden Dieb auf der einen Seite und einem anderen Missetäter auf der anderen. Und ihre Mutter, die bei der Kreuzigung zugegen war, erinnerte sich lebhaft an die törichte Bitte, mit der sie in Pella an Jesus herangetreten war, als sie so unklug für ihre Apostelsöhne Ehrenplätze verlangt hatte. ***** 171.1 Der Abschied von Pella ***** Am Montagvormittag, dem 13. März, verabschiedeten sich Jesus und seine zwölf Apostel endgültig vom Lager bei Pella und brachen nach Süden zu ihrer Rundreise in die Städte des südlichen Peräa auf, wo Abners Mitarbeiter am Werk waren. Sie verbrachten mehr als zwei Wochen mit Besuchen bei den Siebzig und gingen dann direkt nach Jerusalem zur Passahfeier. Als der Meister Pella verließ, folgten ihm an die tausend Jünger, die mit den Aposteln im Lager gewesen waren. Etwa die Hälfte davon trennte sich an der Jordanfurt auf der Straße nach Jericho von ihm, als sie hörten, er gehe nach Hesbon hinüber, und nachdem er die Predigt über "die Berechnung des Preises" gehalten hatte. Sie begaben sich nach Jerusalem hinauf, während die andere Hälfte ihm zwei Wochen lang nachfolgte und die Städte im Süden Peräas besuchte. Im Allgemeinen begriffen die meisten der engeren Anhänger Jesu, dass das Lager von Pella aufgegeben worden war, aber sie dachten allen Ernstes, das bedeute, dass ihr Meister endlich beabsichtige, nach Jerusalem zu gehen und Anspruch auf Davids Thron zu erheben. Die große Mehrzahl seiner Anhänger war nie fähig, irgendein anderes Konzept des Königreichs zu begreifen; ganz gleich, was er sie lehrte, sie wollten nicht von der jüdischen Vorstellung von einem Königreich ablassen. In Befolgung der Anweisungen des Apostels Andreas schloss David Zebedäus das Besucherlager bei Pella am Mittwoch, dem 15. März. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich darin fast viertausend Besucher auf, wobei die über tausend Personen nicht mitgerechnet sind, die sich mit den Aposteln im so genannten Lager der Lehrer aufhielten und mit Jesus und den Zwölf nach Süden aufbrachen. So ungern David es auch tat, so verkaufte er doch die ganze Lagerausrüstung an zahlreiche Käufer und ging mit dem Erlös nach Jerusalem, wo er das Geld später Judas Iskariot übergab. David war während der tragischen letzten Woche in Jerusalem anwesend, und nach der Kreuzigung nahm er seine Mutter mit sich nach Bethsaida zurück. Er hielt bei Lazarus in Bethanien an, um auf Jesus und die Apostel zu warten, und er geriet dabei in helle Empörung über die Art und Weise, in der die Pharisäer den Lazarus seit seiner Auferweckung zu verfolgen und zu belästigen begonnen hatten. Andreas hatte David angewiesen, den Läuferdienst einzustellen; und das wurde von allen als Hinweis auf die nahe Errichtung des Königreichs in Jerusalem gedeutet. David fand sich ohne Beschäftigung, und er hatte sich so gut wie entschieden, zum selbsternannten Verteidiger von Lazarus zu werden, als dieser, dessen er sich in seiner Empörung angenommen hatte, plötzlich Hals über Kopf nach Philadelphia floh. Demgemäß übersiedelte David einige Zeit nach der Auferstehung sowie nach dem Tod seiner Mutter, und nachdem er noch Martha und Maria beim Verkauf ihrer Besitzung geholfen hatte, nach Philadelphia; und hier verbrachte er in Zusammenarbeit mit Abner und Lazarus den Rest seines Lebens. Ihm wurde die finanzielle Oberaufsicht über all die bedeutenden Interessen des Königreichs übertragen, die ihr Zentrum zu Abners Lebzeiten in Philadelphia hatten. Kurze Zeit nach der Zerstörung Jerusalems wurde Antiochia das Hauptquartier des Paulinischen Christentums, während Philadelphia das Zentrum des Abnerischen Königreichs des Himmels blieb. Von Antiochia aus verbreitete sich die Paulinische Version der Lehren von und über Jesus in der ganzen westlichen Welt; von Philadelphia aus verstreuten sich die Missionare der Abnerischen Version des Königreichs des Himmels über ganz Mesopotamien und Arabien, bis diese kompromisslosen Überbringer von Jesu Lehre in späterer Zeit von der plötzlichen Flut des Islams überwältigt wurden. ***** 171.2 Über die Berechnung des Preises ***** Als Jesus und die ihm nachfolgende fast tausendköpfige Schar an der manchmal Bethabara genannten Furt des Jordans bei Bethanien ankamen, begannen seine Jünger zu merken, dass er nicht direkt auf Jerusalem zuging. Als sie zauderten und miteinander diskutierten, bestieg Jesus einen großen Felsblock und hielt jene Ansprache, die als "Berechnung des Preises" bekannt wurde. Der Meister sagte: "Ihr, die ihr mir von jetzt an folgen wollt, müsst gewillt sein, den Preis rückhaltloser Hingabe an die Ausführung des Willens meines Vaters zu bezahlen. Wenn ihr meine Jünger sein möchtet, müsst ihr willens sein, Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder und Schwestern zu verlassen. Wenn irgendeiner von euch jetzt mein Jünger sein möchte, muss er gewillt sein, sogar sein Leben hinzugeben, gerade so, wie der Menschensohn sich jetzt anschickt, sein Leben aufzuopfern in Erfüllung seiner Sendung, den Willen des Vaters auf Erden und als Mensch auszuführen. Wenn ihr nicht gewillt seid, den vollen Preis zu bezahlen, könnt ihr schwerlich meine Jünger sein. Bevor ihr weitergeht, sollte sich jeder von euch hinsetzen und berechnen, was es kostet, mein Jünger zu sein. Wer von euch würde es unternehmen, auf seinem Land einen Wachturm zu errichten, ohne sich erst hinzusetzen und die Kosten zu überschlagen, um zu sehen, ob er genug Geld zur Fertigstellung hat? Wenn ihr es unterlasst, die Kosten zu berechnen, werdet ihr nach dem Legen des Fundaments vielleicht entdecken, dass ihr unfähig seid, das Begonnene zu vollenden, und deshalb werden all eure Nachbarn euch verspotten und sagen: `Seht, dieser Mann begann zu bauen und war außerstande, sein Werk zu Ende zu führen.' Oder welcher König, der gegen einen anderen König einen Krieg vorbereitet, setzt sich nicht zuerst hin und hält Rat, ob er mit zehntausend Mann imstande sein wird, gegen jenen anzutreten, der mit zwanzigtausend Mann gegen ihn heranrückt? Wenn sich der König nicht erlauben kann, seinem Feind gegenüberzutreten, weil er unvorbereitet ist, schickt er dem anderen König eine Botschaft, selbst wenn dieser noch weit weg ist, um sich nach den Friedensbedingungen zu erkundigen. So setze sich nun jeder von euch hin und schätze ab, was es kostet, mein Jünger zu sein. Von jetzt an werdet ihr uns nicht mehr nachfolgen können, um die Unterweisung zu hören und die Werke zu sehen. Es wird von euch verlangt werden, heftigen Verfolgungen ins Auge zu sehen und für dieses Evangelium angesichts vernichtender Enttäuschungen Zeugnis abzulegen. Wenn ihr nicht willens seid, auf alles, was ihr seid, zu verzichten und alles, was ihr habt, hinzugeben, seid ihr nicht wert, meine Jünger zu sein. Wenn ihr euch in euren Herzen bereits selbst besiegt habt, braucht ihr euch vor dem äußeren Sieg nicht zu fürchten, den ihr sehr bald werdet erringen müssen, wenn der Menschensohn von den Hohenpriestern und Sadduzäern zurückgewiesen und den Händen spottender Ungläubiger überantwortet wird. "Ihr solltet euch jetzt selber erforschen, um herauszufinden, was euch dazu bewegt, meine Jünger zu sein. Wenn ihr Ehre und Ruhm sucht, wenn ihr weltlichen Sinnes seid, dann gleicht ihr dem Salz, das seinen Geschmack verloren hat. Und wenn das, was wegen seiner Salzigkeit geschätzt wird, seinen Geschmack verloren hat, womit soll man es dann würzen? Eine solche Würze ist nutzlos; sie taugt zu nichts, als zum Abfall geworfen zu werden. Ich habe euch jetzt nahe gelegt, friedlich nach Hause zurückzukehren, wenn ihr nicht gewillt seid, mit mir den Kelch zu trinken, der in Vorbereitung ist. Immer wieder habe ich euch gesagt, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist, aber ihr wollt mir nicht glauben. Wer Ohren hat zu hören, vernehme, was ich sage." Kaum hatte Jesus diese Worte gesprochen, als er sich an der Spitze der Zwölf auf den Weg nach Hesbon machte, und etwa fünfhundert Menschen folgten ihm nach. Kurz darauf ging die andere Hälfte der Menge nach Jerusalem hinauf. Seine Apostel und die führenden Jünger dachten viel über diese Worte nach, aber sie hielten immer noch an ihrem Glauben fest, dass das Königreich nach dieser kurzen Zeit der Not und Prüfung mit Sicherheit irgendwie in Übereinstimmung mit ihren lange gehegten Hoffnungen errichtet werden würde. ***** 171.3 Die Rundreise durch Peräa ***** Mehr als zwei Wochen lang wanderten Jesus und die Zwölf, von mehreren hundert Jüngern gefolgt, durch den Süden Peräas und besuchten dabei alle Städte, in denen die Siebzig arbeiteten. In dieser Gegend lebten viele Nichtjuden, und da sich nur wenige von ihnen zum Passahfest nach Jerusalem begaben, kamen die Botschafter des Königreichs mit ihrem Lehren und Predigen gut voran. Jesus traf mit Abner in Hesbon zusammen, und Andreas gab Weisung, dass die Arbeit der Siebzig wegen des Passahfestes keine Unterbrechung erfahren dürfe; Jesus riet den Botschaftern, in ihrer Arbeit ohne jede Rücksicht auf das fortzufahren, was sich in Kürze in Jerusalem abspielen werde. Er riet Abner auch, dem Frauenkorps, oder wenigstens jenen davon, die es wünschten, zu erlauben, zum Passahfest nach Jerusalem zu gehen. Und das war das letzte Mal, dass Abner Jesus persönlich sah. Jesus verabschiedete sich von ihm mit den Worten: "Mein Sohn, ich weiß, dass du dem Königreich treu bleiben wirst, und ich bitte den Vater, dir Weisheit zu schenken, damit du deine Brüder lieben und verstehen kannst." Während sie von Stadt zu Stadt weiterzogen, verließ sie ein Großteil ihrer Anhänger, um sich nach Jerusalem zu begeben, so dass bis zu dem Zeitpunkt, da Jesus sich zum Passahfest aufmachte, die Zahl derer, die ihn Tag für Tag begleiteten, auf weniger als zweihundert geschrumpft war. Die Apostel begriffen, dass Jesus zum Passahfest nach Jerusalem ging. Sie wussten, dass der Sanhedrin in ganz Israel eine Botschaft des Inhalts verbreitet hatte, er sei zum Tode verurteilt worden, und jedermann, der seinen Aufenthaltsort kenne, sei angewiesen, den Sanhedrin zu benachrichtigen; und trotz alledem waren sie weniger alarmiert als damals, als er ihnen in Philadelphia angekündigt hatte, er wolle nach Bethanien gehen, um Lazarus zu besuchen. Die Hauptursache dieses Sinneswandels von intensiver Angst zu stummer Erwartung war vornehmlich die Auferweckung des Lazarus. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass Jesus im Notfall seine göttliche Macht geltend machen und seine Feinde beschämen werde. Diese Hoffnung, zusammen mit ihrem tieferen und reiferen Glauben an die hohe geistige Macht ihres Meisters, erklärt den äußeren Mut, den seine engsten Anhänger zeigten, als sie sich nun anschickten, ihm angesichts der offenen Erklärung des Sanhedrins, er müsse sterben, nach Jerusalem hinein zu folgen. Die Mehrheit der Apostel und viele aus dem engeren Kreis der Jünger glaubten nicht an die Möglichkeit von Jesu Tod; sie, die daran glaubten, dass er "die Auferstehung und das Leben" sei, betrachteten ihn als unsterblich und als einen, der bereits über den Tod triumphiert hatte. ***** 171.4 Unterweisung in Livias ***** Am Mittwochabend, dem 29. März, lagerten Jesus und seine Anhänger auf ihrem Weg nach Jerusalem in Livias, nachdem sie ihre Rundreise durch die Städte des südlichen Peräa abgeschlossen hatten. Simon Zelotes und Simon Petrus hatten insgeheim verabredet, sich hier über hundert Schwerter aushändigen zu lassen, und in dieser Nacht erhielten sie die Waffen und verteilten sie an all jene, die sie annehmen und unter ihren Mänteln versteckt tragen wollten. Simon Petrus trug sein Schwert in der Nacht, da der Meister im Garten verraten wurde, immer noch auf sich. Früh am Donnerstagmorgen, bevor die anderen aufgewacht waren, rief Jesus Andreas zu sich und sagte: "Wecke deine Brüder! Ich habe ihnen etwas zu sagen." Jesus wusste von den Schwertern und auch, wer von den Aposteln Waffen empfangen hatte und bei sich trug, aber er verriet ihnen nie, dass er solche Dinge wusste. Nachdem Andreas seine Gefährten geweckt hatte und sie sich abseits versammelt hatten, sprach Jesus: "Meine Kinder, ihr seid lange Zeit bei mir gewesen, und ich habe euch vieles gelehrt, was in dieser Zeit nützlich ist, aber ich möchte euch jetzt warnen, in den Belastungen und Prüfungen, die uns bevorstehen, weder auf die unzuverlässige menschliche Natur noch auf die schwache menschliche Widerstandskraft zu bauen. Ich habe euch hier beiseite genommen, um euch noch einmal in klaren Worten zu sagen, dass wir nach Jerusalem hinaufgehen, wo, wie ihr wisst, der Menschensohn bereits zum Tode verurteilt worden ist. Erneut sage ich euch, dass der Menschensohn in die Hände der Hohenpriester und religiösen Führer gegeben werden wird und dass sie ihn verurteilen und darauf den Heiden ausliefern werden. Und sie werden den Menschensohn verhöhnen, ihn sogar bespucken und auspeitschen und ihn dem Tod überantworten. Und wenn sie den Menschensohn töten, lasst euch nicht in Schrecken versetzen, denn ich erkläre, dass er am dritten Tage auferstehen wird. Gebt Acht auf euch selber und erinnert euch daran, dass ich euch vorgewarnt habe." Wieder waren die Apostel erstaunt und wie gelähmt; aber sie vermochten sich nicht dazu zu bringen, seine Äußerungen wörtlich zu nehmen; sie konnten nicht verstehen, dass der Meister genau das meinte, was er sagte. Ihr hartnäckiger Glaube an das weltliche Königreich auf Erden mit Hauptsitz in Jerusalem machte sie derart blind, dass sie es sich ganz einfach nicht erlauben konnten - oder wollten -, das von Jesus Gesagte wörtlich zu nehmen. Sie sannen den ganzen Tag darüber nach, was der Meister wohl mit solch seltsamen Erklärungen meinen mochte. Aber keiner von ihnen wagte es, ihm hinsichtlich dieser Erklärungen eine Frage zu stellen. Erst nach seinem Tode erwachten die bestürzten Apostel zu der Erkenntnis, dass der Meister in Vorwegnahme seiner Kreuzigung offen und sehr direkt mit ihnen gesprochen hatte. Hier in Livias trug es sich zu, dass freundliche Pharisäer kurz nach dem Frühstück zu Jesus kamen und sagten: "Fliehe eilends von hier, denn Herodes trachtet dir jetzt in der gleichen Weise nach dem Leben wie einst dem Johannes. Er befürchtet eine Volkserhebung und hat beschlossen, dich umzubringen. Wir bringen dir diese Warnung, damit du fliehen kannst." Und das entsprach teilweise der Wahrheit. Die Auferweckung des Lazarus erschreckte und alarmierte Herodes, und im Wissen darum, dass der Sanhedrin es gewagt hatte, Jesus sogar noch vor einem Prozess zum Tode zu verurteilen, beschloss Herodes, Jesus entweder zu töten oder ihn aus seinem Herrschaftsbereich wegzuschaffen. Er wünschte wirklich die zweite Lösung, denn er fürchtete ihn so sehr, dass er hoffte, ihn nicht hinrichten zu müssen. Als Jesus sich angehört hatte, was die Pharisäer ihm zu sagen hatten, antwortete er ihnen: "Ich weiß wohl, wie es um Herodes und seine Furcht vor dem Evangelium des Königreichs steht. Aber irrt euch nicht, er würde es bei weitem vorziehen, der Menschensohn zöge nach Jerusalem hinauf, um durch die Hohenpriester zu leiden und zu sterben; nachdem er seine Hände mit dem Blut des Johannes besudelt hat, ist er nicht darauf erpicht, auch noch für den Tod des Menschensohns verantwortlich zu werden. Geht und sagt diesem Fuchs, dass der Menschensohn heute in Peräa predigt und morgen nach Judäa geht und nach ein paar Tagen seine Erdensendung vollendet haben und bereit sein wird, zum Vater aufzusteigen." Dann wandte sich Jesus an seine Jünger und sprach: "Von alters her sind die Propheten in Jerusalem umgekommen, und es ist nur angemessen, wenn der Menschensohn zu der Stadt hinaufgeht, wo seines Vaters Haus steht, um geopfert zu werden als Preis für menschliche Engstirnigkeit und zufolge religiösen Vorurteils und geistiger Blindheit. Oh Jerusalem, Jerusalem, das du die Propheten tötest und die Lehrer der Wahrheit steinigst! Wie oft hätte ich deine Kinder versammeln wollen, so wie eine Henne ihre Brut unter ihre Fittiche nimmt, aber du hast mich nicht gewähren lassen! Seht, euer Haus wird euch bald verwüstet zurückgelassen werden! Viele Male werdet ihr mich zu sehen verlangen, aber ihr werdet mich nicht sehen. Ihr werdet mich dann suchen, aber nicht finden." Nach diesen Worten wandte er sich an die Umstehenden und sagte: "Lasst uns trotzdem nach Jerusalem hinaufgehen, um dem Passahfest beizuwohnen und das zu tun, was uns in Ausführung des Willens des Vaters im Himmel zu tun obliegt." Eine verstörte und ratlose Schar von Gläubigen folgte Jesus an diesem Tag nach Jericho hinein. Die Apostel konnten aus Jesu Erklärungen über das Königreich nur den sicheren Ton schließlichen Triumphs heraushören; sie konnten sich ganz einfach nicht an den Punkt bringen, wo sie bereit gewesen wären, die Warnungen im Hinblick auf den nahe bevorstehenden Rückschlag ernst zu nehmen. Als Jesus von "am dritten Tag auferstehen" redete, fassten sie diese Erklärung so auf, als bedeute sie einen sicheren Triumph des Königreichs, der unmittelbar auf ein vorausgegangenes unerfreuliches Scharmützel mit den jüdischen religiösen Führern folgen würde. Der "dritte Tag" war eine übliche jüdische Redewendung, die "sofort" oder "bald danach" bedeutete. Als Jesus von "auferstehen" sprach, dachten sie, er spreche von der "Auferstehung des Königreichs". Jesus war von diesen Gläubigen als der Messias angenommen worden, und die Juden wussten wenig oder gar nichts von einem leidenden Messias. Sie verstanden nicht, dass Jesus durch seinen Tod vieles erfüllen würde, was er durch sein Leben nie hätte erreichen können. Während die Auferweckung des Lazarus den Aposteln die Stärke verlieh, nach Jerusalem zu gehen, war es die Erinnerung an die Verklärung, die den Meister während dieser schweren Zeit seiner Selbsthingabe aufrecht hielt. ***** 171.5 Der blinde Mann zu Jericho ***** Am 30. März, spät am Donnerstagnachmittag, näherten sich Jesus und die Apostel an der Spitze von etwa zweihundert Anhängern den Stadtmauern von Jericho. In der Nähe des Stadttors begegneten sie einer Schar von Bettlern, unter denen sich ein gewisser Bartimäus, ein älterer, von Jugend auf blinder Mann befand. Dieser blinde Bettler hatte viel von Jesus gehört und wusste alles über die Art, wie er den blinden Josia in Jerusalem geheilt hatte. Er hatte von Jesu letztem Besuch in Jericho erst vernommen, als Jesus bereits nach Bethanien weitergegangen war, und Bartimäus hatte sich geschworen, er würde ihn Jericho nie wieder besuchen lassen, ohne ihn gebeten zu haben, ihm das Augenlicht wiederzuschenken. Die Nachricht vom Nahen Jesu war in ganz Jericho ausposaunt worden, und die Einwohner strömten ihm zu Hunderten entgegen. Als diese große Menschenmenge den Meister in die Stadt zurückbegleitete, merkte Bartimäus, der das schwere Getrampel der Menge hörte, dass etwas Außergewöhnliches vor sich ging, und so fragte er Umstehende, was los sei. Und einer der Bettler antwortete: "Jesus von Nazareth kommt vorbei." Als Bartimäus hörte, dass Jesus in der Nähe sei, erhob er seine Stimme und begann laut zu rufen: "Jesus, Jesus, hab Erbarmen mit mir!" Als er immer lauter und lauter zu schreien fortfuhr, gingen einige der Begleiter Jesu zu ihm hin, wiesen ihn zurecht und forderten ihn auf, sich ruhig zu verhalten, aber ohne Erfolg, denn er schrie nur noch mehr und lauter. Als Jesus den blinden Mann rufen hörte, hielt er an. Und als er ihn erblickte, sagte er zu seinen Freunden: "Bringt den Mann zu mir." Und sie gingen zu Bartimäus und sagten zu ihm: "Sei guten Mutes; komm mit uns, denn der Meister verlangt nach dir." Als Bartimäus diese Worte vernahm, warf er seinen Mantel ab und stürzte vorwärts, der Straßenmitte zu, während die Dabeistehenden ihn zu Jesus führten. Dieser fragte Bartimäus: "Was soll ich für dich tun?" Da antwortete der Blinde: "Ich möchte wieder sehend werden." Und als Jesus diesen Wunsch hörte und seinen Glauben sah, sagte er: "Du sollst dein Augenlicht wieder erhalten; geh deines Weges; dein Glaube hat dich geheilt." Augenblicklich wurde er sehend und blieb, Gott lobpreisend, in Jesu Nähe, bis der Meister am nächsten Tag nach Jerusalem aufbrach, und alsdann ging Bartimäus der Menge voran und verkündete allen, wie ihm in Jericho seine Sehkraft wiedergegeben worden war. ***** 171.6 Der Besuch bei Zachäus ***** Als die Prozession des Meisters Jericho betrat, war es kurz vor Sonnenuntergang, und er beabsichtigte, die Nacht dort zu verbringen. Als Jesus am Zollhaus vorbeikam, traf es sich, dass Zachäus, der Hauptzöllner oder Steuereinnehmer, gerade zugegen war, und er wünschte sehr, Jesus zu sehen. Dieser Oberzöllner war sehr reich, und er hatte vieles über den Propheten aus Galiläa gehört. Er hatte bei sich beschlossen, das nächste Mal, wenn Jesus durch Jericho käme, selber zu sehen, was für ein Mensch das sei; deshalb versuchte Zachäus, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, aber sie war zu groß, und da er klein von Wuchs war, konnte er nicht über ihre Köpfe hinwegsehen. Und so schloss sich der Oberzöllner der Menge an, bis sie in die Nähe des Stadtzentrums kamen, nicht weit weg von da, wo er wohnte. Als er sah, dass es ihm nicht möglich sein würde, durch die Menge zu dringen, und da er dachte, Jesus könnte ohne anzuhalten geradewegs durch die Stadt ziehen, rannte er voraus und erkletterte eine Platane, deren weit ausladende Äste über die Straße hingen. Er wusste, dass er auf diese Art eine gute Sicht auf den Meister haben würde, wenn er vorbeikam. Und er wurde nicht enttäuscht, denn als Jesus vorüber kam, hielt er an, schaute zu Zachäus auf und sagte: "Spute dich, Zachäus, und komm herunter, denn heute Nacht muss ich in deinem Hause wohnen." Und als Zachäus diese erstaunlichen Worte hörte, fiel er vor lauter Hast herunterzukommen fast vom Baum, und er ging auf Jesus zu und bekundete große Freude darüber, dass der Meister gewillt war, in seinem Hause abzusteigen. Sie begaben sich sofort zum Heim des Zachäus und es überraschte die Einwohner von Jericho ungemein, dass Jesus sich bereit fand, bei dem Oberzöllner zu wohnen. Während der Meister und seine Apostel noch mit Zachäus vor der Tür seines Hauses verweilten, sagte ein dabeistehender Pharisäer von Jericho: "Ihr seht, wie dieser Mann bei einem Sünder Quartier nimmt, bei einem abtrünnigen Sohn Abrahams und Erpresser und Plünderer seines eigenen Volkes." Als Jesus diese Worte hörte, schaute er auf Zachäus herab und lächelte. Da stieg Zachäus auf einen Schemel und sagte: "Männer von Jericho, hört mir zu! Ich mag zwar ein Zöllner und Sünder sein, aber der große Lehrmeister ist gekommen, um in meinem Haus zu wohnen; und bevor er es betritt, sage ich euch, dass ich die Hälfte all meines Gutes an die Armen verschenken werde, und von morgen an, sollte ich von jemandem irgendetwas unrechtmäßig eingefordert haben, werde ich es ihm vierfach zurückerstatten. Ich werde jetzt von ganzem Herzen das Heil suchen und lernen, rechtschaffen vor Gott zu leben." Als Zachäus gesprochen hatte, sagte Jesus: "Heute ist das Heil in dieses Haus eingezogen, und du bist tatsächlich ein Sohn Abrahams geworden." Und Jesus wandte sich an die um sie versammelte Menge und sagte: "Und wundert euch nicht über meine Worte und nehmt keinen Anstoß an unserem Tun, denn ich habe schon immer erklärt, dass der Menschensohn gekommen ist, um zu suchen und zu retten, was verloren ist." Sie übernachteten bei Zachäus. Am Morgen gingen sie auf ihrem Weg zum Passahfest in Jerusalem über die "Räuberstraße" nach Bethanien hinauf. ***** 171.7 "Wenn Jesus vorüberging" ***** Jesus verbreitete gute Zuversicht, wo immer er hinkam. Er war voll gewinnender Güte und Wahrheit. Seine Gefährten hörten nie auf, über den Charme der Worte zu staunen, die aus seinem Munde kamen. Man kann Anmut kultivieren, aber einnehmende Güte ist der Duft der Freundlichkeit, der einer liebeerfüllten Seele entströmt. Güte zwingt immer zu Hochachtung, aber wenn es ihr an Anmut mangelt, stößt sie die Zuneigung häufig zurück. Güte ist nur universell anziehend, wenn sie voller Anmut ist. Güte wirkt nur, wenn sie anziehend ist. Jesus verstand die Menschen wirklich; deshalb konnte er echter Anteilnahme Ausdruck geben und aufrichtiges Mitgefühl zeigen. Aber selten gab er sich der Bemitleidung hin. Während sein Mitgefühl grenzenlos war, zeigte sich seine Anteilnahme auf praktische, persönliche und konstruktive Weise. Nie erzeugte die Vertrautheit mit dem Leiden in ihm Gleichgültigkeit, und er war fähig, betrübten Seelen beizustehen, ohne ihr Selbstmitleid zu vergrößern. Jesus konnte den Menschen so viel helfen, weil er sie so aufrichtig liebte. Er liebte wahrhaft jeden Mann, jede Frau und jedes Kind. Er konnte ein so treuer Freund sein dank seinem außerordentlichen Einfühlungsvermögen - er wusste ganz und gar, was in Herz und Gemüt der Menschen vor sich ging. Er war ein interessierter und scharfer Beobachter. Er war ein Experte im Verstehen von menschlichen Bedürfnissen und besaß das Geschick, menschliche Sehnsüchte ausfindig zu machen. Jesus war nie in Eile. Er hatte Zeit, seine Mitmenschen "im Vorübergehen" aufzurichten. Er sah immer zu, dass sich seine Freunde wohl fühlten. Er war ein charmanter Zuhörer. Er unternahm es nie, die Seelen seiner Gefährten in aufdringlicher Art auszuhorchen. Wenn er hungrige Gemüter erquickte und durstigen Seelen Trost spendete, hatten die Empfänger seiner Barmherzigkeit weniger das Gefühl, ihm etwas zu bekennen als mit ihm auszutauschen. Sie hatten grenzenloses Vertrauen zu ihm, weil sie spürten, dass er so sehr an sie glaubte. Er schien, was die Leute anbetraf, nie neugierig zu sein, und er bekundete nie den Wunsch, ihnen zu befehlen, sie zu dirigieren oder sich eifrig mit ihnen zu befassen. Er weckte in allen, die sich seines Umgangs erfreuten, tiefes Selbstvertrauen und soliden Mut. Wenn er einem Menschen zulächelte, verspürte dieser Sterbliche eine erhöhte Fähigkeit zur Lösung seiner vielfältigen Probleme. Jesus liebte die Menschen so sehr und in so weiser Art, dass er nie zögerte, mit ihnen streng zu sein, wenn die Umstände eine derartige Disziplin erforderten. Sehr oft kam er einer Person zu Hilfe, indem er sie um Hilfe anging. Auf diese Weise erregte er ihr Interesse und appellierte an das Bessere in der menschlichen Natur. Der Meister vermochte in dem groben Aberglauben der Frau, die durch Berühren des Saums seines Gewandes Heilung suchte, den rettenden Glauben zu erkennen. Er war jederzeit bereit und willens, eine Predigt zu unterbrechen oder eine Menge warten zu lassen, um sich den Bedürfnissen einer einzelnen Person oder gar einem kleinen Kind zuzuwenden. Große Dinge ereigneten sich nicht nur, weil die Leute an Jesus glaubten, sondern auch, weil Jesus so stark an sie glaubte. Die meisten der wirklich wichtigen Dinge, die Jesus sagte oder tat, schienen zufällig zu geschehen, "wenn er vorüberging". Es gab so wenig an Professionellem, Wohlgeplantem oder Vor-ausbedachtem im irdischen Wirken des Meisters. In natürlicher und anmutiger Weise spendete er Gesundheit und teilte inneres Glück aus auf seiner Reise durchs Leben. Es war im wörtlichen Sinne wahr: "Er ging umher und tat Gutes." Und in allen Zeitaltern obliegt es den Anhängern des Meisters, zu lernen, "im Vorübergehen" zu dienen - uneigennützig Gutes zu tun, während sie ihren täglichen Pflichten nachgehen. ***** 171.8 Das Gleichnis von den Pfunden ***** Sie brachen von Jericho erst gegen Mittag auf, da sie am Abend zuvor noch bis spät in die Nacht hinein aufgeblieben waren, während Jesus Zachäus und seine Familie im Evangelium vom Königreich unterrichtete. Etwa halbwegs auf der nach Bethanien hinaufführenden Straße hielt die Gruppe zur Mittagspause an, während die Menge nach Jerusalem weiterging, ohne zu wissen, dass Jesus und die Apostel diese Nacht auf dem Ölberg verbringen würden. Das Gleichnis von den Pfunden richtete sich im Unterschied zu dem von den Talenten, das für alle Jünger gedacht war, ausschließlicher an die Apostel und fußte weitgehend auf der Erfahrung des Archelaus und seinem vergeblichen Versuch, die Herrschaft über das Königreich von Judäa zu erringen. Dies ist eines der wenigen Gleichnisse des Meisters, das auf einer wirklichen historischen Gestalt beruht. Es ist nicht verwunderlich, dass sie an Archelaus dachten, denn das Haus des Zachäus in Jericho befand sich ganz in der Nähe des prunkvollen Palastes des Archelaus, und sein Aquädukt verlief längs der Straße, auf der sie Jericho verlassen hatten. Jesus sagte: "Ihr denkt, der Menschensohn geht nach Jerusalem hinauf, um ein Königreich zu empfangen, aber ich erkläre euch, dass ihr einer sicheren Enttäuschung entgegengeht. Erinnert ihr euch nicht an einen gewissen Fürsten, der in ein fernes Land ging, um für sich ein Königreich in Empfang zu nehmen? Aber noch bevor er zurückkehren konnte, sandten die Bewohner seiner Provinz, die ihn insgeheim bereits abgelehnt hatten, ihm Botschafter nach, die sagten: `Wir wollen nicht, dass dieser Mann über uns herrsche.' Gleich wie dieser König als weltlicher Herrscher abgelehnt wurde, wird auch der Menschensohn als geistiger Herrscher abgelehnt werden. Erneut erkläre ich, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist. Aber wenn dem Menschensohn die geistige Herrschaft über sein Volk zugestanden worden wäre, dann hätte er solch ein Königreich menschlicher Seelen angenommen und hätte dieses Land menschlicher Herzen regiert. Ungeachtet dessen, dass sie meine geistige Herrschaft über sich zurückweisen, werde ich zurückkehren und von anderen so ein Königreich des Geistes empfangen wie das, welches man mir jetzt verweigert. Ihr werdet erleben, dass der Menschensohn jetzt abgelehnt wird, aber in einem anderen Zeitalter wird man das, was die Kinder Abrahams jetzt zurückweisen, empfangen und preisen. Und jetzt, gleich dem verschmähten Adligen dieses Gleichnisses, möchte ich meine zwölf Diener, meine besonderen Verwalter vor mich rufen. Indem ich jedem von euch die Summe von einem Pfund in die Hände lege, möchte ich euch ermahnen, gut auf meine Anweisungen zu achten, damit ihr in meiner Abwesenheit mit dem euch anvertrauten Geld umsichtig handelt und etwas zur Rechtfertigung eurer Verwaltung vorweisen könnt, wenn ich wiederkehre, wenn von euch Rechenschaft gefordert wird. Selbst wenn dieser abgewiesene Sohn nicht zurückkehren sollte, wird ein anderer Sohn gesandt werden, um das Königreich zu empfangen, und dieser Sohn wird dann nach euch allen schicken, um den Bericht über eure Verwaltung entgegenzunehmen und durch eure Gewinne froh zu werden. Und als diese Verwalter später zusammengerufen wurden, um Rechenschaft abzulegen, trat der erste vor und sprach: `Herr, mit deinem Pfund habe ich zehn weitere erworben.' Und sein Meister sagte zu ihm: `Gut gemacht; du bist ein guter Diener; weil du dich in dieser Angelegenheit als verlässlich erwiesen hast, will ich dich über zehn Städte setzen.' Und der zweite kam und sagte: `Das Pfund, das du mir gegeben hast, Herr, hat fünf Pfunde eingebracht.' Und der Meister sagte: `Ich werde dich entsprechend als Herrscher über fünf Städte setzen.' Und so verfuhr er mit allen anderen, bis der letzte Diener, als er zur Rechenschaft gezogen wurde, berichtete: `Herr, schau, hier ist dein Pfund, das ich, sicher in dieses Tuch eingewickelt, aufbewahrt habe. Ich tat dies, weil ich dich fürchtete. Ich glaubte, du seist unvernünftig, weil du abhebest, wo du nichts hinterlegt hast, und zu ernten versuchst, wo du nicht gesät hast.' Da sagte sein Herr: `Du pflichtvergessener und untreuer Diener, ich will dich nach deinen eigenen Worten richten. Du wusstest, dass ich da ernte, wo ich scheinbar nichts gesät habe; deshalb wusstest du, dass diese Rechenschaft von dir gefordert würde. Und da du das wusstest, hättest du mein Geld zum mindesten einem Bankier übergeben sollen, damit ich es bei meiner Rückkehr mit angemessenen Zinsen vorgefunden hätte.' "Darauf sprach der Herrscher zu den Umstehenden: `Nehmt diesem faulen Diener das Geld weg und gebt es dem, der zehn Pfunde hat.' Und als sie den Herrn darauf aufmerksam machten, dass jener bereits zehn Pfunde besitze, sagte er: `Jedem, der da hat, soll noch mehr gegeben werden, aber dem, der nicht hat, soll sogar noch das, was er hat, genommen werden.' " Da versuchten die Apostel zu erfahren, was denn der Unterschied zwischen der Bedeutung dieses Gleichnisses und jener des früheren Gleichnisses von den Talenten sei, aber Jesus antwortete auf ihre vielen Fragen nur: "Sinnt in euren Herzen gut über diese Worte nach, und jeder von euch möge ihre wahre Bedeutung herausfinden." Es war Nathanael, der die Bedeutung dieser beiden Gleichnisse in den Jahren danach so trefflich lehrte, indem er seine Unterweisungen in den folgenden Schlussfolgerungen zusammenfasste: 1. Fähigkeit bestimmt in der Praxis das Ausmaß, in dem die Chancen des Lebens wahrgenommen werden. Ihr werdet nie für die Erfüllung von Dingen, die eure Fähigkeiten übersteigen, verantwortlich gemacht werden. 2. Treue ist der untrügliche Maßstab für menschliche Vertrauenswürdigkeit. Wer in kleinen Dingen treu ist, wird wahrscheinlich auch in allem, was mit seinen Gaben vereinbar ist, treu sein. 3. Der Meister gewährt für geringere Treue geringere Belohnung, wenn gleiche Gelegenheiten vorliegen. 4. Er gewährt für gleiche Treue gleiche Belohnung, auch wenn schlechtere Gelegenheiten gegeben sind. Nachdem sie ihr Mittagsmahl beendet hatten und die Anhängerschar nach Jerusalem weitergegangen war, wies Jesus, der neben der Straße im Schatten eines überhängenden Felsens vor seinen Aposteln stand, voll fröhlicher Würde und anmutsvoller Majestät mit dem Finger nach Westen und sagte: "Kommt, meine Brüder, lasst uns nach Jerusalem weitergehen, um dort entgegenzunehmen, was uns erwartet; so werden wir in allen Dingen den Willen des himmlischen Vaters erfüllen." Und so setzten Jesus und seine Apostel diesen Gang nach Jerusalem fort, den letzten des Meisters, während er als Sterblicher unter Sterblichen weilte. ****** Kapitel 172 Der Einzug in Jerusalem ****** JESUS und die Apostel erreichten Bethanien am Freitag, dem 31. März 30 kurz nach vier Uhr nachmittags. Lazarus, seine Schwestern und ihre Freunde erwarteten sie. Da jeden Tag so viele Menschen kamen, um mit Lazarus über seine Auferweckung zu sprechen, teilte man Jesus mit, man habe für seine Unterkunft bei Simon, einem gläubigen Nachbarn, Vorkehrungen getroffen. Simon war seit dem Tod des Vaters von Lazarus der führende Einwohner des kleinen Dorfes. An diesem Abend empfing Jesus viele Besucher, und die einfachen Leute von Bethanien und Bethphage taten ihr Bestes, um ihn fühlen zu lassen, wie willkommen er war. Obwohl viele dachten, Jesus gehe nun in offener Verachtung des sanhedrinischen Todesurteils nach Jerusalem, um sich zum König der Juden zu proklamieren, erkannte die Familie von Bethanien - Lazarus, Martha und Maria - klarer, dass der Meister kein König dieser Art war; sie fühlten dunkel, dass dies wohl sein letzter Besuch in Jerusalem und Bethanien sein könnte. Die Hohenpriester waren unterrichtet, dass Jesus in Bethanien wohnte, aber sie hielten es für das Beste, nicht zu versuchen, ihn aus der Mitte seiner Freunde heraus zu verhaften. Sie beschlossen abzuwarten, bis er nach Jerusalem komme. Jesus wusste um all das, aber er war von erhabener Ruhe; nie hatten seine Freunde ihn gelassener und freundlicher gesehen; sogar die Apostel waren erstaunt, dass er so unbeschwert sein konnte angesichts der Tatsache, dass der Sanhedrin alle Juden aufgerufen hatte, ihm Jesus auszuliefern. Während der Meister schlief, wachten die Apostel in dieser Nacht immer zu zweit über ihn, und viele von ihnen waren mit Schwertern gegürtet. Am nächsten Morgen wurden sie in der Frühe von Hunderten von Pilgern geweckt, die sogar an einem Sabbattag aus Jerusalem herübergekommen waren, um Jesus und den von den Toten auferstandenen Lazarus zu sehen. ***** 172.1 Sabbat in Bethanien ***** Sowohl Pilger von außerhalb Judäas als auch die jüdischen Machthaber hatten sich die Frage gestellt: "Was meint ihr? Wird Jesus zum Fest kommen?" Deshalb waren die Leute erfreut, als sie hörten, Jesus sei in Bethanien, aber die Hohenpriester und Pharisäer waren einigermaßen ratlos. Sie waren zufrieden, ihn unter ihrer Gerichtsbarkeit zu haben, aber seine Kühnheit beunruhigte sie ein wenig. Sie dachten daran, dass er bei seinem letzten Besuch in Bethanien Lazarus von den Toten auferweckt hatte, und Lazarus wurde für Jesu Feinde zu einem großen Problem. Sechs Tage vor Passah, am Abend nach dem Sabbat, kamen ganz Bethanien und Bethphage zusammen, um Jesu Ankunft mit einem öffentlichen Bankett in Simons Haus zu feiern. Dieses Abendessen wurde sowohl Jesu wie auch Lazarus zu Ehren gegeben, und es wurde in offener Missachtung des Sanhedrins veranstaltet. Martha überwachte das Auftragen der Speisen; ihre Schwester Maria befand sich unter den Zuschauerinnen, denn es war wider jüdische Sitte, dass eine Frau bei einem öffentlichen Bankett Platz nehme. Die Agenten des Sanhedrins waren zugegen, aber sie fürchteten sich davor, Jesus inmitten seiner Freunde festzunehmen. Jesus sprach mit Simon über den Josua von ehedem, dessen Namensvetter er war, und erzählte, wie Josua und die Israeliten durch Jericho nach Jerusalem heraufgekommen waren. Die Legende vom Einsturz der Mauern Jerichos kommentierte Jesus mit den Worten: "Ich kümmere mich nicht um solche Mauern aus Ziegel und Stein; aber ich möchte, dass das Predigen der Liebe des Vaters zu allen Menschen die Mauern aus Vorurteil, Selbstgerechtigkeit und Hass zum Einsturz brächte." Das Bankett ging in sehr fröhlicher und gewohnter Art vonstatten, außer dass alle Apostel ungewöhnlich ernsthaft blieben. Jesus war ausnehmend heiter und spielte mit den Kindern, bis man sich zu Tische begab. Es geschah nichts Ungewöhnliches, bis gegen Ende des Festes Maria, die Schwester des Lazarus, aus der Gruppe der zuschauenden Frauen heraustrat, sich dahin begab, wo der Meister als Ehrengast lagerte, und sich anschickte, ein großes Alabastergefäß mit einem sehr seltenen und kostbaren Salböl zu öffnen; und nachdem sie des Meisters Kopf damit gesalbt hatte, begann sie, es über seinen Füßen auszugießen, wobei sie ihre Haare löste und die Füße damit trocknete. Das ganze Haus wurde vom Wohlgeruch des Öls erfüllt, und alle Anwesenden staunten über das, was Maria getan hatte. Lazarus sagte nichts, aber als einige Leute murrten und ihre Empörung darüber zum Ausdruck brachten, dass ein so kostbares Öl derart verwendet wurde, schritt Judas Iskariot dahin, wo Andreas lagerte und sagte: "Wieso hat man dieses Öl nicht verkauft und den Erlös zur Speisung der Armen verwendet? Du solltest mit dem Meister sprechen, damit er solche Verschwendung tadle." Jesus, der wusste, was sie dachten, und hörte, was sie sagten, legte seine Hand auf den Kopf Marias, die an seiner Seite kniete, und sagte mit freundlichem Gesichtsausdruck: "Lasst sie in Ruhe, ihr alle. Weshalb behelligt ihr sie, da sie doch aus Herzensgrund etwas Gutes getan hat? Euch, die ihr murrt und sagt, dieses Öl hätte verkauft und das Geld den Armen gegeben werden sollen, lasst mich sagen, dass ihr die Armen stets um euch habt, so dass ihr ihnen jederzeit, wenn es euch beliebt, Gutes tun könnt; aber ich werde nicht immer bei euch sein; ich gehe bald zu meinem Vater. Diese Frau hat das Öl seit langem für das Begräbnis meines Körpers aufgehoben, und jetzt, wo sie es für gut fand, diese Salbung in Vorausnahme meines Todes vorzunehmen, soll ihr diese Befriedigung nicht verweigert werden. Durch ihre Handlung hat sie euch allen eine Rüge erteilt, indem sie durch diese Tat ihren Glauben an das, was ich über meinen Tod und meine Auffahrt zu meinem Vater im Himmel gesagt habe, bewiesen hat. Diese Frau soll für das, was sie heute Abend getan hat, nicht getadelt werden; ich sage euch vielmehr, dass, wo immer auf der ganzen Welt in den kommenden Zeitaltern dieses Evangelium gepredigt wird, man sich an sie erinnern und von dem sprechen wird, was sie getan hat." Wegen dieses Tadels, den er als persönlichen Vorwurf auffasste, beschloss Judas Iskariot schließlich, sich für seine verletzten Gefühle zu rächen. Oft hatte er unbewusst solche Ideen genährt, aber jetzt wagte er es, sich so abscheulichen Gedanken bei hellwachem Bewusstsein zu überlassen. Und viele andere ermutigten ihn in dieser Haltung, denn der Preis für das Salböl entsprach der Summe, die ein Mann in einem ganzen Jahr verdiente - genug, um fünftausend Menschen Brot zu verschaffen. Aber Maria liebte Jesus; sie hatte dieses kostbare Öl erworben, um seinen toten Körper damit einzubalsamieren, denn sie glaubte seinen Worten, als er sie vorwarnte, er müsse sterben; und man konnte es ihr nicht verdenken, dass sie sich umbesann und beschloss, den Meister mit dieser Gabe zu beschenken, während er noch lebte. Lazarus und Martha wussten beide, dass Maria seit langem das Geld zum Kauf des Krugs mit Lavendelöl zusammengespart hatte, und sie stimmten ihr aufrichtig zu, in dieser Angelegenheit so zu handeln, wie es ihr Herz begehrte, denn sie waren wohlhabend und konnten es sich ohne weiteres leisten, ein solches Geschenk zu machen. Als die Hohenpriester von diesem zu Jesu und Lazarus' Ehren gegebenen Abendessen in Bethanien erfuhren, begannen sie miteinander zu beratschlagen, was mit Lazarus zu geschehen habe. Alsbald beschlossen sie, dass er ebenfalls sterben müsse. Sie überlegten folgerichtig, dass es zwecklos wäre, Jesus hinzurichten, wenn sie Lazarus, den er von den Toten auferweckt hatte, am Leben ließen. ***** 172.2 Am Sonntagmorgen mit den Aposteln ***** An diesem Sonntagmorgen rief der Meister seine zwölf Apostel in Simons schönem Garten um sich zusammen und gab ihnen die letzten Anweisungen vor dem Betreten Jerusalems. Er sagte ihnen, er werde wahrscheinlich viele Ansprachen halten und manche Unterweisungen geben, bevor er zum Vater zurückkehre, aber er riet den Aposteln von jeglichem öffentlichen Wirken während dieses Passahaufenthaltes in Jerusalem ab. Er wies sie an, in seiner Nähe zu bleiben und zu "wachen und zu beten". Jesus wusste, dass viele seiner Apostel und engen Anhänger eben jetzt heimlich Schwerter bei sich trugen, aber er spielte nicht auf diese Tatsache an. Diese morgendlichen Instruktionen enthielten auch einen kurzen Rückblick auf ihr Wirken vom Tag ihrer Weihe bei Kapernaum an bis zu diesem Tag, da sie sich zum Einzug in Jerusalem bereit machten. Die Apostel hörten schweigend zu; sie stellten keine Fragen. Früh am Morgen hatte David Zebedäus Judas den Erlös aus dem Verkauf der Ausrüstung des Lagers von Pella übergeben, und Judas seinerseits hatte den größeren Teil dieses Geldes Simon, ihrem Gastgeber, für voraussichtliche dringende Erfordernisse bei ihrem Einzug in Jerusalem zur Verwahrung übergeben. Nach der Unterredung mit den Aposteln besprach sich Jesus mit Lazarus und hielt ihn an, sein Leben nicht der Rachsucht des Sanhedrins zu opfern. In Beherzigung dieses Rates floh Lazarus wenige Tage später, als die Offiziere des Sanhedrins Männer zu seiner Verhaftung aussandten, nach Philadelphia. Auf irgendeine Weise spürten sämtliche Anhänger Jesu die unmittelbar bevorstehende Krise, aber die ungewöhnliche Fröhlichkeit und die ausnehmend gute Laune des Meisters hinderten sie daran, deren Ernst ganz zu erfassen. ***** 172.3 Der Aufbruch nach Jerusalem ***** Bethanien lag ungefähr drei Kilometer vom Tempel entfernt, und um halb zwei an diesem Sonntagnachmittag machte sich Jesus bereit, nach Jerusalem aufzubrechen. Er empfand für Bethanien und seine einfachen Menschen tiefe Zuneigung. Nazareth, Kapernaum und Jerusalem hatten ihn abgelehnt, aber Bethanien hatte ihn angenommen und an ihn geglaubt. Und gerade dieses kleine Dorf, in dem fast jeder Mann, jede Frau und jedes Kind Glaubende waren, hatte er dazu ausersehen, um hier das gewaltigste Werk seiner irdischen Selbsthingabe, die Auferweckung des Lazarus, auszuführen. Er rief Lazarus nicht ins Leben zurück, auf dass die Dorfbewohner glaubten, sondern vielmehr, weil sie bereits glaubten. Während des ganzen Morgens hatte Jesus über seinen Einzug in Jerusalem nachgedacht. Zuvor hatte er sich stets bemüht, jeden öffentlichen Jubel um ihn als den Messias zu unterbinden, aber nun war es etwas anderes; er näherte sich dem Ende seiner irdischen Laufbahn, der Sanhedrin hatte seinen Tod beschlossen, und es konnte nichts schaden, seinen Jüngern zu erlauben, ihren Gefühlen freien Ausdruck zu geben, womit zu rechnen war, wenn er sich für einen formellen und öffentlichen Einzug in die Stadt entscheiden würde. Jesus entschloss sich nicht zu einem öffentlichen Einzug in Jerusalem, um ein letztes Mal um die Volksgunst zu werben oder endgültig nach der Macht zu greifen. Und er tat es auch in keiner Weise, um die menschlichen Sehnsüchte seiner Jünger und Apostel zu befriedigen. Jesus gab sich nicht den Illusionen eines fantastischen Träumers hin; er wusste sehr gut, welches Ende der Besuch nehmen würde. Nachdem er sich für einen öffentlichen Einzug in Jerusalem entschlossen hatte, stand der Meister vor der Notwendigkeit, eine geeignete Methode zur Ausführung dieser Entscheidung zu finden. Jesus dachte über alle mehr oder weniger widersprüchlichen so genannten messianischen Prophetien nach, aber es schien darunter nur eine einzige zu geben, der zu folgen sich für ihn überhaupt eignete. Die meisten dieser prophetischen Äußerungen beschrieben einen König, den Sohn und Nachfolger Davids, einen kühnen und dynamischen weltlichen Befreier ganz Israels vom Joch der Fremdherrschaft. Aber da gab es eine Schriftstelle, die manchmal von denen, die seine Sendung eher im geistigen Sinne auffassten, mit dem Messias in Beziehung gebracht wurde, und von der Jesus dachte, sie könne ihn vernünftigerweise bei seinem geplanten Einzug in Jerusalem leiten. Diese Stelle befand sich in Zacharias und lautete: "Frohlocke, oh Tochter Zions! Jauchze, oh Tochter Jerusalems! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und er bringt Rettung. Er kommt als ein Demütiger, auf einem Esel reitend, einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin." Ein Kriegerkönig zog stets auf einem Pferd in eine Stadt ein; ein König in friedlicher und freundschaftlicher Mission zog immer auf einem Esel reitend ein. Jesus wollte in Jerusalem nicht als ein Mensch hoch zu Ross Einzug halten, aber er war gewillt, friedlich und guten Willens als der Menschensohn auf einem Esel zu reiten. Jesus hatte lange Zeit durch direkte Unterweisung versucht, seinen Aposteln und Jüngern einzuprägen, dass sein Königreich nicht von dieser Welt, sondern eine rein geistige Angelegenheit sei; aber seinem Bemühen war kein Erfolg beschieden. Nun wollte er versuchen, durch einen symbolischen Appell zu erreichen, was ihm im klaren und persönlichen Unterricht nicht gelungen war. Also rief Jesus gleich nach dem Mittagsmahl Petrus und Johannes zu sich und wies sie an, nach Bethphage, einem etwas abseits der Hauptstraße und eine kurze Strecke nordwestlich von Bethanien gelegenen Nachbardorf, hinüberzugehen, und fügte hinzu: "Geht nach Bethphage, und wenn ihr bei der Wegkreuzung angelangt seid, werdet ihr dort ein angebundenes Fohlen einer Eselin finden. Bindet das Fohlen los und führt es mit euch zurück. Wenn euch jemand fragt, wieso ihr das tut, sagt nur: `Der Meister braucht es.' " Und als die beiden Apostel gemäß des Meisters Anweisung in Bethphage anlangten, fanden sie das angebundene Fohlen ganz nah bei seiner Mutter auf offener Straße neben einem Eckhaus. Als Petrus das Fohlen loszubinden begann, kam der Besitzer herüber und fragte, wieso er das tue. Als Petrus ihm antwortete, wie Jesus ihm aufgetragen hatte, sprach der Mann: "Wenn euer Meister Jesus von Galiläa ist, soll er das Fohlen haben." Und so kehrten sie mit dem Eselchen zurück. Bis dahin hatten sich mehrere hundert Pilger um Jesus und seine Apostel geschart; seit der Mitte des Vormittags hatten die durchziehenden Besucher auf ihrem Weg zum Passahfest Halt gemacht. Mittlerweile waren David Zebedäus und einige seiner früheren Kuriergefährten aus eigener Initiative nach Jerusalem hinuntergeeilt, wo sie rund um den Tempel unter den auf Besuch weilenden Pilgerscharen wirkungsvoll die Kunde verbreiteten, Jesus sei im Begriff, einen triumphalen Einzug in die Stadt zu halten. Demzufolge strömten Tausende von diesen Besuchern hinaus, um den Propheten und Wundertäter zu begrüßen, von dem so viel gesprochen wurde und den einige für den Messias hielten. Die aus Jerusalem herausströmenden Menschenmassen trafen auf Jesus und die der Stadt zustrebende Menge, gerade als diese die Kuppe des Ölbergs überschritten und mit dem Abstieg nach der Stadt begonnen hatte. Als die Prozession Bethanien verließ, herrschte große Begeisterung in der festlichen Menge von Jüngern, Gläubigen und Pilgern, die auf Besuch waren und von denen viele aus Galiläa und Peräa stammten. Gerade bevor sie sich in Bewegung setzten, trafen die zwölf Frauen des ursprünglichen Frauenkorps in Begleitung einiger ihrer Mitarbeiterinnen auf dem Schauplatz ein und schlossen sich der einzigartigen Prozession an, die sich freudig der Stadt zu bewegte. Vor dem Aufbruch legten die Alphäus Zwillinge ihre Mäntel auf den Esel und hielten ihn, während der Meister aufstieg. Als die Prozession sich dem Gipfel des Ölbergs näherte, warfen die festlich gestimmten Scharen ihre Kleider auf den Boden und brachen Zweige von den umstehenden Bäumen ab, um daraus einen Ehrenteppich für den Esel zu bilden, der den königlichen Sohn, den versprochenen Messias, trug. Während die fröhliche Menge sich auf Jerusalem zu bewegte, begann sie zu singen oder richtiger einstimmig den Psalm zu rufen: "Hosianna dem Sohn Davids; gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe. Gesegnet sei das Königreich, das vom Himmel herabkommt." Jesus war unbeschwert und heiter, während sie dahin zogen, bis er auf der Kuppe des Ölbergs anlangte, von wo sich dem Auge Stadt und Tempeltürme voll darboten. Hier hielt der Meister die Prozession an, und eine große Stille legte sich über alle, als sie ihn weinen sahen. Der Meister blickte auf die riesige Menge hinunter, die aus der Stadt kam, um ihn zu grüßen, und mit großer Bewegung und tränenerstickter Stimme sprach er: "Oh Jerusalem, hättest du, gerade du, nur wenigstens an diesem, deinem Tag, die Dinge erkannt, die zu deinem Frieden gehören und die du so uneingeschränkt hättest haben können! Aber nun sind diese Herrlichkeiten im Begriff, vor deinen Augen verborgen zu werden. Du bist dabei, den Friedenssohn zurückzuweisen und dem Evangelium des Heils den Rücken zu kehren. Bald werden die Tage über dich kommen, da deine Feinde um dich herum einen Graben legen und dich von allen Seiten her belagern werden; sie werden dich dem Erdboden gleichmachen, und kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Und all das wird dir widerfahren, weil du die Zeit deiner göttlichen Visitation nicht erkannt hast. Du bist im Begriff, das Geschenk Gottes zurückzuweisen, und alle Menschen werden dich zurückweisen." Als er fertig gesprochen hatte, begannen sie mit dem Abstieg vom Ölberg und trafen kurz danach auf den von Jerusalem herkommenden Besucherstrom, der Palmwedel schwenkte, Hosianna rief und seiner fröhlichen und kameradschaftlichen Stimmung in anderer Weise Ausdruck gab. Der Plan des Meisters sah nicht vor, dass ihnen diese Scharen aus Jerusalem entgegenkommen sollten; das war das Werk anderer. Er plante nie Theatralisches. Mit der Menge, die dem Meister zur Begrüßung entgegenströmte, kamen auch viele von den Pharisäern und seinen übrigen Feinden. Dieser plötzlich und unerwartet ausbrechende Beifall des Volkes verwirrte sie dermaßen, dass sie nicht wagten, ihn zu verhaften, aus Furcht, dadurch eine offene Volkserhebung heraufzubeschwören. Sie fürchteten die Haltung einer großen Zahl von Besuchern sehr, die viel von Jesus gehört hatten und von denen viele an ihn glaubten. Als sie sich Jerusalem näherten, wurde die Menge demonstrativer, so dass einige Pharisäer sich einen Weg an die Seite Jesu bahnten und sprachen: "Lehrer, du solltest deine Jünger zurechtweisen und sie ermahnen, sich angemessener zu benehmen." Jesus antwortete: "Es ist nur ziemlich, wenn diese Kinder den Friedenssohn willkommen heißen, den die Hohenpriester zurückgewiesen haben. Es wäre nutzlos, ihnen Einhalt zu gebieten, denn statt ihrer würden diese Steine am Straßenrand zu schreien beginnen." Die Pharisäer überholten die Prozession und hasteten zum Sanhedrin, der zu dieser Zeit im Tempel tagte, und berichteten ihren Gefährten: "Seht, alles, was wir unternehmen, ist ohne Erfolg; wir sind bestürzt über diesen Galiläer. Das Volk ist verrückt nach ihm geworden; wenn wir diesen Ignoranten nicht Einhalt gebieten, wird ihm die ganze Welt nachlaufen." Tatsächlich durfte man diesem oberflächlichen und spontanen Ausbruch von Volksbegeisterung keine tiefere Bedeutung beimessen. Obwohl die Begrüßung freudig und aufrichtig war, entsprang sie keiner echten oder tiefen Überzeugung in den Herzen der festlich gestimmten Teilnehmer. Die gleiche Menge war später in der Woche ebenso bereit, Jesus eilig abzulehnen, nachdem der Sanhedrin ihm gegenüber einmal eine feste und entschlossene Haltung eingenommen hatte, und nachdem die Ernüchterung über sie gekommen war - als sie gewahr wurden, dass Jesus das Königreich nicht in Übereinstimmung mit ihren lange gehegten Erwartungen errichten würde. Aber die ganze Stadt war mächtig aufgewühlt, und jedermann fragte: "Wer ist dieser Mann?" Und die Menge antwortete: "Das ist der Prophet von Galiläa, Jesus von Nazareth." ***** 172.4 Der Besuch im Tempel ***** Während die Alphäus Zwillinge den Esel seinem Besitzer zurückbrachten, lösten sich Jesus und die zehn Apostel von ihren unmittelbaren Begleitern, und während sie durch den Tempel schlenderten, schauten sie den Vorbereitungen zum Passahfest zu. Kein Versuch, Jesus zu belästigen, wurde unternommen, da der Sanhedrin große Angst vor dem Volk hatte; und das war schließlich einer der Gründe, weshalb Jesus der Menge gestattet hatte, ihm in dieser Art Beifall zu spenden. Die Apostel begriffen nicht, dass dies die einzig wirksame menschliche Vorgehensweise war, um beim Betreten der Stadt einer sofortigen Verhaftung zu entgehen. Der Meister wollte den Bewohnern Jerusalems, hohen und niedrigen, sowie den Zehntausenden von Passahbesuchern diese zusätzliche, letzte Gelegenheit geben, das Evangelium zu hören und, wenn sie es wünschten, den Friedenssohn anzunehmen. Und als nun der Abend nahte und die Menge sich verlief, um sich nach Verpflegung umzusehen, fanden sich Jesus und seine engeren Gefährten allein. Was für ein seltsamer Tag war das doch gewesen! Die Apostel waren nachdenklich, blieben aber stumm. Nie in all den mit Jesus verbrachten Jahren hatten sie einen solchen Tag verlebt. Sie setzten sich für eine Weile bei der Schatztruhe nieder, und schauten zu, wie die Leute ihre Beiträge hineinwarfen: Die Reichen legten viel in den Sammelkasten, und jedermann gab etwas, was der Größe seines Besitzes entsprach. Endlich kam eine arme Witwe in dürftiger Kleidung daher, und sie beobachteten, wie sie zwei Miten (kleine Kupferstücke) in den Trichter warf. Da lenkte Jesus die Aufmerksamkeit der Apostel auf die Witwe und sagte: "Merkt euch gut, was ihr eben gesehen habt. Diese arme Witwe hat mehr hineingeworfen als alle anderen, denn alle anderen haben als Geschenk ein klein wenig von ihrem Überfluss weggegeben; aber obwohl diese arme Frau in Not ist, hat sie alles gegeben, was sie besaß, sogar das Lebensnotwendige." Als es Abend wurde, gingen sie schweigend in den Tempelhöfen umher, und nachdem Jesus wieder einmal diese vertrauten Szenen betrachtet und sich dabei seiner Gefühle anlässlich vorangegangener Besuche, einschließlich der früheren, erinnert hatte, sagte er: "Lasst uns zur Nachtruhe nach Bethanien hinaufgehen." Jesus begab sich mit Petrus und Johannes zu Simons Haus, während die anderen Apostel bei ihren Freunden in Bethanien und Bethphage übernachteten. ***** 172.5 Die Haltung der Apostel ***** Als sie an diesem Sonntagabend nach Bethanien zurückkehrten, schritt Jesus den Aposteln voran. Nicht ein Wort wurde gesprochen, bis sie, bei Simons Haus angelangt, auseinander gingen. Nie hatten zwölf menschliche Wesen ähnlich verschiedenartige und unerklärliche Gefühle durchlebt wie die, welche jetzt in Gemüt und Seele dieser Botschafter des Königreichs aufwallten. Diese robusten Galiläer waren verwirrt und aus der Fassung gebracht; sie wussten nicht, was sie als Nächstes erwartete; sie waren zu überrascht, um sich allzu sehr zu ängstigen. Sie wussten nichts von den Plänen des Meisters für den nächsten Tag, und sie stellten keine Fragen. Sie begaben sich in ihre Quartiere, obwohl sie, mit Ausnahme der Zwillinge, nicht viel schliefen. Aber sie stellten für Jesus keine bewaffnete Wache vor Simons Haus. Andreas war völlig fassungslos, nahezu verwirrt. Er war der einzige Apostel, der nicht ernsthaft versuchte, die spontane Sympathiekundgebung des Volkes zu bewerten. Er war zu sehr vom Gedanken an seine Verantwortung als Haupt des Apostelkorps beherrscht, als dass er sich ernstlich Gedanken über Bedeutung oder Sinn der lauten Hosiannarufe der Menge gemacht hätte. Andreas war damit beschäftigt, einige seiner Gefährten im Auge zu behalten, von denen er befürchtete, sie könnten sich in der Erregung von ihren Gefühlen hinreißen lassen, insbesondere Petrus, Jakobus, Johannes und Simon Zelotes. Den ganzen Tag über und während der folgenden Tage machten Andreas ernsthafte Zweifel zu schaffen, doch nie teilte er seinen apostolischen Gefährten auch nur einen einzigen davon mit. Die Haltung einiger der Zwölf, die, wie er wusste, mit Schwertern bewaffnet waren, bereitete ihm Sorgen; aber er wusste nicht, dass auch sein eigener Bruder Petrus eine solche Waffe bei sich trug. Und so machte die Prozession nach Jerusalem auf Andreas einen vergleichsweise oberflächlichen Eindruck; zu sehr beschäftigten ihn die Verantwortlichkeiten seines Amtes, als dass er in anderer Weise hätte berührt werden können. Simon Petrus war anfangs nahezu hingerissen ob dieser Kundgebung des begeisterten Volkes; aber als sie an diesem Abend nach Bethanien zurückkehrten, war er beträchtlich ernüchtert. Petrus konnte ganz einfach nicht begreifen, was der Meister vorhatte. Er war zutiefst enttäuscht dar-über, dass Jesus auf diese Welle der Volksgunst nicht irgendeine Verlautbarung folgen ließ. Petrus konnte nicht verstehen, weshalb Jesus nicht zu der Menge sprach, als sie beim Tempel ankamen, oder wenigstens einem der Apostel erlaubte, sich an die Versammelten zu wenden. Petrus war ein großer Prediger, und es schmerzte ihn, mit ansehen zu müssen, wie eine so große aufnahmebereite und begeisterte Zuhörerschaft ungenutzt blieb. So gerne hätte er dieser Menschenmenge gerade hier im Tempel das Evangelium vom Königreich gepredigt; aber der Meister hatte ihnen ausdrücklich Weisung gegeben, während dieser Passahwoche in Jerusalem jedes Lehren und Predigen zu unterlassen. Der Rückschlag nach der spektakulären Prozession in die Stadt hinein war für Simon Petrus niederschmetternd; am Abend war er ernüchtert und unbeschreiblich traurig. Für Jakobus Zebedäus war dieser Sonntag ein Tag tiefer Verwirrung und Ratlosigkeit; er konnte den Sinn dessen, was sich da abspielte, nicht begreifen. Er konnte nicht verstehen, was der Meister bezweckte, als er diesen wilden Beifall zuließ und sich dann weigerte, auch nur ein Wort zu den Menschen zu sagen, als sie beim Tempel anlangten. Während die Prozession sich den Ölberg hinunter auf Jerusalem zu bewegte und besonders, als die Tausende von Pilgern zu ihnen stießen, die aus der Stadt geströmt waren, um den Meister willkommen zu heißen, fühlte sich Jakobus auf grausame Weise hin- und hergerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen freudiger Erregung und Genugtuung über das, was er sah, und beklemmender Angst vor dem, was geschehen würde, wenn sie beim Tempel anlangten. Und dann war er niedergeschlagen und von Enttäuschung überwältigt, als Jesus vom Esel stieg und gemächlich durch die Tempelhöfe schritt. Jakobus konnte nicht verstehen, aus welchem Grund Jesus eine solch großartige Gelegenheit zur Verkündigung des Königreichs vorübergehen ließ. Am Abend hielt eine peinigende und schreckliche Ungewissheit sein Gemüt fest im Griff. Johannes Zebedäus kam dem Verständnis der Handlungsweise Jesu einigermaßen nahe; wenigstens erfasste er teilweise die geistige Bedeutung dieses so genannten triumphalen Einzugs in Jerusalem. Als die Menge sich auf den Tempel zu bewegte und Johannes seinen Meister rittlings auf einem Fohlen sitzend erblickte, erinnerte er sich daran, wie er einst Jesus jene Schriftstelle aus Zacharias hatte zitieren hören, die den kommenden Messias als einen Mann des Friedens beschrieb, der auf einem Esel in Jerusalem einzog. Als Johannes über diese Schriftstelle nachsann, begann er die symbolische Bedeutung dieses sonntagnachmittäglichen Festzuges zu begreifen. Wenigstens erfasste er genug vom Sinn dieser Schriftstelle, um die Episode irgendwie genießen zu können und sich durch das scheinbar zwecklose Ende der triumphalen Prozession nicht übermäßig deprimieren zu lassen. Johannes hatte einen Verstandestyp, der natürlicherweise dazu neigte, in Symbolen zu denken und zu fühlen. Philipp wurde durch die Plötzlichkeit und Spontaneität des Ausbruchs völlig aus dem Gleis geworfen. Auf dem Weg vom Ölberg herunter war er nicht in der Lage, seine Gedanken genügend zu sammeln, um zu irgendeiner festen Vorstellung darüber zu gelangen, was die ganze Veranstaltung bezwecken sollte. Irgendwie genoss er das Schauspiel, weil sein Meister geehrt wurde. Als sie beim Tempel ankamen, beunruhigte ihn der Gedanke, Jesus könnte ihn möglicherweise bitten, die Menge zu speisen, so dass er ganz erleichtert war, als sich Jesus gemächlich von den Leuten entfernte, was gerade die Mehrzahl der Apostel so bitter enttäuschte. Die Menschenmassen waren für den Proviantmeister der Zwölf oft eine große Belastungsprobe gewesen. Nachdem diese persönlichen Befürchtungen hinsichtlich der materiellen Bedürfnisse der Menge von ihm genommen waren, gab er mit Petrus seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, dass nichts getan wurde, um die Menge zu lehren. Am Abend überdachte Philipp diese Erlebnisse und geriet in Versuchung, an der ganzen Idee vom Königreich zu zweifeln; er stellte sich ehrlich die Frage, was das alles zu bedeuten habe, aber er teilte seine Zweifel niemandem mit; er liebte Jesus zu sehr. Er hatte einen großen persönlichen Glauben an den Meister. Von den symbolischen und prophetischen Aspekten abgesehen, kam Nathanael der Deutung dessen am nächsten, was den Meister bewogen hatte, die öffentliche Unterstützung der Passahpilger zu gewinnen. Noch bevor sie beim Tempel anlangten, hatte er logisch gefolgert, dass Jesus ohne solch einen demonstrativen Einzug in Jerusalem von den Beamten des Sanhedrins im Augenblick, da er sich angemaßt hätte, die Stadt zu betreten, verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden wäre. Es überraschte ihn deshalb nicht im geringsten, dass der Meister von den ihm zujubelnden Massen keinen weiteren Gebrauch machte, sobald er ins Innere der Stadtmauern gelangt war und dadurch die jüdischen Führer so nachhaltig beeindruckte, dass sie davon absahen, ihn sofort unter Arrest zu stellen. Da Nathanael den wahren Grund verstand, weshalb der Meister in dieser Art in der Stadt Einzug hielt, folgte er der Prozession ganz natürlich mit mehr Gelassenheit und ließ sich durch Jesu anschließendes Verhalten weniger verwirren und enttäuschen als die übrigen Apostel. Nathanael hatte großes Vertrauen in Jesu Menschenkenntnis sowie in seinen Scharfsinn und seine Klugheit im Umgang mit schwierigen Situationen. Matthäus machte das Schauspiel des Festzugs zuerst ratlos. Er begriff den Sinn dessen, was sich seinen Augen darbot, erst, als auch er sich an die Schriftstelle in Zacharias erinnerte, wo der Prophet den Jubel Jerusalems erwähnte, weil sein König Rettung bringend gekommen war und auf dem Fohlen einer Eselin ritt. Als die Prozession sich auf die Stadt zu bewegte und danach zum Tempel weiterzog, geriet Matthäus in Ekstase; er war sicher, dass etwas Außerordentliches geschehen würde, wenn der Meister an der Spitze dieser laut rufenden Menge beim Tempel anlangen würde. Als einer der Pharisäer sich über Jesus mit den Worten lustig machte: "Schaut alle her, seht, wer da kommt, der König der Juden auf einem Esel reitend!" ließ Matthäus seine Hände nur unter Aufbietung großer Selbstbeherrschung von ihm. Keiner der Zwölf war am Abend auf dem Rückweg nach Bethanien niedergeschlagener als er. Nach Simon Petrus und Simon Zelotes litt er unter der größten nervlichen Anspannung und befand sich nachts in einem Zustand der Erschöpfung. Aber bis zum Morgen hatte Matthäus wieder Mut geschöpft; er war letzten Endes ein guter Verlierer. Thomas war von allen Zwölfen der Bestürzteste und Fassungsloseste. Die meiste Zeit folgte er nur einfach nach, starrte auf das Schauspiel und fragte sich ehrlich verwundert, was des Meisters Beweggrund sein könnte, sich an einer so eigenartigen Kundgebung zu beteiligen. Zutiefst im Herzen kam ihm die ganze Darbietung ein wenig kindisch, wenn nicht geradezu närrisch, vor. Er hatte Jesus nie etwas Ähnliches tun sehen und fand für sein seltsames Verhalten an diesem Sonntagnachmittag keine Erklärung. Bis sie den Tempel erreicht hatten, war Thomas zu dem Schluss gelangt, der Zweck dieser Volksdemonstration sei, den Sanhedrin so sehr zu erschrecken, dass er es nicht wagen würde, den Meister sofort zu verhaften. Auf dem Rückweg nach Bethanien dachte Thomas viel nach, sagte aber nichts. Bis zur Schlafenszeit hatte die Klugheit, mit der der Meister den tumultartigen Einzug in Jerusalem in Szene gesetzt hatte, begonnen, an seinen Sinn für Humor zu rühren, und diese Reaktion stimmte ihn bedeutend heiterer. Dieser Sonntag hatte für Simon Zelotes als großer Tag begonnen. Er hatte Visionen von wunderbaren Geschehnissen, die sich in den nächsten paar Tagen in Jerusalem ereignen würden, und damit hatte er recht, aber Simon träumte von der Errichtung der neuen nationalen Regierung der Juden mit Jesus auf dem Thron Davids. Simon sah die Nationalisten in Aktion treten, sobald das Königreich ausgerufen würde, und sich selber als obersten Befehlshaber über die sich versammelnde Streitmacht des neuen Königreichs. Während des Abstiegs vom Ölberg hielt er sogar den Tod der Sanhedristen und aller ihrer Sympathisanten noch vor Sonnenuntergang dieses Tages für möglich. Er glaubte wirklich, etwas Großes werde sich in Kürze ereignen. Er war der lauteste Mensch in der ganzen Menge. Gegen fünf Uhr an jenem Nachmittag war er ein stiller, wie vernichteter, desillusionierter Apostel. Er erholte sich nie vollständig von der Depression, die sich als Folge des Schocks an diesem Tag in ihm festsetzte; wenigstens nicht bis lange nach des Meisters Auferstehung. Für die Alphäus Zwillinge war dies ein vollkommener Tag. Sie genossen ihn wahrlich von Anfang bis Ende, und da sie während des stillen Tempelrundgangs nicht anwesend waren, entgingen sie weitgehend der Ernüchterung nach dem Sympathieausbruch des Volkes. Sie konnten sich die Niedergeschlagenheit der Apostel einfach nicht erklären, als sie an diesem Abend nach Bethanien zurückkehrten. In der Erinnerung der Zwillinge blieb dies immer der Tag, an dem sie sich auf Erden dem Himmel am nächsten gefühlt hatten. Dieser Tag war der befriedigende Höhepunkt ihrer ganzen Laufbahn als Apostel. Und die Erinnerung an die Hochstimmung dieses Sonntagnachmittags trug sie durch die ganze Tragödie dieser ereignisreichen Woche bis hin zur Stunde der Kreuzigung. Es war der passendste Einzug des Königs, den sich die Zwillinge vorstellen konnten; sie genossen jeden Augenblick des ganzen Umzugs. Sie billigten alles, was sie sahen und behielten es lange in liebevoller Erinnerung. Von allen Aposteln war Judas Iskariot derjenige, auf den sich dieser prozessionsartige Einzug in Jerusalem am nachteiligsten auswirkte. In seinem Gemüt gärte es bedenklich wegen der Zurechtweisung durch den Meister am Vortag anlässlich der Salbung durch Maria beim Fest in Simons Haus. Judas war von dem ganzen Schauspiel angewidert. Es kam ihm kindisch, wenn nicht geradezu lächerlich vor. Als dieser rachsüchtige Apostel auf das blickte, was sich an diesem Sonntagnachmittag abspielte, schien ihm Jesus mehr einem Clown als einem König zu gleichen. Er ärgerte sich gründlich über die ganze Veranstaltung. Er teilte die Ansicht der Griechen und Römer, die auf jeden herabschauten, der bereit war, auf einem Esel oder einem Eselfüllen zu reiten. Bis zum Einzug der triumphalen Prozession in die Stadt hatte sich Judas nahezu entschieden, die ganze Idee von einem solchen Königreich fallen zu lassen; er war beinahe entschlossen, sich von all solch possenhaften Versuchen zur Errichtung des Königreichs des Himmels loszusagen. Aber dann dachte er an die Auferweckung des Lazarus und an vieles andere und beschloss, bei den Zwölfen zu bleiben, wenigstens noch einen Tag lang. Außerdem trug er den Geldsack, und er würde nicht mit den apostolischen Mitteln in seinem Besitz desertieren. Auf dem Heimweg nach Bethanien an diesem Abend fiel sein Verhalten nicht sonderlich auf, da alle Apostel ebenso niedergeschlagen und schweigsam waren. Der Spott seiner Sadduzäerfreunde traf Judas zutiefst. Bei seinem endgültigen Entschluss, Jesus und seine Mitapostel zu verlassen, übte kein einziger anderer Faktor auf ihn einen so mächtigen Einfluss aus wie jener Vorfall, der sich gerade zutrug, als Jesus das Stadttor erreichte: Ein prominenter Sadduzäer (ein Freund der Familie des Judas) eilte voll schadenfrohen Spottes auf ihn zu und klopfte ihm mit den Worten auf die Schulter: "Warum so zerknirscht, mein guter Freund? Kopf hoch! Komm mit uns, um diesem Jesus von Nazareth, dem König der Juden, zuzujubeln, der auf einem Esel sitzt und durch die Tore von Jerusalem reitet." Judas hatte sich nie vor Verfolgung gefürchtet, aber er konnte diese Art Spott nicht ertragen. In die lange gehegten Rachegefühle mischte sich nun diese verhängnisvolle Furcht vor Lächerlichkeit, dieses schreckliche und beängstigende Gefühl, sich seines Meisters und seiner Apostelgefährten schämen zu müssen. In seinem Herzen war dieser geweihte Botschafter des Königreichs bereits ein Deserteur; er hatte nur noch einen glaubwürdigen Vorwand für einen offenen Bruch mit dem Meister zu finden. ****** Kapitel 173 Am Montag in Jerusalem ****** WIE verabredet, versammelten sich Jesus und die Apostel an diesem Montagmorgen in der Frühe in Simons Haus in Bethanien, und nach einer kurzen Besprechung machten sie sich auf nach Jerusalem. Auf dem Weg zum Tempel waren die Zwölf merkwürdig still; sie hatten sich von dem am Vortag Erlebten noch nicht erholt. Sie waren erwartungsvoll und ängstlich und empfanden zutiefst eine Art Entfremdungsgefühl, das aus dem plötzlichen Taktikwechsel des Meisters sowie aus seiner Weisung erwuchs, sich während dieser Passahwoche jedes öffentlichen Lehrens zu enthalten. Als die Gruppe den Ölberg hinabstieg, ging Jesus voran, und die Apostel folgten in nachdenklichem Schweigen dicht hinter ihm. Mit Ausnahme Judas Iskariots beherrschte alle ein einziger Gedanke, nämlich: Was wird der Meister heute tun? Der in ihm alles absorbierende Gedanke des Judas war: Was soll ich tun? Soll ich bei Jesus und meinen Gefährten bleiben, oder soll ich mich zurückziehen? Und wenn ich aufgebe, wie soll ich den Bruch vollziehen? Es war gegen neun Uhr an diesem schönen Morgen, als die Männer beim Tempel anlangten. Sie begaben sich sofort zu dem großen Hof, wo Jesus so oft gelehrt hatte. Nachdem er die Gläubigen, die auf ihn warteten, begrüßt hatte, bestieg Jesus eines der Rednerpodeste und begann, zu der sich versammelnden Menge zu sprechen. Die Apostel zogen sich auf kurze Distanz zurück und warteten die weitere Entwicklung ab. ***** 173.1 Die Reinigung des Tempels ***** Ein gewaltiger Geschäftsbetrieb hatte sich im Tempel in Verbindung mit den Gottesdiensten und Anbetungszeremonien entwickelt. Da gab es das Geschäft, die verschiedenen Opferhandlungen mit passenden Tieren zu versorgen. Obwohl es jedem Tempelgänger gestattet war, sein eigenes Opfertier mitzubringen, blieb doch die Tatsache bestehen, dass dieses von allem "Makel" frei zu sein hatte im Sinne des Levitischen Gesetzes und dessen Auslegung durch die offiziellen Tempelinspektoren. Manch ein Tempelgänger hatte die Demütigung erlebt, dass die Examinatoren des Tempels sein, wie er glaubte, vollkommenes Tier zurückwiesen. Deshalb war es gängige Praxis geworden, die Opfertiere im Tempel zu kaufen, und obgleich es auf dem nahe gelegenen Ölberg mehrere Orte gab, wo man sie erwerben konnte, war es Brauch geworden, diese Tiere direkt aus den Pferchen des Tempels zu kaufen. Nach und nach war es zur Gewohnheit geworden, in den Tempelhöfen alle möglichen Arten von Opfertieren zum Kauf anzubieten. Auf diese Weise war ein ausgedehnter Handel entstanden, bei dem enorme Profite gemacht wurden. Ein Teil dieser Gewinne war für den Tempelschatz bestimmt, aber der größere Teil floss auf Umwegen in die Hände der Familien der regierenden Hohenpriester. Dieser Tierverkauf im Tempel florierte, denn wenn der Opfernde ein solches Tier erstand, obwohl dessen Preis recht hoch sein konnte, waren keine weiteren Abgaben zu bezahlen, und er konnte sicher sein, dass sein beabsichtigtes Opfer nicht aufgrund wirklicher oder theoretischer Mängel zurückgewiesen wurde. Von Zeit zu Zeit wurde das gemeine Volk mit ungeheuerlichen Preisaufschlägen gedrückt, insbesondere während der großen nationalen Feste. Einmal gingen die habgierigen Priester so weit, für ein Taubenpaar, das den Armen für einige wenige Pfennige hätte verkauft werden sollen, eine Summe zu verlangen, die dem Wert von einer Woche Arbeit entsprach. Die "Söhne des Hannas" hatten bereits damit begonnen, ihre Basare im Tempelbezirk zu errichten, eben jene Warenmärkte, die weiter existierten, bis der Pöbel sie endlich drei Jahre vor der Zerstörung des Tempels niederriss. Aber der Handel mit Opfertieren und allerlei Waren war nicht die einzige Art, in der die Tempelhöfe entweiht wurden. Zu dieser Zeit wurde ein ausgedehntes System von Bank- und Tauschgeschäften aufgebaut, die direkt im Tempelbezirk abgewickelt wurden. Dazu war es folgendermaßen gekommen: Während der Dynastie der Hasmonäer prägten die Juden ihre eigenen Silbermünzen, und es war Praxis geworden zu verlangen, dass die Tempelgebühr von einem halben Schekel und alle übrigen Tempelabgaben mit dieser jüdischen Münze zu bezahlen seien. Diese Bestimmung machte die Erteilung von Konzessionen an Geldwechsler nötig, um die vielen Geldsorten, die in Palästina und anderen Provinzen des Römischen Reiches im Umlauf waren, gegen diese orthodoxen Schekel jüdischer Prägung einzutauschen. Die Tempelkopfsteuer, die alle mit Ausnahme von Frauen, Sklaven und Minderjährigen zu entrichten hatten, betrug einen halben Schekel, eine ziemlich dicke Münze von zwei Zentimetern Durchmesser. Zurzeit Jesu waren die Priester auch von der Bezahlung der Tempelabgaben befreit worden. Folglich schlugen beglaubigte Geldwechsler in der Zeit vom 15. bis zum 25. des dem Passahfest vorangehenden Monats in den wichtigsten Städten Palästinas ihre Buden auf, um die jüdischen Bürger mit dem ordnungsgemäßen Geld zu versehen, das diese, einmal in Jerusalem angelangt, zur Entrichtung der Tempelsteuern benötigten. Nach dieser zehntägigen Periode zogen die Geldwechsler nach Jerusalem und stellten ihre Wechseltische in den Tempelhöfen auf. Es war ihnen gestattet, für den Umtausch einer Münze im Wert von etwa zehn Pfennigen eine Kommission von drei bis vier Pfennigen zu erheben, und wenn eine Münze von größerem Wert zum Wechsel angeboten wurde, durften sie das Doppelte kassieren. Desgleichen profitierten diese Bankleute des Tempels vom Wechsel allen Geldes, das zum Kauf von Opfertieren oder zur Bezahlung von Gelübden und für Spenden bestimmt war. Die Geldwechsler des Tempels führten nicht nur einen regelrechten Bankbetrieb mit Gewinn aus dem Umtausch von mehr als zwanzig Geldsorten, die die Pilger-Besucher in regelmäßigen Abständen nach Jerusalem brachten, sondern sie beschäftigten sich auch mit sämtlichen anderen zum Bankgeschäft gehörenden Transaktionen. Sowohl der Tempelschatz wie die religiösen Führer profitierten gewaltig von diesen geschäftlichen Aktivitäten. Es war nicht ungewöhnlich, dass der Tempelschatz die Entsprechung von zehn Tonnen Gold ent-hielt, während das gemeine Volk in Armut darbte und fortfuhr, diese ungerechten Abgaben zu zahlen. Inmitten dieses lärmenden Haufens von Geldwechslern, Waren- und Viehhändlern versuchte Jesus an diesem Montagmorgen das Evangelium vom himmlischen Königreich zu verkündigen. Nicht nur er empörte sich über diese Entheiligung des Tempels: Auch die einfachen Leute und insbesondere die jüdischen Besucher aus ausländischen Provinzen waren echt entrüstet über diese Entweihung ihres nationalen Hauses der Anbetung durch Wuchergeschäfte. Damals hielt auch der Sanhedrin seine ordentlichen Sitzungen in einem Raum ab, der von diesem ganzen Stimmengewirr und Durcheinander von Tausch und Handel umgeben war. Als sich Jesus anschickte, mit seiner Rede zu beginnen, ereigneten sich zwei Dinge, die seine Aufmerksamkeit erregten. Am Geldtisch eines nahen Wechslers war ein heftiger und hitziger Streit über eine angeblich zu hohe Geldforderung an einen Juden aus Alexandria ausgebrochen, während im selben Augenblick das Gebrüll einer Herde von gut hundert Ochsen, die von einem Abteil der Tierpferche zum anderen getrieben wurden, die Luft zerriss. Als Jesus innehielt und schweigend, aber nachdenklich dieses Bild der Krämerei und Verwirrung betrachtete, erblickte er ganz in der Nähe einen schlichten Galiläer, einen Mann, mit dem er einst in Iron gesprochen hatte, und der eben jetzt von hochmütigen und sich überlegen wähnenden Judäern verspottet und angerempelt wurde; und all das wirkte zusammen, um in Jesu Seele einen jener seltsamen und periodischen Ausbrüche gefühlsmäßiger Empörung auszulösen. Zur Verblüffung seiner Apostel, die nahe dabei standen und davon absahen, sich an dem, was sofort folgen sollte, zu beteiligen, stieg Jesus vom Rednerpodest herab, ging zu dem jungen Burschen hinüber, der das Vieh durch den Hof führte, nahm ihm seine Schnurpeitsche aus der Hand und trieb die Tiere rasch aus dem Tempel hinaus. Aber das war nicht alles: Unter den staunenden Blicken der Tausende, die im Tempelhof versammelt waren, schritt er majestätisch zu dem entferntesten Viehpferch und machte sich daran, die Boxentore eines nach dem anderen zu öffnen und die gefangenen Tiere hinauszutreiben. Jetzt waren die versammelten Pilger wie elektrisiert, und mit lauten Rufen gingen sie auf die Basare los und begannen, die Tische der Geldwechsler umzustürzen. In weniger als fünf Minuten war alles Markttreiben aus dem Tempel gefegt. Bis die in der Nähe befindlichen römischen Wachsoldaten auf dem Schauplatz eintrafen, war alles ruhig, und die Menge war wieder friedlich geworden. Jesus kehrte zum Rednerpodest zurück und sprach zu ihr: "Ihr seid heute Zeugen dessen geworden, was in den Schriften geschrieben steht: `Mein Haus soll ein Haus des Gebets für alle Nationen genannt werden, ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht.' " Bevor er noch ein weiteres Wort sprechen konnte, brach die große Versammlung in Hosiannarufe der Lobpreisung aus, und gleich darauf trat eine Schar von Jugendlichen aus der Menge hervor und sang Dankeshymnen zur Würdigung dafür, dass die profanen und gewinnsüchtigen Händler aus dem geheiligten Tempel verjagt worden waren. Inzwischen waren einige Priester am Ort des Geschehens eingetroffen, und einer von ihnen sagte zu Jesus: "Hörst du nicht, was die Kinder der Leviten sagen?" Und der Meister antwortete: "Hast du nie gelesen: `Vollkommen ist das Lob aus dem Munde von kleinen Kindern und Säuglingen gekommen'?" Und während Jesus den Rest des Tages über lehrte, wachten durch das Volk bestellte Posten an allen Bogengängen und duldeten nicht einmal, dass jemand ein leeres Gefäß quer durch die Tempelhöfe trug. Als die Hohenpriester und Schriftgelehrten von diesen Vorfällen hörten, waren sie sprachlos. Je mehr sie den Meister fürchteten, um so entschlossener wurden sie, ihn umzubringen. Aber sie waren völlig ratlos. Sie wussten nicht, wie sie seinen Tod herbeiführen könnten, denn sie fürchteten sich sehr vor der Menge, die so offen ihre Zustimmung zum Hinauswurf der weltlichen Profitjäger bekundet hatte. Und während dieses ganzen Tages der Ruhe und des Friedens in den Tempelhöfen hörten die Leute der Lehre Jesu zu und hingen förmlich an seinen Lippen. Dieser überraschende Akt Jesu überstieg das Verständnis seiner Apostel. Sie wurden von dieser plötzlichen und unvorhergesehenen Handlung ihres Meisters derart überrumpelt, dass sie während des ganzen Vorgangs beim Rednerpodest zusammengeschart verharrten und keinen Finger rührten, um die Tempelreinigung zu unterstützen. Hätte sich dieser Aufsehen erregende Vorfall am Tag zuvor ereignet, im Augenblick der triumphalen Ankunft Jesu beim Tempel am Ende seiner tumultartigen Prozession durch die Stadttore und während ihm die Menge fortwährend laut zujubelte, wären sie dazu bereit gewesen, aber die Plötzlichkeit des Geschehens fand sie zur Teilnahme völlig unvorbereitet. Die Tempelreinigung zeigt des Meisters Haltung gegenüber der Kommerzialisierung der Religionspraktiken wie auch seine Abscheu vor allen Formen von Ungerechtigkeit und Profitgier auf Kosten der Armen und Ungebildeten. Diese Episode beweist ebenfalls, dass Jesus die Weigerung missbilligte, zum Schutz der Mehrheit irgendeiner Menschengruppe Gewalt anzuwenden gegen die unfairen und versklavenden Machenschaften ungerechter Minderheiten, die sich hinter politischer, finanzieller oder geistlicher Macht zu verschanzen wissen. Gerissenen, gottlosen und berechnenden Menschen darf nicht gestattet werden, sich zur Ausnutzung und Unterdrückung derer zu organisieren, die aufgrund ihres Idealismus nicht bereit sind, zu ihrem Selbstschutz und zur Förderung ihrer löblichen Lebensprojekte Gewalt anzuwenden. ***** 173.2 Die Anfechtung der Autorität des Meisters ***** Der triumphale Einzug in Jerusalem am Sonntag schüchterte die jüdischen Führer dermaßen ein, dass sie von einer Verhaftung Jesu absahen. Die spektakuläre Tempelreinigung schob des Meisters Festnahme auch an diesem Tag wirksam hinaus. Tag für Tag wuchs die Entschlossenheit der Führer der Juden, ihn umzubringen, aber zwei Befürchtungen beunruhigten sie, deren Zusammenwirken die Stunde des Zuschlagens hinausschob. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten wollten Jesus nicht in der Öffentlichkeit verhaften aus Angst, die Menge könnte sich in einem Zornesausbruch gegen sie wenden; ebenso befürchteten sie, an die römische Garde gelangen zu müssen, um eine Volkserhebung niederzuschlagen. Da kein Freund des Meisters an der Mittagssitzung des Sanhedrins teilnahm, kam diese Versammlung einstimmig überein, dass Jesus schleunigst beseitigt werden müsse. Aber sie konnten sich über Zeitpunkt und Art und Weise seiner Gefangennahme nicht einigen. Schließlich vereinbarten sie, fünf Gruppen zu bestimmen, die sich unter das Volk mischen und versuchen sollten, ihn sich in seiner Lehre verfangen zu lassen oder auf andere Weise in den Augen derer, die seiner Unterweisung zuhörten, zu diskreditieren. Folglich bahnte sich gegen zwei Uhr, als Jesus gerade seine Rede über "die Freiheit der Sohnschaft" begonnen hatte, eine Gruppe dieser Ältesten Israels einen Weg in die Nähe Jesu und unterbrach ihn in der gewohnten Weise mit der Frage: "Kraft welcher Autorität tust du diese Dinge? Wer hat dir diese Autorität gegeben?" Es war durchaus rechtmäßig, dass die Tempelvorsteher und die Beamten des jüdischen Sanhedrins diese Frage einem jedem stellten, der sich anmaßte, in der außerordentlichen, für Jesus charakteristischen Weise zu lehren und zu handeln, ganz besonders im Zusammenhang mit seinem eben erfolgten Vorgehen bei der Säuberung des Tempels von allem Kommerz. All diese Händler und Geldwechsler waren mit direkter Genehmigung der obersten Führer tätig, und ein Prozentsatz ihrer Gewinne war dafür gedacht, direkt in den Tempelschatz zu fließen. Man vergesse nicht, dass Autorität das Losungswort des gesamten Judentums war. Die Propheten stifteten immer wieder Unruhe, weil sie sich so unerschrocken anmaßten, ohne Autorität zu lehren, ohne in den rabbinischen Akademien ordentlich ausgebildet und danach vom Sanhedrin formgerecht ordiniert worden zu sein. Die Anmaßung, ohne diese Autorität öffentlich zu lehren, betrachtete man entweder als Zeichen ignoranter Vermessenheit oder offener Auflehnung. Zu dieser Zeit konnte nur der Sanhedrin jemanden zum Ältesten oder Lehrer weihen, und eine solche Zeremonie musste in Gegenwart von mindestens drei Personen stattfinden, die früher ihre Weihe auf dieselbe Weise empfangen hatten. Eine solche Weihe verlieh dem Lehrer den Titel "Rabbi" und berechtigte ihn, auch als Richter zu fungieren, "zu binden und zu lösen in allen Angelegenheiten, die ihm zur Rechtsprechung unterbreitet werden mochten". Die Tempelvorsteher erschienen zu dieser nachmittäglichen Stunde bei Jesus nicht nur, um seine Lehre, sondern auch, um seine Handlungen anzufechten. Jesus wusste wohl, dass dieselben Männer seit langem öffentlich lehrten, dass seine Lehrbefugnis satanisch sei und dass er all seine gewaltigen Werke durch die Macht des Teufelsfürsten tue. Deshalb begann der Meister die Beantwortung ihrer Frage mit einer Gegenfrage. Jesus sagte: "Ich möchte euch ebenfalls eine Frage stellen. Wenn ihr sie mir beantworten wollt, dann werde auch ich euch sagen, kraft welcher Autorität ich diese Werke tue. Wer hat Johannes ermächtigt zu taufen? Hat Johannes seine Autorität vom Himmel oder von den Menschen empfangen?" Als seine Befrager dies vernahmen, zogen sie sich auf eine Seite zurück, um unter sich Rat zu halten, was für eine Antwort sie geben könnten. Sie hatten danach getrachtet, Jesus vor der Menge in Verlegenheit zu bringen, aber nun befanden sie sich selber vor allen, die zu dieser Zeit im Tempelhof versammelt waren, in großer Verwirrung. Und ihre Verlegenheit war umso sichtbarer, als sie zu Jesus zurückkehrten und sagten: "Was die Taufe des Johannes angeht, können wir nicht antworten; wir wissen es nicht." Und sie gaben dem Meister diese Antwort, weil sie miteinander überlegt hatten: Sagen wir "vom Himmel", dann wird er sagen: "Warum habt ihr ihm nicht geglaubt?", und wird vielleicht hinzufügen, er habe seine Autorität von Johannes erhalten; und sagen wir "von den Menschen", dann könnte sich die Menge gegen uns wenden, denn die meisten glauben, Johannes sei ein Prophet gewesen; und so waren sie gezwungen, vor Jesus und das Volk zu treten und zu bekennen, dass sie, die religiösen Lehrer und Führer Israels, nicht imstande (oder nicht willens) waren, ihre Meinung über die Sendung des Johannes zu äußern. Und nachdem sie gesprochen hatten, blickte Jesus auf sie herunter und sagte: "Ebenso wenig will ich euch sagen, kraft welcher Autorität ich diese Dinge tue." Jesus beabsichtigte nie, sich für seine Autorität auf Johannes zu berufen; Johannes hatte nie eine Weihe durch den Sanhedrin empfangen. Jesu Autorität lag in ihm selber und in seines Vaters ewiger Oberhoheit. Als Jesus in dieser Weise mit seinen Gegnern verfuhr, hatte er nicht die Absicht, die Frage zu umgehen. Auf den ersten Blick mag es scheinen, als habe er sich einer meisterlichen Ausflucht schuldig gemacht, aber dem war nicht so. Jesus war nie bereit, irgendjemanden, auch seine Feinde nicht, unfair auszunutzen. Mit seiner scheinbaren Ausflucht lieferte er tatsächlich allen seinen Zuhörern die Antwort auf die Frage der Pharisäer nach der hinter seiner Sendung stehenden Autorität. Sie hatten behauptet, er handle kraft der Autorität des Fürsten der Teufel. Jesus hatte wiederholt erklärt, dass all sein Lehren und seine Werke von der Macht und Autorität seines Vaters im Himmel stammten. Die jüdischen Führer weigerten sich, das anzuerkennen und suchten ihn derart in die Enge zu treiben, dass er zugeben müsse, ein unrechtmäßiger Lehrer zu sein, da er nie vom Sanhedrin sanktioniert worden war. Durch die Art seiner Antwort, ohne sich auf die Autorität des Johannes zu berufen, stellte er das Volk zufrieden; denn letztlich wandte sich das Bemühen seiner Feinde, ihn in eine Falle zu locken, tatsächlich gegen sie selber und brachte sie in den Augen aller Anwesenden in starken Misskredit. Es war gerade dieses Genie des Meisters, mit seinen Gegnern umzugehen, was sie ihn so fürchten ließ. Sie wagten an diesem Tag keine weiteren Fragen zu stellen und zogen sich zurück, um sich erneut miteinander zu beraten. Aber die Leute brauchten nicht lange, um die Unehrlichkeit und Unaufrichtigkeit in den Fragen der jüdischen Führer zu erkennen. Selbst das gewöhnliche Volk musste unweigerlich den Unterschied zwischen der sittlichen Majestät des Meisters und der berechnenden Heuchelei seiner Feinde wahrnehmen. Aber die Säuberung des Tempels hatte die Sadduzäer auf die Seite der Pharisäer gebracht, um den Plan zur Beseitigung Jesu zu vollenden. Und die Sadduzäer bildeten jetzt die Mehrheit des Sanhedrins. ***** 173.3 Das Gleichnis von den beiden Söhnen ***** Wie die nörglerischen Pharisäer da so stumm vor ihm standen, sah Jesus auf sie herab und sagte: "Da ihr an der Sendung des Johannes Zweifel habt und den Lehren und Werken des Menschensohns feindselig gegenübersteht, leiht mir euer Ohr, wenn ich euch ein Gleichnis erzähle: Ein großer und angesehener Grundbesitzer hatte zwei Söhne, und da er wünschte, dass sie ihm bei der Leitung seiner ausgedehnten Besitzungen behilflich wären, suchte er den einen auf und sagte zu ihm: `Mein Sohn, gehe heute in meinem Weinberg arbeiten.' Und dieser unüberlegte Sohn gab seinem Vater zur Antwort: `Ich mag nicht hingehen', aber danach bereute er es und ging doch hin. Als der Vater seinen älteren Sohn gefunden hatte, sagte er ebenfalls zu ihm: `Mein Sohn, geh und arbeite in meinem Weinberg.' Und dieser heuchlerische und treulose Sohn antwortete: `Ja, mein Vater, ich gehe.' Aber als sein Vater weg war, ging er nicht. Nun lasst mich euch fragen, welcher von diesen beiden Söhnen wirklich seines Vaters Willen tat?" Und die Leute sagten einmütig: `Der erste Sohn'. Und da sprach Jesus: `Richtig; und nun erkläre ich, dass die Zöllner und die Huren, selbst wenn sie den Ruf nach Buße jetzt abzulehnen scheinen, den Irrtum ihres Weges einsehen und ins Königreich Gottes eingehen werden noch vor euch, die ihr dünkelhaft vorgebt, dem Vater im Himmel zu dienen, während ihr euch weigert, des Vaters Werke zu tun. Nicht ihr Pharisäer und Schriftgelehrten wart es, die an Johannes glaubten, sondern viel eher die Zöllner und Sünder; ebenso wenig glaubt ihr an meine Lehre, aber das einfache Volk ist glücklich, meine Worte zu hören. Jesus verachtete die Pharisäer und Sadduzäer nicht persönlich. Was er diskreditieren wollte, war das System ihrer Lehren und Bräuche. Er war keinem Menschen feindlich gesinnt, aber hier ereignete sich der unvermeidliche Zusammenprall einer neuen und lebendigen Religion des Geistes mit der älteren, auf Zeremonie, Tradition und Autorität beruhenden Religion. Die ganze Zeit über hielten sich die Apostel in der Nähe des Meisters auf, aber sie beteilig-ten sich in keiner Weise an diesen Vorgängen. Jeder der Zwölf reagierte in der ihm eigenen Art auf die Ereignisse dieser letzten Tage des irdischen Wirkens Jesu, und alle hielten sich gleich gehorsam an des Meisters Weisung, während dieser Passahwoche von jeglicher öffentlichen Lehr- und Predigttätigkeit abzusehen. ***** 173.4 Das Gleichnis vom abwesenden Gutsbesitzer ***** Als sich die führenden Pharisäer und Schriftgelehrten, die versucht hatten, Jesus durch ihre Fragen zu verwirren, die Geschichte von den beiden Söhnen zu Ende angehört hatten, zogen sie sich zu weiterer Beratung zurück. Der Meister wandte seine Aufmerksamkeit wieder der zuhörenden Menge zu und erzählte ein weiteres Gleichnis: "Es lebte einmal ein gütiger Mann, der einem großen Hause vorstand, und er legte einen Weinberg an. Er umgab ihn mit einer Hecke, hob eine Grube für die Weinpresse aus und baute einen Wachturm für die Wächter. Darauf übergab er den Weinberg Pächtern und machte sich auf eine lange Reise in ein anderes Land. Als die Zeit der Reife nahte, sandte er Diener zu den Pächtern, um den Pachtbetrag einzuziehen. Aber sie hielten untereinander Rat und weigerten sich, den Dienern die Früchte zu geben, die sie ihrem Meister schuldeten. Stattdessen fielen sie über die Diener her, schlugen den einen, steinigten den anderen und jagten die übrigen mit leeren Händen weg. Als der Besitzer all das erfuhr, schickte er andere, verlässlichere Diener, die sich mit diesen gottlosen Pächtern auseinandersetzen sollten. Aber auch diese verwundeten sie und behandelten sie schändlich. Daraufhin sandte der Besitzer seinen bevorzugten Diener, den Verwalter, und diesen töteten sie. Trotzdem sandte er in seiner Geduld und Nachsicht noch viele weitere Diener aus, aber sie empfingen keinen. Einige schlugen sie, andere töteten sie, und nachdem der Besitzer in dieser Weise behandelt worden war, entschloss er sich, seinen Sohn zu senden, um sich mit diesen undankbaren Pächtern zu befassen, indem er sich sagte: `Sie mögen wohl meine Diener misshandeln, aber meinem geliebten Sohn werden sie sicherlich Respekt bezeugen.' Aber als diese reue- und ruchlosen Pächter den Sohn erblickten, sprachen sie untereinander: `Das ist der Erbe; kommt, töten wir ihn, dann wird das Erbe unser sein.' Also packten sie ihn, und nachdem sie ihn aus dem Weinberg hinausgeworfen hatten, brachten sie ihn um. Was wird wohl der Herr des Weinbergs mit diesen undankbaren und bösartigen Pächtern machen, wenn er hört, wie sie seinen Sohn abgewiesen und getötet haben?" Als die Leute das Gleichnis und die Frage von Jesus gehört hatten, antworteten sie: "Er wird diese elenden Männer vernichten und seinen Weinberg an andere, ehrliche Bauern verpachten, die ihm die Früchte zur Reifezeit abliefern werden." Und als einige der Zuhörer begriffen, dass sich dieses Gleichnis auf die jüdische Nation und die Behandlung, die sie ihren Propheten hatten widerfahren lassen, bezog und auf die unmittelbar bevorstehende Ablehnung Jesu und seines Evangeliums vom Königreich, sagten sie kummervoll: "Gott möge verhüten, dass wir wieder solche Dinge tun." Jesus sah, wie sich eine Gruppe von Sadduzäern und Pharisäern ihren Weg durch die Menge bahnte. Er hielt einen Augenblick inne, bis sie in seiner Nähe waren, und sagte dann: "Ihr wisst, wie eure Väter die Propheten verworfen haben, und ihr wisst sehr wohl, dass ihr in euren Herzen entschlossen seid, den Menschensohn zu verwerfen." Und während Jesus mit forschendem Blick auf die nahe bei ihm stehenden Priester und Ältesten sah, sagte er: "Habt ihr nie in den Schriften über den Stein gelesen, den die Bauleute verwarfen und der, als die Leute ihn entdeckt hatten, zum Eckstein gemacht wurde? Und so warne ich euch einmal mehr davor, dass, wenn ihr fortfahrt, dieses Evangelium abzulehnen, das Königreich Gottes euch bald weggenommen und einem Volk gegeben werden wird, das gewillt ist, die gute Nachricht anzunehmen und die Früchte des Geistes hervorzubringen. Ein Geheimnis umgibt diesen Stein, denn wer auf ihn fällt, soll gerettet werden, obwohl er dabei in Stücke bricht; aber auf wen immer dieser Stein fällt, der wird zu Staub zerrieben und seine Asche in alle vier Winde zerstreut werden." Als die Pharisäer diese Worte hörten, verstanden sie, dass Jesus sich auf sie und die anderen jüdischen Führer bezog. Sie verspürten einen mächtigen Drang, ihn gerade jetzt und hier zu verhaften, aber sie fürchteten die Menge. Immerhin hatten des Meisters Worte sie derart aufgebracht, dass sie sich zurückzogen und sich weiter miteinander berieten, wie sie seinen Tod herbeiführen könnten. An diesem Abend schmiedeten die Sadduzäer und Pharisäer gemeinsam einen Plan, um ihn am nächsten Tag in einer Schlinge zu fangen. ***** 173.5 Das Gleichnis vom Hochzeitsfest ***** Nachdem sich die Schriftgelehrten und Führer zurückgezogen hatten, wandte sich Jesus wieder der versammelten Menge zu und erzählte das Gleichnis vom Hochzeitsfest. Er sagte: "Das Königreich des Himmels kann mit einem König verglichen werden, der für seinen Sohn ein Hochzeitsfest gab und Boten ausschickte, um diejenigen, die zuvor schon zum Fest geladen worden waren, mit diesen Worten herbeizurufen: `Alles ist bereit für das Hochzeitsessen im Königspalast.' Nun aber weigerten sich viele von denen, die einst ihre Teilnahme versprochen hatten, zu kommen. Als der König von der Ablehnung der Einladungen erfuhr, sandte er andere Diener und Boten aus, zu denen er sprach: `Sagt allen, die geladen waren, sie sollen kommen, denn seht, mein Abendessen ist bereitet. Meine Ochsen und meine Masttiere sind geschlachtet, und alles ist für die Feier der bevorstehenden Hochzeit meines Sohnes bereit.' Aber wieder nahmen diese Gedankenlosen den Ruf ihres Königs auf die leichte Schulter und gingen ihrer Wege, der eine zu seinem Bauernhof, ein anderer zu seiner Töpferei und andere zu ihren Waren. Andere wieder begnügten sich nicht damit, den Ruf des Königs in dieser Weise zu überhören, sondern legten in offener Rebellion Hand an die Boten des Königs, misshandelten sie schändlich und erschlugen sogar einige von ihnen. Als der König erfuhr, dass seine ausgewählten Gäste und sogar die, die seine frühere Einladung angenommen und versprochen hatten, am Hochzeitsfest teilzunehmen, schließlich seine Einladung zurückgewiesen und aufsässig seine ausgewählten Boten angegriffen und umgebracht hatten, wurde er über die Maßen zornig. Und der beschimpfte König bot seine Armeen und die Armeen seiner Verbündeten auf und befahl ihnen, diese rebellischen Mörder zu vernichten und ihre Stadt niederzubrennen. "Und nachdem er die, die seine Einladung verächtlich zurückgewiesen hatten, bestraft hatte, setzte er die Hochzeitsfeier auf einen anderen Tag an und sagte zu seinen Sendboten: `Die zuerst zur Hochzeit Geladenen waren es nicht wert; so geht nun an die Wegkreuzungen, auf die Hauptstraßen und sogar über die Stadtgrenze hinaus, und fordert, so viele ihr findet, auf und ladet sogar die Fremden ein, hereinzukommen und am Hochzeitsfest teilzunehmen.' Darauf begaben sich die Diener auf die Hauptstraßen und in die abgelegenen Ortschaften und versammelten so viele, als sie nur finden konnten, Gute und Böse, Reiche und Arme, so dass der Hochzeitssaal schließlich mit willigen Gästen gefüllt war. Als alles bereit war, kam der König herein, um sich seine Gäste anzusehen, und zu seiner großen Überraschung erblickte er einen Mann, der kein Hochzeitsgewand trug. Da der König an alle Gäste umsonst Hochzeitskleider hatte verteilen lassen, wandte er sich mit diesen Worten an den Mann: `Mein Freund, wie kommt es, dass du meinen Empfangssaal zu diesem Anlass ohne Hochzeitsgewand betrittst?' Der unvorbereitete Mann war sprachlos. Da sagte der König zu seinen Dienern: `Werft diesen gedankenlosen Gast aus meinem Haus. Er teile das Los all derer, die meine Gastfreundschaft verachtet und sich geweigert haben, meinem Ruf zu folgen. Ich will hier niemand außer denen haben, die meine Einladung mit großer Freude annehmen und mir die Ehre geben, die Gastgewänder zu tragen, die ich allen so freigebig zur Verfügung gestellt habe.' " Nach diesem Gleichnis wollte Jesus die Menge gerade entlassen, als ein freundlich gesinnter Glaubender sich durch die Menschenmasse einen Weg zu ihm bahnte und fragte: "Aber Meister, wie sollen wir von diesen Dingen Kenntnis erhalten? Wie können wir uns für die Einladung des Königs bereitmachen? Was für ein Zeichen wirst du uns geben, damit wir wissen, dass du der Sohn Gottes bist?" Als der Meister das hörte, sprach er: "Nur ein Zeichen soll euch gegeben werden." Und dann zeigte er auf seinen eigenen Körper und fuhr fort: "Zerstört diesen Tempel, und innerhalb von drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten." Aber sie verstanden ihn nicht, und im Auseinandergehen sagten sie zueinander: "Fast fünfzig Jahre lang hat man an diesem Tempel gebaut, und doch sagt er, er werde ihn zerstören und in drei Tagen wieder aufbauen." Nicht einmal seine Apostel begriffen die Bedeutung dieser Äußerung, aber später, nach seiner Auferstehung, erinnerten sie sich an seine Worte. Gegen vier Uhr nachmittags gab Jesus seinen Aposteln einen Wink und äußerte den Wunsch, den Tempel zu verlassen und zum Abendessen und zur Nachtruhe nach Bethanien zu gehen. Während sie den Ölberg hinaufstiegen, gab Jesus Andreas, Philipp und Thomas Anweisung, am folgenden Tag ein näher bei der Stadt gelegenes Lager zu errichten, das sie während des Rests der Passahwoche bewohnen könnten. In Befolgung dieses Auftrags stellten sie ihre Zelte am nächsten Morgen in einem Hohlweg am Berghang auf einem Grundstück auf, das Simon von Bethanien gehörte, und von wo man den öffentlichen Zeltplatz von Gethsemane überblicken konnte. Wieder stieg an diesem Montagabend eine schweigende Gruppe von Juden den Westabhang des Ölbergs hinauf. Diese zwölf Männer begannen wie nie zuvor zu ahnen, dass bald etwas Tragisches geschehen würde. Während die dramatische Tempelreinigung am frühen Morgen ihre Hoffnung geweckt hatte, dass der Meister sich behaupten und seine gewaltige Macht offenbaren werde, so wirkten die Ereignisse des ganzen Nachmittags nur enttäuschend, insofern sie alle auf die sichere Verwerfung der Lehren Jesu durch die jüdische Obrigkeit hindeuteten. Schreckliche Ungewissheit und große Spannung hielten die Apostel in ihrem Griff. Sie erkannten, dass nur noch einige wenige Tage zwischen den Ereignissen des eben vergangenen Tages und dem Hereinbrechen eines drohenden Verhängnisses liegen konnten. Sie alle fühlten, dass etwas Entsetzliches unmittelbar bevorstand, aber sie wussten nicht, auf was sie sich gefasst machen sollten. Sie suchten ihre verschiedenen Nachtlager auf, schliefen aber nur sehr wenig. Sogar die Alphäus Zwillinge waren endlich zu der Erkenntnis erwacht, dass die Ereignisse im Leben des Meisters sich rasch auf ihren abschließenden Höhepunkt zu bewegten. ****** Kapitel 174 Am Dienstagvormittag im Tempel ****** AN diesem Dienstagmorgen um sieben Uhr traf sich Jesus in Simons Haus mit den Aposteln, dem Frauenkorps und etwa zwei Dutzend anderen prominenten Jüngern. Bei dieser Zusammenkunft nahm er von Lazarus Abschied und erteilte ihm jene Weisung, die ihn so bald zur Flucht nach Philadelphia in Peräa bewegen sollte, wo er sich später mit der missionarischen Bewegung verband, die ihr Hauptquartier in dieser Stadt hatte. Jesus sagte auch dem alten Simon Lebewohl und gab dem Korps der Frauen die letzten Ratschläge, da er sich nie wieder förmlich an sie wandte. An diesem Morgen begrüßte er jeden der Zwölf persönlich. Zu Andreas sagte er: "Lass dich durch die dicht bevorstehenden Ereignisse nicht beirren. Behalte deine Brüder fest im Griff und sieh zu, dass sie dich nicht niedergeschlagen finden." Zu Petrus sprach er: "Setze dein Vertrauen nicht in die Kraft deines Arms, noch in Waffen aus Stahl. Stehe fest auf dem geistigen Grund der ewigen Felsen." Zu Jakobus sagte: "Wanke nicht wegen des äußeren Scheins. Bleibe fest in deinem Glauben, und du sollst die Realität dessen, woran du glaubst, bald kennen lernen." Zu Johannes sagte er: "Sei freundlich; liebe sogar deine Feinde; sei tolerant. Und denke daran, dass ich dich mit vielen Dingen betraut habe." Zu Nathanael sagte er: "Urteile nicht nach dem Schein; bleibe fest in deinem Glauben, wenn alles dahinzuschwinden scheint; bleib deinem Auftrag als Botschafter des Königreichs treu." Zu Philipp sagte er: "Bleibe standhaft angesichts der unmittelbar bevorstehenden Ereignisse. Bleibe unerschütterlich, auch wenn du den Weg nicht erkennen kannst. Bleibe deinem Weihegelübde treu." Zu Matthäus sagte er: "Vergiss die Barmherzigkeit nicht, die dir im Königreich Eintritt gewährt hat. Erlaube keinem Menschen, dich um deine ewige Belohnung zu bringen. Ebenso wie du den Neigungen der sterblichen Natur widerstanden hast, sei gewillt, standfest zu sein." Und zu Thomas sagte er: "Gerade jetzt musst du, wie schwer es auch sein mag, im Vertrauen auf deinen Glauben und nicht auf deine Augen vorwärts gehen. Zweifle nicht daran, dass ich fähig bin, das Werk, das ich begonnen habe, zu Ende zu bringen, und dass ich schließlich alle meine treuen Botschafter im jenseitigen Königreich wieder sehen werde." Zu den Alphäus Zwillingen sagte er: "Erlaubt den Dingen, die ihr nicht verstehen könnt, nicht, euch zu erdrücken. Bleibt den Neigungen eurer Herzen treu, und setzt euer Vertrauen weder in große Männer noch in das wankelmütige Verhalten des Volkes. Bleibt an der Seite eurer Brüder." Zu Simon Zelotes sagte er: "Simon, die Enttäuschung mag dich niederschmettern, aber dein Geist wird sich über alles, was dir zustoßen mag, erheben. Was du von mir zu lernen versäumt hast, wird mein Geist dich lehren. Suche nach den wahren Realitäten des Geistes, und höre auf, dich von unwirklichen und materiellen Schatten anziehen zu lassen." Und zu Judas Iskariot sagte er: "Judas, ich habe dich geliebt und dafür gebetet, du mögest deine Brüder lieben. Werde nicht müde, Gutes zu tun; und ich möchte dich warnen: Hüte dich vor den schlüpfrigen Pfaden der Schmeichelei und den Giftpfeilen des Gespötts." Nach Beendigung dieser Grüße brach er mit Andreas, Petrus, Jakobus und Johannes nach Jerusalem auf, während die anderen Apostel sich an den Aufbau des Lagers von Gethsemane machten, wo sie diese Nacht verbringen wollten und wo sie ihr Hauptquartier für den Rest des irdischen Lebens des Meisters einrichteten. Etwa auf der Hälfte des Abstiegs vom Ölberg schaltete Jesus eine Pause ein und unterhielt sich über eine Stunde lang mit den vier Aposteln. ***** 174.1 Göttliche Vergebung ***** Seit mehreren Tagen diskutierten Petrus und Jakobus miteinander ihre unterschiedlichen Auffassungen über des Meisters Lehren von der Vergebung der Sünden. Sie waren übereingekommen, die Sache vor Jesus zu bringen, und Petrus nahm diese günstige Gelegenheit wahr, den Rat des Meisters einzuholen. Deshalb unterbrach Simon Petrus die Unterhaltung über die Unterschiede zwischen Lobpreisung und Andacht mit der Frage: "Meister, Jakobus und ich sind uns nicht einig bezüglich deiner Lehren über die Sündenvergebung. Jakobus behauptet, du lehrst, dass der Vater uns vergibt, noch bevor wir ihn darum bitten, und ich bin der Ansicht, dass Reue und Sündenbekenntnis der Vergebung vorausgehen müssen. Wer von uns hat recht? Was sagst du?" Nach kurzem Schweigen schaute Jesus alle vier bedeutsam an und antwortete: "Meine Brüder, ihr irrt euch in euren Auffassungen, weil ihr die Natur der innigen und liebenden Beziehungen zwischen dem Geschöpf und dem Schöpfer, zwischen Mensch und Gott, nicht versteht. Es gelingt euch nicht, die verständnisvolle Zuneigung zu erfassen, die weise Eltern für ihre unreifen und sich manchmal irrenden Kinder empfinden. Es ist in der Tat zweifelhaft, ob intelligente und liebevolle Eltern je in die Lage geraten, einem durchschnittlichen, normalen Kind vergeben zu müssen. Verständnisvolle Beziehungen in Verbindung mit liebevoller Einstellung beugen wirksam all jenen Entfremdungen vor, die eine spätere reuevolle Neuausrichtung des Kindes und elterliche Vergebung nötig machen. Ein Teil jedes Vaters lebt im Kind. Der Vater genießt in allem, was die Kind-Vater-Beziehung anbelangt, Vorrang und überlegene Einsicht. Er ist imstande, die Unreife des Kindes im Licht der fortgeschritteneren elterlichen Reife, der reicheren Erfahrung des älteren Partners, zu sehen. Was das irdische Kind und den himmlischen Vater betrifft, so besitzt dieser unendliche und göttliche Zuneigung und die Fähigkeit zu liebendem Verstehen. Göttliche Vergebung ist zwangsläufig; sie liegt unveräußerlich in der Natur des unendlichen Verstehens Gottes, in seinem vollkommenen Wissen um alles, was mit dem falschen Urteil und der irrigen Wahl des Kindes zusammenhängt. Göttliche Gerechtigkeit ist von so ewiger Fairness, dass sie unfehlbar verstehende Barmherzigkeit in sich schließt. Wenn ein weiser Mann die inneren Impulse seiner Mitmenschen versteht, wird er sie lieben. Und wenn ihr euren Bruder liebt, habt ihr ihm bereits vergeben. Diese Fähigkeit, die Natur des Menschen zu verstehen und ihm seine offensichtlichen Vergehen zu verzeihen, ist göttlich. Wenn ihr weise Eltern seid, dann ist dies die Art, in der ihr eure Kinder lieben und verstehen und ihnen sogar vergeben werdet, wenn vorübergehende Missverständnisse euch vermeintlich von ihnen getrennt haben. Das Kind, das noch unreif ist und dem es an umfassenderem Verständnis für die Tiefe der Kind-Vater-Beziehung mangelt, muss häufig ein Gefühl schuldhafter Getrenntheit empfinden, wenn sein Vater ihm seine volle Zustimmung verweigert, aber ein wahrer Vater kennt keine solche Getrenntheit. Die Sünde ist eine Erfahrung im Bewusstsein des Geschöpfs; sie gehört nicht zum Bewusstsein Gottes. "Eure Unfähigkeit oder euer fehlender Wille, euren Mitmenschen zu verzeihen, ist das Maß für eure Unreife, euer Unvermögen, Zuneigung, Verstehen und Liebe eines Erwachsenen zu erreichen. Ihr hegt Groll und nährt Rachegefühle in direktem Verhältnis eurer Unkenntnis der inneren Natur und wahren Sehnsüchte eurer Kinder und eurer Mitmenschen. Liebe ist die Äußerung des göttlichen, inneren Lebenstriebes. Sie gründet auf Verstehen, nährt sich von selbstlosem Dienst und vervollkommnet sich in der Weisheit." ***** 174.2 Fragen der jüdischen Führer ***** Am Montagabend hatte eine Beratung zwischen dem Sanhedrin und etwa fünfzig weiteren, aus Schriftgelehrten, Pharisäern und Sadduzäern ausgewählten führenden Persönlichkeiten stattgefunden. Bei dieser Zusammenkunft bestand Einigkeit darüber, dass es wegen des Einflusses Jesu auf die Gefühle des einfachen Volkes gefährlich wäre, ihn in der Öffentlichkeit zu verhaften. Ebenso war die Mehrheit der Auffassung, man sollte eine entschiedene Anstrengung unternehmen, um ihn in den Augen der Menge zu diskreditieren, bevor man ihn verhaftete und vor Gericht brächte. Folglich wurden mehrere Gruppen gelehrter Männer dazu bestimmt, am nächsten Morgen im Tempel zur Stelle zu sein, um zu versuchen, ihn mit schwierigen Fragen zum Straucheln und auf andere Weise vor dem Volk in Verlegenheit zu bringen. Am Ende waren sich die Pharisäer und Sadduzäer und sogar die Herodianer in dem Bestreben einig, Jesus in den Augen der Passahmenge zu diskreditieren. Als Jesus am Dienstagmorgen im Tempelhof anlangte und zu lehren begann, hatte er kaum einige Worte gesprochen, als eine Gruppe jüngerer Studenten von den Akademien, mit denen zu diesem Zweck geprobt worden war, vortrat und sich durch ihren Wortführer an Jesus wandte: "Meister, wir wissen, dass du ein gerechter Lehrer bist, und wir wissen, dass du die Wege der Wahrheit verkündest und einzig Gott dienst, denn du fürchtest keinen Menschen und handelst ohne Ansehen der Person. Wir sind nur Studenten, und wir möchten in einer Angelegenheit, die uns zu schaffen macht, die Wahrheit wissen. Dies nämlich ist unsere Schwierigkeit: Ist es legitim, Caesar Tribut zu entrichten? Sollen wir ihn geben, oder sollen wir ihn nicht geben?" Jesus, der ihre Heuchelei und Schlauheit durchschaute, sagte zu ihnen: "Warum kommt ihr mich in dieser Weise versuchen? Zeigt mir das Tributgeld, und ich will euch antworten." Und als sie ihm einen Denar reichten, schaute er ihn an und sagte: "Wessen Bild und Aufschrift trägt diese Münze?" Und als sie ihm antworteten: "Des Kaisers", sagte Jesus: "So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Nachdem er den jungen Schriftgelehrten und ihren herodianischen Komplizen so geantwortet hatte, verschwanden sie aus seiner Gegenwart, und das Volk und sogar die Sadduzäer freuten sich über ihre Niederlage. Selbst diese Jünglinge, die versucht hatten, ihn zu fangen, gerieten ob der unerwartet scharfsinnigen Antwort des Meisters in großes Staunen. Am Vortag hatten die Führer versucht, ihn vor der Menge in Fragen geistlicher Autorität zu Fall zu bringen. Da ihnen dieses misslungen war, versuchten sie ihn nun zu seinem Nachteil in eine Diskussion über zivile Gewalt hineinzuziehen. Sowohl Pilatus als auch Herodes weilten zu dieser Zeit in Jerusalem. Sollte Jesus es wagen - so überlegten seine Feinde -, sich gegen die Bezahlung des Tributs an den Kaiser auszusprechen, dann könnten sie sofort vor die römischen Machthaber treten und Jesus der Aufwiegelei bezichtigen. Sollte er dagegen die Bezahlung des Tributs ausdrücklich empfehlen, kalkulierten sie zu Recht damit, dass eine derartige Erklärung den Nationalstolz seiner jüdischen Hörer zutiefst verletzen und ihm die freundliche Gesinnung und Zuneigung der Menge entziehen würde. In alledem erlitten Jesu Feinde eine Niederlage, zumal eine wohlbekannte, zur Anleitung der in den heidnischen Nationen verstreuten Juden bestimmte Weisung des Sanhedrins besagte, dass "das Recht, Münzen zu prägen, das Recht, Steuern zu erheben, mit sich bringe". Auf diese Weise umging Jesus ihre Falle. Hätte er ihre Frage mit "Nein" beantwortet, wäre dies einer Aufforderung zur Rebellion gleichgekommen; Hätte er "Ja" geantwortet, würde er damit die tief verwurzelten nationalistischen Gefühle jener Tage verletzt haben. Der Meister wich der Frage nicht aus; er bediente sich nur der Weisheit einer doppelten Antwort. Jesus brauchte nie Ausflüchte, aber er war immer weise in seinem Umgang mit denen, die ihn zu bedrängen und zu vernichten suchten. ***** 174.3 Die Sadduzäer und die Auferstehung ***** Noch bevor Jesus seine Unterweisung beginnen konnte, trat eine andere Gruppe vor, diesmal eine Abordnung der gelehrten und listigen Sadduzäer, um ihn zu befragen. Ihr Sprecher näherte sich ihm und sagte: "Meister, Moses hat gesagt, dass beim Tode eines verheirateten, aber kinderlosen Mannes dessen Bruder die Gattin nehmen und mit ihr für den verstorbenen Bruder Nachkommen zeugen solle. Nun hat sich ein Fall ereignet, wo ein Mann, der sechs Brüder hatte, kinderlos verstarb; der nächste Bruder nahm die Frau zur Gattin, starb aber auch bald, ohne Kinder zu hinterlassen. Ebenso nahm der zweite Bruder die Frau, aber auch er verstarb ohne Nachkommenschaft. Und so ging es weiter, bis alle sechs Brüder sie gehabt hatten, aber alle sechs verschieden kinderlos. Und dann, als letzte von allen, verschied auch die Frau selber. Was wir dich jetzt fragen möchten, ist dies: Wessen Gattin wird sie bei der Auferstehung sein, da alle sieben Brüder sie zur Frau gehabt haben?" Jesus, wie auch das versammelte Volk, merkte wohl, dass diese Sadduzäer nicht aufrichtig waren, als sie eine derartige Frage an ihn richteten, denn es war unwahrscheinlich, dass ein solcher Fall jemals wirklich eintrat; und außerdem wurde die Sitte, dass die Brüder eines verstorbenen Mannes für ihn Nachkommen zu zeugen suchten, unter den damaligen Juden praktisch nicht mehr beobachtet. Dessen ungeachtet fand sich Jesus bereit, auf ihre boshafte Frage einzugehen. Er sprach: "Ihr irrt euch allesamt, wenn ihr solche Fragen stellt, weil ihr weder die Schriften noch die lebendige Macht Gottes kennt. Ihr wisst, dass die Söhne dieser Welt heiraten können und verheiratet werden, aber ihr scheint nicht zu verstehen, dass die, die für würdig befunden werden, durch die Auferstehung der Rechtschaffenen die zukünftigen Welten zu erreichen, weder heiraten noch verheiratet werden. Diejenigen, welche die Auferstehung von den Toten erfahren, gleichen mehr den Engeln des Himmels, und sie sterben nie. Diese Auferstandenen sind für alle Ewigkeit Söhne Gottes; sie sind die Kinder des Lichts, die auferstanden sind, um im ewigen Leben fortzuschreiten. Und sogar euer Vater Moses hat das verstanden, denn im Zusammenhang mit seinem Erlebnis beim brennenden Busch hörte er den Vater sagen: `Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.' Und so erkläre ich mit Moses, dass mein Vater nicht der Gott der Toten, sondern der Lebendigen ist. In ihm lebt ihr alle, vermehrt ihr euch und besitzt ihr eure sterbliche Existenz." Als Jesus diese Fragen fertig beantwortet hatte, zogen sich die Sadduzäer zurück, und einige Pharisäer vergaßen sich so weit, dass sie ausriefen: "Wahrhaftig, wahrhaftig, Meister, du hast diesen ungläubigen Sadduzäern gut geantwortet." Die Sadduzäer wagten ihm keine weiteren Fragen zu stellen, und das einfache Volk staunte über die Weisheit seines Lehrens. Jesus berief sich in dieser Begegnung mit den Sadduzäern nur deshalb auf Moses, weil diese religiös-politische Sekte bloß die fünf so genannten Bücher Moses als gültig anerkannte; sie erlaubte nicht, dass man die Lehren der Propheten als Grundlage doktrinärer Glaubenssätze heranziehe. Obwohl der Meister in seiner Antwort die Tatsache des Weiterlebens der sterblichen Geschöpfe durch die Technik der Auferstehung eindeutig bejahte, hieß er in keinem Sinne den pharisäischen Glauben an die buchstäbliche Auferstehung des menschlichen Körpers gut. Was Jesus hervorzuheben wünschte, war, dass der Vater gesagt hatte: "Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs", und nicht: Ich war ihr Gott. Die Sadduzäer hatten beabsichtigt, Jesus dem vernichtenden Einfluss der Lächerlichkeit preiszugeben; denn sie wussten sehr wohl, dass eine öffentliche Verfolgung in den Gemütern ganz bestimmt nur noch größere Sympathie für ihn wecken würde. ***** 174.4 Das große Gebot ***** Eine weitere Gruppe von Sadduzäern hatte Weisung erhalten, Jesus in Fragen über die Engel zu verstricken, aber angesichts des Schicksals ihrer Kameraden, die versucht hatten, ihn mit Fragen über die Auferstehung in eine Falle zu locken, beschlossen sie sehr weise, still zu bleiben; sie zogen sich zurück, ohne eine Frage gestellt zu haben. Die vereinten Pharisäer, Schriftgelehrten, Sadduzäer und Herodianer waren vorher übereingekommen, den ganzen Tag mit diesen verwirrenden Fragen auszufüllen. Sie hofften, damit Jesus vor dem Volk zu diskreditieren und gleichzeitig wirksam zu verhindern, dass ihm Zeit zur Verkündigung seiner beunruhigenden Lehren übrig bliebe. Danach trat eine Pharisäergruppe vor, um bedrängende Fragen zu stellen. Ihr Sprecher gab Jesus ein Zeichen und sagte: "Meister, ich bin ein Gesetzeskundiger, und ich möchte dich fragen, welches deiner Meinung nach das größte Gebot ist?" Jesus antwortete: "Es gibt nur ein einziges Gebot, und es ist das größte von allen, und lautet: `Höre, oh Israel, der Herr unser Gott, der Herr ist einzig; und ihr sollt den Herrn euren Gott von ganzem Herzen und aus ganzer Seele, mit all euren Gedanken und mit all euer Kraft lieben.' Das ist das erste und große Gebot. Und das zweite ist wie das erste; in der Tat geht es direkt aus diesem hervor, und es lautet: `Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.' Es gibt kein anderes, größeres Gebot als diese beiden; auf diesen beiden Geboten beruhen das ganze Gesetz und die Propheten." Als der Gestzeskundige feststellte, dass Jesus nicht nur in Übereinstimmung mit der höchsten Vorstellung der jüdischen Religion, sondern vor der versammelten Menge auch weise geantwortet hatte, fand er es mutiger, offen des Meisters Antwort zu loben. Also sagte er: "Wahrhaftig, Meister, du hast richtig gesagt, dass Gott einzig ist und es keinen neben ihm gibt; und dass das erste und große Gebot ist, ihn von ganzem Herzen, mit ganzem Verstand und aller Kraft zu lieben, und auch seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst; und wir stimmen darin überein, dass dieses große Gebot viel größere Beachtung verdient als alle Brandopfer und Opfergaben." Als der Gesetzeskundige mit so viel Besonnenheit antwortete, schaute Jesus ihn an und sagte: "Mein Freund, ich nehme wahr, dass du nicht weit entfernt bist vom Königreich Gottes." Jesus sagte die Wahrheit, als er von diesem Gesetzeskundigen meinte, er sei "nicht weit vom Königreich Gottes entfernt", denn noch am selben Abend begab sich dieser hinaus zum Lager des Meisters bei Gethsemane, bekannte sich zum Glauben an das Evangelium vom Königreich und wurde von Josia, einem Jünger Abners, getauft. Zwei oder drei weitere Gruppen von Schriftgelehrten und Pharisäern waren zugegen und hatten beabsichtigt, Fragen zu stellen, aber entweder hatte sie die Antwort, die Jesus dem Gesetzeskundigen gab, entwaffnet oder schreckte sie die Niederlage all derer ab, die versucht hatten, ihn in einer Schlinge zu fangen. Danach wagte es niemand mehr, ihm öffentlich weitere Fragen zu stellen. Als es keine Fragen mehr gab und die Mittagsstunde nahte, nahm Jesus seine Unterweisung nicht wieder auf, sondern begnügte sich damit, sich mit einer Frage an die Pharisäer und ihre Gefährten zu wenden. Er sagte: "Da ihr mir keine Fragen mehr stellt, möchte ich euch eine stellen. Wie denkt ihr über den Erlöser? Ich meine, wessen Sohn ist er?" Nach einer kurzen Pause antwortete einer der Schriftgelehrten: "Der Messias ist der Sohn Davids." Da Jesus wusste, dass viel darüber debattiert worden war - auch unter seinen eigenen Jüngern - ob er der Sohn Davids sei oder nicht, stellte er eine weitere Frage: "Wenn der Erlöser wirklich der Sohn Davids ist, wie kommt es dann, dass David selber im Psalm, den ihr ihm zuschreibt, im Geiste spricht: `So spricht der Herr zu meinem Herrn, setze dich mir zur Rechten, bis ich aus deinen Feinden einen Schemel für deine Füße mache.' Wenn David ihn Herr nennt, wie kann er dann sein Sohn sein?" Zwar antworteten die Führer, Schriftgelehrten und obersten Priester auf diese Frage nichts, aber sie enthielten sich auch aller weiteren Bemühungen, ihn in Widersprüche zu verstricken. Sie beantworteten die Frage, die Jesus ihnen stellte, nie, aber nach des Meisters Tod versuchten sie, die Schwierigkeit zu umgehen, indem sie die Interpretation dieses Psalms änderten und ihn auf Abraham anstatt auf den Messias bezogen. Andere versuchten dem Dilemma zu entgehen, indem sie David als Verfasser dieses so genannten messianischen Psalms ausschlossen. Eben noch hatten sich die Pharisäer daran ergötzt, wie der Meister die Sadduzäer zum Verstummen gebracht hatte; nun frohlockten die Sadduzäer über das Versagen der Pharisäer. Aber diese Rivalitäten dauerten nur einen Augenblick lang. Rasch wurden die althergebrachten Differenzen in dem gemeinsamen Bemühen vergessen, den Lehren und Taten Jesu ein Ende zu bereiten. Aber während all dieser Geschehnisse hörte ihm das einfache Volk mit Freuden zu. ***** 174.5 Die forschenden Griechen ***** Als Philipp um die Mittagszeit für das neue Lager, das an diesem Tag in der Nähe von Gethsemane errichtet wurde, Vorräte einkaufte, wurde er von einer fremden Delegation angesprochen, einer Gruppe von gläubigen Griechen aus Alexandrien, Athen und Rom, deren Wortführer zu dem Apostel sagte: "Leute, welche dich kennen, haben uns auf dich aufmerksam gemacht, und so kommen wir mit dem Anliegen zu dir, Jesus, deinen Meister, zu sehen." Diesen prominenten, sich erkundigenden und nichtjüdischen Griechen auf dem Marktplatz zu begegnen, kam für Philipp völlig überraschend, und da Jesus alle Zwölf so ausdrücklich angehalten hatte, während der Passahwoche jedes öffentliche Lehren zu unterlassen, war er etwas ratlos, wie diese Angelegenheit wohl am besten zu handhaben sei. Er war auch verunsichert, weil es sich bei diesen Männern um fremde Nichtjuden handelte. Wären es Juden oder ihm vertraute Heiden aus der Nähe gewesen, hätte er nicht so sichtlich gezögert. Schließlich bat er die Griechen, da, wo sie waren, zu warten. Als er hastig wegging, nahmen sie an, er mache sich auf die Suche nach Jesus, aber tatsächlich eilte er zu Josephs Haus, wo er Andreas und die anderen Apostel beim Mittagessen wusste. Er rief Andreas heraus und erklärte ihm den Grund seines Kommens, und dann kehrte er in Begleitung von Andreas zu den wartenden Griechen zurück. Da Philipp mit dem Einkaufen der Vorräte fast fertig geworden war, kehrten er und Andreas mit den Griechen zum Hause Josephs zurück, wo Jesus sie empfing; und sie setzten sich in seine Nähe, während er zu seinen Aposteln und einer Anzahl führender Jünger sprach, die bei diesem Mittagessen versammelt waren. Jesus sagte: "Mein Vater hat mich in diese Welt gesandt, um den Menschenkindern seine göttliche Gnade zu offenbaren, aber die, zu denen ich zuerst gekommen bin, haben es abgelehnt, mich zu empfangen. Es ist allerdings wahr, dass viele von euch an mein Evangelium geglaubt haben, aber die Kinder Abrahams und ihre Führer werden mich in Kürze zurückweisen, und damit werden sie auch Ihn, der mich gesandt hat, zurückweisen. Ich habe diesem Volk das Evangelium des Heils ausgiebig verkündigt; ich habe ihm von der Gottessohnschaft in Freude, Freiheit und einem reicheren Leben im Geiste berichtet. Mein Vater hat unter diesen angsterfüllten Menschenkindern viele wunderbare Werke vollbracht. Aber der Prophet Jesaja hat sich in der Tat auf dieses Volk bezogen, als er schrieb: `Herr, wer hat an unsere Lehren geglaubt? Und wem ist der Herr offenbart worden?' Die Führer meines Volkes haben ihre Augen tatsächlich mit Absicht blind gemacht, damit sie nicht sähen, und ihre Herzen verhärtet, damit sie nicht glaubten und gerettet würden. Während all dieser Jahre habe ich versucht, sie von ihrem Unglauben zu heilen, damit sie des Vaters ewiges Heil empfingen. Ich weiß, dass nicht alle mich im Stich gelassen haben. Einige von euch haben tatsächlich an meine Botschaft geglaubt. In diesem Raum befinden sich an die zwanzig Männer, die früher dem Sanhedrin angehört oder in den Räten der Nation hohe Stellungen innegehabt haben, obwohl einige von euch immer noch davor zurückschrecken, sich offen zur Wahrheit zu bekennen aus Angst, aus der Synagoge ausgeschlossen zu werden. Einige von euch sind versucht, den Ruhm der Menschen mehr zu lieben als den Ruhm Gottes. Aber ich fühle mich genötigt, nachsichtig zu sein, da ich sogar um die Sicherheit und um die Treue einiger von denen bange, die mir schon so lange nahe sind und in enger Gemeinschaft mit mir gelebt haben. "Ich stelle fest, dass in diesem Bankettsaal Juden und Nichtjuden etwa in gleicher Zahl versammelt sind, und ich möchte mich an euch als erste und letzte Gruppe dieser Art wenden, die ich in den Angelegenheiten des Königreichs unterweise, bevor ich zu meinem Vater gehe." Diese Griechen hatten der Unterweisung Jesu im Tempel gläubigen Herzens zugehört. Am Montagabend hatten sie im Hause des Nikodemus eine Besprechung abgehalten, die bis zur Morgendämmerung dauerte, und dreißig von ihnen hatten sich entschlossen, ins Königreich einzutreten. Als Jesus jetzt vor ihnen stand, kam es ihm zum Bewusstsein, dass eine Dispensation zu Ende ging und eine neue begann. Der Meister wandte seine Aufmerksamkeit den Griechen zu und sprach: "Wer an dieses Evangelium glaubt, glaubt nicht nur an mich, sondern an Ihn, der mich gesandt hat. Wenn ihr mich anschaut, dann seht ihr nicht nur den Menschensohn, sondern auch Ihn, der mich gesandt hat. Ich bin das Licht der Welt, und wer immer an meine Lehre glaubt, wird nicht länger in der Dunkelheit wohnen. Wenn ihr Heiden mich hören wollt, werdet ihr die Worte des Lebens empfangen und unverzüglich in die freudige Freiheit der Wahrheit, Söhne Gottes zu sein, eintreten. Wenn meine Landsleute, die Juden, sich entscheiden, mich zurückzuweisen und meine Lehren zu verwerfen, werde ich nicht über sie zu Gericht sitzen; denn ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um ihr das Heil anzubieten. Nichtsdestoweniger werden jene, die mich ablehnen und sich weigern, meine Lehre anzunehmen, zu gegebener Zeit von meinem Vater und denen gerichtet werden, die er ernannt hat, über all die zu Gericht zu sitzen, welche die Gabe der Barmherzigkeit und die rettenden Wahrheiten zurückweisen. Denkt alle daran, dass ich nicht für mich selbst spreche, sondern dass ich euch getreulich das erklärt habe, was der Vater mir aufgetragen hat, den Menschenkindern zu offenbaren. Und diese Worte, die der Vater zur Welt zu sprechen mich angewiesen hat, sind Worte göttlicher Wahrheit, nie endender Gnade und ewigen Lebens. Aber sowohl Juden wie Heiden erkläre ich, dass die Stunde gekommen ist, da der Menschensohn verherrlicht werden wird. Ihr wisst sehr wohl, dass das Weizenkorn, das nicht in die Erde fällt und stirbt, allein bleibt; aber wenn es in gutem Boden stirbt, geht es wieder auf zu neuem Leben und trägt viel Frucht. Wer sein Leben selbstsüchtig liebt, steht in Gefahr, es zu verlieren; aber wer gewillt ist, sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen hinzugeben, der soll sich einer reicheren Existenz auf Erden, und im Himmel des ewigen Lebens erfreuen. Wenn ihr mir wirklich folgen wollt, auch nachdem ich zu meinem Vater gegangen bin, sollt ihr meine Jünger und aufrichtige Diener an euren Mitmenschen werden. "Ich weiß, dass meine Stunde naht, und ich bin in Sorge. Ich bin mir bewusst, dass mein Volk entschlossen ist, das Königreich verächtlich zurückzuweisen, aber ich freue mich darüber, diese nach Wahrheit suchenden Heiden zu empfangen, die heute hierher gekommen sind, um sich nach dem Weg des Lichts zu erkundigen. Trotzdem ist mein Herz für mein Volk von Schmerz erfüllt, und meine Seele ist sehr beunruhigt über das, was mir unmittelbar bevorsteht. Was soll ich sagen, wenn ich vorausschaue und wahrnehme, was mir bald zustoßen wird? Soll ich sagen, Vater, rette mich vor dieser grauenvollen Stunde? Nein! Gerade zu diesem Zweck bin ich in die Welt gekommen und gerade bis zu dieser Stunde. Vielmehr will ich sprechen und darum beten, dass ihr mit mir sprecht: Vater, verherrliche deinen Namen; dein Wille geschehe." Nachdem Jesus so gesprochen hatte, erschien der Personifizierte Justierer, der ihm vor seiner Taufe innegewohnt hatte, vor ihm, und als Jesus merklich innehielt, sprach dieser jetzt mächtige Geist als Stellvertreter des Vaters zu Jesus von Nazareth: "Viele Male habe ich meinen Namen in deinen Selbsthingaben verherrlicht, und ich will ihn einmal mehr verherrlichen." Obwohl die versammelten Juden und Heiden keine Stimme vernahmen, konnte es ihnen nicht entgehen, dass der Meister beim Reden innegehalten hatte, während eine Botschaft aus irgendeiner übermenschlichen Quelle zu ihm kam. Alle sagten, jeder zu seinem Nachbarn: "Ein Engel hat zu ihm gesprochen." Darauf fuhr Jesus fort: "All das ist nicht um meinetwillen, sondern um euretwillen geschehen. Ich weiß mit Sicherheit, dass der Vater mich empfangen und meine zu eurem Wohl unternommene Sendung gutheißen wird, aber es ist notwendig, dass ihr ermutigt und auf die kurz bevorstehende grimmige Prüfung vorbereitet werdet. Lasst mich euch versichern, dass unsere vereinten Anstrengungen zur Erleuchtung der Welt und zur Befreiung der Menschheit schließlich von Erfolg gekrönt sein werden. Die alte Ordnung bringt sich selber vor Gericht; den Fürsten dieser Welt habe ich niedergeworfen; und alle Menschen sollen frei werden durch das Licht des Geistes, den ich auf alles Fleisch ausgießen werde, nachdem ich zu meinem Vater im Himmel aufgestiegen bin. "Und nun erkläre ich euch, dass ich, sobald ich auf Erden und in euren Leben erhöht sein werde, alle Menschen an mich und in die Verbundenheit mit meinem Vater ziehen werde. Ihr habt geglaubt, der Erlöser werde für immer auf der Erde bleiben, aber ich erkläre, dass der Menschensohn von den Menschen zurückgewiesen werden und zum Vater zurückkehren wird. Ich werde nur noch eine kleine Weile bei euch sein; nur noch ganz kurze Zeit wird das lebendige Licht bei dieser verfinsterten Generation weilen. Geht voran, solange ihr dieses Licht habt, damit die herannahende Finsternis und Verwirrung euch nicht überrasche. Wer in der Finsternis wandert, weiß nicht, wo sein Fuß hintritt; aber wenn ihr beschließt, im Licht zu wandern, werdet ihr alle tatsächlich befreite Söhne Gottes werden. Kommt jetzt mit mir, ihr alle, und lasst uns zum Tempel zurückkehren, wo ich zu den Hohenpriestern, Schriftgelehrten, Pharisäern, Sadduzäern, Herodianern und zu den verblendeten Führern Israels Worte des Abschieds sprechen will." Nachdem er so gesprochen, schritt Jesus den Versammelten voran durch die engen Gassen Jerusalems zum Tempel zurück. Eben hatten sie aus dem Munde des Meisters vernommen, dass dies seine Abschiedsrede im Tempel sein würde, und nun folgten sie ihm schweigend und tief in Gedanken versunken. ****** Kapitel 175 Die Letzte Rede im Tempel ****** BEGLEITET von elf Aposteln, Joseph von Arimathia, den dreißig Griechen und einigen anderen Jüngern erreichte Jesus an diesem Dienstagnachmittag kurz nach zwei Uhr den Tempel und begann mit seiner letzten Ansprache in den Höfen des heiligen Hauses. Diese Rede war gedacht als ein letzter Appell an das jüdische Volk und als endgültige Anklage gegen seine heftigen und zu seiner Vernichtung entschlossenen Gegner - die Schriftgelehrten, Pharisäer, Sadduzäer und die höchsten Führer Israels. Am Vormittag hatten die verschiedenen Gruppen Gelegenheit gehabt, Jesus zu befragen; an diesem Nachmittag stellte ihm niemand eine Frage. Als der Meister zu sprechen begann, herrschte im Tempelhof Ruhe und Ordnung. Die Geldwechsler und Händler hatten es nicht wieder gewagt, den Tempel zu betreten, seit Jesus und die aufgebrachte Menge sie am Tage zuvor hinausgeworfen hatten. Bevor er mit seiner Predigt begann, schaute Jesus liebevoll auf seine Zuhörer hinab, die jetzt gleich seine öffentliche Abschiedsbotschaft der Barmherzigkeit an die Menschheit zusammen mit seiner letzten Verurteilung der falschen Lehrer und scheinheiligen Führer der Juden hören sollten. ***** 175.1 Die Predigt ***** "Lange bin ich nun bei euch gewesen und im Lande umhergezogen, um den Menschenkindern die Liebe des Vaters zu verkünden, und viele haben das Licht gesehen und sind durch den Glauben ins Königreich des Himmels eingetreten. In Verbindung mit dem, was ich gelehrt und gepredigt habe, hat der Vater viele Wunderwerke, sogar die Auferweckung von den Toten, vollbracht. Viele Kranke und Leidende sind geheilt worden, weil sie geglaubt haben; aber diese ganze Wahrheitsverkündigung und all diese Krankenheilungen haben die Augen derer nicht geöffnet, die sich weigern, das Licht zu sehen und entschlossen sind, das Evangelium vom Königreich abzulehnen. In jeder erdenklichen Weise, die mit der Ausführung des Willens meines Vaters vereinbar war, haben ich und meine Apostel unser Möglichstes getan, um mit unseren Brüdern in Frieden zu leben und uns an die vernünftigen Forderungen der Gesetze Mose und der Traditionen Israels zu halten. Wir haben beharrlich den Frieden gesucht, aber die Lenker Israels wollen ihn nicht. Indem sie die Wahrheit Gottes und das Licht des Himmels ablehnen, stellen sie sich auf die Seite des Irrtums und der Dunkelheit. Es kann keinen Frieden geben zwischen Licht und Dunkel, Leben und Tod, Wahrheit und Irrtum. Viele von euch haben es gewagt, an meine Lehren zu glauben, und haben bereits teil an der Freude und Freiheit des Bewusstseins, Kinder Gottes zu sein. Ihr seid meine Zeugen, dass ich dieselbe Gotteskindschaft der ganzen jüdischen Nation und selbst den Männern angeboten habe, die mich jetzt zu vernichten suchen. Und sogar jetzt noch würde mein Vater diese verblendeten Lehrer und heuchlerischen Führer empfangen, wenn sie sich ihm nur zuwenden und seine Gnade annehmen wollten. Sogar jetzt ist es für dieses Volk noch nicht zu spät, das Wort des Himmels zu empfangen und den Menschensohn willkommen zu heißen. Seit langem hat mein Vater diesem Volk Barmherzigkeit erwiesen. Generation um Generation haben wir unsere Propheten gesandt, um es zu unterweisen und zu warnen, und Generation um Generation hat es diese vom Himmel gesandten Lehrer umgebracht. Und nun schicken sich eure halsstarrigen Hohenpriester und eigensinnigen Führer an, genau dasselbe zu tun. So wie Herodes den Tod des Johannes veranlasste, seid ihr jetzt im Begriff, den Menschensohn umzubringen. Solange eine Möglichkeit besteht, dass sich die Juden meinem Vater zuwenden und das Heil suchen wollen, wird der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs euch seine barmherzigen Hände entgegenstrecken; aber wenn ihr einmal den Becher der Reuelosigkeit bis zum Rande gefüllt und meines Vaters Barmherzigkeit endgültig abgelehnt habt, wird diese Nation sich selber überlassen bleiben und rasch ein unrühmliches Ende nehmen. Dieses Volk war dazu aufgerufen, das Licht der Welt zu werden und weithin die geistige Herrlichkeit einer Gott kennenden Rasse kundzutun, aber ihr habt euch von der Ausübung eurer göttlichen Vorrechte so weit entfernt, dass eure Führer jetzt im Begriff sind, die größte Torheit aller Zeiten zu begehen: Sie sind dabei, das Geschenk Gottes an alle Menschen und für alle Zeitalter - die all seinen irdischen Geschöpfen offenbarte Liebe des himmlischen Vaters - endgültig zurückzuweisen. Wenn ihr einmal diese Offenbarung Gottes an die Menschen tatsächlich zurückgewiesen habt, wird das Königreich des Himmels anderen Völkern geschenkt werden, solchen, die es freudig und glücklich empfangen wollen. Im Namen des Vaters, der mich gesandt hat, mache ich euch eindringlich darauf aufmerksam, dass ihr im Begriff seid, eure Stellung in der Welt als Bannerträger der ewigen Wahrheit und Hüter des göttlichen Gesetzes zu verlieren. Ich biete euch jetzt die letzte Gelegenheit, vorzutreten und Reue zu zeigen und eure Absicht zu bekunden, Gott von ganzem Herzen zu suchen, und mit dem aufrichtigen Glauben kleiner Kinder in die Sicherheit und das Heil des Königreichs des Himmels einzutreten. Mein Vater arbeitet seit langem für euer Heil, und ich bin herabgekommen, um unter euch zu leben und euch persönlich den Weg zu zeigen. Viele Juden und Samaritaner und sogar die Heiden haben an das Evangelium vom Königreich geglaubt, aber diejenigen, die als erste vortreten und das Licht des Himmels annehmen sollten, haben es beharrlich abgelehnt, an die Offenbarung der Wahrheit Gottes zu glauben - an den im Menschen offenbarten Gott und den zu Gott emporgehobenen Menschen. Heute Nachmittag stehen meine Apostel hier schweigend vor euch, aber bald werdet ihr ihre Stimmen vernehmen, die euch zur Rettung rufen und drängen werden, euch als Söhne des lebendigen Gottes mit dem himmlischen Königreich zu vereinigen. Und nun rufe ich diese meine Jünger, die an das Evangelium vom Königreich glauben, sowie die unsichtbaren Boten an ihrer Seite zu Zeugen an, dass ich Israel und seinen Führern einmal mehr Erlösung und Rettung angeboten habe. Aber ihr könnt alle sehen, wie des Vaters Gnade gering geachtet wird und wie die Botschafter der Wahrheit abgewiesen werden. Dessen ungeachtet gebe ich euch zu bedenken, dass diese Schriftgelehrten und Pharisäer immer noch auf dem Stuhl Mose sitzen, und deshalb fordere ich euch auf, solange mit den Ältesten Israels zusammenzuarbeiten, bis die Allerhöchsten, die in den Königreichen der Menschen regieren, dieser Nation schließlich den Untergang bereiten und den Sitz ihrer Führer vernichten werden. Es wird von euch nicht verlangt, euch ihren Plänen zur Tötung des Menschensohnes anzuschließen, aber in allem, was den Frieden Israels betrifft, sollt ihr euch ihnen unterziehen. Tut in all diesen Dingen, was sie euch zu tun gebieten und beachtet das Wesentliche des Gesetzes, aber nehmt euch ihre Missetaten nicht zum Vorbild. Denkt daran, dass dies die Sünde dieser Führer ist: Sie verkünden wohl das Gute, aber sie tun es nicht. Ihr wisst nur zu gut, welch schwere Lasten sie auf eure Schultern laden - schmerzhaft drückende Lasten -, während sie keinen Finger rühren, um euch beim Tragen dieser schweren Bürden zu helfen. Sie haben euch mit Zeremonien bedrückt und durch Traditionen versklavt. Darüber hinaus gefallen sich diese egozentrischen Führer darin, ihre guten Werke so zu verrichten, dass die Menschen sie sehen können. Sie lassen sich ihre Gebetsriemen verbreitern und die Borten an ihren Amtsroben vergrößern. Sie verlangen bei Festen die ersten Plätze und beanspruchen in den Synagogen die Ehrensitze. Sie begehren, dass man sie auf den Marktplätzen ehrerbietig grüße, und wünschen, von allen mit `Rabbi' angesprochen zu werden. Und während sie nach all diesen menschlichen Ehrenbezeugungen gieren, greifen sie insgeheim nach den Häusern von Witwen und bereichern sich an den heiligen Tempeldiensten. In der Öffentlichkeit täuschen diese Heuchler lange Gebete vor und spenden Almosen, um die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen auf sich zu lenken. Obwohl ihr gut tut, euren Führern Ehre und euren Lehrern Respekt zu erweisen, solltet ihr im geistigen Sinne keinen Menschen Vater nennen, denn ihr habt nur einen Vater, nämlich Gott. Ebensowenig solltet ihr versuchen, euch euren Brüdern im Königreich gegenüber als Herren aufzuspielen. Denkt daran, ich habe euch gelehrt, dass, wer von euch der Größte sein möchte, der Diener aller werden sollte. Wenn ihr euch anmaßt, euch selber vor Gott zu erhöhen, werdet ihr mit Sicherheit gedemütigt werden; aber wer sich selber wahrhaft demütigt, der wird mit Bestimmtheit erhöht werden. Trachtet in eurem täglichen Leben nicht nach Selbstverherrlichung, sondern nach der Herrlichkeit Gottes. Ordnet euren eigenen Willen einsichtsvoll dem Willen des Vaters im Himmel unter. Missversteht meine Worte nicht. Ich hege keinen Groll gegen die Hohenpriester und Führer, die eben jetzt auf meinen Tod sinnen, und ich trage den Schriftgelehrten und Pharisäern, die meine Lehren ablehnen, nichts nach. Ich weiß, dass viele von euch insgeheim glauben, und ich weiß, dass ihr euch offen zu eurer Zugehörigkeit zum Königreich bekennen werdet, wenn meine Stunde kommt. Aber wie werden eure Rabbiner sich rechtfertigen, die beteuern, mit Gott zu sprechen und sich dann anmaßen, denjenigen zu verstoßen und umzubringen, der kommt, um den Welten den Vater zu verkündigen? Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr möchtet die Tore des Königreichs des Himmels vor aufrichtigen Menschen verschließen, weil sie sich zufälligerweise in eurer Lehrweise nicht auskennen. Ihr weigert euch, das Königreich zu betreten, und gleichzeitig unternehmt ihr alles, was in eurer Macht steht, um auch alle anderen am Eintreten zu hindern. Ihr steht mit dem Rücken zu den Toren des Heils und bekämpft alle, die Einlass begehren. Wehe euch Schriftgelehrten und Pharisäern, Heuchler, die ihr seid! Denn ihr durchquert Länder und Meere, um einen einzigen zum Judentum zu bekehren, und wenn ihr dabei Erfolg habt, ruht ihr nicht, ehe ihr ihn zweimal schlechter gemacht habt, als er als ein Kind der Heiden gewesen war. Weh euch, ihr Hohenpriester und Führer, die ihr Hand an das Eigentum der Armen legt und von denen hohe Abgaben verlangt, die Gott so dienen möchten, wie es Moses ihrer Meinung nach geboten hatte! Könnt ihr, die ihr euch weigert, Barmherzigkeit zu zeigen, in den kommenden Welten auf Barmherzigkeit hoffen? Weh euch, ihr falschen Lehrer und blinden Führer! Was kann man von einer Nation erwarten, wenn Blinde Blinde führen? Beide werden straucheln und in den Abgrund der Vernichtung stürzen. Weh euch, die ihr euch verstellt, wenn ihr einen Eid leistet! Ihr seid Schwindler, denn ihr lehrt, dass ein Mann beim Tempel schwören und dennoch seinen Eid brechen kann, dass aber derjenige, der beim Gold des Tempels schwört, durch seinen Schwur gebunden bleibt. Ihr seid alles Narren und Blinde. In eurer Unehrlichkeit seid ihr nicht einmal konsequent, denn was ist größer, das Gold oder der Tempel, der doch angeblich das Gold geheiligt hat? Ihr lehrt ebenfalls, dass es nichts bedeutet, wenn ein Mann beim Altar schwört; dass aber, wer bei der Gabe auf dem Altar schwört, dadurch gebunden ist. Auch darin seid ihr der Wahrheit gegenüber blind, denn was ist größer, die Gabe oder der Altar, welcher die Gabe heiligt? Wie könnt ihr eine solche Heuchelei und Unehrlichkeit vor den Augen des Gottes im Himmel rechtfertigen? Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer und all ihr anderen Heuchler, die ihr sicherstellt, dass die Leute auf Minze, Anis und Kümmel den Zehnten zahlen, und die ihr gleichzeitig die gewichtigeren Dinge des Gesetzes - Glauben, Erbarmen und Gericht - unbeachtet lasst! Vernünftigerweise hättet ihr das eine tun sollen, ohne das andere zu lassen. Ihr seid wahrlich blinde Führer und dumme Lehrer; ihr siebt Mücken aus und verschluckt Kamele. Weh euch, ihr Schriftgelehrten, Pharisäer und Heuchler! Denn peinlich genau reinigt ihr das Äußere des Bechers und des Tellers, aber innen bleiben die schmutzigen Reste von Erpressung, Ausschweifung und Betrügerei. Ihr seid geistig blind. Erkennt ihr nicht, wie viel besser es wäre, zuerst das Innere des Bechers zu reinigen? Denn was dann überflösse, würde von selbst das Äußere reinigen. Ihr gottlosen Verworfenen! Ihr sorgt dafür, dass die äußeren Zeremonien mit eurer Auslegung von Mose Gesetz übereinstimmen, während eure Seelen, ganz von frevlerischen Gedanken durchdrungen, auf Mord sinnen. Weh euch allen, die ihr die Wahrheit verwerft und die Barmherzigkeit verächtlich von euch weist! Viele von euch sind wie getünchte Gräber, die von außen schön erscheinen, aber innen mit Totengebein und Schmutz aller Art angefüllt sind. Ebenso erscheint ihr, die ihr wissentlich Gottes Rat zurückweist, den Menschen äußerlich als heilig und rechtschaffen, aber inwendig sind eure Herzen von Heuchelei und Sünde erfüllt. Weh euch, ihr falschen Führer einer Nation! Dort drüben habt ihr den gemarterten Propheten von ehedem ein Denkmal errichtet, und nun schmiedet ihr ein Komplott, um gerade Den umzubringen, von Dem sie gesprochen haben. Ihr schmückt die Gräber der Gerechten und schmeichelt euch, dass ihr die Propheten nicht umgebracht hättet, wenn ihr zur Zeit eurer Väter gelebt hättet; und dann macht ihr euch trotz dieser selbstgerechten Denkweise daran, gerade den zu ermorden, von dem die Propheten gesprochen haben, den Menschensohn. Indem ihr so handelt, bezeugt ihr vor euch selbst, dass ihr die gottlosen Söhne derer seid, die die Propheten umgebracht haben. Nur zu, und füllt den Becher eurer Verurteilung bis zum Rande! Weh euch, ihr Kinder des Bösen! Mit Recht hat Johannes euch Schlangenbrut genannt, und ich frage: Wie könnt ihr dem Urteil entrinnen, das Johannes über euch gesprochen hat? Aber sogar jetzt noch biete ich euch im Namen meines Vaters Barmherzigkeit und Vergebung an; sogar jetzt noch strecke ich euch die liebende Hand ewiger Freundschaft entgegen. Mein Vater hat euch weise Männer und Propheten gesandt; einige von ihnen habt ihr verfolgt und andere getötet. Und dann trat Johannes auf und verkündete das Kommen des Menschensohns, und viele glaubten an seine Lehre, doch ihr habt ihn umgebracht. Und jetzt macht ihr euch bereit, noch mehr unschuldiges Blut zu vergießen. Begreift ihr nicht, dass ein schrecklicher Tag der Abrechnung kommen wird, wenn der Richter der ganzen Erde von diesem Volk Rechenschaft fordern wird für die Art und Weise, in der es diese Botschafter des Himmels verstoßen, verfolgt und umgebracht hat? Seht ihr nicht ein, dass ihr über all dieses rechtschaffene Blut Rechenschaft ablegen müsst, vom ersten getöteten Propheten an bis zur Zeit Zacharias, der zwischen dem Heiligtum und dem Altar erschlagen wurde? Und wenn ihr in dieser üblen Weise fortfahrt, wird solche Rechenschaft möglicherweise noch von dieser Generation gefordert werden. Oh Jerusalem und ihr Kinder Abrahams, die ihr die Propheten gesteinigt und die Lehrer getötet habt, die zu euch gesandt wurden, selbst jetzt noch möchte ich eure Kinder um mich sammeln wie eine Henne, die ihre Küken unter ihren Flügeln zusammenschart, aber ihr wollt es nicht! "Und nun nehme ich Abschied von euch. Ihr habt meine Botschaft gehört und eure Entscheidung gefällt. Die, die an mein Evangelium geglaubt haben, sind jetzt im Königreich Gottes in Sicherheit. Euch, die ihr euch entschlossen habt, das Geschenk Gottes zurückzuweisen, sage ich, dass ihr mich nicht mehr im Tempel unterweisen sehen werdet. Mein Werk für euch ist getan. Seht, ich ziehe jetzt mit meinen Kindern aus und lasse euch euer Haus verödet zurück!" Darauf gab der Meister seinen Anhängern ein Zeichen, den Tempel zu verlassen. ***** 175.2 Die Stellung des einzelnen Juden ***** Die Tatsache, dass die geistigen Führer und religiösen Lehrer der jüdischen Nation damals Jesu Lehren zurückgewiesen und sich verschworen haben, um seinen grausamen Tod herbeizuführen, berührt in keiner Weise die Stellung irgendeines einzelnen Juden vor Gott. Ebenso wenig sollte das denen, die sich als Christi Anhänger bezeichnen, einen Grund zur Voreingenommenheit gegenüber ihren sterblichen Mitmenschen, den Juden, liefern. Die Juden als Nation, als sozio-politische Gruppe, haben den schrecklichen Preis für die Ablehnung des Friedensfürsten vollauf bezahlt. Seit langem haben sie aufgehört, die geistigen Fackelträger der göttlichen Wahrheit für die Rassen der Menschheit zu sein, aber das ist kein triftiger Grund, weshalb die einzelnen Nachfahren dieser einstigen Juden die Verfolgungen erleiden sollten, die gegen sie durch Intolerante, Unwürdige und Fanatiker entfesselt wurden, welche sich auf Jesus von Nazareth beriefen, der selbst von Geburt ein Jude war. Oft haben dieser blinde, unchristliche Hass und die Verfolgung der Juden neuerer Zeit mit dem Leiden und Sterben irgendeines unschuldigen und friedfertigen einzelnen Juden geendet, obwohl gerade dessen Urahnen zur Zeit Jesu das Evangelium begeistert angenommen hatten und bald darauf unerschrocken für die Wahrheit, an die sie von ganzer Seele glaubten, in den Tod gegangen waren. Welch ein Schauder des Entsetzens befällt die zuschauenden himmlischen Wesen, wenn sie sehen, wie angebliche Anhänger von Jesus sich zu Verfolgung, Quälerei und sogar Ermordung späterer Nachkommen von Petrus, Philipp und Matthäus und anderer palästinensischer Juden hinreißen lassen, die ihr Leben so ruhmreich als erste Märtyrer des Evangeliums vom himmlischen Königreich hingegeben haben. Wie grausam und sinnlos ist es doch, unschuldige Kinder für die Sünden ihrer Vorväter leiden zu lassen, für Verfehlungen, derer sie sich überhaupt nicht bewusst sind und für die sie in keiner Weise verantwortlich sein können! Und so Ruchloses im Namen von einem zu tun, der seine Jünger lehrte, dass man sogar seine Feinde lieben solle! Es ist in dieser Schilderung des Lebens Jesu nötig geworden, darüber zu berichten, wie einige seiner jüdischen Mitbürger ihn zurückstießen und sich miteinander verschworen, um seinen schändlichen Tod herbeizuführen; aber wir möchten alle, die diesen Bericht lesen, warnend darauf aufmerksam machen, dass die Schilderung solcher historischer Fakten in keiner Weise den ungerechtfertigten Hass legitimiert, noch die unfaire Geisteshaltung verzeiht, die so viele angebliche Christen viele Jahrhunderte lang einzelnen Juden gegenüber unterhalten haben. Wer an das Königreich glaubt und den Lehren Jesu nachlebt, muss damit aufhören, einzelne Juden wie Leute zu behandeln, die sich der Ablehnung und Kreuzigung Jesu schuldig gemacht haben. Der Vater und sein Schöpfersohn haben nie aufgehört, die Juden zu lieben. Gott kennt kein Ansehen der Person, und die Errettung ist für Juden wie für Nichtjuden. ***** 175.3 Die schicksalsschwere Sitzung des Sanhedrins ***** Die schicksalsschwere Sitzung des Sanhedrins wurde an diesem Dienstagabend auf acht Uhr anberaumt. Bei vielen früheren Gelegenheiten hatte dieser höchste Gerichtshof der jüdischen Nation Jesus informell zum Tode verurteilt. Viele Male hatte dieses erlauchte richterliche Gremium entschieden, seinem Werk ein Ende zu bereiten, aber nie zuvor hatten sie beschlossen, ihn zu verhaften und, koste es, was es wolle, hinzurichten. An diesem Dienstag, dem 4. April 30, stimmte der Sanhedrin kurz vor Mitternacht in seiner damaligen Zusammensetzung offiziell und einstimmig dafür, gegen Jesus und Lazarus die Todesstrafe zu verhängen. Das war die Antwort auf den letzten Appell des Meisters an die herrschenden Juden, den er nur wenige Stunden zuvor im Tempel gemacht hatte. Diese Reaktion drückte ihren bitteren Groll über seine letzte, heftige Anklage gegen sie, die Oberpriester und reuelosen Sadduzäer und Pharisäer, aus. Die Verhängung der Todesstrafe (noch vor Prozessbeginn) gegen den Sohn Gottes war die Erwiderung des Sanhedrins auf das letzte Angebot himmlischer Barmherzigkeit, das der jüdischen Nation als solcher gemacht wurde. Von da an ließ man die Juden die knappe, kurze Frist nationaler Existenz ausschließlich gemäß ihrer rein menschlichen Stellung unter den Nationen Urantias beenden. Israel hatte den Sohn Gottes, der mit Abraham einen Bund geschlossen hatte, verstoßen, und der Plan, aus den Kindern Abrahams die Lichtbringer der Wahrheit für die Welt zu machen, war zunichte. Der göttliche Bund war aufgehoben, und das Ende der hebräischen Nation kam schnell näher. Die Ordnungskräfte des Sanhedrins erhielten den Befehl zu Jesu Verhaftung früh am nächsten Morgen, aber mit der Weisung, ihn nicht in der Öffentlichkeit festzunehmen. Man sagte ihnen, sie sollten zusehen, ihn heimlich zu ergreifen, am besten überraschend und des Nachts. Da die Führer verstanden hatten, dass er an diesem Tag (Mittwoch) kaum zur Unterweisung in den Tempel zurückkehren würde, befahlen sie den Ordnungskräften des Sanhedrins, "ihn irgendwann am Donnerstag vor Mitternacht vor den hohen jüdischen Gerichtshof zu bringen". ***** 175.4 Die Lage in Jerusalem ***** Am Ende der letzten Rede Jesu im Tempel blieben die Apostel wiederum verwirrt und bestürzt zurück. Bevor der Meister mit seiner furchtbaren Anklage gegen die jüdischen Führer begann, war Judas zum Tempel zurückgekehrt, so dass alle Zwölf diese zweite Hälfte von Jesu letzter Tempelrede hörten. Es ist bedauerlich, dass Judas Iskariot die erste und Gnade anbietende Hälfte der Abschiedsbotschaft nicht hören konnte. Er verpasste dieses letzte Angebot der Barmherzigkeit an die jüdischen Führer, weil er sich noch mit einer Gruppe von sadduzäischen Verwandten und Freunden besprach, mit denen er zu Mittag gespeist hatte und mit denen er sich darüber beriet, wie er sich auf die passendste Weise von Jesus und seinen Mitaposteln trennen könnte. Während Judas sich des Meisters letzte Anklage gegen die jüdischen Führer und Gebieter anhörte, fasste er den endgültigen und unwiderruflichen Entschluss, die Evangeliumsbewegung aufzugeben und mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun zu haben. Trotzdem verließ er den Tempel zusammen mit den Zwölf, ging mit ihnen zum Ölberg hinaus, wo er sich mit seinen Mitaposteln jene schicksalschweren Worte über die Zerstörung Jerusalems und das Ende der jüdischen Nation anhörte, und blieb an diesem Dienstagabend mit ihnen im neuen Lager bei Gethsemane. Die Menge, die Jesus vom erbarmungsvollen Appell an die jüdischen Führer plötzlich zu diesem vernichtenden Tadel übergehen hörte, der an schonungslose Verurteilung grenzte, war wie gelähmt und fassungslos. Während der Sanhedrin an diesem Abend das Todesurteil über Jesus fällte und der Meister mit seinen Aposteln und einigen seiner Jünger draußen am Ölberg zusammensaß und den Tod der jüdischen Nation voraussagte, gab sich ganz Jerusalem nur der ernsten und heimlichen Besprechung der einen Frage hin: "Was werden sie mit Jesus tun?" Im Hause des Nikodemus hatten sich über dreißig prominente Juden eingefunden, die im Geheimen an das Königreich glaubten und darüber berieten, welchen Kurs sie im Falle eines offenen Bruchs mit dem Sanhedrin verfolgen sollten. Alle Anwesenden kamen überein, zum selben Zeitpunkt, da sie von der Verhaftung des Meisters erfahren würden, ein öffentliches Treuebekenntnis zu ihm abzulegen. Und genau das taten sie. Die Sadduzäer, die jetzt den Sanhedrin kontrollierten und beherrschten, wünschten sich Jesu aus folgenden Gründen zu entledigen: 1. Sie befürchteten, dass die zunehmende allgemeine Sympathie, die die Menge ihm bewies, die Existenz der jüdischen Nation wegen eines möglichen Konfliktes mit der römischen Obrigkeit gefährden könnte. 2. Jesu Eifer für eine Tempelreform war ein direkter Schlag gegen ihre Einkünfte; die Reinigung des Tempels traf ihren Geldbeutel. 3. Sie fühlten sich für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung verantwortlich, und sie fürchteten sich vor den Folgen einer Weiterverbreitung der seltsamen und neuartigen Lehre Jesu von der Brüderlichkeit der Menschen. Die Pharisäer hatten andere Beweggründe, Jesu Hinrichtung zu wünschen. Sie fürchteten ihn aus folgenden Gründen: 1. Er stand in wirkungsvoller Opposition zu ihrer althergebrachten Macht über das Volk. Die Pharisäer waren ultrakonservativ, und diese vermeintlich radikalen Angriffe auf ihr angestammtes Prestige als religiöse Lehrer riefen ihren erbitterten Groll hervor. 2. Sie behaupteten, Jesus sei ein Gesetzesbrecher, und er habe für den Sabbat und zahlreiche andere gesetzliche und zeremonielle Vorschriften äußerste Missachtung gezeigt. 3. Sie warfen ihm Gotteslästerung vor, weil er von Gott als seinem Vater sprach. 4. Und jetzt waren sie äußerst erbost über ihn wegen seiner letzten Rede heftiger Anprangerung, die er an diesem Tag als Schlussteil seiner Abschiedsbotschaft im Tempel gehalten hatte. Der Sanhedrin vertagte sich an diesem Dienstag gegen Mitternacht, nachdem er in aller Form Jesu Tod beschlossen und Befehl zu seiner Verhaftung erteilt und ein Treffen im Hause des Hohenpriesters Kajaphas auf zehn Uhr am nächsten Vormittag anberaumt hatte, um die Anklagen zu formulieren, aufgrund derer Jesus vor Gericht gebracht werden sollte. Eine kleine Gruppe von Sadduzäern hatte tatsächlich vorgeschlagen, Jesus durch Mord aus dem Wege zu räumen, aber die Pharisäer weigerten sich entschieden, ein solches Vorgehen zu billigen. So lagen an diesem ereignisreichen Tag die Dinge in Jerusalem und bei den Menschen, während über dem denkwürdigen irdischen Schauplatz eine große Versammlung himmlischer Wesen schwebte, welche sehnlich wünschten, etwas zu tun, um ihrem geliebten Herrscher beizustehen, aber machtlos waren zu handeln, weil die sie befehligenden Vorgesetzten sie wirksam davon abhielten. ****** Kapitel 176 Am Dienstagabend auf dem Ölberg ****** ALS Jesus und die Apostel an diesem Dienstagnachmittag den Tempel verließen, um sich zum Lager von Gethsemane zu begeben, lenkte Matthäus die Aufmerksamkeit auf den Tempelbau und sagte: "Meister, schau dir die Beschaffenheit dieser Bauten an. Sieh die wuchtigen Steine und die wunderbaren Verzierungen; ist es denkbar, dass diese Gebäude einmal zerstört werden?" Als sie in Richtung des Ölbergs weiterschritten, sagte Jesus: "Ihr seht jetzt diese Steine und diesen gewaltigen Tempel; wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Die Tage werden bald kommen, da kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Sie werden alle umgestürzt werden." Diese Bemerkungen über die Zerstörung des heiligen Tempels erregten die Neugier der Apostel, die hinter dem Meister hergingen; abgesehen vom Ende der Welt, konnten sie sich kein Ereignis vorstellen, das die Zerstörung des Tempels hätte verursachen können. Um der Menge auszuweichen, die durch das Kidrontal nach Gethsemane zog, entschieden Jesus und seine Gefährten, ein kurzes Stück Weges den Westabhang des Ölbergs hinaufzusteigen und dann einem Fußweg zu folgen, der zu ihrem in geringer Entfernung oberhalb des öffentlichen Lagerplatzes gelegenen privaten Lager bei Gethsemane führte. Als sie von der Straße nach Bethanien abbogen, sahen sie den von den Strahlen der untergehenden Sonne in ein glorreiches Licht getauchten Tempel; und während sie auf dem Berg verweilten, beobachteten sie, wie in der Stadt die Lichter angingen, und genossen die Schönheit des hell erleuchteten Tempels; und dort, im sanften Licht des Vollmondes, setzten sich Jesus und die Zwölf. Der Meister unterhielt sich mit ihnen, und alsbald stellte Nathanael die Frage: "Sage uns, Meister, woran werden wir erkennen, dass jene Ereignisse unmittelbar bevorstehen?" ***** 176.1 Die Zerstörung Jerusalems ***** Auf Nathanaels Frage gab Jesus zur Antwort: "Ja, ich will euch von den Zeiten reden, da dieses Volk den Becher seiner Frevel gefüllt haben und das Gericht jäh über diese Stadt unserer Väter kommen wird. Ich stehe im Begriff, euch zu verlassen; ich gehe zum Vater. Gebt acht, dass euch nach meinem Weggang niemand täuscht, denn manche werden als Befreier kommen und werden viele in die Irre führen. Lasst euch nicht beunruhigen, wenn ihr von Kriegen und Kriegsgerüchten hört, denn, obwohl all das geschehen wird, steht das Ende von Jerusalem nicht unmittelbar bevor. Weder Hungersnöte noch Erdbeben sollten euch etwas anhaben können, und ihr solltet unbesorgt sein, wenn man euch den zivilen Behörden überantwortet oder euch um des Evangeliums willen verfolgt. Um meinetwillen wird man euch aus der Synagoge verjagen und ins Gefängnis werfen, und einige von euch wird man töten. Wenn man euch vor Statthalter und Herrscher bringt, dann geschehe es, damit ihr für euren Glauben Zeugnis ablegt und euer unbeirrbares Festhalten am Evangelium vom Königreich unter Beweis stellt. Und wenn ihr vor Richtern steht, dann sorgt euch nicht im voraus, was ihr sagen sollt, denn der Geist wird euch gerade in jenem Augenblick eingeben, was ihr euren Gegnern antworten sollt. In jenen qualvollen Tagen werden euch selbst eure eigenen Familienangehörigen unter Führung derer, die den Menschensohn abgewiesen haben, dem Gefängnis und dem Tod überantworten. Eine Zeit lang mögen euch alle Menschen um meinetwillen hassen, aber selbst in diesen Verfolgungen werde ich euch nicht im Stich lassen; mein Geist wird euch nicht verlassen. Seid geduldig! Zweifelt nicht daran, dass das Evangelium vom Königreich über alle Feinde triumphieren und schließlich allen Völkern verkündet werden wird." Jesus hielt inne, während er auf die Stadt hinabsah. Der Meister erkannte, dass die Zurückweisung der geistigen Vorstellung vom Messias, die Entschlossenheit, beharrlich und blind an der weltlichen Sendung des erwarteten Befreiers festzuhalten, die Juden bald in direkten Konflikt mit den mächtigen römischen Armeen bringen würde, und dass eine solche Auseinandersetzung nur mit dem endgültigen und vollständigen Untergang der jüdischen Nation enden konnte. Als sein Volk Jesu geistiges Geschenk zurückwies und sich weigerte, das Licht des Himmels zu empfangen, das so erbarmungsvoll über ihm schien, besiegelte es damit sein Schicksal als unabhängiges Volk mit einer besonderen geistigen Sendung auf Erden. Sogar die jüdischen Führer erkannten später, dass gerade diese weltliche Vorstellung vom Messias direkt die Unruhen heraufbeschwor, die schließlich zu ihrer Vernichtung führten. Da es Jerusalem bestimmt war, zur Wiege der jungen Evangeliumsbewegung zu werden, wollte Jesus nicht, dass seine Lehrer und Prediger bei der entsetzlichen, mit der Zerstörung Jerusalems einhergehenden Niederwerfung des jüdischen Volkes umkämen; deshalb gab er seinen Anhängern diese Hinweise. Jesus war sehr besorgt, einige seiner Jünger könnten in diese baldigen Aufstände hineingezogen werden und beim Fall Jerusalems umkommen. Da erkundigte sich Andreas: "Aber, Meister, wenn die Heilige Stadt und der Tempel zerstört werden und du nicht mehr hier bist, um uns zu leiten, wann sollen wir denn Jerusalem verlassen?" Jesus sagte: "Ihr könnt in Jerusalem bleiben, nachdem ich gegangen bin, sogar während dieser Zeiten der Qualen und erbitterten Verfolgungen, aber wenn ihr nach dem Aufstand der falschen Propheten Jerusalem schließlich von den römischen Heeren umzingelt seht, dann werdet ihr wissen, dass seine Verwüstung unmittelbar bevorsteht; dann müsst ihr in die Berge fliehen. Niemand soll in der Stadt und ihrer Umgebung verweilen, um irgendetwas zu retten, noch sollen sich jene, die sich außerhalb befinden, hineinwagen. Das Leid wird groß sein, denn das werden die Tage der Rache der Heiden sein. Und nachdem ihr die Stadt verlassen habt, wird dieses ungehorsame Volk durch das Schwert umkommen und zu allen Nationen in die Gefangenschaft abgeführt werden. So wird Jerusalem von den Heiden zertreten werden. Aber ich warne euch, lasst euch in der Zwischenzeit nicht täuschen! Wenn jemand zu euch kommt und sagt: `Seht, hier ist der Befreier', oder: `Seht, dort ist er', so glaubt ihm nicht, denn manche falschen Lehrer werden aufstehen und viele sich von ihnen in die Irre führen lassen; aber ihr sollt euch nicht täuschen lassen, denn ich habe euch all das im Voraus gesagt." Lange Zeit saßen die Apostel schweigend im Mondlicht da, während sich diese erstaunlichen Vorhersagen des Meisters in ihre fassungslosen Gemüter senkten. Und eingedenk eben dieser Vorwarnung floh praktisch die ganze Schar von Gläubigen und Jüngern beim ersten Erscheinen der römischen Truppen aus Jerusalem. Und sie fanden in Pella im Norden einen sicheren Unterschlupf. Sogar noch nach dieser unmissverständlichen Warnung deuteten viele von Jesu Anhängern diese Vorhersagen dahin, dass sie sich auf die Veränderungen bezögen, die zwangsläufig in Jerusalem eintreten würden, wenn das Wiedererscheinen des Messias die Errichtung des Neuen Jerusalems und den Ausbau der Stadt zur Hauptstadt der Welt zur Folge haben würde. In ihrem Gemüt hatten die Juden entschieden, die Zerstörung des Tempels mit dem "Ende der Welt" in Verbindung zu bringen. Sie glaubten, dass dieses Neue Jerusalem ganz Palästina füllen und dass auf das Ende der Welt sofort das Erscheinen der "neuen Himmel und der neuen Erde" folgen würde. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Petrus sagte: "Meister, wir wissen, dass alles vergehen wird, wenn die neuen Himmel und die neue Erde erscheinen, aber wie werden wir wissen, wann du wiederkehrst, um all dies zu vollbringen?" Als Jesus das hörte, sann er eine Weile nach und sprach dann: "Ihr irrt euch dauernd, weil ihr stets die neue Lehre an die alte anzuhängen versucht; ihr seid entschlossen, meine ganze Lehre misszuverstehen; ihr besteht darauf, das Evangelium gemäß euren althergebrachten Vorstellungen auszulegen. Trotzdem will ich versuchen, euch aufzuklären." ***** 176.2 Des Meisters zweites Kommen ***** Bei mehreren Gelegenheiten hatte Jesus Äußerungen gemacht, die seine Hörer folgern ließen, dass er wohl in Kürze diese Welt zu verlassen gedenke, aber mit Sicherheit wiederkehren würde, um das Werk des himmlischen Königreichs zu vollenden. Als bei seinen Anhängern die Überzeugung wuchs, dass er sie verlassen würde, und als er dann diese Welt verlassen hatte, war es nur natürlich, dass alle Gläubigen sich fest an diese Versprechen seiner Rückkehr klammerten. So wurde den Lehren der Christen schon früh die Doktrin vom zweiten Kommen Christi einverleibt, und fast jede spätere Generation von Jüngern hat inbrünstig an diese Wahrheit geglaubt und vertrauensvoll und freudig sein künftiges Kommen erwartet. Da sie sich von ihrem Meister und Lehrer trennen mussten, klammerten sich die ersten Jünger und die Apostel umso stärker an dieses Versprechen der Wiederkehr, und sofort brachten sie die vorausgesagte Zerstörung Jerusalems mit dem versprochenen zweiten Kommen in Verbindung. Und sie fuhren fort, seine Worte in diesem Sinne auszulegen, obwohl sich der Meister während dieser abendlichen Unterweisung auf dem Ölberg ganz besonders darum bemühte, gerade einem solchen Irrtum vorzubeugen. Zur Frage von Petrus führte Jesus weiter aus: "Warum wartet ihr immer noch darauf, dass der Menschensohn sich auf Davids Thron setze und sich die materiellen Träume der Juden erfüllten? Habe ich euch nicht all die Jahre hindurch gesagt, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist? Das, worauf ihr eben jetzt herabschaut, geht seinem Ende entgegen, aber es wird zugleich ein Neubeginn sein, durch den das Evangelium vom Königreich in die ganze Welt hinausgetragen und sich das Heil unter allen Völkern ausbreiten wird. Wenn das Königreich einst zu voller Blüte gelangt sein wird, könnt ihr sicher sein, dass der Vater im Himmel euch ohne Frage eine erweiterte Offenbarung der Wahrheit und eine höhere Bekundung von Rechtschaffenheit gewähren wird, in derselben Weise, wie er dieser Welt bereits denjenigen geschenkt hat, der zum Fürsten der Finsternis geworden ist, und nach ihm Adam, auf den Melchisedek und in diesen Tagen der Menschensohn gefolgt sind. Und so wird mein Vater fortfahren, seine Barmherzigkeit zu zeigen und seine Liebe kundzutun, auch gegenüber dieser finsteren und schlechten Welt. Ebenso will ich, wenn mein Vater mir alle Macht und Autorität übertragen hat, weiterhin euer Schicksal verfolgen und euch in den Dingen des Königreichs durch die Anwesenheit meines Geistes leiten, der in Kürze über alle Sterblichen ausgegossen werden wird. Und obwohl ich in dieser Weise im Geiste bei euch anwesend sein werde, verspreche ich auch, dass ich irgendwann auf die Welt zurückkehren werde, wo ich dieses Leben als Sterblicher gelebt und die Erfahrung erlangt habe, gleichzeitig Gott den Menschen zu offenbaren und die Menschen zu Gott zu führen. Ich muss euch sehr bald verlassen und das Werk weiterführen, das der Vater meinen Händen anvertraut hat, aber seid guten Mutes, denn ich werde irgendwann wiederkehren. In der Zwischenzeit soll mein Geist der Wahrheit eines Universums euch ermutigen und führen. Ihr seht mich jetzt in Schwachheit und in einem Körper, aber wenn ich wiederkehre, wird es mit Macht und im Geist sein. Das leibliche Auge nimmt den verkörperten Menschensohn wahr, aber nur das Auge des Geistes wird den vom Vater verherrlichten und in seinem eigenen Namen auf Erden erscheinenden Menschensohn erkennen. Aber die Zeit der Wiederkunft des Menschensohns ist nur den Räten des Paradieses bekannt; nicht einmal die Engel des Himmels wissen, wann sie stattfinden wird. Ihr solltet aber dieses verstehen: Wenn das Evangelium vom Königreich dereinst der ganzen Welt zum Heil aller Völker verkündet worden ist und wenn das Zeitalter erfüllt ist, wird der Vater euch eine neue Dispensations-Gnadengabe senden, oder aber der Menschensohn wird zurückkehren, um das Zeitalter zu richten. Was nun das Leiden Jerusalems betrifft, von dem ich euch gesprochen habe, so wird diese Generation nicht vergehen, ehe sich meine Worte erfüllt haben; was dagegen den Zeitpunkt der Wiederkehr des Menschensohnes anlangt, so maße sich niemand im Himmel oder auf Erden an, darüber zu reden. Aber ihr solltet so weise sein, das Reifen eines Zeitalters zu beobachten; ihr solltet wachen Sinnes sein, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. Wenn am Feigenbaum die zarten Zweige sprießen und die Blätter erscheinen, wisst ihr, dass der Sommer naht. In derselben Weise solltet ihr, nachdem die Welt durch den langen Winter materialistischer Einstellung gegangen ist und ihr das Kommen des geistigen Frühlings einer neuen Dispensation feststellt, wissen, dass der Sommer einer neuen Visitation naht. "Aber was für eine Bedeutung hat diese Lehre vom Kommen der Söhne Gottes? Erkennt ihr nicht, dass sich jeder von euch im Augenblick, da er aufgerufen wird, seinen Lebenskampf aufzugeben und durch die Pforte des Todes zu gehen, in der unmittelbaren Gegenwart des Gerichts befindet und sich direkt den Tatsachen einer neuen Dispensation des Dienstes im ewigen Plan des unendlichen Vaters gegenübersieht? Was die ganze Welt am Ende eines Zeitalters als eine feststehende Tatsache zu gewärtigen hat, hat jeder einzelne von euch mit größter Sicherheit als persönliche Erfahrung zu gewärtigen, wenn er am Ende seines natürlichen Lebens anlangt und sich den Bedingungen und Forderungen gegenübersieht, die der nächsten Offenbarung des sich ewig vorwärtsbewegenden Königreichs des Vaters innewohnen." Von allen Ansprachen, die der Meister an seine Apostel richtete, hinterließ keine in ihren Gedanken eine solche Verwirrung wie jene vom Dienstagabend auf dem Ölberg über das zweifache Thema der Zerstörung Jerusalems und seines eigenen zweiten Kommens. Deshalb gab es wenig Übereinstimmung zwischen den späteren schriftlichen Berichten, die auf der Erinnerung an das fußten, was der Meister bei dieser außerordentlichen Gelegenheit gesagt hatte. Demzufolge entstanden viele Überlieferungen aufgrund der Tatsache, dass sich die Aufzeichnungen über so manches ausschwiegen, was an jenem Dienstagabend gesagt worden war; und gleich zu Beginn des zweiten Jahrhunderts wurde eine jüdische Apokalyptik über den Messias, dessen Verfasser ein zum Hof des Kaisers Caligula gehörender gewisser Selta war, als Ganzes dem Matthäusevangelium einverleibt und später (teilweise) den Aufzeichnungen von Markus und Lukas hinzugefügt. In diesen Schriften des Selta tauchte auch das Gleichnis von den zehn Jungfrauen auf. Kein Teil der Evangeliumsberichte hat eine so verwirrende Missdeutung erfahren wie gerade die Unterweisung dieses Abends. Aber der Apostel Johannes geriet nie in eine derartige Verwirrung. Als die dreizehn Männer ihren Weg zum Lager fortsetzten, waren sie stumm und standen unter einer großen gefühlsmäßigen Spannung. In Judas hatte sich der Entschluss, seine Gefährten zu verlassen, endgültig gefestigt. Es war schon spät am Abend, als David Zebedäus, Johannes Markus und eine Anzahl führender Jünger Jesus und die Zwölf in dem neuen Lager willkommen hießen, aber die Apostel wollten nicht schlafen gehen; sie wollten noch mehr wissen über die Zerstörung Jerusalems, über des Meisters Weggang und das Ende der Welt. ***** 176.3 Weitere Diskussion im Lager ***** Nachdem sich ihrer etwa zwanzig um das Lagerfeuer versammelt hatten, fragte Thomas: "Da du zurückkehren wirst, um das Werk des Königreichs zu vollenden, wie sollen wir uns verhalten, während du weg bist und den Angelegenheiten deines Vaters nachgehst?" Beim Schein des Feuers schaute Jesus auf sie und antwortete: Und auch du, Thomas, verstehst nicht, was ich gesagt habe. Habe ich euch denn nicht die ganze Zeit über gelehrt, dass eure Beziehung zum Königreich geistiger und individueller Natur ist - ganz und gar eine Angelegenheit persönlicher Erfahrung im Geiste - die durch den Glauben erlangte Erkenntnis, Söhne Gottes zu sein? Was soll ich dem noch hinzufügen? Was hat der Niedergang von Nationen, der Zusammenbruch von Imperien, die Vernichtung der ungläubigen Juden, das Ende eines Zeitalters oder gar das Ende der Welt, was hat all das mit demjenigen zu tun, der an dieses Evangelium glaubt und der sein Leben in der Sicherheit des ewigen Königreichs geborgen weiß? Ihr, die ihr Gott kennt und an das Evangelium glaubt, habt die Gewissheit des ewigen Lebens bereits empfangen. Da ihr euer Leben im Geiste und für den Vater gelebt habt, kann euch nichts ernsthaft etwas anhaben. Erbauer des Königreichs, beglaubigte Bürger der himmlischen Welten, dürfen sich weder durch weltliche Aufstände beirren, noch durch irdische Katastrophen aus der Fassung bringen lassen. Was hat es für euch, die ihr an dieses Evangelium vom Königreich glaubt, zu bedeuten, wenn Nationen zugrunde gehen, wenn das Zeitalter endet oder alle sichtbaren Dinge zusammenbrechen, da ihr ja wisst, dass euer Leben das Geschenk des Sohnes ist und sich in ewiger Sicherheit beim Vater befindet? Nachdem ihr euer zeitliches Leben aus dem Glauben heraus gelebt und in rechtschaffenem, liebevollem Dienst an euren Mitmenschen die Früchte des Geistes hervorgebracht habt, könnt ihr dem nächsten Schritt auf dem ewigen Lebensweg zuversichtlich mit demselben Glauben an das Fortleben entgegensehen, der euch durch euer erstes, irdisches Abenteuer als Söhne Gottes getragen hat. Jede Generation von Gläubigen sollte an ihrer Aufgabe im Hinblick auf die mögliche Rückkehr des Menschensohnes weiterarbeiten, genauso wie jeder einzelne Gläubige sein Lebenswerk im Hinblick auf den unvermeidlichen und stets drohenden natürlichen Tod verfolgt. Wenn ihr einmal durch euren Glauben ein Sohn Gottes geworden seid, wird alles andere für die Gewissheit des Fortlebens bedeutungslos. Aber irrt euch nicht! Dieser Glaube an das Fortleben ist ein lebendiger Glaube, und er bringt in wachsendem Maße die Früchte jenes göttlichen Geistes hervor, der ihn dem menschlichen Herzen zuerst eingegeben hat. Die Tatsache, dass ihr einmal die Sohnschaft im Himmelreich angenommen habt, wird euch nicht retten, wenn ihr wissentlich und beharrlich jene Wahrheiten zurückweist, die damit zu tun haben, dass die sterblichen Söhne Gottes zunehmend geistige Früchte tragen sollen. Ihr, die ihr mit mir am Werk Gottes auf Erden gearbeitet habt, könnt sogar jetzt noch das Königreich verlassen, wenn ihr herausfindet, dass ihr des Vaters Art und Weise, der Menschheit zu dienen, nicht mögt. Hört mir zu, während ich euch als Einzelnen sowie als einer Generation von Gläubigen ein Gleichnis erzähle: Es lebte da ein bedeutender Mann, der vor einer langen Reise in ein anderes Land all seine bewährten Diener zu sich rief und sein ganzes Gut in ihre Hände legte. Einem übergab er fünf Talente, einem anderen zwei und noch einem anderen eines. Und so verfuhr er mit der ganzen Gruppe der so beehrten Verwalter und vertraute seine Güter einem jeden entsprechend seinen besonderen Fähigkeiten an; und dann begab er sich auf seine Reise. Nachdem ihr Herr abgereist war, machten sich seine Diener daran, aus dem ihnen anvertrauten Reichtum Gewinn zu ziehen. Sogleich begann derjenige, welcher fünf Talente erhalten hatte, damit zu handeln und erzielte sehr bald einen Gewinn von fünf weiteren Talenten. Auf dieselbe Weise gewann derjenige, der zwei Talente empfangen hatte, bald zwei weitere hinzu. Und so machten alle Diener für ihren Meister Gewinne mit Ausnahme desjenigen, der nur ein Talent erhalten hatte. Dieser ging abseits und grub ein Loch in die Erde, worin er das Geld seines Herrn versteckte. Bald darauf kehrte dieser unvermutet zurück und rief seine Verwalter zusammen, damit sie ihm Rechenschaft ablegten. Und als sie alle um ihren Meister versammelt waren, trat derjenige, der die fünf Talente erhalten hatte, mit dem Geld, das ihm anvertraut worden war, vor und brachte fünf zusätzliche Talente mit den Worten: `Herr, du hast mir fünf Talente zum Anlegen gegeben, und ich bin glücklich, dir als meinen Gewinn fünf weitere Talente zu überreichen.' Da sprach der Herr zu ihm: `Gut gemacht, guter und treuer Diener. Du hast dich in wenigen Dingen als treu erwiesen; ich will dich jetzt als Verwalter über viele setzen; tritt unverzüglich ein in die Freude deines Herrn.' Und dann trat derjenige vor, der die zwei Talente erhalten hatte, und sprach: `Herr, du hast zwei Talente in meine Hände gelegt; schau, ich habe diese zwei weiteren Talente hinzugewonnen. Und sein Herr sprach zu ihm: `Gut gemacht, guter und treuer Verwalter; auch du hast dich in wenigen Dingen als treu erwiesen, und ich will dich jetzt über viele setzen; tritt ein in die Freude deines Herrn.' Und dann war derjenige, der das eine Talent erhalten hatte, an der Reihe, Rechenschaft abzulegen. Dieser Diener trat vor und sagte: `Herr, ich kannte dich und wurde mir bewusst, dass du ein schlauer Mann bist, der dort Gewinne erwartet, wo er selber nicht gearbeitet hat; deshalb hatte ich Angst, irgendetwas von dem mir Anvertrauten zu riskieren. Ich versteckte dein Talent sicher in der Erde; hier ist es; du hast jetzt wieder, was dir gehört.' Aber sein Herr antwortete: `Du bist ein fauler und träger Verwalter. Mit deinen eigenen Worten gestehst du ein, dass du wusstest, ich würde von Dir eine Abrechnung mit einem vernünftigen Gewinn wie demjenigen verlangen, den deine gewissenhaften Gefährten mir heute übergeben haben. In diesem Wissen hättest du deshalb mein Geld zumindest den Händen von Bankleuten anvertrauen sollen, damit ich bei meiner Rückkehr mein Gut mit Zinsen hätte entgegennehmen können.' Und zu dem Hauptverwalter gewendet sprach der Herr: `Nimm diesem nutzlosen Diener das eine Talent weg und gib es demjenigen, der die zehn Talente hat.' Jedem, der da hat, soll noch mehr gegeben werden, und er soll Überfluss haben; aber dem, der nicht hat, soll auch das Wenige, das er hat, weggenommen werden. Ihr könnt in den Angelegenheiten des ewigen Königreichs nicht stehen bleiben. Mein Vater verlangt von all seinen Kindern, in Gnade und Kenntnis der Wahrheit zu wachsen. Ihr, die ihr diese Wahrheiten kennt, müsst in zunehmendem Maße die Früchte des Geistes hervorbringen und im selbstlosen Dienst an euren mit euch dienenden Gefährten wachsende Hingabe zeigen. Und ruft euch dieses in Erinnerung: Was immer ihr für den geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr für mich getan. "Und in diesem Geiste solltet ihr an des Vaters Angelegenheiten herangehen, jetzt und in Zukunft, und sogar in aller Ewigkeit. Macht so weiter, bis ich komme. Tut getreu, was euch aufgetragen worden ist, und so werdet ihr bereit sein, wenn der Tod euch zur Rechenschaft aufruft. Nach einem solchen Leben zum Ruhme des Vaters und zur Zufriedenheit des Sohnes werdet ihr froh und mit überaus großer Freude in den ewigen Dienst des immerwährenden Königreichs treten." Die Wahrheit ist etwas Lebendiges; der Geist der Wahrheit führt die Kinder des Lichts stets in neue Reiche geistiger Realität und göttlichen Dienstes. Die Wahrheit wird euch nicht gegeben, damit ihr sie in festen, sicheren und ehrenwerten Formen erstarren lässt. Die durch euch offenbarte Wahrheit muss in eurer persönlichen Erfahrung so gesteigert werden, dass sich allen, die eure geistigen Früchte sehen, neue Schönheit und wirkliche geistige Gewinne enthüllen und sie dahingeleitet werden, den Vater im Himmel zu lobpreisen. Nur jene treuen Diener, die auf solche Weise in der Kenntnis der Wahrheit wachsen und dabei die Fähigkeit zu einer göttlichen Würdigung geistiger Realitäten entwickeln, können je hoffen, "ganz und gar in die Freude ihres Herrn einzutreten". Was für einen traurigen Anblick bieten doch die aufeinander folgenden Generationen erklärter Anhänger Jesu, wenn sie über ihre Verwaltung der göttlichen Wahrheit sagen: "Hier, Meister, ist die Wahrheit, die du uns vor hundert oder tausend Jahren anvertraut hast. Wir haben nichts davon verloren; wir haben gewissenhaft alles aufbewahrt, was du uns gegeben hast; wir haben es nicht geduldet, dass an dem, was du uns gelehrt hast, irgendwelche Änderungen vorgenommen würden; hier ist die Wahrheit, so wie du sie uns gegeben hast." Aber eine solche Ausrede für geistige Trägheit wird den unproduktiven Verwalter der Wahrheit in Gegenwart des Meisters nicht rechtfertigen. Der Meister der Wahrheit wird von euch entsprechend der euren Händen anvertrauten Wahrheit Rechenschaft fordern. In der nächsten Welt wird man euch auffordern, über eure Gaben und über eure Verwalterdienste in dieser Welt Rechenschaft abzulegen. Ob ihr wenige oder viele angeborene Talente habt - ihr müsst einer gerechten und mitleidsvollen Abrechnung ins Auge sehen. Wenn Gaben nur zur Verfolgung selbstischer Zwecke gebraucht und keine Gedanken an die höhere Pflicht gegeben werden, einen größeren Ertrag an geistigen Früchten zu erzielen, wie sie im stets wachsenden Dienst an den Mitmenschen und in der Anbetung Gottes zum Ausdruck kommen, dann müssen solche egoistischen Verwalter die Folgen ihrer vorsätzlichen Wahl akzeptieren. Und wie sehr glich dieser pflichtvergessene Diener mit dem einen Talent allen egoistischen Sterblichen darin, dass er für seine Trägheit direkt seinen Herrn tadelte! Wie geneigt ist doch der Mensch, wenn er mit seinem selbst verursachten Versagen konfrontiert wird, dafür anderen die Schuld zu geben, und oft gerade jenen, die es am wenigsten verdienen! Als sie sich an diesem Abend zur Ruhe begaben, sagte Jesus: "Ihr habt reichlich erhalten; deshalb solltet ihr die Wahrheit des Himmels reichlich weiter schenken, und im Geben wird sich diese Wahrheit vervielfältigen und sie wird das Licht der rettenden Gnade immer heller leuchten lassen, während ihr sie austeilt." ***** 176.4 Die Rückkehr Michaels ***** Kein einziger Aspekt von allen Unterweisungen des Meisters ist so gründlich missverstanden worden wie sein Versprechen, dereinst persönlich auf diese Welt zurückzukehren. Es ist nicht verwunderlich, dass Michael ein Interesse daran hat, irgendwann auf den Planeten zurückzukehren, auf dem er als ein Sterblicher der Welt durch die Erfahrung seiner siebenten und letzten Selbsthingabe gegangen ist. Es ist nur natürlich zu glauben, dass Jesus von Nazareth, jetzt souveräner Herrscher über ein ausgedehntes Universum, daran interessiert ist, nicht nur einmal, sondern sogar viele Male auf die Welt zurückzukehren, auf der er ein so einzigartiges Leben gelebt und dafür vom Vater schließlich unbegrenzte Macht und Autorität über sein Universum erhalten hat. Urantia wird ewig eine der sieben Geburtswelten Michaels bleiben, auf denen er sich die Souveränität über sein Universum verdient hat. Jesus bekundete bei zahlreichen Gelegenheiten und vielen Personen gegenüber seine Absicht, auf diese Welt zurückzukehren. Als seine Anhänger der Tatsache gewahr wurden, dass ihr Meister nicht die Rolle eines weltlichen Befreiers übernehmen würde, und als sie seine Vorhersagen über die Zerstörung Jerusalems und den Fall der jüdischen Nation anhörten, begannen sie ganz natürlich, seine versprochene Rückkehr mit diesen katastrophalen Ereignissen in Verbindung zu bringen. Als aber die römischen Armeen die Mauern Jerusalems dem Erdboden gleichmachten, den Tempel zerstörten und die Juden Judäas zerstreuten und der Meister sich immer noch nicht in Macht und Glanz offenbarte, begannen seine Anhänger jenen Glauben zu formulieren, der schließlich das zweite Erscheinen Christi mit dem Ende des Zeitalters oder sogar mit dem Ende der Welt verband. Jesus versprach, zwei Dinge zu tun, nachdem er zum Vater aufgestiegen wäre und alle Macht im Himmel und auf Erden in seine Hände gelegt würde. Erstens versprach er, der Welt an seiner Stelle einen anderen Lehrer, den Geist der Wahrheit, zu senden; und das tat er am Pfingsttag. Zweitens versprach er seinen Anhängern ganz bestimmt, irgendwann persönlich auf diese Welt zurückzukehren. Aber er sagte nicht, wie, wo und wann er diesen Planeten, auf dem er durch seine menschliche Erfahrung der Selbsthingabe gegangen war, erneut besuchen werde. Bei einer Gelegenheit deutete er an, dass das leibliche Auge ihn wohl erblickt habe, als er hier in Menschengestalt lebte, dass ihn aber bei seiner Rückkehr (oder zumindest bei einem seiner möglichen Besuche) nur das Auge des geistigen Glaubens erkennen werde. Viele von uns neigen dem Glauben zu, dass Jesus in den kommenden Zeitaltern viele Male auf Urantia zurückkehren wird. Wir haben nicht sein ausdrückliches Versprechen, dass er diese wiederholten Besuche machen wird, aber es scheint höchst wahrscheinlich, dass derjenige, der unter seinen Universumstiteln auch den eines Planetarischen Fürsten von Urantia führt, die Welt, deren Eroberung ihm einen so einzigartigen Titel eintrug, viele Male besuchen wird. Wir glauben ganz bestimmt, dass Michael wieder persönlich nach Urantia kommen wird, aber wir haben nicht die leiseste Ahnung, welchen Zeitpunkt oder welche Art des Kommens er wählen wird. Wird sein zweites Erscheinen auf der Erde zeitlich so angesetzt werden, dass es in Verbindung mit dem letzten Gericht des gegenwärtigen Zeitalters stattfindet, sei es mit oder ohne ein damit verknüpftes Erscheinen eines Richtersohnes? Wird er im Zusammenhang mit der Beendigung irgendeines späteren urantianischen Zeitalters kommen? Wird er unangemeldet erscheinen und als ein selbständiges Ereignis? Wir wissen es nicht. Wir sind nur einer Sache sicher, nämlich dieser: Wenn er wiederkehrt, wird es voraussichtlich die ganze Welt wissen, denn er muss als der höchste Gebieter eines Universums kommen und nicht als das unbekannte Neugeborene von Bethlehem. Wenn aber jedes Auge ihn sehen soll, und wenn nur geistige Augen imstande sind, seine Gegenwart wahrzunehmen, dann muss sein Erscheinen lange hinausgeschoben werden. Ihr tätet deshalb gut daran, des Meisters persönliche Rückkehr auf die Erde mit keinen festen Ereignissen oder bestimmten Epochen in Verbindung zu bringen. Wir sind uns nur einer Sache sicher: Er hat versprochen zurückzukehren. Wir haben keine Ahnung, wann und in welchem Zusammenhang er sein Versprechen erfüllen wird. Soviel wir wissen, kann er jeden Tag auf der Erde erscheinen, es kann aber auch sein, dass er erst kommen wird, nachdem ganze Zeitalter verstrichen und diese von seinen Mitarbeitern, den Söhnen des Paradies-Korps, ordnungsgemäß gerichtet worden sind. Das zweite Erscheinen Michaels auf Erden ist sowohl für die Mittler wie für die Menschen ein Ereignis von gewaltigem gefühlsmäßigem Wert; aber im Übrigen hat es für die Mittler keine unmittelbare Bedeutung und ist für die menschlichen Wesen von keiner größeren praktischen Wichtigkeit als das gewöhnliche Ereignis des natürlichen Todes, der die sterblichen Menschen so plötzlich in die unmittelbare Aktualität jener Folge universeller Abläufe wirft, die direkt in die Gegenwart eben desselben Jesus, des souveränen Gebieters unseres Universums, führen. Die Kinder des Lichts sind alle dazu bestimmt, ihn zu sehen, und es hat keine ernsthafte Bedeutung, ob wir zu ihm gehen, oder ob es sich trifft, dass er zuerst zu uns kommt. Haltet euch deshalb stets bereit, ihn auf Erden willkommen zu heißen, so wie er bereit ist, euch im Himmel willkommen zu heißen. Wir erwarten zuversichtlich sein glorreiches Erscheinen, sogar sein wiederholtes Kommen, aber wir wissen überhaupt nichts darüber, wie, wann und in welchem Zusammenhang ihm zu erscheinen bestimmt ist. ****** Kapitel 177 Mittwoch, der Ruhetag ****** WENN sie nicht unter dem Druck der Aufgabe standen, das Volk zu lehren, war es Jesu und seiner Apostel Gewohnheit, jeden Mittwoch von ihren Anstrengungen auszuruhen. An diesem besonderen Mittwoch frühstückten sie etwas später als gewöhnlich, und über dem Lager lastete eine unheilvolle Stille; während der ersten Hälfte dieser morgendlichen Mahlzeit wurde nur wenig gesprochen. Schließlich sagte Jesus: "Ich wünsche, dass ihr euch heute ausruht. Nehmt euch Zeit, um über alles nachzudenken, was sich seit unserer Ankunft in Jerusalem ereignet hat, und sinnt über das nach, was uns unmittelbar bevorsteht und worüber ich deutlich zu euch gesprochen habe. Sorgt dafür, dass euer Leben weiterhin von Wahrheit erfüllt ist und dass ihr täglich in der Gnade wachst." Nach dem Frühstück teilte der Meister Andreas mit, er beabsichtige, sich den Tag über wegzubegeben, und schlug vor, den Aposteln zu erlauben, die Zeit nach ihrem Gutdünken zu verbringen; aber unter gar keinen Umständen sollten sie das Stadtinnere Jerusalems betreten. Als Jesus sich bereitmachte, allein in die Berge zu gehen, trat David Zebedäus an ihn heran und sagte: "Du weißt sehr wohl, Meister, dass die Pharisäer und Führer dir nach dem Leben trachten, und doch schickst du dich an, ganz allein in die Berge zu gehen. So etwas zu tun, ist reine Torheit; ich will dir deshalb drei gut vorbereitete Männer mitgeben, die darüber wachen werden, dass dir nichts Schlimmes zustößt." Jesus warf einen Blick auf die drei gut bewaffneten und stämmigen Galiläer und sagte zu David: "Du meinst es gut, aber du irrst dich insofern, als du nicht verstehst, dass der Menschensohn niemanden zu seiner Verteidigung braucht. Niemand wird bis zu der Stunde Hand an mich legen, da ich bereit bin, mein Leben im Einklang mit dem Willen meines Vaters hinzugeben. Diese Männer brauchen mich nicht zu begleiten. Ich wünsche, allein zu gehen, um mit meinem Vater Zwiesprache zu halten." Als sie diese Worte hörten, zogen sich David und seine bewaffneten Männer zurück; aber als nun Jesus allein aufbrach, ging Johannes Markus mit einem kleinen Korb, der Verpflegung und Wasser enthielt, auf ihn zu und gab zu bedenken, Jesus könnte wohl hungrig werden, wenn er beabsichtige, den ganzen Tag über abwesend zu sein. Der Meister lächelte Johannes zu und streckte die Hand aus, um den Korb zu nehmen. ***** 177.1 Ein Tag allein mit Gott ***** Gerade als Jesus den Proviantkorb aus der Hand des Johannes nehmen wollte, wagte der junge Mann zu sagen: "Aber, Meister, es könnte sein, dass du den Korb abstellst, wenn du dich zum Beten abseits begibst, und dass du dann ohne ihn weitergehst. Außerdem wärest du beim Beten freier, wenn ich mitkäme, um das Mittagessen zu tragen; und ich werde bestimmt schweigsam sein. Ich werde keine Fragen stellen und bei dem Korb bleiben, während du allein beten gehst." Während dieser Worte, deren Verwegenheit einige der anwesenden Zuhörer erstaunte, erkühnte sich Johannes, den Korb festzuhalten. Da standen sie nun beide, Johannes und Jesus, und hielten den Korb. Da ließ der Meister ihn los, blickte auf den Jungen und sprach: "Da du dich von ganzem Herzen sehnst, mit mir zu gehen, soll es dir nicht verwehrt sein: Wir werden allein losgehen und uns gut unterhalten. Du kannst mir jede Frage stellen, die in deinem Herzen erwacht, und wir werden uns gegenseitig stärken und trösten. Du magst fürs Erste das Mittagessen tragen, und wenn du müde wirst, werde ich dir helfen. Folge mir." Jesus kehrte an diesem Abend erst nach Sonnenuntergang ins Lager zurück. Der Meister verbrachte seinen letzten Ruhetag auf Erden damit, sich mit diesem wahrheitshungrigen Jüngling zu unterhalten und mit seinem Paradies-Vater zu sprechen. Von diesem Ereignis spricht man seitdem in der Höhe als von "dem Tag, den ein junger Mann mit Gott in den Bergen zubrachte". Die Begebenheit veranschaulicht für immer des Schöpfers Bereitschaft zu brüderlichem Umgang mit den Geschöpfen. Sogar ein Jüngling kann, wenn der Wunsch in seinem Herzen übermächtig ist, die Aufmerksamkeit des Gottes eines Universums erzwingen und sich seiner liebevollen Kameradschaft erfreuen, kann tatsächlich die unvergessliche Wonne erleben, allein und einen ganzen Tag lang mit Gott in den Bergen zu weilen. Und derart war die einzigartige Erfahrung, die Johannes Markus an diesem Mittwoch in den Bergen Judäas machte. Jesus unterhielt sich lange mit Johannes und äußerte sich dabei freimütig über die Angelegenheiten dieser Welt und der nächsten. Johannes sagte Jesus, wie sehr er es bedauerte, dass er nicht alt genug sei, um einer seiner Apostel zu sein, und gab seiner großen Dankbarkeit darüber Ausdruck, dass es ihm gewährt worden war, sie seit ihrer ersten Predigttätigkeit bei der Jordanfurt in der Nähe Jerichos, die Phönizienreise ausgenommen, stets zu begleiten. Jesus legte dem Jungen nahe, sich durch die unmittelbar bevorstehenden Ereignisse nicht entmutigen zu lassen, und versicherte ihm, er werde ein machtvoller Botschafter des Königreichs werden. Die Erinnerung an diesen Tag mit Jesus in den Bergen befeuerte Johannes Markus, aber nie vergaß er die letzte Mahnung des Meisters, die dieser aussprach, als sie sich anschickten, in das Lager von Gethsemane zurückzukehren: "Nun, Johannes, wir haben ein gutes Gespräch, einen wirklichen Ruhetag gehabt, aber achte darauf, dass du niemandem etwas von den Dingen mitteilst, die ich dir gesagt habe." Und Johannes Markus ließ nie das Geringste darüber verlauten, was er an diesem mit Jesus in den Bergen verbrachten Tag erfahren hatte. Während der wenigen restlichen Stunden von Jesu Erdendasein ließ Johannes Markus den Meister nie für längere Zeit aus den Augen. Stets hielt sich der Junge in seiner Nähe versteckt auf; er schlief nur, wenn auch Jesus schlief. ***** 177.2 Die frühen Jahre im Elternhaus ***** Im Verlauf der Gespräche dieses Tages mit Johannes Markus verwendete Jesus viel Zeit darauf, die Erfahrungen ihrer frühen Kindheit und ihrer späteren Jugendzeit miteinander zu vergleichen. Obwohl die Eltern des Johannes mehr weltliche Güter als Jesu Eltern besaßen, gab es doch in ihrer Jugendzeit viele Erfahrungen, welche einander sehr ähnlich waren. Jesus sagte vieles, was Johannes half, seine Eltern und andere seiner Familienmitglieder besser zu verstehen. Als der Bursche fragte, wie der Meister wissen könne, dass er ein "machtvoller Botschafter des Himmelreichs" werden würde, sagte Jesus: "Ich weiß, dass du treu zum Evangelium vom Königreich stehen wirst, weil ich mich auf deinen jetzigen Glauben und deine Liebe verlassen kann, wenn diese Qualitäten auf einer so frühen Schulung gründen wie jener, die dir zu Hause zuteil geworden ist. Du bist das Produkt eines Elternhauses, in dem die Eltern sich gegenseitig aufrichtig lieben, und deshalb bist du nicht übermäßig geliebt worden, was einer übertriebenen Vorstellung von deiner eigenen Wichtigkeit hätte rufen können. Ebenso wenig hat deine Persönlichkeit dadurch Schaden genommen, dass deine Eltern, einer gegen den anderen, sich in liebloser Weise um dein Vertrauen und deine Ergebenheit bemüht hätten. Du hast jene Art elterlicher Liebe genossen, die ein gesundes Selbstvertrauen schafft und normale Gefühle von Sicherheit fördert. Aber du warst auch insofern begünstigt, als deine Eltern außer der Liebe auch Weisheit besaßen; und ihre Weisheit bewog sie, die meisten Arten der Verwöhnung und vielen Luxus, den Reichtum verschaffen kann, von dir fernzuhalten, indem sie dich zusammen mit deinen Spielgefährten aus der Nachbarschaft zur Synagogenschule schickten; und dadurch, dass sie dir erlaubten, echte Erfahrungen zu sammeln, ermutigten sie dich auch zu lernen, wie man in dieser Welt lebt. Du kamst mit deinem jungen Freund Amos zum Jordan hinüber, wo wir predigten und wo die Jünger des Johannes tauften. Ihr beide wolltet mit uns ziehen. Als ihr nach Jerusalem zurückkehrtet, gaben deine Eltern ihr Einverständnis, während Amos' Eltern ablehnten; sie liebten ihren Sohn so sehr, dass sie ihm die gesegnete Erfahrung verweigerten, welche dir zuteil geworden ist, gerade so eine Erfahrung wie die, deren du dich am heutigen Tage erfreust. Amos hätte von zu Hause fortlaufen und sich uns anschließen können, aber dadurch hätte er die Liebe verletzt und die Treue geopfert. Auch wenn solch ein Verhalten weise gewesen wäre, so wäre doch der Preis, den er für Erfahrung, Unabhängigkeit und Freiheit zu bezahlen gehabt hätte, entsetzlich hoch gewesen. Weise Eltern wie die deinen achten darauf, dass ihre Kinder nicht die Liebe verletzen oder die Treue ersticken müssen, um Unabhängigkeit zu entwickeln und sich stärkender Freiheit zu erfreuen, wenn sie dein Alter erreicht haben. Die Liebe, Johannes, ist die allerhöchste Realität des Universums, wenn sie von allweisen Wesen geschenkt wird, aber sie nimmt einen gefährlichen und oftmals halb egoistischen Zug an, wenn sie sich in der Erfahrung sterblicher Eltern äußert. Wenn du heiratest und selber Kinder aufzuziehen hast, dann vergewissere dich, dass deine Liebe von der Weisheit ermahnt und von der Intelligenz geführt wird. "Dein junger Freund Amos glaubt ebenso fest an dieses Evangelium vom Königreich wie du, aber ich kann mich nicht völlig auf ihn verlassen; ich bin nicht sicher, was er in den kommenden Jahren tun wird. Seine frühe Kindheit daheim war nicht von der Art, die eine absolut verlässliche Person hervorbringt. Amos gleicht allzu sehr einem der Apostel, der im Elternhaus nicht in den Genuss einer normalen, liebenden und weisen Erziehung kam. Dein ganzes restliches Leben wird glücklicher und verlässlicher sein, weil du deine ersten acht Jahre in einem normalen und wohlgeordneten Elternhaus verbracht hast. Du besitzt einen starken und gefestigten Charakter, weil du in einem Zuhause aufgewachsen bist, wo Liebe herrschte und Weisheit waltete. Eine solche Erziehung in der Kindheit bringt eine Art von Loyalität hervor, die mir dafür bürgt, dass du auf dem einmal eingeschlagenen Weg weitergehen wirst." Mehr als eine Stunde lang sprachen Jesus und Johannes über das Leben im Elternhaus. Der Meister fuhr fort, Johannes zu erläutern, wie ein Kind in all seinen frühen Vorstellungen von sämtlichem Intellektuellen, Gesellschaftlichen, Sittlichen und selbst Geistigen völlig von seinen Eltern und dem von ihnen geprägten Familienleben abhängig ist, da die Familie für das kleine Kind alles beinhaltet, was es zu allererst über menschliche oder göttliche Beziehungen erfahren kann. Das Kind muss seine ersten Eindrücke vom Universum aus der mütterlichen Fürsorge gewinnen; für seine ersten Vorstellungen vom himmlischen Vater ist es völlig von seinem irdischen Vater abhängig. Das weitere Dasein des Kindes wird sich glücklich oder unglücklich, leicht oder schwierig gestalten entsprechend seinem frühen intellektuellen und emotionalen Leben und geprägt sein von den sozialen und geistigen Beziehungen im Elternhaus. Das ganze spätere Leben eines menschlichen Wesens wird gewaltig durch das beeinflusst, was während seiner ersten Lebensjahre geschehen ist. Es ist unsere aufrichtige Überzeugung, dass das Evangelium, das Jesus lehrte und das auf der Vater-Kind-Beziehung beruht, solange kaum weltweite Annahme finden kann, als es im Familienleben der modernen zivilisierten Völker nicht mehr Liebe und Weisheit gibt. Obwohl die Eltern des zwanzigsten Jahrhunderts über großes Wissen und mehr Wahrheit verfügen, um das Zuhause zu verbessern und das Familienleben zu verfeinern, bleibt es doch eine Tatsache, dass nur sehr wenige moderne Elternhäuser so gute Orte für die Erziehung von Knaben und Mädchen sind, wie es das Elternhaus Jesu in Galiläa und das Heim des Johannes Markus in Judäa waren; indessen wird die Annahme von Jesu Evangelium eine sofortige Verbesserung des Familienlebens zur Folge haben. Ein Leben der Liebe in einem weisen Hause und die treue Hingabe an eine wahre Religion üben wechselseitig einen tiefen Einfluss aufeinander aus. Ein solches Familienleben verstärkt die Religion, und echte Religion wertet das Heim stets wunderbar auf. Es stimmt, dass viele der unerwünschten hemmenden Einflüsse und andere einengende Merkmale der einstigen jüdischen Elternhäuser aus vielen der geordneteren modernen Elternhäuser verschwunden sind. Es gibt jetzt tatsächlich mehr spontane Zwanglosigkeit und weit mehr persönliche Freiheit, aber diese Freiheit wird weder von Liebe eingeschränkt, noch von Treue motiviert, noch wird sie durch die Weisheit intelligenter Disziplin gelenkt. Solange wir unsere Kinder beten lehren: "Unser Vater, der du bist im Himmel", ruht auf allen irdischen Vätern die ungeheure Verantwortung, so zu leben und ihre Heime so zu führen, dass das Wort Vater in den Gedanken und Herzen aller heranwachsenden Kinder in Ehrfurcht verwahrt wird. ***** 177.3 Der Tag im Lager ***** Die Apostel verbrachten den größten Teil des Tages mit Spaziergängen auf dem Ölberg und in Gesprächen mit den Jüngern, die mit ihnen im Lager wohnten, aber am frühen Nachmittag sehnten sie sich sehr nach Jesu Rückkehr. Als aber Stunde um Stunde verstrich, bangten sie immer heftiger um seine Sicherheit; sie fühlten sich ohne ihn unaussprechlich einsam. Den ganzen Tag über wurde heftig darüber diskutiert, ob man dem Meister wirklich hätte erlauben sollen, allein, nur von einem Botenjungen begleitet, in die Berge zu gehen. Obwohl keiner seine Gedanken so offen ausdrückte, gab es mit Ausnahme von Judas Iskariot nicht einen unter ihnen, der sich nicht selber an die Stelle von Johannes Markus gewünscht hätte. Etwa um die Mitte des Nachmittags wandte sich Nathanael an etwa ein halbes Dutzend Apostel und ebenso viele Jünger mit einer Ansprache über "das höchste Verlangen", die mit diesen Worten endete: "Was bei den meisten von uns falsch ist, ist unsere Halbherzigkeit. Wir lieben den Meister nicht so, wie er uns liebt. Wenn uns alle ebenso sehr wie Johannes Markus danach verlangt hätte, mit ihm zu gehen, hätte er uns bestimmt alle mitgenommen. Wir standen dabei, als der Junge an ihn herantrat und ihm den Korb anbot, aber als der Meister diesen ergriff, ließ der Junge ihn nicht los. Und so hat der Meister uns hier gelassen und ist in die Berge gegangen, mit Korb, Jungen und allem." Gegen vier Uhr trafen bei David Zebedäus Läufer ein, die ihm Nachrichten von seiner Mutter in Bethsaida und von der Mutter Jesu überbrachten. Einige Tage zuvor war David zur Überzeugung gelangt, dass die Hohenpriester und Führer Jesus töten würden. David wusste, dass sie entschlossen waren, den Meister umzubringen, und er war sich ziemlich sicher, dass Jesus weder seine göttliche Macht gebrauchen würde, um sich zu retten, noch seinen Anhängern gestatten würde, zu seiner Verteidigung Gewalt anzuwenden. Nachdem er zu diesen Schlüssen gelangt war, schickte er unverzüglich einen Boten mit der dringenden Bitte zu seiner Mutter ab, sofort nach Jerusalem zu kommen und Maria, Jesu Mutter und seine sämtlichen Familienangehörigen mitzubringen. Davids Mutter tat, worum ihr Sohn sie bat, und nun kamen die Läufer mit der Nachricht zu David zurück, dass seine Mutter und Jesu ganze Familie auf dem Weg nach Jerusalem seien, und dass sie irgendwann spät am nächsten Tag oder sehr früh am folgenden Morgen eintreffen würden. Da David all dies aus eigener Initiative getan hatte, hielt er es für weise, die Angelegenheit für sich zu behalten. Und deshalb sagte er niemandem, dass Jesu Familie nach Jerusalem unterwegs war. Kurz nach Mittag trafen über zwanzig von den Griechen, die sich mit Jesus und den Zwölfen im Hause Josephs von Arimathia getroffen hatten, im Lager ein, und Petrus und Johannes besprachen sich mehrere Stunden lang mit ihnen. Zumindest einige dieser Griechen besaßen eine fortgeschrittene Kenntnis vom Königreich, da Rodan sie in Alexandrien darin unterwiesen hatte. An diesem Abend unterhielt sich Jesus nach seiner Rückkehr mit ihnen im Lager, und er hätte den zwanzig Griechen genauso wie den Siebzig die Weihe verliehen, wenn ein solches Vorgehen seine Apostel und viele führende Jünger nicht überaus beunruhigt hätte. Während sich all dies im Lager abspielte, wunderten sich die Hohenpriester und Ältesten in Jerusalem darüber, dass Jesus nicht zurückkehrte, um zu der Menge zu sprechen. Allerdings hatte er tags zuvor beim Verlassen des Tempels gesagt: "Ich lasse euch euer Haus verödet zurück." Aber sie konnten nicht verstehen, wieso er willens war, auf den großen Vorteil der freundlichen Haltung der Menge, den er sich verschafft hatte, zu verzichten. Obwohl sie befürchteten, er könnte im Volk einen Aufruhr entfesseln, waren des Meisters letzte Worte an die Menge eine Mahnung gewesen, sich auf jede vernünftige Weise der Autorität derer zu fügen, "die auf Mose Thron sitzen". Aber es war ein geschäftiger Tag in der Stadt, da sie gleichzeitig das Passahfest vorbereiteten und ihre Pläne für Jesu Beseitigung fertigstellten. Es kamen nur wenige Leute ins Lager, denn dessen Errichtung war unter all denen ein wohlbehütetes Geheimnis geblieben, die wussten, dass Jesus dort zu bleiben gedachte, anstatt jeden Abend nach Bethanien hinauszugehen. ***** 177.4 Judas und die obersten Priester ***** Kurz nachdem Jesus und Johannes Markus das Lager verlassen hatten, verschwand Judas Iskariot aus dem Kreise seiner Brüder und kehrte erst spät am Nachmittag wieder zurück. Der verwirrte und unzufriedene Apostel hastete trotz des ausdrücklichen Wunsches seines Meisters, sie sollten Jerusalem nicht betreten, zu seiner Verabredung mit Jesu Feinden ins Haus des Hohenpriesters Kajaphas. Dies war ein inoffizielles Treffen des Sanhedrins, das für kurz nach zehn Uhr an diesem Vormittag angesetzt worden war, um über die Art der Anklagen zu befinden, die gegen Jesus erhoben werden sollten, und über das anzuwendende Vorgehen zu entscheiden, wie man ihn vor die römischen Behörden bringen und sich die notwendige zivile Bestätigung des Todesurteils beschaffen könne, das sie bereits über ihn verhängt hatten. Am Tage zuvor hatte Judas einigen seiner Verwandten und gewissen mit der Familie seines Vaters befreundeten Sadduzäern eröffnet, er wäre zu dem Schluss gekommen, dass Jesus zwar ein wohlmeinender Träumer und Idealist, nicht aber der erwartete Befreier Israels sei. Judas erklärte, er würde sehr gerne einen Weg finden, um sich mit Anstand aus der ganzen Bewegung zurückzuziehen. Seine Freunde versicherten ihm unter Schmeicheleien, dass sein Rückzug von den jüdischen Führern als großes Ereignis begrüßt würde, und dass nichts für ihn zu gut wäre. Sie veranlassten ihn zu glauben, dass ihm vom Sanhedrin unverzüglich große Ehren zuteil würden und er endlich in der Lage sein würde, den Schandfleck seiner gut gemeinten, aber "unglücklichen Verbindung mit ungebildeten Galiläern" zu beseitigen. Judas konnte nicht ganz glauben, dass die mächtigen Werke des Meisters durch die Kraft des Teufelsfürsten vollbracht wurden, aber er war jetzt völlig davon überzeugt, dass Jesus seine Macht nicht zur Selbsterhöhung gebrauchen würde; er war endlich davon überzeugt, dass Jesus es geschehen lassen würde, durch die jüdischen Führer umgebracht zu werden, und er konnte den demütigenden Gedanken nicht ertragen, mit einer fehlgeschlagenen Bewegung identifiziert zu werden. Er lehnte die Idee offensichtlichen Misserfolgs ab. Er erfasste durchaus die Charakterfestigkeit seines Meisters und die Klarheit seines erhabenen und barmherzigen Geistes, und doch fand er Gefallen an der wenn auch nur teilweise geteilten Meinung eines seiner Verwandten, Jesus sei zwar ein wohlmeinender Fanatiker, aber wahrscheinlich nicht ganz gesund im Kopf; er habe stets den Eindruck einer seltsamen und missverstandenen Person erweckt. Und jetzt stieg, wie nie zuvor, in Judas ein seltsamer Groll darüber auf, dass Jesus ihm nie eine ehrenvollere Stellung zugewiesen hatte. Bis jetzt war er immer stolz auf die Ehre gewesen, apostolischer Schatzmeister zu sein, aber nun begann er zu fühlen, dass man ihn nicht richtig würdigte, dass seine Fähigkeiten verkannt wurden. Plötzlich überkam ihn Empörung darüber, dass Petrus, Jakobus und Johannes die Ehre engen Kontaktes mit Jesus widerfahren war, und jetzt, auf dem Weg zum Hause des Hohenpriesters, war er mehr darauf aus, mit Petrus, Jakobus und Johannes abzurechnen, als dass er irgendwie daran dachte, Jesus zu verraten. Von diesem Augenblick an gab es in seinem bewussten Verstand nur noch einen neuen und alles beherrschenden Gedanken: Er suchte jetzt nach Ehre für sich, und konnte er das erreichen und es gleichzeitig denen heimzahlen, die zur größten Enttäuschung seines Lebens beigetragen hatten, umso besser. Ein entsetzliches Gemisch aus Verwirrung, Stolz, Verzweiflung und Entschlossenheit ergriff ihn. Daraus geht klar hervor, dass sich Judas nicht um des Geldes willen auf dem Weg zum Hause des Kaiaphas befand, um den Verrat an Jesus vorzubereiten. Als Judas sich dem Hause des Kaiaphas näherte, gelangte er zu dem endgültigen Entschluss, Jesus und seine Apostelgefährten fallen zu lassen. Nachdem er sich entschieden hatte, der Sache des Königreichs des Himmels den Rücken zu kehren, war er entschlossen, sich so viel als möglich von jener Ehre und jenem Ruhm zu verschaffen, von denen er angenommen hatte, dass sie ihm eines Tages zuteil würden, als er sich ganz am Anfang mit Jesus und dem neuen Evangelium vom Königreich identifiziert hatte. Alle Apostel hatten einst mit Judas denselben Ehrgeiz geteilt, aber mit der Zeit hatten sie gelernt, die Wahrheit über alles zu setzen und Jesus zu lieben, zumindest mehr als Judas. Der Verräter wurde Kaiaphas und den jüdischen Führern durch seinen Vetter vorgestellt. Dieser erklärte, Judas habe seinen Fehler, sich durch die raffinierte Lehre Jesu in die Irre führen zu lassen, eingesehen und sei an den Punkt gelangt, wo es sein Wunsch sei, einen öffentlichen und förmlichen Verzicht auf seine Verbindung mit dem Galiläer zu leisten und gleichzeitig um Wiederaufnahme in das Vertrauen und in die Gemeinschaft seiner judäischen Brüder zu bitten. Judas' Sprecher erklärte weiter, Judas halte es für den Frieden Israels am besten, wenn man Jesus in Gewahrsam nähme, und dass er hergekommen sei, um sich dem Sanhedrin zur Verfügung zu stellen zum Zeichen seines Bedauerns, an einer solch irrigen Bewegung teilgenommen zu haben, und zum Beweis seiner aufrichtigen Rückkehr zu den Lehren Mose. Er wäre bereit, sich mit dem Hauptmann, der den Haftbefehl für Jesus hatte, dahingehend zu verständigen, Jesus unauffällig abzuführen und damit jede Gefahr eines Volksaufruhrs oder eine notwendige Verschiebung der Verhaftung bis nach dem Passahfest zu vermeiden. Als der Vetter fertig gesprochen hatte, stellte er Judas vor, der vor den Hohenpriester trat und sagte: "Ich werde alles tun, was mein Vetter versprochen hat, aber was seid ihr bereit, mir für diesen Dienst zu geben?" Judas schien den Ausdruck von Verachtung und gar von Ekel nicht zu bemerken, der über das Gesicht des hartherzigen und großsprecherischen Kajaphas glitt; sein Herz war zu sehr mit Eigenruhm beschäftigt und verlangte zu sehr nach befriedigter Selbsterhöhung. Kajaphas schaute auf den Verräter herab und sprach: "Judas, geh zum Hauptmann der Garde und triff mit diesem Offizier Vorkehrungen, um deinen Meister entweder heute Abend oder morgen Abend zu uns zu bringen, und nachdem du ihn in unsere Hände geliefert hast, sollst du deinen Lohn für diesen Dienst erhalten." Als Judas das gehört hatte, entfernte er sich aus der Gegenwart der Hohenpriester und Führer und beriet sich mit dem Hauptmann der Tempelgarde über die Art, wie man sich Jesu bemächtigen wolle. Judas wusste, dass Jesus vom Lager abwesend war und hatte keine Ahnung, wann er am Abend zurückkehren würde, und so kamen sie miteinander überein, Jesus am nächsten Abend (Donnerstag) zu verhaften, nachdem sich die Bevölkerung Jerusalems und alle auf Besuch weilenden Pilger zur Ruhe begeben hätten. Judas kehrte zu seinen Gefährten ins Lager zurück, berauscht von Gedanken an Größe und Ruhm, wie er sie seit langem nicht gekannt hatte. Er hatte seinen Dienst bei Jesus in der Hoffnung begonnen, einmal ein großer Mann im neuen Königreich zu werden. Er realisierte endlich, dass es kein neues Königreich von der Art geben würde, wie er es sich vorgestellt hatte. Aber er freute sich über seine Klugheit, die seine Enttäuschung darüber, in einem neuen, erhofften Königreich keinen Ruhm ernten zu können, einhandelte gegen die sofortige Erlangung von Ehre und Belohnung in der alten Ordnung, von der er glaubte, sie werde überleben, und von der er mit Sicherheit annahm, sie werde Jesus und alles, was er repräsentierte, vernichten. Wenn man der bewussten Absicht des Judas auf den Grund geht, war sein Verrat an Jesus der feige Akt eines selbstsüchtigen Deserteurs, dessen einziger Gedanke seiner eigenen Sicherheit und Glorifizierung galt, was für Folgen seine Handlungsweise auch immer für den Meister und seine früheren Gefährten haben mochte. Aber dem war schon immer so gewesen. Seit langem und nach und nach baute Judas in seinen bewussten Gedanken vorsätzlich, stetig, ichbezogen und rachsüchtig dieses abscheuliche und böse Verlangen auf, es ihnen heimzuzahlen und sie im Stich zu lassen, und unterhielt es in seinem Herzen. Jesus liebte und vertraute Judas genau so, wie er die anderen Apostel liebte und ihnen vertraute, aber Judas versäumte es, dafür seinerseits Treue und Vertrauen zu entwickeln und aufrichtige Liebe zu empfinden. Wie gefährlich kann doch Ehrgeiz werden, wenn er einmal völlig an Eigenliebe gebunden ist und ihn vor allem düstere und lang unterdrückte Rachsucht nährt! Wie niederschmetternd ist die Enttäuschung im Leben jener törichten Menschen, die ihren Blick auf die schattenhaften und vergänglichen Verlockungen der Zeit heften und blind werden für die höheren und wirklicheren Vollbringungen der nie endenden Eroberungen in den ewigen Welten göttlicher Werte und wahrer geistiger Realitäten! Judas strebte in Gedanken nach weltlichen Ehren, und mit der Zeit wurde dieses Verlangen in seinem Herzen übermächtig; die anderen Apostel sehnten sich in Gedanken ebenso sehr nach diesen weltlichen Ehren, aber in ihrem Herzen liebten sie Jesus und taten ihr Möglichstes, um die Wahrheiten, die er sie lehrte, lieb zu gewinnen. Judas realisierte es damals nicht, aber seit Johannes der Täufer von Herodes enthauptet worden war, hatte er an Jesus unterbewusst immer Kritik geübt. Tief im Herzen trug er es Jesus stets nach, dass er Johannes nicht gerettet hatte. Ihr solltet nicht vergessen, dass Judas ein Jünger von Johannes gewesen war, bevor er Jesus folgte. Diese ganze Ansammlung menschlichen Grolls und bitterer Enttäuschung, die Judas im Gewand des Hasses in seiner Seele aufbewahrt hatte, war nun in seinem Unterbewusstsein gut organisiert und bereit, aufzuwallen und ihn zu überfluten, sobald er es wagen würde, sich von dem stützenden Einfluss seiner Brüder zu trennen und sich gleichzeitig den schlauen Einflüsterungen der Feinde Jesu und ihrer subtilen Art der Lächerlichmachung auszusetzen. Jedes Mal, wenn Judas seinen Hoffnungen einen Höhenflug gestattete und dann Jesus etwas zu tun oder zu sagen pflegte, was sie zertrümmerte, blieb in Judas' Herzen eine Narbe bitteren Grolls zurück; und als die Narben immer zahlreicher wurden, verlor dieses so oft verwundete Herz jede wahre Zuneigung zu demjenigen, der dieser wohlmeinenden, aber hinterhältigen und egozentrischen Persönlichkeit so unangenehme Erfahrungen bescherte. Judas war sich dessen nicht bewusst, aber er war ein Feigling. Deshalb neigte er stets dazu, die Ursache für Jesu oftmalige Weigerung, nach Macht oder Ruhm zu greifen, wenn diese leicht erreichbar schienen, seiner Feigheit zuzuschreiben. Und jeder Sterbliche weiß sehr wohl, wie Liebe, auch wenn sie einst echt war, durch Enttäuschung, Eifersucht und lang genährtes Nachtragen schließlich in richtigen Hass umschlagen kann. Endlich konnten die Hohenpriester und Ältesten für einige Stunden aufatmen. Sie brauchten Jesus nicht in der Öffentlichkeit zu verhaften, und die Tatsache, dass sie in Judas einen verräterischen Verbündeten gewonnen hatten, stellte sicher, dass sich Jesus diesmal ihrer Gerichtsbarkeit nicht entziehen würde, wie er es in der Vergangenheit so oft getan hatte. ***** 177.5 Die letzte gemeinsame Stunde ***** Wie an jedem Mittwoch war der Abend im Lager der Geselligkeit gewidmet. Der Meister gab sich alle Mühe, seine niedergeschlagenen Apostel aufzumuntern, aber das war beinahe unmöglich. Sie begannen alle zu begreifen, dass beunruhigende und erdrückende Ereignisse nahe bevorstanden. Es gelang ihnen nicht, heiter zu sein, nicht einmal, als der Meister ihre Jahre ereignisreicher und liebevoller Zusammenarbeit wiederaufleben ließ. Jesus erkundigte sich eingehend nach den Familien aller Apostel und, indem er zu David Zebedäus hinüberschaute, fragte er, ob jemand kürzlich von seiner Mutter, seiner jüngsten Schwester oder anderen Mitgliedern seiner Familie gehört habe. David schaute auf seine Füße; er hatte Angst zu antworten. Jesus legte bei dieser Gelegenheit seinen Anhängern nahe, sich vor dem Beifall der Menge zu hüten. Er erinnerte sie an ihre Erlebnisse in Galiläa, wo ihnen immer wieder große Mengen Volks begeistert gefolgt waren, die sich dann ebenso heftig gegen sie gewandt hatten und zu ihrer früheren Glaubens- und Lebensart zurückgekehrt waren. Und dann sagte er: "Und so dürft ihr euch auch durch die große Menschenmenge nicht täuschen lassen, die uns im Tempel zugehört hat und an unsere Lehre zu glauben schien. Diese Menschenmassen hören sich die Wahrheit an und in Gedanken glauben sie oberflächlich daran, aber nur wenige erlauben dem Wort der Wahrheit, sich mit lebendigen Wurzeln in ihr Herz zu senken. Auf die Unterstützung derer, die das Evangelium nur mit dem Verstand kennen und es nicht im Herzen erfahren haben, kann man sich nicht verlassen, wenn sich wirkliche Schwierigkeiten einstellen. Wenn die Führer der Juden übereinkommen, den Menschensohn zu vernichten und dann einmütig zuschlagen, werdet ihr die Menge erschreckt auseinanderstieben oder in stummer Verwunderung dastehen sehen, während diese wahnwitzigen und geblendeten Führer die Lehrer der Evangeliumswahrheit zur Hinrichtung abführen. Und wenn danach Not und Verfolgung über euch kommen, werden noch andere, an deren Wahrheitsliebe ihr glaubt, zerstreut werden, und einige werden das Evangelium aufgeben und euch verlassen. Einige, die uns sehr nahe standen, sind schon entschlossen, uns im Stich zu lassen. Ihr habt euch heute ausgeruht in Vorbereitung auf die Zeit, die jetzt vor uns liegt. Seht deshalb zu und betet, dass ihr morgen gestärkt seid für die uns unmittelbar bevorstehenden Tage." Die Atmosphäre im Lager war mit einer unerklärlichen Spannung geladen. Schweigende Boten kamen und gingen und besprachen sich nur mit David Zebedäus. Noch vor Ablauf des Abends wussten einige, dass Lazarus in aller Hast aus Bethanien geflohen war. Johannes Markus war nach seiner Rückkehr ins Lager von einer Schweigsamkeit, die Schlimmes ahnen ließ, obwohl er den ganzen Tag in Gesellschaft des Meisters verbracht hatte. Jeder Versuch, ihn zum sprechen zu bringen, machte nur umso deutlicher, dass Jesus ihm Schweigen auferlegt hatte. Sogar die gute Laune des Meisters und seine ungewöhnliche Geselligkeit machten ihnen Angst. Sie alle fühlten irgendwie das Nahen einer fürchterlichen Isolation, und entsetzt nahmen sie wahr, wie diese mit jäher Plötzlichkeit, vor der es kein Entrinnen gab, auf sie herabsank. Sie ahnten das Kommende vage voraus, und keiner fühlte sich bereit, sich der Prüfung zu stellen. Der Meister war den ganzen Tag abwesend gewesen; sie hatten ihn furchtbar vermisst. An diesem Mittwoch erreichte ihre geistige Verfassung den tiefsten Punkt vor der eigentlichen Todesstunde des Meisters. Obwohl der nächste Tag sie dem tragischen Freitag noch um einen Tag näher brachte, so war Jesus doch mit ihnen, und sie gingen etwas ruhiger durch die beklemmenden Stunden. Es war kurz vor Mitternacht, als sich Jesus für die Nacht von ihnen verabschiedete und zu ihnen im Bewusstsein, dass dies die letzte Nacht war, die er je mit seiner erwählten Familie auf Erden durchschlafen würde, sagte: "Geht jetzt schlafen, meine Brüder, und Friede sei mit euch, bis wir morgen aufstehen, einem weiteren Tag, den Willen des Vaters zu tun, und uns in der Gewissheit zu freuen, seine Söhne zu sein." ****** Kapitel 178 Der Letzte Tag im Lager ****** JESUS gedachte, diesen Donnerstag, seinen letzten freien Tag als göttlicher, inkarnierter Sohn auf Erden, zusammen mit seinen Aposteln und einigen wenigen getreuen und ergebenen Jüngern zu verbringen. Bald nach dem Frühstück führte der Meister sie an diesem prächtigen Morgen etwas oberhalb ihres Lagers an einen abgelegenen Ort und lehrte sie dort viele neue Wahrheiten. Obwohl sich Jesus in den frühen Abendstunden dieses Tages mit anderen Reden an die Apostel wandte, war diese Ansprache vom Donnerstagmorgen seine Abschiedsbotschaft an die vereinigte Lagergruppe von Aposteln und ausgewählten Jüngern, Juden und Nichtjuden. Die Zwölf waren mit Ausnahme von Judas alle anwesend. Petrus und mehrere Apostel wunderten sich über seine Abwesenheit, und einige von ihnen dachten, Jesus habe ihn in die Stadt geschickt, um irgendeine Angelegenheit zu erledigen, wahrscheinlich, um die Einzelheiten ihrer bevorstehenden Passahfeier zu regeln. Judas kehrte erst im Laufe des Nachmittags ins Lager zurück, kurz bevor Jesus die Zwölf nach Jerusalem führte, um mit ihnen das letzte Abendmahl zu teilen. ***** 178.1 Rede über Sohnschaft und Staatsbürgerschaft ***** Jesus sprach fast zwei Stunden lang zu ungefähr fünfzig seiner verlässlichen Anhänger und beantwortete Dutzende von Fragen zu der Beziehung zwischen dem Königreich des Himmels und den Königreichen dieser Welt und zu der Beziehung zwischen der Sohnschaft mit Gott und der Staatsbürgerschaft unter irdischen Regierungen. Diese Rede mitsamt seinen Antworten auf die Fragen mag wie folgt zusammengefasst und in moderner Sprache wiedergegeben werden: Da die Königreiche dieser Welt materiell sind, finden sie es oft nötig, zur Durchsetzung ihrer Gesetze und zur Aufrechterhaltung der Ordnung physische Gewalt anzuwenden. Im Königreich des Himmels greifen wahre Gläubige nicht zu physischer Gewaltanwendung. Da das Königreich des Himmels eine geistige Bruderschaft von geistgeborenen Söhnen Gottes ist, kann es nur durch die Macht des Geistes verkündet werden. Diese unterschiedliche Vorgehensweise betrifft die Beziehung des Königreichs der Gläubigen zu den Königreichen weltlicher Regierung und hebt keineswegs das Recht sozialer Gruppen von Gläubigen auf, in ihren Reihen für Ordnung zu sorgen und gegen aufsässige und unwürdige Mitglieder disziplinarisch vorzugehen. Es gibt keine Unvereinbarkeit zwischen der Sohnschaft im geistigen Königreich und der Staatsbürgerschaft unter einer weltlichen oder zivilen Regierung. Es ist des Gläubigen Pflicht, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Es kann zwischen diesen beiden Erfordernissen keinen Widerspruch geben, da die eine materiell und die andere geistig ist, es sei denn, ein Kaiser maße sich an, für sich Gottes Vorrechte zu beanspruchen, und verlange, dass ihm geistige Verehrung erwiesen und höchste Anbetung entgegengebracht werden. In einem solchen Fall sollt ihr allein Gott anbeten und versuchen, solche irregeleiteten irdischen Herrscher aufzuklären und sie dadurch ebenfalls zur Anerkennung des Vaters im Himmel zu bringen. Ihr solltet irdischen Herrschern keine geistige Verehrung zukommen lassen; ebensowenig solltet ihr die physischen Machtmittel irdischer Regierungen, deren Regenten irgendwann einmal zum Glauben kommen mögen, zur Förderung der Sendung des geistigen Königreiches einsetzen. Vom Standpunkt der fortschreitenden Zivilisation aus sollte euch die Sohnschaft im Königreich dabei helfen, ideale Bürger der Königreiche dieser Welt zu werden, sind doch Brüderlichkeit und Dienen die Ecksteine des Evangeliums vom Königreich. Der Ruf der Liebe des geistigen Königreichs sollte sich als erfolgreicher Zerstörer des Hasstriebs der ungläubigen und kriegerisch gesinnten Bürger der irdischen Königreiche erweisen. Aber diese in der Dunkelheit befindlichen materialistisch gesinnten Söhne werden nie etwas von eurem geistigen Licht der Wahrheit erfahren, wenn ihr nicht sehr nahe an sie herantretet in selbstlosem sozialem Dienen, welches ganz natürlich aus den Geistesfrüchten hervorgeht, die in der Lebenserfahrung jedes einzelnen Gläubigen heranreifen. Als sterbliche und materielle Menschen seid ihr tatsächlich Bürger der irdischen Königreiche. Ihr solltet gute Bürger sein, und umso bessere, als ihr geistgeborene Söhne des himmlischen Königreichs geworden seid. Als Söhne des Königreichs des Himmels, die der Glaube erleuchtet und der Geist frei macht, steht ihr vor der doppelten Verantwortung der Pflicht gegen die Menschen und gegen Gott, während ihr freiwillig eine dritte und heilige Verpflichtung auf euch nehmt: den Dienst an der Bruderschaft der Gläubigen, die Gott kennen. Ihr solltet eure weltlichen Herrscher nicht anbeten und zur Förderung des geistigen Königreichs keine weltlichen Machtmittel einsetzen; aber ihr solltet Gläubigen wie Ungläubigen in Rechtschaffenheit liebevoll dienen. Im Evangelium vom Königreich wohnt der mächtige Geist der Wahrheit, und sehr bald werde ich eben diesen Geist über alle Menschen ausgießen. Die Früchte des Geistes, euer aufrichtiges Dienen in der Liebe, sind die mächtigen sozialen Hebel zur Besserung der Rassen, die in der Dunkelheit leben, und dieser Geist der Wahrheit wird zu einem Angelpunkt, der eure Kraft vervielfachen wird. In eurem Umgang mit ungläubigen weltlichen Herrschern zeigt Weisheit und legt Scharfblick an den Tag. Mit Besonnenheit beweist euer Geschick im Ausglätten kleinerer Meinungsverschiedenheiten und im Zurechtrücken geringfügiger Missverständnisse. Sucht in jeder nur erdenklichen Weise - in allem außer dem, was eure geistige Bindung an die Herrscher des Universums berührt -, mit allen Menschen in Frieden zu leben. Seid stets klug wie die Schlangen, aber auch friedfertig wie die Tauben. Die Tatsache, dass ihr zu erleuchteten Söhnen des Himmelreichs werdet, sollte aus euch umso bessere Bürger unter der weltlichen Regierung machen; ebenso sollten die Leiter irdischer Regierungen die zivilen Angelegenheiten umso besser lenken, je mehr sie an das Evangelium vom himmlischen Königreich glauben. Eine Haltung selbstlosen Dienstes am Menschen und einsichtsvoller Anbetung Gottes sollte aus allen, die an das Königreich glauben, bessere Bürger dieser Welt machen, während eine Haltung ehrlicher Staatsbürgerschaft und aufrichtiger Hingabe an die weltlichen Pflichten einem solchen Bürger dazu verhelfen sollte, leichter vom Aufruf des Geistes zur Sohnschaft im himmlischen Königreich erreicht zu werden. Solange die Herrscher über irdische Staaten die Autorität religiöser Diktatoren auszuüben suchen, habt ihr, die ihr an dieses Evangelium glaubt, nur Schwierigkeiten, Verfolgung und gar den Tod zu gewärtigen. Aber gerade das Licht, das ihr in die Welt tragt, und gerade die Art, in der ihr für dieses Evangelium vom Königreich leiden und sterben werdet - all das wird schließlich die ganze Welt erleuchten und zu einer schrittweisen Trennung von Politik und Religion führen. Das beharrliche Predigen dieses Evangeliums vom Königreich wird eines Tages allen Nationen eine neue und unvorstellbare Befreiung, intellektuelle Unabhängigkeit und religiöse Freiheit bringen. Unter den bald einsetzenden Verfolgungen durch jene, die dieses Evangelium der Freude und Freiheit hassen, werdet ihr euch entwickeln und wird das Königreich gedeihen. Aber ihr werdet in den Folgezeiten in ernste Gefahr geraten, wenn die meisten Menschen gut von den an das Königreich Glaubenden reden und viele in hoher Stellung das Evangelium vom himmlischen Königreich äußerlich annehmen werden. Lernt, dem Königreich selbst in Zeiten des Friedens und der Prosperität treu zu bleiben. Führt die über euch wachenden Engel nicht in Versuchung, euch aus Liebe zu züchtigen, indem sie euch Schwierigkeiten in den Weg legen, um eure nachlässig gewordenen Seelen zu retten. Denkt daran, dass ihr den Auftrag habt, dieses Evangelium vom Königreich zu predigen - den höchsten Wunsch, des Vaters Willen zu tun, zusammen mit der höchsten Freude, durch den Glauben zu erkennen, ein Sohn Gottes zu sein - und ihr dürft nichts und niemandem erlauben, euch von eurer Hingabe an diese eine Aufgabe abzulenken. Lasst der ganzen Menschheit in Überfülle euer liebevolles geistiges Wirken, euren erleuchtenden intellektuellen Umgang und euren ermutigenden sozialen Dienst zugute kommen; aber keiner dieser humanitären Bemühungen, ebensowenig wie allen zusammen, darf erlaubt werden, an die Stelle der Verkündigung des Evangeliums zu treten. Diese mächtigen Liebeswerke sind die sozialen Nebenprodukte der noch mächtigeren und erhabeneren Liebeswerke und Verwandlungen, die im Herzen des an das Königreich Glaubenden durch den lebendigen Geist der Wahrheit und die persönliche Erkenntnis bewirkt werden, dass der Glaube eines aus dem Geiste geborenen Menschen die Gewissheit lebendiger Freundschaft mit dem ewigen Gott verleiht. Ihr müsst nicht versuchen, durch die Macht ziviler Regierungen oder durch den Erlass weltlicher Gesetze die Wahrheit zu verbreiten oder Rechtschaffenheit durchzusetzen. Ihr könnt euch stets bemühen, den Verstand der Menschen zu überzeugen, aber ihr dürft es nie wagen, sie zu zwingen. Vergesst das große Gesetz menschlicher Fairness nicht, das ich euch in positiver Form gelehrt habe: Tut für die Menschen, was ihr wünschtet, sie täten es auch für euch. Wenn einer, der an das Königreich glaubt, berufen wird, der Zivilregierung zu dienen, soll er diesen Dienst als weltlicher Bürger einer solchen Regierung leisten. Indessen sollten sich im Staatsdienst eines solchen Gläubigen alle gewöhnlichen Qualitäten eines Staatsbürgers auf einer höheren Stufe zeigen dank der geistigen Erleuchtung, die aus der läuternden Verbindung des Verstandes des sterblichen Menschen mit dem ihm innewohnenden Geist des ewigen Gottes kommt. Wenn sich ein Ungläubiger als überdurchschnittlicher Staatsbeamter qualifizieren kann, solltet ihr euch allen Ernstes die Frage stellen, ob die Wurzeln der Wahrheit in euren Herzen nicht abgestorben sind aus Mangel an den lebendigen Wassern, die aus der Verbindung geistigen Lebens mit sozialem Dienst strömen. Das Bewusstsein, ein Kind Gottes zu sein, sollte das gesamte Lebenswerk jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes beflügeln, all derer, die einen so mächtigen Stimulus aller der menschlichen Persönlichkeit innewohnenden Talente erworben haben. Seid keine passiven Mystiker oder farblosen Asketen; ihr solltet keine Träumer und ziellos dahintreibenden Menschen werden, die untätig auf eine fiktive Vorsehung zur Beschaffung selbst des Lebensnotwendigen bauen. Ihr sollt allerdings freundlich sein in eurem Umgang mit abgeirrten Sterblichen, geduldig im Verkehr mit unwissenden Menschen und nachsichtig, wenn man euch herausfordert; aber ihr sollt auch heldenhaft sein bei der Verteidigung der Rechtschaffenheit, mächtig in der Verkündigung der Wahrheit und dynamisch beim Predigen des Evangeliums vom Königreich, sogar bis an das Ende der Welt. Das Evangelium vom Königreich ist eine lebendige Wahrheit. Ich habe euch gesagt, dass es der Hefe im Teig und dem Senfkorn gleicht; und jetzt erkläre ich, dass es dem Samen des lebendigen Wesens gleicht, der zwar immer derselbe lebendige Same bleibt, aber sich von Generation zu Generation unfehlbar in immer neuen Erscheinungsformen entfaltet und angemessen wächst in Kanälen neuer Anpassung an die besonderen Bedürfnisse und Bedingungen jeder neuen Generation. Die Offenbarung, die ich euch gemacht habe, ist eine lebendige Offenbarung, und ich wünsche, dass sie in jedem Einzelnen und in jeder Generation angemessene Früchte trage in Übereinstimmung mit den Gesetzen geistigen Wachstums, geistiger Steigerung und anpassungsfähiger Entwicklung. Von Generation zu Generation muss dieses Evangelium wachsende Lebenskraft und tiefere geistige Macht beweisen. Ihr dürft nicht erlauben, dass es nur zu einer geheiligten Erinnerung wird, zu einer bloßen Überlieferung, die von mir und der Zeit berichtet, in der wir jetzt leben. Und vergesst nicht: Wir haben weder die Person, noch die Autorität derer direkt angegriffen, die jetzt auf Mose Stuhl sitzen; wir haben ihnen nur das neue Licht angeboten, das sie so heftig zurückgewiesen haben. Wir haben sie nur insofern angegriffen, als wir ihren geistigen Verrat an eben den Wahrheiten angeprangert haben, die sie zu lehren und zu bewahren beteuern. Wir sind mit diesen angestammten Führern und anerkannten Regierenden nur zusammengestoßen, wenn sie sich der Verkündigung des Evangeliums vom Königreich an die Söhne der Menschen selber direkt in den Weg stellten. Und auch jetzt sind nicht wir es, die sie angreifen, sondern sie sind es, die uns zu vernichten suchen. Vergesst nicht, dass euer Auftrag einzig darin besteht, in die Welt zu ziehen, um die gute Nachricht zu predigen. Ihr sollt nicht das Althergebrachte angreifen, sondern mit Geschick den Sauerteig der neuen Wahrheit mitten unter die alten Glaubensinhalte mischen. Lasst den Geist der Wahrheit sein eigenes Werk vollbringen. Lasst Meinungsstreite nur dann zu, wenn die Verächter der Wahrheit sie euch aufzwingen. Aber wenn hartnäckige Ungläubige euch angreifen, dann zögert nicht, energisch die Wahrheit zu verteidigen, die euch gerettet und geheiligt hat. Denkt in allen Wechselfällen des Lebens stets daran, einander zu lieben. Ringt nicht mit den Menschen, auch nicht mit den Ungläubigen. Zeigt euch barmherzig sogar gegen jene, die euch verachten und misshandeln. Erweist euch als zuverlässige Bürger, aufrechte Handwerker, lobenswerte Nachbarn, hingebungsvolle Angehörige, verständnisvolle Eltern, und glaubt aufrichtig an die Brüderlichkeit im Königreich des Vaters. Und mein Geist wird auf euch ruhen, jetzt und bis ans Ende der Welt. Als Jesus seine Unterweisung beendet hatte, war es fast ein Uhr, und sie kehrten unverzüglich ins Lager zurück, wo David und seine Mitarbeiter das Mittagessen für sie bereithielten. ***** 178.2 Nach dem Mittagessen ***** Nicht viele Zuhörer des Meisters waren in der Lage, auch nur einen Bruchteil seiner vormittäglichen Ansprache zu erfassen. Von allen, die ihm zuhörten, begriffen die Griechen am meisten. Seine Anspielungen auf kommende politische Königreiche und aufeinander folgende Generationen von Königreich-Gläubigen stürzten sogar die elf Apostel in Verwirrung. Die Jesus am meisten ergebenen Anhänger konnten das kurz bevorstehende Ende seines irdischen Wirkens nicht mit diesen Hinweisen auf sich weit in die Zukunft erstreckende evangelisierende Aktivitäten in Einklang bringen. Einige von diesen jüdischen Gläubigen begannen zu fühlen, dass der Erde größte Tragödie gerade bevorstand, aber sie vermochten so ein unmittelbar drohendes Unheil weder mit der heiter-indifferenten persönlichen Haltung des Meisters noch mit seiner vormittäglichen Ansprache zusammenzubringen, in der er wiederholt auf zukünftige Entwicklungen des himmlischen Königreichs angespielt hatte, die sich über weite Zeiträume erstreckten und Beziehungen mit vielen aufeinander folgenden weltlichen irdischen Reichen umfassten. Bis zum Mittag dieses Tages hatten alle Apostel und Jünger von der überstürzten Flucht des Lazarus aus Bethanien gehört. Sie begannen die grimmige Entschlossenheit der jüdischen Führer zu spüren, Jesus und seine Lehren zu vernichten. Durch die Arbeit seiner geheimen Agenten in Jerusalem war David Zebedäus über die Fortschritte des Plans, Jesus zu verhaften und zu töten, voll informiert. Er wusste alles über die Rolle von Judas in diesem Komplott, aber nie verriet er dies den anderen Aposteln noch irgendeinem der Jünger. Kurz nach dem Mittagessen führte er Jesus beiseite, nahm seinen ganzen Mut zusammen und fragte ihn, ob er wisse - aber er kam nicht weiter mit seiner Frage. Denn der Meister hob seine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten, und sagte: "Ja, David, ich weiß alles darüber, und ich weiß, dass du es weißt, aber sieh zu, mit keinem Menschen darüber zu sprechen. Nur zweifle nicht in deinem Herzen, dass Gottes Wille sich am Ende durchsetzen wird." Dieses Gespräch mit David wurde durch die Ankunft eines Boten aus Philadelphia unterbrochen, der die Nachricht überbrachte, Abner habe von dem Komplott, Jesus umzubringen, gehört und lasse fragen, ob er nach Jerusalem kommen solle. Der Läufer eilte mit der folgenden Botschaft an Abner nach Philadelphia zurück: "Führe dein Werk weiter. Wenn ich leibhaftig von euch gehe, dann nur, um im Geist wiederzukehren. Ich werde euch nicht verlassen. Ich werde bis zum Ende bei euch bleiben." Etwa um diese Zeit kam Philipp zu dem Meister und fragte: "Meister, da die Zeit des Passahfestes heranrückt, wo sollen wir das Mahl vorbereiten?" Als Jesus Philipps Frage hörte, gab er zur Antwort: "Geh und hole Petrus und Johannes her, damit ich euch Anweisungen zum Mahl geben kann, das wir heute Abend zusammen einnehmen wollen. Was das Passahfest anbelangt, so denke daran erst, wenn wir dies getan haben." Als Judas den Meister mit Philipp über diese Dinge sprechen hörte, trat er näher heran, um ihre Unterhaltung zu belauschen. Aber David Zebedäus, der dabeistand, trat vor und zog Judas in ein Gespräch, während Philipp, Petrus und Johannes sich zur Seite begaben, um mit dem Meister zu sprechen. Jesus sprach zu den Dreien: "Geht unverzüglich nach Jerusalem, und wenn ihr durch das Tor schreitet, werdet ihr auf einen Mann treffen, der einen Wasserkrug trägt. Er wird euch ansprechen, und dann sollt ihr ihm folgen. Wenn er euch zu einem bestimmten Haus führt, tretet nach ihm ein und fragt den Hausvater: `Wo ist der Gästeraum, in dem der Meister mit seinen Aposteln das Abendessen einnehmen will?' Und auf eure Frage hin wird er euch einen großen Raum im Obergeschoss zeigen, der mit Polstern ausgestattet und für uns bereitgestellt ist." Als die Apostel die Stadt erreichten, trafen sie am Tor auf den Mann mit dem Wasserkrug und folgten ihm bis zum Hause von Johannes Markus, wo der Vater des Jungen sie empfing und ihnen den für das Nachtmahl hergerichteten oberen Raum zeigte. Und all das geschah zufolge einer zwischen dem Meister und Johannes Markus im Laufe des Nachmittags des vorangegangenen Tages getroffenen Abmachung, als sie allein in den Bergen waren. Jesus wollte sichergehen, dass er dieses letzte Mahl ungestört mit seinen Aposteln einnehmen konnte, und da er annahm, dass Judas, sollte ihm der Ort ihres Treffens im Voraus bekannt sein, sich mit seinen Feinden verständigen würde, um ihn zu fassen, traf er mit Johannes Markus diese geheime Übereinkunft. Auf diese Weise erfuhr Judas den Ort ihrer Versammlung erst, als er dort in Gesellschaft Jesu und der übrigen Apostel anlangte. David Zebedäus hatte mit Judas viel Geschäftliches zu erledigen, so dass er ihn leicht daran hindern konnte, Petrus, Johannes und Philipp zu folgen, wonach ihn so heftig verlangte. Als Judas David eine bestimmte Geldsumme für Vorräte übergab, sagte David zu ihm: "Judas, wäre es unter den gegebenen Umständen nicht gut, mich über den jetzigen Bedarf hinaus mit etwas Geld zu versorgen?" Judas überlegte kurz und sagte dann: "Ja, David, ich denke, es wäre klug. Angesichts der unsicheren Lage in Jerusalem denke ich tatsächlich, dass es das Beste wäre, ich übergäbe dir überhaupt alles Geld. Man plant Übles gegen den Meister, und im Falle, dass mir etwas zustoßen sollte, wärest du nicht in der Klemme." Und so nahm David das ganze apostolische Barvermögen und die Quittungen für alles hinterlegte Geld in Empfang. Die Apostel erfuhren erst am nächsten Abend von dieser Übergabe. Etwa um halb fünf kehrten die drei Apostel zurück und berichteten Jesus, dass alles für das Abendessen hergerichtet sei. Der Meister machte sich sogleich bereit, seine zwölf Apostel über den Saumpfad zur Straße nach Bethanien und von da nach Jerusalem zu führen. Und das war sein letzter Gang mit allen zwölf. ***** 178.3 Unterwegs zum Abendmahl ***** In dem Bestreben, wiederum die Menschenmassen zu vermeiden, die durch das Kidrontal zwischen dem Garten von Gethsemane und Jerusalem hin- und hergingen, wanderten Jesus und die Zwölf über die Westkuppe des Ölbergs, um die Straße zu erreichen, die von Bethanien in die Stadt hinunterführte. Als sie sich der Stelle näherten, wo Jesus am Abend zuvor verweilt hatte, um über die Zerstörung Jerusalems zu reden, hielten sie unbewusst inne, standen da und schauten schweigend auf die Stadt hinunter. Da sie noch etwas früh waren und Jesus erst nach Sonnenuntergang durch die Stadt gehen wollte, sagte er zu seinen Gefährten: Setzt euch und ruht euch aus, während ich mit euch über das rede, was sich in Kürze ereignen muss. All die Jahre hindurch habe ich mit euch wie mit Brüdern gelebt, und ich habe euch die Wahrheit über das Königreich des Himmels gelehrt und euch dessen Geheimnisse offenbart. Und mein Vater hat in der Tat im Zusammenhang mit meiner Erdensendung viele wunderbare Werke vollbracht. Ihr seid Zeugen von alledem gewesen und habt an der Erfahrung teilgehabt, mit Gott zusammenzuarbeiten. Und ihr werdet mir bezeugen, dass ich euch seit einiger Zeit gewarnt habe, ich müsse bald an das Werk zurückkehren, das der Vater mir aufgetragen hat; ich habe euch deutlich gesagt, dass ich euch in der Welt zurücklassen muss, damit ihr das Werk des Königreichs fortführt. Gerade zu diesem Zweck habe ich euch in den Bergen von Kapernaum eine Sonderrolle zugewiesen. Ihr müsst euch jetzt darauf vorbereiten, die Erfahrung, die ihr mit mir gemacht habt, mit anderen zu teilen. So wie der Vater mich in diese Welt gesandt hat, werde ich euch jetzt aussenden, um mich zu vertreten und das von mir begonnene Werk zu vollenden. Ihr schaut traurig auf diese Stadt hinab, denn ihr habt meine Worte über das Ende von Jerusalem gehört. Ich habe euch vorgewarnt, damit ihr bei seiner Zerstörung nicht umkommt und die Verkündigung des Evangeliums vom Königreich dadurch keinen Aufschub leidet. Ebenso warne ich euch, auf der Hut zu sein und euch nicht unnötig in Gefahr zu bringen, wenn sie kommen, um sich des Menschensohns zu bemächtigen. Ich muss gehen, ihr aber müsst bleiben, um dieses Evangelium nach meinem Weggang zu bezeugen, genau so, wie ich Lazarus angewiesen habe, vor dem Zorn der Menschen zu fliehen, damit er lebe, um den Ruhm Gottes zu verkündigen. Wenn es des Vaters Wille ist, dass ich gehe, kann nichts, was immer ihr auch unternehmen mögt, den göttlichen Plan vereiteln. Gebt acht auf euch, damit sie euch nicht auch töten. Eure Seelen seien tapfer, wenn ihr das Evangelium durch die Macht des Geistes verteidigt, aber lasst euch nicht zu irgendeinem unbesonnenen Versuch hinreißen, den Menschensohn zu verteidigen. Ich brauche keine Verteidigung durch Menschenhand; eben jetzt sind die himmlischen Heerscharen ganz in der Nähe; aber ich bin entschlossen, den Willen meines Vaters im Himmel zu tun, und deshalb müssen wir uns der Prüfung unterziehen, die sehr bald über uns kommen wird. "Wenn ihr diese Stadt zerstört seht, dann vergesst nicht, dass ihr das ewige Leben nie endenden Dienstes im ewig fortschreitenden Königreich des Himmels, gar des Himmels der Himmel, bereits angetreten habt. Ihr solltet wissen, dass es in meines Vaters Universum und in dem meinigen viele Wohnorte gibt, und dass dort auf die Kinder des Lichts die Offenbarung von Städten wartet, deren Erbauer Gott ist, und von Welten, deren Lebensgewohnheit Rechtschaffenheit und Freude in der Wahrheit sind. Ich habe das Königreich des Himmels hier zu euch auf die Erde gebracht, aber ich erkläre, dass alle von euch, die es durch ihren Glauben betreten und durch den lebendigen Dienst an der Wahrheit in ihm bleiben, mit Sicherheit zu den Welten in der Höhe aufsteigen und mit mir im geistigen Königreich unseres Vaters Platz nehmen werden. Aber zuerst müsst ihr euch wappnen und das Werk vollenden, das ihr mit mir begonnen habt. Ihr müsst zuerst viele Widerwärtigkeiten durchstehen und viel Leid ertragen - und diese Prüfungen warten gerade jetzt auf uns -, aber wenn ihr eure Arbeit auf der Erde abgeschlossen habt, sollt ihr in meine Freude eingehen, gerade so, wie ich jetzt meines Vaters Werk auf Erden beendet habe und mich anschicke, in seine Arme zurückzukehren." Nachdem der Meister gesprochen hatte, erhob er sich, und sie folgten ihm alle den Ölberg hinunter und in die Stadt. Außer dreien wusste keiner von den Aposteln, wohin sie in der einbrechenden Dunkelheit ihr Weg durch die engen Gassen führte. Sie drängten sich durch die Menge, aber niemand erkannte sie und niemand wusste, dass der Sohn Gottes an ihnen vorüberging auf seinem Gang zur letzten irdischen Verabredung mit seinen auserwählten Botschaftern des Königreichs. Und ebenso wenig wussten die Apostel, dass einer aus ihren eigenen Reihen bereits einer Verschwörung beigetreten war, um den Meister in die Hände seiner Feinde zu geben. Johannes Markus war ihnen während des ganzen Weges in die Stadt hinein gefolgt, und nachdem sie durch das Tor geschritten waren, eilte er auf einem anderen Wege zum Hause seines Vaters, wo er auf sie wartete, um sie bei ihrer Ankunft willkommen zu heißen. ****** Kapitel 179 Das Letzte Abendmahl ****** ALS Philipp den Meister im Laufe dieses Donnerstagnachmittags an das nahe Passahfest erinnerte und sich danach erkundigte, wie er es zu feiern gedenke, hatte er das Passahabendessen im Sinn, das man am Abend des folgenden Tages, am Freitag, einzunehmen pflegte. Es war Brauch, mit den Vorbereitungen zur Feier des Passahfestes nicht später als am Mittag des Vortages zu beginnen. Und da die Juden den Tagesbeginn vom Sonnenuntergang an rechneten, bedeutete dies, dass das Passahabendessen des Samstags am Freitagabend irgendwann vor Mitternacht stattfand. Die Apostel wussten deshalb überhaupt nicht, wie sie des Meisters Ankündigung, sie würden Passah einen Tag früher feiern, verstehen sollten. Sie - oder wenigstens einige von ihnen - dachten, er wisse, dass er noch vor der Zeit des Abendessens am Freitagabend verhaftet werden würde, und sie deshalb zu einem besonderen Mahl an diesem Donnerstagabend zusammenrief. Andere glaubten, das sei nur ein besonderer Anlass, der der ordentlichen Begehung des Passahfestes vorausgehe. Die Apostel wussten, dass Jesus andere Passahfeste ohne Lamm gefeiert hatte, und sie wussten auch, dass er persönlich an keiner Opferhandlung des jüdischen Glaubenssystems teilnahm. Als Gast hatte er oft vom Passahlamm gegessen, aber wenn er selber der Gastgeber war, wurde nie Lamm aufgetragen. Es hätte die Apostel nicht sonderlich erstaunt, sogar am Passahabend kein Lamm vorzufinden, und da dieses Abendessen einen Tag früher gegeben wurde, machten sie sich über sein Fehlen keine Gedanken. Nachdem Vater und Mutter von Johannes Markus die Apostel begrüßt und willkommen geheißen hatten, begaben sich diese sofort zum oberen Raum hinauf, während Jesus noch bei der Familie von Markus verweilte und sich mit ihr unterhielt. Man war zuvor übereingekommen, dass der Meister diese Feier allein mit seinen zwölf Aposteln begehen würde; deshalb hatte man keine Bediensteten zu ihrer Aufwartung besorgt. ***** 179.1 Der Wunsch nach Bevorzugung ***** Nachdem Johannes Markus die Apostel die Treppe hinaufgeleitet hatte, erblickten sie einen großen und bequemen Raum, der mit allem Nötigen für das Abendessen ausgestattet war, und stellten fest, dass sowohl Brot als auch Wein, Wasser und Gewürzkräuter am einen Ende des Tisches bereitstanden. Mit Ausnahme des Tischendes, wo sich Brot und Wein befanden, war dieser lange Tisch von dreizehn Liegesofas umstellt. Das waren Anstalten, wie man sie zur Passahfeier in jedem wohlhabenden jüdischen Haushalt getroffen hätte. Beim Betreten des oberen Raums bemerkten die Zwölf gleich hinter der Tür Wassereimer, Becken und Tücher zur Waschung ihrer staubigen Füße; und da für diese Handlung kein Bediensteter besorgt worden war, begannen die Apostel, nachdem Johannes Markus sie verlassen hatte, einander anzuschauen, und jeder dachte bei sich: "Wer wird unsere Füße waschen?" Und ebenso dachte jeder von ihnen, dass nicht er es sein würde, da es aussehen könnte, als handle er an den anderen wie ein Diener. Während sie dastanden und in ihren Herzen hin und her überlegten, schweiften ihre Blicke über die Sitzordnung am Tisch, und sie bemerkten den höheren Diwan des Gastgebers mit einer Liege zur Rechten und elf weiteren, die den Tisch umringten bis hin zur letzten, die jenem zweiten Ehrenplatz an der Rechten des Gastgebers gegenüberstand. Sie erwarteten jeden Augenblick das Kommen des Meisters, aber sie waren im Zwiespalt, ob sie sich setzen oder sein Kommen abwarten und es ihm überlassen sollten, ihnen ihre Plätze zuzuweisen. Während sie noch zögerten, schritt Judas auf den Ehrenplatz zur Linken des Gastgebers zu und ließ seine Absicht erkennen, sich hier als bevorzugter Gast niederzulassen. Dieses Vorgehen von Judas löste sofort einen hitzigen Disput unter den anderen Aposteln aus. Kaum hatte Judas sich des Ehrenplatzes bemächtigt, als Johannes Zebedäus seinen Anspruch auf den nächsten Vorzugsplatz erhob, denjenigen zur Rechten des Gastgebers. Simon Petrus geriet über Judas und Johannes, die sich die bevorzugten Plätze anmaßten, derart in Wut, dass er unter den ungehaltenen Blicken der übrigen Apostel entschlossen um den Tisch herumschritt und sich auf der tiefstrangigen Liege am Ende der Sitzordnung gleich gegenüber derjenigen niederließ, die Johannes Zebedäus gewählt hatte. Da andere sich der hohen Plätze bemächtigt hatten, entschied sich Petrus für den niedrigsten, und er tat dies nicht nur aus Protest gegen den ungebührlichen Stolz seiner Brüder, sondern in der Hoffnung, dass ihm Jesus, wenn er käme und ihn am wenigsten ehrenvollen Platz erblickte, einen höheren zuweisen und dabei einen Apostel versetzen würde, der sich angemaßt hatte, sich selber zu ehren. Da nun die höchsten und niedrigsten Plätze solcherweise besetzt waren, suchten sich die übrigen Apostel die ihren aus, einige in der Nähe von Judas und einige in der Nähe von Petrus, bis sie alle einen gefunden hatten. Sie saßen auf diesen geneigten Diwanen in nachstehender Reihenfolge um den U-förmigen Tisch herum: Zur Rechten des Meisters Johannes; zu seiner Linken Judas, Simon Zelotes, Matthäus, Jakobus Zebedäus, Andreas, die Alphäus Zwillinge, Philipp, Nathanael, Thomas und Simon Petrus. Sie sind versammelt, um - wenigstens im Geiste - feierlich einen Brauch zu begehen, der noch bis vor Moses zurückreichte und sich auf die Zeit bezog, als ihre Väter Sklaven in Ägypten waren. Dieses Abendessen ist ihr letztes Treffen mit Jesus, und selbst in einem so feierlichen Rahmen lassen sie sich unter Führung von Judas wiederum dazu verleiten, ihrem alten Hang nach Ehre, Bevorzugung und persönlicher Erhöhung nachzugeben. Immer noch tadelten sie sich gegenseitig laut und zornig, als der Meister unter der Tür erschien, wo er einen Augenblick lang zögerte, während langsam ein Ausdruck von Enttäuschung über sein Gesicht glitt. Wortlos ging er an seinen Platz und ließ ihre Sitzordnung unangetastet. Sie waren jetzt bereit, mit dem Abendessen zu beginnen, nur waren ihre Füße immer noch nicht gewaschen, und ihre Stimmung war alles andere als freundlich. Als der Meister eintrat, bedachten sie sich gegenseitig immer noch mit wenig schmeichelhaften Bemerkungen, ganz abgesehen von den Gedanken einiger, die genügend emotionale Beherrschung besaßen, um ihre Gefühle nicht laut auszusprechen. ***** 179.2 Der Beginn des Abendmahls ***** Nachdem der Meister an seinen Platz gegangen war, wurde einige Augenblicke kein einziges Wort gesprochen. Jesus ließ den Blick über sie schweifen und löste die Spannung mit einem Lächeln, indem er sagte: "Es war mein ganz großer Wunsch, dieses Passahmahl mit euch einzunehmen. Ich wollte noch einmal mit euch essen, bevor ich zu leiden habe, und da mir bewusst wurde, dass meine Stunde gekommen ist, habe ich die nötigen Vorkehrungen getroffen, um heute Abend dieses Mahl mit euch zu teilen; denn was den morgigen Tag betrifft, sind wir alle in den Händen des Vaters, dessen Willen auszuführen ich gekommen bin. Ich werde nicht eher wieder mit euch essen, als bis ihr euch mit mir im Königreich niedersetzen werdet, das mein Vater mir geben wird, wenn ich beendet haben werde, wofür er mich in diese Welt gesandt hat." Nachdem der Wein und das Wasser gemischt worden waren, brachten sie Jesus den Kelch. Er nahm ihn aus den Händen von Thaddäus entgegen und hielt ihn, während er den Dank sprach. Und als er geendet hatte, sagte er: "Nehmt diesen Kelch und teilt ihn unter euch, und wenn ihr davon trinkt, so sei euch bewusst, dass ich mit euch nicht wieder von der Frucht der Rebe trinken werde; denn dies ist unser letztes Abendmahl. Wenn wir uns wieder in dieser Weise zusammensetzen werden, wird es im kommenden Königreich sein." Jesus begann, so zu seinen Aposteln zu sprechen, weil er wusste, dass seine Stunde gekommen war. Er begriff, dass die Zeit gekommen war, da er zum Vater zurückzukehren hatte, und dass sein Werk auf Erden fast abgeschlossen war. Der Meister wusste, dass er die Liebe des Vaters auf Erden offenbart und der Menschheit dessen Barmherzigkeit kundgetan hatte, und dass er erfüllt hatte, wofür er in die Welt gekommen war, auf dass er alle Macht und Autorität im Himmel und auf Erden erhielte. Und er wusste ebenfalls, dass Judas Iskariot fest entschlossen war, ihn noch heute Nacht den Händen seiner Feinde auszuliefern. Er war sich völlig im Klaren, dass dieser treulose Verrat das Werk von Judas war, dass er aber auch Luzifer, Satan und Caligastia, dem Fürsten der Finsternis, gefiel. Aber er fürchtete keinen von denen, die seine geistige Niederlage suchten, ebensowenig wie er jene fürchtete, die danach trachteten, seinen physischen Tod herbeizuführen. Der Meister bangte nur um eines - die Sicherheit und Rettung seiner auserwählten Gefährten. Und nun, im vollen Wissen darum, dass der Vater alle Dinge seiner Autorität unterstellt hatte, schickte sich der Meister an, das Gleichnis brüderlicher Liebe in Szene zu setzen. ***** 179.3 Die Waschung der Füße der Apostel ***** Jüdischer Brauch wollte, dass der Gastgeber, nachdem er den ersten Passahkelch getrunken hatte, sich vom Tisch erhob und seine Hände wusch. Im weiteren Verlauf des Mahls und nach dem zweiten Kelch erhoben sich alle Gäste ebenso und wuschen ihre Hände. Da die Apostel wussten, dass ihr Meister sich nie an diesen Ritus zeremonieller Handwaschung hielt, waren sie sehr neugierig zu erfahren, was zu tun er im Sinne hatte, als er, nachdem sie den ersten Kelch getrunken hatten, sich vom Tisch erhob und schweigend auf die Tür zu ging, neben der Wasserkrüge, Waschbecken und Tücher bereitgestellt waren. Und ihre Neugierde verwandelte sich in Erstaunen, als sie sahen, wie der Meister sein Obergewand ablegte, sich ein Tuch umband und damit begann, Wasser in eines der Fußbecken zu schütten. Stellt euch die Verwunderung dieser zwölf Männer vor, die sich noch eben geweigert hatten, einander die Füße zu waschen, und die sich in so unziemlicher Weise um die Ehrenplätze am Tisch gestritten hatten, als sie Jesus um das leerstehende Ende des Tisches herum auf den geringsten Platz des Festes zugehen sahen, wo Simon Petrus lagerte, und wo er in der Haltung eines Dieners niederkniete und sich anschickte, Simon die Füße zu waschen. Als der Meister kniete, sprangen alle Zwölf wie ein Mann auf. Sogar der verräterische Judas vergaß seine Niedertracht einen Augenblick lang und erhob sich mit seinen Apostelgefährten in dieser Kundgebung von Überraschung, Respekt und äußerster Verblüffung. Da stand nun Simon Petrus und schaute auf das nach oben gewandte Gesicht seines Meisters herab. Jesus sagte nichts; es war nicht nötig, dass er sprach: Seine Haltung brachte unmissverständlich zum Ausdruck, dass es seine Absicht war, Simon Petrus die Füße zu waschen. Trotz seiner menschlichen Schwächen liebte Petrus den Meister. Dieser galiläische Fischer war das erste menschliche Wesen, das von ganzem Herzen an die Göttlichkeit Jesu glaubte und diesen Glauben auch öffentlich voll bekannte. Und Petrus hatte die göttliche Natur des Meisters danach nie wirklich in Zweifel gezogen. Da Petrus Jesus in seinem Herzen so sehr verehrte und hochhielt, war es nicht verwunderlich, dass seine Seele sich gegen den Gedanken sträubte, Jesus hier vor ihm in der Haltung eines geringen Dieners knien und sich anschicken zu sehen, ihm wie ein Sklave die Füße zu waschen. Als sich Petrus gleich darauf so weit gefasst hatte, um das Wort an den Meister zu richten, sprach er all seinen Apostelgefährten aus dem Herzen. Nach einigen Augenblicken größter Verlegenheit sagte Petrus: "Meister, beabsichtigst du tatsächlich, mir die Füße zu waschen?" Da schaute Jesus zu Petrus auf und sprach: "Vielleicht begreifst du nicht ganz, was zu tun ich mich anschicke, aber später wirst du die Bedeutung all dieser Dinge verstehen." Da holte Simon Petrus tief Atem und sagte: "Meister, nie und nimmer wirst du mir die Füße waschen!" Und jeder der Apostel stimmte mit einem Kopfnicken der entschiedenen Weigerung des Petrus zu, es Jesus zu erlauben, sich in dieser Weise vor ihnen zu demütigen. Der dramatische Appell dieser ungewöhnlichen Szene rührte zuerst sogar das Herz von Judas Iskariot; aber als sein anmaßender Intellekt das Schauspiel beurteilte, kam er zu dem Schluss, dass diese Geste der Demut nur eine weitere Episode war, die schlüssig bewies, dass Jesus sich niemals als Befreier Israels eignen würde, und dass er selber mit seinem Entschluss, die Sache des Meisters im Stich zu lassen, keinen Fehler gemacht hatte. Während sie alle in atemloser Verwunderung dastanden, sagte Jesus: "Petrus, ich erkläre, dass, wasche ich dir nicht die Füße, du nicht mit mir an dem teilnehmen wirst, was ich zu vollführen gedenke." Als Petrus diese Erklärung hörte und Jesus nach wie vor zu seinen Füßen kniete, fasste er einen jener Entschlüsse blinder Willfährigkeit gegenüber dem Wunsch eines, den er respektierte und liebte. Als es in Simon Petrus zu dämmern begann, dass der geplanten Darstellung des Dienens eine Bedeutung zukam, die für die eigene zukünftige Verbindung mit des Meisters Werk bestimmend war, söhnte er sich nicht nur mit dem Gedanken aus, Jesus zu erlauben, ihm die Füße zu waschen, sondern er sprach in seiner charakteristischen und ungestümen Art: "Dann wasche mir nicht nur die Füße, Meister, sondern auch die Hände und den Kopf." Als der Meister sich anschickte, Petrus die Füße zu waschen, sprach er: "Wer schon rein ist, dem brauchen nur die Füße gewaschen zu werden. Ihr, die ihr heute Abend hier mit mir zusammen sitzt, seid rein - aber nicht alle. Ihr hättet den Staub von euren Füßen abwaschen sollen, bevor ihr euch mit mir zum Mahl niedersetztet. Zudem möchte ich diesen Dienst an euch als ein Gleichnis tun, das den Sinn eines neuen Gebotes, das ich euch gleich geben will, veranschaulichen soll." In derselben Weise machte der Meister schweigend die Runde um den Tisch, wobei er die Füße seiner zwölf Apostel wusch und nicht einmal Judas ausließ. Als Jesus mit dem Waschen der Füße der Zwölf zu Ende war, zog er sein Übergewand an, kehrte an seinen Platz des Gastgebers zurück und sagte nach einem Blick auf seine verstörten Apostel: "Begreift ihr wirklich, was ich an euch getan habe? Ihr nennt mich Meister, und ihr tut gut so, denn ich bin es. Wenn also der Meister euch die Füße gewaschen hat, wie kommt es, dass ihr nicht willens wart, einander die Füße zu waschen? Welche Lehre solltet ihr aus diesem Gleichnis ziehen, in dem der Meister so bereitwillig den Dienst erbringt, den seine Brüder einander gegenseitig verweigert haben? Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ein Diener ist nicht größer als sein Meister; noch ist einer, der gesandt wurde, größer als derjenige, der ihn sendet. Ihr habt die Art des Dienens gesehen, die ich unter euch gelebt habe; und gesegnet sind diejenigen von euch, die den Mut und die Güte aufbringen werden, auf diese Weise zu dienen. Aber wieso seid ihr so langsam zu begreifen, dass das Geheimnis der Größe im geistigen Reich verschieden ist von den Methoden der Macht in der materiellen Welt? Als ich heute Abend diesen Raum betrat, habt ihr euch nicht nur stolz geweigert, einander die Füße zu waschen, sondern ihr habt auch noch darüber zu streiten begonnen, wem die Ehrenplätze an meinem Tisch gebührten. Das sind Ehren, die die Pharisäer und die Kinder dieser Welt suchen, aber unter den Botschaftern des himmlischen Königreichs sollte es anders sein. Wisst ihr nicht, dass es an meinem Tisch keinen Vorzugsplatz geben kann? Versteht ihr nicht, dass ich einen jeden von euch genau so liebe wie alle anderen? Wisst ihr nicht, dass der Platz zunächst von mir - aus menschlicher Sicht ein Ehrenplatz - für eure Stellung im Königreich des Himmels überhaupt nichts bedeuten kann? Ihr wisst, dass die Könige der Nichtjuden die Gewalt über ihre Untertanen besitzen und man diejenigen, die diese Autorität ausüben, manchmal Wohltäter nennt. Aber im Königreich des Himmels wird es nicht so sein. Wer unter euch groß sein möchte, werde wie ein Jüngerer an Jahren; und wer ein Vorgesetzter sein möchte, werde wie einer, der dient. Wer ist größer, derjenige, der beim Mahl sitzt oder derjenige, der bedient? Gilt nicht derjenige, der beim Mahl sitzt, gewöhnlich als der größere? Aber ihr könnt feststellen, dass ich unter euch bin als einer, der dient. Wenn ihr gewillt seid, meine Mitdiener in Ausübung des Willens des Vaters zu werden, werdet ihr im kommenden Königreich in der Fülle der Macht bei mir sein und damit fortfahren, den Willen des Vaters zu tun in künftiger Herrlichkeit." Als Jesus fertig gesprochen hatte, trugen die Alphäus Zwillinge für den nächsten Gang des letzten Abendmahls Brot und Wein auf nebst bitteren Kräutern und einer Paste aus getrockneten Früchten. ***** 179.4 Die letzten Worte an den Verräter ***** Einige Minuten lang aßen die Apostel schweigend, aber unter dem Einfluss des fröhlichen Verhaltens des Meisters begannen sie sich bald zu unterhalten, und binnen kurzem verlief das Mahl, als ob nichts Außergewöhnliches vorgefallen wäre, das die frohe Stimmung und Geselligkeit dieses besonderen Ereignisses gestört hätte. Als einige Zeit verstrichen war, etwa mitten im zweiten Gang der Mahlzeit, ließ Jesus den Blick über sie schweifen und sagte: "Ich habe euch gesagt, wie sehr ich wünschte, dieses Abendessen mit euch einzunehmen; und im Wissen darum, wie die bösen Mächte der Finsternis sich verschworen haben, um den Tod des Menschensohns herbeizuführen, beschloss ich, dieses Abendessen mit euch in diesem geheimen Raum und einen Tag vor Passah einzunehmen, da ich morgen Abend um diese Zeit nicht mehr bei euch sein werde. Ich habe euch wiederholt gesagt, dass ich zum Vater zurückkehren muss. Jetzt ist meine Stunde gekommen, aber es war nicht nötig, dass einer von euch mich verrate und in die Hände meiner Feinde ausliefere." Als die Zwölf, die durch das Gleichnis der Fußwaschung und die anschließenden Worte des Meisters schon viel von ihrem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen eingebüßt hatten, dies hörten, begannen sie, einander anzuschauen, und fragten mit Beunruhigung und Zögern in der Stimme: "Bin ich es?" Und als sie alle so gefragt hatten, sagte Jesus: "Zwar ist es notwendig, dass ich zum Vater gehe, aber es war nicht erforderlich, dass, um des Vaters Willen zu erfüllen, einer von euch zum Verräter werde. Dies ist die herangereifte Frucht des verborgenen Bösen im Herzen eines, dem es nicht gelungen ist, die Wahrheit mit ganzer Seele zu lieben. Wie trügerisch ist doch intellektueller Hochmut, der dem geistigen Sturz vorausgeht! Mein langjähriger Freund, der eben jetzt von meinem Brot isst, wird willens sein, mich zu verraten, obwohl er jetzt seine Hand mit mir in die Schüssel taucht." Und als Jesus so gesprochen hatte, begannen sie alle wiederum zu fragen: "Bin ich es?" Und als Judas, der zur Linken seines Meisters saß, wiederum fragte; "Bin ich es?", tauchte Jesus das Brot in die Kräuterschale, reichte es Judas und sagte: "Du hast es gesagt." Aber die anderen hörten nicht, dass Jesus zu Judas sprach. Johannes, der zur Rechten Jesu lagerte, lehnte sich herüber und fragte den Meister: "Wer ist es? Wir sollten wissen, wer derjenige ist, der sich seiner Sendung untreu erwiesen hat." Jesus antwortete: "Ich habe es euch schon gesagt, eben der, dem ich das eingetunkte Brotstück gegeben habe." Aber es war so natürlich für den Gastgeber, demjenigen, der ihm zur Linken am nächsten saß, ein Stück Brot zu reichen, dass keiner davon Notiz nahm, obwohl der Meister so klar gesprochen hatte. Aber Judas war sich der Bedeutung der Worte des Meisters, die sich auf seine Tat bezogen, schmerzlich bewusst, und er begann zu befürchten, seine Brüder könnten ebenfalls gewahr werden, dass er der Verräter war. Diese Äußerungen hatten Petrus in große Erregung versetzt. Er beugte sich über den Tisch und fragte Johannes: "Frag ihn, wer es ist, oder wenn er es dir gesagt hat, sag mir, wer der Verräter ist." Jesus machte ihrem Geflüster ein Ende, indem er sagte: "Ich bin traurig, dass dieses Unheil eintreten musste, und hoffte noch bis zu dieser Stunde, dass die Macht der Wahrheit über die Täuschungen des Bösen triumphieren könnte, aber solche Siege gewinnt man nicht ohne eine vom Glauben getragene, aufrichtige Wahrheitsliebe. Ich hätte euch diese Dinge an diesem unserem letzten Abendmahl lieber nicht gesagt, aber ich möchte euch von diesen schmerzlichen Dingen unterrichten und so auf das vorbereiten, was uns jetzt erwartet. Ich habe zu euch darüber gesprochen, weil ich wünsche, dass ihr euch nach meinem Weggang daran erinnert, dass ich um all diese bösen Komplotte gewusst habe, und dass ich euch bezüglich des Verrats an mir vorgewarnt habe. Und ich tue all dies nur, damit ihr gestärkt werdet angesichts der Versuchungen und Prüfungen, die jetzt unmittelbar bevorstehen." Nachdem Jesus so gesprochen hatte, lehnte er sich zu Judas hinüber und sagte: "Tue rasch, was du zu tun beschlossen hast." Und als Judas diese Worte vernahm, erhob er sich vom Tisch und verließ hastig den Raum. Er trat in die Nacht hinaus, um auszuführen, was er in seinem Herzen beschlossen hatte. Als die anderen Apostel Judas hinauseilen sahen, nachdem Jesus zu ihm gesprochen hatte, dachten sie, er sei gegangen, um zusätzlich etwas zum Abendessen zu holen oder irgendeine andere Besorgung für den Meister zu verrichten; denn sie glaubten, er habe die Börse immer noch bei sich. Jesus wusste jetzt, dass nichts mehr getan werden konnte, um zu verhindern, dass Judas zum Verräter wurde. Er hatte mit zwölfen begonnen - jetzt hatte er nur noch elf. Er hatte sechs von ihnen gewählt, und obwohl Judas einer von denen war, die von den zuerst gewählten Aposteln vorgeschlagen wurden, hatte der Meister ihn angenommen und bis zu dieser Stunde alles nur Mögliche getan, um ihn zu läutern und zu retten, genau so, wie er für den Frieden und die Errettung der anderen gewirkt hatte. Dieses Abendmahl mit seinen zarten Episoden und einem Hauch von Rührung war Jesu letzter Appell an den abtrünnigen Judas, aber er war vergeblich. Auch wenn eine Mahnung in der taktvollsten Weise gegeben und im freundlichsten Geiste ausgesprochen wird, verstärkt sie in der Regel nur den Hass und befeuert die böse Entschlossenheit zur vollständigen Ausführung unserer eigennützigen Pläne, wenn die Liebe einmal wirklich tot ist. ***** 179.5 Die Einsetzung des Erinnerungsmahls ***** Als sie Jesus den dritten Kelch Wein, den "Kelch der Segnung" brachten, erhob er sich vom Lager, nahm den Kelch in die Hände, segnete ihn und sagte: "Nehmt diesen Kelch, ihr alle, und trinkt daraus. Dies soll der Kelch der Erinnerung an mich sein. Dies ist der Kelch der Segnung einer neuen Dispensation von Gnade und Wahrheit. Er soll für euch das Zeichen der Gabe und des Wirkens des heiligen Geistes der Wahrheit sein. Und ich werde mit euch aus diesem Kelch nicht eher wieder trinken, als bis ich in neuer Gestalt in des Vaters ewigem Königreich mit euch trinke." Die Apostel spürten alle, dass etwas Außerordentliches vor sich ging, als sie in tiefer Ehrfurcht und vollkommener Stille aus diesem Kelch der Segnung tranken. Das alte Passahfest gedachte des Entkommens ihrer Väter aus einem Zustand rassischer Sklaverei in die individuelle Freiheit; jetzt setzte der Meister ein neues Erinnerungsmahl ein als Symbol für eine neue Dispensation, bei der das versklavte Individuum aus der Knechtschaft von Zeremoniell und Selbstsucht heraustritt in die geistige Freude der Brüderlichkeit und Kameradschaft der befreiten Glaubenssöhne des lebendigen Gottes. Nachdem sie alle aus diesem neuen Kelch der Erinnerung getrunken hatten, nahm der Meister das Brot, dankte, brach es in Stücke, wies sie an, es herumzureichen und sagte: "Nehmt dieses Brot der Erinnerung und esst davon. Ich habe euch gesagt, dass ich das Brot des Lebens bin. Und dieses Brot des Lebens ist das vereinigte Leben des Vaters und des Sohnes in einer einzigen Gabe. Das Wort des Vaters, wie es sich im Sohn offenbart, ist tatsächlich das Brot des Lebens." Nachdem sie das Brot der Erinnerung zu sich genommen hatten, das Symbol des in Gestalt eines Sterblichen inkarnierten lebendigen Wortes der Wahrheit, setzten sich alle. Wie es immer seine Gewohnheit war, gebrauchte der Meister Gleichnisse und Symbole, als er dieses Erinnerungsmahl einsetzte. Er benutzte Symbole, weil er gewisse große geistige Wahrheiten auf eine Weise lehren wollte, die es seinen Nachfolgern schwer machen würde, seinen Worten genaue Auslegungen und bestimmte Bedeutungen beizulegen. Auf diese Weise versuchte er, kommende Generationen davor zu bewahren, seine Lehre zu zementieren und das, was er geistig gemeint hatte, in die toten Ketten der Tradition und des Dogmas zu legen. Bei der Einsetzung der einzigen Zeremonie oder des einzigen Sakramentes im Zusammenhang mit seiner gesamten Lebenssendung trug Jesus große Sorge, die Bedeutung seiner Botschaft mehr anzudeuten, als sich auf genaue Definitionen festzulegen. Er wollte des Einzelnen Vorstellung von göttlichem Kontakt nicht durch die Schaffung einer präzisen Form zerstören; ebenso lag ihm die Absicht fern, die geistige Vorstellungskraft des Gläubigen durch formale Eingrenzung zu beengen. Er versuchte vielmehr, die wiedergeborene Seele des Menschen auf den freudigen Schwingen einer neuen und lebendigen geistigen Unabhängigkeit in die Freiheit zu entlassen. Trotz dem Bemühen des Meisters, das neue Sakrament der Erinnerung in diesem Sinne einzusetzen, sorgten jene, die ihm nachfolgten, im Laufe der Jahrhunderte dafür, dass sein ausdrücklicher Wunsch wirksam durchkreuzt wurde, indem der einfache geistige Symbolgehalt seiner letzten in Menschengestalt verbrachten Nacht auf genaue Auslegungen reduziert und der fast mathematischen Präzision einer starren Formel unterworfen wurde. Von allen Lehren Jesu hat keine eine stärkere Normierung durch die Tradition erfahren. Wenn dieses Mahl der Erinnerung von denen eingenommen wird, die an den Sohn glauben und Gott kennen, braucht sein Symbolismus mit keiner der menschlichen und kindischen Fehlinterpretationen bezüglich der Bedeutung der göttlichen Präsenz in Zusammenhang gebracht zu werden; denn bei all diesen Gelegenheiten ist der Meister wirklich anwesend. Das Erinnerungsmahl ist die symbolische Begegnung des Gläubigen mit Michael. Wenn ihr auf diese Weise geist-bewusst werdet, ist der Sohn wirklich gegenwärtig, und sein Geist verbrüdert sich mit dem innewohnenden Fragment des Vaters. Nachdem sie einige Augenblicke in Meditation verharrt hatten, fuhr Jesus zu sprechen fort: "Wenn ihr diese Dinge tut, dann ruft euch das Leben, das ich unter euch auf Erden gelebt habe, in Erinnerung und freut euch darüber, dass ich weiterhin mit euch auf Erden leben und durch euch dienen werde. Bekämpft euch als Einzelne nicht wegen der Frage, wer der Größte sein werde. Seid alle wie Brüder. Und wenn das Königreich wächst und große Gruppen von Gläubigen umfassen wird, solltet ihr es euch desgleichen verbieten, unter diesen Gruppen um Größe zu wetteifern oder die einen den anderen vorzuziehen." Und dieses gewaltige Ereignis fand im oberen Raum eines Freundes statt. Es gab da keine Spur von heiliger Form, noch wurde am Gebäude oder während des Abendessens irgendeine zeremonielle Weihehandlung vorgenommen. Das Erinnerungsmahl wurde ohne geistliche Genehmigung begründet. Nachdem Jesus das Abendmahl der Erinnerung in dieser Weise eingesetzt hatte, sagte er zu den Zwölfen: "So oft ihr dies tut, tut es in Erinnerung an mich. Und wenn ihr meiner gedenkt, dann schaut zuerst zurück auf mein Leben in Menschengestalt, erinnert euch, dass ich einst bei euch war, und nehmt dann durch euren Glauben wahr, dass ihr alle dereinst mit mir in des Vaters ewigem Königreich beim Abendmahl sitzen werdet. Dies ist das neue Passahfest, das ich euch hinterlasse, eben die Erinnerung an mein Leben der Selbsthingabe, an das Wort der ewigen Wahrheit und an meine Liebe für euch, das Ausgießen meines Geistes der Wahrheit über alle Menschen." Und sie beendeten diese Feier, die das alte, aber unblutige Passahfest mit der Einweihung des neuen Abendmahls der Erinnerung verband, indem sie alle zusammen den einhundertundachtzehnten Psalm sangen. ****** Kapitel 180 Die Abschiedsrede ****** NACHDEM sie am Ende des Letzten Abendmahls den Psalm gesungen hatten, dachten die Apostel, Jesus beabsichtige, sofort zum Lager zurückzukehren, aber er gab ihnen ein Zeichen, sich zu setzen. Der Meister sagte: "Ihr habt noch gut in Erinnerung, wie ich euch ohne Geldbeutel oder Brieftasche aussandte und euch sogar riet, keine Ersatzkleidung mitzunehmen. Und ihr werdet euch alle entsinnen, nichts entbehrt zu haben. Aber nun haben für euch unruhige Zeiten begonnen. Künftig könnt ihr nicht mehr auf den guten Willen der Menge zählen. Deshalb trage einen Geldbeutel bei sich, wer einen hat. Wenn ihr in die Welt hinausgeht, um dieses Evangelium zu verkünden, dann verseht euch mit allem Nötigen für euren Unterhalt. Ich bin gekommen, um Frieden zu bringen, aber er wird sich einstweilen nicht einstellen." "Für den Menschensohn ist jetzt die Zeit gekommen, verherrlicht zu werden, und der Vater soll in mir verherrlicht werden. Meine Freunde, ich werde nur noch kurze Zeit bei euch sein. Bald werdet ihr nach mir suchen, aber ihr werdet mich nicht finden, denn ich gehe an einen Ort, wohin ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommen könnt. Aber wenn ihr euer Werk auf Erden beendet habt, so wie ich jetzt meines beendet habe, sollt ihr zu mir kommen, so wie ich mich jetzt bereitmache, zu meinem Vater zu gehen. Binnen ganz kurzer Zeit werde ich euch verlassen. Ihr werdet mich auf Erden nicht mehr sehen, aber ihr werdet mich alle im kommenden Zeitalter sehen, wenn ihr zu dem Königreich, das mein Vater mir gegeben hat, aufsteigt." ***** 180.1 Das neue Gebot ***** Nach einigen Augenblicken zwangloser Unterhaltung erhob sich Jesus und sagte: "Als ich euch ein Gleichnis vortrug, um euch zu verdeutlichen, wie ihr gewillt sein solltet, einander zu dienen, sagte ich, ich wünsche, euch ein neues Gebot zu geben; und das möchte ich jetzt tun, da ich im Begriff bin, euch zu verlassen. Ihr kennt das Gebot gut, das euch heißt, einander zu lieben; euren Nächsten zu lieben wie euch selbst. Aber selbst diese aufrichtige Hingabe meiner Kinder stellt mich nicht völlig zufrieden. Ich möchte euch im Königreich der gläubigen Bruderschaft noch größere Liebestaten vollbringen sehen. Und deshalb gebe ich euch dieses neue Gebot: Liebet einander so, wie ich euch geliebt habe. Wenn ihr einander so liebt, werden alle Menschen wissen, dass ihr meine Jünger seid. Indem ich euch dieses neue Gebot gebe, lade ich keine neue Bürde auf eure Seelen, sondern bringe euch vielmehr neue Freude und mache es euch möglich, neue Befriedigung zu erfahren, wenn ihr das Glück kennen lernt, eure Herzensgüte an eure Mitmenschen zu verschenken. Obwohl äußeres Leid ertragend, stehe ich im Begriff, von der allerhöchsten Freude erfüllt zu werden, indem ich meine Liebe an euch und eure sterblichen Gefährten verschenke. Wenn ich euch dazu auffordere, einander so zu lieben, wie ich euch geliebt habe, dann halte ich euch das höchste Maß an wahrer Zuneigung vor, denn kein Mensch kann größere Liebe haben als diese: sein Leben hinzugeben für seine Freunde. Und ihr seid meine Freunde; und ihr werdet fortfahren, meine Freunde zu sein, wenn ihr nur willig seid zu tun, was ich euch gelehrt habe. Ihr habt mich Meister genannt, aber ich nenne euch nicht Diener. Wenn ihr einander nur so lieben wollt, wie ich euch liebe, sollt ihr meine Freunde sein, und ich werde zu euch immer von dem sprechen, was der Vater mir offenbart. "Nicht nur ihr habt mich gewählt, sondern auch ich habe euch gewählt, und ich habe euch die Weihe gegeben, hinauszugehen in die Welt, um unter euren Mitmenschen die Früchte dienender Liebe hervorzubringen, gerade so wie ich unter euch gelebt und euch den Vater offenbart habe. Der Vater und ich werden mit euch zusammenarbeiten, und ihr sollt die Fülle göttlicher Freude erfahren, wenn ihr nur meinem Gebot gehorchen wollt, einander zu lieben, wie ich euch geliebt habe." Wenn ihr des Meisters Freude teilen möchtet, müsst ihr seine Liebe teilen. Und seine Liebe teilen bedeutet, dass ihr seinen Dienst geteilt habt. Eine solche Liebeserfahrung enthebt euch nicht der Schwierigkeiten dieser Welt; sie schafft keine neue Welt, aber mit größter Sicherheit macht sie die alte Welt neu. Vergesst nicht: Jesus verlangt Treue, nicht Opfer. Das Bewusstsein, ein Opfer zu erbringen, lässt für jene von Herzen kommende Zuneigung keinen Raum, die aus einem derartigen Liebesdienst eine allerhöchste Freude gemacht hätte. Die Idee von Pflicht bedeutet, dass ihr wie Diener denkt und euch deshalb die mächtige Begeisterung fehlt, um euren Dienst als Freund für einen Freund zu tun. Der Impuls der Freundschaft geht über alles Pflichtbewusstsein weit hinaus, und der Dienst eines Freundes für einen Freund kann niemals ein Opfer genannt werden. Der Meister hat die Apostel gelehrt, dass sie Söhne Gottes sind. Er hat sie Brüder genannt, und jetzt, bevor er fortgeht, nennt er sie seine Freunde. ***** 180.2 Der Weinstock und die Reben ***** Darauf erhob sich Jesus wieder und fuhr fort, seine Apostel zu lehren: "Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Weinbauer. Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Und der Vater verlangt von mir nur, dass ihr viele Früchte tragt. Der Weinstock wird nur beschnitten, um die Fruchtbarkeit der Reben zu erhöhen. Jede Rebe, die aus mir kommt und keine Frucht trägt, wird der Vater entfernen. Jede Rebe, die Frucht trägt, wird der Vater reinigen, damit sie noch mehr Frucht trage. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich gesprochen habe, aber ihr müsst fortfahren rein zu sein. Ihr müsst in mir bleiben, und ich in euch; die Rebe wird sterben, wenn sie vom Weinstock getrennt wird. So wie die Rebe nur Frucht tragen kann, wenn sie auf dem Weinstock bleibt, könnt auch ihr die Früchte liebenden Dienens nur hervorbringen, wenn ihr in mir bleibt. Vergesst nicht: Ich bin der wahre Weinstock, und ihr seid die lebendigen Reben. Derjenige, der in mir lebt und ich in ihm, wird viele Früchte des Geistes tragen und die Erfahrung äußerster Freude machen, wenn er diese geistige Ernte hervorbringt. Wenn ihr diese lebendige geistige Verbindung mit mir aufrechterhaltet, werdet ihr reichlich Früchte tragen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch lebendig sind, werdet ihr fähig sein, frei mit mir zu kommunizieren, und dann kann mein lebendiger Geist euch so erfüllen, dass ihr um alles bitten könnt, was mein Geist will, und ihr könnt all dies in der Gewissheit tun, dass der Vater uns unsere Bitte erfüllen wird. Hierin ist der Vater verherrlicht: dass der Weinstock viele lebendige Reben hat und dass jede Rebe viel Frucht trägt. Und wenn die Welt diese fruchttragenden Reben sieht - meine Freunde, die einander gerade so lieben, wie ich sie geliebt habe - werden alle Menschen wissen, dass ihr wahrlich meine Jünger seid. "Wie der Vater mich geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Lebt in meiner Liebe so, wie ich in des Vaters Liebe lebe. Wenn ihr tut, wie ich euch gelehrt habe, sollt ihr in meiner Liebe bleiben gerade so, wie ich das Wort des Vaters gehalten habe und auf ewig in seiner Liebe bleibe." Die Juden hatten lange Zeit gelehrt, dass der Messias "ein Spross aus dem Weinstock" der Vorfahren Davids sein würde, und eingedenk dieser alten Lehre schmückte ein großes Symbol einer Traube und des mit ihr verbundenen Weinstocks den Eingang zum Tempel des Herodes. Die Apostel erinnerten sich an all diese Dinge, während der Meister in dieser Nacht im oberen Raum zu ihnen sprach. Aber später verursachte die falsche Auslegung der Schlussfolgerungen des Meisters, die sich auf das Gebet bezogen, großes Leid. Es hätte mit diesen Lehren kaum Schwierigkeiten gegeben, wenn man sich der genauen Worte Jesu erinnert und diese später wahrheitsgetreu aufgeschrieben hätte. Aber so wie der Bericht abgefasst war, betrachteten die Gläubigen das Gebet in Jesu Namen als eine Art höchster Magie und dachten, sie würden vom Vater alles erhalten, worum sie baten. Jahrhundertelang ist der Glaube ehrlicher Seelen immer wieder an diesem Hindernis zerbrochen. Wie lange wird die Welt der Gläubigen noch brauchen, um zu begreifen, dass das Gebet kein Mittel ist, um euren Willen zu erreichen, sondern vielmehr ein Verfahren, um Gottes Weg einzuschlagen, eine Lernerfahrung, wie man den Willen des Vaters erkennt und ausführt? Es ist vollkommen richtig, dass ihr, ist euer Wille einmal wahrhaftig auf den seinen ausgerichtet, alles verlangen könnt, was diese Willenseinheit ersinnt, und es gewährt werden wird. Eine solche Willenseinheit wird mit und durch Jesus vollzogen und lebt durch ihn, so wie das Leben des Weinstocks in die lebendigen Reben und durch sie fließt. Wenn diese lebendige Verbindung zwischen Gottheit und Menschheit existiert, die Menschheit aber gedankenlos und aus Unwissenheit für egoistisches Behagen und eitle Ziele beten sollte, dann könnte es nur eine göttliche Antwort geben: immer mehr Früchte des Geistes an den Stielen der lebendigen Reben zu tragen. Wenn Leben in der Rebe am Weinstock ist, kann es auf all ihre Bitten nur eine Antwort geben: noch mehr Trauben hervorzubringen. In der Tat existiert die Rebe allein, um Früchte zu tragen, um Trauben hervorzubringen, und kann nichts anderes tun. Ebenso existiert der wahre Gläubige allein zu dem Zweck, die Früchte des Geistes zu tragen: die Menschen zu lieben, wie er selber von Gott geliebt worden ist - sie zu lieben, wie Jesus uns geliebt hat. Und wenn der Vater seine züchtigende Hand an den Weinstock legt, geschieht es aus Liebe, damit die Reben viel Frucht tragen. Und ein weiser Weinbauer schneidet nur die toten und unfruchtbaren Reben weg. Jesus hatte große Schwierigkeiten, sogar seine Apostel zu der Erkenntnis zu bringen, dass das Gebet eine Funktion von aus dem Geist geborenen Gläubigen in dem vom Geist beherrschten Königreich ist. ***** 180.3 Die Feindschaft der Welt ***** Die Elf hatten ihre Erörterungen über die Rede vom Weinstock und von den Reben kaum beendet, als der Meister zu verstehen gab, dass er ihnen noch mehr sagen wolle, und wohl wissend, wie kurz bemessen seine Zeit war, sprach er: "Lasst euch, wenn ich euch verlassen habe, durch die Feindseligkeit der Welt nicht entmutigen. Seid nicht niedergeschlagen, auch wenn zaghafte Gläubige sich gegen euch wenden und mit den Feinden des Königreichs gemeinsame Sache machen. Wenn die Welt euch hassen sollte, dann denkt daran, dass sie mich hasste, noch bevor sie euch hasste. Wenn ihr von dieser Welt wäret, würde die Welt ihresgleichen lieben, aber weil ihr es nicht seid, weigert sich die Welt, euch zu lieben. Ihr lebt in dieser Welt, aber ihr sollt nicht auf ihre Weise leben. Ich habe euch aus dieser Welt ausgewählt, damit ihr in dieser Welt, aus der ihr gewählt worden seid, den Geist einer anderen Welt vertretet. Aber erinnert euch immer an die Worte, die ich zu euch gesprochen habe: Der Diener ist nicht größer als sein Meister. Wenn sie es wagen, mich zu verfolgen, werden sie auch euch verfolgen. Wenn meine Worte die Ungläubigen beleidigen, so werden auch eure Worte die Gottlosen beleidigen. Und all das werden sie euch antun, weil sie weder an mich noch an Ihn glauben, der mich gesandt hat; so werdet ihr vieles erleiden müssen um meines Evangeliums willen. Aber wenn ihr diese Leiden erduldet, solltet ihr euch daran erinnern, dass auch ich vor euch wegen dieses Evangeliums vom himmlischen Königreich gelitten habe. Viele von denen, die euch angreifen werden, wissen nichts vom Licht des Himmels, aber das trifft auf einige, die uns jetzt verfolgen, nicht zu. Wenn wir sie die Wahrheit nicht gelehrt hätten, könnten sie unter Umständen viele seltsame Dinge tun, ohne verurteilt zu werden, aber nun, da sie das Licht gekannt und sich angemaßt haben, es zurückzuweisen, haben sie für ihre Haltung keine Entschuldigung mehr. Wer mich hasst, hasst meinen Vater. Es kann nicht anders sein; das Licht, das, wenn angenommen, jemanden retten würde, kann ihn, wenn wissentlich abgelehnt, nur verurteilen. Und was habe ich diesen Menschen angetan, dass sie einen so schrecklichen Hass auf mich haben? Nichts, außer ihnen Bruderschaft auf Erden und Heil im Himmel angeboten zu haben. Aber habt ihr in der Schrift nicht das Wort gelesen: `Und sie hassten mich ohne Grund'? Aber ich werde euch nicht allein in der Welt lassen. Sehr bald nach meinem Weggehen werde ich euch einen geistigen Helfer senden. Ihr werdet einen bei euch haben, der meinen Platz unter euch einnehmen wird, einen, der damit fortfahren wird, euch den Weg der Wahrheit zu lehren, und der euch sogar trösten wird. Eure Herzen seien nicht beunruhigt. Ihr glaubt an Gott; fahrt fort, auch an mich zu glauben. Wenn ich euch auch verlassen muss, werde ich doch nicht fern von euch sein. Ich habe euch schon gesagt, dass es in meines Vaters Universum viele Rastplätze gibt. Wenn dies nicht wahr wäre, hätte ich nicht wiederholt von ihnen gesprochen. Ich werde jetzt in diese Welten des Lichts zurückkehren, zu diesen Stationen in des Vaters Himmel, wohin auch ihr einmal aufsteigen werdet. Von jenen Orten bin ich in diese Welt gekommen, und die Stunde ist jetzt ganz nah, da ich an die Arbeit meines Vaters auf den Sphären in der Höhe zurückkehren muss. "So wie ich euch jetzt in das himmlische Königreich des Vaters vorangehe, so werde ich dereinst mit Sicherheit nach euch senden, damit ihr mit mir an den Orten weilt, die für die sterblichen Söhne Gottes eingerichtet wurden, noch ehe es diese Welt gab. Auch wenn ich euch verlassen muss, will ich im Geist bei euch gegenwärtig sein, und schließlich werdet ihr persönlich bei mir sein, nachdem ihr in meinem Universum zu mir aufgestiegen seid, so wie ich jetzt im Begriff bin, zu meinem Vater in seinem größeren Universum aufzusteigen. Und was ich euch gesagt habe, ist wahr und ewig, auch wenn ihr es vielleicht nicht ganz versteht. Ich gehe zum Vater, und obwohl ihr mir jetzt nicht folgen könnt, werdet ihr mir mit Sicherheit in den künftigen Zeitaltern folgen." "Als Jesus sich setzte, erhob sich Thomas und sagte: "Meister, wir wissen nicht, wo du hingehst; also kennen wir natürlich den Weg nicht. Aber wir wollen dir noch in dieser Nacht folgen, wenn du uns den Weg zeigen willst." Als Jesus Thomas hörte, antwortete er: "Thomas, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand geht zum Vater, denn durch mich. Alle, die den Vater finden, finden zuerst mich. Wenn ihr mich kennt, kennt ihr auch den Weg zum Vater. Und ihr kennt mich, denn ihr habt mit mir gelebt und ihr seht mich jetzt." Aber diese Lehre war für viele der Apostel zu tief, insbesondere für Philipp, der sich erhob, nachdem er ein paar Worte mit Nathanael gewechselt hatte, und sagte: "Meister, zeige uns den Vater, und alles, was du gesagt hast, wird klar werden." Und nachdem Philipp gesprochen hatte, sagte Jesus: "Philipp, ich bin so lange mit euch zusammen gewesen, und trotzdem kennst du mich immer noch nicht? Von neuem erkläre ich: Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du dann sagen: `Zeige uns den Vater?' Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin, und der Vater in mir? Habe ich euch nicht gelehrt, dass die Worte, die ich spreche, nicht meine Worte sind, sondern die Worte des Vaters? Ich spreche für den Vater und nicht von mir aus. Ich bin in dieser Welt, um den Willen des Vaters zu tun, und das habe ich getan. Mein Vater wohnt in mir und wirkt durch mich. Glaubt mir, wenn ich sage, dass der Vater in mir ist und dass ich im Vater bin, oder glaubt mir wenigstens um des Lebens willen, das ich gelebt habe - um des Werkes willen." Als sich der Meister zur Seite begab, um sich mit etwas Wasser zu erfrischen, begannen die Elf eine temperamentvolle Diskussion über diese Unterweisung, und Petrus setzte gerade zu einer weit ausholenden Rede an, als Jesus zurückkam und ihnen bedeutete, sich zu setzen. ***** 180.4 Der versprochene Helfer ***** Jesus fuhr fort zu lehren, indem er sagte: "Wenn ich zum Vater gegangen bin, und nachdem er das Werk, das ich für euch auf Erden getan habe, voll akzeptiert hat, und nachdem ich die endgültige Souveränität über meinen eigenen Herrschaftsbereich erhalten habe, werde ich zu meinem Vater sagen: `Da ich meine Kinder allein auf der Erde zurückgelassen habe, will ich ihnen meinem Versprechen gemäß einen anderen Lehrer senden.' Und wenn der Vater sein Einverständnis dazu gibt, werde ich den Geist der Wahrheit über alle Menschen ausgießen. Schon wohnt meines Vaters Geist in euren Herzen; und wenn dieser Tag kommt, werdet ihr auch mich bei euch haben, so wie ihr jetzt den Vater habt. Diese neue Gabe ist der Geist der lebendigen Wahrheit. Die Ungläubigen werden zuerst nicht auf die Lehren dieses Geistes hören, aber die Söhne des Lichts werden ihn alle freudig und von ganzem Herzen empfangen. Ihr werdet diesen Geist erkennen, wenn er kommt, gerade so, wie ihr mich gekannt habt, und ihr werdet dieses Geschenk in euren Herzen empfangen, und er wird bei euch wohnen. Ihr seht also, dass ich euch nicht ohne Hilfe und Führung zurücklasse. Ich will euch nicht ohne Trost zurücklassen. Heute kann ich nur als Person bei euch sein. In den kommenden Zeiten aber werde ich bei euch und allen anderen Menschen sein, die meine Gegenwart wünschen, wo immer ihr sein möget, und bei jedem von euch zur selben Zeit. Erkennt ihr nicht, dass es besser ist, wenn ich fortgehe? Dass ich euch körperlich verlasse, damit ich mit euch umso besser und vollkommener im Geiste sein kann? Nur wenige Stunden noch, und die Welt wird mich nicht mehr sehen. Aber ihr werdet mich weiterhin in euren Herzen kennen, bis ich euch diesen neuen Lehrer, den Geist der Wahrheit, sende. So wie ich in Person mit euch gelebt habe, werde ich dann in euch leben und eins sein mit eurer persönlichen Erfahrung im geistigen Königreich. Und wenn das eingetroffen ist, werdet ihr mit Sicherheit wissen, dass ich im Vater bin, und dass, während euer Leben mit dem Vater in mir geborgen ist, ich auch in euch bin. Ich habe den Vater geliebt und mich an sein Wort gehalten. Ihr habt mich geliebt, und ihr werdet euch an mein Wort halten. So wie der Vater mir von seinem Geiste gegeben hat, so will auch ich euch von meinem Geiste geben. Und dieser Geist der Wahrheit, den ich über euch ausgießen will, soll euch leiten und ermutigen und euch schließlich in alle Wahrheit führen. Ich sage euch diese Dinge, während ich noch bei euch bin, damit ihr umso besser gerüstet seid, die Prüfungen durchzustehen, die jetzt auf uns zukommen. Wenn der neue Tag anbricht, wird der Sohn ebenso wie der Vater in euch wohnen. Und diese Gaben des Himmels werden auf immer gerade so miteinander wirken, wie der Vater und ich auf Erden und vor euren Augen in einer Person, der des Menschensohnes, gewirkt haben. Und dieser geistige Freund wird euch alles, was ich euch gelehrt habe, in Erinnerung rufen." Als der Meister einen Augenblick lang innehielt, wagte sich Judas Alphäus mit einer der wenigen Fragen vor, die er oder sein Bruder je vor allen anderen an Jesus gerichtet hatten. Er sagte: "Meister, du hast stets als Freund unter uns gelebt; wie werden wir dich erkennen, wenn du dich uns nicht mehr anders als durch diesen Geist offenbarst? Wenn die Welt dich nicht mehr sieht, wie können wir dann deiner sicher sein? Wie wirst du dich uns zeigen?" Jesus blickte auf sie alle herab, lächelte und sagte: "Meine kleinen Kinder, ich gehe fort, zurück zu meinem Vater. Über kurz werdet ihr mich nicht mehr, wie jetzt, in Fleisch und Blut, sehen. Nach sehr kurzer Zeit werde ich euch meinen Geist senden, der mir, von diesem materiellen Körper abgesehen, genau gleicht. Dieser neue Lehrer ist der Geist der Wahrheit, der mit jedem von euch, in euren Herzen, leben wird, und so werden alle Kinder des Lichts eins werden und sich zueinander hingezogen fühlen. Und in genau dieser Weise werden mein Vater und ich in der Seele eines jeden von euch und ebenso in den Herzen aller anderen Menschen wohnen können, die uns lieben und die diese Liebe in ihrer Erfahrung Wirklichkeit werden lassen, indem sie einander lieben, wie ich euch jetzt liebe." Judas Alphäus verstand nicht ganz, was der Meister sagte, aber er begriff, dass ein neuer Lehrer versprochen wurde, und aus dem Gesichtsausdruck von Andreas schloss er, dass seine Frage eine zufriedenstellende Antwort erhalten hatte. ***** 180.5 Der Geist der Wahrheit ***** Der neue Helfer, den Jesus in die Herzen der Gläubigen zu senden und über alle Menschen auszugießen versprach, ist der Geist der Wahrheit. Diese göttliche Gabe ist nicht der Buchstabe oder das Gesetz der Wahrheit, noch hat sie als Form oder Ausdruck der Wahrheit zu funktionieren. Der neue Lehrer ist die Überzeugung von der Wahrheit, das Bewusstsein und die Gewissheit wahrer Bedeutungen auf wirklich geistigen Ebenen. Und dieser neue Lehrer ist der Geist lebendiger und wachsender Wahrheit, sich erweiternder, entfaltender und anpassender Wahrheit. Die göttliche Wahrheit ist eine lebendige Realität, die durch den Geist wahrgenommen wird. Wahrheit existiert nur auf den hohen geistigen Ebenen des Bewusstwerdens der Göttlichkeit und der bewussten Verbindung mit Gott. Ihr könnt die Wahrheit kennen, und ihr könnt die Wahrheit leben. Ihr könnt in eurer Seele das Wachstum der Wahrheit erfahren und euch der Freiheit erfreuen, die das Licht der Wahrheit in das Denken bringt, aber ihr könnt die Wahrheit nicht in Formeln, Codes, Credos oder intellektuelle Leitbilder für menschliche Lebensführung einsperren. Wenn ihr euch daran macht, die göttliche Wahrheit menschlich zu formulieren, stirbt sie alsbald. Die posthume Rettung von gefangener Wahrheit kann auch im besten Fall nur eine besondere Form von intellektualisierter und glorifizierter Weisheit hervorbringen. Statische Wahrheit ist tote Wahrheit, und nur tote Wahrheit kann als Theorie festgehalten werden. Lebendige Wahrheit ist dynamisch und kann im menschlichen Verstand nur eine erfahrungsmäßige Existenz haben. Intelligenz erwächst aus einer materiellen Existenz, die durch die Gegenwart des kosmischen Verstandes erhellt wird. Weisheit beinhaltet bewusstes Wissen, das neue, höhere Bedeutungsebenen erreicht hat und durch die Gegenwart des universell verschenkten Hilfsgeistes der Weisheit aktiviert wird. Wahrheit ist ein Wert geistiger Realität, deren Erfahrung nur geistbegabte Wesen machen, die auf übermateriellen Ebenen universellen Bewusstseins funktionieren, und die, nachdem sie die Wahrheit erkannt haben, dem sie aktivierenden Geist erlauben, in ihrer Seele zu leben und zu herrschen. Das wahre Kind universeller Erkenntnis sucht in jedem weisen Wort nach dem lebendigen Geist der Wahrheit. Das Individuum, das Gott kennt, hebt die Weisheit ständig auf die lebendigen Wahrheitsebenen göttlichen Vollbringens empor; eine geistig stagnierende Seele zieht die lebendige Wahrheit ständig auf die toten Ebenen der Weisheit und auf den Bereich bloßen gehobenen Wissens herab. Wenn die goldene Regel der übermenschlichen Erkenntnis des Geistes der Wahrheit entbehrt, wird sie zu nichts weiter als einer hohen ethischen Lebensregel. Wenn man die goldene Regel wörtlich nimmt, kann sie für die Mitmenschen zu einem Instrument großer Kränkung werden. Ohne die geistige Schau der goldenen Weisheitsregel könntet ihr zu folgendem Schluss gelangen: Da ihr wünscht, dass alle Menschen euch in ungeschminkter Wahrheit sagen, was sie denken, solltet ihr euren Gefährten ebenfalls alles, was ihr denkt, frei heraus sagen. Eine so ungeistige Auslegung der goldenen Regel könnte unsägliches Unglück und Leid ohne Ende zur Folge haben. Einige Leute begreifen und interpretieren die goldene Regel als eine rein intellektuelle Bekräftigung menschlicher Brüderlichkeit. Andere erleben eine solche Bekundung menschlicher Beziehungen als emotionale Befriedigung der zarten Gefühle der menschlichen Persönlichkeit. Wieder ein anderer Sterblicher sieht in derselben goldenen Regel einen Maßstab, den er allen gesellschaftlichen Beziehungen anlegt, eine Norm für soziales Verhalten. Noch andere sehen in ihr eine eindeutige Aufforderung eines großen sittlichen Lehrers, der in dieser Aussage der höchsten Vorstellung von sittlicher Verpflichtung hinsichtlich aller brüderlichen Beziehungen Ausdruck gab. Im Leben von solchen sittlichen Wesen wird die goldene Regel zum weisen Mittelpunkt und Umfang ihrer gesamten Philosophie. Im Königreich der gläubigen Bruderschaft all jener, die Gott kennen und die Wahrheit lieben, nimmt diese goldene Regel lebendige Qualitäten geistiger Verwirklichung auf jenen höheren Interpretationsebenen an, die die sterblichen Söhne Gottes veranlassen, in dieser Aufforderung des Meisters den Anspruch zu sehen, sich ihren Mitmenschen gegenüber so zu verhalten, dass diesen aus dem Kontakt mit ihnen das größtmögliche Wohl erwächst. Dies ist die Essenz wahrer Religion: Liebet euren Nächsten wie euch selbst. Aber die höchste Verwirklichung und wahrste Interpretation der goldenen Regel besteht darin, dass der Geist sich der Wahrheit der dauernden und lebendigen Realität einer solch göttlichen Erklärung bewusst ist. Die wahre kosmische Bedeutung dieser Regel universaler Beziehungen tritt erst in ihrer geistigen Verwirklichung zutage, nämlich in der Interpretation der Lebensregel, die der Geist des Sohnes dem Geist des Vaters gibt, welcher der Seele des sterblichen Menschen innewohnt. Und wenn solche vom Geist geführten Sterblichen die wahre Bedeutung dieser goldenen Regel realisieren, erfüllt sie zutiefst die Gewissheit, Bürger eines freundlichen Universums zu sein, und ihre Ideale von geistiger Realität werden nur zufrieden gestellt, wenn sie ihre Nächsten so lieben, wie Jesus uns alle geliebt hat; und das ist die Realität der Verwirklichung der Liebe Gottes. Zuerst müsst ihr euch über diese Philosophie von der lebendigen Flexibilität und kosmischen Anpassungsfähigkeit der göttlichen Wahrheit an die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten eines jeden Gottessohnes klar werden, bevor ihr hoffen könnt, die Lehre des Meisters und seine Praxis der Widerstandslosigkeit gegenüber dem Bösen angemessen zu verstehen. Die Lehre des Meisters ist grundlegend eine geistige Erklärung. Nicht einmal die materiellen Implikationen seiner Philosophie können nutzbringend betrachtet werden, wenn man sie von ihren geistigen Entsprechungen loslöst. Der Geist der Aufforderung des Meisters besteht darin, dem Universum nicht mit selbstsüchtigen Reaktionen Widerstand zu leisten, und gleichzeitig energisch und fortlaufend die rechtschaffenen Ebenen der wahren Geisteswerte zu erreichen: göttliche Schönheit, unendliche Güte und ewige Wahrheit - Gott zu kennen und ihm immer mehr zu gleichen. Liebe und Selbstlosigkeit müssen im Einklang mit der Führung durch den Geist der Wahrheit einen dauernden Prozess lebendiger, sich neu anpassender Interpretation von Beziehungen durchmachen. Dabei muss es der Liebe gelingen, ihre Vorstellungen vom höchsten kosmischen Wohl für die geliebte Person dauernd zu verändern und zu erweitern. Und dann geht die Liebe weiter und nimmt dieselbe Haltung gegenüber allen anderen Individuen ein, die möglicherweise beeinflusst werden könnten durch die wachsende und lebendige Beziehung der Liebe eines vom Geist geführten Sterblichen zu anderen Bürgern des Universums. Und dieser ganze lebendige Anpassungsprozess der Liebe muss im Lichte sowohl des Umfeldes gegenwärtigen Übels als auch des ewigen Ziels der Vollkommenheit göttlicher Bestimmung vorgenommen werden. Wir müssen also klar erkennen, dass weder die goldene Regel noch die Lehre von der Widerstandslosigkeit je angemessen als Dogmen oder Vorschriften verstanden werden können. Sie können nur begriffen werden, indem man sie lebt und ihre Bedeutungen dank der lebendigen Interpretation durch den Geist der Wahrheit erfasst, der den liebenden Kontakt zwischen zwei Menschen lenkt. Und all das weist klar auf den Unterschied zwischen der alten Religion und der neuen hin. Die alte Religion lehrte die Selbstaufopferung; die neue Religion lehrt einzig Selbstvergessenheit, höhere Selbstverwirklichung in sozialem Dienen verbunden mit universellem Verstehen. Die alte Religion war motiviert durch Angstbewusstsein; das neue Evangelium vom Königreich wird beherrscht von der Wahrheitsüberzeugung, vom Geist der ewigen und universalen Wahrheit. Und kein Maß an Frömmigkeit oder Kredoergebenheit kann in der Lebenserfahrung derer, die an das Königreich glauben, die Abwesenheit jener spontanen, großherzigen und aufrichtigen Freundlichkeit ersetzen, die die geistgeborenen Söhne des lebendigen Gottes auszeichnet. Weder Tradition noch irgendein zeremonielles System förmlicher Anbetung kann den Mangel an echtem Mitgefühl für unsere Mitmenschen wettmachen. ***** 180.6 Die Notwendigkeit des Abschieds ***** Nachdem Petrus, Jakobus, Johannes und Matthäus dem Meister zahlreiche Fragen gestellt hatten, fuhr er in seiner Abschiedsrede fort und sprach: "Und ich sage euch all dies, bevor ich euch verlasse, damit ihr auf das vorbereitet seid, was euch bevorsteht, und nicht schwerem Irrtum verfallt. Die Obrigkeit wird sich nicht damit begnügen, euch aus den Synagogen auszuschließen; ich mache euch darauf aufmerksam, dass die Stunde naht, da die, welche euch töten, glauben, Gott damit einen Dienst zu erweisen. Und all das werden sie euch und denen antun, die ihr ins Königreich des Himmels führt, weil sie den Vater nicht kennen. Sie haben sich geweigert, den Vater zu kennen, als sie sich geweigert haben, mich anzunehmen; und sie weigern sich, mich anzunehmen, wenn sie euch ablehnen, vorausgesetzt, ihr habt mein neues Gebot gehalten, einander so zu lieben, wie ich euch geliebt habe. Ich sage euch diese Dinge im Voraus, damit ihr, wenn eure Stunde kommt, so wie die meine jetzt gekommen ist, durch das Wissen gestärkt werdet, dass mir alles bekannt war und dass mein Geist in allem, was ihr um meinet- und um des Evangeliums willen erleidet, bei euch sein wird. Aus diesem Grunde habe ich mit euch von Anfang an so offen geredet. Ich habe euch sogar gewarnt, dass jemand unter Umständen seine eigenen Angehörigen zu Feinden haben wird. Obwohl das Evangelium vom Königreich der Seele des einzelnen Gläubigen immer Frieden bringt, wird es solange keinen Frieden auf Erden bringen, als die Menschen nicht gewillt sind, von ganzem Herzen an meine Lehre zu glauben und die Ausführung des väterlichen Willens zur allerersten Aufgabe ihres täglichen Lebens als Sterbliche zu machen. Nun, da ich euch verlasse, weil die Stunde gekommen ist, in der ich mich zum Vater aufmache, überrascht es mich, dass mich keiner von euch gefragt hat `Warum verlässt du uns?' Trotzdem weiß ich, dass ihr euch insgeheim solche Fragen stellt. Ich will mit euch offen wie ein Freund zu Freunden sprechen. Es ist wirklich nützlich für euch, dass ich fortgehe. Wenn ich nicht gehe, kann der neue Lehrer nicht in eure Herzen kommen. Ich muss zuerst diesen sterblichen Körper ablegen und wieder meinen Platz im Himmel einnehmen, bevor ich diesen geistigen Lehrer senden kann, damit er in eurer Seele lebe und euren Geist in die Wahrheit führe. Und wenn mein Geist in euch Wohnung nimmt, wird er den Unterschied zwischen Sünde und Rechtschaffenheit klar beleuchten und euch befähigen, beide in eurem Herzen weise abzuwägen. Ich habe euch noch vieles zu sagen, aber ihr könnt im Augenblick nicht noch mehr aufnehmen. Wenn indessen der Geist der Wahrheit kommt, wird er euch schließlich in alle Wahrheit führen, während ihr die vielen Aufenthaltsorte in meines Vaters Universum durchlauft. Dieser Geist wird nicht aus sich selber heraus sprechen, aber er wird euch das eröffnen, was der Vater dem Sohn offenbart hat, und er wird euch sogar Dinge zeigen, die kommen werden; er wird mich verherrlichen, so wie ich meinen Vater verherrlicht habe. Dieser Geist kommt aus mir, und er wird euch meine Wahrheit offenbaren. Alles, worüber der Vater in diesem Bereich gebietet, gehört jetzt mir; deshalb sagte ich, dass dieser neue Lehrer aus dem Meinigen schöpfen und es euch offenbaren wird. Noch eine kleine Weile, und ich werde euch für kurze Zeit verlassen. Wenn ihr mich danach wieder seht, werde ich mich bereits auf dem Weg zum Vater befinden, so dass ihr mich auch dann nicht lange sehen werdet." Während er einen Augenblick innehielt, begannen die Apostel miteinander zu reden: "Was sagt er uns da? `Noch eine kleine Weile, und ich werde euch verlassen', und `wenn ihr mich wieder seht, wird es nicht für lange sein, denn ich werde auf dem Weg zu meinem Vater sein.' Was mag er nur meinen mit `eine kleine Weile' und `nicht für lange'? Wir können nicht verstehen, was er uns sagt." Und da Jesus wusste, dass sie sich diese Fragen stellten, sagte er: "Fragt ihr einander, was ich meinte, als ich sagte, nach einer kleinen Weile werde ich nicht mehr bei euch sein und dass ich mich, wenn ihr mich wieder sehen werdet, bereits auf dem Weg zum Vater befinde? Ich habe euch klar gesagt, dass der Menschensohn sterben muss, aber dass er wieder auferstehen wird. Könnt ihr denn den Sinn meiner Worte nicht erkennen? Ihr werdet zuerst sehr betrübt sein, aber später werdet ihr euch mit den vielen freuen, die diese Dinge verstehen werden, nachdem sie sich ereignet haben. Eine Frau leidet fürwahr während der Geburtswehen, aber wenn sie einmal von ihrem Kind entbunden ist, vergisst sie ihren Schmerz augenblicklich im freudigen Bewusstsein, dass ein Mensch in die Welt hineingeboren worden ist. Und gerade so werdet ihr bald über meinen Weggang trauern, aber ich werde euch bald wieder sehen, und dann wird sich euer Schmerz in Freude verwandeln, und eine neue Offenbarung des Heils Gottes wird zu euch kommen, die niemand euch je wegnehmen kann. Und alle Welten werden gesegnet sein in dieser selben Offenbarung des Lebens durch die Überwindung des Todes. Bis heute habt ihr all eure Bitten in meines Vaters Namen getan. Nachdem ihr mich wieder gesehen habt, könnt ihr auch in meinem Namen bitten, und ich werde euch hören. Hier auf Erden habe ich euch in Sprichwörtern unterrichtet und zu euch in Gleichnissen geredet. Das tat ich, weil ihr im Geistigen bloß Kinder wart; aber die Zeit kommt, da ich zu euch klar und deutlich über den Vater und sein Königreich reden werde. Und ich werde das tun, weil der Vater euch liebt und euch vollkommener offenbart werden möchte. Die sterblichen Menschen können den Geist-Vater nicht sehen; deshalb bin ich in die Welt gekommen, um euren Geschöpfesaugen den Vater zu zeigen. Aber dereinst, wenn ihr durch geistiges Wachstum vollkommen geworden seid, sollt ihr den Vater selber sehen." Als die Elf ihn so hatten sprechen hören, sagten sie zueinander: "Fürwahr, er spricht wirklich klar zu uns. Bestimmt ist der Meister von Gott hergekommen. Aber warum sagt er, er müsse zum Vater zurückkehren?" Und Jesus sah, dass sie ihn auch jetzt noch nicht verstanden hatten. Diese elf Männer konnten von ihren lange genährten Ideen, von der jüdischen Vorstellung vom Messias, nicht loskommen. Je unbedingter sie an Jesus als an den Messias glaubten, desto störender wurden diese tief eingewurzelten Vorstellungen von einem glorreichen materiellen Triumph des Königreichs auf Erden. ****** Kapitel 181 Letzte Ermahnungen und Warnungen ****** NACHDEM er die Abschiedsansprache an die Elf beendet hatte, unterhielt sich Jesus zwanglos mit ihnen und erzählte manche Erlebnisse, die sie als Einzelne oder als Gruppe betrafen. Endlich begann es diesen Galiläern zu dämmern, dass ihr Freund und Lehrer dabei war, sie zu verlassen, und ihre Hoffnung klammerte sich an das Versprechen, dass er nach einer kleinen Weile wieder bei ihnen sein werde. Aber sie neigten dazu zu vergessen, dass auch diese Rückkehr nur von kurzer Dauer sein würde. Manche der Apostel und die führenden Jünger nahmen tatsächlich dieses Versprechen, für kurze Zeit zurückzukehren (die kurze Zeitspanne zwischen Auferstehung und Himmelfahrt), als einen Hinweis darauf, dass sich Jesus nur zu einer kurzen Unterredung mit seinem Vater fortbegab, wonach er zurückkehren und das Königreich errichten würde. Und eine solche Auslegung seiner Worte deckte sich sowohl mit ihren vorgefassten Meinungen als auch mit ihren glühenden Hoffnungen. Da das, woran sie ein Leben lang geglaubt hatten, und ihre Hoffnung auf Wunscherfüllung derart übereinstimmten, fiel es ihnen nicht schwer, für die Worte des Meisters eine Auslegung zu finden, die ihrem heißen Sehnen gerecht wurde. Nachdem die Apostel die Abschiedsrede besprochen hatten und sich diese in ihre Gemüter zu senken begonnen hatte, rief Jesus sie erneut zur Ordnung und begann, seine letzten Mahnungen und Warnungen an sie zu richten. ***** 181.1 Letzte Worte des Trostes ***** Als sich die Elf gesetzt hatten, erhob sich Jesus und sprach zu ihnen: "Solange ich in Menschengestalt unter euch weile, kann ich nur als ein Einzelner in eurer Mitte oder in der ganzen Welt sein. Aber bin ich erst einmal von dieser vergänglichen Hülle befreit, werde ich als geistiger Bewohner eines jeden von euch und aller anderen, die an dieses Evangelium vom Königreich glauben, zurückkehren können. Auf diese Weise wird der Menschensohn in den Seelen aller wahren Gläubigen eine geistige Inkarnation werden. Wenn ich zurückgekehrt bin, um in euch zu leben und durch euch zu wirken, kann ich euch umso besser durch dieses Leben leiten und euch im kommenden Leben durch die vielen Wohnstätten im Himmel der Himmel führen. Das Leben in des Vaters ewiger Schöpfung ist kein endloses Rasten in Müßiggang und egoistischem Behagen, sondern vielmehr ein unaufhörliches Fortschreiten in Gnade, Wahrheit und Herrlichkeit. Jede der vielen, vielen Stationen in meines Vaters Haus ist ein Halteplatz, ein Leben, das dazu bestimmt ist, euch auf das nächstfolgende vorzubereiten. Und so werden die Kinder des Lichts von Herrlichkeit zu Herrlichkeit vorangehen, bis sie den göttlichen Zustand erreichen, in dem sie geistig vollkommen geworden sind, wie der Vater in allen Dingen vollkommen ist. Wenn ihr mir nachfolgen wollt, nachdem ich euch verlassen habe, dann bemüht euch sehr ernstlich, in Übereinstimmung mit dem Geist meiner Lehren und mit dem Ideal meines Daseins zu leben - den Willen des Vaters zu tun. Tut das, anstatt zu versuchen, mein natürliches Leben in Menschengestalt nachzuahmen, wie es auf dieser Erde zu leben zwangsläufig von mir verlangt worden ist. Der Vater hat mich in diese Welt gesandt, aber nur wenige von euch haben sich entschlossen, mich ganz anzunehmen. Ich werde meinen Geist über alle Menschen ausgießen, aber nicht alle werden diesen neuen Lehrer als Führer und Tröster der Seele annehmen. Jedoch sollen all die, die ihn wirklich annehmen, erleuchtet, geläutert und getröstet werden. Und dieser Geist der Wahrheit wird in ihnen zu einem Quell lebendigen Wassers werden, der ins ewige Leben emporsprudelt. Und jetzt, im Begriff, von euch zu scheiden, möchte ich euch tröstende Worte sagen. Meinen Frieden lasse ich euch - meinen Frieden gebe ich euch. Ich mache euch diese Geschenke nicht nach Art der Welt - portionenweise; ich gebe jedem von euch alles, was er empfangen will. Euer Herz soll sich weder beunruhigen noch fürchten. Ich habe die Welt überwunden, und in mir sollt ihr alle durch den Glauben triumphieren. Ich habe euch vorgewarnt, dass der Menschensohn getötet werden wird, aber ich versichere euch, dass ich zurückkomme, bevor ich zum Vater gehe, auch wenn es nur für kurze Zeit sein wird. Und nachdem ich zum Vater aufgestiegen bin, werde ich euch mit Sicherheit den neuen Lehrer senden, damit er bei euch sei und in euren Herzen wohne. Und wenn ihr all diese Dinge sich ereignen seht, dann erschreckt nicht, sondern glaubt vielmehr, denn ihr habt alles bereits im Vorhinein gewusst. Ich habe euch mit großer Zuneigung geliebt, und ich würde euch lieber nicht verlassen; aber es ist der Wille des Vaters. Meine Stunde ist gekommen. Zweifelt an keiner dieser Wahrheiten, auch dann nicht, wenn euch Verfolgung in der Fremde zerstreut und viele Leiden euch bedrücken werden. Wenn ihr fühlt, dass ihr in der Welt allein seid, werde ich um eure Einsamkeit wissen, so wie ihr um die meine wissen werdet, wenn ihr, zersprengt und jeder an einem anderen Ort, den Menschensohn in den Händen seiner Feinde lasst. Aber ich bin nie allein; immer ist der Vater bei mir. Sogar unter solchen Umständen werde ich für euch beten. Und all diese Dinge habe ich euch gesagt, damit ihr Frieden habt und ihn immer reichlicher habt. In dieser Welt werdet ihr viel Drangsal erleiden, aber seid guten Mutes; ich habe in der Welt triumphiert und euch den Weg zur ewigen Freude und zu immerwährendem Dienst gewiesen." Jesus gibt seinen Gefährten, die den Willen Gottes tun, Frieden, aber nicht einen Frieden von der Art der Freuden und Befriedigungen dieser materiellen Welt. Ungläubige Materialisten und Fatalisten können nur zwei Arten von Frieden und Seelentrost erhoffen: Entweder müssen sie Stoiker sein, unerschütterlich entschlossen, dem Unvermeidlichen ins Auge zu blicken und das Schlimmste zu ertragen, oder sie müssen Optimisten sein und sich immer wieder der Hoffnung hingeben, die ewig in der Menschenbrust aufkeimt. Aber sie werden sich vergebens nach einem Frieden sehnen, der nie wirklich kommt. Eine gewisse Portion an Stoizismus und Optimismus sind bei der Bewältigung des Lebens auf Erden hilfreich, aber alle beide haben gar nichts mit jenem wunderbaren Frieden zu tun, den der Sohn Gottes seinen Menschenbrüdern schenkt. Der Friede, den Michael seinen Kindern auf Erden gibt, ist derselbe Friede, der seine eigene Seele erfüllte, als er selber sein Dasein als Sterblicher auf ebendieser Welt lebte. Jesu Friede ist die Freude und Befriedigung einer Person, die Gott kennt und den Triumph errungen hat, vollkommen gelernt zu haben, wie man den Willen Gottes tut, während man das Leben eines Sterblichen lebt. Der Friede in Jesu Gemüt gründete auf einem absoluten menschlichen Glauben an die Wirklichkeit der weisen und teilnahmsvollen Fürsorge des göttlichen Vaters. Jesus kannte Schwierigkeiten auf Erden, er ist sogar fälschlicherweise "Schmerzensmann" genannt worden, aber bei all seinen Erfahrungen erfüllte ihn jenes stärkende Vertrauen, das ihn stets dazu befähigte, an seiner Lebensaufgabe in der vollen Gewissheit weiterzuwirken, den Willen seines Vaters auszuführen. Jesus war entschlossen und ausdauernd und widmete sich vollkommen der Erfüllung seiner Sendung, aber er war kein gefühlloser und verhärteter Stoiker; stets suchte er die heiteren Seiten seiner Lebenserfahrungen, aber er war kein blinder, sich selbst täuschender Optimist. Der Meister wusste um alles, was ihm widerfahren sollte, doch er war unerschrocken. Nachdem er diesen Frieden jedem seiner Anhänger geschenkt hatte, konnte er folgerichtig sagen: "Euer Herz soll sich weder beunruhigen noch fürchten!" Jesu Friede ist also der Friede und die Gewissheit eines Sohnes, der unbedingt glaubt, dass sein Werdegang in der Zeit und in der Ewigkeit sicher und gänzlich in der Obhut und Fürsorge eines allweisen, allliebenden und allmächtigen Geistvaters ruht. Und dies ist in der Tat ein Friede, der die Fassungskraft des menschlichen Verstandes übersteigt, aber dessen sich ein glaubendes menschliches Herz uneingeschränkt erfreuen kann. ***** 181.2 Persönliche Ermahnungen zum Abschied ***** Der Meister war ans Ende seiner Abschiedsanweisungen und letzten Ermahnungen an die Apostel als Gruppe gelangt. Jetzt schickte er sich an, individuell Abschied zu nehmen und jedem einen persönlichen Rat zusammen mit dem Abschiedssegen mitzugeben. Die Apostel saßen immer noch um den Tisch herum wie am Anfang, als sie sich zum letzten Abendmahl niedergelassen hatten, und während nun der Meister, von einem zum anderen weitergehend, die Runde um den Tisch machte, erhob sich jeder, sobald Jesus sich an ihn wandte. Zu Johannes sagte Jesus: "Du, Johannes, bist der jüngste meiner Brüder. Du bist mir sehr nahe gewesen, und obwohl ich euch alle mit derselben Liebe, die ein Vater seinen Söhnen schenkt, liebe, hat Andreas dich zu einem von den dreien bestimmt, die immer in meiner Nähe sein sollten. Überdies hast du in vielen meine irdische Familie betreffenden Angelegenheiten an meiner Stelle gehandelt, und du musst damit fortfahren. Johannes, ich gehe zum Vater im vollen Vertrauen dar-auf, dass du auf Erden weiterhin über die Meinen wachst. Sieh zu, dass dich ihre gegenwärtige Verwirrung über meine Sendung in keiner Weise daran hindert, ihnen alle Anteilnahme, Hilfe und Ratschläge zu gewähren, wie ich, wie du wohl weißt, es täte, wenn ich auf Erden bleiben müsste. Und wenn sie alle dahin gelangen, das Licht zu sehen und vollends in das Königreich einzutreten und ihr sie dann alle freudig begrüßt, verlasse ich mich auf dich, Johannes, dass du sie in meinem Namen willkommen heißen wirst. Und bleibe du nun, da für mich die letzten Stunden meines irdischen Lebensweges anbrechen, immer in meiner Nähe, damit ich dir eine etwaige Botschaft an meine Familie geben kann. Was das Werk betrifft, das der Vater in meine Hände gelegt hat, so ist es jetzt beendet bis auf meinen leiblichenTod, und ich bin bereit, diesen letzten Kelch zu trinken. Was dagegen die Verantwortung anbelangt, die mein irdischer Vater Joseph mir hinterlassen hat, so habe ich sie zeit meines Lebens wahrgenommen, muss mich jetzt aber auf dich verlassen, dass du in all diesen Angelegenheiten an meiner Statt handelst. Und dich, Johannes, habe ich gewählt, dies für mich zu tun, weil du der Jüngste bist und deshalb höchstwahrscheinlich die anderen Apostel überleben wirst. Dich und deinen Bruder haben wir einmal Söhne des Donners genannt. Ganz zu Beginn unserer Zusammenarbeit warst du streng gesinnt und unduldsam, aber du hast dich sehr verändert seit dem Tage, an dem du wolltest, dass ich Feuer auf die Köpfe von unwissenden und gedankenlosen Ungläubigen herab rufe. Und du musst dich noch mehr verändern. Du solltest der Apostel des neuen Gebotes werden, das ich euch heute Abend gegeben habe. Weihe dein Leben der Aufgabe, deine Brüder zu lehren, einander zu lieben, wie ich euch geliebt habe." Während Johannes Zebedäus im oberen Raum so dastand und ihm die Tränen über die Wangen rollten, blickte er dem Meister ins Gesicht und sagte: "Das will ich, mein Meister, aber wie kann ich lernen, meine Brüder mehr zu lieben?" Da antwortete Jesus: "Du wirst lernen, deine Brüder mehr zu lieben, wenn du zuerst lernst, ihren Vater im Himmel mehr zu lieben, und wenn dein Interesse an ihrem zeitlichen und ewigen Wohlergehen wahrhaftig gewachsen ist. Alles derartige menschliche Interesse wird genährt durch verstehendes Mitgefühl, selbstloses Dienen und uneingeschränktes Vergeben. Niemand sollte dich wegen deiner Jugend verachten, aber ich ermahne dich immer, die Tatsache gebührend zu beachten, dass das Alter oft Erfahrung verkörpert und dass nichts in menschlichen Angelegenheiten tatsächliche Erfahrung ersetzen kann. Bemühe dich, mit allen Menschen und insbesondere mit deinen Freunden in der Bruderschaft des himmlischen Königreichs in Frieden zu leben. Und denke immer daran, Johannes, kämpfe nicht mit den Seelen, die du für das Königreich gewinnen möchtest." Dann ging der Meister um seinen eigenen Sitz herum und hielt einen Augenblick neben dem Platz von Judas Iskariot an. Die Apostel waren ziemlich erstaunt, dass Judas bis jetzt nicht zurückgekehrt war, und sie waren sehr neugierig, die Bedeutung von Jesu traurigem Gesichtsausdruck zu erfahren, als er neben dem leeren Platz des Verräters stand. Aber keiner von ihnen, vielleicht von Andreas abgesehen, dachte im Entferntesten daran, dass ihr Schatzmeister hinausgegangen war, um seinen Meister zu verraten, wie Jesus es ihnen früher am Abend und während des Mahls zu verstehen gegeben hatte. So vieles war seither geschehen, dass ihnen zu dieser Stunde die Ankündigung des Meisters, einer von ihnen werde ihn verraten, völlig entfallen war. Jesus ging nun weiter zu Simon Zelotes, der sich erhob und die folgende Mahnung anhörte: "Du bist ein wahrer Sohn Abrahams, aber welche Mühe hat mich der Versuch gekostet, aus dir einen Sohn des himmlischen Königreichs zu machen! Ich liebe dich, und auch alle deine Brüder lieben dich. Ich weiß, dass du mich liebst, Simon, und dass du auch das Königreich liebst, aber du bist immer noch darauf aus, das Königreich nach deinem eigenen Geschmack herbeizuführen. Ich weiß sehr gut, dass du schließlich die geistige Natur und Bedeutung meines Evangeliums erfassen und bei seiner Verkündigung Tapferes leisten wirst, aber ich bin bekümmert bei dem Gedanken an das, was dir widerfahren könnte, wenn ich weggehe. Ich würde mich freuen zu wissen, dass du nicht wankst; es würde mich glücklich machen, wenn ich wissen könnte, dass du nicht aufhörst, mein Apostel zu sein, nachdem ich zum Vater gegangen bin, und dass du dich als Botschafter des himmlischen Königreichs annehmbar verhältst. Kaum hatte Jesus aufgehört, zu Simon Zelotes zu sprechen, als der feurige Patriot, sich die Augen trocknend, erwiderte: "Meister, habe hinsichtlich meiner Treue keine Befürchtungen. Ich habe allem den Rücken gekehrt, um mein Leben für die Errichtung deines Königreichs auf Erden hinzugeben, und ich werde nicht wanken. Ich habe bisher alle Enttäuschungen überstanden, und ich werde dich nicht verlassen." Da legte Jesus seine Hand auf Simons Schulter und sagte: "Es ist allerdings wohltuend, dich so sprechen zu hören, besonders in einem Augenblick wie diesem; aber, mein guter Freund, du weißt noch nicht, wovon du sprichst: Nicht einen Augenblick lang würde ich an deiner Treue, an deiner Hingabe zweifeln; ich weiß, du würdest nicht zögern, dich in eine Schlacht zu werfen und für mich zu sterben, wie alle anderen hier es ebenfalls tun würden" (und sie stimmten alle mit energischem Kopfnicken zu), "aber das wird nicht von dir verlangt werden. Ich habe euch immer wieder gesagt, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist und dass meine Jünger nicht kämpfen werden, um es zu errichten. Ich habe dir das viele Male gesagt, Simon, aber du weigerst dich, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Ich mache mir keine Sorgen über deine Treue zu mir und zum Königreich, aber was wirst du tun, wenn ich weggehe und du endlich zur Einsicht erwachst, dass du den Sinn meiner Lehre nicht erfasst hast und dass du deine irrigen Auffassungen der Realität einer anderen und geistigen Ordnung der Dinge im Königreich anpassen musst?" Simon wollte weiter sprechen, aber Jesus erhob seine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten, und fuhr fort: "Keiner meiner Apostel ist aufrichtigeren und ehrlicheren Herzens als du, aber keiner von ihnen wird nach meinem Weggang so fassungslos und entmutigt sein wie du. In all deiner Mutlosigkeit wird mein Geist bei dir sein, und diese deine Brüder werden dich nicht verlassen. Vergiss nicht, was ich dich gelehrt habe über die Beziehung zwischen der Staatsbürgerschaft auf Erden und der Sohnschaft in des Vaters geistigem Königreich. Überdenke alles gut, was ich dir darüber gesagt habe, dass man dem Kaiser geben soll, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Simon, sei mit deinem Leben ein Beispiel dafür, wie ein sterblicher Mensch zufriedenstellend meine Aufforderung erfüllen kann, zugleich seiner zeitlichen Pflicht gegenüber der zivilen Gewalt und seinem geistigen Dienst in der Bruderschaft des Königreichs gerecht zu werden. Wenn du dem Geist der Wahrheit erlaubst, dich zu lehren, wird es nie einen Konflikt zwischen den Anforderungen der Staatsbürgerschaft auf Erden und der Sohnschaft im Himmel geben, es sei denn, die weltlichen Herrscher maßten sich an, von dir die Huldigung und Anbetung zu verlangen, die einzig Gott zukommt. Und dann, Simon, wenn du all das endlich einsiehst, wenn du deine Depression abgeschüttelt und dich aufgemacht haben wirst, das Evangelium mit großer Macht zu verkündigen, dann vergiss nie, dass ich immer, auch während der ganzen Phase deiner Niedergeschlagenheit, bei dir war, und dass ich bis zu allerletzt bei dir sein werde. Du wirst immer mein Apostel sein, und wenn du einmal bereit bist, mit den Augen des Geistes zu sehen und deinen Willen stärker dem Willen des Vaters im Himmel unterzuordnen, wirst du an deine Arbeit als mein Botschafter zurückkehren, und niemand soll die Vollmacht, mit der ich dich ausgestattet habe, von dir nehmen, weil du so lange brauchtest, um die Wahrheiten zu verstehen, die ich euch gelehrt habe. Und so warne ich dich noch einmal, Simon, dass die, die mit dem Schwert kämpfen, durch das Schwert umkommen werden, während die, die im Geiste arbeiten, das ewige Leben im kommenden Königreich sowie Freude und Frieden im gegenwärtigen Königreich erhalten werden. Und wenn das deinen Händen anvertraute Werk auf Erden beendet ist, sollst du dich, Simon, mit mir in meinem jenseitigen Königreich niederlassen. Du sollst das Königreich, nach dem du dich gesehnt hast, wirklich sehen, aber nicht in diesem Leben. Fahre fort, an mich zu glauben und an das, was ich euch offenbart habe, und du sollst das Geschenk des ewigen Lebens erhalten." Als Jesus das Gespräch mit Simon Zelotes beendet hatte, ging er zu Matthäus Levi weiter und sprach: "Es ist nicht länger deine Aufgabe, Mittel für die Kasse der apostolischen Gruppe zu beschaffen. Bald, sehr bald, werdet ihr alle überallhin verstreut werden; die tröstende und stützende Verbindung mit auch nur einem einzigen eurer Brüder wird euch verwehrt sein. Unterwegs, während ihr dieses Evangelium vom Königreich predigt, werdet ihr selber nach neuen Mitarbeitern Ausschau halten müssen. Ich habe euch während der Ausbildungszeit immer zu zweit ausgeschickt, aber jetzt, da ich euch verlasse, und wenn ihr euch vom Schock erholt habt, werdet ihr allein losziehen müssen, bis ans Ende der Welt, um die gute Nachricht zu verkünden, dass die Sterblichen, die der Glaube lebendig macht, die Söhne Gottes sind." Da sprach Matthäus: "Aber, Meister, wer wird uns aussenden, und wie werden wir erfahren, wohin wir gehen sollen? Wird Andreas uns den Weg weisen?" Und Jesus antwortete: "Nein, Levi, Andreas wird euch bei der Verkündigung des Evangeliums nicht mehr anweisen. Er wird allerdings weiterhin euer Freund und Ratgeber sein bis zu dem Tag, an dem der neue Lehrer kommt, und dann wird der Geist der Wahrheit jeden von euch außer Landes führen, damit er an der Ausbreitung des Königreichs arbeite. Viele Veränderungen sind in dir geschehen seit jenem Tag beim Zollhaus, als du aufbrachst, um mir zu folgen; aber noch viele weitere müssen geschehen, bevor du dir eine Bruderschaft vorstellen kannst, in der Nichtjuden Seite an Seite mit Juden brüderlich zusammensitzen. Aber fahre nur fort in deinem Drang, deine jüdischen Brüder zu gewinnen, bis du völlig zufrieden bist, und dann wende dich mit Macht den Nichtjuden zu. Einer Sache darfst du ganz gewiss sein, Levi: du hast das Vertrauen und die Zuneigung deiner Brüder gewonnen; sie lieben dich alle." (Und alle zehn gaben ihre Zustimmung zu den Worten des Meisters zu verstehen.) "Levi, ich weiß viel über deine Ängste, Opfer und Mühen, um für eine volle Kasse zu sorgen, von denen deine Brüder nichts wissen, und ich bin glücklich, dass, obwohl derjenige, der den Geldbeutel trug, abwesend ist, der Zöllner-Botschafter an meinem Abschiedstreffen mit den Sendboten des Königreichs zugegen ist. Ich bete darum, du mögest die Bedeutung meiner Unterweisung mit den Augen des Geistes erkennen. Und wenn der neue Lehrer in dein Herz einzieht, dann vertraue dich seiner Führung an, und lasse deine Brüder - und sogar die ganze Welt - sehen, was der Vater für einen verhassten Steuereintreiber tun kann, der den Mut hatte, dem Menschensohn zu folgen und an das Evangelium vom Königreich zu glauben. Levi, von Anfang an habe ich dich geliebt wie diese anderen Galiläer. Da du demnach sehr gut weißt, dass das Ansehen der Person weder für den Vater noch für den Sohn zählt, sieh zu, dass auch du keine derartigen Unterschiede zwischen denen machst, die durch dein Amt zum Glauben an das Evangelium gelangen. Und so widme du, Matthäus, dein ganzes künftiges Lebenswerk der Aufgabe, allen Menschen zu zeigen, dass Gott kein Ansehen der Person kennt; dass vor Gott und in der Bruderschaft des Königreichs alle Menschen gleich sind und alle Gläubigen die Söhne Gottes." Dann ging Jesus weiter zu Jakobus Zebedäus, der schweigend dastand, als sich der Meister mit diesen Worten an ihn wandte: "Jakobus, als du und dein jüngerer Bruder einmal zu mir kamt und um Bevorzugung bei der Ehrenvergabe im Königreich batet und ich euch sagte, dass es nur dem Vater zustehe, solche Ehren zu vergeben, fragte ich euch, ob ihr fähig wäret, meinen Kelch zu trinken, und beide habt ihr bejahend geantwortet. Auch wenn ihr damals dazu nicht fähig wart, und auch wenn ihr jetzt dazu nicht fähig seid, so werdet ihr doch bald auf einen solchen Dienst vorbereitet sein durch die Erfahrung, die ihr in Kürze durchmachen müsst. Dein Verhalten hat deine Brüder damals aufgebracht. Sollten sie dir noch nicht ganz vergeben haben, so werden sie es tun, wenn sie sehen, dass du meinen Kelch trinkst. Mag dein Dienen von langer oder kurzer Dauer sein, fasse deine Seele in Geduld. Wenn der neue Lehrer kommt, lasse ihn dich das Gleichgewicht bei allem Mitgefühl und jene verständnisvolle Toleranz lehren, die aus dem sublimen Vertrauen in mich und aus der vollkommenen Unterwerfung unter den Willen des Vaters hervorgehen. Widme dein Leben der Demonstration einer solchen Verbindung menschlichen Mitfühlens mit der göttlichen Würde eines Jüngers, der Gott kennt und an den Sohn glaubt. Und alle, die so leben, werden das Evangelium sogar durch die Art und Weise ihres Sterbens offenbaren. Du und dein Bruder Johannes werdet verschiedene Wege gehen, und einer von euch wird sich möglicherweise lange vor dem anderen in dem ewigen Königreich zu mir setzen. Es würde euch viel helfen, wenn ihr lernen würdet, dass wahre Weisheit ebenso sehr Besonnenheit wie Mut umfasst. Ihr solltet lernen, euer Draufgängertum mit Klugheit zu verbinden. Es werden solch allerhöchste Augenblicke kommen, in denen meine Jünger nicht zögern werden, ihr Leben für das Evangelium hinzugeben, aber unter gewöhnlichen Umständen wäre es weit besser, den Zorn der Ungläubigen zu besänftigen, damit ihr am Leben bleiben und fortfahren könnt, die frohe Botschaft zu predigen. Soweit es in eurer Macht liegt, lebt lange auf Erden, damit euer langes Leben fruchtbar sei an Seelen, die für das himmlische Königreich gewonnen werden." Nachdem der Meister seine Worte an Jakobus Zebedäus beendet hatte, schritt er um den Tisch herum an das Ende, wo Andreas saß. Er schaute seinem getreuen Helfer in die Augen und sagte: "Andreas, als amtierendes Haupt der Botschafter des himmlischen Königreichs hast du mich treu vertreten. Obwohl du manchmal gezweifelt und zu anderen Zeiten gefährliche Ängstlichkeit gezeigt hast, warst du doch immer sehr gerecht und außerordentlich fair im Umgang mit deinen Mitarbeitern. Seit deiner und deiner Brüder Weihe als Botschafter des Königreichs hast du in allen Verwaltungsangelegenheiten der Gruppe selbständig entschieden, außer dass ich dich zum stellvertretenden Leiter dieser Berufenen bestimmt habe. In keiner anderen zeitlichen Angelegenheit habe ich irgendetwas getan, um deine Entscheidungen zu steuern oder zu beeinflussen. Und ich handelte so, damit bei allen euren späteren Gruppenberatungen für Führung gesorgt sei. In meinem Universum und in meines Vaters Universum der Universen werden unsere Brüder-Söhne in all ihren geistigen Beziehungen als Individuen behandelt, aber für alle Gruppenbeziehungen sehen wir unfehlbar eine klare Führung vor. Unser Königreich ist ein Reich der Ordnung, und wo zwei oder mehr Willensgeschöpfe zusammenarbeiten, ist immer die Autorität einer Führung vorgesehen. Und nun, Andreas, da du aufgrund meiner Ernennung der Vorgesetzte deiner Brüder bist und in dieser Eigenschaft als mein persönlicher Stellvertreter gedient hast, und da ich mich anschicke, von euch fort zu meinem Vater zu gehen, entlasse ich dich aus aller Verantwortung bezüglich dieser zeitlichen und administrativen Angelegenheiten. Von jetzt an hast du über deine Brüder kein Recht mehr außer dem, welches du dir als geistiger Führer erworben hast und das deine Brüder aus freien Stücken anerkennen. Von dieser Stunde an hast du keine Vollmacht mehr über deine Brüder, es sei denn, sie stellten deine Autorität durch einen förmlichen Beschluss wieder her, nachdem ich zum Vater gegangen bin. Aber diese Entbindung von der Verantwortung als administratives Haupt der Gruppe vermindert in keiner Weise deine moralische Verantwortung, alles in deiner Macht Stehende zu tun, um deine Brüder mit fester und liebevoller Hand zusammenzuhalten während der unmittelbar bevorstehenden Zeit der Prüfung, während jener Tage, die verstreichen müssen zwischen meinem Abschied vom Leben in Menschengestalt und der Aussendung des neuen Lehrers, der in euren Herzen leben und euch schließlich in alle Wahrheit führen wird. Jetzt da ich mich bereitmache, euch zu verlassen, möchte ich dich von aller administrativen Verantwortung befreien, die mit meiner Anwesenheit unter euch begann und daraus ihre Autorität bezog. Fortan werde ich über euch und unter euch nur geistige Autorität ausüben. Wenn deine Brüder dich als ihren Ratgeber behalten möchten, so weise ich dich an, in allen zeitlichen und geistigen Dingen dein Äußerstes zu tun, um unter den verschiedenen Gruppen von aufrichtigen Evangeliumsgläubigen Frieden und Harmonie zu fördern. Widme den Rest deines Lebens der Förderung der praktischen Aspekte brüderlicher Liebe unter deinen Brüdern. Sei freundlich zu meinen leiblichen Brüdern, wenn sie dahin gelangen, ganz an das Evangelium zu glauben; erweise den Griechen im Westen und Abner im Osten liebevolle und unvoreingenommene Hingabe. Obwohl diese meine Apostel bald in der ganzen Welt verstreut sein werden, um dort die gute Nachricht von der Errettung durch die Gottessohnschaft zu verkündigen, musst du sie in der unmittelbar bevorstehenden kritischen Zeit zusammenhalten, in dieser Zeit schwerer Prüfung, in der ihr lernen müsst, ohne meine persönliche Gegenwart an das Evangelium zu glauben, während ihr geduldig auf die Ankunft des neuen Lehrers, des Geistes der Wahrheit, wartet. Wenn es dir vielleicht auch nicht zufällt, im menschlichen Sinne große Werke zu tun, so sei bereit, Andreas, Lehrer und Ratgeber derer zu sein, die diese Dinge tun. Bring dein Werk auf Erden zu Ende, und dann wirst du deinen Dienst im ewigen Königreich fortsetzen. Denn habe ich euch nicht oft gesagt, dass ich noch andere Schafe außer dieser Herde habe?" Dann ging Jesus weiter zu den Alphäus Zwillingen, stellte sich zwischen sie und sagte: "Meine kleinen Kinder, ihr seid eines von den drei Brüderpaaren, die sich entschieden haben, mir zu folgen. Ihr habt alle sechs mit eurem eigen Fleisch und Blut in Frieden zusammengearbeitet, aber niemand hat es besser getan als ihr. Es stehen uns unmittelbar schwere Zeiten bevor. Ihr werdet vielleicht nicht alles verstehen, was euch und euren Brüdern widerfahren wird, aber zweifelt nie daran, dass einst der Ruf an euch ergangen ist, für das Königreich zu arbeiten. Ihr werdet es eine Zeit lang nicht mit Menschenmengen zu tun haben, aber lasst euch nicht entmutigen; wenn euer Lebenswerk beendet ist, werde ich euch in der Höhe empfangen, in deren Herrlichkeit ihr den seraphischen Heerscharen und der Menge hoher Gottessöhne von eurer Errettung berichten werdet. Weiht euer Leben der Aufwertung gewöhnlicher und beschwerlicher Arbeit. Zeigt allen Menschen auf Erden und den Engeln des Himmels, wie ein sterblicher Mensch fröhlich und mutig an seine frühere Arbeit zurückkehren kann, nachdem er berufen wurde, eine Zeit lang im besonderen Dienst Gottes zu arbeiten. Wenn euer Einsatz in den äußeren Angelegenheiten des Königreichs jetzt wohl abgeschlossen ist, solltet ihr an eure frühere Arbeit zurückkehren mit dem neuen Licht der Gotteserfahrung eines Sohnes und im hohen Bewusstsein, dass es für den, der Gott kennt, etwas Derartiges wie gewöhnliche Arbeit oder profanes Abmühen nicht gibt. Für euch, die ihr mit mir gearbeitet habt, sind alle Dinge heilig geworden, und alle irdische Mühsal ist zu einem Dienst an Gott dem Vater geworden. Und wenn ihr von den Taten eurer früheren apostolischen Mitarbeiter hört, dann freut euch mit ihnen und verrichtet eure tägliche Arbeit weiter als solche, die auf Gott warten, und dienen, während sie warten. Ihr seid meine Apostel gewesen, und ihr werdet es immer bleiben, und ich werde mich im kommenden Königreich eurer erinnern." Und dann ging Jesus zu Philipp weiter, der aufstand und sich folgende Botschaft seines Meisters anhörte: "Philipp, du hast mir viele unkluge Fragen gestellt, aber ich habe mein Möglichstes getan, sie alle zu beantworten; und jetzt möchte ich die letzte dieser Fragen beantworten, die in deinem grundehrlichen, aber ungeistigen Sinn aufgetaucht ist. Während ich bis zu dir gekommen bin, hast du unablässig zu dir gesagt: `Was soll ich nur tun, wenn der Meister weggeht und uns allein in der Welt lässt?' Oh du Kleingläubiger! Und doch hast du fast soviel Glauben wie viele deiner Brüder. Du bist ein guter Haushälter gewesen, Philipp. Du hast uns nur wenige Male enttäuscht, und einen dieser Versager nutzten wir dazu, die Herrlichkeit des Vaters zu offenbaren. Dein Amt als Haushälter geht jetzt zu Ende. Bald musst du dich ausschließlicher dem Werk widmen, zu dem du berufen worden bist - der Predigt des Evangeliums vom Königreich. Philipp, du hast immer gewünscht, dass man dir die Dinge zeige, und sehr bald wirst du große Dinge sehen. Es wäre weit besser gewesen, du hättest all das durch den Glauben gesehen, aber da du bei all deiner materiellen Sicht der Dinge aufrichtig gewesen bist, wirst du erleben, dass sich meine Worte erfüllen. Und wenn du einmal mit geistiger Sicht gesegnet sein wirst, dann mache dich an dein Werk und widme dein Leben der Aufgabe, die Menschheit dazu zu führen, mit dem Auge des geistigen Glaubens und nicht mit den Augen des materiellen Sinnes nach Gott zu suchen und nach den ewigen Realitäten Ausschau zu halten. Denke daran, Philipp, du hast eine große Sendung auf Erden, denn die Welt ist voll von solchen, die das Leben gerade so sehen, wie du es zu sehen geneigt warst. Du hast ein großes Werk zu tun, und wenn es einmal im Glauben vollbracht ist, sollst du zu mir in mein Königreich kommen, und ich werde dir mit großer Freude zeigen, was das Auge nicht gesehen, das Ohr nicht gehört und der menschliche Verstand sich nicht vorgestellt hat. Werde in der Zwischenzeit wie ein kleines Kind im Königreich des Geistes und erlaube mir, als dem Geist des neuen Lehrers, dich in dem geistigen Königreich vorwärts zuführen. Und auf diese Weise werde ich vieles für dich tun können, was zu tun ich außerstande war, während ich als Sterblicher dieser Welt bei euch weilte. Und denke immer daran, Philipp, wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen." Dann ging der Meister weiter zu Nathanael. Als Nathanael sich erhob, hieß Jesus ihn sich setzen, worauf er sich an seiner Seite niederließ und zu ihm sagte: "Nathanael, du hast gelernt, dich über Vorurteile hinwegzusetzen und in wachsendem Maße Toleranz zu üben, seit du mein Apostel geworden bist. Aber du musst noch viel mehr dazulernen. Du bist für deine Gefährten ein Segen gewesen, weil deine beständige Aufrichtigkeit für sie immer eine Mahnung war. Es könnte sein, dass deine offene Sprache nach meinem Fortgang dein gutes Einvernehmen mit deinen Brüdern, alten wie neuen, beeinträchtigt. Du solltest lernen, dass die Äußerung auch eines guten Gedankens jeweils dem intellektuellen Vermögen und der geistigen Entwicklung des Hörers angepasst werden muss. Aufrichtigkeit ist in der Arbeit für das Königreich äußerst nützlich, wenn sie mit Taktgefühl einhergeht. Wenn du lernen würdest, mit deinen Brüdern zusammenzuarbeiten, könntest du bleibendere Dinge vollbringen, aber wenn du deine Fähigkeit darin erblickst, nach jenen zu suchen, die denken wie du, dann weihe dein Leben der Aufgabe zu beweisen, dass der Jünger, der Gott kennt, am Bau des Königreichs mitwirken kann, auch wenn er allein in der Welt und von seinen Glaubensbrüdern völlig getrennt ist. Ich weiß, du wirst treu sein bis ans Ende, und ich werde dich eines Tages willkommen heißen zu größerem Dienst in meinem Königreich in der Höhe." Da richtete Nathanael an Jesus diese Frage: "Seit du mich zum Dienst an diesem Königreich berufen hast, habe ich deiner Unterweisung immer zugehört, aber ich kann, ehrlich gesagt, die volle Bedeutung von allem, was du uns sagst, nicht verstehen. Ich weiß nicht, worauf ich mich als Nächstes gefasst machen muss, und ich denke, dass die meisten meiner Brüder ebenso ratlos sind, aber zögern, ihre Verwirrung einzugestehen. Kannst du mir helfen?" Jesus legte seine Hand auf Nathanaels Schulter und sagte: "Mein Freund, es ist nicht verwunderlich, dass du ratlos bist bei deinem Versuch, die Bedeutung meiner geistigen Lehren zu erfassen, da du durch die festen Vorstellungen der jüdischen Tradition so sehr behindert bist und dich deine beharrliche Neigung, mein Evangelium gemäß den Lehren der Schriftgelehrten und Pharisäer auszulegen, so sehr verwirrt. Ich habe euch vieles durch das gesprochene Wort gelehrt, und ich habe mein Leben in eurer Mitte gelebt. Ich habe alles getan, was getan werden kann, um euren Verstand zu erhellen und eure Seelen zu befreien, und ihr müsst euch jetzt bereitmachen, all das, was ihr meinen Lehren und meinem Leben nicht entnehmen konntet, durch den Meister aller Lehrer - die tatsächliche Erfahrung - zu erwerben. Und in dieser ganzen neuen Erfahrung, die jetzt auf euch wartet, werde ich euch vorangehen, und der Geist der Wahrheit wird bei euch sein. Habt keine Angst; was ihr jetzt nicht verstehen könnt, wird euch der neue Lehrer, wenn er einmal gekommen ist, während des Rests eures Erdenlebens und während eurer Schulung in den ewigen Zeitaltern offenbaren." Und dann wandte sich der Meister an alle und sagte: "Lasst euch nicht beirren, auch wenn ihr die ganze Bedeutung des Evangeliums nicht erfassen könnt. Ihr seid nur endliche, sterbliche Menschen, und das, was ich euch gelehrt habe, ist unendlich, göttlich und ewig. Seid geduldig und guten Mutes, da ihr die ewigen Zeitalter vor euch habt, um weiter Schritt für Schritt die Erfahrung machen zu können, vollkommen zu werden, wie euer Vater im Paradies vollkommen ist." Und dann ging Jesus auf Thomas zu, der aufstand und ihn Folgendes sagen hörte: "Thomas, es hat dir oft an Glauben gefehlt; aber wenn du auch Phasen des Zweifels durchgemacht hast, so hat es dir doch nie an Mut gefehlt. Ich weiß sehr wohl, dass falsche Propheten und unechte Lehrer dich nicht täuschen werden. Nach meinem Weggang werden deine Brüder deine kritische Betrachtungsweise neuer Lehren umso mehr zu schätzen wissen. Und wenn ihr alle in der kommenden Zeit bis ans Ende der Welt zerstreut seid, dann denke daran, dass du immer noch mein Botschafter bist. Weihe dein Leben der großen Aufgabe zu zeigen, wie der kritische materielle Verstand des Menschen über die Trägheit intellektuellen Zweifelns siegen kann, wenn er gewahrt, wie sich die lebendige Wahrheit in geistgeborenen Männern und Frauen kundtut, die in ihrem Leben die Früchte des Geistes hervorbringen und einander lieben, wie ich euch geliebt habe. Thomas, ich bin glücklich, dass du zu uns gestoßen bist, und ich weiß, dass du nach einer kurzen Phase der Fassungslosigkeit im Dienst am Königreich weiterfahren wirst. Deine Zweifel haben deine Brüder verunsichert, aber sie haben mich nie beunruhigt. Ich habe Vertrauen in dich, und ich werde dir vorausgehen, sogar bis in die entlegensten Gegenden der Erde." Dann ging der Meister zu Simon Petrus weiter, der sich erhob, als Jesus das Wort an ihn richtete: "Petrus, ich weiß, dass du mich liebst und dass du dein Leben der öffentlichen Verkündigung des Evangeliums vom Königreich an Juden und Nichtjuden widmen wirst, aber ich bin betrübt, dass all die Jahre einer so engen Verbindung mit mir dir nicht besser geholfen haben, jeweils zu überlegen, bevor du sprichst. Durch welche Erfahrung musst du noch gehen, bevor du lernst, deine Zunge zu hüten? Wie viel Sorge hat uns dein gedankenloses Reden, dein anmassendes Selbstvertrauen gemacht! Und du wirst dir selber mit Sicherheit noch viel mehr Schwierigkeiten zuziehen, wenn du dieser Schwäche nicht Herr wirst. Du weißt, dass deine Brüder dich trotz dieses Schwachpunktes lieben, und du solltest auch verstehen, dass diese Unzulänglichkeit meine Liebe zu dir in keiner Weise beeinträchtigt, aber sie mindert deine Brauchbarkeit und wird dir Unannehmlichkeiten ohne Ende bereiten. Aber zweifellos wird dir die Erfahrung, die du noch in dieser Nacht durchmachen musst, von großer Hilfe sein. Und was ich dir jetzt sage, Simon Petrus, sage ich genauso zu all deinen hier versammelten Brüdern: In dieser Nacht werdet ihr alle in großer Gefahr sein, wegen mir zu straucheln. Ihr wisst, dass geschrieben steht: `Der Hirte wird geschlagen und die Schafe weit herum zersprengt werden'. In meiner Abwesenheit besteht für einige von euch große Gefahr, Zweifeln zu erliegen und zu straucheln wegen dessen, was mir widerfahren wird. Aber ich verspreche euch jetzt, dass ich für kurze Zeit zu euch zurückkehren und euch dann nach Galiläa vorausgehen werde." Da sagte Petrus, indem er die Hand auf Jesu Schulter legte: "Selbst wenn alle meine Brüder deinetwegen Zweifeln erliegen sollten, verspreche ich, dass, was immer du auch tun magst, ich nicht straucheln werde. Ich werde mit dir gehen und, wenn nötig, für dich sterben." Als Petrus so vor seinem Meister stand, zitternd vor starker Erregung und überquellend von echter Liebe zu ihm, blickte Jesus ihm in die tränenfeuchten Augen und sagte: "Petrus, wahrlich, wahrlich, ich sage dir, in dieser Nacht wird der Hahn nicht krähen, bevor du mich drei- oder viermal verleugnet hast. Und so wirst du, was du in friedlicher Zusammenarbeit mit mir nicht gelernt hast, durch viele Sorgen und Leiden lernen. Aber nachdem du diese nützliche Lektion wirklich gelernt haben wirst, solltest du deine Brüder stärken und weiterhin ein Dasein leben, das der Predigt des Evangeliums geweiht ist, auch wenn du in Gefangenschaft geraten und mir vielleicht darin nachfolgen solltest, bei der Errichtung des Königreichs des Vaters den höchsten Preis liebenden Dienstes zu bezahlen. Aber denkt an mein Versprechen: Nachdem ich auferstanden bin, werde ich eine Zeitlang bei euch verweilen, bevor ich zum Vater gehe. Noch diese Nacht werde ich den Vater anflehen, einen jeden von euch im Hinblick auf das zu stärken, was ihr so bald durchmachen werdet. Ich liebe euch alle mit der Liebe, mit welcher der Vater mich liebt, und deshalb solltet ihr einander fortan so lieben, wie ich euch geliebt habe." Sie sangen noch eine Hymne und machten sich dann auf zum Lager auf dem Ölberg. ****** Kapitel 182 In Gethsemane ****** ES WAR gegen zehn Uhr abends, als Jesus an diesem Donnerstag die elf Apostel vom Hause des Elija und der Maria Markus zum Lager in Gethsemane zurückführte. Seit dem Tag in den Bergen hatte Johannes Markus es sich zur Aufgabe gemacht, stets ein wachsames Auge auf Jesus zu haben. Johannes, der dringend Schlaf brauchte, hatte sich während der paar Stunden, die der Meister mit seinen Aposteln im oberen Raum verbrachte, ausruhen können; aber als er sie herunterkommen hörte, stand er auf, warf sich rasch einen leinenen Mantel um und folgte ihnen durch die Stadt und über den Bach Kidron bis zu ihrem privaten Lagerplatz gleich neben dem Garten Gethsemane. Und Johannes Markus blieb dem Meister diese Nacht und den nächsten Tag über so nahe, dass er Zeuge von allem wurde und vieles von dem hörte, was der Meister von da an bis zu der Stunde der Kreuzigung sagte. Während Jesus und die Elf dem Lager zustrebten, begannen sich die Apostel darüber zu wundern, was die sich hinziehende Abwesenheit von Judas zu bedeuten hatte, und sie sprachen miteinander über die Vorhersage des Meisters, dass einer von ihnen ihn verraten würde, und zum ersten Mal hatten sie den Verdacht, dass mit Judas Iskariot nicht alles in Ordnung sei. Aber sie enthielten sich offener Bemerkungen über ihn, bis sie das Lager erreichten und feststellten, dass er nicht da war, um sie zu empfangen. Als sie alle in Andreas drangen, um zu erfahren, was mit Judas los sei, bemerkte ihr Chef nur: "Ich weiß nicht, wo Judas ist, aber ich befürchte, er hat uns verlassen." ***** 182.1 Das letzte Gruppengebet ***** Wenige Augenblicke nach ihrer Ankunft im Lager sagte Jesus zu ihnen: "Meine Freunde und Brüder, ich bin jetzt nur noch ganz kurze Zeit bei euch, und ich wünsche, dass wir uns zurückziehen, um von unserem Vater im Himmel Kraft zu erbitten, damit er uns in dieser Stunde und danach bei dem ganzen Werk beistehe, das wir in seinem Namen tun müssen." Nach diesen Worten führte Jesus sie eine kurze Wegstrecke den Ölberg hinauf, und hier, mit dem Blick auf ganz Jerusalem, hieß er sie auf einem großen flachen Felsen im Kreis um ihn herum niederknien, wie sie es am Tag ihrer Weihe getan hatten; und als er so, überflutet vom weichen Mondlicht, in ihrer Mitte stand, hob er seine Augen zum Himmel und betete: Vater, meine Stunde ist gekommen; verherrliche jetzt deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche. Ich weiß, dass du mir volle Autorität über alle lebendigen Geschöpfe meines Reichs gegeben hast, und ich will allen, die durch den Glauben Söhne Gottes werden wollen, das ewige Leben schenken. Und das ewige Leben ist, dass dich meine Geschöpfe als den einzigen wahren Gott und Vater aller kennen und an den glauben, den du in die Welt gesandt hast. Vater, ich habe dich auf Erden aufs höchste verehrt und das Werk erfüllt, das du mir aufgetragen hast. Ich habe meine Hingabe an die Kinder unserer eigenen Schöpfung beinahe vollendet; es bleibt mir nur noch, mein sterbliches Leben abzulegen. Und jetzt, oh mein Vater, verherrliche mich in der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, noch ehe diese Welt war, und empfange mich wiederum zu deiner Rechten. Ich habe dich den Männern offenbart, die du in der Welt ausgesucht und mir gegeben hast. Sie gehören dir - so wie alles Leben in deinen Händen ist - du hast sie mir gegeben, und ich habe unter ihnen gelebt und sie die Wege des Lebens gelehrt, und sie haben geglaubt. Diese Männer lernen jetzt, dass alles, was ich habe, von dir kommt, und dass das Leben, das ich in Menschengestalt lebe, dazu dient, dass die Welten meinen Vater kennenlernen. Ich habe ihnen die Wahrheit offenbart, die du mir gegeben hast. Diese meine Freunde und Botschafter haben aufrichtig gewünscht, dein Wort zu empfangen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich von dir gekommen bin, dass du mich in diese Welt gesandt hast, und dass ich im Begriff bin, zu dir zurückzukehren. Vater, ich bete für diese auserwählten Männer. Und ich bete für sie nicht so, wie ich für die Welt beten würde, sondern wie für diejenigen, die ich in der Welt ausgewählt habe, damit sie mich der Welt gegenüber vertreten, wenn ich an deine Arbeit zurückgekehrt bin, gerade so wie ich dich in dieser Welt während meines Aufenthaltes als Mensch vertreten habe. Diese Männer sind mein; du hast sie mir gegeben; aber alles, was mein ist, ist ewig dein, und alles, was dein war, hast du mir jetzt übergeben. Du bist in mir gepriesen worden, und ich bete jetzt darum, in diesen Männern geehrt zu werden. Ich kann nicht länger in dieser Welt bleiben; ich bin im Begriff, an die Arbeit zurückzukehren, die zu tun du mir aufgetragen hast. Ich muss diese Männer zurücklassen, damit sie uns und unser Königreich unter den Menschen vertreten. Vater, halte diese Männer im Glauben, jetzt, da ich mich bereitmache, mein sterbliches Leben aufzugeben. Hilf diesen meinen Freunden, im Geiste eins zu sein, so wie wir eins sind. So lange ich bei ihnen sein konnte, konnte ich über sie wachen und sie führen, aber jetzt bin ich dabei wegzugehen. Sei ihnen nahe, Vater, bis wir ihnen den neuen Lehrer schicken können, um sie zu trösten und zu stärken. Du hast mir zwölf Männer gegeben, und ich habe sie alle behalten außer einem, dem Sohn der Rache, der nicht länger mit uns sein wollte. Diese Männer sind schwach und verletzlich, aber ich weiß, dass wir ihnen vertrauen können; ich habe sie geprüft; sie lieben mich, wie sie auch dich verehren. Da sie um meinetwillen viel werden leiden müssen, wünsche ich, dass sie ebenfalls erfüllt seien von der Freude über ihre sichere Sohnschaft im himmlischen Königreich. Ich habe diesen Männern dein Wort gegeben und habe sie die Wahrheit gelehrt. Die Welt mag sie hassen, wie sie mich gehasst hat, aber ich bitte dich nicht, sie aus der Welt zu nehmen, sondern nur, sie vor dem Bösen der Welt zu bewahren. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Und so wie du mich in diese Welt gesandt hast, will ich diese Männer jetzt in die Welt hinausschicken. Um ihretwillen habe ich unter den Menschen gelebt und mein Leben deinem Dienst geweiht, damit ich sie dazu inspiriere, sich durch die Wahrheit läutern zu lassen, die ich sie gelehrt habe, und durch die Liebe, die ich ihnen offenbart habe. Ich weiß sehr wohl, mein Vater, dass ich dich nicht zu bitten brauche, nach meinem Weggang über diese Brüder zu wachen; ich weiß, dass du sie ebenso sehr liebst wie ich, aber ich tue es, damit es ihnen besser zum Bewusstsein komme, dass der Vater die sterblichen Menschen ebenso liebt wie der Sohn. Und nun, mein Vater, möchte ich nicht nur für diese elf Männer beten, sondern auch für all die anderen, die jetzt schon an das Evangelium vom Königreich glauben oder dank dem zukünftigen Wirken meiner Apostel später zum Glauben daran kommen werden. Ich will, dass sie alle eins sind, wie du und ich eins sind. Du bist in mir, und ich bin in dir, und ich wünsche, dass diese Gläubigen ebenso in uns sind und dass dein und mein Geist in ihnen wohnen. Wenn meine Kinder eins sind, so wie wir eins sind, und wenn sie einander so lieben, wie ich sie geliebt habe, werden alle Menschen glauben, dass ich von dir gekommen bin, und sie werden willig sein, die Offenbarung von Wahrheit und Herrlichkeit zu empfangen, die ich gemacht habe. Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich diesen Gläubigen offenbart. So wie du mit mir im Geist gelebt hast, habe ich mit ihnen im Fleisch gelebt. So wie du mit mir eins gewesen bist, bin ich mit ihnen eins gewesen, und so wird auch der neue Lehrer auf immer eins sein mit ihnen und in ihnen. Und all das habe ich getan, damit meine sterblichen Brüder wissen, dass der Vater sie ebenso sehr liebt wie der Sohn, und dass du sie ebenso sehr liebst wie mich. Vater, wirke mit mir, um diese Gläubigen zu retten, damit sie bald zu mir in die Herrlichkeit kommen und dann weitergehen mögen, um dich in der Umfangung des Paradieses zu finden. Diejenigen, die mit mir in der Erniedrigung dienen, möchte ich bei mir in der Herrlichkeit haben, auf dass sie alles sehen, was du in meine Hände gelegt hast als ewige Ernte des in der Zeit gesäten und fleischgewordenen Samens. Ich sehne mich danach, meinen irdischen Brüdern die Herrlichkeit zu zeigen, die ich mit dir teilte, ehe diese Welt geschaffen wurde. Diese Welt weiß sehr wenig über dich, gerechter Vater, aber ich kenne dich, und durch mich kennen dich jetzt diese Gläubigen, und durch sie werden andere Generationen deinen Namen kennen. Und jetzt verspreche ich ihnen, dass du bei ihnen sein wirst in der Welt, wie du bei mir gewesen bist - so sei es." Einige Minuten lang verharrten die Elf im Kreis um Jesus kniend, bevor sie aufstanden und schweigend in das nahe Lager zurückgingen. Jesus betete für Einheit unter seinen Anhängern, aber er wünschte keine Einheitlichkeit. Sünde führt auf eine tote Ebene schlimmer Trägheit, aber Rechtschaffenheit nährt den schöpferischen Geist individueller Erfahrung in den lebendigen Realitäten der ewigen Wahrheit und in dem zunehmenden Kontakt mit dem Geist des Vaters und dem Geist des Sohnes. In der geistigen Gemeinschaft des gläubigen Sohnes mit dem göttlichen Vater kann es nie dogmatische Endgültigkeit oder sektiererisches, überhebliches Gruppenbewusstsein geben. Der Meister spielte in diesem letzten Gebet mit den Aposteln auf die Tatsache an, dass er der Welt den Namen des Vaters kundgetan hatte. Und das hat er wahrhaftig getan, indem er Gott durch sein vervollkommnetes inkarniertes Leben offenbart hat. Der Vater im Himmel hatte versucht, sich Moses zu offenbaren, aber er konnte nicht weitergehen, als sagen zu lassen: "ICH BIN". Und als jener in ihn drang, sich eindeutiger zu offenbaren, wurde nur enthüllt "ICH BIN, DER ICH BIN". Aber als Jesus sein Leben auf Erden beendet hatte, war der Name des Vaters in einer Weise offenbart worden, dass der Meister, der die Inkarnation des Vaters war, der Wahrheit gemäß sagen konnte: Ich bin das Brot des Lebens. Ich bin das lebendige Wasser. Ich bin das Licht der Welt. Ich bin das Verlangen aller Zeitalter. Ich bin die offene Tür zur ewigen Rettung. Ich bin die Realität endlosen Lebens. Ich bin der gute Hirte. Ich bin der Pfad zur unendlichen Vollkommenheit. Ich bin die Auferstehung und das Leben. Ich bin das Geheimnis des ewigen Lebens. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ich bin der unendliche Vater meiner endlichen Kinder. Ich bin der wahre Weinstock; ihr seid die Reben. Ich bin die Hoffnung aller, die die lebendige Wahrheit kennen. Ich bin die lebendige Brücke von einer Welt zur anderen. Ich bin die lebendige Verbindung zwischen Zeit und Ewigkeit. So erweiterte Jesus die lebendige Offenbarung des Namens Gottes für alle Generationen. So wie die göttliche Liebe die Natur Gottes offenbart, enthüllt die ewige Wahrheit seinen Namen in ständig wachsendem Maß. ***** 182.2 Die letzte Stunde vor dem Verrat ***** Die Apostel erlitten einen großen Schock, als sie in ihr Lager zurückkehrten und Judas nicht vorfanden. Während die Elf in einer hitzigen Diskussion über ihren verräterischen Apostelgefährten waren, nahmen David Zebedäus und Johannes Markus Jesus zur Seite und eröffneten ihm, dass sie Judas seit mehreren Tagen beobachtet hätten und wüssten, dass er beabsichtige, ihn den Händen seiner Feinde auszuliefern. Jesus hörte sie an, sagte aber nur: "Meine Freunde, nichts kann dem Menschensohn zustoßen, außer der Vater im Himmel will es so. Seid nicht beunruhigt in euren Herzen; alle Dinge werden zusammenwirken zur Verherrlichung Gottes und zur Rettung der Menschen". Die Fröhlichkeit wich von Jesus. Während die Zeit zerrann, wurde er immer ernster, ja bekümmert. Die Apostel waren sehr erregt und nicht willens, in ihre Zelte zurückzukehren, nicht einmal, als der Meister selber sie dazu aufforderte. Als er von seinem Gespräch mit David und Johannes zurückkehrte, richtete er seine letzten Worte an alle elf: "Meine Freunde, begebt euch zur Ruhe. Bereitet euch auf das morgige Tagewerk vor. Denkt daran, wir sollten uns alle dem Willen des Vaters im Himmel unterwerfen. Meinen Frieden lasse ich euch." Und nachdem er so gesprochen hatte, forderte er sie durch einen Wink auf, in ihre Zelte zu gehen; aber als sie gingen, rief er Petrus, Jakobus und Johannes zu sich und sagte: "Ich wünsche, dass ihr eine kleine Weile bei mir bleibt." Die Apostel fielen nur deshalb in Schlaf, weil sie buchstäblich erschöpft waren. Seit ihrer Ankunft in Jerusalem hatten sie ständig zu wenig geschlafen. Bevor sie ihre getrennten Nachtquartiere aufsuchten, führte Simon Zelotes sie alle in sein Zelt, wo die Schwerter und anderen Waffen gelagert waren, und übergab einem jeden eine Kampfausrüstung. Alle nahmen die Waffen entgegen und gürteten sich damit mit Ausnahme Nathanaels. Nathanael lehnte es ab, sich zu bewaffnen, mit den Worten: "Meine Brüder, der Meister hat uns wiederholt gesagt, dass sein Königreich nicht von dieser Welt ist und seine Jünger nicht mit dem Schwert kämpfen sollen, um die Errichtung des Königreichs herbeizuführen. Ich glaube das; ich denke nicht, dass der Meister es nötig hat, dass wir zu seiner Verteidigung zum Schwert greifen. Wir haben alle seine große Macht gesehen und wissen, dass er sich gegen seine Feinde verteidigen könnte, wenn er es wünschte. Wenn er seinen Feinden nicht widerstehen will, so bestimmt deshalb, weil ein solches Verhalten sein Bemühen ausdrückt, den Willen des Vaters zu erfüllen. Ich werde beten, aber ich werde nicht das Schwert führen." Als Andreas Nathanael so sprechen hörte, gab er Simon Zelotes sein Schwert zurück. Und so waren neun von ihnen bewaffnet, als sie sich für die Nacht trennten. Im Augenblick verdrängte die Empörung über die Verräterrolle von Judas in den Aposteln jeden anderen Gedanken. Die in des Meisters letztem Gebet enthaltene Bemerkung bezüglich Judas öffnete ihre Augen für die Tatsache, dass er sie verlassen hatte. Nachdem die acht Apostel endlich in ihre Zelte gegangen waren, während Petrus, Jakobus und Johannes dastanden und auf des Meisters Befehle warteten, rief Jesus David Zebedäus zu: "Schicke mir deinen schnellsten und zuverlässigsten Boten." Als David einen gewissen Jakob, der früher ein Läufer im nächtlichen Botendienst zwischen Jerusalem und Bethsaida gewesen war, vor den Meister brachte, sagte Jesus zu diesem: "Eile, so schnell du kannst, zu Abner nach Philadelphia und sage ihm: `Der Meister sendet dir Grüße des Friedens und sagt, dass die Stunde gekommen ist, da er in die Hände seiner Feinde ausgeliefert wird, die ihn töten werden, aber dass er von den Toten auferstehen und euch kurz erscheinen wird, bevor er zum Vater geht, und dass er euch führen wird bis zu der Zeit, da der neue Lehrer kommt, um in euren Herzen zu wohnen.' " Und nachdem Jakob diese Botschaft zu des Meisters Zufriedenheit nachgesprochen hatte, schickte Jesus ihn mit den Worten auf den Weg: "Befürchte nicht, jemand könnte dir etwas antun, Jakob, denn ein unsichtbarer Bote wird in dieser Nacht an deiner Seite laufen." Dann wandte sich Jesus an das Haupt der griechischen Besucher, die mit ihnen im Lager waren, und sagte zu ihm: "Mein Bruder, lass dich durch das, was jetzt unmittelbar geschehen wird, nicht aus der Fassung bringen, denn ich habe dich schon vorgewarnt. Der Menschensohn wird auf Veranlassung seiner Feinde, der obersten Priester und Führer der Juden, hingerichtet werden, aber ich werde auferstehen und kurze Zeit bei euch sein, bevor ich zum Vater gehe. Und wenn du all das sich ereignen siehst, dann verherrliche Gott und stärke deine Brüder." Unter gewöhnlichen Umständen hätten die Apostel dem Meister persönlich eine gute Nacht gewünscht, aber an diesem Abend waren sie so sehr mit der plötzlichen Erkenntnis von Judas' Abtrünnigkeit beschäftigt und standen derart unter dem Eindruck der ungewöhnlichen Art des Abschiedsgebets ihres Meisters, dass sie seinen Abschiedsgruß nur anhörten und schweigend weggingen. Und Jesus sagte zu Andreas, als er an diesem Abend von ihm ging: "Andreas, tue alles, was du kannst, um deine Brüder zusammenzuhalten, bis ich wieder zu euch zurückkomme, nachdem ich diesen Kelch getrunken habe. Stärke deine Brüder, da ich dir bereits alles gesagt habe. Friede sei mit dir." Keiner der Apostel erwartete, dass sich in dieser Nacht irgendetwas Ungewöhnliches zutragen würde, da es schon so spät war. Sie versuchten zu schlafen, um am Morgen zeitig aufstehen zu können und auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Sie dachten, die Priesterführer würden versuchen, ihren Meister frühmorgens festzunehmen, da man am Vorbereitungstag des Passahfestes vom Mittag an nie irgendeiner weltlichen Beschäftigung nachging. Nur David Zebedäus und Johannes Markus wussten, dass Jesu Feinde mit Judas noch in dieser Nacht kommen würden. David hatte verfügt, dass er selber diese Nacht am oberen Pfad, der zur Straße von Bethanien nach Jerusalem führte, Wache hielt, während Johannes Markus die Straße, die vom Kidron nach Gethsemane hinaufführte, zu überwachen hatte. Bevor David an seine selbstauferlegte Aufgabe ging und den Vorposten bezog, nahm er von Jesus mit den Worten Abschied: "Meister, mein Dienst für dich hat mir große Freude gemacht. Meine Brüder sind deine Apostel, aber ich war glücklich, die geringeren Dinge so zu tun, wie sie getan werden mussten, und ich werde dich von ganzem Herzen vermissen, wenn du gegangen bist." Da sagte Jesus zu David: "David, mein Sohn, andere haben getan, was man ihnen zu tun gebot, aber diesen Dienst hast du aus Herzensbedürfnis getan, und deine Hingabe ist mir nicht entgangen. Auch du sollst eines Tages mit mir im ewigen Königreich dienen." Und dann, als David sich anschickte, am oberen Pfad auf Wache zu gehen, sagte er zu Jesus: "Weißt du, Meister, ich habe nach deiner Familie geschickt, und ein Bote hat mir die Nachricht gebracht, dass sie heute abend in Jericho sind. Sie werden morgen Vormittag hier sein, da es für sie gefährlich wäre, des Nachts die unsichere Straße heraufzukommen." Und Jesus blickte auf David herab und sagte nur: "So sei es, David." Nachdem David den Ölberg hinaufgegangen war, nahm Johannes Markus seine Wache in der Nähe der Straße auf, die am Bach entlang nach Jerusalem führte. Und Johannes wäre an diesem Posten geblieben, hätte ihn nicht so heftig danach verlangt, Jesus nahe zu sein und zu wissen, was vor sich ging. Kurz nachdem David ihn verlassen und er beobachtet hatte, wie Jesus sich mit Petrus, Jakobus und Johannes in eine nahe Schlucht zurückzog, wurde er dermaßen von einer Mischung aus Hingabe und Neugier übermannt, dass er seinen Wachtposten aufgab und ihnen folgte. Er verbarg sich im Gebüsch, von wo aus er alles sehen und hören konnte, was in diesen letzten Augenblicken im Garten vor sich ging, unmittelbar bevor Judas und die bewaffneten Wächter erschienen, um Jesus zu verhaften. Während sich all das im Lager des Meisters zutrug, besprach sich Judas Iskariot mit dem Hauptmann der Tempelwächter, der seine Männer bereits versammelt hatte, um sich unter Führung des Verräters zu Jesu Verhaftung aufzumachen. ***** 182.3 Allein in Gethsemane ***** Nachdem im Lager alles still und ruhig geworden war, nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und stieg ein kurzes Wegstück weit in eine nahe Schlucht hinauf, wohin er oft zu Gebet und Zwiesprache gegangen war. Es konnte den drei Aposteln nicht verborgen bleiben, dass er sehr bedrückt war; nie zuvor hatten sie ihren Meister so schwer beladen und kummervoll gesehen. Als sie am Ort, wo er zu beten pflegte, angelangt waren, gebot er den Dreien, sich zu setzen und mit ihm zu wachen, während er sich nur ein kurzes Stück entfernte, um zu beten. Er ließ sich mit dem Gesicht zur Erde niederfallen und betete: "Mein Vater, ich bin in diese Welt gekommen, um deinen Willen zu tun, und das habe ich getan. Ich weiß, dass jetzt die Stunde gekommen ist, mein irdisches Leben abzulegen, und ich schrecke nicht davor zurück, aber ich möchte wissen, ob es dein Wille ist, dass ich diesen Kelch trinke. Sende mir die Gewissheit, dass ich dich in meinem Tode ebenso zufrieden stelle, wie ich es in meinem Leben getan habe." Einige Augenblicke lang verharrte der Meister in andächtiger Haltung. Dann ging er zu den drei Aposteln hinüber und fand sie in tiefem Schlaf, denn ihre Augen waren schwer und es gelang ihnen nicht, wach zu bleiben. Jesus weckte sie auf und sagte: "Wie? Könnt ihr nicht einmal eine Stunde lang mit mir wachen? Seht ihr denn nicht, dass meine Seele tief betrübt, ja zu Tode betrübt ist, und dass ich dringend eurer Kameradschaft bedarf?" Nachdem die drei aus ihrem Schlaf erwacht waren, ging der Meister wiederum allein abseits, fiel zu Boden und betete: "Vater, ich weiß, dass es möglich ist, diesen Kelch zu vermeiden - alle Dinge sind möglich bei dir -, aber ich bin gekommen, um deinen Willen zu tun, und wenn dies auch ein bitterer Kelch ist, werde ich ihn trinken, so es dein Wille ist." Und als er so gebetet hatte, kam ein mächtiger Engel zu ihm herab und sprach zu ihm, berührte ihn und stärkte ihn. Als Jesus zurückkehrte, um mit den drei Aposteln zu sprechen, fand er sie wiederum fest eingeschlafen. Er weckte sie auf und sagte: "In einer solchen Stunde brauche ich euch, dass ihr mit mir wacht und betet - und ihr braucht mehr denn je das Gebet, um nicht in Versuchung zu geraten - warum schlaft ihr ein, wenn ich weggehe?" Und dann zog sich der Meister zum dritten Mal zurück und betete: "Vater, du siehst meine schlafenden Apostel; erbarme dich ihrer. Der Geist ist in der Tat willig, aber das Fleisch ist schwach. Und jetzt, oh Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, will ich ihn trinken. Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe." Und als er zu beten aufgehört hatte, lag er eine Weile hingestreckt am Boden. Als er sich erhob und zu seinen Aposteln zurückkehrte, fand er sie erneut schlafend. Er schaute auf sie und sagte mit einer mitleidigen Geste zärtlich: "Schlaft jetzt nur weiter und ruht euch aus; die Zeit der Entscheidung ist vorüber. Die Stunde, da der Menschensohn verraten und den Händen seiner Feinde ausgeliefert wird, ist da." Und während er sich zu ihnen hinabbeugte, um sie wachzurütteln, sagte er: "Steht auf, lasst uns zum Lager zurückkehren, denn seht, der mich verrät, ist nahe, und die Stunde ist gekommen, da meine Herde auseinander gesprengt wird. Aber all das habe ich euch bereits gesagt." Während der Jahre, die Jesus unter seinen Anhängern lebte, erhielten sie in der Tat viele Beweise seiner göttlichen Natur, aber gerade jetzt sollen sie Zeugen neuer Beweise seiner menschlichen Natur werden. Gerade vor der größten aller Offenbarungen seiner Göttlichkeit, seiner Auferstehung, müssen jetzt die größten Beweise seiner sterblichen Natur erbracht werden, seine Erniedrigung und Kreuzigung. Jedes Mal, wenn er im Garten betete, band sich seine menschliche Natur durch den Glauben fester an seine Göttlichkeit und wurde sein menschlicher Wille vollkommener eins mit dem göttlichen Willen seines Vaters. Unter anderen Worten, die der mächtige Engel zu ihm sprach, war die Botschaft, der Vater wünsche, dass sein Sohn seine irdische Selbsthingabe beende, indem er die Todeserfahrung der Geschöpfe genauso durchlebe, wie alle sterblichen Geschöpfe die materielle Auflösung erfahren müssen, wenn sie von der Existenz in der Zeit hinübergehen zum Fortschreiten in der Ewigkeit. Früher am Abend hatte es nicht so schwierig geschienen, den Kelch zu trinken, aber als der menschliche Jesus seinen Aposteln Lebewohl sagte und sie zur Ruhe schickte, wuchs das Entsetzen vor der Prüfung. Jesus erlebte das natürliche Auf und Ab der Gefühle, das aller menschlichen Erfahrung gemein ist, und gerade jetzt war er müde von der Arbeit, erschöpft von den langen Stunden anstrengender Tätigkeit und quälender Sorge um die Sicherheit seiner Apostel. Während kein Sterblicher sich anmaßen kann, die Gedanken und Gefühle des inkarnierten Gottessohnes in einem Augenblick wie diesem zu verstehen, wissen wir, dass er große Angst ausstand und unsagbares Leid durchmachte, denn der Schweiß fiel ihm in großen Tropfen vom Gesicht. Er war endlich davon überzeugt, dass es des Vaters Absicht war, den Ereignissen zu erlauben, ihren natürlichen Lauf zu nehmen; er war fest entschlossen, seine souveräne Macht als höchster Lenker eines Universums in keiner Weise zu seiner Rettung einzusetzen. Die versammelten Heerscharen einer riesigen Schöpfung unter dem vorübergehenden gemeinsamen Oberkommando Gabriels und des Personifizierten Gedankenjustierers Jesu schweben jetzt über dieser Szene. Die Befehlshaber der Unterabteilungen dieser himmlischen Armeen sind wiederholt gewarnt worden, nicht in die Ereignisse auf Erden einzugreifen, es sei denn, Jesus selber sollte ihnen den Befehl zum Einschreiten geben. Das Erlebnis der Trennung von den Aposteln lastete als großer Druck auf dem menschlichen Herzen Jesu; dieses durch die Liebe verursachte Leid drückte ihn nieder und machte es ihm schwieriger, der auf ihn wartenden Todesart, um die er sehr wohl wusste, ins Auge zu schauen. Es war ihm klar, wie schwach und wie unwissend seine Apostel waren, und ihm graute davor, sie zu verlassen. Er wusste genau, dass die Zeit seines Abschieds gekommen war, aber sein menschliches Herz suchte verzweifelt herauszufinden, ob es nicht möglicherweise einen legitimen Ausweg aus dieser fürchterlichen Zwangslage von Schmerz und Leid gebe. Und nachdem sein Herz auf diese Weise, aber erfolglos, zu entkommen versucht hatte, war er bereit, den Kelch zu trinken. Michaels göttlicher Verstand wusste, dass er für die zwölf Apostel das Beste getan hatte; aber Jesu menschliches Herz wünschte, es hätte mehr für sie getan werden können, bevor sie in der Welt allein gelassen würden. Jesu Herz war am Zerbrechen, denn er liebte seine Brüder wahrhaftig. Er war von seiner leiblichen Familie getrennt; einer seiner berufenen Mitarbeiter war dabei, ihn zu verraten. Das Volk seines Vaters Joseph hatte ihn abgewiesen und damit seinen Untergang als Volk mit einer besonderen Mission auf Erden besiegelt. Seine Seele wurde gemartert durch verschmähte Liebe und zurückgewiesene Barmherzigkeit. Es war gerade einer jener entsetzlichen menschlichen Augenblicke, da sich alles mit erdrückender Grausamkeit und schrecklicher Seelenpein auf uns zu stürzen scheint. Jesu menschliche Natur war nicht unempfindlich gegenüber dieser Situation persönlicher Verlassenheit, öffentlicher Schande und scheinbaren Misserfolgs seiner Sache. All diese Gefühle lasteten mit unbeschreiblicher Schwere auf ihm. In dieser großen Pein kehrten seine Gedanken zurück zu den Tagen seiner Kindheit in Nazareth und zu seinem frühen Wirken in Galiläa. Im Augenblick dieser großen Prüfung stiegen in seinen Gedanken viele jener angenehmen Szenen aus seinem irdischen Wirken auf. Und es waren diese alten Erinnerungen an Nazareth, an Kapernaum, an den Berg Hermon und an den Sonnenauf- und -untergang auf dem glitzernden Galiläischen Meer, die ihn beruhigten und sein menschliches Herz stärkten und zu der Begegnung mit dem Überläufer bereit machten, der ihn so bald verraten würde. Bevor Judas und die Soldaten ankamen, hatte der Meister seine gewohnte Gelassenheit wieder gewonnen; der Geist hatte über das Fleisch gesiegt; der Glaube hatte sich gegen alle menschlichen Tendenzen zu Furcht und Zweifel durchgesetzt. Die entscheidende Prüfung zur vollen Verwirklichung der menschlichen Natur war abgelegt und befriedigend bestanden worden. Wiederum war der Menschensohn bereit, seinen Feinden in der völligen Gewissheit seiner Unbesiegbarkeit und mit Gleichmut gegenüberzutreten als ein sterblicher Mensch, der sich rückhaltlos der Ausführung des väterlichen Willens verschrieben hat. ****** Kapitel 183 Jesu Verrat und Verhaftung ****** NACHDEM Jesus Petrus, Jakobus und Johannes endlich wach bekommen hatte, legte er ihnen nahe, zu ihren Zelten zu gehen und in Vorbereitung auf die Aufgaben des nächsten Tages Schlaf zu suchen. Aber mittlerweile waren die drei Apostel hellwach geworden; das wiederholte Einnicken hatte sie erfrischt und überdies wurden sie alarmiert und aufgerüttelt durch die Ankunft zweier aufgeregter Boten am Ort des Geschehens, die nach David Zebedäus fragten und sich rasch auf die Suche nach ihm machten, nachdem Petrus sie informiert hatte, wo er Wache hielt. Während acht der Apostel fest schliefen, hatten die Griechen, deren Lager sich gleich neben dem ihren befand, größere Angst vor Zwischenfällen, und zwar so sehr, dass sie einen Wachposten aufgestellt hatten, der bei Gefahr Alarm schlagen sollte. Als die beiden Boten ins Lager geeilt kamen, ging der griechische Wachposten all seine Landsleute wecken, worauf diese fertig angezogen und voll gerüstet aus ihren Zelten traten. Mit Ausnahme der acht Apostel war jetzt das ganze Lager wach. Petrus wollte seine Gefährten rufen, aber Jesus verbot es ihm entschieden. Der Meister ermahnte sie alle sanft, zu ihren Zelten zurückzukehren, aber sie sträubten sich, seiner Empfehlung nachzukommen. Da es dem Meister nicht gelang, seine Anhänger zu zerstreuen, verließ er sie und ging zur Ölpresse hinunter, die sich nahe am Eingang zum Garten Gethsemane befand. Während die drei Apostel, die Griechen und die übrigen Lagerangehörigen zögerten, ihm auf dem Fuße zu folgen, eilte Johannes Markus zwischen den Olivenbäumen hinab und versteckte sich in einer kleinen Hütte neben der Ölpresse. Jesus entfernte sich vom Lager und von seinen Freunden, damit seine Häscher ihn bei ihrer Ankunft verhaften könnten, ohne seine Apostel zu stören. Der Meister befürchtete, dass der Anblick des ihn verratenden Judas in seinen Aposteln, wären sie wach und bei seiner Verhaftung zugegen, so feindselige Gefühle auslösen würde, dass sie den Soldaten Widerstand leisten und zusammen mit ihm in Gewahrsam genommen würden. Er befürchtete, sie könnten, sollten sie mit ihm verhaftet werden, auch mit ihm umkommen. Obwohl Jesus wusste, dass der Plan, ihn zu töten, in den Beratungen der Führer der Juden entstanden war, war er sich ebenfalls bewusst, dass all dieses ruchlose Ränkeschmieden die volle Zustimmung Luzifers, Satans und Caligastias genoss. Und er wusste sehr wohl, dass es diese Rebellen der Welten auch gerne sähen, wenn alle Apostel mit ihm zusammen umgebracht würden. Jesus setzte sich auf die Ölpresse und wartete hier allein auf das Kommen des Verräters. Er wurde in diesen Augenblicken nur von Johannes Markus und einer Heerschar unzähliger himmlischer Beobachter gesehen. ***** 183.1 Der Wille des Vaters ***** Es besteht große Gefahr, dass die Bedeutung zahlreicher Aussprüche und vieler Begebenheiten missverstanden wird, die das Ende des irdischen Lebensweges des Meisters begleiteten. Die grausame Behandlung Jesu durch die ignoranten Bediensteten und die rohen Soldaten, die unfaire Führung seines Prozesses und die gefühllose Haltung der angeblich religiösen Führer dürfen nicht mit der Tatsache verwechselt werden, dass Jesus, wenn er sich geduldig dieser ganzen Qual und Erniedrigung unterzog, wahrlich dem Willen des Paradies-Vaters gehorchte. Es war tatsächlich und in Wahrheit des Vaters Wille, dass sein Sohn den Kelch sterblicher Erfahrung bis zur Neige trinke, von der Geburt bis zum Tode, aber der Vater im Himmel hatte nicht im Entferntesten dazu beigetragen, diese angeblich zivilisierten menschlichen Wesen, die den Meister mit solcher Brutalität quälten und in so grauenhafter Weise Demütigung über Demütigung auf seine widerstandslose Person häuften, zu ihrem barbarischen Verhalten anzustiften. Diese unmenschlichen und entsetzlichen Erfahrungen, die Jesus während der letzten Stunden seines irdischen Daseins erdulden musste, waren in keiner Weise Teil des göttlichen Willens des Vaters, welchen auszuführen Jesu menschliche Natur so siegreich gelobt hatte im Augenblick der endgültigen Unterwerfung des Menschen unter Gott, wie es im dreifachen Gebet zum Ausdruck kam, das er im Garten sprach, während seine müden Apostel vor physischer Erschöpfung schliefen. Der Vater im Himmel wünschte, dass der Sohn der Selbsthingabe seine irdische Laufbahn auf natürliche Weise beschließe, genau so wie alle Sterblichen ihr körperliches Leben auf Erden beenden müssen. Gewöhnliche Männer und Frauen können nicht erwarten, dass ihnen ihre letzten Stunden auf Erden und die darauf folgende Todesepisode durch eine spezielle Dispensierung leicht gemacht würden. Also entschloss sich Jesus, sein irdisches Leben entsprechend dem natürlichen Lauf der Dinge aufzugeben, und er weigerte sich standhaft, sich aus den grausamen Klauen einer heimtückischen Verkettung unmenschlicher Ereignisse zu befreien, welche mit furchtbarer Gewissheit auf seine unfassbare Demütigung und seinen schändlichen Tod zutrieben. Und jede Einzelheit in dieser erstaunlichen Entfesselung von Hass und nie dagewesenen Bekundung von Grausamkeit war das Werk böser Menschen und gottloser Sterblicher. Gott im Himmel wollte es nicht, noch befahlen es Jesu Erzfeinde, obwohl sie viel taten um sicherzustellen, dass gedankenlose und böse Sterbliche den Sohn der Selbsthingabe in dieser Art zurückweisen würden. Sogar der Vater der Sünde wandte sein Gesicht vom unerträglichen Grauen der Kreuzigungsszene ab. ***** 183.2 Judas in der Stadt ***** Nachdem Judas so plötzlich vom Tisch weggegangen war, während sie das letzte Abendmahl einnahmen, begab er sich geradewegs zum Hause seines Vetters, von wo sich beide unverzüglich zum Hauptmann der Tempelwachen aufmachten. Judas ersuchte den Hauptmann, die Wachen zu versammeln, und teilte ihm mit, dass er bereit sei, sie zu Jesus zu führen. Da Judas etwas früher als erwartet eingetroffen war, gab es eine Verzögerung, bevor sie sich in Richtung des Hauses von Markus in Bewegung setzten, wo Judas annahm, Jesus immer noch im Gespräch mit den Aposteln anzutreffen. Der Meister und die Elf verließen das Haus von Elija Markus gut fünfzehn Minuten vor Ankunft des Verräters und der Wachen. Als die Häscher beim Haus des Markus eintrafen, befanden sich Jesus und die Elf schon ein gutes Stück außerhalb der Stadtmauern auf dem Weg zum Lager am Ölberg. Judas war sehr beunruhigt, dass es ihm misslungen war, Jesus im Hause des Markus zusammen mit den elf Männern zu finden, von denen nur zwei bewaffneten Widerstand leisten konnten. Zufälligerweise hatte er am Nachmittag, als sie das Lager verließen, erfahren, dass nur Simon Petrus und Simon Zelotes mit einem Schwert gegürtet waren; Judas hatte gehofft, Jesus zu fassen, solange in der Stadt alles ruhig und die Wahrscheinlichkeit eines Widerstandes gering war. Der Verräter befürchtete, auf mehr als sechzig ergebene Jünger zu stoßen, wenn er bis zu ihrer Rückkehr ins Lager zuwartete, und zudem wusste er, dass Simon Zelotes einen grossen Waffenvorrat besaß. Judas wurde immer unruhiger, als er darüber nachdachte, wie sehr die elf treuen Apostel ihn verabscheuen würden, und er fürchtete, sie würden alle versuchen, ihn umzubringen. Er war nicht nur treulos, sondern im Grunde seines Herzens ein richtiger Feigling. Als sie Jesus im oberen Raum nicht fanden, bat Judas den Hauptmann der Wache, zum Tempel zurückzukehren. Unterdessen hatten die Führer begonnen, sich im Hinblick auf Jesu Empfang im Hause des Hohenpriesters zu versammeln, da ihre Abmachung mit dem Verräter Jesu Verhaftung bis Mitternacht dieses Tages vorsah. Judas erklärte seinen Mitverschworenen, dass sie Jesus im Hause des Markus verpasst hätten und man nach Gethsemane gehen müsse, um ihn zu verhaften. Der Verräter fuhr dann fort, ihnen darzulegen, dass sich über sechzig ergebene Anhänger mit ihm im Lager befänden und dass diese alle gut bewaffnet seien. Die Führer der Juden erinnerten Judas daran, dass Jesus immer Widerstandslosigkeit gepredigt habe, aber Judas entgegnete ihnen, sie könnten sich nicht darauf verlassen, dass alle Anhänger Jesu diese Lehre befolgten. Er fürchtete wirklich um das eigene Leben und erdreistete sich deshalb, eine Abteilung von vierzig bewaffneten Soldaten zu verlangen. Da die jüdische Obrigkeit über keine derartige Streitmacht von bewaffneten Männern verfügte, begaben sie sich unverzüglich zur Festung Antonia und baten den römischen Kommandanten, ihnen diese Truppe zu geben; aber als er von ihrer Absicht erfuhr, Jesus zu verhaften, weigerte er sich sogleich, ihrem Verlangen stattzugeben, und verwies sie an den über ihm stehenden Offizier. Auf diese Weise, von einer Instanz zur anderen gehend, verloren sie mehr als eine Stunde, bis sie sich schließlich gezwungen sahen, an Pilatus selber zu gelangen, um die Erlaubnis zum Einsatz der römischen bewaffneten Gardesoldaten zu erhalten. Es war spät, als sie beim Hause des Pilatus anlangten, und er hatte sich mit seiner Frau bereits in seine Privatgemächer zurückgezogen. Es widerstrebte ihm, mit dieser Angelegenheit irgendetwas zu tun zu haben, zumal seine Frau ihn gebeten hatte, dem Ersuchen nicht stattzugeben. Aber angesichts der Tatsache, dass der Vorsitzende des jüdischen Sanhedrins anwesend war und sich persönlich für diese Hilfeleistung einsetzte, hielt der Statthalter es für klug, dem Verlangen zu entsprechen; denn er dachte, er würde von ihnen etwa begangenes Unrecht später wieder gutmachen können. Infolgedessen gaben über sechzig Personen - Tempelwächter, römische Soldaten und neugierige Bedienstete der obersten Priester und Führer - Judas das Geleit, als er gegen halb zwölf vom Tempel aufbrach. ***** 183.3 Des Meisters Verhaftung ***** Als dieser Trupp von Fackeln und Laternen tragenden, bewaffneten Soldaten und Wächtern sich dem Garten näherte, ging Judas der Schar ein gutes Stück voraus, um in der Lage zu sein, Jesus rasch zu identifizieren, so dass die Häscher ihn leicht ergreifen könnten, bevor sich seine Gefährten zu seiner Verteidigung zusammenfänden. Und noch aus einem anderen Grunde zog es Judas vor, den Feinden seines Meisters vorauszueilen: Er dachte, es würde den Anschein erwecken, als treffe er allein, früher als die Soldaten, am Ort des Geschehens ein, so dass die um Jesus gescharten Apostel und Anhänger ihn vielleicht nicht direkt mit der ihm so dicht auf den Fersen folgenden bewaffneten Garde in Verbindung bringen würden. Judas hatte sogar daran gedacht vorzugeben, er sei in der Absicht herbeigeeilt, sie vor der Ankunft der Häscher zu warnen, aber dieser Plan wurde durch die vernichtende Art, wie Jesus den Verräter begrüßte, vereitelt. Obwohl der Meister Judas freundlich anredete, begrüßte er ihn als einen Verräter. Sobald Petrus, Jakobus, Johannes und etwa dreißig ihrer Lagergefährten den bewaffneten und fackeltragenden Trupp um den Rand des Bergabhangs biegen sahen, war ihnen klar, dass diese Soldaten kamen, um Jesus zu verhaften, und sie stürzten alle zur Ölpresse hinunter, wo der Meister einsam in der mondhellen Nacht saß. Von einer Seite rückte die Kompanie Soldaten heran, von der anderen näherten sich die drei Apostel und ihre Gefährten. Während Judas mit großen Schritten auf den Meister zuging, um ihn anzureden, standen sich die beiden Gruppen regungslos gegen-über, zwischen ihnen der Meister und Judas, der sich anschickte, den verräterischen Kuss auf Jesu Stirne zu drücken. Der Verräter hatte gehofft, er könnte, nachdem er die Truppe nach Gethsemane geführt hätte, den Soldaten einfach nur zeigen, wer Jesus sei, oder höchstens sein Versprechen einlösen, ihn mit einem Kuss zu begrüßen, und sich dann rasch vom Schauplatz entfernen. Judas befürchtete sehr, die Apostel könnten alle anwesend sein und sich über ihn hermachen zur Bestrafung dafür, dass er es gewagt hatte, ihren geliebten Lehrer zu verraten. Aber als der Meister ihn als Verräter begrüßte, war er so verwirrt, dass er gar keinen Fluchtversuch unternahm. Jesus machte eine letzte Anstrengung, um Judas davor zu bewahren, ihn wirklich zu verraten, indem er zur Seite trat, noch bevor der Verräter ihn erreichen konnte, und sich an den ersten Soldaten auf der Linken, den Hauptmann der Römer, mit den Worten wandte: "Wen sucht ihr?" Der Hauptmann antwortete: "Jesus von Nazareth". Da trat Jesus direkt vor den Offizier, und er stand da mit der ruhigen Majestät des Gottes einer ganzen Schöpfung und sagte: "Ich bin es." Viele im bewaffneten Trupp hatten Jesus im Tempel lehren gehört, andere hatten von seinen mächtigen Werken vernommen, und als sie hörten, wie unerschrocken er sich zu erkennen gab, wichen die Männer in der vordersten Reihe unwillkürlich zurück. Überraschung befiel sie bei dieser ruhigen und majestätischen Erklärung seiner Identität. Judas hatte deshalb keine Veranlassung mehr, seinen verräterischen Plan weiter zu verfolgen. Der Meister hatte sich seinen Feinden unerschrocken zu erkennen gegeben, und sie hätten ihn ohne Judas' Mithilfe fassen können. Aber der Verräter musste etwas tun, um seine Anwesenheit bei dem bewaffneten Trupp zu rechtfertigen, und überdies wollte er demonstrativ seinen Teil am verräterischen Handel mit den Judenführern bekunden, um dann ein Anrecht auf die große Belohnung und die Ehren zu haben, mit denen man ihn, wie er dachte, überhäufen würde als Entgelt für sein Versprechen, Jesus in ihre Hände zu liefern. Während die Soldaten ihre Fassung wiedergewannen, die sie bei Jesu Anblick und beim Klang seiner ungewöhnlichen Stimme verloren hatten, und während die Apostel und Jünger nähertraten, schritt Judas auf Jesus zu und sagte, indem er ihm einen Kuss auf die Stirne drückte: "Heil dir, Meister und Lehrer." Als Judas seinen Meister in dieser Weise umarmte, sagte Jesus: "Freund, reicht dir dein Tun noch nicht? Willst du den Menschensohn auch noch mit einem Kuss verraten?" Apostel und Jünger waren bei diesem Anblick buchstäblich betäubt. Einen Augenblick lang regte sich niemand. Dann befreite sich Jesus aus der verräterischen Umarmung durch Judas, schritt auf die Wachen und Soldaten zu und fragte wiederum: "Wen sucht ihr?" Und wieder sagte der Hauptmann: "Jesus von Nazareth". Und wieder antwortete Jesus: "Ich habe euch gesagt, dass ich es bin. Wenn ihr also mich sucht, dann lasst die anderen ihrer Wege gehen. Ich bin bereit, mit euch zu gehen." Jesus war bereit, mit den Wachen nach Jerusalem zurückzukehren, und der Hauptmann der Soldaten war durchaus gewillt, die drei Apostel und ihre Gefährten in Frieden ihres Weges ziehen zu lassen. Aber noch bevor sie sich in Bewegung setzen konnten und während Jesus dastand und auf die Befehle des Hauptmanns wartete, trat ein gewisser Malchus, syrischer Leibwächter des Hohenpriesters, auf Jesus zu und machte sich daran, ihm die Hände auf den Rücken zu binden, obwohl der römische Hauptmann nicht befohlen hatte, Jesus in dieser Weise zu binden. Als Petrus und seine Gefährten sahen, welcher Schmach ihr Meister unterworfen wurde, vermochten sie sich nicht länger zurückzuhalten. Petrus zog sein Schwert und stürzte sich mit den anderen auf Malchus, um ihn zu schlagen. Aber bevor die Soldaten zur Verteidigung des Dieners des Hohenpriesters herbeieilen konnten, erhob Jesus Einhalt gebietend seine Hand gegen Petrus und sagte in strengem Ton: "Petrus, stecke dein Schwert ein. Wer zum Schwert greift, soll durch das Schwert umkommen. Verstehst du nicht, dass es des Vaters Wille ist, dass ich diesen Kelch trinke? Und weißt du darüber hinaus nicht, dass ich sogar jetzt noch mehr als zwölf Engelslegionen samt ihren Mitstreitern aufbieten könnte, die mich aus den Händen dieser wenigen Männer befreien würden?" Zwar hatte Jesus damit den physischen Widerstand seiner Anhänger erfolgreich beendet, aber es hatte genügt, um im Hauptmann der Garde Furcht zu erregen, der nun Jesus mit harter Hand anfasste und mit Hilfe seiner Soldaten rasch fesselte. Während sie seine Hände mit schweren Stricken banden, sagte Jesus zu ihnen: "Warum zieht ihr mit Schwertern und Stöcken gegen mich aus, als wolltet ihr einen Räuber fassen? Täglich bin ich mit euch im Tempel gewesen und habe die Leute öffentlich gelehrt, und ihr habt nichts unternommen, um mich festzunehmen." Nachdem Jesus gefesselt worden war, gab der Hauptmann aus Furcht, die Anhänger des Meisters könnten versuchen, ihn zu befreien, den Befehl, sie festzunehmen; aber die Soldaten waren nicht schnell genug, weil Jesu Anhänger des Hauptmanns Befehl zu ihrer Verhaftung gehört hatten und eiligst in die Schlucht zurück flohen. Die ganze Zeit über war Johannes Markus in der nahen Hütte eingeschlossen geblieben. Als die Wachen sich mit Jesus auf den Rückweg nach Jerusalem machten, versuchte Johannes Markus, sich aus der Hütte zu stehlen, um die fliehenden Apostel und Jünger einzuholen; aber gerade als er heraustrat, kam einer der letzten der zurückkehrenden Soldaten, die die fliehenden Jünger verfolgt hatten, ganz nah vorüber, und als er den jungen Mann in seinem leinenen Mantel erblickte, nahm er seine Verfolgung auf und holte ihn beinahe ein. Tatsächlich kam er nahe genug an Johannes heran, um seinen Mantel zu packen, aber der junge Mann befreite sich von seiner Bekleidung und entwischte nackt, während der Soldat den leeren Mantel in der Hand hielt. So schnell er konnte, lief Johannes Markus zu David Zebedäus auf dem oberen Weg. Nachdem er David berichtet hatte, was geschehen war, eilten sie beide zu den Zelten der schlafenden Apostel zurück und informierten alle acht über den Verrat und die Verhaftung des Meisters. Etwa zur gleichen Zeit, da sie die acht Apostel weckten, kehrten die, welche in die Schlucht hinauf geflohen waren, zurück, und nun versammelten sich alle in der Nähe der Ölpresse, um zu beraten, was zu tun sei. Unterdessen gingen Simon Petrus und Johannes Zebedäus, die sich zwischen den Olivenbäumen versteckt hatten, schon hinter dem Haufen von Soldaten, Wächtern und Bediensteten her, die Jesus jetzt nach Jerusalem zurückführten, als wäre er ein hoffnungsloser Verbrecher. Johannes ging dicht hinter dem Haufen, aber Petrus folgte erst in großer Entfernung. Nachdem Johannes Markus sich aus dem Griff des Soldaten befreit hatte, fand er im Zelt von Simon Petrus und Johannes Zebedäus einen Mantel und warf sich ihn über. Er vermutete, die Wächter würden Jesus zum Hause des Hannas führen, des Hohenpriesters im Ruhestand; also machte er einen Bogen durch die Olivenhaine und traf noch vor dem Haufen beim Palast des Hohenpriesters ein, wo er sich in der Nähe des Toreingangs versteckte. ***** 183.4 Die Besprechung bei der Ölpresse ***** Jakobus Zebedäus sah sich von Simon Petrus und seinem Bruder Johannes getrennt, und so schloss er sich jetzt den anderen Aposteln und ihren Lagergenossen bei der Ölpresse an, um zu beraten, was angesichts der Verhaftung des Meisters unternommen werden sollte. Andreas war aller Verantwortung für die Führung der Apostelgruppe enthoben worden; infolgedessen blieb er in dieser größten all ihrer Lebenskrisen still. Nach kurzem Gedankenaustausch bestieg Simon Zelotes die Steinmauer der Ölpresse und mit einem leidenschaftlichen Appell, dem Meister und der Sache des Königreichs treu zu bleiben, forderte er seine Mitapostel und die anderen Jünger auf, dem Haufen nachzueilen und Jesus zu befreien. Die Mehrzahl der Anwesenden wäre bereit gewesen, seiner aggressiven Führung zu folgen, wäre da nicht Nathanael mit seinem Rat gewesen. Kaum hatte Simon zu sprechen aufgehört, als er sich erhob und ihre Aufmerksamkeit auf Jesu oft wiederholte Lehren von der Widerstandslosigkeit lenkte. Er rief ihnen ferner in Erinnerung, dass Jesus sie eben noch in dieser Nacht dazu angehalten hatte, ihr Leben für jene Zeit zu bewahren, da sie in die Welt hinausziehen sollten, um die gute Nachricht des Evangeliums vom himmlischen Königreich zu verkünden. Und Nathanael wurde in seinem Standpunkt bestärkt durch Jakobus Zebedäus, der nun berichtete, wie Petrus und andere ihre Schwerter gezogen hatten, um den Meister gegen die Verhaftung zu verteidigen, und wie Jesus Petrus und seinen Mitstreitern geboten hatte, ihre Klingen einzustecken. Auch Matthäus und Philipp hielten Ansprachen, aber bei der Diskussion kam nichts Entscheidendes heraus, bis Thomas sie auf die Tatsache aufmerksam machte, dass Jesus Lazarus geraten hatte, sein Leben nicht aufs Spiel zu setzen, und darlegte, dass sie nichts tun konnten, um ihren Meister zu retten, da er seinen Freunden nicht erlaubte, ihn zu verteidigen und da er sich weiterhin weigerte, seine göttlichen Machtmittel einzusetzen, um seine menschlichen Feinde an ihrem Tun zu hindern. Thomas überzeugte sie, auseinander zu gehen, jeder für sich, während vereinbart wurde, dass David Zebedäus im Lager bleiben und hier für die Gruppe ein Koordinationszentrum und ein Botenhauptquartier aufrechterhalten solle. An diesem Morgen um halb drei Uhr war das Lager verlassen; nur David blieb mit drei oder vier Boten dort, denn die anderen waren ausgesandt worden, um Informationen darüber zu sammeln, wohin man Jesus gebracht hatte und was man mit ihm zu tun vorhatte. Fünf der Apostel, Nathanael, Matthäus, Philipp und die Zwillinge, tauchten in Bethphage und Bethanien unter. Thomas, Andreas, Jakobus und Simon Zelotes verbargen sich in der Stadt. Simon Petrus und Johannes Zebedäus folgten dem Zug bis zum Hause des Hannas. Kurz nach Tagesanbruch irrte Simon Petrus, ein trauriges Bild tiefer Verzweiflung, in das Lager Gethsemane zurück. David Zebedäus schickte ihn unter Obhut eines Boten zu seinem Bruder Andreas, der sich im Hause des Nikodemus in Jerusalem aufhielt. Wie Jesus ihm aufgetragen hatte, blieb Johannes Zebedäus bis zum Ende der Kreuzigung stets in seiner Nähe, und er war es, der Davids Boten von Stunde zu Stunde mit Nachrichten versorgte, die sie David zum Lager im Garten brachten und die dann an die Apostel in ihren Verstecken und an die Familie Jesu weitergeleitet wurden. Gewiss, der Hirt ist geschlagen und die Schafe sind versprengt! Zwar sind sie sich alle irgendwie bewusst, dass Jesus im voraus ihre Aufmerksamkeit gerade auf diese Situation gelenkt hat, aber der Schock über des Meisters plötzliches Verschwinden ist zu groß, als dass sie fähig wären, ihren Verstand normal zu gebrauchen. Es war kurz nach Tagesanbruch und gleich, nachdem Petrus zu seinem Bruder geschickt worden war, als Jude, Jesu leiblicher Bruder, der dem Rest der Familie vorausgeeilt war, nahezu außer Atem im Lager eintraf, nur um hier zu erfahren, dass der Meister bereits verhaftet worden sei; und er eilte auf der Straße nach Jericho zurück, um seiner Mutter und seinen Geschwistern die Nachricht zu bringen. Durch Jude ließ David Zebedäus der Familie Jesu ausrichten, sie solle sich im Hause von Martha und Maria in Bethanien versammeln und dort auf die Nachrichten warten, die seine Läufer ihr regelmäßig überbringen würden. Das war die Situation in der zweiten Hälfte der Nacht vom Donnerstag und in den frühen Morgenstunden des Freitags, soweit es die Apostel, die wichtigsten Jünger und Jesu irdische Familie betraf. Und der Kontakt zwischen all diesen Gruppen und Einzelpersonen wurde durch den Botendienst aufrechterhalten, den David Zebedäus weiter von seinem Hauptquartier im Lager Gethsemane aus leitete. ***** 183.5 Auf dem Weg zum Palast des Hohenpriesters ***** Bevor sie mit Jesus den Garten verließen, erhob sich zwischen dem jüdischen Hauptmann der Tempelwächter und dem römischen Hauptmann der Kompanie Soldaten ein Streit darüber, wohin sie Jesus bringen sollten. Der Hauptmann der Tempelwächter gab Order, man solle ihn vor Kajaphas, den amtierenden Hohenpriester, führen. Der Hauptmann der römischen Garde befahl, man solle Jesus zum Palast des Hannas, des früheren Hohenpriesters und Schwiegervaters von Kajaphas, schaffen. Und das tat er, weil die Römer gewohnt waren, bei allen Angelegenheiten, die mit dem Vollzug der jüdischen geistlichen Gesetze zu tun hatten, direkt mit Hannas zu verhandeln. Man gehorchte dem Befehl des römischen Hauptmanns, und Jesus wurde zu einer Voruntersuchung zum Hause des Hannas gebracht. Judas marschierte in der Nähe der Hauptleute und hörte alles mit an, was gesagt wurde. Er nahm aber an der Auseinandersetzung nicht teil, denn weder der jüdische Hauptmann noch der römische Offizier würdigten den Verräter eines Wortes, so sehr verachteten sie ihn. Etwa zu dieser Zeit erinnerte sich Johannes Zebedäus der Anweisung seines Meisters, immer in seiner Reichweite zu bleiben, und er schloss eiligst zu Jesus auf, der zwischen den beiden Hauptleuten ging. Als der Befehlshaber der Tempelwächter Johannes auf einmal neben sich erblickte, sagte er zu seinem Gehilfen: "Ergreife diesen Mann und fessle ihn. Er ist einer der Mitläufer dieses Kerls hier." Aber als der römische Hauptmann dies hörte, sich umschaute und Johannes erblickte, gab er Befehl, der Apostel solle zu ihm herüberkommen und niemand solle ihn behelligen. Dann sagte der römische Hauptmann zu dem jüdischen Hauptmann: "Dieser Mann ist weder ein Verräter noch ein Feigling. Ich habe ihn im Garten gesehen, und er hat nicht das Schwert gezogen, um uns Widerstand zu leisten. Er hat den Mut, sich vorzuwagen, um bei seinem Meister zu sein, und niemand soll Hand an ihn legen. Das römische Gesetz erlaubt, dass jeder Gefangene mindestens einen Freund bei sich habe, wenn er vor dem Richter steht, und dieser Mann soll nicht daran gehindert werden, an der Seite seines Meisters, des Gefangenen, zu bleiben." Als Judas das hörte, war er so beschämt und gedemütigt, dass er sich hinter die Marschierenden zurückfallen ließ und allein beim Palast des Hannas eintraf. Und das erklärt, weshalb es Johannes Zebedäus erlaubt war, in all den harten Prüfungen dieser Nacht und des nächsten Tages stets in Jesu Nähe zu bleiben. Die Juden wagten nicht, irgendetwas zu Johannes zu sagen oder ihn in irgendeiner Weise zu belästigen, weil er so etwas wie den Status eines römischen Beraters besaß, der zum Beobachter bei den Verhandlungen vor dem jüdischen geistlichen Gerichtshof bestimmt worden war. Die privilegierte Stellung von Johannes wurde noch mehr gefestigt, als der Römer am Eingang zum Palast des Hannas Jesus dem Hauptmann der Tempelwächter übergab, und dabei zu seinem Adjutanten sagte: "Begleite diesen Gefangenen und sorge dafür, dass die Juden ihn nicht ohne die Zustimmung von Pilatus töten. Wache darüber, dass sie ihn nicht ermorden, und sorge dafür, dass es seinem Freund, dem Galiläer, erlaubt wird, dabei zu sein und alles zu beobachten, was vor sich geht." Und so war Johannes in der Lage, die ganze Zeit bis zu Jesu Tod am Kreuz in seiner Nähe zu bleiben, während die anderen zehn Apostel gezwungen waren, sich versteckt zu halten. Johannes handelte unter römischem Schutz, und die Juden wagten es bis nach des Meisters Tod nicht, ihn zu belästigen. Und während des ganzen Weges bis zum Palast des Hannas kam kein Wort über Jesu Lippen. Vom Augenblick seiner Verhaftung bis zum Zeitpunkt seines Erscheinens vor Hannas sprach der Menschensohn kein Wort. ****** Kapitel 184 Vor dem Gericht des Sanhedrins ****** BEAUFTRAGTE des Hannas hatten den Hauptmann der römischen Soldaten insgeheim angewiesen, Jesus nach seiner Verhaftung unverzüglich in seinen Palast zu bringen. Der frühere Hohepriester wünschte sein Prestige als oberste geistliche Autorität der Juden aufrechtzuerhalten. Aber er hielt Jesus noch in anderer Absicht mehrere Stunden lang in seinem Hause fest: Er wollte Zeit gewinnen, um das Gericht des Sanhedrins dem Gesetz entsprechend einberufen zu können. Es war ungesetzlich, das Richterkollegium des Sanhedrins vor dem Zeitpunkt der Darbringung des Morgenopfers im Tempel zu versammeln, und dieses Opfer wurde etwa um drei Uhr in der Frühe dargebracht. Hannas wusste, dass ein Richtergremium aus Sanhedristen im Palast seines Schwiegersohnes Kajaphas wartete. An die dreißig Mitglieder des Sanhedrins hatten sich um Mitternacht im Hause des Hohenpriesters versammelt, um bereit zu sein, über Jesus zu Gericht zu sitzen, sobald er vor sie gebracht würde. Es waren nur jene Mitglieder zugegen, die in heftiger und offener Opposition zu Jesus und seinen Lehren standen, zumal dreiundzwanzig von ihnen genügten, um einen Gerichtshof zu bilden. Jesus verbrachte etwa drei Stunden im Palast des Hannas am Ölberg, nicht weit vom Garten Gethsemane, wo sie ihn verhaftet hatten. Johannes Zebedäus fühlte sich im Hause des Hannas nicht nur infolge der Weisung des römischen Hauptmanns frei und sicher, sondern auch, weil die älteren Bediensteten ihn und seinen Bruder Jakobus von vielen früheren Besuchen im Palast her gut kannten, war der ehemalige Hohepriester doch ein entfernter Verwandter ihrer Mutter Salome. ***** 184.1 Vernehmung durch Hannas ***** Mit seinem Reichtum aus den Tempeleinkünften, mit seinem Schwiegersohn als amtierendem Hohenpriester und mit seinen Beziehungen zu den römischen Behörden war Hannas in der Tat die mächtigste Person im ganzen Judentum. Er war ein sanfter und diplomatischer Planer und Ränkeschmied. Er wünschte, die Angelegenheit der Beseitigung Jesu selber zu leiten; er hatte Bedenken, ein derart wichtiges Unternehmen ganz seinem barschen und aggressiven Schwiegersohn zu überlassen. Hannas wollte sichergehen, dass der Prozess des Meisters in den Händen der Sadduzäer blieb; angesichts der Tatsache, dass praktisch alle Angehörigen des Sanhedrins, die für Jesu Sache eintraten, Pharisäer waren, befürchtete er, es könnte sich bei einigen von ihnen Sympathie regen. Hannas hatte Jesus einige Jahre lang nicht gesehen, nicht wieder, seit der Meister bei ihm zu Hause vorgesprochen und ihn sogleich wieder verlassen hatte, als er feststellte, wie kalt und reserviert er empfangen wurde. Hannas hatte daran gedacht, diese frühe Begegnung auszunutzen und so zu versuchen, Jesus zum Verzicht auf seine Prätentionen und zum Verlassen Palästinas zu bewegen. Es widerstrebte ihm, sich an der Ermordung eines guten Menschen zu beteiligen, und er war zu dem Schluss gekommen, Jesus könnte vielleicht eher wählen, das Land zu verlassen, als den Tod zu erleiden. Aber als Hannas sich dem kräftigen und entschlossenen Galiläer gegenüber sah, wusste er sofort, dass es unnütz wäre, solche Vorschläge zu machen. Jesus war von noch größerer Majestät und Gelassenheit, als er ihn in Erinnerung hatte. Als Jesus jung war, hatte sich Hannas sehr für ihn interessiert, aber jetzt sah er seine Einkünfte bedroht durch Jesu jüngste Tat, die Verjagung der Geldwechsler und Händler aus dem Tempel. Dieser Akt hatte in dem ehemaligen Hohenpriester weit größere Feindschaft geweckt als Jesu Lehren. Hannas betrat seinen weiten Audienzraum, setzte sich auf einen großen Stuhl und befahl, Jesus vor ihn zu bringen. Einige Augenblicke lang betrachtete er den Meister schweigend und sagte dann: "Es ist dir wohl klar, dass etwas gegen dein Lehren getan werden muss, da du den Frieden und die Ordnung in unserem Lande störst." Als Hannas Jesus fragend anblickte, schaute ihm der Meister gerade in die Augen, erwiderte aber nichts. Und wieder sprach Hannas: "Wie heißen deine Jünger abgesehen von Simon Zelotes, dem Unruhestifter?" Wieder schaute Jesus auf ihn herab, gab aber keine Antwort. Jesu Weigerung, seine Fragen zu beantworten, brachte Hannas in beträchtliche Verwirrung, so sehr, dass er zu ihm sagte: "Ist es dir einerlei, ob ich freundlich zu dir bin oder nicht? Scherst du dich nicht um die Macht, die ich habe, den Ausgang des dir bevorstehenden Prozesses zu bestimmen?" Als Jesus das hörte, sagte er: "Hannas, du weißt, dass du keine Macht über mich haben könntest, wenn mein Vater es nicht zuließe. Einige möchten den Menschensohn aus Unwissenheit umbringen; sie wissen es nicht besser, aber du, Freund, weißt, was du tust. Wie kannst du also das Licht Gottes zurückweisen?" Die freundliche Art, in der Jesus zu Hannas sprach, brachte diesen fast aus der Fassung. Aber er hatte bei sich bereits beschlossen, dass Jesus entweder Palästina verlassen oder sterben müsse. Und so nahm er seinen Mut zusammen und fragte: "Was genau versuchst du, das Volk zu lehren? Was zu sein erhebst du den Anspruch?" Jesus antwortete: "Du weißt sehr wohl, dass ich offen zu der Welt gesprochen habe. Ich habe in den Synagogen und viele Male im Tempel gelehrt, wo alle Juden und viele Heiden mich gehört haben. Ich habe nichts im Geheimen gesprochen. Weshalb fragst du mich dann nach meiner Lehre? Wieso bestellst du nicht jene vor dich, die mich gehört haben, und erkundigst dich bei ihnen? Sieh, ganz Jerusalem hat gehört, was ich gesprochen habe, auch wenn du selber diese Lehren nicht gehört hast." Aber noch bevor Hannas etwas erwidern konnte, schlug der Haushofmeister des Palastes, der daneben stand, Jesus mit der Hand ins Gesicht und sagte: "Wie kannst du es wagen, dem Hohenpriester in dieser Art zu antworten?" Hannas richtete kein Wort des Tadels an seinen Verwalter, aber Jesus wandte sich an ihn mit den Worten: "Mein Freund, wenn ich Übles gesagt habe, dann zeuge gegen das Üble: wenn ich aber die Wahrheit gesprochen habe, warum schlägst du mich dann?" Obwohl Hannas bedauerte, dass sein Verwalter Jesus geschlagen hatte, war er doch zu stolz, um der Sache Beachtung zu schenken. In seiner Verwirrung ging er in einen anderen Raum und ließ Jesus fast eine Stunde lang mit den Hausdienern und Tempelwächtern allein. Als er zurückkam, trat er auf Jesus zu und sagte: "Erhebst du den Anspruch, der Messias, der Befreier Israels zu sein?" Jesus sagte: "Hannas, du kennst mich seit meiner Jugendzeit. Du weißt, dass ich nichts anderes zu sein beanspruche als das, was mein Vater bestimmt hat, und dass ich zu allen Menschen gesandt worden bin, zu den Heiden wie zu den Juden." Da sagte Hannas: "Man hat mir gesagt, dass du behauptet hast, der Messias zu sein. Ist das wahr?" Jesus sah Hannas an, gab aber nur zur Antwort: "So hast du gesagt." Um diese Zeit kamen Boten vom Palast des Kajaphas an, um sich zu erkundigen, um welche Zeit Jesus vor das Gericht des Sanhedrins geführt würde, und da der Tagesanbruch näher kam, befand Hannas es für das Beste, Jesus gebunden und unter Aufsicht der Tempelwächter zu Kajaphas zu schicken. Er selbst folgte ihnen bald nach. ***** 184.2 Petrus im Palasthof ***** Als der Trupp von Wächtern und Soldaten sich dem Eingang zum Palast des Hannas näherte, ging Johannes Zebedäus an der Seite des Hauptmanns der römischen Soldaten. Judas hatte sich ein Stück zurückfallen lassen, und Simon Petrus folgte weit hinten nach. Nachdem Johannes mit Jesus und den Wächtern den Palasthof betreten hatte, kam Judas an das Tor; aber als er Jesus und Johannes erblickte, ging er zum Hause des Kajaphas weiter, wo, wie er wusste, später der richtige Prozess des Meisters stattfinden würde. Kurz nach Judas' Weggang traf Simon Petrus ein, und als er vor dem Tor stand, erblickte Johannes ihn gerade, als man im Begriff war, Jesus in den Palast zu führen. Die Pförtnerin am Tor kannte Johannes, und als er sich mit der Bitte an sie wandte, Petrus einzulassen, tat sie es gerne. Nachdem er den Hof betreten hatte, steuerte Petrus auf ein Holzkohlenfeuer zu und suchte sich zu wärmen, denn die Nacht war kühl. Er fühlte sich hier unter Jesu Feinden sehr fehl am Platze, und das war er in der Tat. Der Meister hatte ihm nicht wie Johannes aufgetragen, in seiner Nähe zu bleiben. Petrus gehörte zu den anderen Aposteln, die ausdrücklich gewarnt worden waren, ihr Leben während der Dauer des Prozesses und der Kreuzigung ihres Meisters nicht aufs Spiel zu setzen. Kurz bevor er beim Palasttor ankam, warf Petrus sein Schwert weg, so dass er den Hof des Hannas unbewaffnet betrat. In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander; er konnte es kaum fassen, dass Jesus verhaftet worden war. Er konnte die Realität der Situation nicht begreifen - dass er hier im Hofe des Hannas war und sich neben den Bediensteten des Hohenpriesters am Feuer wärmte. Er fragte sich, was die anderen Apostel wohl taten, überlegte hin und her, wie es kam, dass Johannes Einlass in den Palast erhalten hatte, und gelangte zu dem Schluss, es sei wohl, weil die Diener ihn kannten, da er die Türsteherin geheißen hatte, ihn, Petrus, einzulassen. Kurz nachdem die Türsteherin ihm geöffnet hatte, kam sie zu ihm herüber, während er sich am Feuer wärmte, und sagte schelmisch: "Bist du nicht auch einer der Jünger dieses Mannes?" Nun hätte Petrus über dieses Erkanntwerden nicht erstaunt sein dürfen, war es doch Johannes gewesen, der das Mädchen gebeten hatte, ihn durch das Palasttor einzulassen; aber er befand sich in einem derartigen Zustand nervöser Anspannung, dass die Identifizierung als Jünger ihn aus dem Gleichgewicht brachte und er, nur von einem einzigen Gedanken beherrscht - dem Gedanken, mit dem Leben davonzukommen - auf die Frage der Magd sogleich zur Antwort gab: "Bin ich nicht." Bald darauf trat eine andere Magd vor Petrus und fragte: "Habe ich dich nicht im Garten gesehen, als sie diesen Kerl verhafteten? Bist du nicht auch einer von seinen Anhängern?" Petrus war jetzt vollends bestürzt; er sah keinen Weg, wie er diesen Anklägerinnen heil entrinnen könnte; also stellte er jede Verbindung mit Jesus vehement in Abrede, indem er sagte: "Ich kenne diesen Mann nicht, noch bin ich einer seiner Anhänger." Kurz darauf zog die Pförtnerin Petrus zur Seite und sagte: "Ich bin sicher, dass du ein Jünger von diesem Jesus bist, nicht nur, weil einer seiner Anhänger mich gebeten hat, dich in den Hof einzulassen, sondern weil dich meine Schwester hier mit diesem Mann im Tempel gesehen hat. Warum stellst du es in Abrede?" Als Petrus hörte, wessen ihn die Magd bezichtigte, bestritt er unter viel Fluchen und Schwören, Jesus zu kennen und sagte wiederum: "Ich bin kein Anhänger dieses Mannes; ich kenne ihn nicht einmal; ich habe nie zuvor von ihm gehört." Petrus entfernte sich für eine Weile von der Feuerstelle und ging im Hof umher. Er wäre gerne geflohen, aber er hatte Angst, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Da ihm kalt wurde, kehrte er zur Feuerstelle zurück. Da sagte einer der herumstehenden Männer zu ihm: "Bestimmt bist du einer von den Jüngern dieses Mannes. Dieser Jesus ist ein Galiläer, und deine Sprache verrät dich, denn auch du sprichst wie ein Galiläer." Und erneut leugnete Petrus jede Verbindung mit seinem Meister. In seiner großen Verstörung suchte Petrus den Kontakt mit seinen Anklägern dadurch zu vermeiden, dass er sich vom Feuer weg begab und allein beim Portal blieb. Nach mehr als einer Stunde dieses Alleinseins trafen die Türhüterin und ihre Schwester zufällig auf ihn, und wiederum bezichtigten ihn beide unter Sticheleien, ein Anhänger Jesu zu sein. Und wiederum stritt er ab, wessen man ihn beschuldigte. Gerade als er erneut jede Verbindung mit Jesus geleugnet hatte, krähte der Hahn, und Petrus erinnerte sich der warnenden Worte, die sein Meister zuvor in derselben Nacht zu ihm gesprochen hatte. Als er so dastand, mit schwerem Herzen und von Schuldgefühlen niedergedrückt, gingen die Türen des Palastes auf und die Wächter führten Jesus auf dem Weg zu Kajaphas vorüber. Als der Meister an Petrus vorbeikam, sah er im Schein der Fackeln den Ausdruck von Verzweiflung auf dem Gesicht seines früher so selbstsicheren und oberflächlich mutigen Apostels, und er wandte sich um und sah Petrus an. Petrus vergaß diesen Blick zeit seines Lebens nicht. In diesem Blick mischten sich Mitleid und Liebe in einer Weise, wie kein sterblicher Mensch sie je auf dem Gesicht des Meisters gesehen hatte. Nachdem Jesus und die Wächter aus dem Palasttor geschritten waren, folgte Petrus ihnen nach, aber nur eine kurze Strecke. Er konnte nicht mehr weitergehen. Er setzte sich an den Straßenrand und weinte bitterlich. Und als er diese Tränen der Qual vergossen hatte, lenkte er seine Schritte zum Lager zurück, wo er seinen Bruder Andreas zu finden hoffte. Aber dort angekommen, fand er nur David Zebedäus. Dieser beauftragte einen Boten damit, ihn zu seinem Bruder zu führen, der sich in Jerusalem versteckt hielt. All das widerfuhr Petrus im Palasthof des Hannas am Ölberg. Er folgte Jesus nicht bis zum Palast des Hohenpriesters Kajaphas. Die Tatsache, dass ein Hahnenschrei Petrus zum Bewusstsein brachte, seinen Meister wiederholt verleugnet zu haben, zeigt, dass all das sich außerhalb von Jerusalem abspielte; denn es war gesetzeswidrig, im Stadtinnern Federvieh zu halten. Während Petrus vor dem Portal auf- und abging, um sich warm zuhalten, und bis der Hahnenschrei ihn zur Besinnung brachte, dachte er nur, wie geschickt er den Anschuldigungen der Bediensteten ausgewichen war und wie er ihre Absicht, ihn mit Jesus zu identifizieren, durchkreuzt hatte. Fürs Erste dachte er nur daran, dass diese Diener weder ein moralisches noch ein legales Recht hätten, ihn in dieser Weise auszufragen, und er beglückwünschte sich wirklich zu der Art und Weise, wie er es seiner Meinung nach vermieden hatte, identifiziert und womöglich verhaftet und ins Gefängnis geworfen zu werden. Erst als der Hahn krähte, fiel Petrus ein, dass er seinen Meister verleugnet hatte. Erst als Jesus ihn anschaute, wurde er sich bewusst, dass er seinen Privilegien eines Botschafters des Königreichs nicht gerecht geworden war. Nachdem er den ersten Schritt auf dem Pfad des Kompromisses und des geringsten Widerstandes getan hatte, sah Petrus keine andere Lösung mehr, als an dem einmal eingeschlagenen Kurs festzuhalten. Es bedarf eines großen und vornehmen Charakters, um nach einem Start in die falsche Richtung umzukehren und den richtigen Weg einzuschlagen. Allzu oft neigen wir dazu, unser Weitergehen auf dem irrtümlichen Pfad zu rechtfertigen, wenn wir ihn einmal betreten haben. Petrus glaubte nie ganz daran, dass ihm vergeben werden könnte, bis er seinem Meister nach der Auferstehung begegnete und sah, dass er von ihm genau so wie vor den Erfahrungen dieser tragischen Nacht der Verleugnungen angenommen wurde. ***** 184.3 Vor dem Gerichtshof der Sanhedristen ***** Es war etwa halb vier Uhr, als der Priesterführer Kajaphas an diesem Freitagmorgen das Untersuchungsgericht der Sanhedristen zur Ordnung rief und befahl, ihnen Jesus zu seinem förmlichen Prozess vorzuführen. Bei drei früheren Gelegenheiten hatte der Sanhedrin in Abstimmungen mit großer Mehrheit Jesu Tod dekretiert, hatte er auf Grund von informellen Anklagen, die auf Gesetzesbruch, Gotteslästerung und Verhöhnung der Traditionen der Väter Israels lauteten, entschieden, er verdiene den Tod. Dies war keine ordnungsgemäß einberufene Tagung des Sanhedrins, und sie fand nicht am üblichen Ort, im Saal aus behauenem Stein im Tempel, statt. Es war ein besonderes Prozessgremium von etwa dreißig Sanhedristen, die in den Palast des Hohenpriesters einberufen worden waren. Johannes Zebedäus war mit Jesus während dieses ganzen sogenannten Prozesses anwesend. Wie sehr schmeichelte es doch diesen höchsten Priestern, Schriftgelehrten, Sadduzäern und wenigen Pharisäern, dass Jesus, der ihre Stellung in Frage gestellt und ihre Autorität herausgefordert hatte, nun sicher in ihren Händen war! Und sie waren fest entschlossen, ihn nicht lebend aus ihrem Rachegriff zu entlassen. Gewöhnlich gingen die Juden mit großer Vorsicht vor, wenn sie jemanden wegen eines Kapitalverbrechens vor Gericht stellten, und sorgten für strikte Beachtung der Gerechtigkeit bei der Zeugenauswahl und der ganzen Prozessführung. Aber in diesem Fall war Kajaphas mehr Ankläger als unbefangener Richter. Jesus erschien vor diesem Gericht in seiner üblichen Kleidung und mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen. Der ganze Gerichtshof war überrascht und ziemlich verwirrt ob seiner majestätischen Erscheinung. Nie hatten sie einen solchen Gefangenen gesehen, noch eine derartige Selbstbeherrschung an einem Menschen festgestellt, dessen Leben bei dem Prozess auf dem Spiel stand. Das jüdische Gesetz verlangte, dass mindestens zwei Zeugen in irgendeinem Punkt übereinstimmen mussten, bevor gegen den Gefangenen Anklage erhoben werden konnte. Judas konnte nicht als Zeuge gegen Jesus benutzt werden, weil das jüdische Gesetz die Aussage eines Verräters ausdrücklich verbot. Mehr als zwanzig falsche Zeugen waren da, um gegen Jesus auszusagen, aber ihre Aussagen waren derart widersprüchlich und so offensichtlich frei erfunden, dass selbst die Sanhedristen sich dieses Schauspiels sehr schämten. Jesus stand da und schaute gütig auf die Meineidigen, und allein sein Gesichtsausdruck brachte die lügnerischen Zeugen aus der Fassung. Während all dieser falschen Aussagen sprach der Meister kein einziges Wort; er erwiderte nichts auf ihre vielen falschen Anschuldigungen. Zum ersten Mal näherten sich zwei Aussagen einer gewissen Übereinstimmung, als zwei Männer bezeugten, sie hätten Jesus während einer seiner Tempelreden sagen hören, er könne "diesen von Menschenhand erbauten Tempel zerstören und innerhalb dreier Tage einen nicht von Menschenhand gebauten errichten". Das war nicht genau das, was Jesus gesagt hatte, abgesehen davon, dass er auf seinen eigenen Körper gedeutet hatte, als er die betreffende Äußerung gemacht hatte. Obwohl der Hohepriester Jesus anschrie: "Antwortest du auf keine dieser Anklagen?", öffnete Jesus seinen Mund nicht. Er stand schweigend da, während all diese falschen Zeugen gegen ihn aussagten. Die Worte dieser Meineidigen waren so sehr von Hass, Fanatismus und skrupelloser Übertreibung gekennzeichnet, dass die Zeugnisse wegen ihrer Ungereimtheiten in sich selber zusammenfielen. Die beste Widerlegung ihrer falschen Anschuldigungen war das ruhige und erhabene Schweigen des Meisters. Hannas traf kurz nach Beginn der Anhörung der falschen Zeugen ein und nahm an Kajaphas' Seite Platz. Jetzt erhob er sich und argumentierte, dass diese Drohung Jesu, den Tempel zu zerstören, genüge, um gegen ihn in drei Punkten Anklage zu erheben: 1. Dass er ein gefährlicher Volksverführer sei. Dass er das Volk unmögliche Dinge lehre und es auf andere Weise täusche. 2. Dass er ein fanatischer Revolutionär sei, weil er zur Gewalt gegen den heiligen Tempel aufrufe; denn wie anders könnte er ihn zerstören? 3. Dass er Magie lehre, wenn er verspreche, einen neuen, nicht von Menschenhand gebauten Tempel zu errichten. Schon war sich der gesamte Sanhedrin darin einig geworden, dass Jesus sich Übertretungen des jüdischen Gesetzes habe zuschulden kommen lassen, die den Tod verdienten, aber ihre Hauptsorge war jetzt eher, Anklagepunkte auszuarbeiten, die sein Verhalten und seine Lehren betrafen und die Fällung eines Todesurteils gegen ihren Gefangenen durch Pilatus rechtfertigen würden. Sie waren sich bewusst, dass sie sich das Einverständnis des römischen Statthalters sichern mussten, bevor Jesus gesetzmäßig hingerichtet werden konnte. Hannas war geneigt, eine Linie zu verfolgen, die den Anschein erwecken sollte, als sei Jesus ein gefährlicher Lehrer, der nicht unter den Leuten gelassen werden durfte. Aber Kajaphas konnte den Anblick des Meisters, der in vollendeter Selbstbeherrschung und in ungebrochenem Schweigen dastand, nicht länger ertragen. Er dachte, wenigstens ein Mittel zu kennen, um den Gefangenen zum Sprechen zu bringen. Und so stürzte er auf Jesus zu, schüttelte vor des Meisters Angesicht einen anklagenden Drohfinger und sagte: "Im Namen des lebendigen Gottes beschwöre ich dich, uns zu sagen, ob du der Befreier, der Sohn Gottes, bist." Jesus antwortete Kajaphas: "Ich bin's. In Kürze gehe ich zum Vater, und alsbald wird der Menschensohn mit Macht ausgestattet sein und wieder über die himmlischen Heerscharen gebieten." Als der Hohepriester Jesus diese Worte sprechen hörte, geriet er außer sich vor Zorn und schrie, indem er sein Übergewand zerriss: "Was brauchen wir jetzt noch weitere Zeugen? Seht, jetzt habt ihr alle die Gotteslästerung dieses Mannes gehört. Was soll eurer Meinung nach mit diesem Gesetzesbrecher und Gotteslästerer geschehen?" Und sie alle antworteten wie aus einem Munde: "Er hat den Tod verdient; lasst ihn kreuzigen." Jesus hatte sich für keine Frage interessiert, die Hannas oder die Sanhedristen ihm stellten außer jener, die sich auf seine Mission der Selbsthingabe bezog. Auf die Frage, ob er der Sohn Gottes sei, antwortete er sogleich und unzweideutig mit Ja. Hannas wünschte, dass der Prozess weitergehe und dass eindeutige Anklagepunkte bezüglich Jesu Haltung gegenüber römischem Gesetz und römischen Institutionen formuliert würden, um sie dann Pilatus vorzulegen. Die Ratsmitglieder waren darauf bedacht, diese Angelegenheit zu einem raschen Ende zu bringen, nicht nur, weil es der Vorbereitungstag für das Passahfest war und nach der Mittagsstunde keine weltliche Arbeit getan werden durfte, sondern auch aus Furcht, Pilatus könnte sich jederzeit nach Cäsarea, der römischen Hauptstadt von Judäa, zurückbegeben; denn er hielt sich nur gerade für die Passahfeierlichkeiten in Jerusalem auf. Aber es gelang Hannas nicht, den Gerichtshof unter Kontrolle zu behalten. Nachdem Jesus Kajaphas auf so unerwartete Art geantwortet hatte, trat der Hohepriester vor und schlug ihm mit der Hand ins Gesicht. Hannas war richtig schockiert, als die übrigen Gerichtsmitglieder beim Verlassen des Raums Jesus ins Gesicht spuckten und viele von ihnen ihn voller Hohn mit der flachen Hand schlugen. Und so ging diese erste Sitzung im Prozess der Sanhedristen gegen Jesus um halb fünf in Unordnung und nie da gewesener Verwirrung zu Ende. Dreißig voreingenommene und durch die Tradition verblendete falsche Richter mit ihren falschen Zeugen maßen sich an, über den gerechten Schöpfer eines Universums zu Gericht zu sitzen. Und diese leidenschaftlichen Ankläger geraten angesichts des majestätischen Schweigens und der großartigen Haltung dieses Gottmenschen in Wut. Sein Schweigen ist unerträglich, und sein Reden ist eine unerschrockene Herausforderung. Ihre Drohungen lassen ihn unberührt und ihre Angriffe schüchtern ihn nicht ein. Die Menschen sitzen über Gott zu Gericht, aber auch dann noch liebt er sie und möchte sie retten, wenn er könnte. ***** 184.4 Die Stunde der Erniedrigung ***** Das jüdische Gesetz verlangte, dass das Gericht bei Verhängung der Todesstrafe zweimal zusammenzutreten hatte. Die zweite Sitzung musste am Tag nach der ersten abgehalten werden, und die Zwischenzeit hatten die Mitglieder des Gerichtshofs mit Fasten und Trauern zu verbringen. Aber diese Männer mochten nicht bis zum nächsten Tag warten, um ihren Entschluss zu bestätigen, Jesus müsse sterben. Sie warteten nur eine Stunde. In der Zwischenzeit ließen sie Jesus im Audienzsaal im Gewahrsam der Tempelwächter, die sich zusammen mit den Dienern des Hohenpriesters damit vergnügten, Demütigung über Demütigung auf den Menschensohn zu häufen. Sie verlachten ihn, bespuckten ihn und stießen ihn grausam herum. Sie schlugen ihm mit einer Rute ins Gesicht und sagten dann: "Du, der Befreier, prophezeie uns, wer dich geschlagen hat." Und so trieben sie es eine volle Stunde lang, indem sie diesen Mann aus Galiläa, der keinen Widerstand leistete, verhöhnten und misshandelten. Während dieser tragischen Stunde des Leidens und unerträglicher Verspottung durch die unwissenden und gefühllosen Wächter und Diener wartete Johannes Zebedäus in einsamem Entsetzen in einem Nebenraum. Als die Misshandlungen begannen, gab Jesus Johannes mit einem Kopfnicken zu verstehen, er solle sich zurückziehen. Der Meister wusste sehr wohl, dass, erlaubte er seinem Apostel, im Raum zu bleiben und Zeuge der Abscheulichkeiten zu werden, dieser innerlich so aufgewühlt würde, dass es zu einem Ausbruch empörten Protestes käme, der wahrscheinlich seinen Tod zur Folge hätte. Diese ganze entsetzliche Stunde hindurch sagte Jesus kein Wort. Für diese sanftmütige und empfindsame menschliche Seele, die in persönlicher Verbindung mit dem Gott des ganzen Universums stand, war kein Schluck aus dem Kelch seiner Demütigung bitterer als diese furchtbare Stunde des Ausgeliefertseins an die unwissenden und grausamen Wächter und Diener, welche das Beispiel der Mitglieder dieses sogenannten Gerichts aus Sanhedristen dazu ermuntert hatte, ihn zu misshandeln. Es ist unmöglich, dass ein menschliches Herz sich den Schauder der Entrüstung vorstellen kann, der ein riesiges Universum durchlief, als sich den himmlischen Intelligenzen dieser Anblick ihres geliebten Herrschers bot, der sich dem Willen seiner unwissenden und irregeleiteten Geschöpfe auf dem durch die Sünde verdunkelten, unglücklichen Erdball Urantia unterwarf. Was ist das für ein tierischer Wesenszug des Menschen, der ihn veranlasst, das beleidigen und physisch angreifen zu wollen, was er geistig nicht erreichen und intellektuell nicht vollbringen kann? Im halbzivilisierten Menschen lauert immer noch eine böse Brutalität, die sich an denen abzureagieren sucht, die ihm an Weisheit und Geistigkeit überlegen sind. Seht euch die böse Rohheit und brutale Grausamkeit dieser angeblich zivilisierten Menschen an, die eine gewisse Art tierischer Freude an ihren physischen Angriffen auf den widerstandslosen Menschensohn fanden. Als diese Beleidigungen, Spöttereien und Schläge auf Jesus niedergingen, wehrte er sich nicht, aber er war nicht wehrlos. Jesus war nicht besiegt, er kämpfte nur nicht im materiellen Sinne. Das sind die Augenblicke der größten Siege des Meisters in seinem langen und ereignisreichen Werdegang als Schöpfer, Erhalter und Erlöser eines sich ins Unermessliche dehnenden Universums. Jesus hat bis ins Kleinste ein Leben gelebt, das den Menschen Gott offenbart, und unternimmt es jetzt, Gott eine neue und beispiellose Offenbarung des Menschen zu geben. Jesus offenbart den Welten jetzt den endgültigen Triumph über alle Ängste, die aus der Isolation der Geschöpfespersönlichkeit erwachsen. Der Menschensohn hat seine Identität mit dem Gottessohn endgültig verwirklicht. Jesus zögert nicht zu erklären, er und der Vater seien eins. Und aufgrund der Tatsache und Wahrheit dieser höchsten und göttlichen Erfahrung ruft er jeden auf, der an das Königreich glaubt, mit ihm eins zu werden, wie er und sein Vater eins sind. Die lebendige Erfahrung in der Religion Jesu wird damit zur sicheren und verbürgten Methode, durch welche die geistig abgetrennten und kosmisch einsamen Sterblichen der Erde in die Lage versetzt werden, der Isolation der Persönlichkeit samt allen damit verbundenen Ängsten und verwandten Gefühlen der Hilflosigkeit zu entrinnen. In den brüderlichen Realitäten des Königreichs des Himmels finden die Glaubenssöhne Gottes sowohl persönlich wie planetarisch endgültige Erlösung von der Isolation des Selbst. Der Gläubige, der Gott kennt, macht in wachsendem Maße die Erfahrung der Ekstase und Größe der geistigen Sozialisierung im universellen Maßstab - der himmlischen Staatsbürgerschaft verbunden mit der ewigen Verwirklichung der göttlichen Bestimmung, Vollkommenheit zu erreichen. ***** 184.5 Die zweite Sitzung des Gerichts ***** Um halb sechs Uhr versammelte sich das Gericht von neuem, und Jesus wurde in den Nebenraum geführt, wo Johannes wartete. Hier bewachten der römische Soldat und die Tempelwächter Jesus, während das Gericht mit der Formulierung der Anklagepunkte begann, die man Pilatus vorlegen wollte. Hannas machte seinen Kollegen klar, dass der Vorwurf der Gotteslästerung bei Pilatus kein Gewicht haben würde. Judas war während dieser zweiten Ratssitzung zugegen, machte aber keine Aussage. Diese Sitzung des Gerichts dauerte nicht länger als eine halbe Stunde, und als sie sie aufhoben, um vor Pilatus zu gehen, hatten sie eine Anklage gegen Jesus in drei Punkten abgefasst, für welche er den Tod verdiene: 1. Er verderbe die jüdische Nation; er täusche das Volk und stachle es zur Rebellion an. 2. Er lehre das Volk, die Zahlung des Tributs an Caesar zu verweigern. 3. Indem er von sich behaupte, ein König und Begründer einer neuen Art von Königreich zu sein, sporne er zum Verrat am Kaiser an. Diese ganze Prozedur war irregulär und gänzlich wider die jüdischen Gesetze: Keine zwei Zeugen waren sich in irgendetwas einig mit Ausnahme derjenigen, die bezüglich Jesu Erklärung aussagten, er werde den Tempel zerstören und ihn in drei Tagen wieder aufbauen. Und auch was diesen Punkt anbelangt, sprachen keine Zeugen für die Verteidigung, noch wurde Jesus aufgefordert zu erklären, was er damit gemeint habe. Der einzige Anklagepunkt, aufgrund dessen das Gericht ihn folgerichtig hätte verurteilen können, war derjenige der Gotteslästerung, und dieser hätte ausschließlich auf seinem eigenen Zeugnis beruht. Sogar im Punkt der Gotteslästerung unterließen sie es, in aller Form über das Todesurteil abzustimmen. Und nun maßten sie sich an, drei Beschuldigungen zu formulieren und damit vor Pilatus zu treten, zu denen keine Zeugen angehört worden waren und über die sie sich in Abwesenheit des angeklagten Gefangenen geeinigt hatten. Nachdem das geschehen war, verabschiedeten sich drei der Pharisäer; sie wünschten zwar Jesu Beseitigung, aber sie wollten gegen ihn keine Anklagen ohne Zeugen und in seiner Abwesenheit erheben. Jesus erschien nicht wieder vor dem Gericht der Sanhedristen. Sie wollten sein Gesicht nicht noch einmal sehen, während sie über sein unschuldiges Leben zu Gericht saßen. Jesus (als Mensch) erfuhr von ihren offiziellen Anklagen erst, als Pilatus sie verlas. Während Jesus mit Johannes und den Wächtern im Nebenraum war und das Gericht zum zweiten Mal beriet, kamen einige Frauen aus dem Palast des Hohenpriesters mit ihren Freundinnen, um sich den seltsamen Häftling anzusehen; und eine von ihnen fragte ihn: "Bist du der Messias, der Sohn Gottes?" Und Jesus antwortete: "Wenn ich es dir sage, wirst du mir nicht glauben; und wenn ich dich frage, wirst du nicht antworten." An diesem Morgen um sechs Uhr wurde Jesus vom Hause des Kajaphas weggeführt, um vor Pilatus zur Bestätigung des Todesurteils zu erscheinen, welches das Gericht der Sanhedristen in so ungerechter und regelwidriger Weise über ihn gefällt hatte. ****** Kapitel 185 Der Prozess vor Pilatus ****** KURZ nach sechs Uhr früh an diesem Freitag, dem 7. April 30 wurde Jesus vor Pilatus, den römischen Prokurator gebracht, der Judäa, Samaria und Idumäa unter der unmittelbaren Oberaufsicht des Legaten von Syrien regierte. Der Meister wurde von den Tempelwächtern gebunden vor den römischen Statthalter geführt. Etwa fünfzig seiner Ankläger begleiteten ihn - unter ihnen die Sanhedristen des Gerichts (in der Hauptsache Sadduzäer), Judas Iskariot und der Hohepriester Kajaphas - und der Apostel Johannes. Hannas erschien nicht vor Pilatus. Pilatus war schon aufgestanden und bereit, diese frühmorgendlichen Besucher zu empfangen, da jene, welche am Vorabend seine Einwilligung eingeholt hatten, zur Verhaftung des Menschensohnes die römischen Soldaten einzusetzen, ihn hatten wissen lassen, dass man Jesus in der Frühe vor ihn bringen würde. Es war vorgesehen, diesen Prozess vor dem Prätorium, einem Anbau an die Festung Antonia, abzuhalten, welche Pilatus und seiner Frau als Hauptquartier diente, wenn sie in Jerusalem Halt machten. Pilatus verhörte Jesus zwar zum großen Teil in der Prätoriumshalle, aber der öffentliche Prozess wurde draußen auf den Stufen abgehalten, die zum Haupteingang hinaufführten. Dies war eine Konzession an die Juden, die sich weigerten, irgendein heidnisches Gebäude zu betreten, in dem an diesem Tag der Passahvorbereitung möglicherweise Sauerteig verwendet wurde. Eine solche Handlung hätte sie nicht nur in zeremonieller Hinsicht unrein gemacht und sie von der Teilnahme am nachmittäglichen Dankesfest ausgeschlossen, sondern sie auch genötigt, sich nach Sonnenuntergang Reinigungszeremonien zu unterwerfen, um zur Teilnahme am Passahabendmahl berechtigt zu sein. Obwohl diese Juden bei ihrem intriganten Treiben, an Jesus einen Justizmord zu begehen, überhaupt kein schlechtes Gewissen hatten, waren sie doch in allem peinlich genau, was zeremonielle Reinheit und traditionelle Ordnung betraf. Und diese Juden sind nicht die einzigen gewesen, um bei aller Unfähigkeit, hohe und heilige Verpflichtungen göttlicher Natur zu erkennen, akribisch auf Dinge zu achten, die für das menschliche Wohlergehen in der Zeit und in der Ewigkeit kaum Bedeutung haben. ***** 185.1 Pontius Pilatus ***** Wäre Pontius Pilatus nicht ein recht guter Statthalter über kleinere Provinzen gewesen, hätte ihn Tiberias wohl kaum zehn Jahre lang im Amt eines Prokurators von Judäa geduldet. Er war zwar ein ziemlich guter Verwalter, aber in moralischer Hinsicht ein Feigling. Er besaß nicht die nötige menschliche Größe, um das Wesen seiner Aufgabe als Statthalter bei den Juden zu erfassen. Er war nicht imstande, die Tatsache zu begreifen, dass diese Hebräer eine wirkliche Religion besaßen, einen Glauben, für den sie zu sterben bereit waren, und dass Millionen und Abermillionen von ihnen, die überall im Kaiserreich verstreut lebten, nach Jerusalem als dem Heiligtum ihres Glaubens schauten und den Sanhedrin als höchsten Gerichtshof auf Erden respektierten. Pilatus liebte die Juden nicht, und dieser tief wurzelnde Hass begann sich schon früh zu zeigen. Von allen römischen Provinzen war keine schwieriger zu regieren als Judäa. Pilatus begriff die mit der Führung der Juden zusammenhängenden Probleme nie wirklich und machte deshalb in seiner Statthalterpraxis gleich zu Beginn eine Reihe von beinahe verhängnisvollen und fast selbstmörderischen Fehlern. Es waren gerade diese Fehler, die den Juden solche Macht über ihn gaben. Wenn sie seine Entscheidungen beeinflussen wollten, brauchten sie nur mit einer Volkserhebung zu drohen, und Pilatus kapitulierte sofort. Und dieser offenkundige Wankelmut oder Mangel an sittlichem Mut des Prokurators beruhte hauptsächlich auf der Erinnerung an eine Anzahl von Auseinandersetzungen, die er mit den Juden gehabt hatte und die allesamt mit seiner Niederlage geendet hatten. Die Juden wussten, dass Pilatus vor ihnen Angst hatte, dass er bei Tiberius um seine Stellung fürchtete, und sie bedienten sich dieses Wissens bei zahlreichen Gelegenheiten sehr zum Nachteil des Statthalters. Der Grund, weshalb Pilatus bei den Juden in Ungnade fiel, lag in einer Reihe von unglücklichen Zusammenstößen. Zunächst einmal nahm er ihren tiefsitzenden Widerwillen gegen alle Bildnisse, in denen sie Symbole von Götzenverehrung erblickten, nicht ernst. So erlaubte er seinen Soldaten, in Jerusalem einzuziehen, ohne die Bildnisse von Caesar von ihren Bannern zu entfernen, wie es unter seinem Vorgänger bei den römischen Soldaten üblich gewesen war. Eine große Abordnung von Juden wartete fünf Tage lang auf Pilatus und flehte ihn an, diese Bilder von den militärischen Standarten entfernen zu lassen. Er weigerte sich kategorisch, ihre Bitte zu erfüllen, und drohte ihnen mit sofortigem Tod. Pilatus, selbst ein Skeptiker, konnte nicht verstehen, dass Menschen mit starken religiösen Gefühlen nicht zögern, für ihre religiösen Überzeugungen zu sterben; und deshalb war er bestürzt, als diese Juden herausfordernd vor seinen Palast zogen, ihre Gesichter zur Erde beugten und ausrichten ließen, sie seien bereit zu sterben. Da erkannte Pilatus, dass er eine Drohung ausgestoßen hatte, die wahrzumachen er nicht gewillt war. Er kapitulierte, befahl, die Bilder von den Bannern seiner Soldaten in Jerusalem zu entfernen, und war von diesem Tag an weitgehend den Launen der jüdischen Führer unterworfen, die bei dieser Gelegenheit seine Schwäche entdeckt hatten, mit Dingen zu drohen, die auszuführen er sich nicht getraute. Im Nachhinein entschloss sich Pilatus, sein verlorenes Prestige zurückzugewinnen, indem er die Wappenschilder des Kaisers, wie sie im Kaiserkult allgemein verwendet wurden, an den Mauern des Herodespalastes in Jerusalem anbringen ließ. Als die Juden protestierten, blieb er eisern. Angesichts seiner Weigerung, ihren Protesten Gehör zu schenken, appellierten sie unverzüglich an Rom, und der Kaiser befahl ebenso unverzüglich, die beleidigenden Schilder zu entfernen. Und da sank das Ansehen des Pilatus noch tiefer als zuvor. Noch etwas anderes machte ihn bei den Juden äußerst unbeliebt: Er wagte es, dem Tempelschatz Geld für den Bau eines neuen Aquädukts zu entnehmen, um den Millionen, die Jerusalem zu den Zeiten der großen religiösen Feste besuchten, mehr Wasser zur Verfügung stellen zu können. Die Juden waren der Ansicht, dass nur der Sanhedrin die Tempelgelder ausgeben könne, und sie wurden nie müde, Pilatus wegen dieser anmaßenden Verfügung zu beschimpfen. Seine Entscheidung hatte mindestens zwanzig Aufstände und viel Blutvergießen zur Folge. Die letzte dieser ernsten Erhebungen endete mit der Niedermetzelung einer großen Gruppe von Galiläern sogar während ihrer Andacht vor dem Altar. Es ist bedeutungsvoll, dass derselbe wankelmütige römische Herrscher, der Jesus aus Angst vor den Juden und zur Sicherung seiner persönlichen Stellung opferte, schließlich abgesetzt wurde wegen der unnötigen Niedermetzelung von Samaritanern im Zusammenhang mit den Ansprüchen eines falschen Messias, der seine Scharen auf den Berg Gerizim führte, wo seiner Behauptung nach die Tempelgefäße vergraben worden waren; und wilde Tumulte brachen aus, als er außerstande war, das Versteck der heiligen Gefäße wie versprochen anzugeben. Diese Episode hatte zur Folge, dass der Legat von Syrien Pilatus nach Rom beorderte. Tiberius starb, während Pilatus nach Rom unterwegs war, und er wurde nicht wieder zum Prokurator von Judäa ernannt. Er erholte sich nie ganz von der Reue und Verdammnis, in die Kreuzigung Jesu eingewilligt zu haben. Da er vor den Augen des neuen Kaisers keine Gnade fand, zog er sich in die Provinz von Lausanne zurück, wo er später Selbstmord beging. Claudia Procula, die Frau des Pilatus, hatte durch ihre Kammerzofe, eine Phönizierin, die an das Evangelium vom Königreich glaubte, viel von Jesus gehört. Nach dem Tod des Pilatus war Claudia führend an der Verbreitung der guten Nachricht beteiligt. Und all das erklärt manches von dem, was sich an diesem tragischen Freitagvormittag abspielte. Man versteht jetzt leicht, weshalb die Juden sich anmaßten, Pilatus zu diktieren - ihn um sechs Uhr früh aufstehen zu lassen, um Jesus zu verhören - und ebenfalls, weshalb sie nicht davor zurückschreckten, ihm anzudrohen, ihn beim Kaiser des Verrats zu bezichtigen, wenn er es wagen sollte, ihrer Forderung nach Jesu Tod nicht stattzugeben. Ein würdiger römischer Statthalter, dessen Verhältnis zu den Führern der Juden nicht gestört gewesen wäre, hätte diesen blutrünstigen religiösen Fanatikern niemals erlaubt, einen Mann dem Tod zu überantworten, von dem er selber erklärt hatte, er sei ohne Makel und der gegen ihn erhobenen falschen Anklagen unschuldig. Rom beging einen sehr groben Fehler, einen für die irdischen Angelegenheiten folgenschweren Irrtum, als es den mittelmäßigen Pilatus nach Palästina entsandte, um es zu regieren. Tiberius wäre besser beraten gewesen, den Juden den besten Provinzialverwalter des Kaiserreichs zu schicken. ***** 185.2 Jesus erscheint vor Pilatus ***** Nachdem sich Jesus und seine Ankläger vor der Gerichtshalle des Pilatus eingefunden hatten, kam der römische Statthalter heraus und wandte sich an die Schar der Versammelten mit der Frage: "Was für eine Anklage erhebt ihr gegen diesen Mann?" Die Sadduzäer und Ratsmitglieder, die es auf sich genommen hatten, Jesus aus dem Wege zu räumen, hatten beschlossen, vor Pilatus zu gehen und die Bestätigung des über Jesus verhängten Todesurteils zu verlangen, ohne eine bestimmte Anklage zu erheben. Deshalb gab der Sprecher des Sanhedristengerichts Pilatus zur Antwort: "Wenn dieser Mann kein Übeltäter wäre, hätten wir ihn dir nicht übergeben." Als Pilatus feststellte, dass sie sich dagegen sträubten, ihre Anklagepunkte gegen Jesus bekannt zu geben, obwohl er wusste, dass sie die ganze Nacht mit Beratungen über seine Schuld zugebracht hatten, antwortete er ihnen: "Wenn ihr euch auf keine bestimmte Beschuldigung geeinigt habt, warum nehmt ihr diesen Mann nicht und richtet ihn gemäß euren eigenen Gesetzen?" Da sprach der Gerichtsschreiber des Sanhedrins zu Pilatus: "Das Gesetz erlaubt uns nicht, irgendjemanden hinzurichten, und dieser Störer unseres Volksfriedens verdient den Tod für die Dinge, die er gesagt und getan hat. Deshalb sind wir zur Bestätigung dieses Urteils vor dich getreten." Mit einem solchen Ausweichmanöver vor den römischen Statthalter zu treten, verrät ebenso sehr das Übelwollen und die bösen Gefühle der Sanhedristen gegenüber Jesus wie ihren Mangel an Respekt vor des Pilatus Gerechtigkeitssinn, Ehre und Würde. Welche Dreistigkeit dieser Untertanen-Bürger, vor ihrem Provinzstatthalter zu erscheinen und von ihm einen Exekutionsbefehl gegen einen Mann zu > verlangen, noch bevor sie diesem einen fairen Prozess gewährt haben und sogar ohne ihn eines bestimmten Verbrechens anzuklagen! Pilatus wusste einiges über Jesu Wirken unter den Juden, und er nahm an, dass die Anklagen, die gegen ihn erhoben werden könnten, etwas mit Verletzungen der jüdischen geistlichen Gesetze zu tun hatten; deshalb versuchte er, den Fall an ihr eigenes Tribunal zurückzuweisen. Außerdem genoss Pilatus es, dass sie öffentlich ihre Machtlosigkeit eingestehen mussten, ein Todesurteil sogar gegen einen Angehörigen ihrer eigenen Rasse zu fällen und zu vollstrecken, gegen den sie bitteren, neidischen Hass und Verachtung entwickelt hatten. Nur wenige Stunden zuvor, kurz vor Mitternacht, nachdem er die Erlaubnis erteilt hatte, für die heimliche Verhaftung Jesu römische Soldaten einzusetzen, hatte Pilatus von seiner Frau Claudia mehr über Jesus und seine Lehre erfahren. Claudia war halb zum Judaismus übergetreten und glaubte später von ganzer Seele an Jesu Evangelium. Pilatus hätte die Verhandlung gerne verschoben, aber er sah, dass die jüdischen Führer entschlossen waren, die Behandlung des Falls fortzusetzen. Er wusste, dass man sich an diesem Vormittag nicht nur auf Passah vorbereitete, sondern dass dieser Tag, ein Freitag, auch der Vorbereitungstag auf den jüdischen Sabbat der Ruhe und Anbetung war. Pilatus, der das respektlose Vorgehen dieser Juden stark empfand, war nicht willens, ihrem Verlangen, Jesus ohne Prozess zum Tode zu verurteilen, stattzugeben. Deshalb wartete er einige Augenblicke, damit sie ihre Anklagen gegen den Gefangenen vorbringen konnten. Dann wandte er sich mit den Worten an sie: "Ich werde diesen Mann nicht ohne Prozess zum Tode verurteilen; ebenso wenig bin ich bereit, ihn zu vernehmen, solange ihr mir die gegen ihn erhobenen Anklagen nicht schriftlich unterbreitet habt." Als der Hohepriester und die anderen ihn das sagen hörten, gaben sie dem Gerichtsschreiber ein Zeichen, worauf dieser Pilatus die geschriebenen Anklagepunkte gegen Jesus überreichte. Und diese lauteten: "Das Tribunal der Sanhedristen befindet, dass dieser Mann ein Übeltäter ist und den Frieden unserer Nation gefährdet, weil er sich schuldig gemacht hat: 1. Unsere Nation zu verführen und unser Volk zur Rebellion anzustiften. 2. Den Leuten zu verbieten, Caesar den Tribut zu zahlen. 3. Sich selber `König der Juden' zu nennen und die Gründung eines neuen Königreichs zu lehren." In keinem dieser Punkte war Jesus nach den Regeln verhört, noch gesetzlich für schuldig erklärt worden. Er hörte die Anklagen nicht einmal, als sie zum ersten Mal verlesen wurden; aber Pilatus ließ ihn vom Prätorium, wo er sich in der Obhut der Wachen befand, herbeiholen, und bestand darauf, dass die Anklagen in Jesu Gegenwart wiederholt würden. Als Jesus diese Beschuldigungen vernahm, wusste er wohl, dass man ihn vor dem jüdischen Gericht in diesen Angelegenheiten nicht angehört hatte, und ebenso wussten es Johannes Zebedäus und seine Ankläger, aber er erwiderte nichts auf ihre falschen Anklagen. Auch als Pilatus ihm gebot, seinen Anklägern zu antworten, öffnete er seinen Mund nicht. Pilatus war über die Ungerechtigkeit des ganzen Verfahrens derart erstaunt und von Jesu Schweigen und seiner vollendeten Haltung so beeindruckt, dass er beschloss, den Gefangenen ins Innere der Halle zu führen und ihn dort privat zu vernehmen. Die Gedanken des Pilatus gingen wirr durcheinander, innerlich fürchtete er die Juden, und sein Geist wurde stark bewegt durch den Anblick Jesu, der da hoheitsvoll vor seinen blutrünstigen Anklägern stand und sie unverwandt anschaute, nicht etwa in schweigender Verachtung, sondern mit einem Ausdruck echten Erbarmens und bekümmerter Liebe. ***** 185.3 Die private Vernehmung durch Pilatus ***** Pilatus nahm Jesus und Johannes Zebedäus in einen Privatraum mit, während er die Wachen draußen in der Halle stehen ließ, und bat den Gefangenen, sich zu setzen, worauf er an seiner Seite Platz nahm und mehrere Fragen an ihn richtete. Pilatus begann sein Gespräch mit Jesus, indem er ihm versicherte, dass er dem ersten Punkt der Anklage, er sei ein Verführer des Volks und stifte es zur Auflehnung an, keinen Glauben schenke. Dann fragte er: "Hast du je gelehrt, Cäsar den Tribut zu verweigern?" Jesus wies auf Johannes und sagte: "Frage ihn oder sonst irgendwen, der mich lehren gehört hat." Da wandte sich Pilatus wegen dieser Tributfrage an Johannes, und dieser legte Zeugnis ab von seines Meisters Lehre und erklärte, dass Jesus und seine Apostel sowohl Cäsar als auch dem Tempel Steuern zahlten. Nachdem er Johannes befragt hatte, sagte Pilatus zu ihm: "Hüte dich davor, jemandem zu sagen, dass ich mit dir gesprochen habe." Und Johannes behielt diese Angelegenheit stets für sich. Jetzt wandte sich Pilatus wieder Jesus zu, um ihm weitere Fragen zu stellen, und sagte: "Und nun zu der dritten Anklage gegen dich, bist du der König der Juden?" Da so etwas wie ehrliches Forschen in Pilatus' Stimme mitklang, lächelte Jesus dem Statthalter zu und sagte: "Pilatus, fragst du das von dir aus, oder übernimmst du diese Frage von den anderen, von meinen Anklägern?" Worauf der Statthalter im Tone einer gewissen Entrüstung erwiderte: "Bin ich ein Jude? Dein eigenes Volk und die höchsten Priester haben dich ausgeliefert und von mir verlangt, dich zum Tode zu verurteilen. Ich ziehe die Gültigkeit ihrer Anschuldigungen in Zweifel, und ich versuche nur, für mich selber herauszufinden, was du getan hast. Sag mir, hast du gesagt, du seiest der König der Juden, und hast du versucht, ein neues Königreich zu gründen?" Da sagte Jesus zu Pilatus: "Erkennst du nicht, dass mein Königreich nicht von dieser Welt ist? Wäre mein Königreich von dieser Welt, dann würden meine Jünger bestimmt kämpfen, damit ich den Juden nicht in die Hände falle. Meine Gegenwart hier vor dir in diesen Fesseln genügt, um allen Menschen zu zeigen, dass mein Königreich eine geistige Herrschaft ist, eben die Bruderschaft der Menschen, die durch den Glauben und die Liebe Söhne Gottes geworden sind. Und dieses rettende Heil ist ebenso sehr für die Heiden wie für die Juden." "So bist du also doch ein König?" sagte Pilatus. Und Jesus antwortete: "Ja, ich bin ein solcher König, und mein Königreich ist die Familie der Glaubenssöhne meines Vaters, der im Himmel wohnt. Gerade dazu bin ich in diese Welt hineingeboren worden, dass ich allen Menschen meinen Vater zeige und von der Wahrheit Gottes Zeugnis ablege. Und gerade jetzt erkläre ich dir, dass jeder, der die Wahrheit liebt, meine Stimme hört." Da sagte Pilatus halb im Spott und halb im Ernst: "Wahrheit, was ist Wahrheit - wer kennt sie schon?" Pilatus war nicht fähig, Jesu Worte zu ergründen, noch war er fähig, das Wesen seines geistigen Königreichs zu verstehen, aber er war jetzt sicher, dass der Gefangene nichts Todeswürdiges begangen hatte. Ein einziger Blick auf Jesus, von Angesicht zu Angesicht, genügte, um sogar Pilatus davon zu überzeugen, dass dieser liebenswürdige und müde, aber majestätische und aufrechte Mann kein unbändiger und gefährlicher Revolutionär war, der danach trachtete, sich auf den weltlichen Thron Israels zu setzen. Pilatus dachte, etwas von dem zu verstehen, was Jesus meinte, als er sich einen König nannte, denn er war vertraut mit den Lehren der Stoiker, die verkündeten, dass "der weise Mann ein König ist". Pilatus war vollkommen überzeugt, dass Jesus, statt ein gefährlicher Volksverhetzer zu sein, nichts mehr und nichts weniger war als ein harmloser Visionär, ein unschuldiger Fanatiker. Nach der Vernehmung des Meisters ging Pilatus zu den führenden Priestern und Anklägern Jesu zurück und sagte: "Ich habe diesen Mann vernommen, und ich finde keine Schuld an ihm. Ich denke nicht, dass er der Vergehen schuldig ist, derer ihr ihn bezichtigt; ich denke, er sollte freigelassen werden." Als die Juden das hörten, wurden sie von großer Wut gepackt und schrieen wie wild, Jesus müsse sterben; und einer der Sanhedristen trat kühn an die Seite von Pilatus und sagte: "Dieser Mann wiegelt das Volk auf, zuerst in Galiläa und dann in ganz Judäa. Er ist ein Unruhestifter und Übeltäter. Du wirst es lange bereuen, wenn du diesen gottlosen Mann freilässt." Pilatus fühlte sich arg bedrängt. Was sollte er bloß mit Jesus tun? Als er sie nun sagen hörte, jener habe sein Werk in Galiläa begonnen, dachte er, er könnte der Verantwortung, den Fall zu entscheiden, aus dem Wege gehen oder zumindest Zeit zum Nachdenken gewinnen, wenn er Jesus vor Herodes schickte, der sich gerade in der Stadt aufhielt, um am Passahfest teilzunehmen. Pilatus dachte auch, diese Geste würde helfen, den unfreundlichen Gefühlen etwas entgegenzuwirken, die seit einiger Zeit zwischen ihm und Herodes wegen zahlreicher Meinungsverschiedenheiten in Rechtsangelegenheiten bestanden. Pilatus rief die Wachen herbei und sagte: "Dieser Mann ist ein Galiläer. Führt ihn unverzüglich vor Herodes, und wenn dieser ihn vernommen hat, berichtet mir, zu welchen Schlüssen er gekommen ist." Und sie führten Jesus vor Herodes. ***** 185.4 Jesus vor Herodes ***** Wenn Herodes Antipas sich in Jerusalem aufhielt, bewohnte er den alten Makkabäerpalast von Herodes dem Großen, und in dieses Haus des früheren Königs brachten jetzt die Tempelwächter Jesus, während seine Ankläger und eine wachsende Menge ihnen folgten. Seit langem hatte Herodes von Jesus gehört, und er war sehr neugierig auf ihn. Als der Menschensohn an diesem Freitagmorgen vor ihm stand, erinnerte sich der verworfene Idumenäer auch nicht einen Augenblick lang an den Jungen, der vor Jahren in Sepphoris vor ihm erschienen war und um einen gerechten Entscheid in der Angelegenheit des seinem Vater geschuldeten Geldes gebeten hatte, nachdem dieser bei der Arbeit an einem öffentlichen Gebäude tödlich verunfallt war. Seines Wissens hatte Herodes Jesus nie gesehen, obwohl dieser ihn stark beunruhigt hatte, als sich sein Wirken auf Galiläa konzentrierte. Jetzt, da Pilatus und die Judäer ihn in ihrem Gewahrsam hatten, begehrte Herodes, ihn zu sehen, da er sich vor jeder zukünftigen durch ihn verursachten Schwierigkeit sicher wusste. Herodes hatte viel von Jesu Wundertaten gehört, und er hoffte wirklich, ihn irgendein Wunder vollbringen zu sehen. Als sie Jesus vor Herodes brachten, war der Tetrarch von seiner imposanten Erscheinung und seinem ruhigen Gesichtsausdruck überrascht. Etwa fünfzehn Minuten lang stellte Herodes ihm Fragen, aber der Meister antwortete nichts. Herodes höhnte ihn und forderte ihn heraus, ein Wunder zu tun, aber Jesus erwiderte nichts auf seine vielen Fragen und schwieg zu seinen Sarkasmen. Dann wandte sich Herodes den führenden Priestern und Sadduzäern zu; er schenkte ihren Anschuldigungen Gehör und vernahm alles und mehr, was Pilatus über die angeblichen Missetaten des Menschensohnes erfahren hatte. Als er endlich zu der Überzeugung gelangt war, dass Jesus weder sprechen noch für ihn ein Wunder tun würde, machte er sich eine Zeit lang über ihn lustig, kleidete ihn dann in einen alten purpurnen Königsmantel und sandte ihn zurück zu Pilatus. Herodes wusste, dass sich Jesus in Judäa außerhalb seiner Gerichtsbarkeit befand. Obwohl er über den Gedanken froh war, Jesus in Galiläa endlich los zu sein, war er doch dankbar, dass die Verantwortung für seine Hinrichtung bei Pilatus lag. Herodes hatte sich nie ganz von der Angst erholt, die ihn quälte, seit er Johannes den Täufer umgebracht hatte. Herodes hatte zeitweise sogar gefürchtet, Jesus sei der von den Toten auferstandene Johannes. Jetzt ließ ihn diese Angst los, da er feststellte, dass Jesus eine ganz andere Art Mensch war als der unverblümt sprechende und heftige Prophet, der es gewagt hatte, sein Privatleben aufzudecken und zu brandmarken. ***** 185.5 Jesus kehrt zu Pilatus zurück ***** Nachdem die Wachen Jesus zu Pilatus zurückgebracht hatten, trat dieser auf die Vordertreppe des Prätoriums hinaus, wo sein Richterstuhl hingestellt worden war, rief die führenden Priester und Sanhedristen zusammen und sprach zu ihnen: "Ihr habt diesen Mann unter der Anklage vor mich gebracht, er verführe das Volk, verbiete die Entrichtung von Steuern und behaupte, König der Juden zu sein. Ich habe ihn verhört und finde ihn in allen Punkten unschuldig. In der Tat finde ich keinen Fehler an ihm. Dann habe ich ihn zu Herodes geschickt, und der Tetrarch muss zu demselben Schluss gelangt sein, da er ihn uns zurückgeschickt hat. Ganz gewiss hat dieser Mann nichts Todeswürdiges begangen. Wenn ihr immer noch denkt, er müsse bestraft werden, bin ich bereit, ihn zu züchtigen, bevor ich ihn freilasse." Die Juden wollten gerade mit Geschrei gegen Jesu Freilassung protestieren, als eine große Menschenmenge vor dem Prätorium aufmarschierte, um von Pilatus zu Ehren des Passahfestes die Freilassung eines Gefangenen zu erwirken. Seit einiger Zeit pflegten die römischen Statthalter an Passah dem Pöbel zu erlauben, einen Gefangenen oder Verurteilten zur Begnadigung auszuwählen. Und nun, da dieser Haufe vor ihm stand, um die Freilassung eines Gefangenen zu verlangen, und da Jesus bei der Menge eben noch in so großer Gunst gestanden hatte, fiel es Pilatus ein, er könnte sich vielleicht aus dieser misslichen Lage befreien, wenn er den Versammelten vorschlüge, ihnen als Zeichen des guten Willens an Passah diesen Mann aus Galiläa zu übergeben, da Jesus jetzt als Gefangener vor seinem Richterstuhl stand. Als die Menge die Treppen des Gebäudes hinaufdrängte, hörte Pilatus den Namen eines gewissen Barabbas rufen. Barabbas war ein bekannter politischer Agitator und Raubmörder, Sohn eines Priesters, und war vor kurzem auf der Straße nach Jericho beim Begehen eines Raubmordes ergriffen worden. An diesem Mann sollte gleich nach den Passahfestlichkeiten das Todesurteil vollstreckt werden. Pilatus erhob sich und erklärte der Menge, dass die führenden Priester Jesus vor ihn gebracht hätten, weil sie aufgrund gewisser Beschuldigungen seinen Tod wünschten, dass er selber aber nicht glaube, der Mann habe den Tod verdient. Pilatus sagte: "Was zieht ihr nun vor, dass ich euch den Mörder Barabbas freigebe oder diesen Jesus von Galiläa?" Kaum hatte Pilatus dies gesagt, als die Priesterführer und die Ratsmitglieder des Sanhedrins so laut sie konnten schrieen: "Barabbas, Barabbas!" Und als die Leute sahen, dass die Priesterführer Jesu Tod wünschten, stimmten sie rasch in den Ruf nach seinem Tod ein und verlangten mit lautem Geschrei die Freilassung des Barabbas. Nur wenige Tage zuvor hatte die Menge in Ehrfurcht vor Jesus gestanden, aber der Pöbel blickte nicht zu einem auf, der erklärt hatte, Gottes Sohn zu sein, und der sich jetzt im Gewahrsam der Priesterführer und Regierenden befand und in einem Prozess vor Pilatus um sein Leben bangen musste. Jesus mochte in den Augen des Pöbels ein Held sein, als er die Geldwechsler und Händler aus dem Tempel vertrieb, aber nicht, wenn er ein widerstandsloser Gefangener in den Händen seiner Feinde war, auf den in diesem Prozess der Tod wartete. Der Anblick der Priesterführer, die lautstark Gnade für einen notorischen Mörder forderten und gleichzeitig nach Jesu Blut schrieen, erzürnte Pilatus. Er sah ihre Bosheit und ihren Hass, er erkannte ihre Voreingenommenheit und ihren Neid. Deshalb sagte er zu ihnen: "Wie könnt ihr das Leben eines Mörders demjenigen dieses Mannes vorziehen, dessen schlimmstes Verbrechen darin besteht, dass er sich im übertragenen Sinne König der Juden nennt?" Aber es war nicht weise von Pilatus, so zu reden. Die Juden waren ein stolzes Volk, das jetzt dem politischen Joch Roms unterworfen war, das aber auf das Kommen eines Messias wartete, der es unter großer und ruhmreicher Machtentfaltung von heidnischer Unterdrückung befreien würde. Weit mehr als Pilatus ahnen konnte, irritierte sie der bloße Gedanke, diesen Verkünder seltsamer Lehren mit seinen sanften Umgangsformen, jetzt inhaftiert und todeswürdiger Verbrechen angeklagt, "König der Juden" zu nennen. Sie betrachteten einen solchen Ausspruch als eine Beleidigung alles dessen, was ihnen in ihrer nationalen Existenz als heilig und verehrungswürdig erschien, und deshalb erhoben sie alle ein mächtiges Geschrei für Barabbas' Freilassung und Jesu Tod. Pilatus wusste, dass Jesus der gegen ihn erhobenen Anklagen unschuldig war, und wäre er ein gerechter und mutiger Richter gewesen, hätte er ihn freigesprochen und ihn entlassen. Aber er hatte Angst, den erzürnten Juden zu trotzen. Während er zögerte, seine Pflicht zu tun, erschien ein Bote und überbrachte ihm von seiner Frau Claudia eine versiegelte Botschaft. Pilatus bedeutete den vor ihm Versammelten, er wünsche die eben erhaltene Mitteilung zu lesen, bevor er den Fall weiter verfolge. Er öffnete den Brief seiner Frau und las: "Ich flehe dich an, habe nichts zu schaffen mit diesem unschuldigen und gerechten Mann, den sie Jesus nennen. Ich habe diese Nacht in einem Traum seinetwegen viel gelitten." Nicht nur brachte diese Notiz Claudias Pilatus ziemlich aus der Fassung und verzögerte dadurch den Urteilsspruch in dieser Angelegenheit, sondern sie gewährte unglücklicherweise auch den jüdischen Führern beträchtliche Zeit, in der Menge umherzugehen und die Leute zu drängen, die Freilassung des Barabbas zu verlangen und laut nach Jesu Kreuzigung zu rufen. Schließlich machte sich Pilatus erneut an die Lösung des Problems, dem er sich gegenüber sah, indem er an die Versammlung, die aus den jüdischen Führern und der Gnade heischenden Menge bestand, die Frage richtete: "Was soll ich mit dem tun, den man den König der Juden nennt?" Und sie schrieen alle wie aus einem Munde: "Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!" Die Einstimmigkeit dieser Forderung der gemischten Menge bestürzte und alarmierte Pilatus, den ungerechten und angsterfüllten Richter. Darauf sagte Pilatus noch einmal: "Warum wollt ihr diesen Mann kreuzigen? Welche Missetat hat er begangen? Wer will vortreten, um gegen ihn zu zeugen?" Aber als sie hörten, dass Pilatus Jesus verteidigte, brüllten sie umso lauter: "Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!" Und von neuem appellierte Pilatus in der Frage der Freilassung des Passahhäftlings mit den Worten an sie: "Ich frage euch noch einmal, welchen von diesen Gefangenen soll ich aus Anlass dieser eurer Passahzeit freigeben?" Und wieder schrie die Menge: "Gib uns Barabbas!" Da sagte Pilatus: "Wenn ich den Mörder Barabbas freilasse, was soll ich dann mit Jesus tun?" Und wiederum erscholl aus der Menge der einstimmige Ruf: "Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!" Das hartnäckige Schreien des Pöbels, der unter der direkten Regie der Priesterführer und Ratsmitglieder des Sanhedrins handelte, versetzte Pilatus in große Angst; trotzdem unternahm er zumindest noch einen weiteren Versuch, die Menge zu besänftigen und Jesus zu retten. ***** 185.6 Des Pilatus letzter Appell ***** An allem, was sich an diesem frühen Freitagmorgen vor Pilatus abspielt, sind nur Jesu Feinde beteiligt. Seine vielen Freunde wissen entweder noch nichts von seiner nächtlichen Verhaftung und seinem frühmorgendlichen Prozess oder sie halten sich versteckt, um nicht selber ebenfalls verhaftet und zum Tode verurteilt zu werden, weil sie an Jesu Lehre glauben. In der Menschenmenge, die jetzt laut nach dem Tod des Meisters ruft, finden sich nur seine geschworenen Feinde und der leicht zu lenkende und gedankenlose Pöbel. Pilatus wollte einen letzten Appell an ihr Mitleid richten. Da er sich fürchtete, dem Ruf des irregeleiteten Pöbels, der nach Jesu Blut rief, die Stirn zu bieten, gab er den jüdischen Wächtern und den römischen Soldaten den Befehl, Jesus zur Auspeitschung abzuführen. Das war an sich ein ungerechtes und gesetzwidriges Vorgehen, da das römische Recht die Auspeitschung nur für zum Kreuzestod Verurteilte vorsah. Die Wächter führten Jesus für diese Tortur in den offenen Hof des Prätoriums. Seine Feinde waren nicht Zeugen der Geißelung, aber Pilatus wohnte ihr bei, und bevor die Auspeitscher mit ihrer schändlichen Misshandlung zu Ende waren, befahl er ihnen, von ihm abzulassen und gab ihnen einen Wink, Jesus vor ihn zu führen. Bevor die Peiniger Jesus zur Geißelung an einen Pfosten banden und sich mit ihren geknoteten Peitschen über ihn hermachten, legten sie ihm wieder die Purpurrobe an und drückten ihm eine aus Dornen geflochtene Krone auf die Stirn. Und dann gaben sie ihm zum Spott ein Rohr als Szepter in die Hand, knieten vor ihm nieder und verlachten ihn mit den Worten: "Heil dir, König der Juden!" Und sie bespuckten ihn und schlugen ihm mit den Händen ins Gesicht. Und bevor sie ihn Pilatus zurückgaben, nahm einer von ihnen ihm das Rohr aus der Hand und schlug ihn damit auf den Kopf. Danach führte Pilatus den blutenden und zerfetzten Gefangenen hinaus, zeigte ihn der gemischten Menge und sagte: "Seht den Menschen! Ich erkläre euch erneut, dass ich kein Verbrechen bei ihm finden kann, und jetzt, da ich ihn habe auspeitschen lassen, möchte ich ihn freigeben." Da stand Jesus von Nazareth, mit einem alten purpurnen Königsmantel und einer Dornenkrone angetan, die sich in seine freundliche Stirne bohrte. Sein Gesicht war blutbesudelt, seine Gestalt vor Qual und Schmerz niedergebeugt. Aber nichts vermag die gefühllosen Herzen derer zu bewegen, die Opfer intensiven emotionalen Hasses und Sklaven religiöser Vorurteile sind. Bei diesem Anblick lief ein mächtiger Schauer des Entsetzens durch die Welten eines riesigen Universums, aber die Herzen derer, die zu Jesu Vernichtung entschlossen waren, blieben ungerührt. Als sie sich vom ersten Schock beim Anblick des Not leidenden Meisters erholt hatten, riefen sie nur umso lauter und anhaltender: "Kreuzige ihn! Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!" Und jetzt begriff Pilatus, dass es aussichtslos war, an vermutliche Mitleidsregungen zu appellieren. Er trat vor und sagte: "Ich stelle fest, dass ihr entschlossen seid, diesen Mann sterben zu lassen, aber was hat er getan, um den Tod zu verdienen? Wer will sein Verbrechen erläutern?" Da ging der Hohepriester selber nach vorn, stieg zu Pilatus hinauf und erklärte ungehalten: "Wir haben ein heiliges Gesetz, und nach diesem Gesetz muss dieser Mann sterben, weil er behauptet hat, er sei der Sohn Gottes." Als Pilatus das hörte, packte ihn eine noch viel größere Angst, nicht nur vor den Juden, sondern weil er an die Botschaft seiner Frau dachte und an die griechische Mythologie von den Göttern, die zur Erde herabsteigen; und er zitterte jetzt bei dem Gedanken, Jesus könnte am Ende ein göttliches Wesen sein. Er gab der Menge mit einem Wink zu verstehen, sich ruhig zu verhalten, nahm Jesus beim Arm und führte ihn zu weiterer Vernehmung ins Innere des Gebäudes. Die Angst verwirrte jetzt die Gedanken des Pilatus, abergläubische Furcht erfüllte ihn und die Hartnäckigkeit des Mobs saß ihm im Nacken. ***** 185.7 Die letzte Vernehmung durch Pilatus ***** Pilatus setzte sich zitternd vor Furcht neben Jesus und fragte ihn: "Woher kommst du? Wer bist du wirklich? Was soll das heißen, wenn sie sagen, du seist der Sohn Gottes?" Aber Jesus konnte solche Fragen schwerlich beantworten, wenn sie ihm von einem die Menschen fürchtenden, schwachen und wankelmütigen Richter gestellt wurden, der so ungerecht war, ihn geißeln zu lassen, obwohl er ihn jeglichen Verbrechens für unschuldig erklärt hatte, und noch bevor Jesus in aller Form zum Tode verurteilt worden war. Jesus schaute Pilatus gerade ins Gesicht, aber er antwortete ihm nicht. Da sagte Pilatus: "Weigerst du dich, mit mir zu reden? Ist dir nicht bewusst, dass es immer noch in meiner Macht steht, dich freizulassen oder dich zu kreuzigen?" Jesus antwortete: "Du könntest keine Macht über mich haben, wenn es dir nicht von oben erlaubt würde. Du könntest über den Menschensohn keine Autorität ausüben, wenn der Vater im Himmel es nicht gestatten würde. Aber du bist nicht so sehr schuldig, denn du kennst das Evangelium nicht. Derjenige, der mich verraten und derjenige, der mich dir ausgeliefert hat, haben größere Sünde." Dieses letzte Gespräch mit Jesus erfüllte Pilatus vollends mit Angst. Dieser moralische Feigling und schwächliche Richter litt nun unter dem doppelten Gewicht abergläubischer Furcht vor Jesus und tödlicher Angst vor den jüdischen Führern. Und wiederum erschien Pilatus vor der Menge und sagte: "Ich bin sicher, dass dieser Mann nur gegen die Religion verstoßen hat. Ihr solltet ihn nehmen und ihn nach eurem Gesetz richten. Warum erwartet ihr, dass ich in seinen Tod einwillige, nur weil er zu euren Traditionen im Widerspruch steht ?" Pilatus wollte gerade daran gehen, Jesus freizulassen, als der Hohepriester Kajaphas an den feigen römischen Richter herantrat, vor dessen Gesicht einen Drohfinger schüttelte und mit zornigen Worten, die die ganze Menge hören konnte, sprach: "Wenn du diesen Mann freilässt, bist du nicht Caesars Freund, und ich werde dafür sorgen, dass der Kaiser alles vernimmt." Diese öffentliche Drohung war zu viel für Pilatus. Die Angst um sein persönliches Schicksal verdunkelte jetzt alle anderen Erwägungen, und der feige Statthalter befahl, dass man Jesus vor den Richterstuhl bringe. Als der Meister dort vor ihnen stand, zeigte er auf ihn und sagte höhnisch: "Seht da euren König." Und die Juden riefen zurück: "Weg mit ihm. Kreuzige ihn!" Worauf Pilatus mit viel Ironie und Sarkasmus sagte: "Soll ich euren König kreuzigen?" Und die Juden antworteten: "Ja, kreuzige ihn ! Wir haben keinen König außer Caesar." Da wurde Pilatus sich bewusst, dass es keine Hoffnung mehr gab, Jesus zu retten, da er nicht den Willen besaß, den Juden zu trotzen. ***** 185.8 Die tragische Kapitulation des Pilatus ***** Da stand er nun, der als Menschensohn inkarnierte Gottessohn. Man hatte ihn ohne Anklage festgenommen; ohne Beweise beschuldigt; ohne Zeugen verurteilt; ohne Schuldspruch gezüchtigt; und nun sollte er gleich zum Tod verurteilt werden durch einen ungerechten Richter, der gestand, er könne an ihm keine Schuld finden. Wenn Pilatus gedacht hatte, an den Patriotismus der Juden appellieren zu können, indem er von Jesus als von dem "König der Juden" sprach, so war ihm dies gründlich misslungen. Die Juden erwarteten keinen König dieser Art. Die Erklärung der Priesterführer und Sadduzäer "Wir haben keinen König außer Caesar" war selbst für den gedankenlosen Pöbel ein Schock, aber es war jetzt zu spät, um Jesus zu retten, selbst wenn der Mob gewagt hätte, für Jesu Sache Partei zu ergreifen. Pilatus befürchtete einen Tumult oder eine Volkserhebung. Er wagte es nicht, in der Passahzeit das Risiko solcher Unruhen in Jerusalem einzugehen. Er hatte neulich von Caesar eine Rüge erhalten, und er wollte es nicht auf eine zweite ankommen lassen. Der Pöbel spendete Beifall, als er die Freilassung des Barabbas befahl. Dann ließ er ein Becken mit Wasser bringen und wusch sich vor der Menge die Hände und sagte: "Ich bin am Blute dieses Menschen unschuldig. Ihr seid entschlossen, ihn sterben zu lassen, aber ich habe keine Schuld an ihm gefunden. Das ist jetzt eure Sache. Die Soldaten werden ihn abführen." Und der Pöbel erhob ein Hurrageschrei und antwortete: "Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder." ****** Kapitel 186 Unmittelbar vor der Kreuzigung ****** ALS Jesus und seine Ankläger sich zu Herodes aufmachten, wandte sich der Meister an den Apostel Johannes und sagte: "Johannes, du kannst nichts mehr für mich tun. Geh zu meiner Mutter und bringe sie her, damit sie mich noch sieht, bevor ich sterbe." Als Johannes die Bitte seines Meisters vernahm, widerstrebte es ihm zwar, ihn allein inmitten seiner Feinde zurückzulassen, aber dennoch eilte er nach Bethanien, wo Jesu gesamte Familie im Hause Marthas und Marias, der Schwestern des von Jesus von den Toten auferweckten Lazarus, versammelt war und wartete. Im Verlaufe des Morgens hatten Boten Martha und Maria mehrmals Nachrichten vom Verlauf des Prozesses gegen Jesus gebracht. Aber Jesu Familie erreichte Bethanien erst einige Minuten, bevor Johannes mit Jesu Bitte eintraf, vor seiner Hinrichtung noch seine Mutter zu sehen. Nachdem Johannes Zebedäus ihnen alles berichtet hatte, was sich seit der mitternächtlichen Verhaftung Jesu abgespielt hatte, machte sich seine Mutter Maria in seiner Begleitung sofort auf, um ihren ältesten Sohn zu sehen. Als Maria und Johannes die Stadt erreichten, war Jesus begleitet von den römischen Soldaten, die ihn kreuzigen sollten, schon auf Golgatha angekommen. Als Maria, Jesu Mutter, sich mit Johannes zu ihrem Sohn aufmachte, weigerte sich seine Schwester Ruth, bei der restlichen Familie zurückzubleiben. Da sie entschlossen war, ihre Mutter zu begleiten, ging ihr Bruder Jude mit ihr. Die übrigen Familienmitglieder des Meisters blieben unter Führung von Jakobus in Bethanien, und fast stündlich überbrachten Boten des David Zebedäus ihnen Berichte vom Fortgang des schrecklichen Werks der Hinrichtung ihres ältesten Bruders, Jesu von Nazareth. ***** 186.1 Judas Iskariots Ende ***** Es war etwa halb neun an diesem Freitagmorgen, als Jesu Vernehmung vor Pilatus zu Ende ging und der Meister den römischen Soldaten, die den Auftrag hatten, ihn zu kreuzigen, in Gewahrsam gegeben wurde. Sobald sich Jesus in der Hand der Römer befand, marschierte der Hauptmann der jüdischen Wachen mit seinen Männern zum Tempelhauptquartier zurück. Der Hohepriester und seine Kollegen im Sanhedrin folgten dicht hinter den Wachen und begaben sich direkt an ihren gewohnten Treffpunkt im Tempelsaal aus behauenem Stein. Hier trafen sie auf viele andere Mitglieder des Sanhedrins, die darauf warteten zu erfahren, was mit Jesus geschehen war. Kajaphas war mitten in seiner Berichterstattung an den Sanhedrin über Jesu Prozess und Verurteilung, als Judas vor ihnen erschien, um Anspruch auf seine Belohnung für die Rolle zu erheben, die er bei des Meisters Festnahme und Verurteilung zum Tode gespielt hatte. All diese Juden verabscheuten Judas; sie blickten nur mit Gefühlen äußerster Verachtung auf den Verräter. Während des Prozesses Jesu vor Kajaphas und seines Erscheinens vor Pilatus bekam Judas Gewissensbisse wegen seines verräterischen Verhaltens. Und er begann auch, irgendwie seine Illusionen hinsichtlich der Belohnung zu verlieren, die er als Bezahlung für seine Dienste als Jesu Verräter erhalten würde. Ihm missfiel die Kühle und Distanziertheit der jüdischen Führerschaft; trotzdem erwartete er, für sein niederträchtiges Verhalten großzügig belohnt zu werden. Er sah sich schon vor den vollzählig versammelten Sanhedrin gerufen und hörte, wie man ihn ebenda pries und ihm gebührende Ehre erwies in Anerkennung des großen Dienstes, den er - so schmeichelte er sich - seinem Volk erwiesen hatte. Stellt euch deshalb die große Überraschung des geltungsbedürftigen Verräters vor, als ein Diener des Hohenpriesters ihm auf die Schulter klopfte, ihn kurzerhand zum Verlassen des Saales aufforderte und zu ihm sagte: "Judas, ich bin beauftragt, dich für den Verrat an Jesus zu bezahlen. Hier ist deine Belohnung." Und während er sprach, händigte der Diener des Kajaphas Judas einen Beutel aus, der dreißig Silberstücke enthielt - den gängigen Preis für einen guten, gesunden Sklaven. Judas war wie betäubt, einfach sprachlos. Er stürzte zurück, wollte wieder in den Saal, aber der Türhüter versperrte ihm den Weg. Er wollte den Sanhedrin anrufen, aber man ließ ihn nicht ein. Judas konnte nicht glauben, dass diese Judenführer ihn seine Freunde und seinen Meister verraten ließen und ihm dann als Entgelt dreißig Silberstücke anboten. Er war gedemütigt, desillusioniert, vollkommen vernichtet. Wie in Trance bewegte er sich vom Tempel weg. Er ließ den Geldbeutel automatisch in seine tiefe Tasche fallen, in dieselbe Tasche, in der er so lange den Beutel mit dem apostolischen Geld getragen hatte. Und er wanderte durch die Stadt hinter der Volksmenge her, die hinauszog, um bei den Kreuzigungen zugegen zu sein. Aus einiger Entfernung sah Judas, wie sie den Kreuzesbalken mit dem darauf genagelten Jesus in die Höhe hoben. Bei diesem Anblick stürzte er zum Tempel zurück, erzwang sich am Türsteher vorbei Zutritt zum Saal und fand sich dem Sanhedrin gegenüber, der immer noch tagte. Der Verräter war fast außer Atem und höchst erregt, aber er brachte es noch fertig, die Worte zu stammeln: "Ich habe gesündigt, indem ich unschuldiges Blut verraten habe. Ihr habt mich beleidigt. Als Belohnung für meinen Dienst habt ihr mir Geld angeboten - den Preis eines Sklaven. Ich bereue, dass ich das getan habe; hier ist euer Geld. Ich will der Schuld für diese Tat entgehen." Als die Führer der Juden Judas so sprechen hörten, verspotteten sie ihn. Einer von ihnen, der nahe bei der Stelle saß, wo Judas stand, gab ihm mit einem Wink zu verstehen, er solle den Saal verlassen und sagte: "Dein Meister ist bereits von den Römern hingerichtet worden, und was deine Schuld betrifft, was geht sie uns an? Werde du selber damit fertig - und scher dich fort!" Beim Verlassen des Sitzungsraum des Sanhedrins zog er die dreißig Silberstücke aus dem Beutel und warf sie in weitem Bogen auf den Tempelboden. Als der Verräter aus dem Tempel ging, war er fast außer sich. Judas machte jetzt die bewusste Erfahrung der wahren Natur der Sünde. Der ganze Zauber, die Faszination und der Rausch üblen Tuns waren verflogen. Der Übeltäter stand jetzt allein da, Auge in Auge mit dem Urteilsspruch seiner desillusionierten und enttäuschten Seele. Sünde zu begehen war betörend und abenteuerlich, aber jetzt muss der Ernte der nackten und unromantischen Tatsachen ins Auge geschaut werden. Der vormalige Botschafter des Königreichs des Himmels auf Erden wanderte jetzt verlassen und allein durch die Straßen Jerusalems. Seine Verzweiflung war entsetzlich, nahezu absolut. Er schritt weiter durch die Stadt, verließ ihre Mauern und begab sich hinab in die schreckliche Einsamkeit des Tales Hinnom, wo er die steilen Felsen hinaufkletterte und dann den Gürtel seines Umhangs nahm, das eine Ende an einem kleinen Baum festmachte, das andere um seinen Hals schlang und sich in den Abgrund stürzte. Noch ehe er tot war, gab der Knoten, den seine fahrigen Hände geknüpft hatten, nach, und der Körper des Verräters wurde in der Tiefe beim Aufprall auf den zackigen Felsen zerfetzt. ***** 186.2 Des Meisters Verhalten ***** Als Jesus festgenommen wurde, wusste er, dass sein Werk in Menschengestalt auf Erden abgeschlossen war. Er war sich über die Todesart, die ihn erwartete, völlig im Klaren, und er kümmerte sich wenig um die Einzelheiten seines sogenannten Prozesses. Vor dem Gerichtshof der Sanhedristen weigerte sich Jesus, etwas auf die Aussagen der falschen Zeugen zu erwidern. Es gab nur eine einzige Frage, die, ob von Freund oder Feind gestellt, ihm immer eine Antwort entlockte, und das war diejenige nach Wesen und Göttlichkeit seiner Sendung auf Erden. Unfehlbar antwortete er jedesmal, wenn man ihn fragte, ob er der Sohn Gottes sei. Standhaft weigerte er sich zu sprechen, als er sich dem neugierigen und niederträchtigen Herodes gegenüber befand. Vor Pilatus sprach er nur, wenn er dachte, Pilatus oder einer anderen aufrichtigen Person könnte durch das, was er sagte, zu einem besseren Verständnis der Wahrheit verholfen werden. Jesus hatte seine Apostel gelehrt, dass es zwecklos sei, Perlen vor die Säue zu werfen, und er wagte jetzt zu handeln, wie er gelehrt hatte. Sein Verhalten in diesen Stunden ist beispielhaft für die geduldige Unterwerfung der menschlichen Natur im Verein mit dem majestätischen Schweigen und der feierlichen Würde der göttlichen Natur. Er war durchaus gewillt, mit Pilatus jede Frage zu besprechen, die im Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen politischen Anklagen stand - jede Frage, von der er wusste, dass sie zu der richterlichen Zuständigkeit des Statthalters gehörte. Jesus war überzeugt, dass es des Vaters Wille war, dass er sich genauso dem natürlichen und gewöhnlichen Lauf der menschlichen Ereignisse unterwerfe, wie jedes andere sterbliche Geschöpf dies auch tun muss, und deshalb weigerte er sich, sogar seine rein menschlichen Mittel überzeugender Beredsamkeit einzusetzen, um das Ergebnis der Machenschaften seiner sozial kurzsichtigen und geistig blinden Mitmenschen zu beeinflussen. Obwohl Jesus auf Urantia lebte und starb, war sein gesamter menschlicher Lebenslauf von Anfang bis Ende ein Schauspiel, das bestimmt war, das ganze von ihm erschaffene und unaufhörlich gestützte Universum zu beeinflussen und anzuleiten. Jene kurzsichtigen Juden forderten mit unziemlichem Schreien den Tod des Meisters, während er in schrecklichem Schweigen auf die Todesszene einer Nation - des eigenen Volkes seines irdischen Vaters - schaute. Jesus hatte jenen Typ menschlichen Charakters erworben, der angesichts fortgesetzter und ungerechtfertigter Beschimpfung seine Haltung bewahren und seine Würde behaupten kann. Man konnte ihn nicht einschüchtern. Als der Diener des Hannas als erster gegen ihn tätlich wurde, bemerkte er nur, es wäre angemessen, Zeugen zu rufen, die, wie es sich gehörte, gegen ihn aussagen könnten. Von Anfang bis Ende des sogenannten Prozesses vor Pilatus konnten sich die zuschauenden himmlischen Heerscharen nicht enthalten, die Szene als den "Prozess des Pilatus vor Jesus" zu beschreiben und ins Universum auszustrahlen. Als Jesus vor Kajaphas stand und alle falschen Zeugnisse in sich zusammengefallen waren, zögerte er nicht, die Frage des Hohenpriesters zu beantworten und damit den Richtern durch sein eigenes Zeugnis gerade die Grundlage zu verschaffen, die sie brauchten, um ihn der Gotteslästerung zu überführen. Der Meister zeigte nie das geringste Interesse an den gut gemeinten, aber halbherzigen Anstrengungen des Pilatus, seine Freilassung zu erwirken. Er hatte echtes Mitleid mit Pilatus und versuchte aufrichtig, Licht in sein verdunkeltes Gemüt zu bringen. Er verhielt sich völlig passiv gegenüber allen Appellen des römischen Statthalters an die Juden, ihre auf Verbrechen lautenden Anklagen gegen ihn zurückzuziehen. Während der ganzen leidvollen Prüfung zeigte er in seinem Verhalten schlichte Würde und unaufdringliche Majestät. Er bezichtigte seine baldigen Mörder nicht einmal der Unaufrichtigkeit, als sie ihn fragten, ob er der "König der Juden" sei. Mit nur geringer Korrektur akzeptierte er diese Bezeichnung, weil er wohl wusste, dass er auch ohne die Tatsache, dass sie sich gegen ihn entschieden hatten, der letzte wäre, um für sie als wirklicher nationaler Führer in Frage zu kommen, auch nicht in einem geistigen Sinne. Jesus sagte während dieser Verhandlungen nur wenig, aber er sagte genug, um allen Sterblichen die Art menschlichen Charakters vor Augen zu führen, die ein Mensch in Partnerschaft mit Gott entwickeln kann, und um dem ganzen Universum zu zeigen, wie Gott im Leben eines Geschöpfes offenbar werden kann, wenn dieses Geschöpf wirklich beschlossen hat, den Willen des Vaters zu tun und dadurch zu einem tatkräftigen Sohn des lebendigen Gottes zu werden. Seine Liebe zu den unwissenden Sterblichen offenbart sich ganz in seiner Geduld und großen Selbstbeherrschung angesichts des Spottes, der Schläge und Püffe von rohen Soldaten und gedankenlosen Dienern. Er wurde nicht einmal zornig, als sie ihm die Augen verbanden, ihm ins Gesicht schlugen und höhnisch riefen: "Prophezeie uns, wer dich geschlagen hat." Pilatus sprach wahrer, als er ahnte, als er Jesus, nachdem er ihn hatte auspeitschen lassen, der Menge mit dem Ausruf vorstellte: "Seht den Menschen!" Der von Furcht gepackte römische Statthalter hätte sich allerdings nie träumen lassen, dass gerade in diesem Augenblick das Universum stillstand und gebannt auf die beispiellose Szene blickte, wie sein geliebter Herrscher die entwürdigenden Verhöhnungen und Schläge seiner verfinsterten und verkommenen sterblichen Untertanen über sich ergehen ließ. Und als Pilatus sprach, echote es durch ganz Nebadon: "Seht den Gott und Menschen!" In einem ganzen Universum haben von dem Tag an ungezählte Millionen nie aufgehört, auf diesen Menschen zu schauen, während der Gott von Havona, der höchste Gebieter des Universums der Universen, den Menschen aus Nazareth akzeptiert als die Erfüllung des Ideals von einem menschlichen Geschöpf dieses Lokaluniversums von Zeit und Raum. Jesus versäumte es in seinem beispiellosen Leben nie, den Menschen Gott zu offenbaren. Und jetzt, in diesen letzten Episoden seines irdischen Lebensweges und in seinem darauf folgenden Sterben, gab er Gott eine neue und ergreifende Offenbarung des Menschen. ***** 186.3 Der verlässliche David Zebedäus ***** Kurz nachdem Jesus am Ende der Vernehmung durch Pilatus den römischen Soldaten übergeben worden war, brach eine Abteilung der Tempelwache eilends nach Gethsemane auf, um die Anhänger des Meisters zu verjagen oder festzunehmen. Aber als sie dort eintraf, hatten sich jene längst zerstreut. Die Apostel hatten sich in zuvor bestimmte Verstecke zurückgezogen; die Griechen hatten sich getrennt und waren in verschiedenen Häusern Jerusalems untergekommen; und in derselben Weise waren auch die übrigen Jünger verschwunden. David Zebedäus rechnete damit, dass Jesu Feinde zurückkehren würden; deshalb verlegte er fünf oder sechs Zelte in die Schlucht hinauf, wohin der Meister sich so oft zu Gebet und Anbetung zurückgezogen hatte. Hier gedachte er sich zu verstecken und gleichzeitig ein Zentrum, eine Koordinationsstelle für seinen Botendienst aufrechtzuerhalten. David hatte das Lager kaum verlassen, als die Tempelwächter anlangten. Da sie niemanden vorfanden, begnügten sie sich damit, das Lager in Brand zu stecken und kehrten dann eilends zum Tempel zurück. Der Sanhedrin hörte sich ihren Rapport an und war befriedigt, dass Jesu Anhänger so völlig verängstigt und überwältigt waren und somit keine Gefahr einer Erhebung oder irgendeines Versuchs bestand, Jesus aus den Händen seiner Henker zu retten. Sie konnten endlich erleichtert aufatmen, und so schlossen sie die Sitzung, und jeder ging seines Weges, um sich auf Passah vorzubereiten. Kaum hatte Pilatus Jesus den römischen Soldaten zur Kreuzigung übergeben, als ein Bote mit dieser Nachricht zu David nach Gethsemane eilte, und fünf Minuten später waren bereits Läufer unterwegs nach Bethsaida, Pella, Philadelphia, Sidon, Schechem, Hebron, Damaskus und Alexandrien. Diese Boten überbrachten die Nachricht, dass die Römer auf starken Druck der jüdischen Führer hin im Begriff waren, Jesus zu kreuzigen. Während dieses tragischen Tages ließ David den Aposteln, den Griechen und der irdischen Familie Jesu, die in Bethanien im Hause des Lazarus versammelt war, ungefähr jede halbe Stunde durch Läufer Berichte zukommen, bis endlich die letzte Botschaft mit der Nachricht hinausging, der Meister sei in das Grab gelegt worden. Als die Boten mit der Meldung, Jesus sei bestattet worden, aufbrachen, entließ David die Mannschaft lokaler Läufer für die Zeit der Passahfeierlichkeiten und des kommenden Ruhesabbats und wies sie an, sich am Sonntagmorgen unauffällig bei ihm im Hause des Nikodemus wieder zu melden, wo er sich für ein paar Tage mit Andreas und Simon Petrus versteckt zu halten gedachte. David Zebedäus besaß ein Gemüt besonderer Art. Von den führenden Jüngern Jesu war er der einzige, der bereit war, des Meisters Erklärung, er werde sterben und "am dritten Tag auferstehen", in einem wörtlichen und ganz praktischen Sinn zu nehmen. David hatte ihn diese Voraussage einmal machen hören, und da sein Verstand alles wörtlich zu nehmen pflegte, hatte er jetzt vor, seine Boten am frühen Sonntagmorgen im Hause des Nikodemus zu versammeln, damit sie, sollte Jesus von den Toten auferstehen, zur Stelle wären, um die Nachricht zu verbreiten. David entdeckte bald, dass keiner von Jesu Anhängern erwartete, er würde so bald vom Grabe zurückkehren; deshalb sprach er kaum über seinen Glauben und gar nicht über die Mobilisierung seiner ganzen Botenmannschaft am frühen Sonntagmorgen außer mit den Läufern, die er am Freitagvormittag in entfernte Städte und Zentren von Gläubigen ausgeschickt hatte. Und Jesu Anhänger, die in ganz Jerusalem und Umgebung verstreut waren, aßen an diesem Abend das Passahmahl und verbrachten den folgenden Tag hinter verschlossenen Türen. ***** 186.4 Vorbereitungen für die Kreuzigung ***** Nachdem Pilatus vor der Menge seine Hände gewaschen und so versucht hatte, der Schuld zu entgehen, einen unschuldigen Menschen kreuzigen zu lassen, nur weil er Angst hatte, sich dem Schreien der jüdischen Führer zu widersetzen, befahl er, den Meister den römischen Soldaten zu übergeben und beauftragte deren Hauptmann, ihn sofort zu kreuzigen. Die Soldaten übernahmen Jesus und führten ihn in den Hof des Prätoriums zurück, wo sie die Robe, in die Herodes ihn gekleidet hatte, von ihm nahmen und ihm seine eigenen Kleider anzogen. Sie verspotteten und verlachten ihn, züchtigten ihn aber physisch nicht noch weiter. Jesus war jetzt mit diesen römischen Soldaten allein. Seine Freunde hielten sich versteckt; seine Feinde waren ihrer Wege gegangen; nicht einmal Johannes Zebedäus war länger an seiner Seite. Es war etwas nach acht, als Pilatus Jesus den Soldaten übergab, und etwas vor neun, als diese zum Schauplatz der Kreuzigung aufbrachen. Während dieser Zeit von mehr als einer halben Stunde sprach Jesus kein einziges Wort. Die Regierungsgeschäfte eines riesigen Universums waren praktisch zum Stillstand gekommen. Gabriel und die höchsten Regierenden von Nebadon waren entweder hier auf Urantia versammelt oder verfolgten angestrengt die Raumübermittlungen der Erzengel, um laufend zu erfahren, was dem Menschensohn auf Urantia zustieß. Bis die Soldaten so weit waren, mit Jesus nach Golgatha aufzubrechen, hatten seine ungewöhnliche Haltung und außerordentliche Würde und sein klagloses Schweigen begonnen, sie zu beeindrucken. Ihr Aufbruch mit Jesus zur Kreuzigungsstätte wurde hauptsächlich dadurch verzögert, dass der Hauptmann in letzter Minute entschied, zwei zum Tode verurteilte Diebe mitzunehmen. Da Jesus noch an diesem Morgen gekreuzigt werden sollte, befand der römische Hauptmann, die beiden könnten ebenso gut jetzt mit ihm sterben, anstatt das Ende der Passahfeierlichkeiten abzuwarten. Sobald man die Diebe bereit gemacht hatte, wurden sie in den Hof geführt, wo sie Jesus erblickten. Der eine sah ihn zum ersten Mal, aber der andere hatte ihn oft sprechen gehört, sowohl im Tempel als auch viele Monate zuvor im Lager von Pella. ***** 186.5 Die Beziehung zwischen Jesu Tod und Passah ***** Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Jesu Tod und dem jüdischen Passah. Es stimmt, dass der Meister sein Leben an diesem Tag, dem Tag der Vorbereitung auf das jüdische Passahfest, und ungefähr zur Zeit der Opferung der Passahlämmer im Tempel, hingegeben hat. Aber dieses Zusammenfallen von Ereignissen bedeutet in keiner Weise, dass der Tod des Menschensohnes auf Erden irgendeine Verbindung mit dem jüdischen Opfersystem hat. Jesus war ein Jude, aber als Menschensohn war er ein Sterblicher der Welten. Die bereits erzählten Ereignisse, die zu dieser der Kreuzigung unmittelbar vorausgehenden Stunde führten, lassen hinreichend erkennen, dass sein Tod gerade um diese Zeit eine rein natürliche und von Menschen gehandhabte Angelegenheit war. Der Mensch, und nicht Gott, hat Jesu Tod am Kreuz geplant und herbeigeführt. Es ist wahr, dass der Vater es ablehnte, in den Lauf der menschlichen Ereignisse auf Urantia einzugreifen, aber weder verfügte noch verlangte oder forderte der Vater im Paradies die Hinrichtung seines Sohnes, wie sie auf Erden vollzogen wurde. Tatsächlich hätte Jesus früher oder später seinen sterblichen Körper ablegen, seine Inkarnation als Mensch beenden müssen, aber er hätte dies auf unzählige andere Arten tun können, ohne zwischen zwei Dieben am Kreuz zu sterben. All das war Menschen- und nicht Gotteswerk. Zum Zeitpunkt seiner Taufe hatte sich der Meister die Technik der von ihm verlangten Erfahrung eines Menschen auf Erden, deren er zur Erfüllung seiner siebenten und letzten Selbsthingabe an das Universum bedurfte, bereits vollkommen angeeignet. Zu jener Stunde hatte Jesus seine Pflicht auf Erden bereits getan. Das ganze Leben, das er danach lebte und sogar die Art und Weise seines Sterbens waren sein rein persönlicher Liebesdienst zum Wohl und zur Erbauung seiner sterblichen Geschöpfe auf dieser und anderen Welten. Das Evangelium von der guten Nachricht, dass der sterbliche Mensch durch den Glauben zum geistigen Bewusstsein kommen kann, ein Sohn Gottes zu sein, hängt nicht von Jesu Tod ab. Es ist allerdings wahr, dass dieses ganze Evangelium vom Königreich durch den Tod des Meisters wunderbar erhellt worden ist - aber noch mehr durch sein Leben. Alles, was der Menschensohn auf Erden gesprochen oder getan hat, hat die Lehren von der Gottessohnschaft und von der Brüderlichkeit der Menschen um vieles schöner gemacht, aber diese grundlegenden Beziehungen zwischen Gott und den Menschen liegen in der Natur der universalen Tatsachen der Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen und der angeborenen Barmherzigkeit der göttlichen Söhne. Diese rührenden und göttlich schönen Beziehungen zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer auf dieser und allen anderen Welten im ganzen Universum der Universen existieren seit ewig; und sie hängen in gar keiner Weise von den periodischen Selbsthingaben der Schöpfersöhne Gottes ab, welche die Natur und Gestalt der von ihnen erschaffenen Intelligenzen annehmen als Teil des Preises, den sie für die schließliche Erwerbung unbeschränkter Souveränität über ihr jeweiliges Lokaluniversum zu zahlen haben. Der Vater im Himmel hat die sterblichen Menschen auf Erden vor Jesu Leben und Sterben auf Urantia genauso sehr geliebt wie nach dieser transzendenten Manifestation der Partnerschaft zwischen Mensch und Gott. Das gewaltige Geschehen der Inkarnation des Gottes von Nebadon als Mensch auf Urantia konnte die Attribute des ewigen, unendlichen und universalen Vaters nicht verstärken, aber es bereicherte und erleuchtete alle übrigen Verwalter und Geschöpfe des Universums von Nebadon. Die Liebe des himmlischen Vaters zu uns hat wegen der Selbsthingabe Michaels nicht zugenommen, wohl aber jene aller übrigen himmlischen Intelligenzen. Und dem ist so, weil Jesus nicht nur den Menschen Gott offenbarte, sondern umgekehrt auch den Göttern und himmlischen Intelligenzen des Universums der Universen eine neue Offenbarung vom Menschen gab. Jesus ist nicht im Begriff, als ein Opfer für Sünde zu sterben. Er wird nicht die angeborene moralische Schuld der menschlichen Rasse sühnen. Die Menschheit trägt vor Gott keine derartige Rassenschuld. Schuld ist ausschließlich eine Angelegenheit persönlicher Sünde, wissentlicher und vorsätzlicher Auflehnung gegen den Willen des Vaters und die Verwaltung seiner Söhne. Sünde und Rebellion haben mit dem fundamentalen Selbsthingabeplan der Paradies-Söhne Gottes nichts zu tun, obwohl es uns so vorkommt, als sei der Errettungsplan ein einstweiliger Wesenszug des Selbsthingabeplans. Die den Menschen Urantias von Gott angebotene Errettung wäre ebenso wirkungsvoll und untrüglich gewiss gewesen, wenn Jesus nicht durch die grausamen Hände unwissender Sterblicher umgebracht worden wäre. Hätten die Sterblichen der Erde den Meister günstig aufgenommen und hätte er Urantia durch freiwillige Aufgabe seines inkarnierten Lebens verlassen, so wäre die Tatsache der Liebe Gottes und der Barmherzigkeit des Sohnes - die Tatsache der Sohnesbeziehung zu Gott - davon in keiner Weise berührt worden. Ihr Sterblichen seid Söhne Gottes, und nur eines ist nötig, um diese Tatsache in eurer persönlichen Erfahrung Wirklichkeit werden zu lassen: euer aus dem Geiste geborener Glaube. ****** Kapitel 187 Die Kreuzigung ****** ALS die beiden Räuber bereitgemacht waren, setzten sich die von einem Zenturio angeführten Soldaten zur Kreuzigungsstätte in Bewegung. Der die zwölf Soldaten befehligende Zenturio war derselbe Hauptmann, der am Vorabend die römischen Soldaten hinausgeführt hatte, um Jesus in Gethsemane zu verhaften. Die Römer pflegten jedem, der gekreuzigt wurde, vier Soldaten zuzuteilen. Die beiden Räuber wurden gebührend ausgepeitscht, bevor man sie zur Kreuzigung hinausführte, aber Jesus wurde keiner weiteren körperlichen Züchtigung unterworfen; der Hauptmann fand zweifelsohne, er sei bereits hinreichend gegeißelt worden - sogar schon vor seiner Verurteilung. Die beiden mit Jesus gekreuzigten Diebe waren Komplizen des Barabbas und wären später zusammen mit ihrem Anführer hingerichtet worden, wenn dieser von Pilatus aus Anlass der Begnadigung zu Passah nicht freigelassen worden wäre. Jesus wurde also anstelle von Barabbas gekreuzigt. Was sich Jesus jetzt zu tun anschickt - den Kreuzestod zu erleiden - tut er aus eigenem freien Willen. Er hatte diese Erfahrung mit den Worten vorausgesagt: "Der Vater liebt und stützt mich, weil ich gewillt bin, mein Leben abzulegen. Aber ich werde es wieder aufnehmen. Niemand nimmt mir das Leben - ich lege es von mir aus ab. Ich habe die Vollmacht, es abzulegen, und ich habe die Vollmacht, es wieder aufzunehmen. Ich habe diese Ermächtigung von meinem Vater erhalten." Es war an diesem Morgen kurz vor neun, als die Soldaten Jesus vom Prätorium Richtung Golgatha abführten. Manche, die heimlich mit Jesus sympathisierten, folgten ihnen, aber die meisten in dieser Schar von zweihundert oder mehr Leuten waren entweder seine Feinde oder neugierige Müßiggänger, die nur den erregenden Nervenkitzel beim Anblick der Kreuzigungen suchten. Nur wenige jüdische Führer gingen hinaus, um Jesus am Kreuz sterben zu sehen. Im Wissen darum, dass Pilatus ihn den römischen Soldaten übergeben hatte und dass er zum Tod verurteilt war, waren die übrigen mit ihrer Tempelsitzung beschäftigt, an der sie darüber diskutierten, was mit seinen Anhängern geschehen solle. ***** 187.1 Auf dem Weg nach Golgatha ***** Bevor die Soldaten den Prätoriumshof verließen, luden sie den Kreuzesbalken auf Jesu Schultern. Es war üblich, den Verurteilten zu zwingen, den Querbalken bis an den Ort der Kreuzigung zu tragen. Der Verurteilte trug nicht das ganze Kreuz, sondern nur dessen kürzeren Balken. Die längeren senkrechten Holzbalken für die drei Kreuze hatte man schon vorher nach Golgatha gebracht, und sie waren bereits fest in den Boden gerammt worden, als die Soldaten mit ihren Gefangenen anlangten. Dem Brauch entsprechend, führte der Hauptmann die Prozession an. Er trug weiße Holztäfelchen, auf denen mit Kohle die Namen der Verbrecher und die Art des Verbrechens, für das sie verurteilt worden waren, geschrieben standen. Für die beiden Diebe hatte der Hauptmann Tafeln, die ihre Namen angaben, und darunter stand nur das eine Wort "Räuber". War das Opfer einmal am Querbalken festgenagelt und an seinen Platz am senkrechten Balken gehoben worden, pflegte man diese Inschrift oben am Kreuz gerade über dem Kopf des Verbrechers anzunageln, damit alle Zeugen erfahren konnten, für welches Verbrechen der Verurteilte gekreuzigt wurde. Der Text, den der Zenturio trug, um ihn an Jesu Kreuz anzubringen, war von Pilatus eigenhändig auf lateinisch, griechisch und aramäisch geschrieben worden, und lautete: "Jesus von Nazareth - der König der Juden". Einige jüdische Würdenträger, die noch zugegen waren, als Pilatus diesen Text schrieb, erhoben heftigen Protest dagegen, Jesus den "König der Juden" zu nennen. Aber Pilatus erinnerte sie daran, dass gerade diese Anschuldigung ein Teil der Anklage war, die zu seiner Verurteilung führte. Als die Juden sahen, dass sie Pilatus nicht umzustimmen vermochten, baten sie dringend darum, den Wortlaut zumindest in "er sagte: `Ich bin der König der Juden' " abzuändern. Aber Pilatus blieb unnachgiebig; er weigerte sich, die Inschrift zu ändern. Auf all ihr weiteres Flehen antwortete er nur: "Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben." Gewöhnlich pflegte man auf dem längsten Weg nach Golgatha zu gehen, um einer großen Zahl von Menschen Gelegenheit zu geben, den verurteilten Verbrecher zu sehen, aber an diesem Tag gingen sie auf dem kürzesten Weg zum Damaskustor, das im Norden aus der Stadt hinausführte, und über diese Straße gelangten sie bald nach Golgatha, dem offiziellen Kreuzigungsort Jerusalems. Jenseits von Golgatha standen die Villen der Reichen, und auf der anderen Seite der Straße befanden sich viele Gräber wohlhabender Juden. Die Kreuzigung war keine jüdische Form der Bestrafung. Sowohl Griechen wie Römer hatten diese Hinrichtungsmethode von den Phöniziern gelernt. Nicht einmal Herodes bei all seiner Grausamkeit wandte die Kreuzigung an. Nie kreuzigten die Römer einen römischen Bürger; nur Sklaven und unterjochte Völker wurden dieser entehrenden Todesart unterworfen. Während der Belagerung von Jerusalem, genau vierzig Jahre nach Jesu Kreuzigung, war ganz Golgatha von Tausenden und Abertausenden von Kreuzen übersät, an denen Tag für Tag die Blüte der jüdischen Rasse dahinstarb. Wahrlich eine entsetzliche Ernte dessen, was an diesem Tag gesät wurde. Als sich die Todesprozession durch die engen Gassen Jerusalems fortbewegte, konnten viele zartfühlende Jüdinnen, die Jesu Worte der Ermutigung und des Erbarmens gehört hatten und die um sein Leben des Dienens in Liebe wussten, ihre Tränen nicht zurückhalten, als sie sahen, wie er vorbeigeführt wurde, um eines so schmachvollen Todes zu sterben. Als er vorüberging, seufzten und wehklagten viele dieser Frauen. Und als einige von ihnen es sogar wagten, an seiner Seite mitzugehen, wandte der Meister seinen Kopf nach ihnen um und sagte: "Ihr Töchter Jerusalems, beweint nicht mich, sondern beweint vielmehr euch und eure Kinder. Mein Werk ist so gut wie getan - ich gehe bald zu meinem Vater - aber für Jerusalem beginnen gerade erst die Zeiten schrecklicher Wirrnisse. Seht, die Tage kommen, wo ihr sagen werdet: Gesegnet sind die Unfruchtbaren und die, deren Brüste nie Kinder gesäugt haben. In jenen Tagen werdet ihr die Felsen der Berge anflehen, sich auf euch herabzustürzen, um euch von dem Entsetzen eurer Leiden zu befreien." Diese Frauen von Jerusalem zeigten wahrhaft Mut, als sie Jesus ihr Mitgefühl ausdrückten, denn es verstieß strikt gegen das Gesetz, freundliche Gefühle für einen zu zeigen, der zur Kreuzigung geführt wurde. Der Pöbel durfte den Verurteilten verhöhnen, verspotten und verlachen, aber es war nicht erlaubt, irgendwelche Sympathie für ihn auszudrücken. Obwohl Jesus die Sympathiekundgebung in dieser finsteren Stunde, da seine Freunde sich versteckt hielten, schätzte, wollte er doch nicht, dass diese gütigen Frauen das Missfallen der Behörden auf sich zögen, weil sie es wagten, ihm ihr Mitleid zu zeigen. Sogar in einem Augenblick wie diesem dachte Jesus kaum an sich selbst, sondern nur an die schrecklichen Tage der Tragödie, die Jerusalem und der ganzen jüdischen Nation bevorstanden. Als der Meister sich auf dem Weg zur Kreuzigung mühsam fortschleppte, war er sehr matt; er war nahezu erschöpft. Seit dem Letzten Abendmahl im Hause des Elija Markus hatte er weder Nahrung noch Wasser zu sich genommen, noch hatte man ihm einen Augenblick Schlaf gegönnt. Zusätzlich hatte es bis zur Stunde seiner Verurteilung ein Verhör nach dem anderen gegeben, ganz zu schweigen von der missbräuchlichen Auspeitschung und dem damit verbundenen Blutverlust und den physischen Schmerzen. Zu all dem traten seine äußerste seelische Qual, seine heftige geistige Anspannung und ein entsetzliches Gefühl menschlicher Verlassenheit. Als Jesus, mit dem Kreuzesbalken beladen, auf dem Weg aus der Stadt kurz nach Durchschreiten des Tores ins Wanken geriet, gaben seine physischen Kräfte vorübergehend nach, und er stürzte unter dem Gewicht seiner schweren Last zu Boden. Die Soldaten schrieen ihn an und versetzten ihm Fußtritte, aber er vermochte sich nicht zu erheben. Als der Hauptmann, der wusste, was Jesus schon alles erlitten hatte, das sah, gebot er den Soldaten, von ihm abzulassen. Dann befahl er einem gewissen Simon von Kyrene, der gerade vorüberging, den Kreuzesbalken von Jesu Schultern zu nehmen, und zwang ihn, den Balken auf dem restlichen Weg bis nach Golgatha zu tragen. Dieser Simon hatte die ganze Reise von Kyrene in Nordafrika her gemacht, um am Passahfest teilzunehmen. Er war mit anderen Kyrenern etwas außerhalb der Stadtmauern abgestiegen und befand sich auf dem Weg zu den Tempelgottesdiensten in der Stadt, als der römische Hauptmann ihm befahl, Jesu Kreuzesbalken zu tragen. Simon blieb während der ganzen Todesstunden des Meisters am Kreuz und sprach mit vielen seiner Freunde und mit seinen Feinden. Nach der Auferstehung und noch bevor er Jerusalem verließ, wurde er zu einem kühnen Bekenner des Evangeliums vom Königreich, und bei seiner Heimkehr führte er seine Familie in das himmlische Königreich. Seine beiden Söhne Alexander und Rufus wurden sehr erfolgreiche Lehrer des neuen Evangeliums in Afrika. Aber Simon wusste nie, dass Jesus, dessen Last er getragen, und der jüdische Lehrer, der sich einst seines verletzten Sohnes angenommen hatte, ein und dieselbe Person waren. Kurz nach neun kam die Todesprozession in Golgatha an, und die römischen Soldaten machten sich an ihr Werk, die beiden Räuber und den Menschensohn an ihre Kreuze zu nageln. ***** 187.2 Die Kreuzigung ***** Die Soldaten banden zuerst des Meisters Arme mit Stricken am Querbalken fest und nagelten dann seine Hände an das Holz. Dann hoben sie den Querbalken am Pfosten entlang hoch, nagelten ihn sicher am senkrechten Kreuzesbalken fest und banden und nagelten schließlich Jesu Füße an das Holz, wozu sie einen einzigen Nagel verwendeten, der beide Füße durchbohrte. In den senkrechten Balken war auf der richtigen Höhe eine große Sprosse eingelassen, die als eine Art Sattel diente, um das Gewicht des Körpers zu tragen. Das Kreuz war nicht hoch, des Meisters Füße befanden sich nur etwa einen Meter über dem Boden. Er konnte deshalb allen Hohn hören, der über ihn gesprochen wurde, und sehr wohl den Ausdruck auf den Gesichtern all derer sehen, die ihn so gedankenlos verspotteten. Und ebenso konnten die Anwesenden leicht alles hören, was Jesus während dieser Stunden sich dahinschleppender Qual und langsamen Sterbens sprach. Es war Sitte, die für das Kreuz Bestimmten völlig zu entkleiden, aber da die Juden gegen die öffentliche Zurschaustellung der nackten menschlichen Gestalt heftigen Einspruch erhoben, versorgten die Römer alle in Jerusalem Gekreuzigten immer mit einem geziemenden Lendenschurz. Demgemäß wurde Jesus, nachdem man ihn ausgezogen hatte, in dieser Weise bekleidet, bevor er an das Kreuz geschlagen wurde. Man wandte die Kreuzigung an, um für eine grausame und sich lang hinziehende Bestrafung zu sorgen, bei der das Opfer manchmal mehrere Tage lang am Leben blieb. Es gab in Jerusalem eine starke gefühlsmäßige Opposition gegen die Kreuzigung. Es existierte eine Gesellschaft jüdischer Frauen, die immer eine Vertreterin zu den Kreuzigungen sandte, um den Opfern einen mit einem Betäubungsmittel versetzten Wein zu reichen und dadurch ihr Leiden zu mildern. Aber als Jesus diesen betäubenden Wein schmeckte, weigerte er sich, so durstig er auch war, davon zu trinken. Der Meister war entschlossen, sein menschliches Bewusstsein bis zuletzt zu bewahren. Er wollte dem Tod auch in dieser grausamen und unmenschlichen Form begegnen und ihn in freiwilliger Unterwerfung unter die vollständige menschliche Erfahrung überwinden. Bevor Jesus an sein Kreuz geschlagen wurde, waren die beiden Räuber bereits auf die ihrigen gebracht worden, von denen herab sie ihre Henker ohne Unterlass beschimpften und bespuckten. Jesu einzige Worte, als sie ihn auf den Querbalken nagelten, waren: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Er hätte nicht so voller Erbarmen und Liebe für seine Henker bitten können, wenn solche Gedanken liebender Hingabe nicht die Haupttriebfeder seines ganzen Lebens in selbstlosem Dienst gewesen wären. Die Ideen, Beweggründe und Sehnsüchte eines ganzen Lebens kommen in einer Krise offen an den Tag. Nachdem sie den Meister auf das Kreuz gehoben hatten, nagelte der Hauptmann die Inschrift über seinem Kopf fest, und sie lautete in drei Sprachen: "Jesus von Nazareth - der König der Juden." Die Juden gerieten in Wut über das, was in ihren Augen eine Beleidigung war. Aber Pilatus war über ihre respektlose Art verärgert; er fühlte, dass er sich hatte einschüchtern und demütigen lassen, und griff jetzt zu dieser Methode kleinlicher Heimzahlung. Er hätte auch schreiben können: "Jesus, ein Rebell." Aber er wusste sehr wohl, wie sehr die Juden von Jerusalem den bloßen Namen Nazareth verabscheuten, und er war entschlossen, sie auf diese Weise zu demütigen. Er wusste, dass sie zutiefst verletzt sein würden, wenn sie sehen würden, dass man diesen hingerichteten Galiläer als "König der Juden" bezeichnete. Als sie von dem Versuch des Pilatus, sie durch Anbringen dieser Inschrift an Jesu Kreuz lächerlich zu machen, erfuhren, eilten viele der jüdischen Führer nach Golgatha hinaus, aber angesichts der römischen Soldaten, die Wache hielten, wagten sie es nicht, die Tafel zu entfernen. In ihrer Ohnmacht, sie zu beseitigen, mischten sich die Führer unter die Menge und taten ihr Möglichstes, um die Leute aus Furcht, jemand könnte die Inschrift ernst nehmen, zu Hohn und Spott zu ermuntern. Gleich nachdem Jesus in seine Lage auf dem Kreuz gebracht worden war und gerade als der Hauptmann die Inschrift über des Meisters Haupt annagelte, traf der Apostel Johannes mit Jesu Mutter Maria, Ruth und Jude am Ort des Geschehens ein. Johannes war von den elf Aposteln der einzige Zeuge der Kreuzigung, und auch er war nicht während der ganzen Zeit anwesend, denn bald nachdem er Jesu Mutter an den Ort des Geschehens gebracht hatte, lief er nach Jerusalem zurück, um seine eigene Mutter und ihre Freunde zu holen. Als Jesus seine Mutter mit Johannes, seinem Bruder und seiner Schwester erblickte, lächelte er, sagte aber nichts. Unterdessen hatten die vier der Kreuzigung des Meisters zugeteilten Soldaten, wie es Brauch war, seine Kleider unter sich aufgeteilt. Einer nahm die Sandalen, einer den Turban, einer den Gürtel und der vierte den Mantel. Endlich gab es nur noch die Tunika in vier Teile zu zerschneiden, ein nahtloses Gewand, das beinahe bis zu den Knien hinabreichte. Aber als die Soldaten sahen, was für ein ungewöhnliches Kleidungsstück das war, beschlossen sie, das Los darum zu werfen. Jesus schaute auf sie herab, während sie seine Kleider teilten und die kopflose Menge ihn verspottete. Es war gut, dass die römischen Soldaten sich des Meisters Kleider aneigneten. Denn wären seine Anhänger in den Besitz dieser Kleidungsstücke gelangt, wären sie versucht gewesen, sich abergläubischer Reliquienverehrung hinzugeben. Der Meister wünschte, dass seine Anhänger nichts Materielles besäßen, das sie mit seinem Leben auf Erden hätten in Verbindung bringen können. Er wollte der Menschheit nur die Erinnerung an ein menschliches Leben hinterlassen, das dem hohen geistigen Ideal der Hingabe an die Ausführung des väterlichen Willens gewidmet war. ***** 187.3 Die Zeugen der Kreuzigung ***** An diesem Freitagmorgen gegen halb zehn wurde Jesus an das Kreuz gehängt. Bis gegen elf Uhr hatten sich an die tausend Leute eingefunden, um dem Schauspiel der Kreuzigung des Menschensohnes beizuwohnen. In diesen entsetzlichen Stunden verharrten die unsichtbaren Heerscharen eines ganzen Universums in Schweigen und starrten auf das außerordentliche Geschehen, wie der Schöpfer den Tod eines Geschöpfes starb, sogar den schändlichsten Tod eines verurteilten Verbrechers. Zu verschiedenen Zeiten standen während der Kreuzigung in der Nähe des Kreuzes: Maria, Ruth, Jude, Johannes, Salome (Mutter des Johannes) und eine Gruppe tiefgläubiger Frauen, unter ihnen Maria, Frau des Klopas und Schwester von Jesu Mutter, Maria Magdalena und Rebekka, die vormals in Sepphoris gewohnt hatte. Diese und andere Freunde von Jesus verhielten sich still, während sie Zeugen seiner großen Geduld und Seelenstärke waren und seines intensiven Leidens ansichtig wurden. Viele Vorübergehende schüttelten den Kopf und beschimpften ihn mit den Worten: "Du, der du den Tempel in drei Tagen zerstören und wieder aufbauen wolltest, rette dich nun selbst! Wenn du der Sohn Gottes bist, warum kommst du nicht von deinem Kreuz herunter?" In derselben Weise machten sich einige Führer der Juden über ihn lustig, indem sie sagten: "Er rettete andere, aber sich selber kann er nicht retten." Andere sagten: "Wenn du der König der Juden bist, dann komm vom Kreuz herab, und wir werden an dich glauben." Und später verlachten sie ihn noch mehr und sagten: "Er hat auf Gott vertraut, dass er ihn befreien werde. Er behauptete sogar, der Sohn Gottes zu sein - schaut ihn euch jetzt an - gekreuzigt zwischen zwei Dieben." Sogar die beiden Diebe zogen über ihn her und überhäuften ihn mit Vorwürfen. Da Jesus auf all ihren Hohn nichts erwiderte und da an diesem besonderen Tag der Vorbereitung die Mittagszeit herannahte, hatte sich bis halb zwölf fast die ganze witzelnde und spöttelnde Menge verlaufen; weniger als fünfzig Menschen blieben am Ort des Geschehens zurück. Die Soldaten machten sich jetzt daran, ihr Mittagsbrot zu verzehren und ihren billigen sauren Wein zu trinken und richteten sich auf die lange Totenwache ein. Als sie ihrem Wein zusprachen, brachten sie auf Jesus höhnisch den Trinkspruch aus: "Heil und viel Glück dem König der Juden!" Und sie waren erstaunt, mit welcher Toleranz der Meister ihr Gelächter und Gespött hinnahm. Jesus sah sie essen und trinken, und er schaute auf sie herab und sagte: "Ich habe Durst." Als der Wachthauptmann Jesus "Ich habe Durst" sagen hörte, nahm er etwas Wein aus seiner Flasche, pflanzte den damit gesättigten schwammigen Stöpsel auf das Ende eines Speers und hob ihn zu Jesus hinauf, so dass er seine ausgedörrten Lippen damit befeuchten konnte. Jesus hatte sich vorgenommen zu leben, ohne auf seine übernatürlichen Kräfte zurückzugreifen, und desgleichen wollte er wie ein gewöhnlicher Mensch am Kreuz sterben. Er hatte wie ein Mensch gelebt und er wollte wie ein Mensch sterben - in Ausführung des Willens des Vaters. ***** 187.4 Der Dieb am Kreuz ***** Einer der Diebe schimpfte über Jesus mit den Worten: "Wenn du der Sohn Gottes bist, warum rettest du dich und uns nicht?" Aber auf diesen an Jesus gerichteten Vorwurf hin sagte der andere Dieb, der den Meister viele Male hatte lehren hören: "Fürchtest du dich nicht einmal vor Gott? Siehst du nicht, dass wir gerechterweise für unsere Taten leiden, dass dieser Mann dagegen ungerechterweise leidet? Wir täten besser daran, um Vergebung für unsere Sünden und für die Rettung unserer Seelen zu bitten." Als Jesus den Dieb so sprechen hörte, wandte er ihm sein Gesicht zu und lächelte zustimmend. Als der Übeltäter das ihm zugewandte Gesicht Jesu erblickte, nahm er seinen ganzen Mut zusammen, fachte seine flackernde Glaubensflamme an und sagte: "Herr, erinnere dich meiner, wenn du in dein Königreich kommst." Und Jesus sagte darauf: "Wahrlich, wahrlich, ich sage dir heute, du wirst dereinst mit mir im Paradies sein." Der Meister fand inmitten von Todesqualen Zeit, den seinen Glauben bekennenden Dieb anzuhören. Als diesen nach Rettung verlangte, fand er Erlösung. Viele Male zuvor hatte er sich gedrängt gefühlt, an Jesus zu glauben, aber erst in diesen letzten bewussten Stunden wandte er sich von ganzem Herzen der Lehre des Meisters zu. Als er Jesu Art sah, am Kreuz dem Tod ins Gesicht zu schauen, konnte dieser Dieb sich nicht länger gegen die Überzeugung wehren, dass dieser Menschensohn tatsächlich der Sohn Gottes war. Während dieser Episode der Bekehrung des Diebes durch Jesus und seiner Aufnahme in das Königreich war der Apostel Johannes abwesend, da er in die Stadt gegangen war, um seine Mutter und ihre Freundinnen an den Schauplatz der Kreuzigung zu bringen. Lukas hörte diese Geschichte später vom bekehrten römischen Wachthauptmann. Der Apostel Johannes berichtete über die Kreuzigung so, wie er sich des Ereignisses zwei Jahrhundertdrittel danach entsann. Den anderen Aufzeichnungen liegt die Schilderung des diensttuenden römischen Zenturio zu Grunde, der in der Folge durch das, was er sah und hörte, zum Glauben an Jesus kam und ein vollwertiges Mitglied des Königreichs des Himmels auf Erden wurde. Der junge, reuige Bandit war von Leuten, die das Räuberhandwerk als einen wirksamen patriotischen Protest gegen politische Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit priesen, in ein Leben der Gewalt und Missetat hineingezogen worden. Und diese Art von Lehre verbunden mit Abenteuerlust führte viele im Übrigen redliche junge Leute dazu, sich an solchen verwegenen Raubzügen zu beteiligen. Dieser junge Mann hatte zu Barabbas als einem Helden aufgeblickt. Nun sah er, dass er sich geirrt hatte. Hier am Kreuz neben sich sah er einen wirklich großen Mann, einen wahren Helden. Hier war ein Held, der seine Begeisterung entfachte, seine höchsten Vorstellungen von sittlicher Selbstachtung inspirierte und all seine Ideale von Mut, Männlichkeit und Tapferkeit wiederbelebte. Während er Jesus betrachtete, erwachte in seinem Herzen ein überwältigendes Gefühl von Liebe, Treue und echter Größe. Und wenn in der höhnenden Menge irgendjemand anderes erlebt hätte, wie in seiner Seele der Glaube geboren wurde, und er an Jesu Erbarmen appelliert hätte, wäre ihm dieselbe liebende Aufmerksamkeit, die Jesus dem gläubigen Banditen schenkte, zuteil geworden. Gleich nachdem der reuige Dieb des Meisters Versprechen vernommen hatte, sie würden sich dereinst im Paradies wiedersehen, kehrte Johannes mit seiner Mutter und einer Gruppe von fast einem Dutzend gläubiger Frauen aus der Stadt zurück. Johannes nahm seinen Platz neben Maria, Jesu Mutter, wieder ein und stützte sie. Ihr Sohn Jude stand auf ihrer anderen Seite. Als Jesus auf diese Szene herabblickte, war es Mittag, und er sagte zu seiner Mutter: "Frau, siehe, dein Sohn!" Und zu Johannes sagte er: "Mein Sohn, siehe deine Mutter!" Und dann wandte er sich an alle beide mit den Worten: "Ich wünsche, dass ihr diesen Ort verlasst." Und so führten Johannes und Jude Maria von Golgatha fort. Johannes brachte Jesu Mutter in Jerusalem an den Ort, wo er sich selbst aufhielt, und eilte dann an den Schauplatz der Kreuzigung zurück. Nach Passah kehrte Maria nach Bethsaida zurück, wo sie den Rest ihres natürlichen Lebens im Hause des Johannes zubrachte. Maria überlebte Jesu Tod um ein knappes Jahr. Als Maria gegangen war, zogen sich die übrigen Frauen auf geringe Entfernung zurück. Sie wachten über Jesus, bis er am Kreuz verschied, und sie standen immer noch dabei, als der Leichnam des Meisters zur Bestattung heruntergenommen wurde. ***** 187.5 Die letzte Stunde am Kreuz ***** Obwohl es zu dieser Jahreszeit für eine solche Erscheinung früh war, verdunkelte sich der Himmel kurz nach zwölf, weil die Luft voll feinen Sandes war. Die Jerusalemer wussten, dass dies das Nahen eines heißen Sandsturms aus der arabischen Wüste bedeutete. Noch vor ein Uhr war der Himmel so dunkel geworden, dass die Sonne verschwand. Da eilte der Rest der Menge zur Stadt zurück. Als der Meister kurz danach sein Leben aushauchte, waren weniger als dreißig Personen anwesend: lediglich die dreizehn römischen Soldaten und eine Gruppe von etwa fünfzehn Gläubigen. Es waren alles Frauen mit Ausnahme von Jude, Jesu Bruder, und Johannes Zebedäus, die erst unmittelbar vor dem Verscheiden des Meisters an den Ort des Geschehens zurückkehrten. Inmitten der zunehmenden Dunkelheit des heftigen Sandsturms begann kurz nach ein Uhr Jesu menschliches Bewusstsein zu schwinden. Er hatte seine letzten Worte des Erbarmens, der Vergebung und der Ermahnung gesprochen. Er hatte seinen letzten Wunsch, der der Betreuung seiner Mutter galt, ausgedrückt. In dieser Stunde des herannahenden Todes nahm Jesu menschlicher Verstand Zuflucht zu der Wiederholung vieler Stellen der hebräischen Schriften, insbesondere der Psalmen. Der letzte bewusste Gedanke des menschlichen Jesus galt der Wiederholung eines Abschnitts aus dem Buch der Psalmen, den man jetzt als zwanzigsten, einundzwanzigsten und zweiundzwanzigsten Psalm kennt. Zwar bewegten sich seine Lippen oft, doch war er zu schwach, um die Worte auszusprechen, während ihm die Stellen, die er so gut auswendig kannte, durch den Sinn gingen. Nur wenige Male fingen die Dabeistehenden einige Worte auf wie: "Ich weiß, dass der Herr seinen Gesalbten retten wird", "Deine Hand wird all meine Feinde finden" und "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Jesus hegte auch nicht einen Augenblick lang den leisesten Zweifel daran, in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters gelebt zu haben, und nie zweifelte er daran, dass er jetzt sein irdisches Leben in Übereinstimmung mit seines Vaters Willen ablegte. Er fühlte nicht, dass sein Vater ihn verlassen habe, er sagte nur in seinem schwindenden Bewusstsein viele Schriftstellen her, worunter sich dieser zweiundzwanzigste Psalm befand, der mit "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" beginnt. Und der Zufall wollte es, dass diese Stelle eine von dreien war, die genügend laut gesprochen wurden, um von den Umstehenden vernommen zu werden. Etwa um halb zwei richtete der sterbliche Jesus die letzte Bitte an seine Mitmenschen, als er zum zweiten Mal sagte: "Ich habe Durst." Und derselbe Hauptmann der Wache befeuchtete seine Lippen mit demselben Schwamm, der mit saurem Wein, den man damals gewöhnlich Essig nannte, getränkt war. Der Sandsturm wurde heftiger und der Himmel verfinsterte sich immer mehr. Dennoch hielten die Soldaten und die kleine Gruppe von Gläubigen aus. Die Soldaten kauerten dicht beieinander neben dem Kreuz, um sich gegen den schneidenden Sand zu schützen. Die Mutter des Johannes und andere schauten aus einer gewissen Entfernung zu, wo ihnen ein überhängender Felsen einigermaßen Schutz bot. Als der Meister endlich seinen letzten Atemzug tat, befanden sich am Fuße seines Kreuzes Johannes Zebedäus, sein Bruder Jude, seine Schwester Ruth, Maria Magdalena und Rebekka, die früher in Sepphoris gewohnt hatte. Es war gerade etwas vor drei Uhr, als Jesus mit lauter Stimme ausrief: "Es ist vollbracht! Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist." Und nachdem er so gesprochen hatte, neigte er sein Haupt und gab den Lebenskampf auf. Als der römische Zenturio sah, wie Jesus starb, schlug er sich an die Brust und sagte: "Das war in der Tat ein rechtschaffener Mann; er muss wahrhaftig ein Sohn Gottes gewesen sein." Und von jener Stunde an begann er, an Jesus zu glauben. Jesus starb königlich - so wie er gelebt hatte. Er bekannte sich offen dazu, ein König zu sein, und blieb den ganzen tragischen Tag über Herr der Lage. Er ging willentlich in seinen schändlichen Tod, nachdem er für die Sicherheit seiner auserwählten Apostel gesorgt hatte. Weise hielt er Petrus zurück, als dessen Heftigkeit Schwierigkeiten zu schaffen drohte, und er sorgte dafür, dass Johannes ganz bis zum Ende seiner sterblichen Existenz in seiner Nähe blieb. Er bekannte sich vor dem mörderischen Sanhedrin zu seiner wahren Natur und erinnerte Pilatus an die Quelle seiner souveränen Autorität als ein Sohn Gottes. Seinen eigenen Kreuzesbalken tragend, brach er nach Golgatha auf und beendete seine liebende Selbsthingabe, indem er dem Paradies-Vater seinen Geist, den er als Sterblicher erworben hatte, übergab. Nach einem solchen Leben - und angesichts eines solchen Todes - konnte der Meister wahrlich sagen: "Es ist vollbracht." Weil es der Tag der Vorbereitung sowohl auf Passah als auch auf den Sabbat war, wollten die Juden nicht, dass die Leiber auf Golgatha zur Schau gestellt würden. Deshalb gingen sie zu Pilatus und verlangten, dass man den drei Männern die Beine breche und sie töte, um sie von ihren Kreuzen herunternehmen und noch vor Sonnenuntergang in die Totengrube für Verbrecher werfen zu können. Als Pilatus dieses Begehren hörte, schickte er unverzüglich drei Soldaten aus, die Jesus und den zwei Räubern die Beine zu brechen und sie zu töten hatten. Als die Soldaten auf Golgatha ankamen, führten sie ihren Befehl an den beiden Dieben aus, aber zu ihrer großen Überraschung fanden sie Jesus bereits tot vor. Um jedoch seines Todes sicher zu sein, durchbohrte einer der Soldaten Jesu linke Seite mit seinem Speer. Obwohl die Kreuzigungsopfer sich gewöhnlich sogar zwei bis drei Tage lang lebend am Kreuz dahinquälten, setzten die überwältigende emotionale Pein und die intensive geistige Qual Jesu seinem irdischen Leben in etwas weniger als fünfeinhalb Stunden ein Ende. ***** 187.6 Nach der Kreuzigung ***** Gegen halb vier, mitten in der Dunkelheit des Sandsturms, sandte David Zebedäus die letzten Boten mit der Nachricht vom Tode des Meisters aus. Den letzten seiner Läufer schickte er zum Hause von Martha und Maria in Bethanien, wo sich seiner Meinung nach Jesu Mutter mit dem Rest ihrer Familie aufhielt. Nachdem der Meister gestorben war, schickte Johannes die Frauen in der Obhut von Jude zum Haus des Elija Markus, wo sie den Sabbat über weilten. Johannes selber, den der römische Zenturio mittlerweile gut kannte, blieb auf Golgatha, bis Joseph und Nikodemus am Ort des Geschehens mit einem Befehl des Pilatus eintrafen, der sie ermächtigte, von Jesu Leichnam Besitz zu ergreifen. Auf diese Weise endete ein tragischer und schmerzlicher Tag für ein riesiges Universum, dessen Myriaden von Intelligenzen es bei dem schockierenden Anblick der Kreuzigung der menschlichen Inkarnation ihres geliebten Herrschers geschaudert hatte; sie waren fassungslos ob so viel menschlicher Rohheit und Perversität. ****** Kapitel 188 Die Zeit im Grabe ****** DIE anderthalb Tage, während welcher Jesu sterblicher Leib in der Gruft Josephs lag - die Zeit zwischen seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung - sind ein Kapitel von Michaels irdischem Lebensweg, über das wir nur wenig wissen. Wir können über das Begräbnis des Menschensohnes berichten und in unserer Darstellung die mit seiner Auferstehung verknüpften Ereignisse schildern, aber wir können nur wenige wirklich authentische Auskünfte über das geben, was sich wirklich in diesem Zeitraum von ungefähr sechsunddreißig Stunden, zwischen drei Uhr am Freitagnachmittag und drei Uhr am Sonntagmorgen, zutrug. Diese Zeitspanne in des Meisters Leben begann, kurz bevor die römischen Soldaten ihn vom Kreuz herunternahmen. Er hing nach seinem Tode noch etwa eine Stunde lang am Kreuz. Ohne die wegen der Tötung der beiden Räuber eingetretene Verzögerung hätten sie ihn schon früher heruntergenommen. Die Führer der Juden hatten sich vorgenommen, Jesu Leichnam in die offenen Totengruben von Gehenna im Süden der Stadt zu werfen; es war üblich, mit den Kreuzigungsopfern so zu verfahren. Hätten sie diesen Plan befolgt, wäre des Meisters Leib den wilden Tieren ausgesetzt worden. Inzwischen hatte sich Joseph von Arimathäa in Begleitung des Nikodemus zu Pilatus begeben und ihn gebeten, ihnen Jesu Leichnam zu angemessener Bestattung zu überlassen. Es war nicht unüblich, dass Freunde von Gekreuzigten der römischen Obrigkeit für das Recht, in den Besitz eines solchen Leichnams zu gelangen, Bestechungsgeld anboten. Joseph kam mit einer großen Geldsumme zu Pilatus für den Fall, dass er für die Erlaubnis, Jesu Leichnam in eine private Grabstätte zu bringen, zu zahlen hätte. Aber Pilatus wollte dafür kein Geld annehmen. Als er das Verlangen hörte, unterschrieb er rasch den Befehl, der Joseph ermächtigte, sich nach Golgatha zu begeben und dort vom Leichnam des Meisters unverzüglich vollen Besitz zu ergreifen. Inzwischen hatte sich der Sandsturm ziemlich gelegt, und eine den Sanhedrin repräsentierende Gruppe von Juden war nach Golgatha hinausgegangen, um sicherzustellen, dass Jesu Leichnam zusammen mit den Leibern der Banditen in die offiziellen, offenen Totengruben geworfen würde. ***** 188.1 Jesu Bestattung ***** Als Joseph und Nikodemus auf Golgatha eintrafen, waren die Soldaten gerade dabei, Jesus vom Kreuz herunterzuholen, während die Vertreter des Sanhedrins dabeistanden und darüber wachten, dass keiner von Jesu Anhängern sich dem Abtransport seines Leichnams nach den für Verbrecher bestimmten Totengruben widersetze. Als Joseph dem Zenturio den Jesu Leichnam betreffenden Befehl des Pilatus vorzeigte, erhoben die Juden einen großen Lärm und schrieen laut nach seinem Besitz. Sie tobten und versuchten, sich der Leiche mit Gewalt zu bemächtigen. Aber als sie zur Tat schritten, befahl der Zenturio vier Soldaten an seine Seite, und mit gezückten Schwertern stellten diese sich mit gespreizten Beinen über den am Boden liegenden Leichnam des Meisters. Der Zenturio befahl den übrigen Soldaten, die beiden Diebe liegen zu lassen und den aufgebrachten Haufen wütender Juden zurückzudrängen. Als die Ordnung wiederhergestellt war, las der Zenturio den Juden den Befehl des Pilatus vor, trat dann zur Seite und sagte zu Joseph: "Dieser Leichnam gehört dir; du kannst damit tun, was du für gut befindest. Ich werde mit meinen Soldaten dabei sein und dafür sorgen, dass niemand dich behindert." Ein Gekreuzigter konnte nicht auf einem jüdischen Friedhof beigesetzt werden; es gab ein ausdrückliches Gesetz gegen ein solches Vorgehen. Joseph und Nikodemus kannten das Gesetz, und auf ihrem Weg nach Golgatha hatten sie beschlossen, Jesus in Josephs neuer Familiengruft zu bestatten, die, aus hartem Felsen herausgehauen, sich nur wenig nördlich von Golgatha auf der anderen Seite der nach Samaria führenden Straße befand. Bisher hatte noch niemand in diesem Grab gelegen, und sie fanden es angemessen, dass der Meister darin ruhe. Joseph glaubte wirklich, dass Jesus von den Toten auferstehen werde, aber Nikodemus bezweifelte es sehr. Diese vormaligen Mitglieder des Sanhedrins hatten aus ihrem Glauben an Jesus mehr oder weniger ein Geheimnis gemacht, obwohl ihre Kollegen vom Sanhedrin sie seit langem, noch ehe sie sich aus dem Rat zurückzogen, verdächtigt hatten. Von jetzt an waren sie Jesu erklärteste Jünger in ganz Jerusalem. Ungefähr um halb fünf setzte sich der Trauerzug für Jesus von Nazareth von Golgatha aus in Bewegung nach dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Grabe Josephs. Der Leichnam war in ein Leinentuch gehüllt und wurde von vier Männern getragen, denen die treuen Wächterinnen aus Galiläa folgten. Die Sterblichen, die Jesu materiellen Leib zu Grabe trugen, waren Joseph, Nikodemus, Johannes und der römische Zenturio. Sie trugen den Leichnam in die Gruft, einen Raum von etwa drei Metern im Quadrat, wo sie ihn eilends zur Bestattung herrichteten. Die Juden beerdigten ihre Toten nicht wirklich, sondern balsamierten sie ein. Joseph und Nikodemus hatten große Mengen von Myrrhe und Aloe mitgebracht, und sie umwickelten den Leib jetzt mit Binden, die mit diesen Lösungen durchtränkt waren. Als die Einbalsamierung beendet war, banden sie ein Tuch über das Gesicht, hüllten den Leib in ein Leinentuch und legten ihn dann ehrerbietig auf eine Felsbank der Gruft. Nachdem der Leichnam im Grab beigesetzt worden war, bedeutete der Zenturio seinen Soldaten mitzuhelfen, den Türstein vor den Eingang des Grabes zu rollen. Dann brachen die Soldaten mit den Leichen der Diebe nach Gehenna auf, während die übrigen voller Schmerz nach Jerusalem zurückkehrten, um das Passahfest den Gesetzen Mose gemäß zu begehen. Jesus war in aller Eile und Hast bestattet worden, weil dies der Tag der Vorbereitung war und der Sabbat rasch näherrückte. Die Männer eilten zur Stadt zurück, aber die Frauen harrten weiter beim Grabe aus, bis es sehr dunkel war. Während all dieser Vorgänge hielten sich die Frauen ganz in der Nähe verborgen, so dass sie alles sahen und beobachten konnten, wo der Meister hingelegt wurde. Sie versteckten sich, weil es Frauen nicht gestattet war, sich bei einem solchen Anlass zu den Männern zu gesellen. Die Frauen fanden, Jesus sei für die Bestattung nicht gebührend hergerichtet worden, und sie kamen überein, zum Hause Josephs zurückzukehren, dort den Sabbat über zu ruhen, Gewürze und Öle vorzubereiten und am Sonntagmorgen wiederzukommen, um des Meisters Körper für die Todesruhe geziemend herzurichten. Die Frauen, die an diesem Freitagabend am Grab ausharrten, waren Maria Magdalena, Maria, die Frau des Klopas, Martha, eine andere Schwester von Jesu Mutter, und Rebekka von Sepphoris. Von David Zebedäus und Joseph von Arimathäa abgesehen, glaubten oder begriffen nur sehr wenige von Jesu Jüngern wirklich, dass er am dritten Tag vom Grab auferstehen würde. ***** 188.2 Die Sicherung des Grabes ***** Jesu Anhänger dachten nicht an sein Versprechen, dass er am dritten Tag aus dem Grab auferstehen werde, wohl aber seine Feinde. Die Priesterführer, Pharisäer und Sadduzäer erinnerten sich daran, Berichte über seinen Ausspruch erhalten zu haben, er werde von den Toten auferstehen. Nach dem Passahmahl trat an diesem Freitagabend gegen Mitternacht eine Gruppe jüdischer Führer im Hause des Kajaphas zusammen, wo sie über ihre Befürchtungen wegen der Erklärungen des Meisters, er werde am dritten Tag von den Toten auferstehen, diskutierten. Die Zusammenkunft endete mit der Ernennung einer Abordnung von Sanhedristen, die früh am nächsten Morgen zu Pilatus zu gehen hatten, um ihm das offizielle Gesuch des Sanhedrins zu überbringen, vor Jesu Grab eine römische Wache aufzustellen, die seine Freunde daran hindern sollte, sich daran zu schaffen zu machen. Der Sprecher der Abordnung sagte zu Pilatus: "Herr, wir erinnern uns, dass dieser Betrüger Jesus von Nazareth, als er noch am Leben war, sagte: `Nach drei Tagen werde ich auferstehen.' Wir treten deshalb mit dem Ersuchen vor dich, zu veranlassen, das Grab wenigstens bis nach dem dritten Tag vor seinen Anhängern zu sichern. Wir befürchten sehr, dass seine Jünger kommen und ihn nachts stehlen und darauf dem Volk verkünden, er sei von den Toten auferstanden. Ließen wir das geschehen, wäre das ein weit schlimmerer Fehler, als wenn wir ihn am Leben gelassen hätten." Nachdem sich Pilatus dieses Begehren der Sanhedristen angehört hatte, sagte er: "Ich will euch eine zehn Soldaten starke Wachmannschaft geben. Geht eures Weges und sichert das Grab." Sie gingen zum Tempel zurück, boten zehn von ihren eigenen Wächtern auf und marschierten dann sogar an diesem Sabbatmorgen mit den zehn jüdischen Wächtern und den zehn römischen Soldaten zu Josephs Grab hinaus, um sie als Wachen vor dem Grab aufzustellen. Diese Männer rollten noch einen weiteren Stein vor das Grab und brachten auf beiden Steinen und um sie herum das Siegel des Pilatus an aus Furcht, jemand könnte sich ohne ihr Wissen daran zu schaffen machen. Die zwanzig Männer blieben bis zur Stunde der Auferstehung auf Wache, während die Juden ihnen Essen und Trinken brachten. ***** 188.3 Der Verlauf des Sabbattages ***** Den Sabbattag über hielten sich die Jünger und Apostel versteckt, während ganz Jerusalem von Jesu Tod am Kreuz sprach. Zu diesem Zeitpunkt waren in Jerusalem fast eineinhalb Millionen Juden aus allen Teilen des Römischen Reiches und aus Mesopotamien anwesend. Es war der Beginn der Passahwoche und all diese Pilger würden sich in der Stadt befinden, von Jesu Auferstehung hören und den Bericht in ihre Heimat tragen. Spät am Samstagabend ließ Johannes Markus die elf Apostel insgeheim in das Haus seines Vaters kommen, wo sich alle kurz vor Mitternacht in demselben oberen Raum versammelten, wo sie mit ihrem Meister zwei Abende zuvor das Letzte Abendmahl eingenommen hatten. Maria, Jesu Mutter, kehrte mit Ruth und Jude nach Bethanien zurück, wo sie sich an diesem Samstagabend kurz vor Sonnenuntergang mit ihrer Familie vereinigten. David Zebedäus blieb im Hause des Nikodemus, wo er sich mit seinen Boten für den frühen Sonntagmorgen verabredet hatte. Die Frauen aus Galiläa, die für die zusätzliche Einbalsamierung der Leiche Jesu Gewürze zubereiteten, hielten sich im Hause Josephs von Arimathäa auf. Wir sind außerstande, ganz zu erklären, was mit Jesus von Nazareth in diesem Zeitraum von anderthalb Tagen geschah, während er angeblich in Josephs neuem Grab ruhte. Offensichtlich war er desselben natürlichen Todes am Kreuz gestorben wie jeder andere Sterbliche unter gleichen Umständen auch. Wir hörten ihn sagen: "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist." Wir verstehen die Bedeutung einer solchen Aussage nicht ganz, insofern sein Gedankenjustierer seit langem personifiziert war und somit eine von Jesu sterblichem Wesen getrennte Existenz führte. Des Meisters Personifizierter Gedankenjustierer konnte durch seinen physischen Tod am Kreuz in keiner Weise betroffen sein. Was Jesus vorläufig in seines Vaters Hände legte, muss die geistige Entsprechung der frühen Justiererarbeit zur Vergeistigung des menschlichen Intellekts gewesen sein, damit diese Transkription der menschlichen Erfahrung auf die Residenzwelten weitergeleitet werden konnte. In Jesu Erfahrung muss es eine geistige Realität gegeben haben, die der Geist-Natur, oder Seele, der in ihrem Glauben wachsenden Sterblichen der Welten vergleichbar war. Aber das ist nur unsere Ansicht, denn wir wissen nicht wirklich, was Jesus seinem Vater anbefahl. Wir wissen, dass dort in Josephs Grab der physische Leib des Meisters bis etwa drei Uhr am Sonntagmorgen ruhte, aber über den Status von Jesu Persönlichkeit während dieser sechsunddreißig Stunden sind wir völlig im Ungewissen. Wir haben es manchmal gewagt, uns diese Dinge etwa wie folgt zu erklären: 1. Das Bewusstsein Michaels als eines Schöpfers muss frei gewesen sein und völlig unabhängig von dem ihm in der physischen Inkarnation zugesellten sterblichen Verstand. 2. Wir wissen, dass Jesu vormaliger Gedankenjustierer während dieser Zeitspanne auf Erden anwesend war und die versammelten himmlischen Heerscharen persönlich befehligte. 3. Die erworbene Geist-Identität des Menschen von Nazareth, aufgebaut im Laufe seines inkarnierten Lebens zuerst durch die direkten Anstrengungen seines Gedankenjustierers und später durch seine eigene vollkommene Harmonisierung der physischen Notwendigkeiten mit den geistigen Erfordernissen einer idealen sterblichen Existenz - Resultat seiner nimmermüden Ausrichtung auf den Willen des Vaters - diese Geist-Identität muss der Obhut des Paradies-Vaters anvertraut worden sein. Ob diese Geist-Realität zurückkehrte, um ein Teil der auferstandenen Persönlichkeit zu werden, wissen wir nicht, aber wir glauben es. Es gibt indessen im Universum auch solche, die der Meinung sind, diese Seelenidentität Jesu ruhe jetzt im "Schoße des Vaters", um später freigesetzt zu werden und die Führung des Korps der Finalität von Nebadon zu übernehmen, wenn dieses dereinst seine nicht offenbarte Bestimmung in den noch nicht erschaffenen Universen der nicht organisierten Reiche des Äußeren Raums finden wird. 4. Wir glauben, dass das menschliche oder sterbliche Bewusstsein Jesu während dieser sechsunddreißig Stunden schlief. Wir haben Grund zu der Annahme, dass der menschliche Jesus von dem, was sich in dieser Zeitspanne im Universum ereignete, nichts wusste. Für sein menschliches Bewusstsein schien keine Zeit verstrichen zu sein, seine Auferstehung ins Leben folgte unmittelbar auf das Verlöschen im Tode. Und das ist ungefähr alles, was wir über Jesu Status während der Grabesperiode zu Protokoll geben können. Es gibt eine ganze Anzahl damit verbundener Tatsachen, auf die wir hinweisen können, obwohl wir kaum kompetent sind, sie zu interpretieren. In dem riesigen Hof der Auferstehungshallen der ersten Residenzwelt von Satania kann man jetzt ein herrliches materiell-morontielles Bauwerk, "Denkmal Michaels" genannt, bewundern, welches das Siegel Gabriels trägt. Dieses Denkmal wurde kurz nach Michaels Weggang von dieser Welt errichtet und trägt die Inschrift: "Zur Erinnerung an den sterblichen Transit Jesu von Nazareth auf Urantia." Es sind Dokumente vorhanden, aus denen hervorgeht, dass der höchste Rat von Salvington in diesem Zeitraum mit seinen hundert Mitgliedern unter Gabriels Vorsitz auf Urantia eine Geheimsitzung abhielt. Aus anderen Dokumenten geht hervor, dass die Ältesten der Tage von Uversa sich in dieser Zeit mit Michael über den Status des Universums von Nebadon ausgetauscht haben. Wir wissen, dass zwischen Michael und Immanuel von Salvington mindestens eine Botschaft ausgetauscht wurde, während der Leichnam des Meisters im Grabe lag. Es gibt guten Grund zu der Annahme, dass an der Sitzung des System-Rates der Planetarischen Fürsten, der auf Jerusem tagte, eine gewisse Persönlichkeit den Platz Caligastias einnahm, während Jesu Körper im Grabe ruhte. Die Annalen von Edentia vermelden, dass sich der Vater der Konstellation von Norlatiadek auf Urantia aufhielt und von Michael während der Zeit im Grabe Anweisungen empfing. Und es gibt noch manch anderen Beweis, welcher annehmen lässt, dass nicht Jesu ganze Persönlichkeit während der Dauer seines offensichtlichen physischen Todes schlief und bewusstlos war. ***** 188.4 Die Bedeutung des Todes am Kreuz ***** Obwohl Jesus nicht am Kreuz starb, um die Rassenschuld der sterblichen Menschen zu sühnen, noch um ihnen so etwas wie einen wirksamen Zugang zu einem sonst beleidigten und nachtragenden Gott zu verschaffen; obwohl der Menschensohn sich nicht als Opfer darbrachte, um Gottes Zorn zu besänftigen und den sündigen Menschen den Weg zur Errettung aufzutun; und obwohl all diese Vorstellungen von Sühne und Opfer irrig sind, so kommen Jesu Tod am Kreuz doch Bedeutungen zu, die man nicht übersehen sollte. Es ist eine Tatsache, dass man auf anderen bewohnten Nachbarplaneten von Urantia als von der "Welt des Kreuzes" spricht. Jesus wünschte, auf Urantia das vollständige sterbliche Dasein eines Menschen zu leben. Der Tod ist normalerweise ein Teil des Lebens. Der Tod ist im sterblichen Drama der letzte Akt. In eurem redlichen Bemühen, die abergläubischen Irrtümer einer falschen Auslegung der Bedeutung des Kreuzestodes zu vermeiden, solltet ihr darauf achten, nicht in den großen Fehler zu fallen, die wahre Bedeutung und den tiefen Sinn des Todes des Meisters zu übersehen. Der sterbliche Mensch war nie Eigentum der Erzbetrüger. Jesus starb nicht, um den Menschen aus den Klauen der abtrünnigen Herrscher und gefallenen Fürsten der Welten loszukaufen. Nie ersann der Vater im Himmel eine so krasse Ungerechtigkeit wie jene, eine sterbliche Seele wegen der Übeltaten ihrer Vorfahren zu verdammen. Ebenso wenig war der Kreuzestod des Meisters ein Opfer, das darin bestand, Gott eine Schuld zu bezahlen, die sich die Menschenrasse ihm gegenüber aufgeladen hätte. Bevor Jesus auf Erden lebte, wäre euer Glaube an einen solchen Gott möglicherweise zu rechtfertigen gewesen, aber er ist es nicht mehr, seit der Meister unter euren sterblichen Brüdern lebte und starb. Moses lehrte die Würde und Gerechtigkeit eines Schöpfergottes; aber Jesus verkörperte die Liebe und Barmherzigkeit eines himmlischen Vaters. Die tierische Natur - der Hang zu üblem Tun - mag sich vererben, aber die Sünde überträgt sich nicht von den Eltern auf die Kinder. Sünde ist ein Akt bewusster und vorsätzlicher Auflehnung eines einzelnen Willensgeschöpfes gegen den Willen des Vaters und die Gesetze des Sohnes. Jesus lebte und starb für ein ganzes Universum, nicht nur für die Rassen dieser einen Welt. Zwar besaßen die Sterblichen der Welten die Errettung schon, bevor Jesus auf Urantia lebte und starb; trotzdem ist es eine Tatsache, dass seine Selbsthingabe auf dieser Welt den Weg der Errettung um vieles erhellte. Sein Tod trug viel dazu bei, das Fortleben der Sterblichen nach dem leiblichen Tod für immer zu einer völligen Gewissheit werden zu lassen. Obwohl es kaum zutreffend ist, von Jesus als von einem Opferlamm, Freikäufer oder Wiedergutmacher zu sprechen, ist es vollkommen richtig, sich auf ihn als einen Retter zu berufen. Er hat den Weg der Errettung (das Fortleben nach dem Tode) für immer klarer und gewisser gemacht und allen Sterblichen auf allen Welten des Universums von Nebadon den Weg zur Errettung deutlicher und sicherer gezeigt. Wenn ihr einmal die Idee von Gott als einem wahren und liebenden Vater - das einzige Konzept, das Jesus je gelehrt hat - erfasst habt, müsst ihr folgerichtig sofort all diese primitiven Vorstellungen von Gott als einem beleidigten Monarchen, finsteren und allgewaltigen Herrscher völlig aufgeben, von einem, dessen größte Wonne es ist, seine Untertanen bei Vergehen zu ertappen und dafür zu sorgen, dass sie gebührend bestraft werden, es sei denn, ein ihm fast ebenbürtiges Wesen wolle freiwillig an ihrer Stelle leiden und stellvertretend für sie sterben. Die ganze Idee von Loskauf und Sühneopfer ist unvereinbar mit der Gottesvorstellung, wie Jesus von Nazareth sie gelehrt und beispielhaft gelebt hat. Die unendliche Liebe Gottes ist nichts anderem in der göttlichen Natur untergeordnet. Die ganze Vorstellung von Sühneopfer und Errettung durch Opferung wurzelt in Selbstsucht und gründet darauf. Jesus lehrte, dass der Dienst an seinen Mitmenschen die höchste Vorstellung von Brüderlichkeit der im Geiste Glaubenden ist. Die Errettung sollte von denen, die an die Vaterschaft Gottes glauben, für selbstverständlich gehalten werden. Nicht der selbstische Wunsch nach persönlicher Errettung sollte die Hauptsorge des Gläubigen sein, sondern der selbstlose Drang, seine Mitmenschen so zu lieben und ihnen folglich so zu dienen, wie Jesus die sterblichen Menschen geliebt und ihnen gedient hat. Und echte Gläubige sorgen sich auch nicht sonderlich wegen kommender Bestrafung für begangene Sünden. Der wahre Gläubige ist einzig besorgt wegen vorhandener Trennung von Gott. Es ist wahr, dass weise Väter ihre Kinder gelegentlich züchtigen, aber sie tun es aus Liebe und in korrigierender Absicht. Sie bestrafen nicht im Zorn, noch züchtigen sie zur Vergeltung. Selbst wenn Gott der harte und streng gesetzliche Monarch eines Universums wäre, in dem Gerechtigkeit allesbeherrschend wäre, so würde ihn die kindische Idee, einen schuldigen Missetäter durch einen unschuldig Leidenden zu ersetzen, gewiss nicht befriedigen. Was Jesu Tod für die Bereicherung der menschlichen Erfahrung und die Erweiterung des Heilsweges so groß macht, ist nicht die Tatsache seines Todes, sondern vielmehr die überragende Art und der unvergleichliche Geist, in denen er dem Tod begegnete. Die ganze Vorstellung von einem Loskauf durch Sühneopfer stellt die Errettung auf eine unrealistische Ebene; eine solche Vorstellung ist rein philosophisch. Die menschliche Errettung ist real; sie gründet auf zwei Tatsachen, die der Glaube des Geschöpfes erfassen kann und die dadurch Bestandteil der individuellen menschlichen Erfahrung werden: die Tatsache der Vaterschaft Gottes und der mit ihr verbundenen Wahrheit der Bruderschaft der Menschen. Am Ende ist es wahr, dass man euch "eure Schulden vergeben wird, wie auch ihr euren Schuldigern vergebt". ***** 188.5 Was das Kreuz uns lehrt ***** Das Kreuz Jesu veranschaulicht das volle Maß der höchsten Hingabe des wahren Hirten selbst an die unwürdigen Mitglieder seiner Herde. Es stellt für alle Zeiten sämtliche Beziehungen zwischen Gott und Mensch auf die Grundlage der Familie. Gott ist der Vater; der Mensch ist sein Sohn. Die Liebe, Liebe eines Vaters zu seinem Sohn, wird zur zentralen Wahrheit in den Universumsbeziehungen zwischen Schöpfer und Geschöpf - nicht die Gerechtigkeit eines Königs, die in den Leiden und in der Bestrafung seiner sündigen Untertanen Befriedigung sucht. Das Kreuz zeigt für immer, dass Jesu Haltung gegenüber Sündern weder Verurteilung noch stillschweigende Duldung war, sondern vielmehr ewige und liebevolle Errettung. Jesus ist wahrlich ein Retter in dem Sinne, dass sein Leben und Sterben die Menschen für Güte und rechtschaffenes Fortleben nach dem Tode gewinnt. Jesus liebt die Menschen so sehr, dass seine Liebe im Menschenherzen antwortende Liebe weckt. Liebe ist wirklich ansteckend und ewig schöpferisch. Jesu Tod am Kreuz ist das Beispiel einer Liebe, die stark und göttlich genug ist, um Sünde zu vergeben und alle Missetat zu vertilgen. Jesus offenbarte dieser Welt eine höhere Art von Rechtschaffenheit als Gerechtigkeit - als rein formales Recht und Unrecht. Göttliche Liebe vergibt Unrecht nicht nur, sie absorbiert und zerstört es tatsächlich. Verzeihung aus Liebe transzendiert ganz und gar Verzeihung aus Barmherzigkeit. Barmherzigkeit lässt die Schuld an begangenem Unrecht außer Acht; aber Liebe zerstört die Sünde und alle aus ihr hervorgehende Schwachheit für immer. Jesus brachte Urantia eine neue Lebensweise. Er lehrte uns, dem Bösen nicht zu widerstehen, sondern durch ihn eine Güte zu finden, die das Böse wirksam zerstört. Jesu Verzeihen ist nicht Duldung; es ist Rettung vor Verurteilung. Rettung verharmlost Unrecht nicht; sie macht es wieder gut. Wahre Liebe geht mit dem Hass keinen Kompromiss ein, noch sieht sie über ihn hinweg; sie zerstört ihn. Jesu Liebe gibt sich nie mit bloßem Verzeihen zufrieden. Die Liebe des Meisters schließt Rehabilitierung, ewiges Leben ein. Es ist durchaus zutreffend, von der Errettung als Erlösung zu sprechen, wenn man damit diese ewige Rehabilitierung meint. Durch die Gewalt seiner persönlichen Liebe zu den Menschen konnte Jesus die Macht der Sünde und des Bösen brechen. Dadurch machte er die Menschen frei, bessere Lebensweisen zu wählen. Jesus verkörperte eine Befreiung von der Vergangenheit, die in sich einen Triumph für die Zukunft versprach. So brachte Vergeben Errettung. Wenn sich das menschliche Herz einmal ganz der Schönheit göttlicher Liebe geöffnet hat, zerstört diese für immer das Bestrickende der Sünde und die Macht des Bösen. Die Leiden Jesu beschränkten sich nicht auf die Kreuzigung. In Wahrheit verbrachte Jesus von Nazareth mehr als fünfundzwanzig Jahre am Kreuz einer realen und intensiven menschlichen Existenz. Der wahre Wert des Kreuzes liegt in der Tatsache, dass es der höchste und endgültige Ausdruck seiner Liebe, die vollendete Offenbarung seiner Barmherzigkeit war. Auf Millionen von bewohnten Welten haben Dutzende von Billionen sich entwickelnder Geschöpfe, die etwa in Versuchung geraten mochten, ihr sittliches Ringen einzustellen und den guten Glaubenskampf aufzugeben, ihren Blick von neuem auf Jesus am Kreuz gerichtet und sich dann weiter vorangekämpft, inspiriert vom Anblick Gottes, der in Hingabe an den selbstlosen Dienst am Menschen sein inkarniertes Leben ablegt. Der Geist von Jesu Haltung gegenüber seinen Angreifern ist die Quintessenz seines siegreichen Todes am Kreuz. Er machte aus dem Kreuz ein ewiges Symbol für den Triumph der Liebe über den Hass und für den Sieg der Wahrheit über das Böse, als er betete: "Vater , vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Diese liebende Hingabe wirkte in einem riesigen Universum ansteckend; die Jünger übernahmen sie von ihrem Meister. Der allererste Lehrer seines Evangeliums, an den der Ruf erging, sein Leben in diesem Dienst hinzugeben, sagte, als sie ihn zu Tode steinigten: "Rechne ihnen diese Sünde nicht an." Das Kreuz appelliert übermächtig an das Beste im Menschen, weil es einen offenbart, der gewillt war, sein Leben im Dienst an seinen Mitmenschen hinzugeben. Kein Mensch kann eine größere Liebe haben als diese: gewillt zu sein, sein Leben für seine Freunde hinzugeben - und Jesu hatte eine solche Liebe, dass er gewillt war, sein Leben sogar für seine Feinde hinzugeben, eine größere Liebe als alles, was man bisher auf Erden gekannt hatte. Sowohl auf Urantia wie auch auf anderen Welten hat der erhabene Anblick des Sterbens des menschlichen Jesus am Kreuz von Golgatha die Gefühle der Sterblichen aufgewühlt, während es in den Engeln die höchste Hingabe wachrief. Das Kreuz ist das hohe Symbol geheiligten Dienstes, der Hingabe unseres Lebens an das Wohl und die Rettung unserer Mitmenschen. Das Kreuz ist nicht das Symbol der Opferung des unschuldigen Gottessohnes anstelle schuldiger Sünder zur Besänftigung des Zorns eines beleidig-ten Gottes, sondern es steht auf Erden und in einem weiten Universum auf ewig als ein heiliges Symbol für die Guten, die sich den Bösen schenken und sie gerade durch diese hingebende Liebe retten. Das Kreuz steht wirklich als ein Zeichen für die höchste Form selbstlosen Dienens, für den äußersten Einsatz der ganzen Liebeskraft eines rechtschaffenen Lebens im Dienste rückhaltlosen Gebens, selbst im Tode, im Tod am Kreuz. Allein der Anblick dieses großen Symbols von Jesu Leben der Selbsthingabe inspiriert uns wahrlich alle, uns aufzumachen und zu handeln wie er. Wenn denkende Männer und Frauen auf Jesus blicken, wie er sein Leben am Kreuz dahingibt, werden sie es sich kaum mehr erlauben, sich zu beklagen, auch nicht in den schlimmsten Lebenslagen, und noch viel weniger bei kleinen Ärgernissen oder wegen ihrer vielen rein fiktiven Beschwerden. Sein Leben war so wunderbar und sein Tod so siegreich, dass wir alle versucht sind, beide mit ihm teilen zu wollen. In Michaels ganzer Selbsthingabe liegt eine wahre Anziehungskraft, von den Tagen seiner Jugend an bis zu der überwältigenden Szene seines Sterbens am Kreuz. Wenn ihr das Kreuz als eine Offenbarung Gottes betrachtet, dann vergewissert euch, dass ihr nicht mit den Augen der Primitiven seht, noch aus dem Blickwinkel der späteren Barbaren, die beide Gott als einen unbarmherzigen Herrscher sahen, dessen Gericht streng und dessen Anwendung der Gesetze starr war. Vergewissert euch vielmehr, dass ihr im Kreuz den endgültigen Ausdruck der Liebe und Hingabe Jesu an seine Lebenssendung der Selbsthingabe zugunsten der sterblichen Rassen seines unermesslichen Universums erblickt. Seht im Tod des Menschensohnes den Höhepunkt der Offenbarung der göttlichen Liebe des Vaters an seine Söhne auf den Welten der Sterblichen. Und so veranschaulicht das Kreuz die Gabe bereitwilliger Liebe und die Verschenkung freiwilliger Errettung an jene, die gewillt sind, solche Geschenke und eine solche Hingabe anzunehmen. Es gab am Kreuz nichts, was der Vater verlangt hätte - nur das, was Jesus so bereitwillig gab und dem auszuweichen er sich weigerte. Wenn Menschen Jesus nicht anderswie zu würdigen und die Bedeutung seiner Selbsthingabe auf Erden zu verstehen vermögen, so können sie wenigstens erfassen, dass er in seinen Leiden eines Sterblichen ihr Schmerzensbruder ist. Kein Mensch kann fortan mehr befürchten, der Schöpfer kenne die Natur oder das Ausmaß seiner zeitlichen Nöte nicht. Wir wissen, dass der Kreuzestod nicht zur Aufgabe hatte, die Menschen mit Gott zu versöhnen, sondern ihnen ein Stimulus zu sein, sich der ewigen Liebe des Vaters und der nie versiegenden Barmherzigkeit seines Sohnes bewusst zu werden, und diese universalen Wahrheiten einem ganzen Universum bekannt zu machen. ****** Kapitel 189 Die Auferstehung ****** BALD nach Jesu Bestattung am Freitagnachmittag berief das damals auf Urantia anwesende Haupt der Erzengel von Nebadon den Rat für die Auferstehung der schlafenden Willensgeschöpfe ein und begann mit der Prüfung einer möglichen Technik der Wiederherstellung Jesu. Diese versammelten Söhne des Lokaluniversums, alles Geschöpfe Michaels, handelten in eigener Verantwortung; Gabriel hatte sie nicht einberufen. Bis Mitternacht waren sie zu dem Schluss gekommen, dass ein Geschöpf nichts tun könne, um des Schöpfers Auferstehung zu unterstützen. Sie waren geneigt, der Ansicht Gabriels beizupflichten, der ihnen zu bedenken gab, dass Michael, der "sein Leben aus eigenem freien Willen abgelegt hatte, auch die Macht habe, es aus eigener Entscheidung wieder aufzunehmen". Kurz nach der Vertagung dieses Rates der Erzengel, der Lebensbringer und ihrer verschiedenen Mitarbeiter bei der Rehabilitierung der Geschöpfe und bei der morontiellen Neuschöpfung sprach der Personifizierte Justierer Jesu, der die damals auf Urantia versammelten himmlischen Heerscharen persönlich befehligte, zu den gespannt wartenden Beobachtern diese Worte: "Keiner von euch kann seinem Schöpfervater irgendwie dabei behilflich sein, ins Leben zurückzukehren. Als ein Sterblicher dieser Welt hat er den Tod eines Sterblichen erlitten; als Herrscher eines Universums lebt er nach wie vor. Was ihr beobachtet, ist Jesus von Naza- reths Transit eines Sterblichen vom inkarnierten in das morontielle Leben. Jesu geistiger Transit war zu dem Zeitpunkt abgeschlossen, als ich mich von seiner Persönlichkeit trennte und euer vorübergehender Leiter wurde. Euer Schöpfervater hatte sich entschieden, die ganze Erfahrung seiner sterblichen Geschöpfe durchzumachen, von der Geburt auf den materiellen Welten an über den natürlichen Tod und die morontielle Auferstehung bis zum Zustand wahrer geistiger Existenz. Was ihr jetzt beobachten werdet, ist eine bestimmte Phase dieser Erfahrung, aber ihr könnt euch daran nicht beteiligen. Die Dinge, die ihr gewöhnlich für die Geschöpfe tut, könnt ihr für den Schöpfer nicht tun. Ein Schöpfersohn hat aus sich selber die Macht, sich in der Gestalt irgendeines seiner erschaffenen Söhne hinzugeben; es steht in seiner Macht, sein beobachtbares Leben abzulegen und es wieder aufzunehmen; und er hat diese Macht aufgrund der direkten Verfügung des Paradies-Vaters, und ich weiß, wovon ich rede." Als sie den Personifizierten Justierer so sprechen hörten, nahmen sie alle, von Gabriel bis hinunter zum bescheidensten Cherub, eine Haltung gespannter Erwartung ein. Sie sahen Jesu sterblichen Leib im Grabe; sie nahmen Zeichen der Universums-Aktivität ihres geliebten Herrschers wahr; aber unfähig, diese Phänomene zu deuten, warteten sie geduldig die weitere Entwicklung ab. ***** 189.1 Der Übergang in die Morontia ***** Am Sonntagmorgen um zwei Uhr fünfundvierzig traf die aus sieben nicht identifizierten Paradies-Persönlichkeiten bestehende Inkarnationskommission aus dem Paradies am Ort des Geschehens ein und machte sich augenblicklich am Grabe zu schaffen. Zehn Minuten vor drei begannen intensive Schwingungen gemischter materieller und morontieller Aktivitäten von Josephs neuem Grab auszugehen, und zwei Minuten nach drei Uhr an diesem Sonntagmorgen, dem 9. April 30, entstieg die auferstandene morontielle Gestalt und Persönlichkeit Jesu von Nazareths dem Grab. Nachdem der auferstandene Jesus seine Totengruft verlassen hatte, lag der physische Körper, in dem er auf Erden fast sechsunddreißig Jahre lang gelebt und gewirkt hatte, immer noch ungestört und in das Leinentuch gehüllt in der Grabesnische, gerade so, wie Joseph und seine Freunde ihn am Freitagnachmittag zur Ruhe gebettet hatten. Ebenso wenig war der Stein vor dem Eingang zum Grabe irgendwie verrückt worden. Das Siegel des Pilatus war ungebrochen und noch hielten die Soldaten Wache. Die Tempelwächter hatten ununterbrochen Dienst geleistet; die römische Wache war um Mitternacht abgelöst worden. Keiner dieser Wächter vermutete, dass das Objekt ihrer Wachsamkeit zu einer neuen und höheren Existenzform aufgestiegen war und dass der Leib, den sie bewachten, jetzt eine abgelegte äußere Hülle war, die mit der befreiten und auferstandenen morontiellen Persönlichkeit Jesu keine Verbindung mehr hatte. Die Menschheit begreift nur langsam, dass in allem Persönlichen die Materie nur das Skelett der Morontia ist, und dass beide nur schattenhafter Widerschein dauernder Geistesrealität sind. Wie lange wird es noch dauern, bis ihr die Zeit als gleitendes Bild der Ewigkeit und den Raum als flüchtigen Schatten der Paradiesesrealitäten betrachten werdet? Soweit wir es beurteilen können, hatte weder ein Geschöpf dieses Universums noch irgendeine Persönlichkeit aus einem anderen Universum mit der morontiellen Auferstehung Jesu von Nazareth das Geringste zu tun. Am Freitag legte er sein Leben als Sterblicher dieser Welt ab; am Sonntagmorgen nahm er dieses Leben als morontielles Wesen des Systems von Satania in Norlatiadek wieder auf. Es gibt bei Jesu Auferstehung vieles, was wir nicht verstehen. Aber wir wissen, dass alles sich so zutrug, wie wir es berichtet haben, und etwa zur angegebenen Zeit. Wir können auch bestätigen, dass alle bekannten Phänomene, die mit diesem sterblichen Transit, dieser morontiellen Auferstehung verknüpft waren, genau dort in Josephs neuer Gruft vor sich gingen, wo die sterblichen materiellen Reste Jesu in Grabtücher eingewickelt lagen. Wir wissen, dass kein Geschöpf des Lokaluniversums an dieser morontiellen Erweckung teilhatte. Wir nahmen wahr, wie die sieben Paradies-Persönlichkeiten das Grab umgaben, aber wir sahen sie nichts tun im Zusammenhang mit des Meisters Erwachen. Sobald Jesus gerade oberhalb des Grabes neben Gabriel erschien, gaben die sieben Persönlichkeiten aus dem Paradies ihre Absicht zu erkennen, unverzüglich nach Uversa abzureisen. Lasst uns für immer die Vorstellungen von Jesu Auferstehung klären, indem wir Folgendes festhalten: 1. Sein materieller oder physischer Körper war kein Bestandteil der auferstandenen Persönlichkeit. Als Jesus aus dem Grab kam, blieb sein irdischer Leib unangetastet in der Gruft zurück. Jesus entstieg dem Grabgewölbe, ohne die Steine vor dem Eingang zu bewegen und ohne die Siegel des Pilatus zu berühren. 2. Er entstieg dem Grab weder als Geistwesen noch als Michael von Nebadon; er erschien nicht in der Gestalt des Souveränen Schöpfers, die vor seiner Inkarnation als Sterblicher auf Urantia die seine gewesen war. 3. Als er aus dem Grabe Josephs kam, glich er genau den morontiellen Persönlichkeiten derer, die als wieder erweckte morontielle aufsteigende Wesen aus den Auferstehungshallen der ersten Residenzwelt des Lokalsystems von Satania hervorgehen. Und die Anwesenheit des Denkmals Michaels in der Mitte des riesigen Hofs der Auferstehungshallen der Residenzwelt Nummer eins lässt uns vermuten, dass des Meisters Auferstehung auf Urantia irgendwie auf dieser ersten der Residenzwelten des Systems bewerkstelligt wurde. Als Jesus aus dem Grabe auferstand, war seine erste Handlung, Gabriel zu begrüssen und ihm die Weisung zu erteilen, weiterhin unter Immanuel die Exekutivgewalt in den Universumsangelegenheiten auszuüben. Dann beauftragte er das Oberhaupt der Melchisedeks, Immanuel seine brüderlichen Grüße zu übermitteln. Darauf ersuchte er die Allerhöchsten von Edentia um die Bestätigung seines sterblichen Transits durch die Ältesten der Tage. Und sich an die versammelten morontiellen Gruppen aus den sieben Residenzwelten wendend, die sich eingefunden hatten, um ihren Schöpfer als ein Geschöpf ihrer Ordnung zu begrüßen und willkommen zu heißen, sprach Jesus die ersten Worte seines postmortalen Daseins. Der morontielle Jesus sagte: "Ich habe mein Leben in Menschengestalt beendet und möchte hier kurze Zeit in dieser Übergangsgestalt verweilen, um das Leben meiner aufsteigenden Geschöpfe besser kennen zu lernen und weiterhin den Willen meines Vaters im Paradies zu offenbaren." Nachdem Jesus gesprochen hatte, gab er dem Personifizierten Justierer ein Zeichen, worauf sämtliche Intelligenzen des Universums, die sich auf Urantia versammelt hatten, um Zeugen der Auferstehung zu werden, unverzüglich an ihre jeweilige Aufgabe im Universum zurückbeordert wurden. Jesus begann jetzt mit Kontakten auf der morontiellen Ebene und wurde als Geschöpf mit den Anforderungen des Lebens bekannt gemacht, das er für kurze Zeit auf Urantia leben wollte. Diese Einführung in die morontielle Welt nahm mehr als eine Stunde irdischer Zeit in Anspruch und wurde zweimal durch seinen Wunsch unterbrochen, mit seinen ehemaligen sterblichen Gefährten in Verbindung zu treten, die aus Jerusalem gekommen waren und sich staunend im leeren Grab umsahen und dabei die Entdeckung dessen machten, was sie als Beweis seiner Auferstehung ansahen. Der sterbliche Transit Jesu - die morontielle Auferstehung des Menschensohnes - ist jetzt abgeschlossen. Die vorübergehende Erfahrung des Meisters als einer Persönlichkeit auf halbem Wege zwischen dem Materiellen und dem Geistigen hat begonnen. Und er hat all das aus eigener Machtvollkommenheit getan; keine Persönlichkeit ist ihm dabei in irgendeiner Weise behilflich gewesen. Er lebt jetzt als morontieller Jesus, und während er sein morontielles Leben beginnt, liegt sein materieller menschlicher Leib unangetastet im Grab. Die Soldaten halten immer noch Wache, und des Statthalters Siegel auf den Steinen ist noch nicht aufgebrochen worden. ***** 189.2 Jesu materieller Leib ***** Zehn Minuten nach drei, während sich der auferstandene Jesus brüderlich mit den versammelten morontiellen Persönlichkeiten aus den sieben Residenzwelten Satanias unterhielt, trat das Oberhaupt der Erzengel - der Engel der Auferstehung - an Gabriel heran und bat um Jesu sterblichen Leib. Das Oberhaupt der Erzengel sprach: "Es ist uns versagt, uns an der morontiellen Auferstehung zu beteiligen, die zur Erfahrung der Selbsthingabe unseres Herrschers Michael gehört; hingegen möchten wir, dass uns seine sterblichen Reste zu sofortiger Auflösung übergeben werden. Wir beabsichtigen nicht, unsere Technik der Dematerialisierung anzuwenden; wir möchten uns nur des Prozesses der Zeitbeschleunigung bedienen. Es genügt, dass wir den Herrscher auf Urantia haben leben und sterben sehen; den himmlischen Heerscharen bliebe die qualvolle Erinnerung daran erspart, wie sie zusehen mussten, als sich die menschliche Gestalt des Schöpfers und Bewahrers eines Universums langsam zersetzte. Im Namen der himmlischen Intelligenzen ganz Nebadons bitte ich um eine Vollmacht, die mir den sterblichen Leib Jesu von Nazareth überlässt und uns ermächtigt, zu seiner sofortigen Auflösung zu schreiten." Und nachdem Gabriel sich mit dem Senior der Allerhöchsten von Edentia besprochen hatte, erhielt der Erzengel, der im Namen der himmlischen Heerscharen gesprochen hatte, die Erlaubnis, mit den sterblichen Resten Jesu nach seinem Gutdünken zu verfahren. Nachdem seiner Bitte entsprochen worden war, rief der höchste Erzengel viele der Seinen sowie eine große Schar von Vertretern aller Ordnungen himmlischer Persönlichkeiten zur Mithilfe herbei, worauf er sich mit Unterstützung der Mittler Urantias des physischen Körpers Jesu bemächtigte. Dieser tote Körper war eine rein materielle Schöpfung; er war rein physisch; er konnte nicht in derselben Weise aus dem Grabe entfernt werden, wie die morontielle Gestalt der Auferstehung der versiegelten Gruft hatte entweichen können. Unter Mitwirkung gewisser morontieller Hilfspersönlichkeiten kann die morontielle Gestalt in gewissen Fällen in einen geistigen Zustand versetzt werden, in welchem sie auf gewöhnliche Materie nicht mehr anspricht, und in anderen Fällen für materielle Wesen wie die Sterblichen der Welt sichtbar und betastbar gemacht werden. Als sie sich bereit machten, Jesu Leichnam aus dem Grabe zu schaffen, bevor sie die würdige und ehrenvolle Beseitigung nahezu augenblicklicher Zersetzung vornahmen, wurden die sekundären Mittler Urantias angewiesen, die Steine vom Eingang des Grabes wegzurollen. Der größere der beiden Steine war ein einem Mühlstein sehr ähnliches rundes Riesending, das sich in einer aus dem Felsen gemeißelten Rinne bewegen ließ, so dass man ihn hin- und zurückrollen konnte, um das Grab zu öffnen oder zu schließen. Als die wachhabenden jüdischen Wächter und die römischen Soldaten im morgendlichen Dämmerlicht wahrnahmen, wie dieser riesige Stein anscheinend aus eigenem Antrieb - ohne irgendwelche sichtbaren, eine solche Bewegung erklärenden Mittel - vom Grabeingang wegzurollen begann, wurden sie von Angst und Panik erfasst und stürzten davon. Die Juden flohen erst nach Hause und suchten danach ihren Hauptmann im Tempel auf, um ihm das Geschehene zu berichten. Die Römer flohen zur Festung Antonia und berichteten dem Zenturio, was sie gesehen hatten, sobald dieser seinen Dienst antrat. Die jüdischen Führer hatten das schmutzige Geschäft, sich, wie sie dachten, Jesu zu entledigen, damit begonnen, dem Verräter Judas Bestechungsgeld anzubieten, und nun, da sie sich in dieser peinlichen Situation befanden, dachten sie nicht etwa daran, die Wächter, die ihren Posten verlassen hatten, zu bestrafen, sondern verfielen darauf, ebendiese Wächter und römischen Soldaten zu bestechen. Jedem dieser zwanzig Männer bezahlten sie eine Summe Geldes und wiesen sie an, allen zu sagen: "Während wir nachts schliefen, fielen seine Jünger über uns her und entwendeten den Leichnam." Und die jüdischen Führer versprachen den Soldaten feierlich, sie vor Pilatus zu verteidigen, falls dem Statthalter je zu Ohren käme, dass sie Bestechungsgeld angenommen hatten. Dem christlichen Glauben an Jesu Auferstehung wurde die Tatsache des "leeren Grabes" zugrunde gelegt. Es war allerdings eine Tatsache, dass das Grab leer war, aber dies ist nicht die Wahrheit der Auferstehung. Das Grab war wahrhaftig leer, als die ersten Gläubigen eintrafen, und diese Tatsache in Verbindung mit jener der unzweifelhaften Auferstehung des Meisters führte zur Bildung eines Glaubens, der unrichtig war, nämlich zu der Lehre, dass Jesu materieller und sterblicher Leib aus dem Grabe auferweckt worden sei. Wahrheit, die mit geistigen Realitäten und ewigen Werten zu tun hat, kann nicht immer auf einer Kombination offensichtlicher Tatsachen aufgebaut werden. Auch wenn einzelne Tatsachen materiell wahr sein mögen, folgt daraus nicht, dass die Verknüpfung mehrerer Tatsachen notwendigerweise zu wahren geistigen Folgerungen führen muss. Josephs Grab war nicht deshalb leer, weil Jesu Körper wiederhergestellt oder auferweckt worden war, sondern weil dem Wunsch der himmlischen Heerscharen stattgegeben wurde, ihm eine spezielle und einmalige Vernichtung zuteil werden zu lassen, eine Rückkehr des "Staubes zu Staub" unter Ausschaltung zeitlicher Verzögerung und ohne Ablauf des gewöhnlichen und sichtbaren Prozesses sterblichen Zerfalls und materieller Verwesung. Jesu sterbliche Reste wurden demselben natürlichen Prozess stofflicher Desintegration unterworfen, wie er für jeden menschlichen Leichnam auf Erden typisch ist, außer dass, was die Zeit betraf, diese natürliche Zersetzung stark beschleunigt, ja derart zusammengerafft wurde, dass sie beinahe augenblicklich eintrat. Die wahren Beweise für Michaels Auferstehung sind geistiger Natur, obwohl die Lehre davon durch das Zeugnis vieler Sterblicher dieser Welt erhärtet wird, die dem auferstandenen morontiel-len Meister begegnet sind, ihn erkannt und mit ihm in Verbindung gestanden haben. Er ging in die persönliche Erfahrung von fast eintausend menschlichen Wesen ein, bevor er sich schließlich von Urantia verabschiedete. ***** 189.3 Die Dispensations-Auferstehung ***** Kurz nach halb vier Uhr rief Gabriel an diesem Sonntagmorgen die Erzengel zu sich und schritt zur feierlichen Eröffnung der allgemeinen Auferstehung zum Abschluss der adamischen Dispensation auf Urantia. Als die gewaltige Schar der an diesem großen Ereignis beteiligten Seraphim und Cherubim in richtiger Formation aufgestellt war, erschien der morontielle Michael vor Gabriel und sprach: "Wie mein Vater das Leben in sich selber hat, so hat er dem Sohn gegeben, das Leben in sich selber zu haben. Obwohl ich die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Universum noch nicht wieder voll aufgenommen habe, so schränkt diese selbst auferlegte Begrenzung die Verleihung des Lebens an meine schlafenden Söhne in keiner Weise ein; der Namensaufruf der planetarischen Auferstehung beginne!" Und darauf operierte der Kreis der Erzengel zum ersten Mal von Urantia aus. Gabriel und die Scharen der Erzengel begaben sich an den Ort der geistigen Polarität des Planeten; und auf Gabriels Zeichen hin wurde seine Stimme blitzartig auf die erste Residenzwelt des Systems übermittelt. Er sagte: "Auf Weisung Michaels: die Toten einer Dispensation Urantias sollen auferstehen!" Daraufhin erschienen alle Fortlebenden der menschlichen Rassen Urantias, die seit den Tagen Adams entschlafen und noch nicht gerichtet worden waren, in den Auferweckungshallen Residenzias in Erwartung ihres Eintritts ins morontielle Leben. Und in einem kurzen Augenblick waren die Seraphim und ihre Mitarbeiter zur Abreise auf die Residenzwelten fertig. Unter gewöhnlichen Umständen wären diese seraphischen Hüter, denen einst die Gruppenobhut dieser fortlebenden Sterblichen anvertraut war, bei deren Erwachen in den Auferstehungshallen der Residenzwelt zugegen gewesen, aber sie befanden sich jetzt auf Urantia, weil Gabriels Gegenwart im Zusammenhang mit der morontiellen Auferstehung Jesu hier nötig war. Obwohl in den Zeitaltern nach Adam und Eva zahllose Individuen, die persönliche seraphische Hüter besaßen und solche, die die erforderliche fortschreitende Vergeistigung der Persönlichkeit erreicht hatten, nach den Residenzwelten weitergegangen waren, und obwohl viele Sonder- und Millenniumsauferstehungen von Söhnen Urantias stattgefunden hatten, war dies der dritte planetarische Namens-aufruf, die dritte vollständige Dispensations-Auferstehung. Die erste fand statt, als der Planetarische Fürst ankam, die zweite zur Zeit Adams und diese dritte kennzeichnete die morontielle Auferstehung, den sterblichen Transit Jesu von Nazareth. Als das Oberhaupt der Erzengel das Signal für die planetarische Auferstehung erhalten hatte, gab der Personifizierte Justierer des Menschensohnes seine Befehlsgewalt über die auf Urantia versammelten himmlischen Heerscharen ab und unterstellte all diese Söhne des Lokaluniversums wieder der Zuständigkeit ihrer jeweiligen Vorgesetzten. Und nachdem er das getan hatte, begab er sich nach Salvington, um im Beisein Immanuels den Abschluss des sterblichen Transits Michaels zu registrieren. Alle himmlischen Wesen, deren Dienste auf Urantia nicht benötigt wurden, folgten ihm unmittelbar nach. Aber Gabriel blieb mit dem morontiellen Jesus auf Urantia. Dies ist der Bericht der Ereignisse von Jesu Auferstehung aus der Sicht derjenigen, die sie frei von den Begrenzungen der voreingenommenen und eingeschränkten menschlichen Betrachtungsweise so gesehen haben, wie sie sich wirklich zugetragen haben. ***** 189.4 Die Entdeckung des leeren Grabes ***** Jetzt, da an diesem frühen Sonntagmorgen die Stunde der Auferstehung Jesu naht, sollten wir uns daran erinnern, dass die zehn Apostel sich im Hause von Elija und Maria Markus aufhielten, wo sie im oberen Raum auf denselben Liegen schliefen, auf denen sie während des letzten Abendmahls mit ihrem Meister gelagert hatten. An diesem Sonntagmorgen waren sie dort alle mit Ausnahme von Thomas versammelt. Als sie am Samstagabend zum ersten Mal wieder zusammen waren, blieb Thomas einige Minuten bei ihnen, aber der Anblick der Apostel verbunden mit dem Gedanken an das, was Jesus widerfahren war, war zu viel für ihn. Er warf einen Blick auf seine Gefährten und verließ sofort den Raum. Er begab sich zum Hause Simons in Bethphage, wo er in der Einsamkeit seinen trüben Gedanken nachhängen wollte. Alle Apostel litten, und zwar weniger unter Zweifeln oder aus Verzweiflung als aus Furcht, Kummer und vor Schande. Im Hause des Nikodemus waren nebst David Zebedäus und Joseph von Arimathäa zwölf bis fünfzehn der angeseheneren Jesusjünger von Jerusalem versammelt. Im Hause Josephs von Arimathäa weilten fünfzehn bis zwanzig der führenden gläubigen Frauen. Diese Frauen hielten sich in Josephs Haus allein auf, und sie hatten den ganzen Sabbattag und den darauf folgenden Abend darin hinter verschlossenen Türen verbracht, so dass sie nichts von der militärischen Bewachung des Grabes erfahren hatten; ebenso wenig wussten sie, dass ein zweiter Stein vor das Grab gerollt und beide Steine mit dem Siegel des Pilatus versehen worden waren. Als an diesem Sonntagmorgen kurz vor drei Uhr im Osten die ersten Zeichen des Tages erschienen, machten sich fünf dieser Frauen auf den Weg zum Grab Jesu. Sie hatten reichlich besondere Tinkturen zum Einbalsamieren vorbereitet und trugen viele Leinenbinden bei sich. Sie hatten vor, Jesu Leichnam eine gründlichere Totenölung zu geben und ihn mit den neuen Binden sorgfältiger zu umwickeln. Die Frauen, die die Aufgabe, Jesu Leichnam einzubalsamieren, übernommen hatten, waren: Maria Magdalena, Maria, die Mutter der Alphäus-Zwillinge, Salome, die Mutter der Zebedäus Brüder, Johanna, die Frau des Chuza, und Susanna, die Tochter Ezras von Alexandrien. Es war etwa halb vier Uhr, als die fünf mit ihren Ölen beladenen Frauen vor dem leeren Grab ankamen. Als sie aus dem Damaskustor traten, begegneten sie einer Anzahl Soldaten, die in ziemlicher Panik in die Stadt flohen, und das bewog sie, einige Minuten anzuhalten; aber als weiter nichts geschah, setzten sie ihren Weg fort. Sie waren sehr überrascht, als sie den Stein vom Eingang des Grabes weggerollt fanden, umso mehr als sie auf dem Hinweg zueinander gesagt hatten: "Wer wird uns helfen, den Stein wegzurollen?" Sie legten ihre Last nieder und begannen, einander ängstlich und mit großem Erstaunen anzusehen. Während sie vor Furcht zitternd dastanden, wagte sich Maria Magdalena um den kleineren Stein herum vor und war so kühn, die offene Gruft zu betreten. Das Grab Josephs befand sich in dessen Garten am Abhang auf der Ostseite der Straße, und es blickte ebenfalls nach Osten. Zu dieser Stunde war der heraufdämmernde neue Tag gerade hell genug, um es Maria zu erlauben, einen Blick auf die Stelle, an der des Meisters Leichnam gelegen hatte, zu werfen und festzustellen, dass er verschwunden war. In der Steinnische, wohin sie Jesus gelegt hatten, erblickte Maria nur das gefaltete Tuch, auf dem sein Kopf geruht hatte, und die Binden, in die er gewickelt worden war - unversehrt und so wie sie auf dem Stein gelegen hatten, bevor die himmlischen Scharen den Körper entfernt hatten. Das bedeckende Laken lag am Fuße der Begräbnisnische. Nachdem Maria einige Augenblicke lang im Grabeingang gezögert hatte (sie konnte anfangs beim Betreten des Gewölbes nur undeutlich sehen), stellte sie fest, dass Jesu Leichnam verschwunden war und an seiner Stelle nur die Grabtücher lagen, und vor Bestürzung stieß sie einen Angstschrei aus. All diese Frauen waren nervlich äußerst gespannt; sie waren schon sehr beunruhigt gewesen, seit sie am Stadttor den von Panik gepackten Soldaten begegnet waren, und als Maria diesen Angstschrei ausstieß, erfasste sie Entsetzen und sie flohen überstürzt davon und hielten nicht eher an, als bis sie den ganzen Weg bis zum Damaskustor gerannt waren. Da empfand Johanna auf einmal Gewissensbisse, dass sie Maria zurückgelassen hatten; sie rief ihre Gefährtinnen zusammen und sie kehrten wieder zum Grab zurück. Als sie sich dem Grab näherten, eilte ihnen die angsterfüllte Magdalena entgegen, die von noch größerem Schrecken erfasst worden war, als sie beim Verlassen des Grabes ihre wartenden Schwestern nicht mehr vorgefunden hatte, und sie rief aufgeregt: "Er ist nicht mehr da - man hat ihn weggebracht!" Sie führte sie zum Grab zurück, und sie traten alle ein und sahen, dass es leer war. Da setzten sich alle fünf Frauen auf den Stein beim Eingang und besprachen die Situation. Es war ihnen noch nicht aufgegangen, dass Jesus auferweckt worden war. Sie waren den Sabbat über allein gewesen, und sie mutmaßten, dass der Leichnam an eine andere Ruhestätte gebracht worden war. Aber während sie in ihrer Ratlosigkeit über eine solche Erklärung nachsannen, waren sie doch außerstande, sich die säuberliche Anordnung der Grabtücher zu erklären. Wie hatte der Leichnam nur entfernt werden können, während doch die ihn umwickelnden Binden in unveränderter Lage und offenbar intakt auf dem Grabsims belassen worden waren? Während die Frauen in der frühen Dämmerstunde des neuen Tages dasaßen, schauten sie zur Seite und erblickten einen schweigenden und unbeweglichen Fremden. Einen Augenblick lang erschraken sie erneut, aber Maria Magdalena stürzte zu ihm hin und sprach ihn an in der Meinung, er sei der Gärtner. Sie sagte: "Wo habt ihr den Meister hingebracht? Wo hat man ihn hingelegt? Sag es uns, damit wir ihn holen können." Als der Fremde Maria keine Antwort gab, begann sie zu weinen. Da sprach Jesus zu den Frauen: "Wen sucht ihr?" Maria erwiderte: "Wir suchen Jesus, der in Josephs Grab beigesetzt worden ist, aber er ist nicht mehr da. Weißt du, wo man ihn hingebracht hat?" Da sagte Jesus: "Hat dieser Jesus euch nicht schon in Galiläa gesagt, dass er sterben, aber wieder auferstehen werde?" Diese Worte versetzten die Frauen in großes Staunen, aber der Meister war derart verändert, dass sie ihn, der mit dem Rücken zum Dämmerlicht stand, noch nicht erkannten. Und während sie über seine Worte nachsannen, sagte er zu Magdalena in vertrautem Tonfall: "Maria." Und als sie dieses in so vertrautem Tone gesprochene, liebevolle Grußwort vernahm, wusste sie, dass es des Meisters Stimme war, und sie fiel ihm eilig mit dem Ausruf zu Füßen: "Mein Herr und mein Meister!" Und alle anderen Frauen erkannten, dass es der Meister war, der in verherrlichter Gestalt vor ihnen stand, und sogleich knieten sie vor ihm nieder. Dank den besonderen Diensten von Umwandlern und Mittlern in Zusammenarbeit mit bestimmten morontiellen Persönlichkeiten, die damals Jesus begleiteten, wurden diese menschlichen Augen befähigt, Jesu morontielle Gestalt zu sehen. Als Maria seine Füße umarmen wollte, sagte Jesus: "Berühre mich nicht, Maria, denn ich bin nicht so, wie du mich als Mensch gekannt hast. Ich werde eine Zeit lang in dieser Gestalt bei euch verweilen, bevor ich zum Vater aufsteige. Aber geht nun alle und sagt meinen Aposteln - und Petrus - dass ich auferstanden bin und dass ihr mit mir gesprochen habt." Nachdem sich die Frauen vom Schock ihrer Verblüffung erholt hatten, eilten sie zur Stadt und zum Hause von Elija Markus zurück, wo sie den zehn Aposteln alles, was ihnen zugestoßen war, berichteten; aber die Apostel waren nicht geneigt, ihnen Glauben zu schenken. Sie dachten zuerst, die Frauen hätten eine Vision gehabt; aber als Maria Magdalena die Worte, die Jesus zu ihr gesprochen hatte, wiederholte, und Petrus seinen Namen hörte, stürzte er aus dem oberen Raum, dicht gefolgt von Johannes, um zum Grab hinauszueilen und die Dinge mit eigenen Augen zu sehen. Die Frauen berichteten den anderen Aposteln erneut von ihrem Gespräch mit Jesus, aber sie wollten ihnen nicht glauben; und sie gingen auch nicht wie Petrus und Johannes, um es selbst herauszufinden. ***** 189.5 Petrus und Johannes am Grab ***** Während die beiden Apostel zu Josephs Grab nach Golgatha hinausrannten, schwankte Petrus in Gedanken zwischen Angst und Hoffnung; er fürchtete sich vor der Begegnung mit dem Meister, aber seine Hoffnung wurde durch den Bericht geweckt, Jesus habe ihm eine besondere Nachricht zukommen lassen. Er war halb überzeugt davon, dass Jesus wirklich am Leben sei; er erinnerte sich an dessen Versprechen, am dritten Tag aufzuerstehen. Merkwürdigerweise hatte er seit der Kreuzigung bis zu dem Augenblick, da er jetzt durch Jerusalem gen Norden eilte, nie an dieses Versprechen gedacht. Während Johannes aus der Stadt eilte, wallte in seiner Seele ein seltsam starkes Hoffnungs- und Freudengefühl auf. Er war halb überzeugt davon, dass die Frauen tatsächlich den auferstandenen Meister gesehen hatten. Da Johannes jünger war als Petrus, überholte er ihn und traf zuerst am Grab ein. Johannes blieb am Eingang stehen und erblickte das Grab genau so, wie Maria es beschrieben hatte. Gleich darauf stürzte Simon Petrus heran und sah beim Eintreten dasselbe leere Grab mit den in so besonderer Weise angeordneten Grabtüchern. Nachdem Petrus herausgekommen war, ging auch Johannes hinein und sah sich alles selber an. Darauf setzten sie sich beide auf den Stein, um über die Bedeutung dessen, was sie gesehen und gehört hatten, nachzusinnen. Und während sie dort saßen, gingen sie in Gedanken alles durch, was man ihnen von Jesus berichtet hatte, aber sie waren nicht in der Lage, klar zu erkennen, was geschehen war. Petrus äußerte zuerst die Vermutung, das Grab sei geplündert worden und Feinde hätten den Leichnam gestohlen und vielleicht die Wachen bestochen. Aber Johannes hielt dem entgegen, dass das Grab wohl kaum so ordentlich zurückgelassen worden wäre, wenn man den Leichnam gestohlen hätte, und er warf auch die Frage auf, wie es kam, dass die Binden so offensichtlich unversehrt zurückgelassen worden waren. Und sie gingen wieder ins Grab zurück, um die Grabtücher näher zu prüfen. Als sie zum zweiten Mal aus dem Grab heraustraten, fanden sie Maria Magdalena, die zurückgekehrt war und vor dem Eingang weinte. Maria war in dem Glauben zu den Aposteln gegangen, Jesus sei vom Grab auferstanden, aber als sich alle weigerten, ihrem Bericht zu glauben, wurde sie niedergeschlagen und verzweifelt. Es zog sie in die Nähe des Grabes zurück, wo sie meinte, die vertraute Stimme Jesu gehört zu haben. Als Maria noch so verweilte, nachdem Petrus und Johannes gegangen waren, erschien der Meister erneut vor ihr und sagte: "Zweifle nicht; habe den Mut zu glauben, was du gesehen und gehört hast. Geh zu meinen Aposteln zurück und sage ihnen von neuem, dass ich auferstanden bin, dass ich ihnen erscheinen werde und dass ich ihnen sehr bald nach Galiläa vorangehen werde, wie ich versprochen habe." Maria eilte zum Hause des Markus zurück und sagte den Aposteln, dass sie wieder mit Jesus gesprochen habe, aber sie wollten ihr nicht glauben. Als dann aber Petrus und Johannes zurückkehrten, hörten sie auf zu spotten, und Angst und Bangen erfüllten sie. ****** Kapitel 190 Morontielle Erscheinungen Jesu ****** DER auferstandene Jesus schickt sich jetzt an, eine kurze Zeitspanne auf Urantia zu verbringen, um die Erfahrung des aufsteigenden morontiellen Werdegangs eines Sterblichen der Welten zu machen. Obwohl er diese Zeit morontiel-len Lebens auf der Welt seiner sterblichen Inkarnation zubringen muss, ist sie indessen in jeder Hinsicht die Entsprechung der Erfahrung der Sterblichen Satanias, die das progressive morontiel- le Leben auf den sieben Residenzwelten von Jerusem durchlaufen. All diese Jesu eingeborene Macht - der Besitz des Lebens -, die ihn befähigte, von den Toten aufzuerstehen, ist dieselbe Gabe des ewigen Lebens, das er denen schenkt, die an das Königreich glauben, und das auch jetzt deren Auferstehung aus den Fesseln des natürlichen Todes sicherstellt. Am Morgen der Auferstehung erheben sich die Sterblichen der Welten mit der gleichen Art morontiellen oder Übergangskörpers, wie ihn Jesus besaß, als er an diesem Sonntagmorgen dem Grab entstieg. In diesen Körpern zirkuliert kein Blut, und solche Wesen nehmen keine gewöhnliche materielle Nahrung zu sich; und doch sind diese morontiellen Gestalten real. Als die verschiedenen Gläubigen Jesus nach seiner Auferstehung sahen, sahen sie ihn tatsächlich; sie waren nicht der Selbsttäuschung unterliegende Opfer von Visionen oder Halluzinationen. Unerschütterlicher Glaube an Jesu Auferstehung war das hauptsächliche Merkmal des Glaubens aller Zweige der frühen Evangeliumslehre. In Jerusalem und Alexandrien, in Antiochien und Philadelphia waren sich alle Evangeliumslehrer einig in diesem vorbehaltlosen Glauben an die Auferstehung des Meisters. Wenn man die führende Rolle betrachtet, die Maria Magdalena bei der Verkündigung der Auferstehung des Meisters spielte, sollte festgehalten werden, dass sie die Hauptsprecherin des Frauenkorps war, so wie Petrus Hauptsprecher für die Apostel war. Maria war nicht Leiterin der weiblichen Arbeitsgruppe, aber sie war deren Hauptlehrerin und öffentliche Sprecherin. Maria war eine äußerst vorsichtige Frau geworden, so dass ihre Kühnheit, einen Mann anzusprechen, den sie für den Pfleger von Josephs Garten hielt, nur verrät, wie entsetzt sie war, das Grab leer zu finden. Der heftige Schmerz, die Tiefe ihrer Liebe und ihre völlige Hingabe waren es, die sie einen Augenblick lang die herkömmliche Zurückhaltung einer jüdischen Frau bei der Begegnung mit einem Fremden vergessen ließen. ***** 190.1 Die Herolde der Auferstehung ***** Die Apostel wollten nicht, dass Jesus sie verlasse; deshalb hatten sie all seine Erklärungen über seinen Tod ebenso wie seine Versprechen aufzuerstehen auf die leichte Schulter genommen. Sie hatten sich die Auferstehung nicht so, wie sie kam, vorgestellt, und sie weigerten sich, daran zu glauben, bis unanfechtbare Zeugnisse und der absolute Beweis ihrer eigenen Erfahrung sie dazu zwangen. Als die Apostel sich weigerten, dem Bericht der fünf Frauen zu glauben, die behaupteten, Jesus gesehen und mit ihm gesprochen zu haben, kehrte Maria Magdalena an das Grab zurück, während die anderen sich zum Hause Josephs zurückbegaben, wo sie dessen Tochter und den anderen Frauen berichteten, was sie erlebt hatten. Und die Frauen schenkten ihrem Bericht Glauben. Kurz nach sechs Uhr begaben sich die Tochter Josephs von Arimathia und die vier Frauen, welche Jesus gesehen hatten, zum Hause des Nikodemus hinüber, wo sie Joseph, Nikodemus, David Zebedäus und den anderen hier versammelten Männern all diese Geschehnisse schilderten. Nikodemus und die anderen bezweifelten ihre Geschichte, bezweifelten, dass Jesus von den Toten auferstanden sei; sie vermuteten, dass die Juden den Leichnam fortgeschafft hatten. Joseph und David aber neigten dazu, dem Bericht Glauben zu schenken, und zwar so sehr, dass sie zu dem Grab hinauseilten, um es selbst in Augenschein zu nehmen. Und sie fanden alles genau so vor, wie die Frauen es beschrieben hatten. Sie waren die letzten, die die Gruft in diesem Zustand erblickten; denn um halb sieben schickte der Hohepriester den Hauptmann der Tempelwache zum Grab, um die Grabtücher zu entfernen. Der Hauptmann wickelte sie alle in das Leinentuch und warf sie über einen nahen Felsvorsprung hinunter. Vom Grabe aus begaben sich David und Joseph schleunigst zum Hause des Elija Markus, wo sie sich im oberen Raum mit den zehn Aposteln besprachen. Einzig Johannes Zebedäus war, wenn auch nur schwach, zu glauben geneigt, dass Jesus von den Toten auferstanden sei. Petrus hatte zuerst geglaubt, aber als er den Meister nicht fand, befielen ihn schwere Zweifel. Sie neigten alle zu der Ansicht, dass die Juden den Leichnam weggeschafft hatten. David wollte nicht mit ihnen streiten, aber im Weggehen sagte er: "Ihr seid die Apostel, und ihr solltet euch in diesen Dingen auskennen. Ich will nicht mit euch rechten; dessen ungeachtet kehre ich jetzt zum Hause des Nikodemus zurück, wo ich mich mit meinen Boten für heute morgen verabredet habe; und wenn sie alle beisammen sind, werde ich sie auf ihre letzte Mission als Ankündiger der Auferstehung des Meisters schicken. Ich habe den Meister sagen hören, dass er nach seinem Tode am dritten Tag auferstehen werde, und ich glaube ihm." Und mit diesen Worten an die Apostel verließ dieser selbsternannte Kommunikations- und Informationschef die niedergeschmetterten und elenden Botschafter des Königreichs. Beim Verlassen des oberen Raumes ließ er den Geldbeutel von Judas, der das ganze apostolische Gut enthielt, in den Schoß von Matthäus Levi fallen. Es war etwa halb zehn Uhr, als der letzte von Davids sechsundzwanzig Boten im Hause des Nikodemus eintraf. Sofort versammelte David sie in dem geräumigen Hof und richtete folgende Worte an sie: "Ihr Männer und Brüder, all diese Zeit hindurch habt ihr mir getreu dem Eid gedient, den ihr mir und einander gegenseitig geleistet habt, und ihr seid mir Zeugen dafür, dass ich euch noch nie mit falscher Information ausgesandt habe. Ich schicke euch jetzt auf eure letzte Mission als freiwillige Boten des Königreichs, und damit entbinde ich euch von eurem Eid und löse das Botenkorps auf. Männer, ich erkläre euch, dass wir unser Werk beendet haben. Der Meister braucht jetzt keine sterblichen Boten mehr; er ist von den Toten auferstanden. Vor seiner Verhaftung hat er uns gesagt, dass er sterben und am dritten Tag wieder auferstehen werde. Ich habe das Grab gesehen - es ist leer. Ich habe mit Maria Magdalena und vier anderen Frauen gesprochen, die mit Jesus gesprochen haben. Ich entlasse euch jetzt, sage euch Lebewohl und sende euch aus, jeden mit seinem Auftrag; und die Botschaft, die ihr den Gläubigen überbringen sollt, lautet: `Jesus ist von den Toten auferstanden; das Grab ist leer.' " Die meisten Anwesenden drangen in David, von seinem Vorhaben abzulassen. Aber sie vermochten ihn nicht zu beeinflussen. Darauf versuchten sie, die Boten umzustimmen, aber diese beachteten die Worte des Zweifels nicht. Und so schwärmten an diesem Sonntagmorgen, etwas vor zehn Uhr, diese sechsundzwanzig Läufer als erste Herolde der mächtigen Wahrheits-Tatsache des auferstandenen Jesus aus. Und sie begaben sich auf diese Mission wie auf so viele frühere in Erfüllung ihres Eides, den sie David Zebedäus und einander gegenseitig geleistet hatten. Diese Männer hatten großes Vertrauen zu David. Sie traten ihren Auftrag an, ohne auch nur zu verweilen, um mit denen zu sprechen, die Jesus gesehen hatten; denn sie nahmen David beim Wort. Die Mehrheit von ihnen glaubte, was David ihnen gesagt hatte, aber auch diejenigen, die irgendwie zweifelten, überbrachten die Botschaft ebenso zuverlässig und genauso schnell. Die Apostel, das geistige Korps des Königreichs, sind an diesem Tag im oberen Raum versammelt, wo sie Angst bekunden und Zweifel äußern, während diese Laien, deren Handeln den ersten Versuch einer Sozialisierung des Evangeliums des Meisters von der Bruderschaft der Menschen darstellt, unter der Leitung ihres furchtlosen und tüchtigen Führers hinausgehen, um die Auferstehung des Retters einer Welt und eines Universums zu verkündigen. Und sie übernehmen diesen denkwürdigen Dienst, noch ehe Jesu berufene Stellvertreter gewillt sind, seinem Wort zu glauben oder die Aussagen von Augenzeugen ernst zu nehmen. Diese sechsundzwanzig Boten wurden zum Hause des Lazarus in Bethanien und zu allen Glaubenszentren ausgesandt, von Beerscheba im Süden bis nach Damaskus und Sidon im Norden und von Philadelphia im Osten bis nach Alexandrien im Westen. Nachdem David von seinen Brüdern Abschied genommen hatte, ging er zum Hause des Joseph, um seine Mutter abzuholen, und dann begaben sie sich hinaus nach Bethanien zu der wartenden Familie Jesu. David blieb in Bethanien bei Martha und Maria, bis diese ihr irdisches Besitztum verkauft hatten, und er begleitete sie auf ihrer Reise zu ihrem Bruder Lazarus in Philadelphia. Etwa eine Woche später brachte Johannes Zebedäus Maria, Jesu Mutter, zu sich nach Hause nach Bethsaida. Jakobus, Jesu ältester Bruder, blieb mit seiner Familie in Jerusalem. Ruth blieb in Bethanien bei den Schwestern des Lazarus. Die restliche Familie Jesu kehrte nach Galiläa zurück. Anfang Juni reiste David Zebedäus mit Martha und Maria von Bethanien nach Philadelphia ab, am Tag nach seiner Hochzeit mit Ruth, Jesu jüngster Schwester. ***** 190.2 Jesu Erscheinung in Bethanien ***** Von seiner morontiellen Auferstehung an bis zur Stunde seiner Himmelfahrt als Geist erschien Jesus den auf der Erde an ihn Glaubenden bei neunzehn verschiedenen Gelegenheiten in sichtbarer Gestalt. Er erschien weder seinen Feinden noch denen, die aus seinem Erscheinen in sichtbarer Gestalt keinen geistigen Nutzen ziehen konnten. Seine erste Erscheinung galt den fünf Frauen am Grab, seine zweite, ebenfalls am Grab, galt Maria Magdalena. Die dritte Erscheinung ereignete sich an diesem Sonntag um die Mittagszeit in Bethanien. Kurz nach Mittag stand Jakobus, Jesu ältester Bruder, in Lazarus' Garten vor dem leeren Grab des auferweckten Bruders von Martha und Maria und beschäftigte sich in Gedanken mit den Nachrichten, die Davids Bote ihnen eine Stunde zuvor gebracht hatte. Jakobus hatte immer dazu geneigt, an die irdische Sendung seines Bruders zu glauben, aber er hatte seit langem den Kontakt mit Jesu Werk verloren und war in ernste Zweifel geraten, als die Apostel später behaupteten, Jesus sei der Messias. Die ganze Familie war überrascht und nahezu bestürzt über die Nachrichten, die der Bote gebracht hatte. Während Jakobus vor Lazarus' leerem Grab stand, kam Maria Magdalena in großer Aufregung daher und erzählte der Familie, was sie in den frühen Morgenstunden am Grabe Josephs erlebt hatte. Noch bevor sie geendet hatte, traf David Zebedäus mit seiner Mutter ein. Ruth glaubte natürlich den Bericht und ebenso Jude, nachdem er mit David und Salome gesprochen hatte. Inzwischen suchten sie nach Jakobus, der im Garten am Grab stand; aber noch ehe sie ihn fanden, wurde er sich einer nahen Gegenwart bewusst, so als hätte ihn jemand an der Schulter berührt. Und als er sich umschaute, sah er neben sich eine seltsame Erscheinung allmählich Gestalt annehmen. Er war zu überrascht, um zu sprechen, und zu erschrocken, um zu fliehen. Und dann sprach die seltsame Gestalt die Worte: "Jakobus, ich komme, um dich zum Dienst am Königreich zu rufen. Tu dich ernsthaft mit deinen Brüdern zusammen und folge mir nach." Als Jakobus sich beim Namen nennen hörte, wusste er, dass Jesus, sein ältester Bruder ihn angesprochen hatte. Es fiel ihnen allen mehr oder weniger schwer, den Meister in seiner morontiellen Gestalt wieder zu erkennen, aber nur wenige von ihnen hatten irgendwelche Schwierigkeiten, seine Stimme zu erkennen oder sonst wie seine gewinnende Persönlichkeit zu identifizieren, nachdem er einmal mit ihnen zu sprechen begonnen hatte. Als Jakobus erkannte, dass Jesus ihn anredete, fiel er auf die Knie nieder und rief: "Mein Vater und mein Bruder", aber Jesus hieß ihn aufstehen, während er mit ihm redete. Und sie spazierten durch den Garten und unterhielten sich fast drei Minuten lang miteinander. Sie sprachen von Erlebnissen früherer Tage und beschäftigten sich mit den Ereignissen der nahen Zukunft. Als sie sich dem Hause näherten, sagte Jesus: "Lebewohl, Jakobus, bis ich euch alle zusammen begrüße." Während man nach ihm in Bethphage suchte, stürzte Jakobus ins Haus und rief: "Ich habe eben gerade Jesus gesehen und mit ihm gesprochen, mich mit ihm unterhalten. Er ist nicht tot, er ist auferstanden! Er entschwand meinen Blicken mit den Worten: `Lebewohl, bis ich euch alle zusammen begrüße.' " Er hatte kaum ausgeredet, als Jude zurückkehrte, und er wiederholte für ihn sein Erlebnis der Begegnung mit Jesus im Garten. Und sie alle begannen, an die Auferstehung Jesu zu glauben. Jakobus kündigte jetzt an, dass er nicht nach Galiläa zurückkehren werde, und David rief aus: "Nicht nur aufgeregte Frauen sehen ihn; auch beherzte Männer haben begonnen, ihn zu sehen. Ich bin darauf gefasst, ihn selber zu sehen." Und David musste nicht lange warten, denn Jesu vierte Erscheinung vor menschlichen Augen ereignete sich kurz vor zwei Uhr gerade hier im Hause von Martha und Maria, als er seiner irdischen Familie und ihren Freunden, zwanzig Personen an der Zahl, sichtbar erschien. Der Meister erschien im offenen hinteren Ausgang und sagte: "Friede sei mit euch. Grüße für die, die mir als Mensch vordem nahe waren, und Gemeinschaft mit meinen Brüdern und Schwestern im Königreich des Himmels. Wie konntet ihr nur zweifeln? Weshalb habt ihr so lange gezaudert, bevor ihr euch entschieden habt, dem Licht der Wahrheit von ganzem Herzen zu folgen? Kommt deshalb alle in die Gemeinschaft des Geistes der Wahrheit in des Vaters Königreich." Als sie sich vom ersten Schock ihres Staunens zu erholen begannen und auf ihn zugingen, um ihn zu umarmen, entschwand er ihren Blicken. Sie wollten sich alle eilends in die Stadt begeben, um den zweifelnden Aposteln über das Geschehene zu berichten, aber Jakobus hielt sie zurück. Nur Maria Magdalena wurde erlaubt, zu Josephs Haus zurückzukehren. Gewisser Dinge wegen, die Jesus ihm während ihres Gesprächs im Garten gesagt hatte, verbot Jakobus ihnen, die Tatsache dieses morontiellen Besuchs öffentlich werden zu lassen. Aber nie enthüllte Jakobus darüber hinaus etwas von seinem Gespräch mit dem auferstandenen Meister an jenem Tage beim Hause des Lazarus in Bethanien. ***** 190.3 Im Hause des Joseph ***** Die fünfte für menschliche Augen wahrnehmbare morontielle Erscheinung Jesu ereignete sich noch am gleichen Sonntagnachmittag gegen Viertel nach vier in Gegenwart von etwa fünfundzwanzig gläubigen Frauen, die im Hause Josephs von Arimathäa versammelt waren. Maria Magdalena war nur wenige Minuten vor dieser Erscheinung zu Josephs Haus zurückgekehrt. Jesu Bruder Jakobus hatte verlangt, dass man den Aposteln nichts von des Meisters Erscheinen in Bethanien sage. Aber Maria hatte er nicht aufgefordert, davon abzusehen, ihren Glaubensschwestern von der Begebenheit zu erzählen. Also ließ Maria alle Frauen Geheimhaltung geloben und begann dann zu berichten, was sich soeben zugetragen hatte, während sie bei Jesu Familie in Bethanien weilte. Und sie befand sich mitten in ihrer fesselnden Schilderung, als sich über alle eine plötzliche und feierliche Stille legte. Und sie gewahrten in ihrer Mitte die völlig sichtbare Gestalt des auferstandenen Jesus. Er grüßte sie mit den Worten: "Friede sei mit euch. In der Bruderschaft des Himmelreichs wird es weder Juden noch Heiden, weder Reiche noch Arme, weder Freie noch Sklaven, weder Männer noch Frauen geben. Auch ihr seid aufgerufen, die gute Nachricht von der Befreiung der Menschheit durch das Evangelium der Gottessohnschaft im Königreich des Himmels zu verkündigen. Geht hinaus in alle Welt, dieses Evangelium zu verkündigen und die Gläubigen in ihrem Glauben daran zu bestärken. Und während ihr das tut, vergesst nicht, für die Kranken zu sorgen und die Verzagten und Furchtsamen aufzurichten. Und ich werde immer bei euch sein, sogar in den fernsten Winkeln der Welt." Und nach diesen Worten entschwand er ihren Blicken, und die Frauen fielen in schweigender Anbetung auf die Knie. Von den fünf morontiellen Erscheinungen Jesu, die bis dahin stattgefunden hatten, war Maria Magdalena Zeugin von vieren geworden. Die Aussendung der Boten im Laufe des Vormittags und die unbewusst fallengelassenen Andeutungen über die Erscheinung Jesu in Josephs Haus hatten zur Folge, dass den Führern der Juden am frühen Abend zu Ohren kam, in der Stadt würde herumgesprochen, Jesus sei auferstanden, und dass viele Menschen behaupteten, ihn gesehen zu haben. Diese Gerüchte schreckten die Sanhedristen gründlich auf. Nach hastiger Rücksprache mit Annas berief Kajaphas noch für jenen Abend um acht Uhr eine Sitzung des Sanhedrins ein. Es wurden während dieser Sitzung Schritte unternommen, um jede Person aus der Synagoge hinauszuwerfen, die Jesu Auferstehung erwähnen würde. Es wurde sogar vorgeschlagen, jeden, der erklärte, ihn gesehen zu haben, hinzurichten. Dieser Vorschlag kam jedoch nicht zur Abstimmung, da die Sitzung in einer Konfusion endete, die an wirkliche Panik grenzte. Sie hatten zu denken gewagt, sie seien mit Jesus fertig. Sie machten jetzt die Entdeckung, dass ihre wirklichen Schwierigkeiten mit dem Mann aus Nazareth gerade erst begonnen hatten. ***** 190.4 Erscheinung vor den Griechen ***** Gegen halb fünf Uhr erschien der Meister zum sechsten Mal in morontieller Gestalt, diesmal im Hause eines gewissen Flavius vor etwa vierzig dort versammelten gläubigen Griechen. Während diese gerade die Berichte über des Meisters Auferstehung diskutierten, erschien er in ihrer Mitte, obschon die Türen fest verriegelt waren, und sprach zu ihnen: "Friede sei mit euch. Obwohl der Menschensohn auf Erden unter den Juden erschien, kam er zum Dienst an allen Menschen. Im Königreich meines Vaters wird es weder Juden noch Heiden geben; ihr werdet alle Brüder - Söhne Gottes - sein. Geht deshalb dies rettende Evangelium so, wie ihr es von den Botschaftern des Königreichs empfangen habt, der ganzen Welt verkünden, und ich werde in der Bruderschaft derer, die durch den Glauben und in der Wahrheit Söhne des Vaters sind, euer Gefährte sein." Und nachdem er ihnen diesen Auftrag erteilt hatte, verabschiedete er sich, und sie sahen ihn nicht wieder. Sie blieben den ganzen Abend über im Hause; zu sehr waren sie von heiliger Scheu und Furcht überwältigt, als dass sie sich nach draußen gewagt hätten. Keiner von diesen Griechen schloss in dieser Nacht ein Auge; die Besprechung des Vorgefallenen und die Hoffnung, der Meister möge sie wieder- um besuchen, hielten sie wach. In dieser Gruppe befanden sich viele von den Griechen, die in Gethsemane zugegen waren, als die Soldaten Jesus verhafteten und Judas ihn mit einem Kuss verriet. Rasch verbreiten sich die Gerüchte von Jesu Auferstehung und die Berichte über die vielen Erscheinungen vor seinen Anhängern, und die ganze Stadt befindet sich in einem Zustand höchster Erregung. Schon ist der Meister seiner Familie, den Frauen und den Griechen erschienen, und bald wird er sich mitten unter den Aposteln zeigen. Der Sanhedrin wird sich in Kürze mit diesen neuen Problemen befassen müssen, die die jüdischen Führer so völlig überrumpelt haben. Jesus denkt viel an seine Apostel, wünscht aber, sie noch für einige Stunden tiefer Besinnung und gedankenvoller Überlegung allein zu lassen, bevor er sie aufsucht. ***** 190.5 Der Spaziergang mit zwei Brüdern ***** Etwa zwölf Kilometer westlich von Jerusalem lebten in Emmaus zwei Brüder, Hirten, die die Passahwoche in Jerusalem mit der Teilnahme an Opfern, Zeremonien und Festen zugebracht hatten. Kleopas, der ältere, glaubte mehr oder weniger an Jesus; wenigstens hatte man ihn aus der Synagoge verjagt. Sein Bruder Jakob glaubte nicht, obwohl ihn faszinierte, was er über des Meisters Lehren und Werke gehört hatte. Es war einige Minuten vor fünf Uhr an diesem Sonntagnachmittag und etwa fünf Kilometer außerhalb Jerusalems, als die beiden Brüder müde auf der Straße nach Emmaus dahinwanderten und sich in großem Ernst über Jesus, seine Lehren, sein Werk und insbesondere über die Gerüchte unterhielten, dass sein Grab leer sei und gewisse Frauen mit ihm gesprochen hätten. Kleopas glaubte halbwegs an diese Berichte, aber Jakob bestand darauf, dass das Ganze wahrscheinlich ein Schwindel sei. Während sie so argumentierend und diskutierend heimwärts strebten, trat Jesu morontielle Gestalt, seine siebente Erscheinung, im Gehen neben sie. Kleopas hatte Jesus oft lehren hören und sogar bei verschiedenen Gelegenheiten mit ihm bei gläubigen Bewohnern Jerusalems gespeist. Aber er erkannte den Meister nicht, auch nicht, als dieser frei mit ihnen redete. Nachdem Jesus ein kurzes Wegstück mit ihnen gegangen war, sagte er: "Worüber habt ihr euch mit so großem Ernst unterhalten, als ich euch getroffen habe?" Als Jesus so gesprochen hatte, blieben sie stehen und schauten ihn erstaunt und traurig an. Kleopas sagte: "Ist es möglich, dass du dich in Jerusalem aufhältst und nichts von den Dingen weißt, die kürzlich geschehen sind?" Da fragte der Meister: "Was für Dinge?" Kleopas erwiderte: "Wenn du nichts davon weißt, bist du der einzige in ganz Jerusalem, der nichts von den Gerüchten um Jesus von Nazareth gehört hat, der ein in Wort und Tat machtvoller Prophet vor Gott und allen Menschen war. Die höchsten Priester und unsere Führer haben ihn an die Römer ausgeliefert und von ihnen verlangt, ihn zu kreuzigen. Viele von uns hatten gehofft, dass gerade er Israel vom Joch der Heiden befreien würde. Aber das ist nicht alles. Heute ist der dritte Tag, seit er gekreuzigt wurde, und gewisse Frauen haben uns heute mit der Erklärung in Staunen versetzt, dass sie sehr früh am Morgen zu seinem Grab hinausgegangen seien und es leer gefunden hätten. Und dieselben Frauen bestehen darauf, sie hätten mit diesem Mann gesprochen; sie behaupten, er sei von den Toten auferstanden. Und als die Frauen den Männern davon berichteten, rannten zwei seiner Apostel zum Grab und fanden es ebenfalls leer" - und hier unterbrach Jakob seinen Bruder mit den Worten: "Aber sie haben Jesus nicht gesehen." Während sie weitergingen, sagte Jesus zu ihnen: "Wie lange braucht ihr doch, um die Wahrheit zu verstehen! Da ihr mir sagt, dass ihr über Lehren und Werk dieses Mannes diskutiert habt, kann ich euch Klarheit schenken, denn ich bin mit diesen Lehren mehr als vertraut. Erinnert ihr euch nicht, dass dieser Jesus immer lehrte, sein Königreich sei nicht von dieser Welt und dass alle Menschen Kinder Gottes sind und deshalb ihre Befreiung und Freiheit in der geistigen Freude der Brüderlichkeit untereinander finden, während sie mit Hingabe dienen in diesem neuen Reich der Wahrheit von des himmlischen Vaters Liebe? Erinnert ihr euch nicht, wie dieser Menschensohn Gottes Heil für alle Menschen verkündete, wie er Kranken und Betrübten zusprach und die von Furcht Gefesselten und die Sklaven der Sünde befreite? Wisst ihr nicht, dass dieser Mann aus Nazareth seinen Jüngern sagte, er müsse nach Jerusalem gehen und in die Hände seiner Feinde, die ihn töten würden, gegeben werden, und dass er am dritten Tag auferstehen werde? Ist euch all das nicht gesagt worden? Und habt ihr in den Schriften nie von diesem Tag des Heils für Juden und Heiden gelesen, wo geschrieben steht, dass im Menschensohn alle Familien der Erde gesegnet sein sollen; dass er den Schrei der Bedürftigen hören und die Seelen der Armen, die ihn suchen, retten wird; dass alle Völker ihn den Gesegneten nennen werden? Dass dieser Befreier sein wird wie der Schatten eines großen Felsens in einem erschöpften Land. Dass er die Herde weiden wird wie ein wahrer Hirte, die Lämmer in seinen Armen tragen und sie zärtlich an sein Herz drücken wird. Dass er die Augen der geistig Blinden öffnen und die Gefangenen der Verzweiflung in die volle Freiheit und in das Licht hinausführen wird; dass alle, die in der Dunkelheit sitzen, das große Licht des ewigen Heils sehen werden. Dass er die Wunden derer, die gebrochenen Herzens sind, verbinden, den in der Sünde Verstrickten Freiheit verkündigen und das Gefängnis derer öffnen wird, die von Furcht geknechtet und an das Böse gekettet sind. Dass er die Trauernden trösten und ihnen anstelle von Leid und Beladenheit die Freude des Heils schenken wird. Dass er die Sehnsucht aller Völker und die ewige Freude derer sein wird, die Rechtschaffenheit suchen. Dass dieser Sohn der Wahrheit und Rechtschaffenheit über der Welt mit heilendem Licht und rettender Macht aufgehen wird; dass er sein Volk sogar von seinen Sünden erlösen wird; dass er wirklich die Verlorenen suchen und retten wird. Dass er die Schwachen nicht vernichten, sondern allen, die nach Rechtschaffenheit hungern und dürsten, das rettende Heil bringen wird. Dass die, die an ihn glauben, ewiges Leben haben sollen. Dass er seinen Geist über alle Menschen ausgießen wird und dass dieser Geist der Wahrheit in jedem Gläubigen wie ein Wasserquell sein soll, der in das ewige Leben aufsprudelt. Habt ihr nicht begriffen, wie groß das Evangelium vom Königreich ist, das dieser Mann euch gebracht hat? Erkennt ihr nicht, wie groß das Heil ist, das auf euch herabgekommen ist?" Inzwischen hatten sie sich dem Dorf, in dem die Brüder wohnten, genähert. Nicht ein Wort hatten diese beiden Männer gesprochen, seit Jesus sie zu lehren begonnen hatte, während sie ihres Weges dahin schritten. Bald langten sie vor ihrer bescheidenen Behausung an und Jesus, auf dem Weg weitergehend, wollte von ihnen Abschied nehmen, aber sie nötigten ihn, hereinzukommen und bei ihnen zu bleiben. Sie bestanden darauf, dass er bei ihnen bleibe, da die Nacht jetzt bald hereinbreche. Schließlich willigte Jesus ein, sie gingen ins Haus und setzten sich bald darauf zu Tisch. Sie gaben ihm das Brot zum Segnen, und als er es zu brechen und ihnen zu reichen begann, wurden ihnen die Augen geöffnet, und Kleopas erkannte, dass ihr Gast der Meister selber war. Und als er sagte: "Es ist der Meister-" entschwand der morontielle Jesus ihren Blicken. Da sagten sie zueinander: "Kein Wunder, dass unsere Herzen brannten, als er zu uns sprach, während wir die Straße entlanggingen, und er in uns den Sinn der Worte der Schriften aufgehen ließ." Sie rührten nicht an ihr Essen. Sie hatten den morontiellen Meister gesehen und stürzten aus dem Haus und rannten zurück nach Jerusalem, um die gute Nachricht vom auferstandenen Retter zu verbreiten. Gegen neun Uhr an diesem Abend, gerade bevor der Meister den Zehn erschien, platzten die beiden aufgeregten Brüder bei den Aposteln im oberen Raum herein und erklärten, sie hätten Jesus gesehen und mit ihm gesprochen. Und sie berichteten alles, was Jesus zu ihnen gesagt hatte und dass sie ihn erst in dem Augenblick erkannt hätten, als er das Brot brach. ****** Kapitel 191 Erscheinungen vor den Aposteln und Anderen Führern ****** DER Auferstehungssonntag war ein schrecklicher Tag im Leben der Apostel; zehn von ihnen verbrachten ihn überwiegend im oberen Raum hinter verschlossenen Türen. Sie hätten aus Jerusalem flüchten können, aber sie hatten Angst, von den Häschern des Sanhedrins aufgegriffen zu werden, wenn man sie im Freien antreffen würde. Thomas brütete in Bethphage allein über seinen Problemen. Es wäre ihm besser ergangen, wenn er bei seinen Apostelgefährten geblieben wäre, denn er hätte ihnen helfen können, ihre Diskussionen in eine nützlichere Bahn zu lenken. Den ganzen Tag über hielt Johannes am Gedanken fest, Jesus sei von den Toten auferstanden. Er zählte nicht weniger als fünf verschiedene Gelegenheiten auf, bei denen der Meister versichert hatte, er werde auferstehen, und mindestens drei, als er auf den dritten Tag angespielt hatte. Die Einstellung des Johannes hatte einen beträchtlichen Einfluss auf sie, besonders auf seinen Bruder Jakobus und auf Nathanael. Und Johannes hätte sie noch stärker beeinflusst, wäre er nicht der Jüngste der Gruppe gewesen. Ihre Schwierigkeiten waren vor allem auf ihre Isolierung zurückzuführen. Johannes Markus hielt sie über das, was im Tempel vor sich ging, auf dem Laufenden, und trug ihnen die vielen Gerüchte zu, die sich in der Stadt ausbreiteten, aber es fiel ihm nicht ein, sich Nachrichten von den verschiedenen Gruppen von Gläubigen, denen Jesus bereits erschienen war, zu beschaffen. Das war jene Dienstleistung, welche bislang von Davids Boten erbracht worden war, aber diese waren alle abwesend in Ausführung ihres letzten Auftrags, den fern von Jerusalem wohnenden Gruppen von Gläubigen die Auferstehung zu verkündigen. Zum ersten Mal in all diesen Jahren kam es den Aposteln zum Bewusstsein, wie sehr sie für ihre tägliche Information über alles, was das Königreich betraf, von Davids Boten abhängig gewesen waren. Den ganzen Tag über schwankte Petrus in der ihm eigenen gefühlsmäßigen Weise zwischen Glauben und Zweifeln an des Meisters Auferstehung hin und her. Er kam von dem Anblick der Grabtücher nicht los, die dort in der Gruft lagen, als ob Jesu Leib sich einfach daraus verflüchtigt hätte. "Aber," so überlegte Petrus, "wenn er auferstanden ist und sich den Frauen zeigen kann, warum erscheint er dann nicht uns, seinen Aposteln?" Kummer überkam Petrus bei dem Gedanken, Jesus komme vielleicht wegen seiner, des Petrus, Anwesenheit unter den Aposteln nicht zu ihnen, weil er ihn in jener Nacht im Hofe des Hannas verleugnet hatte. Und dann richtete er sich wiederum an der ihm von den Frauen überbrachten Äußerung auf: "Geht und sagt es meinen Aposteln - und Petrus." Aber wollte er aus dieser Botschaft Mut schöpfen, setzte das seinen Glauben daran voraus, dass die Frauen den auferstandenen Meister tatsächlich gesehen und gehört hatten. Und so pendelte Petrus den ganzen Tag lang zwischen Glauben und Zweifel hin und her bis kurz nach acht Uhr, als er sich in den Hof hinauswagte. Petrus dachte daran, sich aus der Mitte der Apostel zurückzuziehen, um Jesus wegen seiner Verleugnung des Meisters nicht daran zu hindern, zu ihnen zu kommen. Jakobus Zebedäus trat zuerst dafür ein, dass sich alle zum Grab begeben sollten; er wollte unbedingt etwas tun, um das Geheimnis zu ergründen. Es war Nathanael, der sie davon abhielt, sich auf Jakobus' Drängen hin in der Öffentlichkeit zu zeigen, und er tat dies, indem er sie an Jesu Warnung erinnerte, zu diesem Zeitpunkt ihr Leben nicht unnötig aufs Spiel zu setzen. Bis zum Mittag hatte sich Jakobus so weit beruhigt, dass er mit den anderen alles Weitere wachsam abwarten konnte. Er sprach nur wenig; er war zutiefst enttäuscht darüber, dass Jesus ihnen nicht erschien, und er wusste nichts von den vielen Erscheinungen Jesu vor anderen Gruppen und Einzelnen. Andreas hörte an diesem Tag vor allem zu. Die Situation versetzte ihn in größte Ratlosigkeit, und er hatte mehr als sein Teil Zweifel, aber er genoss wenigstens ein gewisses Gefühl der Befreiung von der Verantwortung für die Führung seiner Mitapostel. Er war dem Meister wirklich dankbar, ihn von der Last der Führung befreit zu haben, bevor diese qualvollen Stunden für sie begannen. Mehr als einmal während der langen und erschöpfenden Stunden dieses tragischen Tages waren die charakteristischen philosophischen Ratschläge, die Nathanael häufig von sich gab, der einzige stützende Einfluss in der Gruppe. Während des ganzen Tages war er wirklich die steuernde Kraft unter den Zehn. Nicht ein einziges Mal ließ er verlauten, ob er an des Meisters Auferstehung glaube oder nicht. Aber wie der Tag allmählich verging, neigte er immer mehr zu dem Glauben, Jesus habe sein Versprechen aufzuerstehen erfüllt. Simon Zelotes war zu niedergeschlagen, um an den Diskussionen teilzunehmen. Die meiste Zeit lag er in einer Ecke des Raumes mit dem Gesicht zur Wand auf einem Lager ausgestreckt; er sprach während des ganzen Tages weniger als ein halbes Dutzend Mal. Seine Vorstellung vom Königreich des Himmels war zusammengebrochen, und er vermochte nicht zu erkennen, inwiefern des Meisters Auferstehung die Situation wesentlich verändern könnte. Seine Enttäuschung war sehr persönlich und allzu übermächtig, als dass er sich kurzfristig hätte davon erholen können, auch nicht angesichts einer derart ungeheuren Tatsache wie der Auferstehung. Seltsamerweise redete Philipp, der sich sonst kaum äußerte, im Laufe des Nachmittags sehr viel. Am Vormittag hatte er nur wenig zu sagen, aber den ganzen Nachmittag über stellte er den anderen Aposteln Fragen. Petrus ärgerte sich oft über Philipps Fragen, aber die anderen ertrugen sie gutmütig. Philipp war insbesondere begierig zu wissen, ob Jesu Leib, wenn er wirklich vom Grab auferstanden war, wohl noch die physischen Spuren der Kreuzigung trug. Matthäus war höchst verwirrt; er hörte den Diskussionen seiner Gefährten zu, aber die meiste Zeit beschäftigte er sich mit dem Problem ihrer zukünftigen Finanzen. Von Jesu möglicher Auferstehung einmal ganz abgesehen: Judas war gegangen, David hatte ihm das Geld in unsanfter Weise übergeben und sie waren ohne maßgeblichen Führer. Noch bevor Matthäus so weit war, sich mit den die Auferstehung betreffenden Argumenten ernsthaft auseinanderzusetzen, hatte er den Meister schon von Angesicht zu Angesicht gesehen. Die Alphäus-Zwillinge nahmen an diesen ernsten Diskussionen kaum teil; sie hatten genug mit ihren gewohnten Aufgaben zu tun. Einer von ihnen drückte beider Haltung aus, als er auf eine Frage Philipps erwiderte: "Wir verstehen das mit der Auferstehung nicht, aber unsere Mutter sagt, sie habe mit dem Meister gesprochen, und wir glauben ihr." Thomas befand sich mitten in einer seiner typischen Perioden verzweifelter Niedergeschlagenheit. Er verschlief einen Teil des Tages und wanderte den Rest der Zeit in den Bergen umher. Er verspürte den Drang, zu seinen Apostelgefährten zurückzukehren, aber der Wunsch, mit sich allein zu sein, war stärker. Der Meister schob seine erste morontielle Erscheinung vor den Aposteln aus mehreren Gründen hinaus. Erstens wollte er, dass sie, nachdem sie von seiner Auferstehung erfahren hatten, Zeit hätten, alles gut zu überdenken, was er ihnen über seinen Tod und seine Auferstehung gesagt hatte, als er noch als Mensch unter ihnen weilte. Der Meister wollte, dass Petrus sich durch einige seiner besonderen Schwierigkeiten hindurchkämpfe, bevor er ihnen allen erscheinen würde. Zweitens wünschte er, dass Thomas zur Zeit seiner ersten Erscheinung bei ihnen sei. Johannes Markus machte Thomas an diesem Sonntagmorgen früh im Hause Simons in Bethphage ausfindig und benachrichtigte die Apostel davon gegen elf Uhr. Thomas wäre an diesem Tag jederzeit zu ihnen zurückgekehrt, wenn Nathanael oder irgend zwei andere Apostel ihn geholt hätten. Er wünschte wirklich zurückzukehren, aber so, wie er sie am Abend zuvor verlassen hatte, war er zu stolz, es so bald aus eigenem Antrieb zu tun. Am nächsten Tag war er derart niedergeschlagen, dass er fast eine Woche brauchte, bis er sich zur Rückkehr entschloss. Die Apostel warteten auf ihn, und er wartete darauf, dass seine Brüder ihn aufspürten und ihn bäten, zu ihnen zurückzukehren. So blieb Thomas seinen Gefährten fern bis am nächsten Samstagabend, als Petrus und Johannes nach Einbruch der Dunkelheit nach Bethphage hinübergingen und ihn mit sich zurückbrachten. Und das ist auch der Grund, weshalb sie nicht sofort nach Galiläa gingen, nachdem Jesus ihnen zum ersten Mal erschienen war; sie wollten nicht ohne Thomas gehen. ***** 191.1 Erscheinung vor Petrus ***** Es war gegen halb neun Uhr an diesem Sonntagabend, als Jesus Simon Petrus im Garten des Hauses von Markus erschien. Es war seine achte morontielle Manifestation. Seit seiner Verleugnung des Meisters hatte Petrus unter einer schweren Last von Schuld und Zweifeln gelitten. Den ganzen Samstag und diesen Sonntag über hatte er gegen die Furcht angekämpft, vielleicht nicht mehr ein Apostel zu sein. Das Schicksal von Judas ließ ihn erschauern, und er hatte sogar gedacht, auch er habe seinen Meister verraten. Den ganzen Nachmittag über dachte er, vielleicht sei es seine Anwesenheit unter den Aposteln, was Jesus davon abhalte, ihnen zu erscheinen, vorausgesetzt natürlich, er sei wirklich von den Toten auferstanden. Und diesem Petrus, der sich in einer solchen Gemütsverfassung und in einem derartigen seelischen Zustand befand, erschien Jesus, als der niedergeschlagene Apostel zwischen den Blumen und Sträuchern umherging. Als Petrus sich an den liebevollen Blick des beim Portal des Hannas an ihm vorübergehenden Meisters erinnerte, und als er sich die wunderbare Botschaft durch den Kopf gehen ließ, die ihm die vom leeren Grabe zurückkehrenden Frauen am frühen Morgen gebracht hatten: "Geht und sagt meinen Aposteln - und Petrus" -, als er über diese Zeichen des Erbarmens nachsann, begann sein Glaube seine Zweifel zu überwinden, und er stand still, ballte seine Fäuste und sprach mit lauter Stimme: "Ich glaube, dass er von den Toten auferstanden ist; ich geh' es meinen Brüdern sagen." Und als er das sagte, erschien vor ihm plötzlich die Gestalt eines Mannes, der in vertrautem Tonfall zu ihm sprach: "Petrus, der Feind wollte dich haben, aber ich wollte dich nicht aufgeben. Ich wusste, dass es nicht aus deinem Herzen kam, als du mich verleugnetest; deshalb vergab ich dir, noch ehe du mich darum batest; aber jetzt musst du aufhören, dich mit dir selbst und den Wirren der Stunde abzugeben, sondern dich bereit machen, denen, die in der Dunkelheit sind, die gute Nachricht des Evangeliums zu bringen. Du solltest dich nicht mehr damit befassen, was du vom Königreich bekommen könntest, sondern dir vielmehr darüber Gedanken machen, was du denen geben könntest, die in größter geistiger Armut leben. Gürte dich für den Kampf eines neuen Tages, Simon, für das Ringen mit der geistigen Finsternis und mit dem üblen Hang zum Zweifeln, der in der Natur des menschlichen Denkens liegt." Petrus und der morontielle Jesus spazierten durch den Garten und sprachen fast fünf Minuten lang über vergangene, gegenwärtige und zukünftige Dinge. Dann entschwand der Meister seinen Blicken mit den Worten: "Lebewohl, Petrus, bis ich dich mit deinen Brüdern wiedersehe." Einen Augenblick lang war Petrus von der Erkenntnis überwältigt, dass er mit dem auferstandenen Meister gesprochen hatte und dass er sicher sein konnte, immer noch Botschafter des Königreichs zu sein. Gerade hatte der verherrlichte Meister ihn ermahnt, mit der Predigt des Evangeliums fortzufahren. Und während all das in seinem Herzen aufwallte, stürmte er in den oberen Raum zu seinen Mitaposteln hinauf und rief in atemloser Erregung: "Ich habe den Meister gesehen; er war im Garten. Ich habe mit ihm gesprochen, und er hat mir vergeben." Die Aussage des Petrus, er habe Jesus im Garten gesehen, machte auf seine Apostelgefährten einen tiefen Eindruck, und sie waren im Begriff, ihre Zweifel aufzugeben, als Andreas sich erhob und sie davor warnte, sich durch den Bericht seines Bruders allzu sehr beeinflussen zu lassen. Andreas ließ durchblicken, dass Petrus schon früher Dinge gesehen habe, die nicht real waren. Obwohl Andreas nicht direkt auf die nächtliche Vision auf dem Galiläischen Meer anspielte, als Petrus behauptet hatte, er habe den Meister auf dem Wasser auf sie zukommen sehen, so sagte er doch genug, um allen Anwesenden deutlich zu machen, dass er an diesen Vorfall dachte. Seines Bruders Anspielungen verletzten Simon Petrus sehr, und er verfiel augenblicklich in gedrücktes Schweigen. Den Zwillingen tat Petrus sehr leid, und beide gingen zu ihm hin, um ihn ihrer Sympathie zu versichern und ihm zu sagen, dass sie ihm glaubten, und um ihm erneut zu erklären, dass ihre eigene Mutter den Meister ebenfalls gesehen habe. ***** 191.2 Die erste Erscheinung vor den Aposteln ***** An diesem Abend kurz nach neun Uhr - Kleopas und Jakob waren eben weggegangen -, als die Alphäus Zwillinge Petrus trösteten und Nathanael Andreas Vorhaltungen machte und die zehn Apostel dort im oberen Raum, dessen Türen sie aus Angst vor einer Verhaftung verriegelt hatten, beisammen waren, erschien der Meister auf einmal in morontieller Gestalt in ihrer Mitte und sagte: "Friede sei mit euch. Warum erschreckt ihr bei meinem Erscheinen so sehr, als sähet ihr einen Geist? Habe ich euch nicht von diesen Dingen gesprochen, als ich noch als ein Mensch unter euch weilte? Habe ich euch nicht gesagt, dass die obersten Priester und Führer mich dem Tod ausliefern würden, dass einer von euch mich verraten und dass ich am dritten Tag auferstehen würde? Weshalb all eure Zweifel und diese Diskussionen über die Berichte der Frauen, die von Kleopas und Jakob und sogar von Petrus? Wie lange noch wollt ihr meine Worte bezweifeln und euch weigern, meinen Versprechen zu glauben? Wollt ihr jetzt, da ihr mich wirklich seht, endlich glauben? Einer von euch ist jetzt immer noch abwesend. Wenn ihr wieder vollzählig seid und jeder von euch mit Bestimmtheit weiß, dass der Menschensohn vom Grab auferstanden ist, dann begebt euch von hier nach Galiläa. Habt Vertrauen in Gott; vertraut einander; und so sollt ihr in den neuen Dienst am Königreich des Himmels eintreten. Ich werde bei euch in Jerusalem verweilen, bis ihr bereit seid, nach Galiläa zu gehen. Ich lasse euch meinen Frieden." Nachdem der morontielle Jesus zu ihnen gesprochen hatte, entschwand er plötzlich ihren Blicken. Und sie fielen alle nieder, priesen Gott und verehrten ihren entschwundenen Meister. Dies war des Meisters neunte morontielle Erscheinung. ***** 191.3 Bei den morontiellen Geschöpfen ***** Den ganzen nächsten Tag, Montag, verbrachte Jesus mit den damals auf Urantia anwesenden morontiellen Geschöpfen. Als an der morontiellen Transit-Erfahrung des Meisters Beteiligte waren über eine Million morontieller Leiter und Mitarbeiter zusammen mit Transitsterblichen verschiedener Ordnungen von den sieben Residenzwelten Satanias nach Urantia gekommen. Der morontielle Jesus weilte vierzig Tage lang unter diesen wunderbaren Intelligenzen. Er unterrichtete sie und erfuhr von ihren Leitern von dem morontiellen Übergangsdasein, das die Sterblichen der bewohnten Welten Satanias auf ihrem Weg durch die morontiellen Planeten des Systems leben. Gegen Mitternacht dieses Montags wurde die morontielle Gestalt des Meisters für den Übergang zum zweiten Stadium morontieller Progression adaptiert. Als er seinen sterblichen Kindern das nächste Mal auf Erden erschien, war er ein morontielles Wesen des zweiten Stadiums. Während der Meister auf dem morontiellen Weg vorwärts schritt, fiel es den morontiellen Intelligenzen und ihren transformierenden Mitarbeitern technisch immer schwerer, den Meister für sterbliche materielle Augen sichtbar zu machen. Zum dritten morontiellen Stadium ging Jesus am Freitag, dem 14. April über; zum vierten Stadium am Montag, dem 17.; zum fünften Stadium am Samstag, dem 22.; zum sechsten Stadium am Donnerstag, dem 27.; zum siebenten Stadium am Dienstag, dem 2. Mai; zur Staatsbürgerschaft von Jerusem am Sonntag, dem 7.; und in die Umarmung der Allerhöchsten von Edentia ging er am Sonntag, dem 14. ein. Auf diese Weise vervollständigte Michael von Nebadon seine dienende Universumserfahrung; denn in Verbindung mit seinen früheren Selbsthingaben hatte er das Leben der aufsteigenden Sterblichen von Zeit und Raum bereits vollständig erfahren, angefangen beim Aufenthalt auf der Hauptwelt der Konstellation und hinauf sogar bis und mit dem Dienst auf der Hauptwelt des Superuniversums. Und gerade mit diesen morontiellen Erfahrungen beschloss der Schöpfersohn von Nebadon wirklich und zufrieden stellend seine siebente und letzte Selbsthingabe an sein Universum. ***** 191.4 Die zehnte Erscheinung (in Philadelphia) ***** Die zehnte menschlicher Wahrnehmung zugängliche morontielle Manifestation ereignete sich am Dienstag, dem 11. April, kurz nach acht Uhr in Philadelphia, als Jesus sich Abner und Lazarus und etwa hundertundfünfzig ihrer Mitarbeiter zeigte, von denen über fünfzig dem evangelischen Korps der Siebzig angehörten. Diese Erscheinung geschah in der Synagoge gleich nach der Eröffnung eines besonderen, von Abner einberufenen Treffens, das der Besprechung der Kreuzigung Jesu und des jüngsten Berichts von seiner Auferstehung galt, den Davids Bote gebracht hatte. Da der auferstandene Lazarus jetzt zu dieser Gruppe von Gläubigen gehörte, fiel es ihnen nicht schwer, an die Nachricht zu glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden sei. Abner und Lazarus, die zusammen am Lesepult standen, eröffneten gerade das Treffen in der Synagoge, als die gesamte Zuhörerschaft der Gläubigen sah, wie die Gestalt des Meisters plötzlich zwischen Abner und Lazarus erschien, ohne dass die beiden ihn bemerkt hätten. Von dort, wo er erschienen war, schritt er auf die Versammelten zu, begrüßte sie und sagte: "Friede sei mit euch. Ihr wisst alle, dass wir nur einen Vater im Himmel haben und dass es nur ein Evangelium vom Königreich gibt - die gute Nachricht vom Geschenk des ewigen Lebens, das die Menschen durch den Glauben erhalten. Während ihr freudig dem Evangelium die Treue haltet, bittet den Vater der Wahrheit darum, in eure Herzen eine neue und größere Liebe zu euren Brüdern auszuschütten. Ihr sollt alle Menschen lieben, wie ich euch geliebt habe; ihr sollt allen Menschen dienen, wie ich euch gedient habe. Steht mit verstehender Anteilnahme und brüderlicher Zuneigung all euren Brüdern zur Seite, die sich der Verkündigung der guten Nachricht widmen, ob sie nun Juden oder Nichtjuden, Griechen oder Römer, Perser oder Äthiopier seien. Johannes hat das Königreich im Voraus angekündigt; ihr habt das Evangelium mit Macht gepredigt; schon lehren die Griechen die gute Nachricht; und bald werde ich den Geist der Wahrheit in die Seelen all dieser meiner Brüder senden, die ihr Leben so selbstlos der Erleuchtung ihrer sich in geistiger Finsternis befindlichen Mitmenschen verschrieben haben. Ihr seid alle Kinder des Lichts; stolpert deshalb nicht in die auf Missverständnissen beruhenden Verstrickungen irdischen Argwohns und menschlicher Intoleranz. Wenn ihr durch die veredelnde Gnade des Glaubens dahingelangt, Ungläubige zu lieben, solltet ihr dann eure Glaubensbrüder im weit verzweigten Hause des Glaubens nicht ebenso sehr lieben? Bedenkt, dass alle Menschen euch daran als meine Jünger erkennen werden, dass ihr einander liebt. So geht nun in alle Welt hinaus und verkündet allen Völkern und Rassen dieses Evangelium von der Vaterschaft Gottes und von der Bruderschaft der Menschen, und seid immer weise in der Wahl eurer Methoden, wenn ihr den verschiedenen Rassen und Völkerstämmen der Menschheit die gute Nachricht vermittelt. Umsonst habt ihr dieses Evangelium vom Königreich empfangen, und umsonst werdet ihr allen Nationen die gute Nachricht bringen. Fürchtet euch nicht vor dem Widerstand des Bösen, denn ich bin immer bei euch, sogar bis ans Ende aller Tage. Und ich lasse euch meinen Frieden." Nach den Worten "Ich lasse euch meinen Frieden" entschwand er ihren Blicken. Eine seiner Erscheinungen in Galiläa ausgenommen, als über fünfhundert Gläubige ihn auf einmal sahen, umfasste diese Gruppe in Philadelphia die größte Zahl von Sterblichen, die ihn bei einer einzigen Gelegenheit erblickten. Während die Apostel in Jerusalem säumten und die emotionale Erholung von Thomas abwarteten, zogen diese Gläubigen von Philadelphia früh am nächsten Morgen los, um zu verkünden, dass Jesus von Nazareth von den Toten auferstanden sei. Den folgenden Tag, Mittwoch, verbrachte Jesus ohne Unterbrechung in der Gesellschaft seiner morontiellen Gefährten, und in den Nachmittagsstunden empfing er den Besuch morontieller Abgeordneter aus den Residenzwelten aller Lokalsysteme bewohnter Sphären der ganzen Konstellation von Norlatiadek. Und sie freuten sich alle darüber, ihren Schöpfer als einen Angehörigen ihrer eigenen Ordnung von Universumsintelligenzen zu erleben. ***** 191.5 Die zweite Erscheinung vor den Aposteln ***** Thomas verbrachte eine einsame Woche mit sich selbst auf den Höhen im Umkreis des Ölbergs. Während dieser Zeit sah er nur die Angehörigen von Simons Haus und Johannes Markus. Am Samstag, dem 15. April, fanden ihn die beiden Apostel gegen neun Uhr und nahmen ihn mit sich zurück zu ihrem Versammlungsort im Hause des Markus. Am nächsten Tag hörte sich Thomas die Erzählungen von den verschiedenen Erscheinungen des Meisters an, aber er weigerte sich beharrlich zu glauben. Er hielt daran fest, Petrus habe sie mit seiner Begeisterung so sehr angesteckt, dass sie meinten, den Meister gesehen zu haben. Nathanael versuchte ihn zu überzeugen, aber es half nichts. Es handelte sich um emotionale Halsstarrigkeit, verbunden mit seiner gewöhnlichen Zweifelsucht, und diese Gemütsverfassung, zu der noch sein Verdruss hinzukam, von ihnen weggelaufen zu sein, half eine Situation der Isolierung schaffen, die nicht einmal Thomas selber recht verstand. Er hatte sich von seinen Kameraden zurückgezogen, er war seinen eigenen Weg gegangen, und obwohl er jetzt wieder unter ihnen war, neigte er unbewusst dazu, eine Haltung des Widerspruchs einzunehmen. Er ließ sich mit dem Aufgeben Zeit; es widerstrebte ihm nachzugeben. Ohne es zu wollen, genoss er wirklich die ihm geschenkte Aufmerksamkeit. Die Bemühungen all seiner Gefährten, ihn zu überzeugen und zu bekehren, verschafften ihm unbewusst Befriedigung. Er hatte sie eine ganze Woche lang vermisst, und ihre fortwährende Aufmerksamkeit tat ihm sehr gut. Kurz nach sechs Uhr aßen sie ihr Abendbrot. Neben Thomas saßen auf der einen Seite Petrus und auf der anderen Nathanael, als der zweifelnde Apostel sagte: "Und ich werde nicht glauben, es sei denn, ich sehe den Meister mit eigenen Augen und lege meinen Finger auf die Wundmale der Nägel." Während sie so hinter sicher verschlossenen und verriegelten Türen beim Abendessen saßen, erschien der morontielle Meister auf einmal in der Mitte des Tischbogens direkt vor Thomas und sagte: "Friede sei mit euch. Eine ganze Woche lang habe ich mit meinem Wiedererscheinen gewartet, damit ihr alle anwesend wäret, um wieder einmal den Auftrag zu hören, in alle Welt hinauszuziehen und dieses Evangelium vom Königreich zu predigen. Wiederum sage ich euch: So wie der Vater mich in die Welt gesandt hat, so sende ich euch hinaus. So wie ich den Vater offenbart habe, so sollt ihr die göttliche Liebe offenbaren, nicht nur mit Worten, sondern in eurem täglichen Leben. Ich sende euch aus, nicht die Seelen der Menschen zu lieben, sondern vielmehr die Menschen zu lieben. Ihr sollt nicht nur die Freuden des Himmels verkündigen, sondern diese Geistesrealitäten des göttlichen Lebens auch in eurem täglichen Verhalten zeigen, da ihr durch euren Glauben das ewige Leben als ein Geschenk Gottes bereits besitzt. Wenn ihr den Glauben habt und wenn die Macht von oben, der Geist der Wahrheit, auf euch herabgekommen sein wird, werdet ihr euer Licht nicht länger hier hinter verschlossenen Türen verbergen; ihr werdet die ganze Menschheit mit Gottes Liebe und Erbarmen bekanntmachen. Aus Angst geht ihr jetzt den Tatsachen einer unangenehmen Erfahrung aus dem Wege, aber nachdem ihr mit dem Geist der Wahrheit getauft sein werdet, werdet ihr mutig und freudig auf die neue Erfahrung zugehen, die gute Nachricht vom ewigen Leben im Königreich Gottes zu verkünden. Ihr mögt jetzt hier und in Galiläa noch kurze Zeit säumen, um euch zu erholen vom Schock des Übergangs von der falschen Sicherheit überlieferter Autorität zu der neuen Ordnung der Autorität der Tatsachen, der Wahrheit und des Glaubens an die höchsten Realitäten lebendiger Erfahrung. Eure Weltsendung gründet auf der Tatsache, dass ich unter euch ein Leben der Gottesoffenbarung gelebt habe; auf der Wahrheit, dass ihr und alle anderen Menschen die Söhne Gottes seid; und sie soll aus dem Leben bestehen, das ihr unter den Menschen führen werdet - die wirkliche und lebendige Erfahrung, die Menschen zu lieben und ihnen zu dienen, wie ich euch geliebt und euch gedient habe. Lasst euren Glauben der Welt euer Licht offenbaren; lasst die Offenbarung der Wahrheit die durch Tradition blind gewordenen Augen öffnen; lasst euer liebevolles Dienen die aus Unwissenheit hervorgegangenen Vorurteile wirksam zerstören. Indem ihr euch euren Mitmenschen in dieser Weise mit verständnisvoller Zuneigung und selbstloser Hingabe nähert, werdet ihr sie zum rettenden Wissen um des Vaters Liebe führen. Die Juden haben die Güte gepriesen; die Griechen haben die Schönheit gerühmt; die Hindu predigen Hingabe; die fernen Asketen lehren Ehrerbietung; die Römer verlangen Treue; ich aber verlange von meinen Jüngern Leben, eben ein Leben liebevollen Dienens an ihren irdischen Brüdern." Nachdem der Meister so gesprochen hatte, schaute er Thomas ins Gesicht und sprach: "Und du, Thomas, der du sagtest, du würdest nicht glauben, solange du mich nicht gesehen und deinen Finger auf die Nägelmale meiner Hände gelegt hättest, du hast mich jetzt gesehen und meine Worte gehört; und obwohl du an meinen Händen keine Nägelmale wahrnimmst, da ich in einer Gestalt auferstanden bin, wie auch du sie haben wirst, wenn du von dieser Welt gehst - was wirst du deinen Brüdern jetzt sagen? Du wirst die Wahrheit anerkennen, denn in deinem Herzen hattest du bereits zu glauben begonnen, selbst als du deinen Unglauben noch so zäh verteidigtest. Thomas, deine Zweifel behaupten sich immer dann am hartnäckigsten, wenn sie zu zerbröckeln beginnen. Thomas, ich sage dir: Lass ab von deinem Unglauben und glaube - und ich weiß, dass du glauben wirst, sogar von ganzem Herzen." Als Thomas diese Worte hörte, fiel er vor dem morontiellen Meister nieder und rief aus: "Ich glaube! Mein Herr und mein Meister!" Da sagte Jesus zu Thomas: "Du hast geglaubt, Thomas, weil du mich wirklich gesehen und gehört hast. Gesegnet seien in den kommenden Zeitaltern jene, die glauben, ohne mit leiblichen Augen gesehen oder mit sterblichen Ohren gehört zu haben." Und während sich darauf des Meisters Gestalt zum oberen Tischende hin bewegte, richtete er das Wort an sie alle und sprach: "Geht jetzt alle nach Galiläa, wo ich euch bald erscheinen werde." Nach diesen Worten entschwand er ihren Blicken. Die elf Apostel waren nun völlig überzeugt, dass Jesus von den Toten auferstanden war, und sehr früh am nächsten Morgen, noch vor Tagesanbruch, brachen sie nach Galiläa auf. ***** 191.6 Die Erscheinung in Alexandrien ***** Während die elf Apostel auf ihrem Weg nach Galiläa waren und sich ihrem Reiseziel näherten, erschien Jesus in Alexandrien am Dienstagabend, dem 18. April, gegen halb neun Uhr Rodan und rund achtzig weiteren Gläubigen. Es war die zwölfte Erscheinung des Meisters in morontieller Gestalt. Jesus erschien diesen Griechen und Juden, als der Bote Davids gerade seinen Bericht über die Kreuzigung beendet hatte. Dieser Bote, der fünfte der sich zwischen Jerusalem und Alex-andrien ablösenden Läufer, war am späten Nachmittag in Alexandrien eingetroffen. Nachdem er Rodan seine Botschaft überbracht hatte, wurde beschlossen, die Gläubigen zusammenzurufen, damit sie die tragische Nachricht aus dem Munde des Boten selber hören könnten. Gegen acht Uhr trat dieser, Nathan von Busiris, vor die Versammelten und erzählte ihnen im Einzelnen alles, was der vorhergehende Läufer ihm gesagt hatte. Nathan beschloss seinen bewegenden Bericht mit den Worten: "Aber David, der uns diese Botschaft schickt, lässt sagen, dass der Meister seinen Tod vorhergesagt und dabei erklärt hat, er werde wieder auferstehen." Nathan hatte noch nicht ausgeredet, als der morontielle Meister für alle gut sichtbar erschien. Nachdem Nathan sich gesetzt hatte, sagte Jesus: "Friede sei mit euch. Das, zu dessen Errichtung mein Vater mich in die Welt gesandt hat, gehört weder einer Rasse noch einer Nation noch einer besonderen Gruppe von Lehrern oder Predigern. Das Evangelium vom Königreich gehört Juden und Heiden, Reichen und Armen, Freien und Sklaven, Männern und Frauen und sogar den kleinen Kindern. Und ihr seid alle aufgerufen, dieses Evangelium der Liebe und Wahrheit durch das Leben zu verkündigen, das ihr als Menschen lebt. Ihr sollt einander mit einer neuen und eindrucksvollen Zuneigung lieben, gerade so, wie ich euch geliebt habe. Ihr werdet der Menschheit mit einer neuen und erstaunlichen Hingabe dienen, gerade so, wie ich euch gedient habe. Und wenn die Menschen sehen, wie sehr ihr sie liebt, und wenn sie feststellen, mit welchem Eifer ihr ihnen dient, werden sie verstehen, dass ihr Glaubensbrüder im Königreich des Himmels geworden seid, und sie werden dem Geist der Wahrheit, den sie in eurem Leben sehen, folgen und das ewige Heil finden. So wie der Vater mich in diese Welt gesandt hat, so sende ich euch jetzt aus. Ihr seid alle aufgerufen, denen, die in der Finsternis sind, die gute Nachricht zu bringen. Dieses Evangelium vom Königreich gehört allen, die daran glauben; es soll nicht nur in die Obhut von Priestern gegeben werden. Bald wird der Geist der Wahrheit über euch kommen, und er wird euch in alle Wahrheit führen. Geht deshalb in der ganzen Welt dieses Evangelium predigen, und seht, ich bin immer bei euch, sogar bis ans Ende aller Tage." Nach diesen Worten entschwand der Meister ihren Blicken. Und die Gläubigen verbrachten die ganze Nacht miteinander, erzählten von ihren Erfahrungen als Königreich-Gläubige und hörten lange den Worten Rodans und seiner Mitarbeiter zu. Und sie glaubten alle, dass Jesus von den Toten auferstanden sei. Stellt euch das Erstaunen von Davids Herold der Auferstehung vor, der zwei Tage später eintraf, als sie ihm auf seine Bekanntgabe erwiderten: "Ja, wir wissen, denn wir haben ihn gesehen. Er ist uns vorgestern erschienen." ****** Kapitel 192 Erscheinungen in Galiläa ****** BIS zu der Zeit, als sich die Apostel von Jerusalem nach Galiläa begaben, hatten sich die jüdischen Führer erheblich beruhigt. Da Jesus nur seiner Familie von Königreich-Gläubigen erschien und die Apostel sich versteckt hielten und nicht öffentlich predigten, sagten sich die Führer der Juden, die Evangeliumsbewegung sei letztlich wirkungsvoll vernichtet worden. Sie waren natürlich beunruhigt durch die zunehmende Verbreitung von Gerüchten, Jesus sei von den Toten auferstanden, aber sie verließen sich auf die bestochenen Wachsoldaten, allen derartigen Berichten wirkungsvoll mit der Wiederholung ihrer Darstellung entgegenzutreten, eine Schar seiner Anhänger habe den Leichnam weggeschafft. Von dieser Zeit an und bis die Apostel durch die wachsende Verfolgungswelle zerstreut wurden, war Petrus das allgemein anerkannte Oberhaupt des apostolischen Korps. Jesus hatte ihm nie eine derartige Autorität verliehen, und seine Mitapostel wählten ihn nie förmlich in ein so verantwortungsvolles Amt; er übernahm es ganz natürlich und versah es unter allgemeiner Zustimmung und auch deshalb, weil er ihr Hauptprediger war. Von jetzt an wurde öffentliches Predigen zur Haupttätigkeit der Apostel. Nach ihrer Rückkehr aus Galiläa wurde Matthias, den sie anstelle von Judas wählten, ihr Kassenwart. Während der Woche, da sie in Jerusalem verweilten, verbrachte Maria, Jesu Mutter, ihre meiste Zeit mit den gläubigen Frauen, die sich im Hause Josephs von Arimathäa aufhielten. Als die Apostel an jenem Montagmorgen in der Frühe nach Galiläa aufbrachen, machte sich auch Johannes Markus auf den Weg. Er folgte ihnen, als sie die Stadt verließen, und als sie schon weit über Bethanien hinausgelangt waren, trat er kühn unter sie im Vertrauen, sie würden ihn nicht zurückschicken. Die Apostel hielten auf ihrem Weg nach Galiläa mehrmals an, um die Geschichte von ihrem auferstandenen Meister zu erzählen, und trafen deshalb in Bethsaida erst sehr spät am Mittwochabend ein. Am Donnerstag wurde es Mittag, bis sie alle wach und zum Frühstück bereit waren. ***** 192.1 Erscheinung am See ***** Am Freitagmorgen, dem 21. April gegen sechs Uhr, erschien der morontielle Meister den zehn Aposteln zum ersten Mal in Galiläa - es war seine dreizehnte Erscheinung -, als sich ihr Boot am üblichen Landeplatz in Bethsaida dem Ufer näherte. Nachdem die Apostel den Nachmittag und frühen Abend des Donnerstags im Hause des Zebedäus mit Warten verbracht hatten, regte Simon Petrus an, sie sollten fischen gehen. Auf seinen Vorschlag hin beschlossen alle Apostel mitzugehen. Die ganze Nacht hindurch mühten sie sich mit ihren Netzen ab, fingen aber keine Fische. Der ausbleibende Fang störte sie indessen nicht sonderlich, hatten sie doch über so manches interessante Erlebnis zu sprechen, über die Dinge, die so kürzlich in Jerusalem geschehen waren. Aber als es tagte, beschlossen sie, nach Bethsaida zurückzukehren. Wie sie sich nun dem Ufer näherten, sahen sie am Strand nahe dem Anlegeplatz jemanden bei einem Feuer stehen. Zuerst dachten sie, es sei Johannes Markus, der herabgekommen sei, um sie bei ihrer Rückkehr mit ihrem Fang willkommen zu heißen, aber als sie dem Ufer näher kamen, sahen sie, dass sie sich geirrt hatten - der Mann war zu groß für Johannes. Keinem von ihnen kam der Gedanke, dass die Person am Ufer der Meister war. Sie begriffen nicht ganz, warum Jesus sie an den Schauplätzen ihres früheren Zusammenseins und im Freien in Berührung mit der Natur treffen wollte, weitab von der beengenden Atmosphäre Jerusalems mit seinen tragischen Gedankenverbindungen an Furcht, Verrat und Tod. Er hatte ihnen gesagt, dass, wenn sie nach Galiläa gingen, er sie dort treffen würde, und er war jetzt dabei, sein Versprechen einzulösen. Als sie den Anker auswarfen und sich anschickten, das kleine Boot zu besteigen, um an Land zu gehen, rief der Mann am Ufer ihnen zu: "Burschen, habt ihr etwas gefangen?" Und als sie antworteten: "Nein", sprach er wiederum: "Werft das Netz rechts vom Boot aus, dann werdet ihr Fische finden." Obwohl sie nicht wussten, dass es Jesus war, der ihnen den Wink gegeben hatte, warfen sie das Netz einmütig, wie angewiesen, aus, und augenblicklich war es gefüllt, so sehr, dass sie kaum imstande waren, es heraufzuziehen. Nun hatte Johannes Zebedäus eine schnelle Auffassungsgabe, und als er das schwer beladene Netz erblickte, ging ihm auf, dass es der Meister war, der hier zu ihnen gesprochen hatte. Als ihm dieser Gedanke kam, lehnte er sich hinüber zu Petrus und raunte ihm zu: "Es ist der Meister." Petrus war stets ein Mann unbesonnener Handlung und ungestümer Verehrung; kaum hatte Johannes ihm dies ins Ohr geflüstert, als er hochschnellte und sich ins Wasser warf, um desto geschwinder an des Meisters Seite zu sein. Nachdem seine Brüder, das Netz voller Fische hinter sich herschleppend, in dem kleinen Boot gelandet waren, folgten sie dicht hinter ihm. Johannes Markus war mittlerweile aufgestanden, und als er die Apostel mit dem schwer beladenen Netz an Land kommen sah, rannte er zum Strand hinunter, um sie zu begrüßen. Als er aber elf statt zehn Männer erblickte, vermutete er, dass der Unbekannte der auferstandene Jesus sei, und während die erstaunten Zehn schweigend zusahen, stürzte der Jüngling auf den Meister zu, kniete zu seinen Füßen nieder und sagte: "Mein Herr und mein Meister." Und darauf sagte Jesus nicht wie in Jerusalem, als er sie mit "Friede sei mit euch" begrüßt hatte, sondern in vertrautem Ton zu Johannes Markus: "Nun, Johannes, ich freue mich, dich im sorglosen Galiläa wieder zu sehen, wo wir gut miteinander plaudern können. Bleibe bei uns, Johannes, und frühstücke mit uns." Als Jesus mit dem jungen Mann sprach, waren die Zehn dermaßen erstaunt und überrascht, dass sie darob das Fischernetz an den Strand zu ziehen vergassen. Da sagte Jesus: "Bringt eure Fische an Land und bereitet einige davon zum Frühstück. Wir haben schon ein Feuer und viel Brot." Während Johannes Markus dem Meister Ehre erwies, erlitt Petrus beim Anblick der Kohlen, die dort am Strand im Feuer glühten, einen Schock; denn die Szene erinnerte ihn sehr lebhaft an das mitternächtliche Holzkohlenfeuer im Hofe des Hannas, wo er den Meister verleugnet hatte, aber er gab sich einen Ruck, kniete zu des Meisters Füßen nieder und rief aus: "Mein Herr und mein Meister!" Darauf half Petrus seinen Kameraden, das Netz hereinzuziehen. Als sie ihren Fang an Land gebracht hatten, zählten sie die Fische, und es waren 153 große Exemplare. Und wieder wurde der Fehler begangen, dies einen weiteren wunderbaren Fischzug zu nennen. Mit dieser Episode war kein Wunder verbunden. Der Meister hatte nur sein Vorauswissen angewendet. Er wusste, dass die Fische sich an dieser Stelle befanden, und dementsprechend wies er die Apostel an, ihr Netz dort auszuwerfen. Jesus wandte sich an sie mit den Worten: "Kommt nun alle frühstücken. Sogar die Zwillinge sollten sich setzen, während ich mit euch plaudere; Johannes Markus wird die Fische zubereiten." Johannes Markus brachte sieben stattliche Fische, die der Meister auf das Feuer legte, und als sie gar waren, bediente der Jüngling die Zehn. Darauf brach Jesus das Brot und reichte es Johannes, der es seinerseits an die hungrigen Apostel weitergab. Als sie alle bedient waren, hieß Jesus Johannes Markus sich setzen, während er selber den Jüngling mit Fisch und Brot bediente. Und während sie aßen, plauderte Jesus mit ihnen und kam auf ihre vielen Erlebnisse in Galiläa und an diesem See zurück. Das war das dritte Mal, dass Jesus den Aposteln als einer Gruppe erschien. Als Jesus sie zuerst anredete und fragte, ob sie Fische gefangen hätten, ahnten sie nicht, wer es war, weil die Fischer des Galiläischen Meeres es bei ihrer Rückkehr ans Ufer gewohnt waren, in dieser Weise von den Fischhändlern von Tarichäa angesprochen zu werden, die gewöhnlich zur Stelle waren, um die frischen Fänge für die Trocknungsanlagen zu kaufen. Jesus unterhielt sich mit den zehn Aposteln und Johannes Markus über eine Stunde lang, und dann ging er mit jeweils zweien von ihnen im Gespräch am Ufer auf und ab - aber es waren nicht dieselben Paare, die er anfangs zu lehren ausgeschickt hatte. Alle elf Apostel waren zusammen von Jerusalem herabgekommen, aber Simon Zelotes wurde immer mutloser, als sie sich Galiläa näherten, und als sie Bethsaida erreichten, verließ er seine Brüder und kehrte nach Hause zurück. Bevor sich Jesus an diesem Morgen von ihnen verabschiedete, gab er Weisung, zwei Apostel sollten sich bereit erklären, zu Simon Zelotes zu gehen und ihn noch am selben Tag zurückzubringen. Und das taten Petrus und Andreas. ***** 192.2 Die Gespräche mit den Apostelpaaren ***** Als sie fertig gefrühstückt hatten, und während die anderen um das Feuer herum saßen, gab Jesus Petrus und Johannes ein Zeichen, mit ihm am Ufer spazieren zu kommen. Während sie dahin schritten, sagte Jesus zu Johannes: "Johannes, liebst du mich?" Und als Johannes antwortete: "Ja, Meister, von ganzem Herzen," sagte der Meister: "Dann lege deine Intoleranz ab, Johannes, und lerne, die Menschen zu lieben, wie ich dich geliebt habe. Widme dein Leben dem Beweis, dass die Liebe das Größte auf der Welt ist. Die Liebe Gottes ist es, die den Menschen drängt, Rettung zu suchen. Der Liebe entstammt alle geistige Güte, sie ist die Essenz alles Wahren und Schönen." Dann wandte sich Jesus an Petrus und fragte ihn: "Petrus, liebst du mich?" Petrus antwortete: "Herr, du weißt, dass ich dich von ganzer Seele liebe." Da sagte Jesus: "Wenn du mich liebst, Petrus, dann weide meine Schafe. Versäume nicht, dich der Schwachen, Armen und Jungen anzunehmen. Predige das Evangelium furchtlos und ohne Bevorzugung; denke immer daran, dass Gott kein Ansehen der Person kennt. Diene deinen Mitmenschen, so wie ich euch gedient habe; vergib deinen sterblichen Gefährten, so wie ich dir vergeben habe. Die Erfahrung möge dich den Wert des Nachdenkens und die Macht intelligenter Überlegung lehren." Nachdem sie etwas weitergegangen waren, wandte sich der Meister wieder an Petrus und fragte: "Petrus, liebst du mich wirklich?" Und Simon sagte: "Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe." Und wieder sagte Jesus: "Dann sorge gut für meine Schafe. Sei der Herde ein guter und treuer Hirte. Verrate nicht ihr Vertrauen in dich. Lass dich nicht unvermutet vom Feind überrumpeln. Sei alle Zeit auf der Hut - wache und bete." Als sie ein paar Schritte weitergegangen waren, wandte sich Jesus zum dritten Mal an Petrus und fragte: "Petrus, liebst du mich wirklich?" Und Petrus, etwas betrübt über das anscheinende Misstrauen des Meisters ihm gegenüber, sagte mit großer Bewegung: "Herr, du weißt alle Dinge, und deshalb weißt du, dass ich dich wirklich und wahrhaftig liebe." Da sagte Jesus: "Weide meine Schafe. Verlasse die Herde nicht. Sei allen deinen Mithirten ein Beispiel und eine Inspiration. Liebe die Herde, so wie ich euch geliebt habe und widme dich ihrem Wohlergehen, so wie ich mein Leben eurem Wohlergehen gewidmet habe. Und folge mir nach bis ans Ende." Petrus nahm diese letzte Erklärung - er solle fortfahren, ihm zu folgen - wörtlich und, auf Johannes zeigend, fragte er Jesus: "Wenn ich dir nachfolge, was soll dann dieser Mann tun?" Und Jesus, der sah, dass Petrus seine Worte missverstanden hatte, antwortete: "Petrus, kümmere dich nicht um das, was deine Brüder tun sollen. Wenn ich will, dass Johannes bleibt, nachdem du gegangen bist, sogar bis ich zurückgekommen bin, was soll dich das kümmern? Sieh nur zu, dass du mir folgst." Diese Bemerkung machte unter den Brüdern die Runde und Jesu Äußerung wurde dahingehend verstanden, dass Johannes nicht stürbe, bevor der Meister zurückkehren würde, um, wie so viele dachten und hofften, das Königreich in Macht und Herrlichkeit zu errichten. Es war diese Interpretation der Worte Jesu, die Simon Zelotes hauptsächlich bewog, seinen Dienst wieder aufzunehmen und weiterzuarbeiten. Nachdem sie zu den anderen zurückgekehrt waren, ging Jesus mit Andreas und Jakobus spazieren, um sich mit ihnen zu unterhalten. Nach einer kurzen Wegstrecke sagte Jesus zu Andreas: "Andreas, vertraust du mir?" Und als der ehemalige Vorgesetzte der Apostel Jesus eine solche Frage stellen hörte, blieb er stehen und antwortete: "Ja, Meister, ganz sicher vertraue ich dir, und du weißt, dass dem so ist." Da sagte Jesus: "Andreas, wenn du mir vertraust, dann habe größeres Vertrauen zu deinen Brüdern - sogar zu Petrus. Ich habe dir einst die Führung deiner Brüder anvertraut. Jetzt, da ich dich verlasse, um zum Vater zu gehen, ist es an dir, den anderen zu vertrauen. Wenn deine Brüder beginnen, sich vor den bitteren Verfolgungen überallhin zu verstreuen, dann sei meinem leiblichen Bruder Jakobus ein verständnisvoller und weiser Ratgeber, wenn man ihm schwere Bürden auflädt, die zu tragen es ihm an Erfahrung mangelt. Und dann habe weiterhin Vertrauen, denn ich werde dich nicht im Stich lassen. Und wenn du auf Erden fertig bist, sollst du zu mir kommen." Dann wandte sich Jesus an Jakobus mit der Frage: "Jakobus, vertraust du mir?" Und natürlich erwiderte Jakobus: "Ja, Meister, ich vertraue dir von ganzem Herzen." Da sagte Jesus: "Jakobus, wenn du mir noch mehr vertraust, wirst du mit deinen Brüdern weniger ungeduldig sein. Wenn du mir vertraust, wird es dir helfen, mit der Bruderschaft der Gläubigen freundlich umzugehen. Lerne, die Konsequenzen deiner Worte und Taten abzuwägen. Bedenke, dass das Ernten entsprechend dem Säen geschieht. Bete für Ruhe des Geistes und übe dich in Geduld. Diese Gnaden werden dir zusammen mit dem lebendigen Glauben Halt geben, wenn die Stunde kommt, den Opferkelch zu trinken. Aber bleibe unbeirrt; wenn du auf Erden abgeschlossen hast, sollst auch du zu mir kommen." Darauf unterhielt sich Jesus mit Thomas und Nathanael. Zu Thomas sagte er: "Thomas, dienst du mir?" Thomas erwiderte: "Ja, Herr, ich diene dir jetzt und immerfort." Da sagte Jesus: "Wenn du mir dienen möchtest, dann diene meinen Menschenbrüdern, so wie ich euch gedient habe. Und werde nicht müde, Gutes zu tun, sondern fahre damit fort wie einer, der von Gott zu diesem Dienst der Liebe geweiht worden ist. Wenn du mit mir auf Erden fertig gedient hast, wirst du mit mir in der Herrlichkeit dienen. Thomas, du musst aufhören zu zweifeln; du musst im Glauben und in der Wahrheitserkenntnis wachsen. Glaube an Gott wie ein Kind, aber höre auf, so kindisch zu handeln. Sei mutig; sei fest im Glauben und mächtig im Königreich Gottes." Dann sagte der Meister zu Nathanael: "Nathanael, dienst du mir?" Und der Apostel antwortete: "Ja, Meister, und mit ungeteilter Liebe." Da sagte Jesus: "Wenn du mir also von ganzem Herzen dienst, dann sieh zu, dass du dich mit nimmermüder Liebe dem Wohlergehen meiner Brüder auf Erden verschreibst. Mische deinem Ratschlag Freundschaft bei und füge deiner Philosophie Liebe hinzu. Diene deinen Mitmenschen, so wie ich euch gedient habe. Sei den Menschen treu, so wie ich über euch gewacht habe. Sei weniger kritisch; erwarte von einigen Menschen weniger und verringere so das Ausmaß deiner Enttäuschung. Und wenn dein Werk hier auf Erden beendet ist, sollst du mit mir im Himmel dienen." Danach redete der Meister mit Matthäus und Philipp. Zu Philipp sagte er: "Philipp, gehorchst du mir?" Philipp antwortete: "Ja, Herr, ich will dir gehorchen, selbst unter Einsatz meines Lebens." Da sagte Jesus: "Wenn du mir gehorchen willst, dann gehe in die Länder der Heiden und verkündige dieses Evangelium. Die Propheten haben dir gesagt, dass es besser ist, zu gehorchen als zu opfern. Durch den Glauben bist du ein Sohn des Königreichs geworden, der Gott kennt. Nur einem Gesetz gilt es zu gehorchen - dem Gebot, das Evangelium vom Königreich verkündigen zu gehen. Höre auf, die Menschen zu fürchten; sei unerschrocken, wenn du deinen Mitmenschen, die in der Finsternis schmachten und nach dem Licht der Wahrheit hungern, die gute Nachricht vom ewigen Leben predigst. Du sollst dich nicht länger mit Geld und Gütern beschäftigen, Philipp. Du bist jetzt frei, die Frohbotschaft zu predigen, gerade so wie deine Brüder. Und ich werde dir vorangehen und bei dir sein bis ans Ende." Und dann wandte sich der Meister an Matthäus und fragte ihn: "Matthäus, ist es dir eine Herzensangelegenheit, mir zu gehorchen?" Matthäus antwortete: "Ja, Herr, mit voller Hingabe will ich deinen Willen tun." Da sagte der Meister: "Matthäus, willst du mir gehorchen, so ziehe aus, um alle Völker das Evangelium vom Königreich zu lehren. Du wirst deine Brüder nicht länger mit den materiellen Dingen des Lebens versorgen; fortan wirst auch du die gute Nachricht der geistigen Errettung verkünden. Richte von jetzt an dein ganzes Augenmerk einzig darauf, deinem Auftrag zu gehorchen, das Evangelium von des Vaters Königreich zu predigen. So wie ich auf Erden den Willen des Vaters getan habe, so sollst du den göttlichen Auftrag erfüllen. Denke daran, sowohl Juden als auch Heiden sind deine Brüder. Fürchte dich vor niemandem, wenn du die rettenden Wahrheiten des Evangeliums vom Königreich des Himmels verkündigst. Und dahin, wo ich jetzt gehe, wirst auch du bald kommen." Darauf unterhielt er sich im Gehen mit den Alphäus Zwillingen, Jakobus und Judas, und, sich an alle beide wendend, fragte er: "Jakobus und Judas, glaubt ihr an mich?" Und als beide antworteten: "Ja, Meister, wir glauben," sagte er : "Ich werde bald von euch gehen. Ihr seht, dass ich euch als Mensch bereits verlassen habe. Ich verweile nur noch kurze Zeit in dieser Gestalt, bevor ich zu meinem Vater gehe. Ihr glaubt an mich - ihr seid meine Apostel, und ihr werdet es immer bleiben. Glaubt weiterhin und erinnert euch an unsere Gemeinschaft, wenn ich nicht mehr da bin und ihr vielleicht wieder an die Arbeit zurückgekehrt seid, die ihr ausübtet, bevor ihr kamt, um mit mir zu leben. Erlaubt keiner Änderung in eurer äußeren Beschäftigung, eure Treue zu beeinflussen. Vertraut auf Gott bis ans Ende eurer Erdentage. Vergesst nie, dass, solange ihr Söhne Gottes durch den Glauben seid, alles redliche Werk der Welt geheiligt ist. Nichts, was ein Gottessohn tut, kann gewöhnlich sein. Verrichtet deshalb eure Arbeit von jetzt an wie für Gott. Und wenn ihr auf dieser Welt am Ende angelangt seid, habe ich andere und bessere Welten, wo ihr ebenso für mich arbeiten werdet. Und bei all dieser Arbeit auf dieser und anderen Welten werde ich mit euch arbeiten, und mein Geist soll in euch wohnen." Es war fast zehn Uhr, als Jesus von seinem Gespräch mit den Alphäus-Zwillingen zurückkehrte, und als er von den Aposteln schied, sagte er: "Lebt wohl, bis ich euch alle morgen um die Mittagszeit auf dem Berg eurer Weihe wieder sehe." Nach diesen Worten entschwand er ihren Blicken. ***** 192.3 Auf dem Berg der Weihe ***** Samstagmittag, den 22. April, versammelten sich die elf Apostel wie verabredet auf dem Berg in der Nähe von Kapernaum, und Jesus erschien in ihrer Mitte. Dieses Treffen fand auf dem Berg statt, wo der Meister ihnen als seinen Aposteln und Botschaftern des Königreichs des Vaters auf Erden einen Sonderstatus verliehen hatte. Es war die vierzehnte morontielle Erscheinung des Meisters. Diesmal knieten die elf Apostel in einem Kreis um den Meister und hörten, wie er ihren Auftrag wiederholte, und schauten zu, wie er wiederum den Akt der Weihe vollzog, genau wie damals, als er sie erstmalig in ihre besondere Arbeit für das Königreich einsetzte. Und das alles, des Meisters Gebet ausgenommen, rief ihnen ihre einstige feierliche Verpflichtung auf den Dienst für den Vater in Erinnerung. Als der Meister - der morontielle Jesus - jetzt betete, geschah es in einem Ton von solcher Majestät und mit Worten von solcher Macht, wie die Apostel sie nie zuvor vernommen hatten. Ihr Meister sprach jetzt mit den Lenkern der Universen als einer, der in seinem eigenen Universum alle ihm anvertraute Macht und Autorität übernommen hatte. Und die elf Männer vergaßen dieses Erlebnis der morontiellen Erneuerung ihres früheren Gelöbnisses als Botschafter nie wieder. Der Meister verbrachte genau eine Stunde mit seinen Botschaftern auf dem Berg, und nachdem er liebevoll von ihnen Abschied genommen hatte, entschwand er ihren Blicken. Und niemand sah Jesus eine ganze Woche lang. Die Apostel wussten wirklich nicht, was sie tun sollten, da ihnen nicht klar war, ob der Meister zum Vater gegangen war. In diesem Zustand der Ungewissheit warteten sie in Bethsaida. Sie wagten nicht, fischen zu gehen aus Angst, er würde sie besuchen kommen und sie könnten ihn verpassen. Die ganze Woche über war Jesus auf der Erde mit den morontiellen Geschöpfen und mit den Dingen des morontiellen Übergangs beschäftigt, deren Erfahrung er auf dieser Welt machte. ***** 192.4 Die Versammlung am See ***** Die Nachricht von Jesu Erscheinungen verbreitete sich in ganz Galiläa, und jeden Tag kamen Gläubige in größerer Zahl zum Hause des Zebedäus, um etwas über des Meisters Auferstehung zu erfahren und die Wahrheit über diese angeblichen Erscheinungen herauszufinden. Zu Beginn der Woche gab Petrus bekannt, dass am nächsten Sabbat um drei Uhr nachmittags am Seeufer eine öffentliche Versammlung stattfinden werde. Also fanden sich am Samstag, dem 29. April um drei Uhr, über fünfhundert Gläubige aus der Umgebung von Kapernaum in Bethsaida ein, um Petrus bei seiner ersten öffentlichen Predigt seit der Auferstehung zu hören. Der Apostel war in Hochform, und nachdem er seine mitreißende Ansprache beendet hatte, zweifelten nur noch wenige seiner Zuhörer daran, dass der Meister von den Toten auferstanden war. Petrus beschloss seine Predigt mit den Worten: "Wir bekräftigen, dass Jesus von Nazareth nicht tot ist; wir erklären, dass er vom Grab auferstanden ist; wir verkünden, dass wir ihn gesehen und mit ihm gesprochen haben." Gerade als er dieses Glaubensbekenntnis beendet hatte, erschien der Meister in morontieller Gestalt für alle Leute deutlich sichtbar neben ihm, und in vertrautem Ton sagte er zu ihnen: "Friede sei mit euch, und meinen Frieden lasse ich euch." Nachdem er so erschienen war und gesprochen hatte, entschwand er ihren Blicken. Das war die fünfzehnte morontielle Manifestation des auferstandenen Jesus. Aus gewissen Äußerungen, die der Meister während ihres Zusammenseins auf dem Berg der Weihe den Elf gegenüber gemacht hatte, hatten die Apostel den Eindruck gewonnen, dass der Meister in Kürze einer Gruppe von galiläischen Gläubigen öffentlich erscheinen werde, und dass sie hierauf nach Jerusalem zurückkehren sollten. Deshalb brachen die Elf früh am nächsten Tag, am Sonntag, dem 30. April, von Bethsaida nach Jerusalem auf. Auf ihrem Weg den Jordan hinunter lehrten und predigten sie viel, so dass sie erst spät am Mittwoch, dem 3. Mai, beim Hause des Markus in Jerusalem anlangten. Das war für Johannes Markus eine traurige Rückkehr nach Hause. Nur wenige Stunden vor seiner Heimkehr war sein Vater Elija Markus plötzlich an einer Hirnblutung gestorben. Obwohl der Gedanke an die Gewissheit der Auferstehung der Toten viel dazu beitrug, die Apostel in ihrem Schmerz zu trösten, betrauerten sie doch zugleich aufrichtig den Verlust ihres guten Freundes, der sie auch in Zeiten großer Schwierigkeiten und Enttäuschungen zuverlässig unterstützt hatte. Johannes Markus tat alles, was er konnte, um seine Mutter zu trösten, und in ihrem Namen lud er die Apostel ein, ihr Haus weiterhin als ihr Heim zu betrachten. Und die Elf machten aus dem oberen Raum bis nach dem Pfingsttag ihr Hauptquartier. Absichtlich hatten die Apostel Jerusalem erst nach Einbruch der Dunkelheit betreten, um von den jüdischen Behörden nicht gesehen zu werden. Ebenso wenig zeigten sie sich in der Öffentlichkeit anlässlich des Begräbnisses von Elija Markus. Den ganzen nächsten Tag über blieben sie in stiller Abgeschiedenheit in dem so erinnerungsreichen oberen Raum. Am Donnerstagabend hielten die Apostel in diesem oberen Raum eine wunderbare Versammlung ab, und alle bis auf Thomas, Simon Zelotes und die Alphäus Zwillinge gelobten, sich zum öffentlichen Predigen des neuen Evangeliums vom auferstandenen Herrn aufzumachen. Und schon hatten die ersten Schritte zur Umwandlung des Evangeliums vom Königreich - von der Gottessohnschaft und Bruderschaft mit den Menschen - in die Verkündigung der Auferstehung Jesu begonnen. Nathanael stemmte sich gegen diese Verlagerung des Kerngedankens ihrer öffentlichen Botschaft, aber er vermochte sich weder der Beredsamkeit des Petrus zu widersetzen, noch kam er gegen die Begeisterung der Jünger, insbesondere der gläubigen Frauen, auf. Und so, noch ehe der Meister zum Vater aufgestiegen war, begannen seine wohlmeinenden Stellvertreter unter der energischen Führung von Petrus mit dem subtilen Prozess der allmählichen und sicheren Verwandlung der Religion von Jesus in eine neue und abgeänderte Form einer Religion über Jesus. ****** Kapitel 193 Letzte Erscheinungen und Himmelfahrt ****** JESU sechzehnte morontielle Manifestation ereignete sich am Freitag, dem 5. Mai um neun Uhr abends im Hof des Nikodemus. An diesem Abend hatten die Gläubigen von Jerusalem seit der Auferstehung ihren ersten Versuch gemacht, einander zu treffen. Es waren da zu diesem Zeitpunkt versammelt die elf Apostel, das Korps der Frauen mit ihren Mitarbeiterinnen und rund fünfzig weitere führende Jünger des Meisters einschließlich einer Anzahl Griechen. Über eine halbe Stunde lang hatten diese Gläubigen zwanglos miteinander gesprochen, als plötzlich der morontielle Meister sehr gut sichtbar erschien und sie sofort zu unterweisen begann. Jesus sagte: Friede sei mit euch. Dies ist der repräsentativste Kreis von Gläubigen - Aposteln und Jüngern, Männern und Frauen - dem ich seit meiner Befreiung vom Körper erschienen bin. Ich rufe euch jetzt zu Zeugen an, dass ich euch im Voraus gesagt habe, mein Aufenthalt unter euch müsse zu Ende gehen; ich habe euch gesagt, dass ich bald zum Vater zurückkehren muss. Und dann habe ich euch in aller Klarheit gesagt, dass die obersten Priester und Führer der Juden mich dem Tod überantworten würden und dass ich vom Grabe auferstehen würde. Warum habt ihr euch denn erlaubt, derart aus der Fassung zu geraten, als all das eingetreten ist? Und weshalb wart ihr so überrascht, als ich am dritten Tag vom Grabe auferstand? Ihr habt mir nicht zu glauben vermocht, weil ihr wohl meine Worte gehört, aber ihren Sinn nicht verstanden habt. Und ihr solltet jetzt gut auf meine Worte hören, um ja nicht wieder denselben Fehler zu begehen, meiner Unterweisung zwar mit dem Verstand zuzuhören, dabei aber zu verfehlen, in euren Herzen ihren Sinn zu verstehen. Seit ich unter euch weilte als einer von euch, lehrte ich euch, mein einziges Ziel sei, meinen Vater im Himmel seinen Kindern auf Erden zu offenbaren. Ich habe diese Gott offenbarende Selbsthingabe gelebt, damit ihr den Weg der Gotteserfahrung gehen könnt. Ich habe euch Gott als euren Vater im Himmel offenbart; und euch selber habe ich als Gottes Söhne auf Erden offenbart. Es ist eine Tatsache, dass Gott euch, seine Söhne, liebt. Durch euren Glauben an mein Wort wird diese Tatsache in euren Herzen zu einer ewigen und lebendigen Wahrheit. Wenn ihr durch den lebendigen Glauben auf göttliche Weise gottesbewusst werdet, dann seid ihr aus dem Geiste geboren als Kinder des Lichts und Lebens, eben dieses ewigen Lebens, dank dessen ihr im Universum der Universen aufsteigen und die Erfahrung machen werdet, Gott den Vater im Paradies zu finden. Ich ermahne euch, stets zu beherzigen, dass eure Sendung unter den Menschen darin besteht, das Evangelium vom Königreich zu verkünden - die Realität der Vaterschaft Gottes und die Wahrheit der Sohnschaft der Menschen. Verkündet die ganze Wahrheit der guten Nachricht, nicht nur einen Teil des rettenden Evangeliums. Eure Botschaft erfährt durch mein Auferstehungserlebnis keine Änderung. Die Gottessohnschaft durch den Glauben bleibt die rettende Wahrheit des Evangeliums vom Königreich. Ihr müsst hinausziehen, um die Liebe Gottes und den Dienst an den Menschen zu predigen. Was der Welt zu wissen am meisten Not tut, ist dies: Die Menschen sind die Söhne Gottes, und durch den Glauben können sie sich dieser erhebenden Wahrheit tatsächlich bewusst werden und sie täglich erfahren. Meine Selbsthingabe sollte allen Menschen helfen zu wissen, dass sie Kinder Gottes sind, aber ein solches Wissen wird nicht genügen, wenn es ihnen nicht gelingt, durch ihren Glauben persönlich die rettende Wahrheit zu erfassen, dass sie die lebendigen Geistessöhne des ewigen Vaters sind. Das Evangelium vom Königreich handelt von der Liebe des Vaters und vom Dienen seiner Kinder auf Erden. Ihr teilt hier miteinander das Wissen um meine Auferstehung von den Toten, aber daran ist nichts Erstaunliches. Ich habe die Macht, mein Leben abzulegen und es wieder aufzunehmen; solche Macht verleiht der Vater seinen Paradies-Söhnen. Vielmehr sollte das Wissen eure Herzen bewegen, dass bald nachdem ich Josephs neues Grab verlassen habe, die Toten eines Zeitalters mit dem ewigen Aufstieg begonnen haben. Ich habe mein Leben als Mensch gelebt, um zu zeigen, wie ihr durch liebendes Dienen für eure Mitmenschen zu Gottesoffenbarern werden könnt, genau so wie ich für euch dadurch zu einem Gottesoffenbarer geworden bin, dass ich euch geliebt und euch gedient habe. Ich habe unter euch als Menschensohn gelebt, damit ihr und alle anderen Menschen wisst, dass ihr alle in der Tat Söhne Gottes seid. Geht deshalb jetzt in alle Welt hinaus, um allen Menschen dieses Evangelium vom Königreich des Himmels zu predigen. Liebt alle Menschen, wie ich euch geliebt habe; dient euren Mitmenschen, wie ich euch gedient habe. Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben. Wartet hier in Jerusalem nur so lange, bis ich zum Vater gehe und euch den Geist der Wahrheit sende. Dieser wird euch in die umfassendere Wahrheit führen, und ich werde mit euch in alle Welt hinausgehen. Ich bin immer bei euch, und meinen Frieden lasse ich euch." Als der Meister so zu ihnen gesprochen hatte, entschwand er ihren Blicken. Die Gläubigen zerstreuten sich erst gegen Morgengrauen; die ganze Nacht hindurch blieben sie zusammen und diskutierten ernsthaft des Meisters Ermahnungen und sannen miteinander über alles nach, was ihnen widerfahren war. Jakob Zebedäus und andere Apostel erzählten ihnen auch von ihren Erlebnissen mit dem morontiellen Meister in Galiläa und berichteten, wie er ihnen dreimal erschienen war. ***** 193.1 Die Erscheinung in Sychar ***** Am Samstagnachmittag, dem 13. Mai gegen vier Uhr, erschien der Meister Nalda und etwa fünfundsiebzig gläubigen Samaritanern in der Nähe des Jakobsbrunnens in Sychar. Hier, unweit der Stelle, wo Jesus zu Nalda über das Wasser des Lebens gesprochen hatte, kamen die Gläubigen gewöhnlich zusammen. An diesem Tag waren sie mit ihren Diskussionen über den Bericht der Auferstehung gerade ans Ende gekommen, als Jesus plötzlich vor ihnen erschien und sagte: Friede sei mit euch. Ihr freut euch zu wissen, dass ich die Auferstehung und das Leben bin, aber das wird euch nichts bringen, wenn ihr nicht zuerst aus dem ewigen Geist geboren seid und so durch euren Glauben in den Besitz des Geschenks des ewigen Lebens gelangt. Wenn ihr die Glaubenssöhne meines Vaters seid, werdet ihr nie sterben, nie untergehen. Das Evangelium vom Königreich hat euch gelehrt, dass alle Menschen Gottessöhne sind. Und diese gute Nachricht von der Liebe des himmlischen Vaters zu seinen Kindern auf Erden muss in alle Welt hinausgetragen werden. Die Zeit ist gekommen, da ihr Gott weder auf dem Berg Gerizim noch in Jerusalem anbetet, sondern dort, wo ihr seid, so wie ihr seid, im Geist und in der Wahrheit. Euer Glaube ist es, der eure Seelen rettet. Die Rettung ist das Geschenk Gottes an alle, die daran glauben, seine Söhne zu sein. Aber täuscht euch nicht: Zwar gibt Gott dieses Heil umsonst und verschenkt es an alle, die es durch ihren Glauben empfangen, aber danach folgt die Erfahrung, die Früchte dieses geistigen Lebens hervorzubringen, wie ihr es auf Erden lebt. Wenn ihr die Lehre von der Vaterschaft Gottes bejaht, schließt das mit ein, dass ihr auch aus freien Stücken die damit verknüpfte Wahrheit von der Bruderschaft der Menschen bejaht. Und wenn der Mensch euer Bruder ist, ist er mehr als nur euer Nächster, den wie euch selber zu lieben der Vater von euch verlangt. Da euer Bruder zu eurer eigenen Familie gehört, werdet ihr ihn nicht nur mit einer in der Familie herrschenden Zuneigung lieben, sondern ihm auch dienen, wie ihr euch selber dienen würdet. Und ihr werdet euren Bruder in dieser Weise lieben und ihm dienen, weil ich euch, die ihr meine Brüder seid, in dieser Weise geliebt und euch gedient habe. Geht nun in alle Welt hinaus und verkündet diese gute Nachricht allen Geschöpfen jeder Rasse, jedes Völkerstamms und jeder Nation. Mein Geist wird vor euch hergehen, und ich werde immer bei euch sein." Die Samaritaner wunderten sich zutiefst über die Erscheinung des Meisters, und sie eilten in die nahen Städte und Dörfer, wo sie die Nachricht verbreiteten, dass sie Jesus gesehen hätten und er zu ihnen gesprochen habe. Und dies war des Meisters siebzehnte morontielle Erscheinung. ***** 193.2 Die phönizische Erscheinung ***** Die achtzehnte morontielle Erscheinung des Meisters geschah am Dienstag, dem 16. Mai etwas vor neun Uhr abends in Tyrus. Wieder erschien er am Ende einer Zusammenkunft von Gläubigen, als diese gerade auseinander gehen wollten, und sagte: "Friede sei mit euch. Ihr freut euch zu wissen, dass der Menschensohn von den Toten auferstanden ist, weil daher euer Wissen rührt, dass auch ihr und eure Brüder nach dem leiblichen Tod weiterleben werdet. Aber dieses Fortleben hängt davon ab, ob ihr zuvor aus dem Geiste der Wahrheitssuche und Gottfindung geboren seid. Das Brot und das Wasser des Lebens werden nur denjenigen gegeben, die nach Wahrheit hungern und nach Rechtschaffenheit - nach Gott - dürsten. Die Tatsache, dass die Toten auferstehen, ist nicht das Evangelium vom Königreich. Diese großen Wahrheiten und Tatsachen des Universums stehen alle insofern mit dem Evangelium in Beziehung, als sie ein Teilergebnis des Glaubens an die gute Nachricht sind und zu der späteren Erfahrung derer gehören, die durch den Glauben in Tat und Wahrheit zu unsterblichen Söhnen des ewigen Gottes werden. Mein Vater hat mich in die Welt gesandt, damit ich allen Menschen dieses rettende Heil der Sohnschaft verkündige. Und desgleichen sende ich euch aus, dieses Heil der Sohnschaft zu predigen. Gott gibt das Heil umsonst, aber wer vom Geist geboren ist, wird sogleich beginnen, die Früchte des Geistes zu zeigen, indem er seinen Mitgeschöpfen in Liebe dient. Und die Früchte des göttlichen Geistes, die geistgeborene und Gott kennende Sterbliche in ihrem Leben hervorbringen, sind: Liebevolles Dienen, selbstlose Hingabe, mutige Treue, ehrliche Fairness, erleuchtete Aufrichtigkeit, nie versiegende Hoffnung, vertrauensvolle Zuversicht, erbarmende Umsorgung, unerschöpfliche Güte, vergebende Toleranz und dauernder Friede. Wenn angebliche Gläubige in ihrem Leben nicht diese Früchte des göttlichen Geistes tragen, sind sie tot; der Geist der Wahrheit ist nicht in ihnen; sie sind unnütze Reben am lebendigen Weinstock, und sie werden bald entfernt werden. Mein Vater verlangt von den Kindern des Glaubens, dass sie viel geistige Frucht tragen. Wenn ihr nicht fruchtbar seid, wird er deshalb rings um eure Wurzeln graben und eure unfruchtbaren Reben abschneiden. Während ihr im Königreich Gottes himmelwärts schreitet, müsst ihr immer mehr Früchte des Geistes tragen. Vielleicht betretet ihr das Königreich noch wie ein Kind, aber der Vater verlangt, dass ihr durch die Gnade zur vollen Größe geistiger Mündigkeit heranwachst. Und wenn ihr in die Fremde zieht, um allen Völkern die gute Nachricht von diesem Evangelium zu bringen, werde ich euch vorangehen, und mein Geist der Wahrheit wird in euren Herzen wohnen. Meinen Frieden lasse ich euch." Und dann entschwand der Meister ihren Augen. Am nächsten Tag verließen mehrere von ihnen Tyrus und trugen diesen Bericht nach Sidon und sogar bis nach Antiochien und Damaskus. Jesus war als Mensch unter diesen Gläubigen gewesen, und sie erkannten ihn sofort, als er sie zu unterrichten begann. Zwar vermochten seine Freunde seine morontielle Gestalt, wenn sie sichtbar gemacht wurde, nicht ohne weiteres zu erkennen, aber sie brauchten nie lange, um seine Persönlichkeit zu identifizieren, sobald er zu ihnen sprach. ***** 193.3 Letzte Erscheinung in Jerusalem ***** Früh am Donnerstagmorgen, dem 18. Mai, erschien Jesus zum letzten Mal als morontielle Persönlichkeit auf Erden. Als sich die elf Apostel im oberen Raum des Hauses von Maria Markus gerade zum Frühstück setzen wollten, erschien er ihnen und sagte: "Friede sei mit euch. Ich habe euch aufgefordert, hier in Jerusalem zu warten, bis ich zum Vater aufsteige und sogar bis ich euch den Geist der Wahrheit sende, der bald über alle Menschen ausgegossen werden wird und der euch mit Kraft von oben ausrüsten wird." Simon Zelotes unterbrach Jesus mit der Frage: "Meister, willst du demnach das Königreich wiederherstellen, und werden wir sehen, wie sich Gottes Herrlichkeit auf Erden zeigt?" Jesus hörte sich Simons Frage an und antwortete: "Simon, du klammerst dich immer noch an deine alten Vorstellungen von einem jüdischen Messias und einem materiellen Königreich. Aber geistige Kraft wird dir zuteil werden, wenn einmal der Geist auf dich herabgekommen ist, und du wirst bald in alle Welt hinausgehen, um das Evangelium vom Königreich zu predigen. Wie der Vater mich in die Welt gesandt hat, so sende ich euch. Und ich wünsche, dass ihr euch liebt und einander vertraut. Judas ist nicht mehr bei euch, weil seine Liebe erkaltete und weil er euch, seinen treuen Brüdern, das Vertrauen verweigerte. Habt ihr nicht in der Schrift gelesen, wo geschrieben steht: `Es ist nicht gut für den Menschen, allein zu sein. Niemand lebt für sich selbst'? Und wo es auch heißt: `Wer Freunde haben möchte, muss sich freundlich zeigen'? Und habe ich euch nicht auch immer zu zweit zum Lehren ausgesandt, damit ihr euch nicht einsam fühltet und nicht auf die Abwege und in die Nöte der Isolation gerietet? Ihr wisst auch gut, dass ich, als ich inkarniert war, mir nie erlaubt habe, lange Zeit allein zu bleiben.Vom Beginn unseres Zusammenlebens an hatte ich ständig zwei oder drei von euch an meiner Seite oder in Reichweite, selbst wenn ich mit meinem Vater in Verbindung trat. Setzt deshalb euer Vertrauen ineinander und vertraut euch einander an. Und das tut umso mehr Not, als ich euch noch heute allein in der Welt zurücklassen werde. Die Stunde ist gekommen; ich bin im Begriff, zum Vater zu gehen." Als er gesprochen hatte, gab er ihnen ein Zeichen, mit ihm zu kommen, und er führte sie hinaus auf den Ölberg, wo er sich von ihnen verabschiedete, bevor er Urantia verließ. Es war ein feierlicher Gang zum Ölberg. Keiner von ihnen sprach auch nur ein Wort von dem Augenblick an, da sie den oberen Raum verließen, bis Jesus mit ihnen auf dem Ölberg anhielt. ***** 193.4 Die Gründe für Judas' Fall ***** Der Meister berührte im ersten Teil der Abschiedsbotschaft an seine Apostel den Verlust von Judas und führte ihnen das tragische Schicksal ihres verräterischen Mitarbeiters vor Augen als feierliche Warnung vor den Gefahren gesellschaftlicher und brüderlicher Isolation. Es mag für Gläubige dieses und künftiger Zeitalter hilfreich sein, im Lichte der Bemerkungen des Meisters und angesichts der über die Jahrhunderte gewachsenen Erleuchtung kurz die Gründe für Judas' Fall durchzugehen. Wenn wir auf diese Tragödie zurückblicken, begreifen wir, dass Judas auf die schiefe Bahn geriet, weil er erstens eine ausgesprochen einzelgängerische Persönlichkeit, eine verschlossene und sich von gewöhnlichen gesellschaftlichen Kontakten fernhaltende Persönlichkeit war. Er weigerte sich hartnäckig, sich seinen Mitaposteln anzuvertrauen oder mit ihnen ungezwungen und brüderlich zu verkehren. Ein solch isolierter Persönlichkeitstyp zu sein, hätte an sich noch kein derartiges Unheil über Judas gebracht, wäre es ihm nicht auch misslungen, an Liebe zuzunehmen und in geistiger Gnade zu wachsen. Und dann, als wollte er die missliche Situation noch verschlimmern, hegte er ständig Gefühle des Grolls und nährte solche psychologischen Feinde wie Rachsucht und das allgemeine Verlangen, es für all seine Enttäuschungen "jemandem heimzuzahlen". Diese individuellen Eigenheiten und mentalen Neigungen verschworen sich in einer unglückseligen Kombination zur Zerstörung eines Mannes mit guten Absichten, dem es nicht gelang, diese Übel durch Liebe, Glauben und Vertrauen zu überwinden. Dass Judas nicht hätte scheitern müssen, beweisen sehr wohl die Fälle von Thomas und Nathanael, die mit derselben Art von Argwohn und übermäßigen individualistischen Neigungen geplagt waren. Auch Andreas und Matthäus hatten manch einen Hang in diese Richtung; aber die Liebe all dieser Männer zu Jesus und ihren Apo- stelbrüdern nahm mit der Zeit zu und nicht ab. Sie wuchsen in der Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit. Sie vertrauten ihren Brüdern in wachsendem Maße und entwickelten langsam die Fähigkeit, sich ihren Kameraden anzuvertrauen. Judas weigerte sich beharrlich, sich seinen Brüdern zu öffnen. Fühlte er sich durch die Anhäufung seiner emotionalen Konflikte gedrängt, sich mitzuteilen, um sich Erleichterung zu verschaffen, so holte er sich stets Rat und empfing unkluge Tröstung von seinen ungeistigen Verwandten oder von Zufallsbekanntschaften, die dem Wohl und dem Fortschritt der geistigen Realitäten des himmlischen Königreichs, von dessen zwölf Botschaftern auf Erden er einer war, entweder indifferent oder gar feindlich gegenüberstanden. Folgende Faktoren persönlicher Tendenzen und Charakterschwächen sind für Judas' Niederlage in seinem irdischen Lebenskampf verantwortlich: 1. Er war ein isolierter Menschentyp. Er war hochgradig individualistisch und zog es vor, sich zu einer Art von sich hartnäckig abkapselnder und ungeselliger Person zu entwickeln. 2. Als Kind war ihm das Leben zu leicht gemacht worden. Er fühlte tiefen Unwillen, wenn seine Pläne durchkreuzt wurden. Er erwartete immer zu gewinnen; er war ein sehr schlechter Verlierer. 3. Er erwarb nie eine philosophische Methode, um Enttäuschungen zu begegnen. Anstatt Enttäuschungen als normalen und alltäglichen Bestandteil der menschlichen Existenz hinzunehmen, griff er unfehlbar zu der Praxis, jemandem im Besonderen oder seinen Mitarbeitern insgesamt die Schuld für all seine persönlichen Schwierigkeiten und Enttäuschungen zuzuschieben. 4. Er neigte dazu, nachtragend zu sein; er hegte immer Rachegedanken. 5. Er sah den Tatsachen nicht gern offen ins Auge; er war unehrlich in seiner Haltung gegenüber den Lebenssituationen. 6. Er mochte mit seinen unmittelbaren Mitarbeitern nicht über seine persönlichen Probleme sprechen; er weigerte sich, mit seinen wirklichen Freunden und mit denen, die ihn wahrhaftig liebten, seine Schwierigkeiten zu erörtern. In all den Jahren ihres Zusammenlebens suchte er den Meister nicht ein einziges Mal mit einem rein persönlichen Problem auf. 7. Er lernte nie, dass die wirklichen Belohnungen für ein edles Leben letztendlich geistige Preise sind, die nicht immer während dieses einen kurzen Menschenlebens zur Verteilung gelangen. Diese ständige Abkapselung seiner Persönlichkeit hatte zur Folge, dass sein Gram ständig wuchs, seine Klagen zunahmen, seine Ängste sich vervielfachten und seine Verzweiflung fast unerträglich wurde. Dieser ichbezogene und äußerst individualistische Apostel hatte zwar viele psychische, emotionale und geistige Probleme, aber seine Hauptschwierigkeiten waren diese: Als Persönlichkeit war er isoliert. Sein Gemüt war argwöhnisch und sann auf Vergeltung. Er besaß ein mürrisches und rachsüchtiges Temperament. Gefühlsmäßig war er lieblos und nachtragend. Zwischenmenschlich war er von nahezu völliger Reserviertheit und eröffnete sich niemandem. Im Geiste wurde er anmaßend und auf egoistische Weise ehrgeizig. Im Leben beachtete er die, welche ihn liebten, nicht, und im Tod war er ohne Freunde. Dies also sind die Gemütsfaktoren und verderblichen Einflüsse, die, alle zusammengenommen, erklären, weshalb ein gutmeinender und im übrigen einst ehrlich an Jesus Glaubender sogar nach mehreren Jahren enger Verbindung mit dessen transformierender Persönlichkeit seine Gefährten im Stich ließ, eine geheiligte Sache abwies, sich von seiner heiligen Berufung lossagte und seinen göttlichen Meister verriet. ***** 193.5 Die Himmelfahrt des Meisters ***** Es war fast halb acht Uhr an diesem Donnerstagmorgen, dem 18. Mai, als Jesus mit seinen elf schweigenden und ziemlich ratlosen Aposteln auf dem Westabhang des Ölbergs ankam. Von dieser Stelle aus, etwa zwei Drittel bergaufwärts, konnten sie Jerusalem überschauen und auf Gethsemane hinunterblicken. Jesus ging nun daran, sein letztes Abschiedswort an die Apostel zu richten, bevor er Urantia verließ. Als er so vor ihnen stand, knieten sie unaufgefordert im Kreis um ihn nieder, und der Meister sagte: "Ich habe euch geheißen, in Jerusalem zu bleiben, bis euch Macht vom Himmel gegeben würde. Ich bin im Begriff, euch zu verlassen; ich werde jetzt zu meinem Vater aufsteigen, und bald, sehr bald werden wir den Geist der Wahrheit in diese Welt, in der ich gelebt habe, senden; sobald der Geist gekommen ist, werdet ihr mit der neuen Verkündigung des Evangeliums vom Königreich beginnen, zuerst in Jerusalem und danach bis an die äußersten Enden der Welt. Liebt die Menschen mit derselben Liebe, mit der ich euch geliebt habe und dient euren sterblichen Kameraden so, wie ich euch gedient habe. Nötigt die Seelen, durch die Früchte des Geistes, die ihr in eurem Leben erbringt, an die Wahrheit zu glauben, dass der Mensch ein Sohn Gottes ist und dass alle Menschen Brüder sind. Erinnert euch an alles, was ich euch gelehrt habe und an das Leben, das ich unter euch gelebt habe. Meine Liebe überschattet euch, mein Geist wird bei euch wohnen und mein Friede soll auf euch ruhen. Lebt wohl." Nachdem der morontielle Meister so gesprochen hatte, entschwand er ihren Blicken. Diese sogenannte Himmelfahrt Jesu unterschied sich in keiner Weise von der Art, wie er sich während der vierzig Tage seines morontiellen Werdegangs auf Urantia jeweils den Blicken der Sterblichen entzogen hatte. Der Meister begab sich über Jerusem nach Edentia, wo die Allerhöchsten Jesus von Nazareth im Beisein des Paradies-Sohnes aus dem morontiellen Zustand entließen und ihn durch die Geistkanäle des Aufstiegs in den Status der Paradies-Sohnschaft und höchsten Souveränität auf Salvington zurückversetzten. Es war etwa Viertel vor acht Uhr an diesem Morgen, als der morontielle Jesus den Blicken seiner elf Apostel entschwand und mit dem Aufstieg zur Rechten seines Vaters begann, um dort die förmliche Bestätigung seiner vervollständigten Souveränität über das Universum von Nebadon zu empfangen. ***** 193.6 Petrus beruft eine Versammlung ein ***** Auf Anweisung von Petrus machten sich Johannes Markus und andere auf, die führenden Jünger in das Haus von Maria Markus einzuberufen. Bis halb elf Uhr hatten sich hundertzwanzig der wichtigsten in Jerusalem lebenden Jünger versammelt, um den Bericht über die Abschiedsbotschaft des Meisters und seine Himmelfahrt zu hören. Unter den Anwesenden befand sich Jesu Mutter Maria. Sie war mit Johannes Zebedäus nach dem kürzlichen Aufenthalt der Apostel in Galiläa nach Jerusalem zurückgekehrt. Bald nach Pfingsten kehrte sie nach Bethsaida ins Haus der Salome zurück. Auch Jesu Bruder Jakobus war bei dieser Zusammenkunft zugegen, der ersten Versammlung der Jünger des Meisters, die nach Abschluss seiner planetarischen Laufbahn einberufen wurde. Simon Petrus übernahm es, im Namen seiner Mitapostel zu sprechen. Packend erstattete er Bericht über das letzte Zusammensein der Elf mit ihrem Meister und gab des Meisters letzte Abschiedsworte und sein Verschwinden gen Himmel in ergreifender Weise wieder. Nichts mit dieser Versammlung Vergleichbares hatte je zuvor auf dieser Welt stattgefunden. Dieser Teil der Zusammenkunft dauerte nicht ganz eine Stunde. Darauf erklärte Petrus, dass die Apostel beschlossen hätten, für Judas Iskariot einen Nachfolger zu wählen, und dass sie jetzt eine Pause einschalten würden, um sich zwischen den beiden für dieses Amt vorgeschlagenen Männern, Matthias und Justus, zu entscheiden. Darauf begaben sich die elf Apostel ins untere Geschoss, wo sie übereinkamen, das Los zu werfen, um zu bestimmen, welcher der beiden Männer anstelle von Judas Apostel werden sollte. Das Los fiel auf Matthias, und er wurde zum neuen Apostel erklärt. Er wurde gebührend in sein Amt eingeführt und dann zum Schatzmeister ernannt. Aber Matthias hatte an den späteren Aktivitäten der Apostel nur geringen Anteil. Bald nach Pfingsten kehrten die Zwillinge zu ihren Heimen in Galiläa zurück. Simon Zelotes zog sich eine Zeit lang zurück, bevor er sich aufmachte, das Evangelium zu predigen. Thomas durchlief eine kürzere trübe Phase und nahm dann seine Lehrtätigkeit wieder auf. Nathanael geriet zunehmend in Gegensatz zu Petrus hinsichtlich des Predigens über Jesus anstelle der früheren Verkündigung des Evangeliums vom Königreich. Diese Meinungsverschiedenheit wurde Mitte des folgenden Monats so akut, dass Nathanael sich zurückzog und nach Philadelphia ging, um Abner und Lazarus zu besuchen; er verweilte dort länger als ein Jahr, worauf er in die Länder jenseits von Mesopotamien weiterzog und dort das Evangelium so predigte, wie er es verstand. Somit verblieben von den ursprünglichen zwölf Aposteln nur sechs als Akteure auf der Bühne der frühen Verkündigung des Evangeliums in Jerusalem: Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, Philipp und Matthäus. Es war gerade Mittag, als die Apostel zu ihren Brüdern in den oberen Raum zurückkehrten und die Wahl von Matthias zum neuen Apostel bekannt gaben. Und dann rief Petrus alle Gläubigen auf, sich ins Gebet zu versenken und um die Bereitschaft zu bitten, die Gabe des Geistes zu empfangen, den der Meister zu senden versprochen hatte. ****** Kapitel 194 Die Ausgiessung des Geistes der Wahrheit ****** ETWA um ein Uhr, als die hundertzwanzig Gläubigen mitten im Gebet waren, wurden sie sich alle einer seltsamen Gegenwart im Raum bewusst. Und im selben Augenblick erfuhren diese Jünger bewusst ein neues und tiefes Gefühl geistiger Freude, Sicherheit und Zuversicht. Diesem neuen Bewusstsein geistiger Kraft folgte sogleich ein heftiges Verlangen, hinauszugehen und öffentlich das Evangelium vom Königreich sowie die gute Nachricht zu verkündigen, dass Jesus von den Toten auferstanden sei. Petrus erhob sich und erklärte, das müsse das Kommen des Geistes der Wahrheit sein, den der Meister ihnen versprochen hatte, und er schlug vor, zum Tempel zu gehen und mit der Verkündigung der guten Nachricht zu beginnen, die in ihre Hände gelegt worden war. Und sie taten, was Petrus vorgeschlagen hatte. Diese Menschen waren darin geschult und unterrichtet worden, dass das Evangelium, das sie predigen sollten, die Vaterschaft Gottes und die Sohnschaft des Menschen war, aber in eben diesem Augenblick geistiger Ekstase und persönlichen Triumphs war die beste Kunde, die gewaltigste Nachricht, woran diese Menschen denken konnten, die Tatsache des auferstandenen Meisters. Und so zogen sie hinaus, mit Macht von oben erfüllt, und predigten dem Volk die frohe Botschaft - die Errettung durch Jesus - aber sie stolperten ungewollt in den Irrtum, die eigentliche Evangeliumsbotschaft durch einige mit dem Evangelium verknüpfte Tatsachen zu ersetzen. Petrus machte unabsichtlich den Anfang mit diesem Irrtum, und andere folgten ihm darin bis hin zu Paulus, der ausgehend von einer neuen Version der guten Nachricht eine neue Religion schuf. Das Evangelium vom Königreich ist: die Tatsache der Vaterschaft Gottes in Verbindung mit der sich daraus ergebenden Wahrheit der Sohnschaft-Bruderschaft der Menschen. Das Christentum, wie es sich von diesem Tag an entwickelte, ist: die Tatsache Gottes als des Vaters des Herrn Jesus Christus verbunden mit der Erfahrung des Gläubigen, mit dem auferstandenen und verherrlichten Christus Gemeinschaft zu haben. Es ist nicht verwunderlich, dass diese vom Geist erfüllten Menschen die Gelegenheit ergriffen, ihre Gefühle des Triumphs über die Kräfte auszudrücken, die versucht hatten, ihren Meister zu vernichten und dem Einfluss seiner Lehren ein Ende zu setzen. In einem Augenblick wie diesem war es leichter, sich an ihr persönliches Zusammensein mit Jesus zu erinnern und sich von der Gewissheit begeistern zu lassen, dass der Meister weiterlebte, dass ihre Freundschaft kein Ende genommen hatte und dass der Geist tatsächlich über sie gekommen war, wie er es versprochen hatte. Diese Gläubigen fühlten sich plötzlich in eine andere Welt entrückt, in eine neue Existenz der Freude, der Macht und der Herrlichkeit. Der Meister hatte ihnen gesagt, das Königreich werde mit Macht kommen, und einige von ihnen dachten, sie fingen an zu erfassen, was er damit gemeint hatte. Und wenn man all das in Betracht zieht, fällt es nicht schwer zu verstehen, wie diese Menschen dazu kamen, anstelle ihrer früheren Botschaft von der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft der Menschen ein neues Evangelium über Jesus zu predigen. ***** 194.1 Die Pfingstpredigt ***** Die Apostel hatten sich vierzig Tage lang versteckt gehalten. Es traf sich, dass dieser Tag mit dem jüdischen Pfingstfest zusammenfiel, als Tausende von Besuchern aus allen Teilen der Welt in Jerusalem waren. Viele waren zu diesem Fest angereist, aber die Mehrzahl war seit Passah in der Stadt geblieben. Nun kamen die verängstigten Apostel aus ihrer wochenlangen Abgeschiedenheit hervor und erschienen kühn im Tempel, wo sie die neue Botschaft vom auferstandenen Messias zu predigen begannen. Gleich ihnen waren sich auch alle Jünger bewusst, eine neue Art geistiger Erkenntnis und Macht empfangen zu haben. Es war etwa zwei Uhr, als Petrus sich im Tempel an derselben Stelle erhob, wo sein Meister zuletzt gelehrt hatte, und jenen leidenschaftlichen Appell an die Menge richtete, der zur Folge hatte, dass über zweitausend Seelen gewonnen wurden. Der Meister war gegangen, aber sie entdeckten plötzlich, dass diese Geschichte über ihn auf das Volk eine große Macht ausübte. Kein Wunder, dass sie dem Irrtum verfielen, mit der Verkündigung dessen fortzufahren, was ihre frühere Hingabe an Jesus rechtfertigte und die Menschen zugleich so sehr zwang, an ihn zu glauben. Sechs der Apostel nahmen an dieser Veranstaltung teil: Petrus, Andreas, Jakobus, Johannes, Philipp und Matthäus. Sie sprachen mehr als anderthalb Stunden lang und trugen ihre Botschaften auf Griechisch, Hebräisch und Aramäisch vor und mit ein paar Worten sogar in anderen Sprachen, mit denen sie etwas vertraut waren. Die Führer der Juden staunten ob der Kühnheit der Apostel, aber angesichts der großen Zahl derer, die an ihre Geschichte glaubten, fürchteten sie sich davor, sie zu belästigen. Gegen halb fünf Uhr folgten mehr als zweitausend neue Gläubige den Aposteln zum Teich von Siloa hinunter, wo Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes sie im Namen des Meisters tauften. Und es war schon dunkel, als sie mit dem Taufen dieser Menge fertig wurden. Pfingsten war das große Tauffest, der Tag, an dem die Proselyten der Pforte, jene Heiden, die Jahwe zu dienen wünschten, in die Gemeinschaft aufgenommen wurden. Daher fiel es einer großen Zahl von Juden und gläubigen Nichtjuden umso leichter, sich an diesem Tag der Taufe zu unterziehen. Durch diese Handlung trennten sie sich in keiner Weise vom jüdischen Glauben. Sogar noch einige Zeit später waren die an Jesus Glaubenden eine Sekte innerhalb des Judaismus. Sie alle, die Apostel inbegriffen, erfüllten immer noch getreu die wesentlichen Anforderungen des jüdischen zeremoniellen Systems. ***** 194.2 Die Bedeutung von Pfingsten ***** Jesus lebte und lehrte auf Erden ein Evangelium, das den Menschen von dem Aberglauben erlöste, er sei ein Kind des Teufels, und ihn zu der Würde eines durch den Glauben zum Gottessohn Gewordenen emporhob. Jesu Botschaft, wie er sie damals predigte und lebte, vermochte die geistigen Schwierigkeiten der Menschen in den Tagen ihrer Verkündigung wirksam zu lösen. Und jetzt, da er persönlich die Welt verlassen hat, sendet er statt seiner den Geist der Wahrheit, der bestimmt ist, im Menschen zu leben und Jesu Botschaft für jede neue Generation stets neu zu formulieren, damit jede frisch auf der Erde erscheinende Gruppe von Sterblichen eine neue und moderne Version des Evangeliums besitze - d. h. gerade jene persönliche Erleuchtung und kollektive Führung, die sich für die immer neuen und verschiedenartigen geistigen Schwierigkeiten der Menschen als wirksame Lösung erweisen werden. Die erste Mission dieses Geistes besteht natürlich darin, die Wahrheit wachsen und persönlich werden zu lassen, denn das Erfassen der Wahrheit stellt die höchste Form menschlicher Freiheit dar. Alsdann ist es das Ziel dieses Geistes, dem Gefühl von Verwaistsein des Gläubigen ein Ende zu machen. Nachdem Jesus unter den Menschen gelebt hat, würden alle Gläubigen unter einem Gefühl des Verlassenseins leiden, hätte nicht der Geist der Wahrheit im Menschenherzen Wohnung genommen. Diese Ausgießung des Geistes des Sohnes bereitete den Verstand aller normalen Menschen wirkungsvoll auf die spätere universelle Austeilung des Vatergeistes (des Justierers) an die gesamte Menschheit vor. In einem gewissen Sinne ist dieser Geist der Wahrheit der Geist sowohl des Universalen Vaters als auch des Schöpfersohnes. Macht nicht den Fehler zu erwarten, euch des euch verliehenen Geistes der Wahrheit intellektuell stark bewusst zu werden. Der Geist bewirkt nie ein Bewusstsein seiner selbst, sondern nur ein Bewusstsein von Michael, dem Sohn. Von Anfang an lehrte Jesus, dass der Geist nicht selber sprechen werde. Deshalb wird man den Beweis eurer Gemeinschaft mit dem Geist der Wahrheit nicht in eurem Bewusstsein von diesem Geist finden, sondern in eurer Erfahrung verstärkter Gemeinschaft mit Michael. Der Geist kam auch, um den Menschen zu helfen, sich der Worte des Meisters zu erinnern und sie zu verstehen, und um sein Erdenleben zu erhellen und neu zu interpretieren. Und weiter kam der Geist der Wahrheit, um dem Gläubigen zu helfen, selber zu einem Zeugen für die Realität der Lehren Jesu und seines Lebens zu werden, das er als Mensch gelebt hatte und jetzt wieder von neuem und abermals in jedem einzelnen Gläubigen jeder vorübergehenden Generation geisterfüllter Gottessöhne lebt. Daraus geht hervor, dass der Geist der Wahrheit wirklich kommt, um alle Gläubigen in alle Wahrheit zu führen, in die sich erweiternde Erfahrung eines lebendigen und wachsenden geistigen Bewusstseins von der Realität ewiger und aufsteigender Gottessohnschaft. Jesus lebte ein Leben, das einen Menschen offenbart, der dem väterlichen Willen unterworfen ist, aber kein Beispiel, dem jeder Mensch wörtlich zu folgen versuchen sollte. Sein irdisches Leben zusammen mit seinem Tod am Kreuz und der darauf folgenden Auferstehung wurde bald zu einem neuen Evangelium vom Sühneopfer, das dargebracht wurde, um den Menschen aus den Klauen des Teufels loszukaufen - um der Verurteilung durch einen beleidigten Gott zu entgehen. Obwohl das Evangelium stark entstellt wurde, bleibt trotzdem die Tatsache bestehen, dass diese neue Botschaft über Jesus viele der fundamentalen Wahrheiten und Lehren seines ursprünglichen Evangeliums vom Königreich enthielt. Und früher oder später werden diese verborgenen Wahrheiten von der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft der Menschen hervorkommen und die Zivilisation der gesamten Menschheit wirksam umwandeln. Aber diese intellektuellen Irrtümer hinderten die Gläubigen in keiner Weise daran, im geistigen Wachstum große Fortschritte zu machen. In weniger als einem Monat nach der Ausschüttung des Geistes der Wahrheit machten die Apostel bedeutendere individuelle geistige Fortschritte als während ihres fast vierjährigen persönlichen und liebevollen Zusammenseins mit dem Meister. Ebenso wenig behinderte die Ersetzung der rettenden Evangeliumswahrheit der Gottessohnschaft durch die Tatsache der Auferstehung Jesu in irgendeiner Weise die rasche Ausbreitung ihrer Lehren; im Gegenteil schien diese Überschattung von Jesu Botschaft durch die neuen Lehren über seine Person und Auferstehung das Predigen der guten Nachricht bedeutend zu erleichtern. Der Ausdruck "Taufe durch den Geist", der in jener Zeit allgemein gebräuchlich wurde, bedeutete nur den bewussten Empfang der Gabe des Geistes der Wahrheit und die persönliche Anerkennung dieser neuen geistigen Macht als einer Verstärkung der von gottesbewussten Seelen bislang erfahrenen geistigen Einwirkungen. Seit der Verleihung des Geistes der Wahrheit erfährt der Mensch Unterweisung und Führung durch eine dreifache geistige Begabung: durch den Geist des Vaters - den Gedankenjustierer; den Geist des Sohnes - den Geist der Wahrheit; den Geist des Geistes - den Heiligen Geist. In gewissem Sinne steht die Menschheit unter der gemeinsamen Einwirkung der siebenfachen Anziehungskraft universaler Geist-Einflüsse. Die frühen evolutionären Rassen der Sterblichen geraten schrittweise unter den Einfluss der sieben mentalen Hilfsgeiste des Muttergeistes des Lokaluniversums. Während der Mensch intelligenzmäßig und in geistiger Erkenntnis Stufe um Stufe erklimmt, schweben am Ende die sieben höheren Geist-Einwirkungen über ihm und wohnen in ihm. Und diese sieben Geiste der im Fortschritt begriffenen Welten sind: 1. Der vom Universalen Vater verliehene Geist - die Gedankenjustierer. 2. Die Geist-Gegenwart des Ewigen Sohnes - die geistige Gravitation des Universums der Universen und der sichere Kanal aller geistigen Verbindung. 3. Die Geist-Gegenwart des Unendlichen Geistes - der universale Geist-Verstand der ganzen Schöpfung, die geistige Quelle der intellektuellen Verwandtschaft aller progressiven Intelligenzen. 4. Der Geist des Universalen Vaters und des Schöpfersohnes - der Geist der Wahrheit, im allgemeinen betrachtet als Geist des Universumssohnes. 5. Der Geist des Unendlichen Geistes und der Geist der Universumsmutter - der Heilige Geist, im allgemeinen betrachtet als Geist des Universumsgeistes. 6. Der Verstandesgeist des Geistes der Universumsmutter - die sieben mentalen Hilfsgeiste des Lokaluniversums. 7. Der Geist des Vaters, der Söhne und der Geiste - der Geist mit neuem Namen der aufsteigenden Sterblichen der Welten nach der Fusion der sterblichen geistgeborenen Seele mit dem Paradies-Gedankenjustierer und nach dem späteren Erreichen der Göttlichkeit und Verherrlichung im Status des Paradies-Korps' der Finalität. Und so brachte die Ausgießung des Geistes der Wahrheit der Welt und ihren Völkern die letzte der Geistesgaben, deren Aufgabe es ist, ihnen bei der aufsteigenden Gottessuche zu helfen. ***** 194.3 Was zu Pfingsten geschah ***** Viele ausgefallene und seltsame Lehren knüpften sich an die frühen Berichte über den Pfingsttag. In späteren Zeiten wurden die Ereignisse dieses Tages, an dem der Geist der Wahrheit, der neue Lehrer, in die Menschheit einzog, mit den närrischen Kundgebungen eines überbordenden Gefühlsausbruchs verwechselt. Die Hauptaufgabe des ausgegossenen Geistes des Vaters und des Sohnes ist es, die Menschen in den Wahrheiten von der Liebe des Vaters und Barmherzigkeit des Sohnes zu unterrichten. Es sind diese Göttlichkeits-Wahrheiten, welche die Menschen besser verstehen können als alle anderen göttlichen Wesenszüge. Der Geist der Wahrheit hat in erster Linie mit der Offenbarung der Geistnatur des Vaters und des sittlichen Charakters des Sohnes zu tun. Der inkarnierte Schöpfersohn offenbarte Gott den Menschen; in ihren Herzen offenbart ihnen der Geist der Wahrheit den Schöpfersohn. Wenn ein Mensch in seinem Leben die "Früchte des Geistes" trägt, dann lässt er nur die Wesenszüge erkennen, die der Meister in seinem eigenen Erdenleben manifestierte. Als Jesus auf Erden weilte, lebte er sein Leben als Einzelpersönlichkeit - als Jesus von Nazareth. Seit Pfingsten ist der Meister als der im Inneren wohnende Geist des "neuen Lehrers" in der Lage, sein Leben von neuem in der Erfahrung jedes in der Wahrheit unterrichteten Gläubigen zu leben. Viele Dinge, die sich im Laufe eines menschlichen Lebens zutragen, sind schwer verständlich und kaum mit der Vorstellung zu vereinbaren, dass dies ein Universum ist, in dem die Wahrheit vorherrscht und die Rechtschaffenheit siegt. Es scheint so häufig, dass Verleumdung, Lügen, Unehrlichkeit und Ungerechtigkeit - Sünde - überwiegen. Triumphiert denn der Glaube am Ende über Übel, Sünde und Frevelei? Mit Sicherheit. Jesu Leben und Tod sind der ewige Beweis dafür, dass die Wahrheit der Güte und der Glaube des vom Geist geführten Geschöpfes immer gerechtfertigt sind. Sie verhöhnten Jesus am Kreuz mit den Worten: "Lasst uns sehen, ob Gott kommen und ihn befreien wird." Es sah düster aus an jenem Kreuzigungstag, aber der Auferstehungsmorgen war wunderbar hell; und noch heller und freudiger war der Pfingsttag. Die Religionen pessimistischer Verzweiflung trachten danach, Befreiung von den Bürden des Lebens zu erlangen; sie sehnen sich nach Auslöschung in Schlummer und Ruhe ohne Ende. Es sind die Religionen der Angst und des Grauens der Primitiven. Die Religion Jesu ist ein neues Evangelium des Glaubens, das der ringenden Menschheit verkündet werden muss. Diese neue Religion gründet auf Glauben, Hoffnung und Liebe. Das sterbliche Leben versetzte Jesus seine härtesten, grausamsten und bittersten Schläge; aber dieser Mann begegnete den hoffnungslosen Situationen mit Glauben, Mut und der unerschütterlichen Entschlossenheit, den Willen seines Vaters zu tun. Jesus trat dem Leben in seiner ganzen schrecklichen Realität gegenüber und meisterte es - sogar im Tod. Er benutzte die Religion nicht als Befreiung vom Leben. Jesu Religion sucht nicht, diesem Leben zu entrinnen, um die in einer anderen Existenz wartende Glückseligkeit zu genießen. Jesu Religion verschafft die Freude und den Frieden einer andersartigen, geistigen Existenz, wodurch das Leben, das die Menschen jetzt auf Erden leben, aufgewertet und veredelt wird. Wenn eine Religion Opium für das Volk ist, dann ist es nicht die Religion Jesu. Am Kreuz weigerte er sich, die betäubende Droge zu trinken, und sein über alle Menschen ausgegossener Geist ist eine gewaltige Macht in der Welt, welche die Menschen aufwärts führt und sie vorwärts treibt. Der geistige Drang nach vorn ist die mächtigste in dieser Welt vorhandene Antriebskraft; der Gläubige, der die Wahrheit kennen lernt, ist die progressive und dynamische Seele auf Erden. Am Pfingsttag durchbrach die Religion von Jesus alle nationalen Schranken und rassischen Fesseln. Für immer ist wahr: "Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit." An diesem Tag wurde der Geist der Wahrheit zum persönlichen Geschenk des Meisters an jeden Sterblichen. Dieser Geist wurde in der Absicht verliehen, die Gläubigen zu einem wirksameren Predigen des Evangeliums vom Königreich zu befähigen, aber sie hielten ihre Erfahrung, den ausgegossenen Geist empfangen zu haben, fälschlicherweise für einen Teil des neuen Evangeliums, das sie unbewusst formulierten. Überseht nicht die Tatsache, dass der Geist der Wahrheit allen aufrichtigen Gläubigen geschenkt wurde; diese Gabe des Geistes kam nicht nur zu den Aposteln. Alle hundertzwanzig im oberen Raum versammelten Männer und Frauen empfingen den neuen Lehrer ebenso wie alle in ihren Herzen Aufrichtigen der ganzen Welt. Der neue Lehrer war ein Geschenk an die ganze Menschheit, und jede Seele empfing ihn nach Maßgabe ihrer Wahrheitsliebe und Fähigkeit, geistige Realitäten zu erfassen und zu verstehen. Endlich ist die wahre Religion aus der Gewalt der Priester und aller sakralen Gruppen befreit und findet ihren wirklichen Ausdruck in der individuellen Menschenseele. Die Religion Jesu fördert den höchsten Typus menschlicher Zivilisation, indem sie den höchsten Typus einer geistigen Persönlichkeit schafft und den geheiligten Charakter dieser Person verkündet. Das Kommen des Geistes der Wahrheit zu Pfingsten machte eine Religion möglich, die weder radikal noch konservativ ist; sie ist weder alt noch neu; sie soll weder von den Alten noch von den Jungen dominiert werden. Die Tatsache von Jesu Erdenleben liefert einen Fixpunkt für den Anker der Zeit, während die Verleihung des Geistes der Wahrheit für die immerdauernde Expansion und das endlose Wachstum der von Jesus gelebten Religion und des von ihm verkündeten Evangeliums sorgt. Der Geist führt in alle Wahrheit; er ist der Lehrer einer expandierenden und stetig wachsenden Religion endlosen Fortschritts und göttlicher Entfaltung. Dieser neue Lehrer wird dem Gläubigen, der nach der Wahrheit sucht, unaufhörlich das enthüllen, was in der Person und im Wesen des Menschensohnes so göttlich verborgen war. Die mit der Gabe des "neuen Lehrers" einhergehenden Manifestationen und die Aufnahme der Predigt der Apostel durch die in Jerusalem zusammengekommenen Menschen verschiedener Rassen und Nationen sind ein Zeichen für die Universalität der Religion Jesu. Das Evangelium vom Königreich sollte mit keiner bestimmten Rasse, Kultur oder Sprache identifiziert werden. Der Pfingsttag sah die große Anstrengung des Geistes, um Jesu Religion von ihren ererbten jüdischen Fesseln zu befreien. Sogar noch nach dieser demonstrativen Ausschüttung des Geistes auf alle Menschen bemühten sich die Apostel am Anfang eifrig darum, ihren Neubekehrten die Forderungen des Judaismus aufzuerlegen. Auch Paulus bekam Schwierigkeiten mit seinen Brüdern in Jerusalem, weil er sich weigerte, die Nichtjuden diesen jüdischen Praktiken zu unterwerfen. Keine offenbarte Religion kann sich über die ganze Welt verbreiten, wenn sie den schweren Fehler macht, sich von nationaler Kultur durchdringen oder sich mit bestehenden rassischen, sozialen oder wirtschaftlichen Praktiken in Verbindung bringen zu lassen. Die Austeilung des Geistes der Wahrheit geschah unabhängig von allen Formen, Zeremonien, heiligen Stätten oder von speziellen Verhaltensweisen derer, die die Fülle seiner Manifestation empfingen. Als der Geist über die im oberen Raum Versammelten kam, saßen sie ganz einfach da, nachdem sie eben still zu beten begonnen hatten. Der Geist wurde sowohl auf dem Land als auch in der Stadt ausgegossen. Es war nicht nötig, dass sich die Apostel für Jahre einsamer Meditation an einen abgelegenen Ort zurückzogen, um den Geist zu empfangen. Pfingsten trennt für alle Zeiten die Idee geistiger Erfahrung von der Vorstellung von einer dafür besonders günstigen Umgebung. Pfingsten mit seiner geistigen Ausrüstung war bestimmt, die Religion des Meisters für immer von aller Verbindung mit physischer Kraft zu trennen; die Lehrer der neuen Religion sind jetzt mit geistigen Waffen ausgestattet. Sie sollen ausziehen und die Welt mit nie versagendem Verzeihen, beispiellos gutem Willen und überströmender Liebe erobern. Sie sind dafür ausgerüstet, Böses durch Gutes zu überwinden, Hass durch Liebe zu besiegen und Furcht durch einen mutigen und lebendigen Glauben an die Wahrheit zu zerstören. Jesus hatte seine Anhänger bereits gelehrt, dass seine Religion niemals passiv sei; seine Jünger sollten in ihrem Amt der Barmherzigkeit und in ihren Liebesäußerungen stets aktiv und positiv sein. Diese Gläubigen sahen Jahwe nicht länger als den "Herrn der Heerscharen". Die ewige Gottheit betrachteten sie jetzt als "Gott und Vater des Herrn Jesus Christus". Sie machten wenigstens diesen Fortschritt, wenn sie auch in gewissem Maße dabei scheiterten, die Wahrheit voll zu erfassen, dass Gott auch der geistige Vater jedes Einzelnen ist. Pfingsten hat dem sterblichen Menschen die Macht verliehen, persönliche Kränkungen zu vergeben, inmitten der schreiendsten Ungerechtigkeiten Sanftmut zu bewahren, angesichts einer schrecklichen Gefahr ruhig zu bleiben und die Übel des Hasses und des Zorns durch furchtlose Akte der Liebe und der Nachsicht herauszufordern. Urantia ist in seiner Geschichte durch die Verwüstungen großer und zerstörerischer Kriege gegangen. Alle an diesen fürchterlichen Kämpfen Beteiligten erlitten eine Niederlage. Es gab nur einen Sieger; es gab nur einen, der aus diesen erbitterten Auseinandersetzungen mit gestärktem Ansehen hervorging - Jesus von Nazareth mit seinem Evangelium der Überwindung des Bösen durch das Gute. Das Geheimnis einer besseren Zivilisation ist eng verknüpft mit des Meisters Lehren von der Bruderschaft der Menschen, vom guten Willen der Liebe und vom gegenseitigen Vertrauen. Bis Pfingsten hatte die Religion nur den nach Gott suchenden Menschen erkennen lassen; seit Pfingsten sucht der Mensch immer noch nach Gott, aber über der Welt leuchtet jetzt auch der Anblick eines Gottes, der den Menschen sucht und, wenn dieser ihn gefunden hat, seinen Geist sendet, damit er in ihm Wohnung nehme. Vor Jesu Unterweisungen, die in Pfingsten ihren Höhepunkt hatten, besaß die Frau in den Lehren der älteren Religionen nur einen geringen oder gar keinen geistigen Rang. Nach Pfingsten war die Frau in der Bruderschaft des Königreichs dem Mann vor Gott gleichgestellt. Unter den Hundertundzwanzig, die dieses besondere Herabkommen des Geistes empfingen, befanden sich viele Jüngerinnen, und sie hatten gleichen Anteil an diesen Segnungen wie die männlichen Gläubigen. Der Mann kann sich nicht länger anmaßen, das Amt des Religionsdieners zu monopolisieren. Der Pharisäer mochte fortfahren, Gott dafür zu danken, dass er "nicht als Frau, Leprakranker oder Heide geboren war", aber unter Jesu Anhängern ist die Frau für immer von aller geschlechtsbedingten religiösen Diskriminierung befreit. Pfingsten löschte jegliche religiöse Diskriminierung aus, die auf Rassenunterschieden, kultureller Verschiedenheit, sozialen Kasten oder geschlechtsbezogenen Vorurteilen beruht. Kein Wunder, dass die Gläubigen dieser neuen Religion ausriefen: "Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit." Sowohl die Mutter als auch der Bruder Jesu befanden sich unter den hundertundzwanzig Gläubigen, und als Mitglieder dieses Jüngerkreises empfingen auch sie den ausgegossenen Geist. Sie empfingen nicht mehr von dieser guten Gabe als ihre Gefährten. Die Mitglieder von Jesu irdischer Familie erhielten kein besonderes Geschenk. Pfingsten markierte das Ende besonderer Priesterschaften und jeglichen Glaubens an heilige Familien. Vor Pfingsten hatten die Apostel viel aufgegeben, um Jesus zu folgen. Sie hatten ihr Zuhause, ihre Familien, Freunde, weltlichen Güter und Stellungen geopfert. Zu Pfingsten gaben sie Gott sich selbst, und der Vater und der Sohn antworteten, indem sie den Menschen sich selbst gaben - indem sie ihre Geiste sandten, um in den Menschen zu wohnen. Diese Erfahrung, das Selbst zu verlieren und den Geist zu finden, war nicht emotional; es war ein Akt intelligenter Selbstaufgabe und rückhaltloser Weihung. Pfingsten war der Aufruf zu geistiger Einheit unter den Evangeliumsgläubigen. Als der Geist in Jerusalem auf die Jünger herabkam, geschah dasselbe auch in Philadelphia, Alexandrien und an allen anderen Orten, wo wahre Gläubige wohnten. Es war buchstäblich wahr, dass "die Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele war". Die Religion Jesu ist der mächtigste einigende Einfluss, den die Welt je gekannt hat. Pfingsten war dazu bestimmt, die Selbstanmaßung von Einzelnen, Gruppen, Nationen und Rassen zu vermindern. Es ist dieser Geist der Selbstanmaßung, dessen Spannung so zunimmt, dass er sich periodisch in zerstörerischen Kriegen entlädt. Die Menschheit kann nur auf dem geistigen Weg zur Einheit gelangen, und der Geist der Wahrheit ist ein weltweiter universeller Einfluss. Das Kommen des Geistes der Wahrheit läutert das menschliche Herz und bringt den Empfänger dahin, seine Lebensaufgabe einzig in der Ausrichtung auf den Willen Gottes und das Wohlergehen der Menschen zu sehen. Der materielle Geist der Selbstsucht ist von diesem neuen geistigen Geschenk der Selbstlosigkeit verschlungen worden. Pfingsten bedeutet damals wie heute, dass der geschichtliche Jesus zum göttlichen Sohn einer lebendigen Erfahrung geworden ist. Wenn die Freude des ausgegossenen Geistes im menschlichen Leben bewusst erfahren wird, belebt sie die Gesundheit, regt das Denken an und ist eine nie versiegende Energie für die Seele. Es war nicht das Gebet, das den Geist am Pfingsttag brachte, aber es bestimmte beträchtlich die jeweilige Empfangsbereitschaft der einzelnen Gläubigen. Das Gebet bewegt das göttliche Herz nicht zu freigiebigem Schenken, aber oft gräbt es breitere und tiefere Kanäle, durch welche die göttlichen Gaben zu den Herzen und Seelen derer fließen können, die nicht müde werden, durch aufrichtiges Beten und wahre Anbetung eine ununterbrochene Verbindung mit ihrem Schöpfer aufrechtzuerhalten. ***** 194.4 Anfänge der christlichen Kirche ***** Als Jesus so plötzlich von seinen Feinden gefasst und so schnell zwischen zwei Dieben gekreuzigt wurde, waren seine Apostel und Jünger völlig demoralisiert. Die Vorstellung von dem verhafteten, gebundenen, ausgepeitschten und gekreuzigten Meister war sogar für die Apostel zu viel. Sie vergaßen seine Lehren und Warnungen. Er mochte tatsächlich ein "an Taten und Worten mächtiger Prophet vor Gott und allem Volk" gewesen sein, aber er konnte schwerlich der Messias sein, von dem sie gehofft hatten, er werde das Königreich Israel wiederherstellen. Dann kommt die Auferstehung und mit ihr die Befreiung von der Verzweiflung und die Rückkehr des Glaubens an des Meisters Göttlichkeit. Wieder und wieder sehen sie ihn und sprechen mit ihm, und er führt sie auf den Ölberg, wo er von ihnen Abschied nimmt und ihnen sagt, dass er zum Vater zurückkehrt. Er hat sie geheißen, in Jerusalem zu warten, bis ihnen Macht gegeben werde - bis der Geist der Wahrheit komme. Und am Pfingsttag kommt dieser neue Lehrer, und sie gehen sofort hinaus und predigen ihr Evangelium mit neuer Macht. Sie sind die unerschrockenen und mutigen Anhänger eines lebendigen Herrn, nicht eines toten und unterlegenen Führers. Der Meister lebt in den Herzen dieser Evangelisten; Gott ist in ihrer Vorstellung keine Doktrin; er ist in ihren Seelen lebendige Gegenwart geworden. "Tag für Tag predigten sie unerschütterlich und einmütig im Tempel weiter und brachen zu Hause das Brot. Sie saßen fröhlichen und aufrichtigen Herzens miteinander bei Tische, priesen Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Sie waren alle vom Geist erfüllt und predigten das Wort Gottes mit Kühnheit. Und die Scharen derer, die glaubten, waren ein Herz und eine Seele; und kein einziger von ihnen sagte, dass irgendetwas von dem, was er besaß , ihm gehöre, und sie teilten alles miteinander." Was ist mit diesen Menschen geschehen, denen Jesus aufgetragen hatte, hinauszugehen und das Evangelium vom Königreich, die Vaterschaft Gottes und die Bruderschaft der Menschen, zu predigen? Sie haben ein neues Evangelium; eine neue Erfahrung hat sie entflammt; sie sind von einer neuen geistigen Energie durchdrungen. Ihre Botschaft hat sich plötzlich in die Verkündigung vom auferstandenen Christus verwandelt: "Jesus von Nazareth, den Gott mit mächtigen Werken und Wundern beglaubigt hat, ihn, der nach Gottes Ratschluss und Vorauswissen ausgeliefert wurde, habt ihr gekreuzigt und umgebracht. Er hat die Dinge erfüllt, die Gott durch den Mund aller Propheten vorausgesagt hat. Diesen Jesus hat Gott auferweckt. Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht. Zur Rechten Gottes ist er verherrlicht worden, und er hat vom Vater das Versprechen des Geistes erhalten und er hat ausgegossen, was ihr seht und hört. Geht in euch, auf dass eure Sünden getilgt werden; auf dass der Vater den Christus sende, der für euch berufen wurde, diesen Jesus, den der Himmel aufnehmen muss bis zur Zeit der Wiederherstellung aller Dinge." Das Evangelium vom Königreich, die Botschaft Jesu hatte sich plötzlich in das Evangelium vom Herrn Jesus Christus verwandelt. Die Jünger verkündeten jetzt die Tatsachen seines Lebens, seines Todes und seiner Auferstehung und predigten die Hoffnung auf seine rasche Wiederkehr in diese Welt, damit er das von ihm begonnene Werk abschließe. Die Botschaft der ersten Gläubigen beinhaltete somit das Predigen über die Tatsachen seines ersten Kommens und das Lehren der Hoffnung auf sein zweites Kommen, ein Ereignis, das in ihren Augen kurz bevorstand. Christus war im Begriff, zum Kredo der sich rasch bildenden Kirche zu werden. Jesus lebt; er ist für die Menschen gestorben; er hat den Geist gegeben; er wird wiederkommen. Jesus erfüllte all ihre Gedanken und bestimmte ihre ganze neue Gottesvorstellung und alles andere. Ihr Enthusiasmus über die neue Doktrin, dass "Gott der Vater des Herrn Jesus ist", war zu groß, als dass sie der alten Botschaft gedacht hätten, dass "Gott der liebende Vater aller Menschen ist" - und sogar jedes Einzelnen. Es ist wahr, dass in diesen frühen Gemeinschaften von Gläubigen eine wunderbare Bekundung brüderlicher Liebe und nie dagewesenen guten Willens aufblühte. Aber es war eine Bruderschaft von Jesusgläubigen und keine Gemeinschaft von Brüdern in der Familie des Königreichs des Vaters im Himmel. Ihr guter Wille erwuchs aus der Liebe, die die Vorstellung von Jesu Selbsthingabe in ihnen wachrief, und nicht aus der Erkenntnis, dass die sterblichen Menschen Brüder sind. Nichtsdestoweniger waren sie von Freude erfüllt, und sie lebten derartig neue und einzigartige Leben, dass sich alle Menschen von ihren Lehren über Jesus angezogen fühlten. Sie begingen den großen Fehler, den lebendigen und bilderreichen Kommentar zum Evangelium vom Königreich an dessen Stelle zu gebrauchen, aber selbst das stellte die größte Religion dar, die die Menschheit je gekannt hatte. Unverkennbar war in der Welt eine neuartige Gemeinschaft im Entstehen. "Die Menge der Gläubigen übte sich unentwegt in der Lehre und Brüderlichkeit der Apostel, im Brechen des Brotes und in Gebeten." Sie nannten sich gegenseitig Bruder und Schwester; sie begrüßten einander mit einem heiligen Kuss; sie standen den Armen bei. Brüderlichkeit herrschte sowohl im Leben wie bei der Anbetung. Dieses Gemeinschaftsleben war nicht verordnet worden, sondern entsprang ihrem Wunsch, ihren Besitz mit ihren Glaubensbrüdern zu teilen. Sie warteten vertrauensvoll darauf, dass Jesus zurückkehren werde, um noch in ihrer Generation die Errichtung des Königreichs des Vaters zu vollenden. Dieses spontane Teilen irdischer Güter gehörte nicht unmittelbar zu Jesu Lehre; es entstand, weil diese Männer und Frauen so aufrichtig und zuversichtlich glaubten, er könne jeden Tag zurückkehren, um sein Werk abzuschließen und das Königreich zu vollenden. Aber die Endresultate dieses gut gemeinten Experiments in unbedachter brüderlicher Liebe waren verheerend und verursachten viel Leid. Tausende von aufrichtigen Gläubigen verkauften ihre Grundstücke und gaben ihr ganzes Vermögen und andere rentable Werte weg. Im Laufe der Zeit schwanden die Mittel des christlichen "gleichmäßigen Teilens" und gingen zu Ende - aber nicht so die Welt. Schon sehr bald veranstalteten die Gläubigen von Antiochia eine Sammlung, um ihre Glaubensbrüder in Jerusalem vor dem Hunger zu bewahren. In diesen Tagen feierten sie das Abendmahl des Herrn in seiner ursprünglichen Form; das heißt, sie versammelten sich zu einem geselligen und freundschaftlichen Essen und nahmen am Ende des Mahls am Sakrament teil. Am Anfang tauften sie im Namen Jesu; fast zwanzig Jahre verstrichen, bevor sie "im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" zu taufen begannen. Die Taufe war alles, was verlangt wurde, um in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen zu werden. Sie besaßen noch keine Organisation; sie waren einfach die Jesus-Bruderschaft. Diese Jesus-Sekte wuchs rasch, und wiederum wurden die Sadduzäer auf sie aufmerksam. Die Pharisäer beunruhigte die Situation kaum angesichts der Tatsache, dass keine der Lehren die Einhaltung der jüdischen Gesetze irgendwie hinderte. Aber die Sadduzäer begannen, die Führer der Jesus-Sekte ins Gefängnis zu werfen, bis sie sich dazu bewegen ließen, der Empfehlung Gamaliels, eines der führenden Rabbiner, zu folgen, der ihnen riet: "Rührt diese Männer nicht an und lasst sie in Ruhe, denn wenn dieser Plan, dieses Werk von Menschen stammt, wird es untergehen; wenn es aber von Gott stammt, werdet ihr nicht fähig sein, diese Leute zu vernichten und es könnte euch dann geschehen, dass ihr euch im Kampf mit Gott befindet." Sie beschlossen, dem Rat Gamaliels zu folgen, und darauf begann in Jerusalem eine Zeit des Friedens und der Ruhe, während welcher sich das neue Evangelium über Jesus rasch ausbreitete. Und so ging alles gut in Jerusalem bis zu der Zeit, da Griechen in großer Zahl von Alexandrien herkamen. Zwei Schüler von Rodan trafen in Jerusalem ein und bekehrten viele aus den Reihen der Hellenisten. Unter ihren ersten Bekehrten befanden sich Stephanus und Barnabas. Diese fähigen Griechen vertraten nicht so sehr den jüdischen Gesichtspunkt und hielten sich nicht besonders eng an die jüdische Art der Anbetung und andere zeremonielle Praktiken. Es war das Verhalten dieser griechischen Gläubigen, das die friedlichen Beziehungen zwischen der Jesus-Bruderschaft und den Pharisäern und Sadduzäern beendete. Stephanus und seine griechischen Gefährten begannen, mehr nach Jesu Art zu lehren, und das brachte sie in unmittelbaren Konflikt mit den jüdischen Führern. Als Stephanus während einer seiner öffentlichen Predigten an einen Punkt kam, der Anstoß erregte, verzichteten sie auf alle Formalitäten eines Prozesses und steinigten ihn auf der Stelle zu Tode. So wurde Stephanus, der Führer der griechischen Kolonie von Jesusgläubigen in Jerusalem, zum ersten Märtyrer des neuen Glaubens und zum konkreten Anlass für die formelle Organisation der frühen christlichen Kirche. Man gewann aus dieser neuen Krise die Einsicht, dass die Gläubigen nicht länger als Sekte innerhalb des jüdischen Glaubens weiter bestehen konnten. Sie stimmten alle darin überein, sich von den Nichtglaubenden trennen zu müssen; und innerhalb eines Monats nach Stephanus' Tod war die Kirche in Jerusalem unter Führung von Petrus organisiert und Jakobus, Jesu Bruder, als nominelles Oberhaupt eingesetzt worden. Und dann begannen die neuen und schonungslosen Verfolgungen durch die Juden, so dass die aktiven Lehrer der neuen Religion über Jesus, die später in Antiochia Christentum genannt wurde, Jesus bis an die Enden des Kaiserreichs verkünden gingen. Die Führung bei der Verbreitung dieser Botschaft lag vor Paulus' Zeiten in griechischen Händen; und diese ersten Missionare folgten ebenso wie die späteren dem Weg des einstigen Alexanderzuges über Gaza und Tyrus nach Antiochia, dann über Kleinasien nach Mazedonien und weiter nach Rom und bis in die entferntesten Teile des Kaiserreichs. ****** Kapitel 195 Nach Pfingsten ****** DIE Wirkungen der Predigt des Petrus am Pfingsttag waren derart, dass sie bestimmend wurden für das künftige Vorgehen und die Pläne der Mehrzahl der Apostel bei ihren Bemühungen um die Verkündigung des Evangeliums vom Königreich. Petrus war der wirkliche Begründer der christlichen Kirche; Paulus brachte die christliche Botschaft zu den Heiden, und die griechischen Gläubigen trugen sie in das ganze Römische Reich hinaus. Obwohl die traditionsgebundenen und von den Priestern unterdrückten Hebräer als Volk das Evangelium Jesu von der Vaterschaft Gottes und von der Bruderschaft der Menschen sowie die Verkündigung der Auferstehung und Himmelfahrt Christi durch Petrus und Paulus (späteres Christentum) zurückwiesen, zeigte sich das übrige Römische Reich für die sich entwickelnden christlichen Lehren empfänglich. Die westliche Zivilisation war zu dieser Zeit intellektuell, kriegsmüde und stand allen existierenden Religionen und Universumsphilosophien durch und durch skeptisch gegenüber. Die Völker der westlichen Welt, Nutznießer der griechischen Kultur, besaßen die verehrte Tradition einer großen Vergangenheit. Sie konnten auf das Erbe großer Leistungen in Philosophie, Kunst, Literatur und politischem Fortschritt blicken. Aber bei all dem Erreichten besaßen sie keine die Seele zufriedenstellende Religion. Ihre geistigen Sehnsüchte blieben unbefriedigt. In dieses Stadium der menschlichen Gesellschaft drangen nun plötzlich Jesu Lehren ein, die in der christlichen Botschaft enthalten waren. Den hungrigen Herzen der westlichen Völker wurde eine neue Art zu leben dargeboten. Das bedeutete einen unmittelbaren Konflikt zwischen den älteren religiösen Gewohnheiten und der neuen christianisierten Fassung von Jesu Botschaft an die Welt. Ein derartiger Konflikt muss entweder mit einem entschiedenen Sieg des Neuen oder des Alten oder mit einer Art Kompromiss enden. Die Geschichte zeigt, dass die Auseinandersetzung mit einem Kompromiss zu Ende ging. Das Christentum erhob viel zu umfassende Ansprüche, als dass irgendein Volk ihnen im Laufe von einer oder zwei Generationen hätte gerecht werden können. Das Christentum war kein einfacher geistiger Appell, wie Jesus ihn an die Seelen der Menschen gerichtet hatte; es bezog schon früh entschieden Stellung zu religiösen Ritualen, zu Erziehung, Magie, Medizin, Kunst, Literatur, Recht, Regierung, Moral, sexuellem Verhalten, Polygamie und in begrenztem Grade sogar zur Sklaverei. Das Christentum kam nicht nur als neue Religion daher - als etwas, worauf das ganze Römische Reich und der ganze Orient warteten - sondern als neue Ordnung der menschlichen Gesellschaft. Und mit einem solchen Anspruch beschwor es rasch den gesellschaftlich-moralischen Zusammenprall der Zeitalter herauf. Jesu Ideale, neu interpretiert durch die griechische Philosophie und sozialisiert im Christentum, forderten nun kühn die Traditionen der menschlichen Rasse heraus, wie sie in Ethik, Sittlichkeit und in den Religionen der westlichen Zivilisation verkörpert waren. Am Anfang gewann das Christentum nur Angehörige der niedrigeren sozialen und wirtschaftlichen Schichten für sich. Aber mit Beginn des zweiten Jahrhunderts wandten sich die Besten der griechisch-römischen Kultur zunehmend dieser neuen Ordnung christlichen Glaubens zu, dieser neuen Vorstellung von Lebenszweck und Existenzziel. Wie kam es, dass diese neue Botschaft jüdischen Ursprungs, die im Lande ihrer Geburt beinahe zu einem Fehlschlag geworden wäre, die besten Köpfe des Römischen Reiches so rasch und gründlich für sich einnahm? Der Triumph des Christentums über die philosophischen Religionen und die Mysterienkulte hat seinen Grund im Folgenden: 1. Die Organisation. Paulus war ein großer Organisator, und seine Nachfolger hielten das Tempo, das er angegeben hatte. 2. Das Christentum war durch und durch hellenisiert. Es umfasste das Beste an griechischer Philosophie sowie hebräischer Theologie. 3. Aber das Wichtigste von allem war, dass es ein neues und großes Ideal enthielt, das Echo von dem sein Leben hingebenden Jesus und den Widerhall seiner Heilsbotschaft an die ganze Menschheit. 4. Die christlichen Führer willigten ein, mit dem Mithraismus solche Kompromisse einzugehen, dass fast die Hälfte von dessen Anhängern für den Kult von Antiochien gewonnen wurde. 5. Ebenso schlossen die folgenden und späteren Generationen christlicher Führer mit dem Heidentum weitere Kompromisse dieser Art, so dass sogar der römische Kaiser Konstantin für die neue Religion gewonnen wurde. Aber die Christen schlossen mit den Heiden einen klugen Handel ab, indem sie das Gepränge des heidnischen Rituals übernahmen, dahingegen die Heiden nötigten, die hellenisierte Fassung des paulinischen Christentums anzunehmen. Sie machten mit den Heiden ein besseres Tauschgeschäft als mit dem Mithraskult, aber auch in diesem früheren Kompromiss waren sie eindeutige Sieger, indem es ihnen gelang, die rohe Unmoral und auch zahlreiche andere verwerfliche Praktiken der persischen Mysterien zum Verschwinden zu bringen. Ob es von ihnen weise oder unweise war, diese frühen Führer des Christentums setzten Jesu Ideale wohlüberlegt aufs Spiel in dem Bemühen, viele seiner Ideen zu retten und zu fördern. Und sie waren darin außerordentlich erfolgreich. Aber täuscht euch nicht! Die beeinträchtigten Ideale des Meisters sind in seinem Evangelium immer noch latent vorhanden, und sie werden sich auf der Welt schließlich mit voller Macht durchsetzen. Bei dieser Paganisierung des Christentums trug die alte Ordnung viele kleine Siege ritueller Natur davon, aber die Christen gewannen die Oberhand, indem 1. In der menschlichen Sittlichkeit ein neuer und sehr viel höherer Ton angeschlagen wurde; 2. Der Welt ein neues und bedeutend erweitertes Gotteskonzept geschenkt wurde; 3. Die Hoffnung auf Unsterblichkeit zugesicherter Bestandteil einer anerkannten Religion wurde und 4. Den hungrigen Seelen der Menschen Jesus von Nazareth geschenkt wurde. Viele der großen von Jesus gelehrten Wahrheiten gingen bei diesen frühen Kompromissen beinahe verloren, aber sie schlummern fort in dieser Religion des heidnischen Christentums, das seinerseits die paulinische Fassung von Leben und Lehre des Menschensohnes war. Aber noch bevor das Christentum heidnisch wurde, war es ganz und gar hellenisiert worden. Das Christentum verdankt den Griechen viel, sehr viel. Es war ein Grieche aus Ägypten, der sich in Nicäa mutig erhob und den Versammelten so furchtlos gegenübertrat, dass sie es nicht wagten, das Konzept von Jesu Natur so zu verdunkeln, dass die eigentliche Wahrheit über Jesu Selbsthingabe Gefahr gelaufen wäre, für die Welt verloren zu gehen. Dieser Grieche hieß Athanasius, und wären nicht die Eloquenz und Logik dieses Gläubigen gewesen, hätten die Überredungskünste des Arius gesiegt. ***** 195.1 Der Einfluss der Griechen ***** Die Hellenisierung des Christentums begann recht eigentlich an jenem denkwürdigen Tag, als der Apostel Paulus vor dem Rat des Areopags in Athen stand und zu den Athenern über "den unbekannten Gott" sprach. Dort, im Schatten der Akropolis, verkündete dieser römische Bürger den Griechen seine Version der neuen Religion, die ihren Ursprung im jüdischen Land Galiläa hatte. Und es gab viele seltsame Übereinstimmungen zwischen der griechischen Philosophie und manchen von Jesu Lehren. Sie hatten ein gemeinsames Ziel - beide strebten das Erwachen des Individuums an, die Griechen das soziale und politische Erwachen, Jesus das sittliche und geistige Erwachen. Die Griechen lehrten intellektuelle Liberalität, die zu politischer Freiheit führt; Jesus lehrte geistige Liberalität, die zu religiöser Freiheit führt. Diese beiden Ideen bildeten zusammen eine neue, mächtige Charta der menschlichen Freiheit; sie ließen die soziale, politische und geistige Freiheit des Menschen erahnen. Das Christentum verdankt seine Entstehung und seinen Sieg über alle mit ihm konkurrierenden Religionen vor allem zwei Dingen: 1. Der griechische Intellekt war bereit, Anleihen für neue und gute Ideen sogar bei den Juden zu machen. 2. Paulus und seine Nachfolger waren zu klugen und scharfsinnigen Kompromissen bereit; sie beherrschten die Kunst theologischen Verhandelns. Als Paulus in Athen auftrat und über "Christus und Er, der Gekreuzigte" predigte, waren die Griechen hungrig nach Geistigem; sie forschten, interessierten sich und hielten wirklich nach geistiger Wahrheit Ausschau. Vergesst nie, dass die Römer zuerst das Christentum bekämpften, während die Griechen es annahmen, und dass es die Griechen waren, die die Römer später buchstäblich zwangen, diese neue nun modifizierte Religion als Teil der griechischen Kultur zu akzeptieren. Die Griechen verehrten die Schönheit und die Juden die Heiligkeit, aber beide Völker liebten die Wahrheit. Jahrhundertelang hatten die Griechen ernsthaft über alle menschlichen Probleme - soziale, wirtschaftliche, politische und philosophische - nachgedacht und debattiert außer über Religion. Nur wenige Griechen hatten der Religion viel Aufmerksamkeit geschenkt; sie nahmen nicht einmal ihre eigene sehr ernst. Jahrhundertelang hatten die Juden diese anderen Gedankenbereiche vernachlässigt, während ihr ganzes Sinnen auf die Religion gerichtet war. Sie nahmen ihre Religion sehr ernst, zu ernst. Vom Inhalt der Botschaft Jesu erleuchtet, wurde nun das vereinigte Produkt jahrhundertelangen Nachdenkens dieser beiden Völker zur Triebkraft einer neuen Ordnung der menschlichen Gesellschaft und, bis zu einem gewissen Grade, einer neuen Ordnung religiösen Glaubens und Praktizierens der Menschen. Der Einfluss der griechischen Kultur hatte die Länder des westlichen Mittelmeers bereits durchdrungen, als sich mit Alexander die hellenistische Zivilisation in der nahöstlichen Welt ausbreitete. Die Griechen kamen mit ihrer Religion und Politik gut zurecht, solange sie in kleinen Stadtstaaten wohnten, aber als der mazedonische König sich erkühnte, Griechenland zu einem Weltreich zu erweitern, das sich von der Adria bis zum Indus erstreckte, begannen die Schwierigkeiten. Kunst und Philosophie Griechenlands entsprachen ganz der Aufgabe einer imperialen Expansion, nicht aber griechische politische Verwaltung und Religion. Nachdem sich die Stadtstaaten Griechenlands zu einem Imperium ausgeweitet hatten, nahmen sich ihre eher provinziellen Götter ein bisschen wunderlich aus. Die Griechen waren tatsächlich auf der Suche nach einem Gott, einem größeren und besseren Gott, als die christianisierte Fassung der älteren jüdischen Religion zu ihnen kam. Das hellenistische Weltreich als solches konnte nicht von Dauer sein. Sein kultureller Einfluss hielt an, aber er konnte nur fortbestehen, weil er sich vom Westen den römischen politischen Genius für die Imperiumsverwaltung gesichert und vom Osten eine Religion erhalten hatte, deren einziger Gott die einem Weltreich anstehende Würde besaß. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert hatte die hellenistische Kultur ihren Höhepunkt bereits erreicht; ihr Rückschritt hatte begonnen; die Bildung nahm zwar zu, aber der Genius verblasste. Gerade in diesem Augenblick steuerten Jesu Ideen und Ideale, die teilweise im Christentum enthalten waren, das ihre zur Rettung der griechischen Kultur und Bildung bei. Alexander war mit dem kulturellen Geschenk der griechischen Zivilisation nach Osten gestürmt; Paulus eroberte den Westen mit der griechischen Fassung des Jesusevangeliums. Und wo immer sich im Westen die griechische Kultur durchsetzte, schlug auch das hellenisierte Christentum Wurzeln. Obwohl die östliche Fassung der Botschaft Jesu dessen Lehren treuer blieb, verfolgte sie weiterhin die kompromisslose Richtung Abners. Sie machte nie Fortschritte wie die hellenisierte Fassung und ging schließlich in der islamischen Bewegung auf. ***** 195.2 Der römische Einfluss ***** Die Römer übernahmen die griechische Kultur als Ganzes, ersetzten aber die durch das Los bestimmte Regierung durch eine repräsentative. Und diese Änderung begünstigte jetzt das Christentum, indem Rom in die ganze westliche Welt eine neue Toleranz für fremde Sprachen, Völker und sogar Religionen einbrachte. Die meisten der frühen Christenverfolgungen in Rom sind allein der unglücklichen Verwendung des Ausdrucks "Königreich" in ihren Predigten zuzuschreiben. Die Römer tolerierten jedwede Religion, reagierten aber sehr empfindlich auf alles, was nach politischer Rivalität roch. Und als diese frühen, weitgehend auf Missverständnissen beruhenden Verfolgungen aufhörten, stand der religiösen Propaganda nichts mehr im Wege. Das Interesse des Römers galt der politischen Administration; er scherte sich wenig um Kunst oder Religion, war aber beiden gegenüber ungewöhnlich tolerant. Das orientalische Gesetz war hart und willkürlich; das griechische Gesetz war fließend und künstlerisch; das römische Gesetz war würdevoll und Respekt gebietend. Die römische Erziehung brachte eine beispiellose und unerschütterliche Treue hervor. Die frühen Römer waren politisch ergebene und wunderbar opferbereite Individuen. Sie waren aufrichtig, diensteifrig und ihren Idealen verschrieben, aber sie besaßen keine dieses Namens würdige Religion. Kein Wunder, dass ihre griechischen Lehrer sie dazu bewegen konnten, das Christentum des Paulus anzunehmen. Diese Römer waren ein großes Volk. Sie konnten das Abendland beherrschen, weil sie sich selbst beherrschten. Derart beispiellose Ehrlichkeit, Hingabe und eiserne Selbstdisziplin waren ein idealer Nährboden für die Aufnahme und das Wachstum des Christentums. Es fiel diesen Gräkoromanen leicht, einer institutionellen Kirche geistig ebenso hingebungsvoll zu dienen, wie sie dem Staat politisch dienten. Die Römer bekämpften die Kirche nur, wenn sie in ihr eine Konkurrentin des Staates witterten. Rom, das kaum eine nationale Philosophie oder eigene Kultur besaß, machte die griechische Kultur zu der seinen und nahm Christus kühn als eigene sittliche Philosophie an. Das Christentum wurde zur sittlichen Kultur Roms, aber kaum zu seiner Religion im Sinne der individuellen Erfahrung von geistig Wachsenden, die sich der neuen Religion in völliger Hingabe zugewandt hätten. Es ist allerdings wahr, dass viele Einzelne unter die Oberfläche dieser ganzen Staatsreligion eindrangen und für die Nahrung ihrer Seelen die wahren Werte der verborgenen Bedeutungen fanden, die in den latent vorhandenen Wahrheiten des hellenisierten und heidnischen Christentums lagen. Die Stoiker hatten mit ihrem kräftigen Appell an die "Natur und das Gewissen" Rom nur umso besser darauf vorbereitet, Christus anzunehmen, wenigstens in einem intellektuellen Sinn. Der Römer war von Natur und Erziehung her ein Jurist; er verehrte sogar die Naturgesetze. Und nun, im Christentum, erkannte er in den Naturgesetzen die Gesetze Gottes. Ein Volk, das einen Cicero und einen Vergil hervorbringen konnte, war reif für das hellenisierte Christentum des Paulus. Und so zwangen die romanisierten Griechen sowohl Juden wie Christen, ihre Religion philosophisch zu machen, ihre Ideen zu koordinieren und ihre Ideale zu systematisieren, um die religiösen Praktiken den vorhandenen Lebensströmungen anzupassen. Und all das wurde erheblich erleichert durch die Übertragung der hebräischen Schriften ins Griechische und die spätere Niederschrift des neuen Testamentes in griechischer Sprache. Im Unterschied zu den Juden und vielen anderen Völkern hatten die Griechen seit langem provisorisch an die Unsterblichkeit, an eine Art Weiterleben nach dem Tode, geglaubt, und da dies das Herzstück von Jesu Lehren bildete, war es sicher, dass das Christentum auf sie eine große Anziehungskraft ausüben würde. Eine ganze Reihe von griechischen kulturellen und römischen politischen Siegen hatte die Mittelmeerländer zu einem einzigen Reich mit einer einzigen Sprache und einer einzigen Kultur zusammengeschlossen und die westliche Welt für einen einzigen Gott bereitgemacht. Der Judaismus lieferte diesen Gott, aber der Judaismus war als Religion für diese romanisierten Griechen unannehmbar. Philo trug recht viel dazu bei, ihre Einwände zu entkräften, aber das Christentum offenbarte ihnen ein noch besseres Konzept von dem einen Gott, und sie nahmen es rasch an. ***** 195.3 Unter römischer Oberherrschaft ***** Nach der Konsolidierung der römischen politischen Herrschaft und nachdem sich das Christentum ausgebreitet hatte, fanden sich die Christen mit einem einzigen Gott, mit einem großen religiösen Konzept, aber ohne Reich. Die Gräkoromanen fanden sich mit einem großen Reich, aber ohne einen Gott, der für die reichsweite Verehrung und die geistige Einigung ein angemessenes religiöses Konzept hätte abgeben können. Die Christen akzeptierten das Reich; das Reich nahm das Christentum an. Die Römer sorgten für eine einheitliche politische Herrschaft, die Griechen für eine einheitliche Kultur und Bildung und das Christentum für ein einheitliches religiöses Denken und Praktizieren. Rom überwand den traditionellen Nationalismus durch imperialen Universalismus und ermöglichte es zum ersten Mal in der Geschichte verschiedenen Rassen und Nationen, wenigstens dem Namen nach eine einzige Religion anzunehmen. Das Christentum fand in Rom Anklang zu einer Zeit, als zwischen den kraftvollen Lehren der Stoiker und den Heilsversprechungen der Mysterienkulte ein großer Streit herrschte. Das Christentum kam mit erquickendem Trost und befreiender Macht zu einem geistig hungrigen Volk, in dessen Sprache es kein Wort für "Selbstlosigkeit" gab. Was dem Christentum die größte Macht verlieh, war die Art, wie die Gläubigen ihr Leben dienend lebten und in den früheren Zeiten harter Verfolgungen sogar für ihren Glauben starben. Die Lehre von der Liebe Christi zu den Kindern setzte der weit verbreiteten Sitte ein Ende, unerwünschte Kinder, insbesondere kleine Mädchen, zu beseitigen. Der frühe Plan des christlichen Gottesdienstes, weitgehend von der jüdischen Synagoge übernommen, erfuhr durch das mithraische Ritual Abänderungen, und später wurde ihm viel heidnisches Gepränge hinzugefügt. Das Rückgrat der frühen christlichen Kirche bildeten zum Judentum übergetretene und dann christianisierte Griechen. In der ganzen Weltgeschichte war das zweite nachchristliche Jahrhundert für eine gute Religion die beste Zeit, um in der westlichen Welt Fortschritte zu machen. Im Verlauf des ersten Jahrhunderts hatte das Christentum unter Kämpfen und Kompromissen begonnen, Wurzeln zu schlagen und sich rasch auszubreiten. Das Christentum nahm den Kaiser an; später nahm dieser das Christentum an. Das war ein großes Zeitalter für die Ausbreitung einer neuen Religion. Es herrschte religiöse Freiheit; allgemein wurde viel gereist und das Denken wurde nicht behindert. Der geistige Impuls des nominell akzeptierten hellenisierten Christentums kam zu spät nach Rom, um den seit langem begonnenen sittlichen Zerfall aufzuhalten oder die bereits bestehende und zunehmende rassische Entartung zu kompensieren. Diese neue Religion war für das kaiserliche Rom eine kulturelle Notwendigkeit, und es ist äußerst bedauerlich, dass sie nicht in umfassenderem Sinne zu einem Mittel geistiger Rettung wurde. Auch eine gute Religion konnte ein großes Reich nicht retten vor den sicheren Folgen des Mangels an individueller Beteiligung an den Regierungsangelegenheiten, des überstarken Paternalismus, der Überbesteuerung und schwerer Übergriffe bei der Steuereinziehung, des unausgeglichenen Handels mit der Levante, der das Gold abfließen ließ, der Vergnügungssucht, der römischen Gleichmacherei, der Degradierung der Frauen, der Sklaverei und des rassischen Niedergangs, der physischen Seuchen und einer Staatskirche, die so sehr zur Institution wurde, dass sie geistig beinahe austrocknete. In Alexandrien waren die Bedingungen indessen nicht so schlecht. Die frühen Schulen fuhren fort, viele Lehren Jesu von Kompromissen freizuhalten. Pantaenus lehrte Clemens und ging dann auf den Spuren Nathanaels Christus in Indien verkünden. Zwar wurden beim Aufbau des Christentums einige Ideale Jesu geopfert, aber es sollte in aller Gerechtigkeit festgehalten werden, dass gegen Ende des zweiten Jahrhunderts praktisch alle großen Geister der griechisch-römischen Welt Christen geworden waren. Der Triumph näherte sich der Vollendung. Und das Römische Reich dauerte lange genug, um auch nach seinem Zusammenbruch das Überleben des Christentums zu sichern. Aber wir haben uns oft gefragt, was wohl in Rom und in der Welt geschehen wäre, wenn anstelle des griechischen Christentums das Evangelium vom Königreich angenommen worden wäre. ***** 195.4 Das europäische finstere Mittelalter ***** Die Kirche als Dienerin der Gesellschaft und Verbündete der Politik war dazu verurteilt, den intellektuellen und geistigen Niedergang im sogenannten "finsteren Mittelalter" Europas mitzumachen. Während dieser Zeit wurde die Religion zunehmend klösterlich, asketisch und in Gesetzesform gebracht. In geistigem Sinne war das Christentum in einen Winterschlaf gefallen. Neben dieser schlummernden und säkularisierten Religion gab es während dieser ganzen Zeitspanne eine stetige mystische Strömung, ein phantastisches geistiges Erleben an der Grenze zur Irrealität, das philosophisch mit dem Pantheismus verwandt war. Während dieser dunklen und verzweifelten Jahrhunderte wurde die Religion praktisch wiederum eine Angelegenheit aus zweiter Hand. Der Einzelne war beinahe verloren gegenüber der alles überschattenden Autorität und Tradition der Kirche und ihrem Diktat. Eine neue geistige Bedrohung entstand durch die Schaffung einer Galaxie von "Heiligen", die angeblich an den himmlischen Gerichtshöfen über besonderen Einfluss verfügten und die sich deshalb, wenn man sie richtig anzurufen wusste, vor den Göttern zugunsten der Menschen einzusetzen vermochten. Während das Christentum unfähig war, das heraufziehende finstere Zeitalter aufzuhalten, war es auf Grund seiner Sozialisierung und Paganisierung umso besser ausgerüstet, diese lange Periode sittlicher Verdunkelung und geistiger Stagnation zu überstehen. Und es überdauerte tatsächlich diese lange Nacht der westlichen Zivilisation und übte in der Welt immer noch seinen sittlichen Einfluss aus, als die Renaissance heraufdämmerte. Die Rehabilitierung des Christentums, die auf das ausgehende Mittelalter folgte, rief zahlreiche Sekten der christlichen Lehren ins Leben, Glaubensbekenntnisse, die besonderen intellektuellen, gefühlsmäßigen und geistigen Typen der menschlichen Persönlichkeit angepasst waren. Und viele von diesen besonderen christlichen Gruppierungen oder religiösen Familien existieren zur Zeit der Abfassung dieser Schilderung immer noch. Das Christentum hat eine Geschichte, die ihren Ursprung in der unbeabsichtigten Umwandlung der Religion von Jesus in eine Religion über Jesus hat. Ferner hat es eine Geschichte, in der es die Erfahrung der Hellenisierung und Paganisierung machte, der Säkularisierung, der Institutio-nalisierung, des intellektuellen Niedergangs, des geistigen Verfalls, der sittlichen Überwinterung, der drohenden Auslöschung, der späteren Verjüngung, der Fragmentierung und einer nicht weit zurückliegenden relativen Rehabilitierung. Ein solcher Werdegang weist auf die ihm innewohnende Vitalität und den Besitz großer Genesungskräfte hin. Und dasselbe Christentum ist jetzt in der zivilisierten Welt der westlichen Völker anwesend und befindet sich mitten in einem Ringen um seine Existenz, das noch bedrohlicher ist als jene denkwürdigen Krisen, die es in seinen vergangenen Kämpfen zur Selbstbehauptung durchmachte. Die Religion sieht sich jetzt durch ein neues Zeitalter wissenschaftlichen Denkens und materialistischer Tendenzen herausgefordert. In dieser gigantischen Auseinandersetzung zwischen dem Weltlichen und dem Geistigen wird die Religion Jesu schließlich triumphieren. ***** 195.5 Das moderne Problem ***** Das zwanzigste Jahrhundert hat dem Christentum und allen anderen Religionen neue Probleme zur Lösung aufgegeben. Je höher eine Zivilisation aufsteigt, umso dringlicher wird die Pflicht, bei allen menschlichen Anstrengungen zur Stabilisierung der Gesellschaft und zur Erleichterung der Lösung ihrer materiellen Probleme "zuerst die Realitäten des Himmels zu suchen". Die Wahrheit wird oft verwirrend und sogar irreführend, wenn sie zerstückelt, aufgeteilt, isoliert und zu stark analysiert wird. Die lebendige Wahrheit unterrichtet den Wahrheitssucher nur im richtigen Sinne, wenn sie als Ganzes und als lebendige geistige Realität erfasst wird und nicht als ein Faktum der materiellen Wissenschaft oder als eine Inspiration vermittelnder Kunst. Die Religion offenbart dem Menschen seine göttliche und ewige Bestimmung. Religion ist eine rein persönliche und geistige Erfahrung und muss für immer von allen anderen hohen Formen menschlichen Denkens unterschieden werden wie: 1. Das logische Verhalten des Menschen gegenüber den Dingen der materiellen Realität. 2. Des Menschen ästhetische Würdigung des Schönen im Gegensatz zum Hässlichen. 3. Des Menschen ethische Anerkennung sozialer Obliegenheiten und politischer Pflichten. 4. Selbst sein Sinn für menschliche Sittlichkeit ist an und für sich nicht religiös. Bestimmung der Religion ist es, jene Werte im Universum zu finden, die Glauben, Vertrauen und Sicherheit wachrufen; die Religion gipfelt in der Anbetung. Die Religion entdeckt der Seele jene höchsten Werte, die im Kontrast stehen zu den relativen, vom Verstand entdeckten Werten. Solch übermenschliche Erkenntnis kann nur durch echte religiöse Erfahrung gewonnen werden. Ein gesellschaftliches System, dessen Sittlichkeit nicht auf geistigen Realitäten gründet, kann auf die Dauer ebenso wenig aufrechterhalten werden wie das Sonnensystem ohne Schwerkraft. Versucht nicht, während des einen kurzen Menschenlebens alle Neugier zu befriedigen oder jeden latenten, in der Seele erwachenden Erlebnishunger zu stillen. Seid geduldig! Lasst euch nicht dazu verleiten, euch einem zügellosen Eintauchen in billige und schmutzige Abenteuer hinzugeben. Macht euch eure Ener-gien zunutze und zügelt eure Leidenschaften; seid ruhig, während ihr auf die majestätische Entfaltung eines endlosen Werdegangs stetig zunehmender Abenteuer und begeisternder Entdeckungen wartet. Wenn euch der Ursprung des Menschen verwirrt, so verliert seine ewige Bestimmung nicht aus den Augen. Vergesst nicht, dass Jesus sogar kleine Kinder liebte und für immer den großen Wert der menschlichen Persönlichkeit klarmachte. Wenn ihr die Welt betrachtet, dann ruft euch in Erinnerung, dass die schwarzen Flecken des Bösen, die ihr seht, sich von einem weißen Hintergrund des grundlegend Guten abheben. Ihr seht nicht nur weiße Flecken des Guten, die sich kümmerlich von einem schwarzen Hintergrund des Bösen abheben. Warum sollten die Menschen angesichts von so viel guter Wahrheit, die es zu veröffentlichen und zu verkündigen gibt, so sehr auf das Böse in der Welt Nachdruck legen, nur weil es als eine Tatsache erscheint? Die Schönheiten der geistigen Werte der Wahrheit sind erfreulicher und erhebender als das Phänomen des Bösen. In der Religion empfahl und befolgte Jesus die Methode der Erfahrung, genau so wie die moderne Wissenschaft das Verfahren des Experiments anwendet. Wir finden Gott durch die Führung des geistigen Schauens, aber diesem Schauen der Seele nähern wir uns durch die Liebe zum Schönen, durch Verfolgung des Wahren, durch Pflichttreue und Verehrung der göttlichen Güte. Aber von all diesen Werten ist die Liebe der wahre Führer zu wirklichem Schauen. ***** 195.6 Der Materialismus ***** Die Wissenschaftler haben die Menschheit unbeabsichtigt in eine materialistische Panik versetzt; sie haben einen unbedachten Ansturm auf die Sittenbank der Zeitalter ausgelöst, aber diese Bank der menschlichen Erfahrung verfügt über unermessliche geistige Mittel; sie kann den gegen sie erhobenen Forderungen standhalten. Nur gedankenlose Menschen ängstigen sich wegen der geistigen Aktivposten der menschlichen Rasse. Wenn die materialistisch-weltliche Panik einmal vorüber ist, wird Jesu Religion nicht bankrott gegangen sein. Die geistige Bank des Königreichs wird allen, die bei ihr "in Seinem Namen" Bezüge machen, Glauben, Hoffnung und moralische Sicherheit auszahlen. Was es auch immer mit dem offensichtlichen Konflikt zwischen Materialismus und Jesu Lehren auf sich haben mag, so könnt ihr getrost sein, dass die Lehren des Meisters in den kommenden Zeitaltern voll und ganz siegen werden. In Wirklichkeit kann wahre Religion nicht in irgendeine Auseinandersetzung mit der Wissenschaft verwickelt werden; sie hat mit materiellen Dingen überhaupt nichts zu tun. Die Religion ist einfach indifferent gegenüber der Wissenschaft, obwohl sie ihr wohlwollend gegenübersteht; hingegen befasst sie sich im höchsten Maße mit dem Wissenschaftler. Die ausschließliche Pflege des Wissens ohne begleitende Interpretation durch Weisheit und ohne geistige Erkenntnis religiöser Erfahrung führt letztlich zu Pessimismus und menschlicher Verzweiflung. Spärliches Wissen ist wirklich beunruhigend. Zur Stunde dieser Niederschrift ist das Schlimmste des materialistischen Zeitalters vorüber; schon beginnt der Tag eines besseren Verständnisses heraufzudämmern. Die höheren Geister der wissenschaftlichen Welt sind in ihrer Philosophie nicht mehr gänzlich materialistisch, während das Gros der Menschen aufgrund früherer Unterweisung immer noch in diese Richtung tendiert. Aber dieses Zeitalter des naturwissenschaftlichen Realismus ist im irdischen Dasein des Menschen nur eine vorübergehende Episode. Die moderne Wissenschaft hat die wahre Religion - die Lehren Jesu, wie sie im Leben der an ihn Glaubenden zum Ausdruck kommen - unberührt gelassen. Alles, was die Wissenschaft getan hat, war nur, die kindlichen Illusionen zu zerstören, die aus Fehlinterpretationen des Lebens hervorgegangen waren. Was das menschliche Leben auf Erden anbelangt, ist Wissenschaft eine quantitative Erfahrung und Religion eine qualitative Erfahrung. Wissenschaft befasst sich mit Phänomenen, Religion mit Ursprüngen, Werten und Zielen. Physische Phänomene mit Ursachen erklären zu wollen, kommt dem Eingeständnis gleich, nichts von letzten Realitäten zu wissen, und führt den Wissenschaftler am Ende nur wieder auf geradem Wege zur ersten großen Ursache zurück - zum Universalen Paradies-Vater. Der heftige Übergang von einem wundergläubigen Zeitalter zu einem Zeitalter der Maschinen hat die Menschen völlig aus dem Gleichgewicht geworfen. Gerade die Klugheit und Geschicklichkeit der falschen mechanistischen Philosophien sind es, die ihre mechanistischen Behauptungen Lügen strafen. Gerade die fatalistische Beweglichkeit des Denkens eines Materialisten widerlegt für immer seine Behauptungen, dass das Universum ein blindes und zielloses energetisches Phänomen sei. Der mechanistische Naturalismus einiger angeblich gebildeter Menschen und auch der unbesonnene Säkularismus des Durchschnittsmenschen beschäftigen sich ausschließlich mit Dingen; sie ermangeln aller wahren Werte, aller Belohnung und Befriedigung geistiger Natur und entbehren ebenso des Glaubens, der Hoffnung und ewiger Gewissheiten. Eine der Hauptschwierigkeiten des modernen Lebens ist, dass die Menschen denken, sie seien zu beschäftigt, um Zeit für geistiges Meditieren und religiöse Hingabe zu finden. Der Materialismus reduziert den Menschen auf einen seelenlosen Automaten und macht aus ihm bloß ein arithmetisches Symbol, das in der mathematischen Formel eines unromantischen und mechanistischen Universums einen hilflosen Platz einnimmt. Aber woher kommt denn dieses ganze weite Universum der Mathematik ohne einen Meister der Mathematik? Wissenschaft mag sich langatmig über die Erhaltung der Materie auslassen, aber Religion bestätigt die Erhaltung der menschlichen Seele - Religion handelt von der Erfahrung der Menschen mit geistigen Realitäten und ewigen Werten. Der materialistische Soziologe von heute beobachtet eine Gemeinschaft, schreibt über sie einen Bericht und lässt die Leute zurück, wie er sie gefunden hat. Vor neunzehn Jahrhunderten beobachteten ungebildete Galiläer, wie Jesus sein Leben als geistigen Beitrag an die innere Erfahrung des Menschen hingab, machten sich dann auf und stellten das ganze Römische Reich auf den Kopf. Aber religiöse Führer begehen einen gewaltigen Fehler, wenn sie versuchen, den modernen Menschen mit dem Trompetengeschmetter des Mittelalters zum geistigen Kampf aufzurufen. Die Religion muss sich neue und zeitgemäße Werbesprüche zulegen. Weder die Demokratie noch irgendein anderes politisches Patentrezept wird sich an die Stelle des geistigen Fortschritts setzen können. Falsche Religionen mögen eine Flucht vor der Realität darstellen, aber mit seinem Evangelium hat Jesus dem sterblichen Menschen wahrhaftig das Tor zu einer ewigen Realität geistigen Fortschritts geöffnet. Zu sagen, der Verstand sei aus der Materie "hervorgegangen", erklärt nichts. Wäre das Universum nur ein Mechanismus und unterschiede sich der Verstand nicht von der Materie, hätten wir nie zwei voneinander abweichende Interpretationen irgendeines beobachteten Phänomens. Die Konzepte von Wahrheit, Schönheit und Güte sind weder der Physik noch der Chemie inhärent. Eine Maschine kann nicht wissen und noch weniger die Wahrheit erkennen, nach Rechtschaffenheit hungern oder das Gute lieben. Die Wissenschaft mag physischer Natur sein, aber der Verstand des die Wahrheit erkennenden Wissenschaftlers ist sogleich übermateriell. Die Materie kennt die Wahrheit nicht, sie kann nicht Barmherzigkeit lieben, noch sich geistiger Realitäten erfreuen. Sittliche Überzeugungen, die sich auf geistige Erleuchtung gründen und in menschlicher Erfahrung wurzeln, sind ebenso wirklich und gewiss wie mathematische Rückschlüsse, die auf physischer Beobachtung beruhen, aber auf einer anderen und höheren Ebene. Wären die Menschen nur Maschinen, würden sie gegenüber einem materiellen Universum mehr oder weniger einheitlich reagieren. Individualität würde nicht existieren, und Persönlichkeit noch viel weniger. Die Tatsache des absoluten Mechanismus des Paradieses im Zentrum des Universums der Universen in Gegenwart des uneingeschränkten Willens des Zweiten Zentralen Ursprungs macht es für immer sicher, dass die vorausbestimmenden Faktoren nicht das ausschließliche Gesetz des Kosmos sind. Der Materialismus existiert, aber nicht ausschließlich; der Mechanismus existiert, aber nicht uneingeschränkt; der Determinismus existiert, aber er ist nicht allein. Das endliche Universum der Materie würde letztendlich gleichförmig und deterministisch werden, wäre da nicht die Anwesenheit von Verstand und Geist in ihrem Zusammenwirken. Der Einfluss des kosmischen Verstandes flößt sogar den materiellen Welten unablässig Spontaneität ein. Freiheit oder Initiative auf jedem Gebiet der Existenz ist direkt proportional zum Grad des geistigen Einflusses und der Kontrolle durch den kosmischen Verstand; das ist in der menschlichen Erfahrung der Grad, in dem man tatsächlich "des Vaters Willen" tut. Wenn ihr euch also einmal auf die Suche nach Gott macht, ist das der endgültige Beweis dafür, dass Gott euch schon gefunden hat. Das ehrliche Bemühen um Güte, Schönheit und Wahrheit führt zu Gott. Und jede wissenschaftliche Entdeckung beweist gleichzeitig die Existenz von Freiheit und Konstanz im Universum. Der Entdecker war frei, die Entdeckung zu machen. Die entdeckte Sache ist real und allem Anschein nach konstant, denn sonst hätte sie nicht als ein Ding erkannt werden können. ***** 195.7 Die Verwundbarkeit des Materialismus ***** Wie töricht ist doch der materiell denkende Mensch, wenn er so verwundbaren Theorien wie jenen von einem mechanistischen Universum erlaubt, ihn der großen geistigen Ressourcen persönlich erfahrener wahrer Religion zu berauben! Tatsachen geraten nie in Konflikt mit wahrem geistigen Glauben; Theorien schon eher. Es wäre besser, die Wissenschaft kümmerte sich um die Ausrottung des Aberglaubens, anstatt zu versuchen, den religiösen Glauben - den menschlichen Glauben an geistige Realitäten und göttliche Werte - zu zerstören. Die Wissenschaft sollte für den Menschen im Materiellen das tun, was die Religion für ihn im Geistigen tut: seinen Lebenshorizont und seine Persönlichkeit erweitern. Wahre Wissenschaft kann mit wahrer Religion keinen lange dauernden Streit haben. Die "wissenschaftliche Methode" ist lediglich ein intellektueller Maßstab, um damit materielle Abenteuer und physische Leistungen zu messen. Aber da sie materiell und völlig intellektuell ist, ist sie ganz und gar unbrauchbar zur Bewertung geistiger Realitäten und religiöser Erfahrungen. Dies ist die Widersprüchlichkeit des modernen Mechanisten: Wäre das Universum nur rein materiell und der Mensch lediglich eine Maschine, dann wäre ein solcher Mensch völlig außerstande, sich selber als eine derartige Maschine wahrzunehmen, und ebensowenig wäre sich ein solcher Maschinenmensch überhaupt der Tatsache der Existenz eines derartigen materiellen Universums bewusst. In ihrer materialistischen Bestürzung und Verzweiflung ist der mechanistischen Wissenschaft die Tatsache des geistbewohnten Verstandes des Wissenschaftlers entgangen, der ausgerechnet dank seiner übermateriellen Erkenntnis diese irrigen und in sich widersprüchlichen Vorstellungen von einem materialistischen Universum formuliert. Die Paradies-Werte von Ewigkeit und Unendlichkeit, von Wahrheit, Schönheit und Güte sind in den Tatsachen der Phänomene der Universen von Zeit und Raum verborgen. Aber es bedarf eines geistgeborenen Sterblichen, der mit den Augen des Glaubens schaut, um diese geistigen Werte wahrzunehmen und zu unterscheiden. Die Realitäten und Werte des geistigen Fortschritts sind keine "psychologische Projektion" - nur etwa ein glorifizierter Tagtraum des materiellen Verstandes. Solche Dinge sind die geistigen Vorhersagen des innewohnenden Justierers, des Geistes Gottes, der im Verstand des Menschen lebt. Und lasst eure oberflächliche Beschäftigung mit den flüchtig betrachteten Entdeckungen der "Relativität" nicht eure Vorstellungen von Gottes Unendlichkeit und Ewigkeit stören. Und macht bei all eurem Bemühen um den notwendigen Selbst-Ausdruck nicht den Fehler, nicht auch für den Justierer-Ausdruck zu sorgen, die Manifestation eures wirklichen und besseren Selbst. Wenn dieses Universum nur materiell wäre, wäre der materielle Mensch nie fähig, zur Vorstellung vom mechanistischen Charakter einer solchen rein materiellen Existenz zu gelangen. Gerade diese mechanistische Vorstellung vom Universum ist in sich selber ein nichtmaterielles Phänomen des Denkens, und alles Gedankliche ist nichtmateriellen Ursprungs, ganz gleichgültig, wie vollkommen materiebedingt und mechanisch kontrolliert es auch immer erscheinen mag. Der partiell entwickelte intellektuelle Mechanismus des sterblichen Menschen ist nicht übermäßig mit Folgerichtigkeit und Weisheit gesegnet. Oft eilt sein Dünkel seiner Vernunft voraus und geht seiner Logik geschickt aus dem Weg. Gerade der Pessimismus des pessimistischsten aller Materialisten ist an und für sich ein hinreichender Beweis dafür, dass das Universum des Pessimisten nicht vollständig materiell ist. Sowohl Optimismus wie Pessimismus sind vorstellungsmäßige Reaktionen eines Verstandes, der ein Bewusstsein von Werten ebenso wie von Tatsachen hat. Wenn das Universum wirklich das wäre, für was der Materialist es hält, würde dem Menschen als einer menschlichen Maschine jede bewusste Wahrnehmung eben dieser Tatsache abgehen. Ohne das Bewusstsein von der Vorstellung von Werten im geistgeborenen Verstand würden die Tatsache der materiellen Komponente des Universums und die mechanistischen Phänomene seines Funktionierens vom Menschen überhaupt nicht wahrgenommen. Eine Maschine kann sich der Natur oder des Wertes einer anderen Maschine nicht bewusst sein. Eine mechanistische Philosophie des Lebens und des Universums kann nicht wissenschaftlich sein, weil die Wissenschaft nur materielle Dinge und Tatsachen anerkennt und sich nur mit diesen abgibt. Die Philosophie ist unvermeidlich überwissenschaftlich. Der Mensch ist eine materielle Tatsache der Natur, aber sein Leben ist ein Phänomen, das die materiellen Ebenen der Natur insofern übersteigt, als es die kontrollierenden Merkmale des Verstandes und die kreativen Eigenschaften des Geistes zeigt. Das ehrliche Bemühen eines Menschen, ein Mechanist zu werden, stellt das tragische Schauspiel des aussichtslosen Unterfangens dieses Menschen dar, intellektuellen und moralischen Selbstmord zu begehen. Aber er schafft es nicht. Wäre das Universum nur materiell und der Mensch nur eine Maschine, gäbe es keine Wissenschaft, um den Wissenschaftler zu ermutigen, die mechanische Natur des Universums zu postulieren. Maschinen können weder messen, klassifizieren, noch ihren eigenen Wert abschätzen. Solch eine wissenschaftliche Arbeit könnte nur von einer Wesenheit vom Rang einer Übermaschine geleistet werden. Wenn die Universumsrealität nur eine gewaltige Maschine ist, dann muss der Mensch außerhalb des Universums und von ihm abgesondert sein, um eine solche Tatsache feststellen und sich der Erkenntnis einer solchen Bewertung bewusst werden zu können. Wenn der Mensch nur eine Maschine ist, durch welche Technik kommt dann dieser Mensch dazu, zu glauben oder zu behaupten zu wissen, dass er nur eine Maschine ist? Die Erfahrung einer bewussten Bewertung seiner selbst ist nie Merkmal einer bloßen Maschine. Ein bewusster und erklärter Mechanist ist die bestmögliche Antwort auf die mechanistische Vorstellung. Wäre der Materialismus eine Tatsache, könnte es keinen seiner selbst bewussten Mechanisten geben. Es ist auch wahr, dass man erst einmal eine sittliche Person sein muss, um unsittliche Handlungen begehen zu können. Der ganze Anspruch des Materialismus setzt ein übermaterielles Bewusstsein des Verstandes voraus, der sich anmaßt, solche Dogmen geltend zu machen. Ein Mechanismus könnte sich verschlechtern, aber niemals Fortschritte machen. Weder denken, schöpfen, träumen und streben Maschinen, noch idealisieren sie, hungern nach Wahrheit oder dürsten nach Rechtschaffenheit. Ihr Leben wird nicht durch die Leidenschaft motiviert, anderen Maschinen zu dienen und als Ziel ewigen Fortschritts die erhabene Aufgabe zu wählen, Gott zu finden und alles daran zu setzen, ihm zu gleichen. Maschinen sind nie intellektuell, emotional, ästhetisch, ethisch, sittlich oder geistig. Die Kunst beweist, dass der Mensch nicht mechanistisch ist, aber sie beweist nicht, dass er geistig betrachtet unsterblich ist. Kunst ist sterbliche Morontia, das Gebiet, das zwischen dem materiellen und dem geistigen Menschen liegt. Poesie stellt ein Bemühen dar, den materiellen Realitäten zu geistigen Werten hin zu entrinnen. In einer hohen Zivilisation humanisiert die Kunst die Wissenschaft, während sie ihrerseits durch wahre Religion vergeistigt wird - durch die Erkenntnis geistiger und ewiger Werte. Die Kunst stellt die menschliche und zeitlich-räumliche Bewertung der Realität dar. Die Religion ist das göttliche Umfangen kosmischer Werte und schließt ewigen Fortschritt in geistigem Aufstieg und geistiger Expansion ein. Die zeitliche Kunst ist nur dann gefährlich, wenn sie blind wird für die geistigen Maßstäbe der göttlichen Urbilder, welche von der Ewigkeit als zeitliche Schatten der Realität geworfen werden. Wahre Kunst ist die wirkungsvolle Handhabung der materiellen Dinge des Lebens; Religion ist die veredelnde Umwandlung der materiellen Tatsachen des Lebens, und sie hört nie auf in ihrer geistigen Bewertung der Kunst. Wie töricht anzunehmen, dass ein Automat eine Philosophie des Automatismus konzipieren könnte, und wie lächerlich die Idee, er vermöchte es, sich von anderen Mitautomaten eine solche Vorstellung zu machen! Jede wissenschaftliche Interpretation des materiellen Universums ist wertlos, es sei denn, sie zolle dem Wissenschaftler gebührende Anerkennung. Es gibt keine echte Würdigung der Kunst, es sei denn, sie zolle dem Künstler Anerkennung. Keine Beurteilung einer Sittenlehre ist lohnend, es sei denn, sie beziehe den Sittenlehrer mit ein. Keine philosophische Erkenntnis ist erbauend, wenn sie den Philosophen außer Acht lässt, und Religion kann nicht existieren ohne die reale Erfahrung des religiösen Menschen, der in dieser Erfahrung und durch sie versucht, Gott zu finden und ihn zu kennen. Ebenso ist das Universum der Universen bedeutungslos unter Ausschluss des ICH BIN, des unendlichen Gottes, der es schuf und es unaufhörlich lenkt. Die Mechanisten - Humanisten - neigen dazu, sich von den materiellen Strömungen forttragen zu lassen. Idealisten und Spiritualisten wagen es, ihre Ruder mit Intelligenz und Kraft zu betätigen, um den scheinbar rein materiellen Lauf der Energieströme zu verändern. Wissenschaft lebt durch die Mathematik des Verstandes; Musik drückt das Zeitmaß der Emotionen aus. Religion ist der geistige Rhythmus der Seele in zeitlich-räumlicher Harmonie mit dem höheren und ewigen, melodischen Pulsieren der Unendlichkeit. Die religiöse Erfahrung ist etwas im menschlichen Leben, was wahrhaft übermathematisch ist. In der Sprache stellt das Alphabet den materiellen Mechanismus dar, während die Worte, die den Sinn von tausend Gedanken, großen Ideen und edlen Idealen - von Liebe und Hass, von Feigheit und Mut - zum Ausdruck bringen, die Leistung des Verstandes darstellen; dieser betätigt sich innerhalb der von den materiellen und geistigen Gesetzen gezogenen Grenzen, wird vom sich geltend machenden Willen der Persönlichkeit geleitet und ist beschränkt durch die inhärenten Möglichkeiten einer gegebenen Situation. Das Universum gleicht nicht den Gesetzen, Mechanismen und Konstanten, die der Wissenschaftler entdeckt und schließlich als Wissenschaft betrachtet, sondern eher dem neugierigen, denkenden, wählenden, schöpferischen, kombinierenden und unterscheidenden Wissenschaftler, der die Phänomene des Universums in dieser Weise beobachtet und die mathematischen Fakten klassifiziert, die den mechanischen Phasen der materiellen Seite der Schöpfung innewohnen. Ebenso wenig gleicht das Universum der Kunst des Künstlers, sondern vielmehr dem ringenden, träumenden, strebenden und vorankommenden Künstler, der die Welt der materiellen Dinge in dem Bemühen, ein geistiges Ziel zu erreichen, zu transzendieren versucht. Der Wissenschaftler, und nicht die Wissenschaft, erkennt die Realität eines sich entwickelnden und fortschreitenden Universums aus Energie und Materie. Der Künstler, und nicht die Kunst, demonstriert die Existenz der morontiellen Übergangswelt, die zwischen materiellem Dasein und geistiger Freiheit liegt. Der religiöse Mensch, und nicht die Religion, beweist die Existenz der geistigen Realitäten und göttlichen Werte, denen man beim Fortschreiten in der Ewigkeit begegnen wird. ***** 195.8 Weltlicher Totalitarismus ***** Aber auch wenn Materialismus und mechanistisches Denken einmal mehr oder weniger überwunden sein werden, wird der verheerende Einfluss des Säkularismus des zwanzigsten Jahrhunderts noch die geistige Erfahrung von Millionen argloser Seelen zunichte machen. Der moderne Säkularismus ist von zwei weltweiten Einflüssen genährt worden. Der Vater der Verweltlichung war die engstirnige und gottlose Haltung der sogenannten Wissenschaft des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts - der atheistischen Wissenschaft. Die Mutter des modernen Säkularismus war die mittelalterliche totalitäre christliche Kirche. Der Säkularismus begann als wachsender Protest gegen die beinahe vollständige Beherrschung der westlichen Zivilisation durch die institutionalisierte christliche Kirche. Zur Zeit dieser Offenbarung ist das vorherrschende intellektuelle und philosophische Klima des europäischen und amerikanischen Lebens entschieden säkular - humanistisch. Im Laufe von drei Jahrhunderten hat sich das westliche Denken zunehmend verweltlicht. Aus der Religion wurde immer mehr ein äußerlicher Einfluss, eine weitgehend rituelle Übung. Die Mehrheit derjenigen, die sich in der westlichen Zivilisation Christen nennen, sind in Wirklichkeit, ohne es zu wissen, Säkularisten. Es bedurfte großer Kraft und eines mächtigen Einflusses, um Denken und Leben der westlichen Völker aus dem Würgegriff der totalitären kirchlichen Herrschaft zu befreien. Der Säkularismus sprengte die Ketten der kirchlichen Kontrolle, droht aber jetzt seinerseits, eine neue und gottlose Form der Herrschaft über die Herzen und Gedanken der modernen Menschen zu errichten. Der tyrannische und diktatorische politische Staat ist das direkte Resultat des wissenschaftlichen Materialismus und philosophischen Säkularismus. Kaum hat der Säkularismus den Menschen aus der Bevormundung durch die institutionalisierte Kirche befreit, als er ihn auch schon an die sklavische Hörigkeit gegenüber dem totalitären Staat verkauft. Der Säkularismus befreit den Menschen aus kirchlicher Knechtschaft nur, um ihn der Tyrannei politischer und wirtschaftlicher Knechtschaft auszuliefern. Der Materialismus verneint Gott, der Säkularismus ignoriert ihn einfach; wenigstens war das die frühere Haltung. In jüngerer Vergangenheit hat der Säkularismus eine militantere Haltung angenommen und sich angemaßt, sich an die Stelle der Religion zu setzen, deren totalitärer Verknechtung er einst Widerstand leistete. Der Säkularismus des zwanzigsten Jahrhunderts neigt zu der Auffassung, dass der Mensch Gott nicht braucht. Aber nehmt euch in Acht! Diese gottlose Philosophie der menschlichen Gesellschaft wird nur zu Unrast, Feindseligkeit, Unglück, Krieg und zu einer weltweiten Katastrophe führen. Der Säkularismus kann der Menschheit niemals Frieden bringen. Nichts kann den Platz Gottes in der menschlichen Gesellschaft einnehmen. Aber wohlgemerkt! Lasst die segensreichen Gewinne der weltlichen Revolte gegen den kirchlichen Totalitarismus nicht leichtfertig fallen! Als Ergebnis der weltlichen Revolte erfreut sich die westliche Zivilisation heute vieler Freiheiten und Befriedigungen. Dies war der große Irrtum des Säkularismus: Nachdem die Säkularisten sich gegen die fast vollständige Kontrolle des Lebens durch die religiöse Autorität aufgelehnt und die Befreiung von dieser kirchlichen Tyrannei erreicht hatten, gingen sie dazu über, Gott selber den Kampf anzusagen, manchmal stillschweigend, manchmal offen. Der säkularistischen Auflehnung verdankt ihr die erstaunliche Kreativität des amerikanischen Industrialismus und den nie dagewesenen materiellen Fortschritt der westlichen Zivilisation. Und weil die säkularistische Revolte zu weit ging und Gott und die wahre Religion aus den Augen verlor, folgte auch die unerwartete Ernte an Weltkriegen und internationaler Instabilität. Es ist nicht nötig, den Glauben an Gott zu opfern, um sich der Segnungen der modernen säkularistischen Revolte zu erfreuen wie: Toleranz, Sozialdienst, demokratische Regierung und bürgerliche Freiheiten. Es war nicht notwendig, dass die Säkularisten zu Widersachern der wahren Religion wurden, um die Wissenschaft zu fördern und die Erziehung voranzubringen. Aber der Säkularismus ist nicht der einzige Urheber all dieser kürzlichen Errungenschaften in der Entfaltung des Lebens. Hinter den Errungenschaften des zwanzigsten Jahrhunderts stehen nicht nur Wissenschaft und Säkularismus, sondern ebenfalls die unerkannten und uneingestandenen geistigen Auswirkungen des Lebens und der Lehre Jesu von Nazareth. Ohne Gott, ohne Religion kann der wissenschaftliche Säkularismus niemals seine Kräfte koordinieren, seine auseinanderstrebenden und rivalisierenden Interessen, Rassen und Nationalismen harmonisieren. Trotz ihrer unerhörten materialistischen Leistung zerfällt die verweltlichte menschliche Gesellschaft langsam. Die hauptsächliche zusammenhaltende Kraft, die sich diesem durch Antagonismen verursachten Zerfall widersetzt, ist der Nationalismus. Und der Nationalismus ist das Haupthindernis auf dem Weg zum Weltfrieden. Die dem Säkularismus innewohnende Schwäche ist, dass er Ethik und Religion zugunsten von Politik und Macht aufgibt. Ihr könnt die Bruderschaft der Menschen ganz einfach nicht errichten, solange ihr die Vaterschaft Gottes ignoriert oder verneint. Säkularer sozialer und politischer Optimismus ist eine Illusion. Ohne Gott werden weder Befreiung und Freiheit noch Besitz und Reichtum zum Frieden führen. Die vollständige Verweltlichung von Wissenschaft, Erziehung, Industrie und Gesellschaft kann nur zu einer Katastrophe führen. Während des ersten Drittels des zwanzigsten Jahrhunderts haben die Urantianer mehr menschliche Wesen umgebracht, als während der gesamten christlichen Dispensation bis dahin getötet worden waren. Und das ist nur der Beginn der entsetzlichen Ernte von Materialismus und Säkularismus; noch schrecklichere Zerstörung steht bevor. ***** 195.9 Das Problem des Christentums ***** Überseht nicht den Wert eures geistigen Erbes, den Strom der Wahrheit, der durch die Jahrhunderte herab sogar bis in die Öde eines materialistischen und säkularen Zeitalters fließt. Vergewissert euch bei all euren löblichen Anstrengungen, die abergläubischen Vorstellungen vergangener Zeitalter loszuwerden, dass ihr an der ewigen Wahrheit festhaltet. Aber seid geduldig! Wenn die gegenwärtige abergläubische Auflehnung einmal vorüber ist, werden die Wahrheiten des Evangeliums Jesu glorreich fortfahren, einen neuen und besseren Weg zu erhellen. Aber das paganisierte und sozialisierte Christentum braucht einen neuen Kontakt mit den unverfälschten Lehren Jesu; es siecht dahin mangels einer neuen Vision vom irdischen Leben des Meisters. Eine neue und umfassendere Offenbarung der Religion Jesu ist dazu bestimmt, ein Reich von materialistischem Säkularismus zu erobern und eine Weltherrschaft von mechanistischem Naturalismus zu stürzen. Urantia bebt jetzt am Rande einer seiner erstaunlichsten und fesselndsten Epochen gesellschaftlicher Neuausrichtung, sittlicher Wiederbelebung und geistiger Erleuchtung. Wenn auch in stark veränderter Form, so haben die Lehren Jesu die Mysterienkulte ihrer Entstehungszeit ebenso überlebt wie die Unwissenheit und den Aberglauben des Mittelalters und sind eben jetzt im Begriff, langsam über den Materialismus, Mechanismus und Säkularismus des zwanzigsten Jahrhunderts zu siegen. Und solche Zeiten großer Prüfungen und drohender Niederlage sind immer Zeiten großer Offenbarung. Die Religion braucht dringend neue Führer, geistige Männer und Frauen, die es wagen wollen, sich einzig und allein auf Jesus und seine unvergleichlichen Lehren zu verlassen. Wenn das Christentum fortfährt, seine geistige Sendung zu vernachlässigen und sich mit sozialen und materiellen Problemen abzugeben, muss die geistige Wiedergeburt das Kommen jener neuen Lehrer der Religion Jesu abwarten, die sich ausschließlich der geistigen Erneuerung der Menschen widmen werden. Und dann werden diese geistgeborenen Seelen rasch die für die gesellschaftliche, sittliche, wirtschaftliche und politische Umgestaltung der Welt erforderliche Führung und Inspiration bringen. Die Neuzeit wird sich weigern, eine Religion anzunehmen, die im Widerspruch zu den Tatsachen steht und sich nicht im Einklang mit ihren höchsten Vorstellungen von Wahrheit, Schönheit und Güte befindet. Die Stunde schlägt für eine Wiederentdeckung der wahren und ursprünglichen Fundamente des heutigen entstellten und kompromittierten Christentums - des wirklichen Lebens und Lehrens Jesu. Die primitiven Menschen lebten in abergläubischer Versklavung durch religiöse Furcht. Die modernen zivilisierten Menschen fürchten sich vor dem Gedanken, unter die Herrschaft starker religiöser Überzeugungen zu geraten. Der denkende Mensch hat sich immer davor gefürchtet, im Griff einer Religion zu sein. Wenn eine starke und packende Religion ihn zu beherrschen droht, versucht er stets, sie zu rationalisieren, traditionalisieren und institutionalisieren, in der Hoffnung, die Kontrolle über sie zu gewinnen. Durch ein solches Vorgehen wird sogar eine offenbarte Religion zu einem von Menschen beherrschten Menschenwerk. Moderne intelligente Männer und Frauen meiden die Religion Jesu aus Angst davor, was sie ihnen antun könnte - und was sie mit ihnen machen würde. Und solche Befürchtungen sind wohlbegründet. In der Tat beherrscht und verwandelt Jesu Religion ihre Gläubigen, indem sie von ihnen verlangt, ihr Leben dem Bemühen zu widmen, den Willen des Vaters im Himmel in Erfahrung zu bringen, und sie auffordert, ihre Lebensenergien dem selbstlosen Dienst an der Bruderschaft der Menschen zu verschreiben. Eigennützige Männer und Frauen sind ganz einfach nicht bereit, einen solchen Preis zu bezahlen, auch nicht für den größten geistigen Schatz, der je dem sterblichen Menschen angeboten wurde. Erst wenn die schmerzlichen Enttäuschungen, die sich bei der unbesonnenen und trügerischen Verfolgung selbstsüchtiger Ziele einstellen, den Menschen hinreichend ernüchtert haben, und nachdem er die Unfruchtbarkeit formalisierter Religion entdeckt hat, wird er bereit sein, sich von ganzem Herzen dem Evangelium vom Königreich, der Religion Jesu von Nazareth zuzuwenden. Die Welt braucht mehr Religion aus erster Hand. Selbst das Christentum - die beste der Religio-nen des zwanzigsten Jahrhunderts - ist nicht nur eine Religion über Jesus, sondern es ist weitgehend eine Religion, die die Menschen aus zweiter Hand erfahren. Sie nehmen ihre Religion ganz und gar so, wie sie ihnen von ihren anerkannten religiösen Lehrern weitergereicht wird. Welch ein Erwachen würde die Welt erleben, könnte sie nur Jesus sehen, wie er wirklich auf Erden lebte, und seine lebenspendenden Lehren aus erster Hand kennenlernen! Beschreibende Worte schöner Dinge vermögen nicht im selben Maße zu begeistern wie ihr Anblick selber, noch können bekenntnishafte Worte die menschliche Seele so inspirieren wie die Erfahrung, die Gegenwart Gottes zu kennen. Aber ein erwartungsvoller Glaube wird die Hoffnungstür der menschlichen Seele immer offen halten, um die ewigen geistigen Realitäten der göttlichen Werte der jenseitigen Welten einzulassen. Das Christentum hat gewagt, seine Ideale angesichts der Herausforderung durch menschliche Habgier, Kriegswahnsinn und Machtversessenheit herabzusetzen; aber die Religion Jesu steht da als makellose und transzendente geistige Aufforderung, die sich an das Beste im Menschen wendet, auf dass er sich über dieses ganze Erbe animalischer Entwicklung erhebe und durch Gnade die sittlichen Höhen wahrer menschlicher Bestimmung erreiche. Formalismus, Überorganisation, Überbetonung des Intellekts und andere ungeistige Tendenzen bedrohen das Christentum mit einem langsamen Tod. Die moderne christliche Kirche gleicht nicht jener Bruderschaft von dynamischen Gläubigen, der Jesus auftrug, ohne Unterlass für die geistige Umwandlung aufeinander folgender Menschheitsgenerationen zu wirken. Das sogenannte Christentum ist ebenso sehr zu einer sozialen und kulturellen Bewegung wie zu einem religiösen Glauben und einer religiösen Praxis geworden. Manch ein alter heidnischer Sumpf und manch ein barbarischer Morast entleert sich in den Strom des modernen Christentums; neben dem galiläischen Hochland, das vermeintlich seine einzige Quelle ist, schicken viele alte kulturelle Einzugsgebiete ihre Wasser in den kulturellen Strom von heute. ***** 195.10 Die Zukunft ***** Das Christentum hat dieser Welt in der Tat einen großen Dienst erwiesen, aber was ihr jetzt am meisten Not tut, ist Jesus. Die Welt hat es nötig, Jesus von neuem auf Erden leben zu sehen in der Erfahrung geistgeborener Sterblicher, die den Meister allen Menschen wirksam offenbaren. Es ist sinnlos, von einer Wiederbelebung des frühen Christentums zu sprechen: ihr müsst von dort ausgehen, wo ihr euch befindet. Die moderne Kultur muss durch eine neue Offenbarung von Jesu Leben eine geistige Taufe empfangen und erhellt werden durch ein neues Verständnis seines Evangeliums vom ewigen Heil. Und wenn Jesus auf diese Weise zu neuem Leben ersteht, wird er alle Menschen an sich ziehen. Jesu Jünger sollten mehr sein als Eroberer, nämlich überfließende Quellen der Inspiration und Beispiele eines höheren Daseins für alle Menschen. Religion ist nur ein gesteigerter Humanismus, solange sie nicht göttlich wird durch die Entdeckung der Realität von Gottes Gegenwart in der persönlichen Erfahrung. Die Schönheit und Erhabenheit, die Menschlichkeit und Göttlichkeit, die Einfachheit und Einmaligkeit von Jesu Erdenleben bieten ein so eindrucksvolles und ansprechendes Bild von Menschenheil und Gottesoffenbarung, dass Theologen und Philosophen aller Zeiten wirklich davon abgehalten werden sollten, es zu wagen, aus einer derart transzendenten Selbsthingabe Gottes in Menschengestalt Glaubenssätze zu entwickeln oder auf ihr theologische Systeme geistiger Versklavung zu errichten. In Jesus brachte das Universum einen sterblichen Menschen hervor, in dem der Geist der Liebe die materiellen Hindernisse der Zeit überwand und über die Tatsache des physischen Ursprungs siegte. Denkt immer daran: Gott und die Menschen brauchen einander. Sie sind einander unentbehrlich zur vollständigen und endgültigen Erfüllung der ewigen Persönlichkeitserfahrung in der göttlichen Bestimmung der Universumsfinalität. "Das Reich Gottes ist in euch" war wahrscheinlich der größte Ausspruch, den Jesus je gemacht hat, neben der Erklärung, dass sein Vater ein lebendiger und liebender Geist sei. Bei der Gewinnung von Seelen für den Meister ist es nicht die erste unter Zwang, in Pflichterfüllung oder aus Konvention durchlaufene Meile, die den Menschen und seine Welt verwandeln wird, sondern vielmehr die zweite Meile uneingeschränkten Dienens und freiheitsliebender Hingabe. Sie bedeutet, dass man wie Jesus seinem Bruder in Liebe die Hand reicht und ihn unter geistiger Anleitung dem höheren und göttlichen Ziel der sterblichen Existenz zuführt. Das Christentum geht auch heute bereitwillig die erste Meile, aber die Menschheit schmachtet und stolpert in sittlicher Finsternis dahin, weil es so wenig Authentische der zweiten Meile gibt - so wenig erklärte Nachfolger Jesu, die wirklich so leben und lieben, wie er seine Jünger zu leben und zu lieben und zu dienen lehrte. Der Aufruf zu dem Abenteuer, mittels des geistigen Neuerstehens von Jesu Bruderschaft des Königreichs an einer neuen und verwandelten menschlichen Gesellschaft zu bauen, sollte alle, die an ihn glauben, so begeistern, wie sich die Menschen seit den Tagen nicht mehr hinreißen ließen, als sie als seine leiblichen Gefährten auf der Erde umhergingen. Kein gesellschaftliches System oder politisches Regime, das die Realität Gottes leugnet, kann in irgendeiner konstruktiven und dauernden Weise zum Fortschritt der menschlichen Zivilisation beitragen. Aber das heutige zersplitterte und säkularisierte Christentum stellt das größte einzelne Hindernis für ihren weiteren Fortschritt dar; das trifft insbesondere für den Orient zu. Kirchentum ist ein für allemal unvereinbar mit jenem lebendigen Glauben, jenem wachsenden Geist und jenem Erleben aus erster Hand der Glaubensgefährten Jesu, die in der geistigen Gemeinschaft des Königreichs des Himmels brüderlich vereint sind. Der löbliche Wunsch, einst Vollbrachtes als Tradition zu bewahren, führt oft zur Verteidigung überlebter Formen von Gottesverehrung. Der gut gemeinte Wunsch, alte Gedankensysteme wach zu halten, verhindert wirksam die Förderung von neuen und passenden Mitteln und Methoden, welche die geistigen Sehnsüchte der sich erweiternden und fortschreitenden Mentalität der modernen Menschen befriedigen könnten. Desgleichen stehen die christlichen Kirchen des zwanzigsten Jahrhunderts dem unmittelbaren Fortschritt des wahren Evangeliums - den Lehren Jesu von Nazareth - als großes, aber völlig unbewusstes Hindernis im Wege. Viele aufrichtige Menschen, die dem Christus des Evangeliums mit Freuden Treue geloben würden, finden es sehr schwierig, enthusiastisch eine Kirche zu unterstützen, die so wenig vom Geist seines Lebens und Lehrens zeigt, und von der man ihnen irrtümlicherweise gesagt hat, sie sei von ihm gegründet worden. Jesus hat die sogenannte christliche Kirche nicht gegründet, aber er hat sie in jeder mit seiner Natur zu vereinbarenden Weise gefördert als beste bestehende Repräsentantin seines Lebenswerks auf Erden. Wenn die christliche Kirche es nur wagen wollte, des Meisters Programm zu übernehmen, würden Tausende von scheinbar gleichgültigen jungen Menschen vorwärts stürmen, um sich an einem solchen geistigen Unternehmen zu beteiligen, und würden nicht zögern, voll und ganz in dieses große Abenteuer einzusteigen. Das Christentum sieht sich ernsthaft konfrontiert mit dem Urteilsspruch, das in einem seiner eigenen Schlagworte enthalten ist: "Ein Haus, das mit sich selbst uneins ist, kann keinen Bestand haben." Die nichtchristliche Welt wird kaum vor einem in Sekten aufgespaltenen Christentum kapitulieren. Der lebendige Jesus ist die einzige Hoffnung für eine mögliche Vereinigung des Christentums. Die wahre Kirche - die Bruderschaft Jesu - ist unsichtbar, geistig, und ihr Charakteristikum ist Einheit und nicht notwendigerweise Einheitlichkeit. Einheitlichkeit ist das Kennzeichen der physischen Welt mechanistischer Natur. Geistige Einheit ist das Ergebnis der Vereinigung im Glauben mit dem lebendigen Jesus. Die sichtbare Kirche sollte es sich verwehren, noch länger den Fortschritt der unsichtbaren und geistigen Bruderschaft des Königreichs Gottes zu behindern. Und diese Bruderschaft ist dazu bestimmt, im Gegensatz zu einer institutionalisierten, sozialen Organisation ein lebendiger Organismus zu werden. Sie kann ohne weiteres solche Organisationen benutzen, aber sie darf von ihnen nicht verdrängt werden. Aber auch das Christentum des zwanzigsten Jahrhunderts darf nicht verachtet werden. Es ist das gemeinsame Produkt des sittlichen Genius von Gott kennenden Menschen vieler Rassen und Zeitalter, und es ist tatsächlich eine der größten Triebkräfte für das Gute auf Erden gewesen. Und deshalb sollte niemand es gering achten, trotz seiner ihm innewohnenden und erworbenen Mängel. Das Christentum vermag in nachdenklichen Menschen immer noch mächtige sittliche Gefühle auszulösen. Aber es gibt keine Entschuldigung für die Verstrickung der Kirche mit Kommerz und Politik; solche unheiligen Allianzen sind ein ungeheuerlicher Verrat am Meister. Und die echten Wahrheitsliebenden werden nicht so bald vergessen, dass diese mächtige institutionalisierte Kirche es oft gewagt hat, neu aufkeimenden Glauben zu ersticken und Wahrheitsbringer zu verfolgen, die etwa in eher unorthodoxer Gewandung auftraten. Es ist leider nur zu wahr, dass eine derartige Kirche nicht überlebt hätte, wenn es auf der Welt nicht Menschen gegeben hätte, die eine solche Art der Anbetung vorzogen. Viele geistig träge Seelen sehnen sich nach einer alten und autoritären Religion mit rituellen und geheiligten Traditionen. Menschliche Evolution und geistiger Fortschritt genügen kaum, um alle Menschen in die Lage zu versetzen, auf religiöse Autorität zu verzichten. Die unsichtbare Bruderschaft des Königreichs kann diese aus sozial und veranlagungsmäßig unterschiedlichen Schichten bestehenden Familiengruppen sehr wohl mit einschließen, wenn diese nur gewillt sind, wahrhaftig vom Geist geleitete Söhne Gottes zu werden. Aber in der Bruderschaft Jesu ist kein Platz für sektiererische Rivalität, Gruppenhader und Ansprüche auf moralische Überlegenheit und geistige Unfehlbarkeit. Die verschiedenen Gruppierungen von Christen mögen dazu dienen, zahlreichen unterschiedlichen Typen von angehenden Gläubigen in den vielerlei Völkern der westlichen Zivilisation entgegenzukommen, aber eine solche Zersplitterung der Christenheit stellt eine bedenkliche Schwäche dar, wenn sie versucht, den orientalischen Völkern Jesu Evangelium zu bringen. Diese Rassen verstehen noch nicht, dass es im Christentum, das mehr und mehr zu einer Religion über Jesus geworden ist, getrennt und einigermaßen unabhängig davon, eine Religion von Jesus gibt. Die große Hoffnung Urantias liegt in der Möglichkeit einer neuen Offenbarung Jesu mit einer neuen und erweiterten Darlegung seiner rettenden Botschaft, die die zahlreichen Familien seiner heutigen erklärten Anhänger geistig in liebendem Dienen zusammenführen würde. Auch die weltliche Erziehung könnte bei dieser großen geistigen Renaissance mitwirken, wenn sie ihre Aufmerksamkeit vermehrt der Aufgabe widmen würde, die Jugend in Lebensplanung und Charakterentwicklung zu unterweisen. Sinn und Zweck aller Erziehung sollte es sein, sorgfältig auf das höchste Lebensziel hinzuarbeiten: auf die Entwicklung einer würdevollen und ausgeglichenen Persönlichkeit. Es ist dringend nötig, sittliche Disziplin anstelle von so viel egoistischer Befriedigung zu lehren. Auf einem solchen Fundament kann die Religion mit ihrem geistigen Ansporn zur Erweiterung und Bereicherung des sterblichen Lebens beitragen, ja sogar zur Erlangung der Gewissheit und Höhe ewigen Lebens. Das Christentum ist eine improvisierte Religion, und deshalb muss es im ersten Gang arbeiten. Geistige Schnellgangleistungen müssen auf die neue Offenbarung der wahren Religion Jesu und auf ihre allgemeinere Akzeptierung warten. Aber das Christentum ist eine mächtige Religion, wenn man sich vor Augen hält, dass die aus dem einfachen Volk stammenden Jünger eines gekreuzigten Zimmermanns jene Lehren in Umlauf brachten, die innerhalb von dreihundert Jahren die römische Welt eroberten und dann über die Barbaren siegten, welche Rom stürzten. Dasselbe Christentum eroberte - absorbierte und veredelte - den ganzen Strom hebräischer Theologie und griechischer Philosophie. Und dann, nachdem die christliche Religion infolge einer Überdosis an Mysterien und Heidentum mehr als tausend Jahre lang ins Koma gefallen war, auferweckte sie sich selber und eroberte praktisch die ganze westliche Welt zurück. Das Christentum enthält genug von Jesu Lehren, um es unsterblich zu machen. Könnte das Christentum nur mehr von Jesu Lehren erfassen! Es könnte dann so viel mehr tun, um dem modernen Menschen bei der Lösung seiner neuen und immer komplexeren Probleme behilflich zu sein. Das Christentum leidet unter einer großen Behinderung, weil es in den Augen der ganzen Welt mit einem Teil des Gesellschaftssystems, des industriellen Lebens und der sittlichen Maßstäbe der westlichen Zivilisation identifiziert wird; und so hat das Christentum unwissentlich den Anschein erweckt, als unterstütze es eine Gesellschaft, die unter der Schuld ins Wanken gerät, Wissenschaft ohne Idealismus zu dulden, Politik ohne Prinzipien, Reichtum ohne Arbeit, Vergnügen ohne Hemmung, Wissen ohne Charakter, Macht ohne Gewissen und Industrie ohne Moral. Die Hoffnung für das moderne Christentum liegt darin, dass es aufhört, die Gesellschaftssysteme und die Industriepolitik der westlichen Zivilisation zu unterstützen, und dass es sich wieder demütig vor dem Kreuz verneigt, welches es so streitbar preist, um dort von Jesus von Nazareth wieder die größten Wahrheiten zu vernehmen, die ein sterblicher Mensch überhaupt hören kann - das lebendige Evangelium von der Vaterschaft Gottes und von der Bruderschaft der Menschen. ****** Kapitel 196 Jesu Glaube ****** JESUS besaß einen sublimen und aus ganzem Herzen kommenden Glauben an Gott. Er erfuhr die gewöhnlichen Höhen und Tiefen der sterblichen Existenz, aber was seine Religion betraf, zog er nie die Gewissheit in Zweifel, von Gott behütet und geführt zu werden. Sein Glaube wuchs aus einer Erkenntnis, die der Aktivität der göttlichen Gegenwart entsprang, seinem ihm innewohnenden Justierer. Sein Glaube war weder traditionell noch lediglich intellektuell; er war ganz und gar persönlich und rein geistig. Aus der Sicht des menschlichen Jesus war Gott sowohl heilig, gerecht und groß als auch wahr, schön und gut. All diese Attribute der Göttlichkeit konzentrierte er in seinem Denken im "Willen des Vaters im Himmel". Jesu Gott war zugleich "Der Heilige Israels" und "Der lebendige und liebende Vater im Himmel". Die Vorstellung von Gott als einem Vater stammte nicht von Jesus, aber er belebte und steigerte die Idee zu einer sublimen Erfahrung, indem er Gott neu offenbarte und verkündete, dass jedes sterbliche Geschöpf ein Kind dieses Vaters der Liebe, ein Sohn Gottes ist. Jesus klammerte sich an den Gottesglauben nicht nach Art einer ringenden Seele, die sich im Krieg mit dem Universum und in tödlichem Kampf mit einer feindseligen und sündigen Welt befindet; er nahm nicht zum Glauben Zuflucht, nur um inmitten von Schwierigkeiten Trost und in drohender Verzweiflung neuen Mut zu finden; der Glaube war nicht einfach eine trügerische Kompensation für die unerfreulichen Realitäten und die Kümmernisse des Lebens. Konfrontiert mit all den natürlichen Schwierigkeiten und den irdischen Widersprüchen der sterblichen Existenz erfuhr er die Seelenruhe höchsten und unbedingten Gottvertrauens und fühlte die mächtige Anregung, durch den Glauben ganz unmittelbar in der Gegenwart des himmlischen Vaters zu leben. Und dieser triumphierende Glaube war die lebendige Erfahrung einer wirklichen geistigen Vollbringung. Der große Beitrag Jesu zu den Werten menschlicher Erfahrung war nicht, dass er so viele neue Ideen über den Vater im Himmel offenbarte, sondern auf so wunderbare und menschliche Weise eine neue und höhere Art lebendigen Glaubens an Gott vorlebte. Auf keiner aller Welten dieses Universums noch im Leben irgendeines Sterblichen wurde Gott jemals eine derart lebendige Realität wie in der menschlichen Erfahrung Jesu von Nazareth. Im Leben des Meisters auf Urantia entdecken diese und alle anderen Welten der lokalen Schöpfung einen neuen und höheren Typus von Religion, einer Religion, die auf der persönlichen geistigen Beziehung mit dem Universalen Vater beruht und ihre Gültigkeit einzig und allein von der höchsten Autorität authentischer persönlicher Erfahrung ableitet. Dieser lebendige Glaube Jesu war mehr als intellektuelles Nachdenken, und er war kein mystisches Meditieren. Die Theologie mag den Glauben fixieren, formulieren, definieren und dogmatisieren, aber im menschlichen Leben Jesu war der Glaube persönlich, lebendig, ursprünglich, spontan und rein geistig. Dieser Glaube war weder eine Verneigung vor der Tradition noch ein rein intellektueller Glaube, den er als heiliges Kredo betrachtete, sondern vielmehr eine sublime Erfahrung und tiefe Überzeugung, die ihn sicher trug. Sein Glaube war so wirklich und allumfassend, dass er irgendwelche geistigen Zweifel total hinwegfegte und jeden zuwiderlaufenden Wunsch wirksam vernichtete. Nichts vermochte ihn von der geistigen Verankerung in diesem glühenden, sublimen und unerschrockenen Glauben loszureißen. Selbst angesichts einer offenbaren Niederlage oder mitten in Enttäuschung und drohender Verzweiflung stand er ruhig in der göttlichen Gegenwart, frei von Furcht und im vollen Bewusstsein geistiger Unbesiegbarkeit. Jesus besaß die stärkende Gewissheit, einen unerschütterlichen Glauben zu haben, und unfehlbar bewies er in jeder kritischen Lebenssituation dem Willen des Vaters bedingungslose Treue. Und dieser großartige Glaube schreckte nicht einmal vor der grausamen und niederschmetternden Drohung eines schimpflichen Todes zurück. Bei einem religiösen Genie führt ein starker geistiger Glaube häufig direkt zu unheilvollem Fanatismus, zu einer Überbetonung des religiösen Egos, aber das war bei Jesus nicht der Fall. Sein außerordentlicher Glaube und sein im Geistigen Vollbrachtes wirkten sich in seinem praktischen Leben nicht ungünstig aus, weil seine geistige Inbrunst ein gänzlich unbewusster und spontaner seelischer Ausdruck seiner persönlichen Erfahrung mit Gott war. Der alles verzehrende und unbeugsame geistige Glaube Jesu wurde nie fanatisch, weil er nie versuchte, mit seinem ausgewogenen intellektuellen Urteil durchzugehen, wenn es um die verhältnismäßige Bewertung praktischer und alltäglicher sozialer, wirtschaftlicher und sittlicher Lebenssituationen ging. Der Menschensohn war eine hervorragend in sich geeinte menschliche Persönlichkeit; er war ein vollkommen begabtes göttliches Wesen; er war auch wunderbar koordiniert als ein vereinigtes göttlich-menschliches Wesen, das auf Erden in einer einzigen Persönlichkeit funktionierte. Immer brachte der Meister den Glauben der Seele in Einklang mit dem Urteil der Weisheit, das gereifter Erfahrung entstammte. Persönlicher Glaube, geistige Hoffnung und sittliche Hingabe waren immer untereinander abgestimmt in unvergleichlicher religiöser Einheit und harmonischer Verbindung mit der klaren Erkenntnis der Realität und Heiligkeit aller menschlichen Loyalitäten - persönliche Ehre, Liebe zur Familie, religiöse Pflichten, soziale Aufgaben und wirtschaftliche Notwendigkeiten. Aus der Sicht des glaubenden Jesus befanden sich alle geistigen Werte im Reich Gottes; deshalb sagte er: "Sucht zuerst das Königreich des Himmels." Jesus sah in der fortgeschrittenen und idealen Brüderlichkeit des Königreichs die Erfüllung und Vollendung des "Willens Gottes". Das Herzstück des Gebetes, das er seine Jünger lehrte, war: "Dein Königreich komme; dein Wille geschehe." Nachdem er zu der Auffassung gelangt war, das Königreich habe den Willen Gottes zum Inhalt, widmete er sich der Sache seiner Verwirklichung in erstaunlicher Selbstvergessenheit und mit grenzenlosem Enthusiasmus. Aber nie während seiner so intensiven Sendung und während seines außergewöhnlichen Lebens konnte an ihm die Heftigkeit eines Fanatikers oder die oberflächliche Hohlheit eines religiösen Egotisten wahrgenommen werden. Das ganze Leben des Meisters wurde konsequent von diesem lebendigen Glauben, von dieser sublimen religiösen Erfahrung bestimmt. Diese geistige Haltung beherrschte all sein Denken und Fühlen, sein Glauben und Beten, sein Lehren und Predigen. Dieses persönliche Vertrauen eines Sohnes in die Gewissheit und Sicherheit der Führung und des Schutzes des himmlischen Vaters verlieh seinem einzigartigen Leben tiefe geistige Wirklichkeit. Und doch, trotz seines tiefen Bewusstseins enger Verbundenheit mit der Göttlichkeit gab dieser Galiläer, Galiläer Gottes, als er mit "Guter Lehrer" angesprochen wurde, umgehend zur Antwort: "Warum nennst du mich gut?" Wenn wir uns soviel großartiger Selbstvergessenheit gegenüber sehen, beginnen wir zu begreifen, dass es dem Universalen Vater möglich war, sich ihm so vollständig zu erkennen zu geben und sich durch ihn den Sterblichen der Welten zu offenbaren. Jesus brachte Gott als ein Mensch dieser Welt das größte aller Opfer: Er widmete und weihte seinen eigenen Willen der erhabenen Aufgabe, den göttlichen Willen auszuführen. Jesus deutete Religion stets und durchweg als den Willen des Vaters. Wenn ihr euch in den Lebenslauf des Meisters vertieft, um etwas über das Gebet oder irgendwelche anderen Merkmale des religiösen Lebens zu erfahren, dann sucht nicht so sehr nach dem, was er lehrte, als nach dem, was er tat. Jesus betete nie aus religiöser Pflicht. Das Gebet war für ihn aufrichtiger Ausdruck seiner Geisteshaltung, eine Treueerklärung der Seele, das Aussprechen persönlicher Hingabe, Ausdruck des Dankes, Vermeiden von emotionaler Spannung, Konfliktvorbeugung, gesteigerte Verstandestätigkeit, Veredelung des Begehrens, Rechtfertigung sittlicher Entscheidungen, Bereicherung des Denkens, Stärkung höherer Neigungen, Weihung aller Impulse, Klärung des Standpunktes, Glaubenserklärung, transzendentales Aufgeben des Willens, sublime Vertrauenserklärung, Offenbarung von Mut, Ausdruck von Entdeckerfreude, Bekenntnis höchster Hingabe, Bestätigung der Weihung, eine Methode zum Ausgleichen von Schwierigkeiten, und die mächtige Mobilisierung der vereinten Seelenkräfte, um allen menschlichen Neigungen zu Eigensucht, Üblem und Sünde zu widerstehen. Und genau ein solches Leben betender Hingabe an die Ausführung des Willens seines Vaters lebte er, und er beschloss es siegreich gerade mit solch einem Gebet. Das Geheimnis seines unvergleichlichen religiösen Lebens war dieses Bewusstsein von der Gegenwart Gottes; und er gelangte dahin durch intelligentes Beten und aufrichtige Anbetung - ununterbrochene Verbindung mit Gott - und nicht durch Direktiven, Stimmen, Visionen oder ausgefallene religiöse Praktiken. Im irdischen Leben Jesu war die Religion eine lebendige Erfahrung, ein direktes persönliches Übergehen von geistiger Verehrung zu praktischer Rechtschaffenheit. Jesu Glaube brachte die transzendenten Früchte des göttlichen Geistes hervor. Sein Glaube war nicht unreif und leichtgläubig wie der eines Kindes, aber in mancher Hinsicht glich er dem arglosen Vertrauen des kindlichen Gemüts. Jesus vertraute Gott so stark wie ein Kind seinen Eltern. Sein tiefes Vertrauen in das Universum war genau wie das Geborgenheitsgefühl eines Kindes in seiner elterlichen Umgebung. Der von ganzem Herzen kommende Glaube Jesu an die grundlegende Güte des Universums glich sehr stark dem Vertrauen eines Kindes in die Sicherheit seines irdischen Umfeldes. Er verließ sich auf seinen himmlischen Vater wie ein Kind, das sich auf seine irdischen Eltern stützt, und sein glühender Glaube zog auch nicht für einen Augenblick die Gewissheit in Zweifel, dass der himmlische Vater über ihn wachte. Er war nie ernstlich durch Ängste, Zweifel oder Skeptizismus beunruhigt. Kein Unglaube hinderte ihn daran, sich frei und ursprünglich auszudrücken. Er verband den beherzten und intelligenten Mut eines reifen Mannes mit dem aufrichtigen und vertrauensvollen Optimismus eines gläubigen Kindes. Sein Glaube erklomm derartige Höhen des Vertrauens, dass er frei von Furcht war. Jesu Glaube erreichte die Reinheit des Vertrauens eines Kindes. Sein Glaube war so absolut und so frei von Zweifeln, dass er ebenso auf den Reiz des Umgangs mit seinen Mitmenschen wie auf die Wunder des Universums ansprach. Sein Gefühl, vom Göttlichen abzuhängen, war so vollkommen und vertrauensvoll, dass es ihm die Freude und Gewissheit absoluter persönlicher Sicherheit verschaffte. Es gab in seiner religiösen Erfahrung kein Zaudern, keine Verstellung. In dem riesigen Intellekt dieses voll erwachsenen Menschen herrschte der Glaube eines Kindes unumschränkt in allem vor, was das religiöse Bewusstsein betraf. Es ist nicht verwunderlich, dass er einmal sagte: "Wenn ihr nicht werdet wie ein kleines Kind, werdet ihr nicht in das Königreich eintreten." Obwohl Jesu Glaube kindlich war, war er doch in keiner Weise kindisch. Jesus verlangt von seinen Jüngern nicht, an ihn zu glauben, sondern mit ihm zu glauben, zu glauben an die Realität der Liebe Gottes, und sich in der Gewissheit, Söhne des himmlischen Vaters zu sein, vertrauensvoll aufgehoben zu fühlen. Der Meister wünscht, dass alle, die ihm nachfolgen, ganz seinen transzendenten Glauben mit ihm teilen. Jesus forderte seine Anhänger in höchst bewegender Weise heraus, nicht nur zu glauben, was er glaubte, sondern auch zu glauben, wie er glaubte. Das ist die volle Bedeutung seiner einen, allerhöchsten Aufforderung: "Folge mir." Jesu Erdenleben war einem einzigen großen Ziel gewidmet - den Willen des Vaters zu tun, das menschliche Leben religiös und im Glauben zu leben. Jesu Glaube war so vertrauensvoll wie der eines Kindes, aber er war vollkommen frei von jeder Anmaßung. Jesus traf harte und männliche Entscheidungen, blickte mutig mancherlei Enttäuschungen ins Gesicht, überwand entschlossen außerordentliche Schwierigkeiten und stellte sich unerschrocken den harten Forderungen der Pflicht. Es bedurfte eines starken Willens und unerschütterlichen Vertrauens, um zu glauben, was Jesus glaubte und wie er es glaubte. ***** 196.1 Jesus - der Mensch ***** Jesu Hingabe an des Vaters Willen und den Dienst am Menschen war mehr noch als eines Sterblichen Entscheidung und menschliche Entschlossenheit; es war eine aus ganzem Herzen kommende Hingabe seiner selbst an solch ein rückhaltloses Schenken von Liebe. Wie groß die Tatsache der Souveränität Michaels auch immer sein mag, ihr dürft den Menschen den menschlichen Jesus nicht wegnehmen. Der Meister ist sowohl als Mensch wie auch als Gott zum Himmel aufgestiegen; er gehört den Menschen; die Menschen gehören ihm. Welch ein Unglück, wenn durch falsche Auslegung der Religion den ringenden Sterblichen der menschliche Jesus weggenommen wird! Lasst die Auseinandersetzungen um Menschlichkeit oder Göttlichkeit Christi nicht die rettende Wahrheit verfinstern, dass Jesus von Nazareth ein religiöser Mensch war, der es durch seinen Glauben dahin brachte, den Willen Gottes zu erkennen und auszuführen; er war der im wahrhaftigsten Sinne religiöse Mensch, der je auf Urantia gelebt hat. Die Zeit ist reif, um, bildlich gesprochen, Zeuge zu werden der Auferstehung des menschlichen Jesus aus seiner Totengruft der theologischen Traditionen und religiösen Dogmen von neunzehn Jahrhunderten. Jesus von Nazareth darf nicht länger der, wenn auch großartigen, Vorstellung vom glorifizierten Christus geopfert werden. Welch ein transzendenter Dienst, könnte dank dieser Offenbarung der Menschensohn dem Grabe traditioneller Theologie entrissen und der Kirche, die seinen Namen trägt, und allen anderen Religionen als der lebendige Jesus vorgestellt werden! Bestimmt wird die Gemeinschaft christlicher Gläubiger nicht zögern, ihren Glauben und ihre Lebensgewohnheiten in einer Weise neu auszurichten, die sie dazu befähigen wird, dem Meister "nachzufolgen", indem sie sein wahres Leben religiöser Hingabe an die Ausführung des väterlichen Willens und an das Aufgehen im selbstlosen Dienst an den Menschen selber vorlebt. Fürchten sich erklärte Christen vor der Entlarvung einer sich selbst genügenden und nicht geweihten Gemeinschaft gesellschaftlicher Respektabilität und egoistischer wirtschaftlicher Fehlanpassung? Befürchtet das Christentum als Institution die mögliche Gefährdung oder sogar den Sturz traditioneller kirchlicher Autorität, wenn Jesus von Galiläa wiederum im Denken und in der Seele der sterblichen Menschen als Ideal persönlichen religiösen Lebens auflebt? In der Tat wären die gesellschaftlichen Neuausrichtungen, wirtschaftlichen Umwandlungen, sittlichen Verjüngungen und religiösen Revisionen der christlichen Zivilisation durchgreifend und revolutio-när, sollte Jesu lebendige Religion plötzlich die theologische Religion über Jesus verdrängen. "Jesus folgen" heißt, persönlich seinen religiösen Glauben zu teilen und sich den Geist des vom Meister gelebten selbstlosen Dienens am Menschen zu eigen zu machen. Eines der wichtigsten Dinge im menschlichen Leben ist es herauszufinden, was Jesus glaubte, seine Ideale zu entdecken und nach Erreichen seines hohen Lebensziels zu streben. Von allem menschlichen Wissen hat die Kenntnis des religiösen Lebens Jesu und der Art, wie er es lebte, den größten Wert. Das einfache Volk hörte Jesus mit Freude zu, und es wird erneut ansprechen auf die Präsentation seines aufrichtigen menschlichen Lebens religiös motivierter Hingabe, wenn der Welt wiederum solche Wahrheiten verkündet werden. Die Menschen hörten ihm gerne zu, weil er einer von ihnen war, ein unprätentiöser Laie; der Welt größter religiöser Lehrer war in der Tat ein Laie. Es sollte nicht das Ziel der an das Königreich Glaubenden sein, das äußere Erdenleben Jesu buchstäblich nachzuahmen, sondern eher seinen Glauben zu teilen, Gott zu vertrauen, wie er Gott vertraute und an die Menschen zu glauben, wie er an die Menschen glaubte. Jesus diskutierte nie über die Vaterschaft Gottes oder die Bruderschaft der Menschen; er war ein lebendiges Beispiel für diese und ein profunder Beweis für jene. So wie die Menschen vom Bewusstsein des Menschlichen zum Gewahrwerden des Göttlichen fortschreiten müssen, so erhob sich Jesus von der Natur des Menschen zum Bewusstsein der Natur Gottes. Und der Meister schaffte diesen großen Aufstieg vom Menschlichen zum Göttlichen durch das gemeinsame Wirken seines gläubigen sterblichen Intellekts und seines ihm innewohnenden tätigen Justierers. Die tatsächliche Verwirklichung der Erlangung der vollständigen Göttlichkeit (bei dauernder völliger Bewusstheit der Realität des Menschseins) erfolgte in sieben Phasen des Glaubensbewusstseins fortschreitender Vergöttlichung. Diese Phasen fortschreitender Selbstverwirklichung wurden durch die folgenden außerordentlichen Ereignisse in der Erfahrung der Selbsthingabe des Meisters voneinander abgegrenzt: 1. Die Ankunft des Gedankenjustierers. 2. Immanuels Abgesandter, der ihm in Jerusalem erschien, als er etwa zwölf Jahre alt war. 3. Die Begleiterscheinungen bei seiner Taufe. 4. Die Erfahrungen auf dem Berg der Verklärung. 5. Die morontielle Auferstehung. 6. Die geistige Himmelfahrt. 7. Die abschließende Umarmung durch den Paradies-Vater, die ihm unumschränkte Souveränität über sein Universum verlieh. ***** 196.2 Jesu Religion ***** Vielleicht wird eines Tages in der christlichen Kirche eine Reform stattfinden, die tief greifend genug ist, um zu den unverfälschten religiösen Lehren von Jesus, dem Urheber und Vollender unseres Glaubens, zurückzufinden. Ihr mögt eine Religion über Jesus predigen, aber die Religion von Jesus müsst ihr notgedrungen leben. Im Hochgefühl von Pfingsten führte Petrus unabsichtlich eine neue Religion ein, die Religion des auferstandenen und verherrlichten Christus. Der Apostel Paulus verwandelte dieses neue Evangelium später in das Christentum, eine Religion, die seine eigenen theologischen Ansichten verkörperte und seine eigene persönliche Erfahrung mit dem Jesus auf der Straße von Damaskus zum Ausdruck brachte. Das Evangelium vom Königreich gründet auf der persönlichen religiösen Erfahrung Jesu von Galiläa; das Christentum gründet fast ausschließlich auf der persönlichen religiösen Erfahrung des Apostels Paulus. Nahezu das gesamte Neue Testament ist nicht der Darstellung des bedeutungsvollen und inspirierenden religiö-sen Lebens Jesu gewidmet, sondern der Erörterung der religiösen Erfahrung des Paulus und der Darstellung seiner persönlichen religiösen Überzeugungen. Die einzigen nennenswerten Ausnahmen zu diesem Befund sind, abgesehen von bestimmten Abschnitten aus Matthäus, Markus und Lukas, das Buch der Hebräer und der Brief des Jakobus. Selbst Petrus kam in seinen Schriften nur ein einziges Mal auf das persönliche religiöse Leben seines Meisters zurück. Das Neue Testament ist ein großartiges christliches Dokument, aber es ist nur ein dürftiges Zeugnis über Jesus. Jesu irdisches Leben zeigt ein transzendentes religiöses Wachstum von den frühen Ideen primitiver Anbetung und menschlicher Verehrung über die Jahre persönlicher geistiger Verbindung bis hin zum Erreichen jenes fortgeschrittenen und erhabenen Zustandes, in dem er sich seines Einsseins mit dem Vater bewusst war. Und so durchlebte Jesus in einem einzigen kurzen Leben jene Erfahrung religiöser geistiger Entwicklung, die der Mensch auf Erden beginnt und gewöhnlich erst am Ende seines langen Aufenthaltes in den Schulen für geistige Ausbildung auf den aufeinander folgenden Stufen des vorparadiesischen Werdegangs vollendet. Von einem rein menschlichen Bewusstsein der Glaubensgewissheiten persönlicher religiöser Erfahrung entwickelte sich Jesus weiter zu den sublimen geistigen Höhen eindeutigen Gewahrwerdens seiner göttlichen Natur und zum Bewusstsein seiner engen Verbindung mit dem Universalen Vater in der Führung eines Universums. Von dem demütigen Zustand sterblicher Abhängigkeit, der ihm eingab, jenem, der ihn Guter Lehrer nannte, spontan zu antworten: "Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott," wuchs er bis zu jenem sublimen Bewusstsein vollendeter Göttlichkeit, das ihn zu dem Ausruf bewog: "Wer von euch überführt mich der Sünde?" Und dieser schrittweise Aufstieg vom Menschlichen zum Göttlichen war ausschließlich die Leistung eines Sterblichen. Und als er solcherweise Göttlichkeit erreicht hatte, war er immer noch derselbe menschliche Jesus - Menschensohn ebenso sehr wie Gottessohn. Markus, Matthäus und Lukas bewahren etwas vom Bild des menschlichen Jesus, der den großartigen Kampf auf sich nahm, den göttlichen Willen in Erfahrung zu bringen und diesen Willen zu tun. Johannes zeichnet das Bild eines triumphierenden Jesus, der auf Erden im Vollbewusstsein seiner Göttlichkeit wandelte. Der große Fehler, der von jenen gemacht wurde, die das Leben des Meisters studiert haben, besteht darin, dass einige sich ihn als völlig menschlich vorgestellt haben, während andere nur seine Göttlichkeit gesehen haben. Während seiner ganzen Erfahrung war er wahrlich zugleich menschlich und göttlich, wie er es jetzt noch ist. Aber dies war der größte Fehler, der begangen wurde: Während der Mensch Jesus als jemand erlebt wurde, der eine Religion besaß, wurde der göttliche Jesus (Christus) fast über Nacht zu einer Religion. Das Christentum des Paulus stellte die Verehrung des göttlichen Christus sicher, verlor aber den kämpfenden und tapferen menschlichen Jesus von Galiläa fast ganz aus den Augen, der durch seinen mutigen persönlichen religiösen Glauben und den heldenhaften, ihm innewohnenden Justierer von den niedrigen Ebenen des Menschseins aufstieg, um mit der Göttlichkeit eins zu werden, und der dadurch zum neuen und lebendigen Weg wurde, auf dem alle Sterblichen in gleicher Weise vom Menschsein zur Göttlichkeit aufsteigen können. Sterbliche auf allen Stufen der Vergeistigung und auf allen Welten können im persönlichen Leben Jesu das finden, was sie stärken und inspirieren wird, während sie von den tiefsten Geistesebenen bis zu den höchsten göttlichen Werten fortschreiten, vom Anfang bis zum Ende aller persönlichen religiösen Erfahrung. Zur Zeit der Niederschrift des Neuen Testamentes glaubten dessen Verfasser nicht nur zutiefst an die Göttlichkeit des auferstandenen Christus, sondern sie glaubten auch mit Hingabe und aufrichtig an seine unmittelbar bevorstehende Rückkehr auf die Erde zur Vollendung des himmlischen Königreichs. Dieser starke Glaube an des Herrn unmittelbare Rückkehr hatte viel mit der Tendenz zu tun, in den Berichten jene Hinweise wegzulassen, die die rein menschlichen Erlebnisse und Eigenschaften des Meisters schilderten. Die ganze christliche Bewegung strebte immer mehr von dem menschlichen Bild Jesu von Nazareth weg zur Verherrlichung des auferstandenen Christus, des glorifizierten und in Kürze wiederkehrenden Herrn Jesus Christus. Jesus gründete die Religion persönlicher Erfahrung in Ausführung des Willens Gottes und im Dienst an der menschlichen Bruderschaft; Paulus gründete eine Religion, in welcher der glorifizierte Jesus Gegenstand der Verehrung wurde und die Bruderschaft aus Menschen bestand, die an den göttlichen Christus glaubten. Im göttlich-menschlichen Leben von Jesu Selbsthingabe waren beide Vorstellungen potentiell vorhanden, und es ist wirklich schade, dass seine Anhänger dabei versagten, eine geeinte Religion zu schaffen, die beide Naturen des Meisters, die menschliche und die göttliche, gebührend anerkannt hätte, da sie in seinem Erdenleben untrennbar miteinander verbunden gewesen und im ursprünglichen Evangelium vom Königreich so großartig verkündet worden waren. Einige energische Äußerungen Jesu würden euch weder schockieren noch stören, wenn ihr nur bedenken wolltet, dass er der unbedingteste und hingebungsvollste religiöse Mensch der Welt war. Er war ein völlig engagierter Sterblicher, der sich rückhaltlos der Ausführung des väterlichen Willens widmete. Viele seiner scheinbar harten Aussprüche waren eher persönliche Glaubensbekenntnisse und Ergebenheitsbezeugungen als Gebote für seine Anhänger. Diese Ausschließlichkeit der Zielsetzung und selbstlose Hingabe waren es, die ihn in die Lage versetzten, in einem einzigen kurzen Leben so außerordentliche Fortschritte in der Eroberung des menschlichen Verstandes zu machen. Viele seiner Erklärungen sollten mehr als ein Bekenntnis zu dem betrachtet werden, was er sich selber abverlangte, als was er von allen seinen Anhängern forderte. In seiner Hingabe an die Sache des Königreichs brach Jesus alle Brücken hinter sich ab; der Erfüllung des väterlichen Willens opferte er alles, was sich ihr entgegenstellte. Jesus segnete die Armen, weil sie meistens aufrichtig und fromm waren; er verurteilte die Reichen, weil sie meistens ausschweifend und gottlos waren. Aber ebenso verurteilte er die gottlosen Armen und lobte die hingebungsvollen und gottesfürchtigen Begüterten. Jesus führte die Menschen dahin, sich in der Welt zu Hause zu fühlen; er befreite sie von der Sklaverei der Tabus und lehrte sie, dass die Welt nicht von Grund auf schlecht ist. Er sehnte sich nicht danach, seinem irdischen Leben zu entrinnen; er beherrschte die Technik, während seines irdischen Daseins den Willen des Vaters in zufrieden stellender Weise zu tun. Er gelangte mitten in einer realistischen Welt zu einem idealistischen religiösen Leben. Jesus teilte nicht des Paulus pessimistische Sicht der Menschheit. Der Meister erblickte in den Menschen die Söhne Gottes und sah für diejenigen, die sich für das Weiterleben entschieden, eine herrliche und ewige Zukunft voraus. Er war kein skeptischer Moralist; er sah den Menschen in positivem und nicht in negativem Licht. Er sah die meisten Menschen eher als schwach denn als Sünder, eher als zerstreut denn verworfen. Aber auf welcher Stufe sie sich auch immer befanden, sie alle waren Kinder Gottes und seine Brüder. Er lehrte die Menschen, sich selber in der Zeit und in der Ewigkeit einen hohen Wert beizumessen. Weil Jesus sie so hoch einschätzte, war er bereit, sich unablässig im Dienst an der Menschheit zu verausgaben. Und es war dieser unendliche Wert des Endlichen, der aus der goldenen Regel einen wesentlichen Faktor in seiner Religion machte. Welcher Sterbliche fühlt sich nicht beflügelt durch das außerordentliche Vertrauen, das Jesus in ihn setzt? Jesus bot keine Regeln für sozialen Fortschritt an; er hatte eine religiöse Sendung, und Religion ist eine ausschließlich individuelle Erfahrung. Kein noch so hoch gestecktes Ziel der fortschrittlichsten Gesellschaft kann je hoffen, über Jesu Bruderschaft der Menschen hinauszugehen, die auf der Erkenntnis der Vaterschaft Gottes beruht. Das Ideal aller gesellschaftlichen Erfüllung kann nur durch das Kommen dieses göttlichen Königreichs verwirklicht werden. ***** 196.3 Die übergeordnete Stellung der Religion ***** Die persönliche geistige religiöse Erfahrung löst die meisten Schwierigkeiten der Sterblichen auf befriedigende Weise; sie klassifiziert, beurteilt und regelt wirkungsvoll alle menschlichen Probleme. Weder beseitigt noch vernichtet die Religion die menschlichen Schwierigkeiten, aber sie löst sie auf, absorbiert sie, klärt und transzendiert sie. Wahre Religion eint die Persönlichkeit, damit sie sich allen sterblichen Anforderungen wirksam anpassen kann. Religiöser Glaube - sichere Führung durch die innewohnende göttliche Gegenwart - befähigt den Menschen, der Gott kennt, unfehlbar dazu, eine Brücke zu schlagen über den Abgrund zwischen der intellektuellen Logik, welche die Universale Erste Ursache als Es anerkennt, und den eindeutigen Äußerungen der Seele, die beteuert, dass diese Erste Ursache Er ist, der himmlische Vater von Jesu Evangelium, der persönliche Gott menschlicher Errettung. Es gibt in der universalen Realität nur drei Elemente: Fakten, Ideen und Beziehungen. Das religiöse Bewusstsein erkennt diese Realitäten als Wissenschaft, Philosophie und Wahrheit. Die Philosophie würde eher dazu neigen, diese Aktivitäten als Vernunft, Weisheit und Glauben zu betrachten - als physische Realität, intellektuelle Realität und geistige Realität. Wir sind gewohnt, diese Realitäten als Dinge, Bedeutungen und Werte zu bezeichnen. Das fortschreitende Erfassen der Realität ist gleichbedeutend mit der Annäherung an Gott. Das Finden Gottes, das Bewusstsein, mit der Realität identisch zu sein, ist gleichbedeutend mit der Erfahrung von Selbst-Erfüllung - Selbst-Vollständigkeit, Selbst-Ganzheit. Die Erfahrung der totalen Realität bedeutet, sich Gottes völlig bewusst zu werden; sie ist die Finalität der Erfahrung, Gott zu kennen. Das ganze menschliche Leben kann in dem Wissen zusammengefasst werden, dass der Mensch durch die Tatsachen erzogen, durch die Weisheit veredelt und durch den religiösen Glauben gerettet - gerechtfertigt - wird. Naturwissenschaftliche Gewissheit liegt in der Logik der Wissenschaft; sittliche Gewissheit in der Weisheit der Philosophie; geistige Gewissheit in der Wahrheit echter religiöser Erfahrung. Der menschliche Verstand kann hohe Ebenen geistiger Erkenntnis und entsprechende Sphären göttlicher Werte erreichen, weil er nicht völlig materiell ist. Es gibt im Verstand des Menschen einen geistigen Kern - den Justierer der göttlichen Gegenwart. Es gibt drei verschiedene Beweise dafür, dass dieser Geist dem menschlichen Verstand innewohnt: 1. Menschliche Gemeinschaft - Liebe. Obwohl der rein tierische Verstand zum Selbstschutz dem Herdeninstinkt gehorchen mag, ist doch nur der vom Geist bewohnte Intellekt selbstlos altruistisch und bedingungsloser Liebe fähig. 2. Interpretation des Universums - Weisheit. Nur der vom Geist bewohnte Verstand kann verstehen, dass das Universum dem Individuum freundlich gesinnt ist. 3. Geistige Bewertung des Lebens - Anbetung. Nur der vom Geist bewohnte Mensch kann der göttlichen Gegenwart innewerden und danach trachten, mit und in diesem Vorgeschmack der Göttlichkeit zu einer reicheren Erfahrung zu gelangen. Der menschliche Verstand schafft keine wirklichen Werte; menschliche Erfahrung bringt keine universale Schau hervor. Was diese innere Schau betrifft, nämlich die Erkenntnis sittlicher Werte und die Wahrnehmung geistiger Bedeutungen, so liegt alles, was der menschliche Verstand tun kann, im Entdecken, Erkennen, Deuten und Wählen. Die sittlichen Werte des Universums werden zu intellektuellem Besitz durch die Betätigung der drei grundlegenden Urteils- oder Wahlarten des sterblichen Verstandes: 1. Selbstbeurteilung - sittliche Wahl. 2. Soziales Urteilen - ethische Wahl. 3. Gott betreffendes Urteil - religiöse Wahl. Daraus geht hervor, dass aller menschliche Fortschritt durch eine Methode geschieht, in der Offenbarung und Evolution zusammenwirken. Wenn nicht ein göttlicher Liebender im Menschen wohnte, könnte dieser nicht selbstlos und geistig lieben. Wenn in seinem Verstand nicht ein Deuter lebte, könnte sich der Mensch der Einheit des Universums nicht wirklich bewusst werden. Wenn sich im Menschen nicht ein Bewerter befände, wäre es ihm nicht möglich, sittliche Werte zu schätzen und geistige Bedeutungen zu erkennen. Und dieser Liebende stammt aus der Quelle der unendlichen Liebe selber; dieser Deuter ist ein Teil der Universalen Einheit; dieser Bewerter ist das Kind des Zentrums und Ursprungs aller absoluten Werte göttlicher und ewiger Realität. Sittliche Beurteilung mit einer religiösen Bedeutung - innere geistige Schau - bedeutet zugleich die Wahl des Einzelmenschen zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum, Materiellem und Geistigem, Menschlichem und Göttlichem, Zeit und Ewigkeit. Das menschliche Fortleben hängt in großem Maße davon ab, ob der menschliche Wille alles daran setzt, sich für jene Werte zu entscheiden, die sein Klassifizierer geistiger Werte - der ihm innewohnende Deuter und Einiger - gewählt hat. Die persönliche religiöse Erfahrung besteht aus zwei Phasen: Entdeckung im menschlichen Verstand und Offenbarung durch den innewohnenden göttlichen Geist. Durch übermäßigen Intellektualismus oder als Folge des irreligiösen Verhaltens erklärter Religionsanhänger kann ein Mensch oder können sogar die Menschen einer ganzen Generation es vorziehen, zeitweilig ihre Bemühungen aufzugeben, den ihnen innewohnenden Gott zu entdecken; es kann ihnen misslingen, sich der göttlichen Offenbarung zu nähern und ihrer teilhaftig zu werden. Aber solches Verharren in geistigem Stillstand kann wegen der Gegenwart und unter dem Einfluss der innewohnenden Gedankenjustierer nicht lange andauern. Die tiefe Erfahrung der Realität der inneren göttlichen Gegenwart transzendiert für immer die groben materialistischen Techniken der physischen Wissenschaften. Man kann geistige Freude nicht unter ein Mikroskop legen; man kann Liebe nicht mit einer Waage wiegen; man kann sittliche Werte nicht messen; ebenso wenig kann man die Qualität geistiger Andacht bewerten. Die Hebräer besaßen eine Religion von sittlicher Erhabenheit; die Griechen entwickelten eine Religion der Schönheit; Paulus und seine Mitstreiter gründeten eine Religion des Glaubens, der Hoffnung und der Wohltätigkeit. Jesus offenbarte und lebte beispielhaft eine Religion der Liebe: Geborgensein in der Liebe des Vaters mit der Freude und Befriedigung, die hervorgehen aus dem Teilen dieser Liebe im Dienst der menschlichen Bruderschaft. Jedes Mal, wenn der Mensch eine überlegte sittliche Entscheidung trifft, erfährt er augenblicklich ein neues göttliches Einfluten in seine Seele. Sittliches Wählen macht die Religion aus als Veranlasserin der inneren Antwort auf äußere Ursachen. Aber solch eine wirkliche Religion ist keine rein subjektive Erfahrung. Sie bedeutet, dass die ganze Subjektivität des Individuums damit beschäftigt ist, der totalen Objektivität - dem Universum und seinem Schöpfer - auf sinnvolle und intelligente Weise zu antworten. Die herrliche und transzendente Erfahrung zu lieben und geliebt zu werden ist nicht einfach eine psychische Illusion, nur weil sie so rein subjektiv ist. Die einzige wahrhaft göttliche und objektive Realität, die mit sterblichen Wesen verbunden ist, der Gedankenjustierer, wirkt in der menschlichen Wahrnehmung anscheinend als ein ausschließlich subjektives Phänomen. Der menschliche Kontakt mit der höchsten objektiven Realität, Gott, geschieht nur über die rein subjektive Erfahrung, ihn zu kennen, ihn anzubeten und sich der Sohnesbeziehung mit ihm innezuwerden. Wahre religiöse Anbetung ist kein sinnloser Monolog der Selbsttäuschung. Anbetung ist persönliche Verbindung mit dem göttlich Realen, mit der Quelle der Realität selber. Durch die Anbetung strebt der Mensch danach, besser zu werden und erreicht dadurch schließlich das Beste. Die Idealisierung von Wahrheit, Schönheit und Güte und der Versuch, ihnen zu dienen, sind kein Ersatz für echte religiöse Erfahrung - geistige Realität. Psychologie und Idealismus sind nicht gleichbedeutend mit religiöser Realität. Die Projektionen des menschlichen Intellekts können allerdings falsche Götter - Götter nach dem Bilde des Menschen - hervorbringen, aber wahres Gottesbewusstsein hat keinen derartigen Ursprung. Das Gottesbewusstsein wohnt im inneren Geist. Viele der religiösen Systeme der Menschen sind Konstruktionen des menschlichen Intellekts, aber das Gottesbewusstsein ist nicht notwendigerweise ein Teil dieser grotesken Systeme religiöser Sklaverei. Gott ist keine bloße Erfindung des menschlichen Idealismus; er ist vielmehr die Quelle all solcher über-tierischer Erkenntnisse und Werte. Gott ist keine Hypothese, die man gebildet hat, um die menschlichen Vorstellungen vom Wahren, Schönen und Guten zu vereinen; er ist die liebende Persönlichkeit, von der all diese Manifestationen des Universums herrühren. Das Wahre, Schöne und Gute der Welt des Menschen werden geeint in der zunehmenden Geistigkeit der Erfahrung der zu den Paradies-Realitäten aufsteigenden Sterblichen. Die Einheit von Wahrheit, Schönheit und Güte kann nur in der geistigen Erfahrung der Persönlichkeit verwirklicht werden, die Gott kennt. Sittlichkeit ist der wesentliche bereits vorhandene Nährboden für persönliches Gottesbewusstsein, für das persönliche Gewahrwerden der inneren Gegenwart des Justierers, aber derartige Sittlichkeit ist nicht die Quelle der religiösen Erfahrung und der daraus folgenden geistigen Schau. Die sittliche Natur ist über-tierisch, aber unter-geistig. Sittlichkeit ist gleichbedeutend mit Anerkennung von Pflicht und mit Wahrnehmung der Existenz von Richtig und Falsch. Der sittliche Bereich liegt zwischen den tierischen und den menschlichen Verstandestypen so, wie die Morontia zwischen den materiellen und geistigen Sphären der Persönlichkeitsverwirklichung funktioniert. Der evolutionäre Verstand ist fähig, Gesetz, Moral und Ethik zu entdecken; aber der dem Menschen geschenkte Geist, der innewohnende Justierer, offenbart dem sich entwickelnden menschlichen Verstand den Gesetzgeber, die Vater-Quelle alles Wahren, Schönen und Guten; und solch ein erleuchteter Mensch hat eine Religion und besitzt das geistige Rüstzeug, um mit der langen und abenteuerlichen Suche nach Gott zu beginnen. Sittlichkeit ist nicht notwendigerweise geistig; sie kann ganz und gar rein menschlich sein, obwohl wirkliche Religion alle sittlichen Werte erhöht, sie bedeutungsvoller werden lässt. Sittlichkeit ohne Religion ist außerstande, höchste Güte zu offenbaren, und es gelingt ihr nicht einmal, für das Fortleben ihrer eigenen sittlichen Werte zu sorgen. Religion sorgt für Steigerung, Verherrlichung und gesichertes Fortleben all dessen, was Sittlichkeit anerkennt und billigt. Religion steht über Wissenschaft, Kunst, Philosophie, Ethik und Moral, aber ist nicht unabhängig von ihnen. Sie alle sind in der menschlichen persönlichen und sozialen Erfahrung unauflöslich miteinander verbunden. Religion ist die höchste Erfahrung der sterblichen Natur des Menschen, aber die Begrenztheit der Sprache macht es der Theologie für immer unmöglich, wahre religiöse Erfahrung angemessen zu beschreiben. Religiöse innere Schau besitzt die Macht, Niederlagen in höheres Verlangen und neue Entschlossenheit umzuwandeln. Liebe ist die größte Motivation, die der Mensch bei seinem Aufstieg im Universum nutzen kann. Aber Liebe, der es an Wahrheit, Schönheit und Güte gebricht, ist nur ein Gefühl, eine philosophische Verzerrung, eine psychische Illusion, eine geistige Täuschung. Liebe muss auf den aufeinander folgenden Ebenen des morontiellen und geistigen Fortschritts immer wieder neu definiert werden. Kunst entspringt dem Versuch des Menschen, dem Mangel an Schönheit in seinem materiellen Umfeld zu entrinnen; sie ist eine Geste zur morontiellen Ebene hin. Wissenschaft stellt das Bemühen des Menschen dar, die offensichtlichen Rätsel des materiellen Universums zu lösen. Philosophie ist der Versuch des Menschen, die menschliche Erfahrung zu einen. Religion ist des Menschen allerhöchster Ausdruck, sein großartiges Ausgreifen nach endgültiger Realität, seine Entschlossenheit, Gott zu finden und wie er zu sein. In der Welt der religiösen Erfahrung ist eine geistige Möglichkeit eine potentielle Realität. Der geistige Vorwärtsdrang im Menschen ist keine psychische Illusion. Alle phantastischen Vorstellungen des Menschen vom Universum mögen nicht den Tatsachen entsprechen, aber viel, sehr viel davon ist Wahrheit. Das Leben einiger Menschen ist zu groß und zu edel, um auf die niedrige Ebene lediglichen Erfolgsstrebens herabzusteigen. Das Tier muss sich seiner Umwelt anpassen, aber der religiöse Mensch geht über seine Umwelt hinaus und entgeht so den Begrenzungen der gegenwärtigen materiellen Welt durch die Erkenntnis göttlicher Liebe. Diese Vorstellung von Liebe lässt in der Seele des Menschen das über-tierische Bestreben entstehen, Wahrheit, Schönheit und Güte zu finden; und wenn er sie tatsächlich findet, wird er in ihrer Umfangung verherrlicht; und er wird dann vom Wunsch verzehrt, sie zu leben, Rechtschaffenheit zu üben. Seid nicht entmutigt; die menschliche Evolution ist immer noch im Gang, und Gottes Offenbarung an die Welt in und durch Jesus wird nicht scheitern. Die große Herausforderung des modernen Menschen ist die Herstellung einer besseren Kommunikation mit dem göttlichen Mentor, der dem menschlichen Verstand innewohnt. Das größte Abenteuer des irdischen Menschen besteht in dem ausgeglichenen und gesunden Bemühen, die Grenzen seines Selbstbewusstseins auszudehnen über die undeutlichen Bereiche des embryonalen Seelenbewusstseins hinaus bis ins Vorfeld des von ganzem Herzen angestrebten Geistbewusstseins - bis zum Kontakt mit der göttlichen Gegenwart. Eine solche Erfahrung stellt Gottesbewusstsein dar, eine Erfahrung, welche die vorausgehende Wahrheit der religiösen Erfahrung, Gott zu kennen, in hohem Maße bestätigt. Ein solches Geistbewusstsein ist gleichbedeutend mit dem Wissen um die Realität, ein Sohn Gottes zu sein. Andernfalls ist die Gewissheit der Gottessohnschaft die Erfahrung des Glaubens. Gottesbewusstsein ist gleichbedeutend mit der Integration des Selbst in das Universum, und zwar auf dessen höchsten Ebenen geistiger Realität. Nur der geistige Gehalt irgendeines Wertes ist unvergänglich. Ebenso kann nicht untergehen, was in der menschlichen Erfahrung wahr, schön und gut ist. Wenn ein Mensch sich nicht für das Fortleben entscheidet, bewahrt der weiterlebende Justierer jene Realitäten auf, die aus Liebe geboren und im Dienen großgezogen wurden. All diese Dinge sind ein Teil des Universalen Vaters. Der Vater ist lebendige Liebe, und das Leben des Vaters ist in seinen Söhnen. Und der Geist des Vaters ist in den Söhnen seiner Söhne - den sterblichen Menschen. Wenn alles gesagt und getan ist, bleibt die Vater-Idee immer noch die höchste menschliche Vorstellung von Gott. * * * * * =============================================================================== **** Fußnoten: **** {1} Livro: "Das Urantia Buch", Parte I: "Das Zentraluniversum und Superuniversen". {2} Livro: "Das Urantia Buch", Parte II: "Das Lokaluniversum". {3} Livro: "Das Urantia Buch", Parte III: "Die Geschichte Urantias". {4} Livro: "Das Urantia Buch", Parte IV: "Das Leben und die Lehren Jesu".